Hans von Müller
Gesammelte Aufsätze
über
E.T.A. Hoffmann
Herausgegeben von
Friedrich Schnapp
Verlag Dr. H. A. Gerstenberg • Hildesheim
1974
Anmerkung des Verlages:
Wir danken den Originalverlagen für die
freundliche Genehmigung zum Abdruck der
einzelnen Beiträge.
© 1974 by Verlag Dr. H. A. Gerstenberg, Hildesheim
Printed in Germany
Reprographischer Nachdruck von Aufsätzen aus den
Jahren 1901-1936 mit Genehmigung der Originalverlage
Herstellung: fotokop Wilhelm weihert kg, 61 Darmstadt
Best.-Nr. 238 00437 • ISBN 3 8067 0437 6
V
Inhaltsverzeichnis
(Mit Quellenangabe der einzelnen Stücke)
* = Neusatz
'* = Erstveröffentlichung
Vorwort XI
Neues von und über E.T.A. Hoffmann 1
(Sonderdruck in 200 Exemplaren nach Aufsätzen in der frankfurter Zei¬
tung* vom 25. und 14. Juni 1901)
Zu E.T.A. Hoffmann: Verzeichnis der Schriftstücke von ihm, an ihn und
über ihn, die im Besitze seines Biographen Hitzig gewesen sind 23
(Euphorion, Zeitschrift für Literaturgeschichte, Neunter Band, Heft 2
und 3, Leipzig und Wien 1902)
Berichtigungen und Ergänzungen dazu 35
(Euphorion, Elfter Band, Heft 4, Leipzig und Wien 1904)
Nachträgliches zu E.T.A. Hoffmann 37
(Euphorion, Zehnter Band, Heft 3, Leipzig und Wien 1903)
Selbstanzeige des .Kreislerbuchs* 41
(Sonderdruck, Ende Dezember 1902)
XAus der Einleitung zum Kreislerbuch 47
(Das Kreislerbuch. Texte, Compositionen und Bilder von E.T.A. Hoff¬
mann, zusammengestellt von Hans von Müller. Im Insel-Verlag, Leipzig
1903)
Nachwort zu den Märchen der Serapionsbrüder 91
(Die Märchen der Serapionsbrüder von E.T.A. Hoffmann. Erste kritische
Ausgabe, mit einem Nachwort von Hans von Müller. Im Verlag von Julius
Bard, Berlin (1906; durchgesehener Neudruck 1920)
Die Königsberger Burgschule und ihr Rektor Wannowski. 147
Aus den Materialien zu einer Biographie E.T.A. Hoffmanns. I.
(Sonderdruck aus der Altpreußischen Monatsschrift* Bd. 44, Königsberg
1907)
Hoffmann, Julius v. Voß und Holbein in Berlin. Aus den Materialien zu einer
Biographie E.T.A. Hoffmanns. II. 155
(Sonderdruck aus den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Ber¬
lins*, 24. Jg. Berlin 1907, Nr. 7)
Nachwort zur ersten vollständigen Ausgabe des .Meisters Floh* 173
(Meister Floh. Ein Märchen in sieben Abentheuern zweier Freunde von
E.T.A. Hoffmann. Zum ersten Male vollständig herausgegeben von Hans
von Müller. Mit zehn [im ganzen zwölf] Zeichnungen von Emst Stern.
Verlegt von Julius Bard, Berlin 1908)
201
VI
*Ein Berliner Theaterbrief E.T.A. Hoffmanns
(Neue Revue, Halbmonatsschrift für das öffentliche Leben. Berlin, 2. Jg.
Nr. 1, 1. Oktoberheft 1908)
*Aus Hoffmanns Herzensgeschichte 1796-1802. Aus den Materialien zu ei¬
ner Biographie E.T.A. Hoffmanns III. 207
(Privatdruck in zweihundert Exemplaren, davon zwanzig auf Kaiserlich
Japanischem Papier. Durchgesehener und namentlich gegen Schluß ver¬
mehrter Abdruck aus der ,Deutschen Rundschau’ [Berlin, Heft 2] vom
November 1908)
Denkmalpflege (Die Vernichtung von Hoffmanns Grabstein) 221
(Kunstchronik. Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe. Neue Folge,
21. Jg. 1909/10, Nr. 10 und 11, Leipzig Dezember 1909)
Nachwort zu Hoffmanns ,Brautwahl‘ 223
(Nachwort zu Hoffmanns ,Brautwahl 1 , mit dem Facsimile einer Aufzeich¬
nung Hoffmanns, Den Freunden, die das Buch selber nicht erhalten konn¬
ten, als Neujahrsgruß für 1911 überreicht vom Herausgeber Hans von
Müller. Privatdruck in 101 Exemplaren)
»Schwester Monika erzählt und erfährt* 261
(Zeitschrift für Bücherfreunde. Neue Folge; 3. Jg. Heft 3, Leipzig März
1911)
Pückler und Helmine Lanzendorf
(E.T.A. Hoffmann im persönlichen und brieflichen Verkehr. Sein Brief¬
wechsel . . . Gesammelt und erläutert von Hans von Müller.. . Drittes
Heft. Anhänge . . . Berlin 1912, Verlag von Gebrüder Paetel (Dr. Georg
Paetel). [Aus der Ersten Einlage zum Abschnitt C des zweiten Anhangs.])
Charlotte Reimann und Hoffmanns künstlerische Huldigung für sie 299
(E.T.A. Hoffmann im persönlichen und brieflichen Verkehr . . . Hoff¬
mann und Hippel. Das Denkmal einer Freundschaft. Mit einer allego¬
rischen Malerei des jungen Hoffmann . . . Berlin 1912, Verlag von Ge¬
brüder Paetel/Dr Georg Paetel)
Abriß von Hippels äußerem Leben 307
(Ebendort; Anhang zur Einleitung)
E.T.A. Hoffmanns letzte Komposition 325
(E.T.A. Hoffmanns letzte Komposition. Zur 90. Wiederkehr seines To¬
destages 25. Juni 1912. Die Musik, Halbmonatsschrift mit Bildern und
Noten. (Berlin) 11. Jg. Heft 18, Juni 1912)
**Die Entstehung des Murr-Kreisler Werkes unter Berücksichtigung der sonsti¬
gen literarischen Produktion Hoffmanns in den Jahren 1818-1822 331
(Eigenhändige Niederschrift Hans v. Müllers im Besitz des Herausgebers)
Fragmente einer Biographie E.T.A. Hoffmanns. Erstes Stück: Letzte Monate
in Posen und Aufenthalt in Plock, Anfang 1802 bis März 1804 383
(Durchgesehener Sonderdruck des Aufsatzes in der Deutschen Rundschau
(Berlin), Dezember 1913 und Januar 1914. In zweihundert Exemplaren
ausgegeben bei Gebrüder Paetel (Dr. Georg Paetel), Berlin, Februar 1914)
VII
*Zwei Sammlungen Hoffmannscher Erzählungen 455
(Berliner Tageblatt vom 8. Juli 1914)
**Zwei Exkurse zum .Ritter Gluck' 457
(Eigenhändige Niederschrift Hans v Müllers im Besitz des Herausgebers)
**Der Legationsrath Kreisler und die Räthin Benzon in der Residenz 1807/08 475
(Desgl.)
.Hoffmanns Erzählungen' 481
(Königliche Schauspiele [zu Berlin], Hoffmanns Erzählungen. Phantasti¬
sche Oper in vier Akten. Text von Jules Barbier nach dem gleichnamigen
Schauspiel von demselben und Michel Carrö. Musik von Offenbach. Kurze
Einführung. [Berlin, 23. September 1915])
Aus der Einleitung zur ersten Ausgabe von Hoffmanns Tagebüchern 485
(E.T.A. Hoffmanns Tagebücher und literarische Entwürfe. Mit Erläute¬
rungen und ausführlichen Verzeichnissen herausgegeben von Hans von
Müller. Erster [einziger] Band, enthaltend die Texte der Tagebücher und ein
Verzeichnis der darin enthaltenen Werke Hoffmanns. Berlin 1915. Verlag
von Gebrüder Paetel (Dr. Georg Paetel). Einleitung)
Drei Arbeiten Hoffmanns aus den ersten Regierungsjahren Friedrich Wil¬
helms III. 511
(Aus den Materialien zu einer Biographie E.T.A. Hoffmanns. IV. Drei
Arbeiten Hoffmanns aus den ersten Regierungsjahren Friedrich Wil¬
helms III. Nebst anderen Mitteilungen aus Hoffmanns Leben und einem Ge¬
samt-Inhaltsverzeichnis der verwandten Publikationen des Verfassers. Von
-Hans von Müller. München und Berlin 1918 bei Georg Müller)
Harichs Hoffmann [I] 591
(Zeitschrift für Bücherfreunde. Neue Folge; 13. Jg. Heft 9, Leipzig Sep¬
tember 1921)
Hoffmanns erste Liebe 595
(Der Feuerreiter, Blätter für Dichtung und Kritik [Berlin], 1. Jg. Heft 6, Juni
1922)
*Hoffmann als „Regierungsrat“ und als „verjagter Offiziant“ 611
(Hoffmann als Richter. I. Hoffmann als „Regierungsrat“ und als „verjag¬
ter Offiziant“. Mit zwei ungedruckten Eingaben. Aus den Materialien zu
einer Biographie Hoffmanns mitgeteilt von Hans von Müller. Mitteilungen
des Vereins für die Geschichte Berlins [Berlin, 39. Jg.] Nr. 7, 1922)
*Callot und E.T.A. Hoffmann 617
(Berliner Tageblatt vom 25. Juni 1922, 4. Beiblatt)
Heinrich Loest über E.T.A. Hoffmann 619
[S. das im Text reproduzierte Titelblatt — Die Broschüre wurde in 400
Exemplaren gedruckt]
*Zum ,Traum des Domküsters Andreas Otto* 633
(Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins [Berlin] 41. Jg. 1924,
Nr. 4-6)
VIII
Hoffmann als bildender Künstler 639
(Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Ge¬
genwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Herausgegeben
von Hans Vollmer. Siebzehnter Band. Leipzig, Verlag von E.A. Seemann
1924)
Hoffmann als Ministerialsekretär in spe 643
(Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins [Berlin], 42. Jg.
1925, Nr. 1-3)
♦Gerhard Salomons E.T.A. Hoffmann-Bibliographie 657
(Deutsche Literaturzeitung [Berlin] 46. Jg. (Neue Folge 2. Jg.) 33. Heft,
15. August 1925)
Aus der Einleitung zu den ,Handzeichnungen E.T.A. Hoffmanns‘ 661
(Handzeichnungen E.T.A. Hoffmanns. In Faksimilelichtdruck nach den
Originalen. Mit einer Einleitung: E.T.A. Hoffmann als bildender Künstler
[von Hans v. Müller]. Herausgegeben von Walter Steffen und Hans von
Müller. Im Propyläen-Verlag, Berlin [1925])
Die neueren Sammlungen von E.T.A. Hoffmanns Werken und Privatauf¬
zeichnungen nach Inhalt und Anordnung untersucht 673
(Zeitschrift für Bücherfreunde. Neue Folge; 18. Jg. Heft 1, Leipzig Januar
1926)
♦♦Hoffmanns Beziehungen zu Dresden und Leipzig 689
(Eigenhändige Niederschrift Hans v. Müllers seines am 23. April 1926 auf
dem Leipziger Bibliophilen-Abend gehaltenen Vortrags im Besitz des
Herausgebers)
Das künstlerische Schaffen E.T.A. Hoffmanns in Umrissen angedeutet 709
(Sondergabe der Gesellschaft der Freunde der Deutschen Bücherei [in
Leipzig]; einmalige Auflage von 1000 Stück, davon 215 numeriert und
handschriftlich signiert. Leipzig, Gesellschaft der Freunde der Deutschen
Bücherei, 1926. [Die Publikation geht zurück auf einen Vortrag Hans v.
Müllers am 25. Juni 1922 im Plenarsitzungssaale des Kammergerichts zu
Berlin.])
Harichs ,Hoffmann‘ [II] 741
(E.T.A. Hoffmann und Jean Paul, Minna Dörffer und Caroline Richter,
Helmina von Ch6zy und Adelheid von Bassewitz. Ihre Beziehungen zu
einander und zu gemeinsamen Bekannten im Rahmen der Zeitgeschichte.
Unter Mitwirkung von Eduard Berend dargestellt von Hans von Müller.
Erstes [einziges] Heft, enthaltend den kritischen Teil und die Darstellung
der Vorgänge bis zu Hoffmanns Verheiratung 1802. Mit fünf Facsimiles.
Verlegt bei Paul Gehly in Köln 1927. - Aus: A. Kritischer Teil, IV.
Veröffentlichungen seit dem September 1912)
Die Meßkataloge als Quelle für die Literaturgeschichte an dem Beispiel
E.T.A. Hoffmanns dargelegt 751
(Sonderdruck aus: Von Büchern und Bibliotheken. Festschrift für Ernst
Kuhnert. Verlag von Struppe & Winckler, Berlin 1928)
IX
*E.T.A. Hoffmann in Dresden am Tage des Napoleonfestes 1813 757
(Berliner Tageblatt Nr. 450, Sonntags-Ausgabe 23. September 1934.
4. Beiblatt Geistiges Leben. [Überschrift der Redaktion:] Dresden, 10 . Au¬
gust 1813. Zwei Dichter bei einem Feuerwerk: Henri Beyle und E. Th. A.
Hoffmann. [I] Der Armee-Intendant. Von Friedrich von Oppeln-Broni-
kowski. [II] Der Kapellmeister. Von Hans von Müller.)
Unter den Linden Nr. 9 761
(Deutsche Allgemeine Zeitung 75. Jg. Nr. 427, Berlin 11. September
1936 (Freitag Abend) unter der Rubrik: Berliner Rundschau)
Autobiographisches und -bibliographisches (Faksimile) 763
(Eigenhändige Niederschrift Hans v. Müllers im Besitz des Herausgebers)
Anmerkungen 767
Register der in vorliegendem Band genannten Werke Hoffmanns 783
Namenregister 795
XI
VORWORT
Es scheint mir ein glücklicher und guter Gedanke, die verstreuten, zum Teil
kaum mehr zugänglichen -Aufsätze Hans von Müllers über E.T.A. Hoffmann im
Reprint-Verfahren und im Neudruck wiederzugeben, um sie den Freunden Hoff-
manns und den Forschem, die sich mit Leben und Werk des großen Romantikers
beschäftigen, im Zusammenhang vorzulegen. Gern bin ich der an mich gerichteten
Aufforderung des Verlages Dr. H.A. Gerstenberg gefolgt, die „gesammelten Auf¬
sätze“ in dieser Weise neu herauszugeben.
Bei der Sichtung des Materials galt es, Aufsätze, die eigene Anschauungen und
Forschungsresultate Hans von Müllers darbieten, von solchen zu trennen, welche
lediglich oder größtenteils Mitteilungen neu entdeckter Hoffmannscher Schriften
oder Briefe enthalten. Die zweite Gattung mußte ausgeschieden werden; doch ist
die Grenze nicht immer scharf zu ziehen.
So war zwar der Aufsatz Aus E. T.A. Hoffmanns Kapellmeisterzeit (Neue Rund¬
schau, Januar 1903), der in der Hauptsache aus 17 bis dahin unbekannten Briefen
und den Erinnerungen Friedrich Speyers besteht, unbedenklich fortzulassen; dage¬
gen mag der Ausschluß der beiden Aufsätze E. T.A. Hoffmann als Musikalienhänd¬
ler- und E.T.A. Hoffmann als Musikschriftsteller (Süddeutsche Monatshefte,
Dezember 1907 und Januar, März 1908 - vereint als Privatdruck 1908 unter dem
Titel Hoffmann und Härtel. Neue Mitteilungen über ihren Verkehr in den Jahren
1799-1819 erschienen) nicht so selbstverständlich sein. Auch hier besteht der Inhalt
zu einem großen Teil aus neu entdeckten Briefen, andrerseits aber ent¬
spricht die Abhandlung über-Hoffmanns Beiträge zur Allgemeinen Musikalischen
Zeitung dem Forschungsstand jener Zeit und ist mittlerweile in solchem Maße
überholt, daß ein Wiederabdruck nur Verwirrung stiften würde. Bedauerlich bleibt
es immerhin, daß nun auch Müllers kritische Auseinandersetzung mit dilettanti¬
schen Herausgebern wegfallen mußte, weil sich hier die Methodik (und das Tempe¬
rament) des Verfassers höchst charakteristisch äußert. ^
Ausgeschieden wurden ferner einige kurze Rezensionen, Erwiderungen und
dergl., die ein Wiederaufleben kaum rechtfertigen können.
Mehr als eine bloße Entschädigung dafür möge die vollständige oder teilweise
Aufnahme von Vor- oder Nachworten und von Exkursen aus größeren Publika¬
tionen angesehen werden.
Eine bemerkenswerte Bereicherung erhält der vorliegende Band dadurch, daß
darin vier Aufsätze zum erstenmal gedruckt erscheinen. In der Abhandlung über
das Murr-Kreisler-Werk habe ich mir erlaubt, einen bibliographischen Abschnitt,
der die Jahre 1828 - 1912 umfaßt, wegzulassen und die Verweisungen auf Seiten¬
zahlen des Kreislerbuches und dessen Gegenstück, der Lebens-Ansichten des Katers
Murr (Leipzig 1903 und 1916) in solche auf Band- und Seitenzahlen der Original¬
ausgabe des Murr-Kreisler von 1820 und 1822 abzuändem.
Die Aufsätze sind nach Möglichkeit chronologisch geordnet und lassen so das
Werden und Wachsen der Hoffmann-Forschung und Hoffmann-Erkenntnis 36
Jahre hindurch verfolgen.
XII
Daß vor allem die frühen Aufsätze hier und da noch (meist übernommene)
Unrichtigkeiten enthalten, ist begreiflich. Derlei Irrtümer werden zwar in der Mehr¬
zahl durch spätere Darlegungen korrigiert, sind aber gleichwohl in den Anmerkun¬
gen auf S. 767—781 berichtigt worden. Acht der insgesamt 35 Stücke wurden aus
technischen Gründen neu gesetzt; vier sind Erstveröffentlichungen.
Seine literarischen Verdienste hat Müller selbst in einem Aufsatz Umrissen, den
er Mitte März 1925, kurz vor seinem 50. Geburtstag, abfaßte. Es handelte sich
damals darum, den Redaktionen von Zeitschriften und Zeitungen Material zu
längeren oder kürzeren Gedenkartikeln zuzuleiten, wobei der von sich in der drit¬
ten Person sprechende anonyme Autor auf alle ihm sonst eigene Zurückhaltung
Verzicht zu leisten hatte. Wir geben die eigenhändige Niederschrift dieser Selbst¬
betrachtung am Schluß des Buches faksimiliert wieder.
Zu diesem autobiographischen Abriß wäre ergänzend hinzuzufügen, daß Hans
von Müller, am 30. März 1875 in Kiel als Sohn des Regierungsbaumeisters Gustav
v. Müller geboren, das Gymnasium seiner Vaterstadt absolvierte, dann in Berlin
und Kiel Geschichte, in Marburg und Rostock Rechts- und Staatswissenschaften
und wieder in Berlin Verwaltungs- und Verfassungsgeschichte studierte. In seinen
letzten Studienjahren half er Eduard Grisebach bei dem Weltliteratur-Katalog eines
Bibliophilen und bei der um die Jahrhundertwende erschienenen Hoffmann-Aus-
gabe (insbesondere der Herstellung des 10., das Murr-Kreisler-Werk enthaltenden
Bandes). 1897-1899 war er Mitarbeiter an der Nietzsche-Ausgabe des Nietzsche-
Archivs in Weimar und lebte seit November 1899 dauernd in Berlin. Wichtige
Funde im Nachlaß J. E. Hitzigs bei dessen Enkel, dem Geheimen Medizinalrat und
Universitätsprofessor Dr. Eduard Hitzig in Halle im Frühjahr 1901 gaben seinen
Arbeiten auf Jahre hinaus eine andere Richtung, und Hoffmann bleibt fortan das
zentrale Thema seiner Forschungen als Privatgelehrter.
Die Stellung als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“, die Hans von Müller seit Sep¬
tember 1915 an der Königlichen Bibliothek, der späteren Preußischen Staats¬
bibliothek, bis zu seinem Tode bekleidete, entsprach durchaus nicht seinem Wissen
und Können; doch hat er sich darüber nie beklagt.
Was seine Publikationen betrifft, so begegnet man bisweilen dem Vorwurf, daß
Hans von Müller nicht imstande gewesen sei, einmal begonnene größere Vorhaben
zu Ende zu führen. Die Gründe dafür, daß Manches Stückwerk blieb, lagen aber
weniger in der außerordentlichen Gründlichkeit und Genauigkeit des Autors, als
vielmehr in den Verhältnissen der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Die Infla¬
tion hatte die Verarmung des Bürgerstandes und den wirtschaftlichen Zusammen¬
bruch zahlreicher Verleger zur Folge; Verlagshäuser, die noch weiter existierten,
wurden vielfach von neuen Männern mit anderen Zielsetzungen geleitet; hinsicht¬
lich der künftigen Entwicklung herrschte eine allgemeine Unsicherheit. Davon
geben Müllers hinterlassene geschäftliche Korrespondenzen betrübliche Beweise.
Mit knapper Not gelang es ihm, die Zehn Generationen deutscher Dichter und
Denker 1928 erscheinen zu lassen; eine ganze Anzahl weiterer Manuskripte blieb
druckbereit liegen, so die Fortsetzung von Hoffmann und Jean Paul, der zweite
Band der Berlinischen Geschichten Hoffmanns und Drei Liebeserlebnisse E.T.A.
Hoffmanns. Von dem letztgenannten Werk, das ursprünglich als „reales“ Gegen-
XIII
stück zu Barbier-Carr& Drama Les Contes d’Hoffmann konzipiert war und Dora
Hatt in Königsberg, Julie Mark in Bamberg und Johanna Eunike in Berlin in ihren
Lebenskreisen und in ihren Beziehungen zu Hoffmann darstellt, lag 1944 der Fah¬
nensatz des ersten Teils bei Gräfe und Unzer in Königsberg fertig vor; die Erste
Liebe wurde dann 1955 von Walther Bulst bei Lambert Schneider in Heidelberg
herausgegeben.
Im Herbst 1941 verlor Hans von Müller seine zweite Gattin, mit der ihn nur vier
glückliche Jahre vereinten. Am 2. Dezember 1943 wurde seine Wohnung bei einem
schweren Luftangriff auf die Reichshauptstadt sehr stark mitgenommen;
Mitte Februar des folgenden Jahres holte er sich bei der Arbeit in den ungeheizten,
eisigkalten Räumen eine Lungen- und Rippenfellentzündung, die tödlichen Verlauf
nahm.
Am 18. Februar wurde er in das Martin-Luther-Krankenhaus in Wilmersdorf
gebracht, wo bei unausgesetzten Fliegeralarmen und dem Detonieren der Bomben
an eine reguläre Pflege nicht zu denken war, und wo man das nackte Leben der
Patienten durch Hin- und Hertransport vom Krankenzimmer in den Keller und
wieder zurück zu erhalten suchte. Dort starb Hans von Müller am 8. März 1944; am
17. März wurde er auf dem Stahnsdorfer Waldfriedhof in Gegenwart einer kleinen
Trauergemeinde begraben. Außer einer in Budapest verheirateten Schwester hinter¬
ließ er keine nahen Angehörigen.
Noch sechs Wochen vor seinem Tode hatte Hans von Müller einem optimistisch
gesinnten jüngeren Verleger den ausführlichen Entwurf einer siebenbändigen Publi¬
kation vorgelegt, worin E.T.A. Hoffmann, seine Persönlichkeit und sein Leben
unmittelbar in den Urkunden dargestellt werden sollte. Die stolze Reihe war in
folgender Weise geplant:
I. Hoffmanns Tagebücher
II. Erläuterungen zu den Tagebüchern; dazu die erste vollständige Veröf¬
fentlichung des sog. Notatenbuchs
III. —IV. Hoffmanns Briefwechsel
V. Beigaben zum Briefwechsel: Nachwort, Anmerkungen und Verzeichnisse
VI. Die Aufzeichnungen von Hoffmanns Bekannten (mit kritischen Erläute¬
rungen)
VII. Hoffmann und seine Umwelt. - Zusammenfassung und Ergänzung der
Urkunden über seine Persönlichkeit und sein Leben.
Der Verlagsvertrag war schon zu Neujahr 1944 abgeschlossen worden, und in
Erwartung des nicht mehr fernen Kriegsendes verpflichtete sich Hans von Müller
aus freien Stücken, alljährlich das druckfertige Manuskript eines Bandes abzulie¬
fern. Er sah die Vollendung seines Lebenswerkes in greifbare Nähe gerückt.
Hamburg, im Oktober 1973
Friedrich Schnapp
Heues
Dort unb über
€. ®. X l)o)Tittonn.
$ein Berliner ^erfteljr,
öns JgrfjufcJ'al feines Uarfjlaffes
unö 5ie «Enfffefiung 5er ^ig'frflen Biograpfji*.
SMft §offmann , § Iextern Brief
unb einem Fragment aug einem Sitgenbbriefe
mitgetljeilt bon
$<*«$ üott IRtttf«.
Berlin 1901.
3
$>a eg Befattnt toar, bafs ^offmann’S Sßitttoe bte Rapiere
if»reS SftanneS, tnfonberhett bie £agebüdf)er, fofort nad£j beffert
£obe an ©buarb £thtg übergeben hat, mufcte eg ber erfte
Stritt etner methobtfdben (Srforfcfjung bon §offmann’S Sehen
fein, bem Berbletb bou §ihtg’S Stadhrajj nachpfpitren. StuS
Sürfdjner’S 2ttteratur=®alenber entnahm ich, bafj ber ©ebjetme
ättebtcinalraifj ©buarb §i^ig in £atfe ein berliner fei,
bermuthlich atfo ein fftadjfomnte bon §offmann’g gleich*
namigem Biographen: ich fud^te ben $errn baraufhtn auf,
fanb meine Shrtnafjme beftättgt unb bnrfte am 10, unb 11. 3Kat
1901 bte uuf §offmanit öegügltcf)en Beftanbthetle bon §thtg’s
Stadhtafj burdhfehn, bie feit bem £obe beS ©rblafferS, 1848,
unberührt geblieben toaren.
@8 ergaben ficf) habet ©nttäufdhungen, aber audE) fehr er=
fteultdje UdberrafdEjungen. Surdfj §ihig felbft tft bieleS bon £off=
mamt’S $anb berftreut ober berntchtet tnorben; baffir fanben
fidf) ungemein mistige Siadhrtchten bon dritten über §offmann,
auf beren (Srfjaltung man faum hatte hoffen bürfen: bie nähe=
ren Angaben über betbeS finb im SEuffafc II 2—4 zu finben.
3u betragen ift es namentlich, bafj §offmann’S Stage*
hü eher in frembe §änbe geraden unb, .tote eS fcfjetnt, nicht
äur BeröffentltdEjmtg p erhärten finb. 8m ©egenfafc basu
fann man bie hochherzige (Srlaubntfj zur unbefdfjränften Ber*
toerthung ber noch im $amttienbefife befinbli^en £thig’fdheu
Bapiere nicht banfbar genug anerfenneu, pmal ber unbefangene
Betrachter öfters genötigt tft, ben dichter gegen feinen S3io=
grabhen in ©dfjufc p nehmen. Safe £tfcig bem arten greunbe
in ben lebten Sehren innerlich fern ftanb unb thm barum
beim beften SBttten nicht gerecht toerbeit fonnte, baS haben
fcfjon (Sßinger 1894 unb mit befonberem Stachbrucf ©rtfeba*
1899 anSgefprodhen; idh habe im Sfaffah I, ber zur 79. SBteber*
fehr bon §offmann’S StobeStag am 25. 8uni 1901 tn ber
$ran!furter Bettung erfcffien, an ber §anb bon §tfetg’g eigenen
SBorten berfolgt, mie bie ©ntfrembung ztotfdhen §offmann unb
§ibtg in Berlin ftufentoeife getoadhfen ift, eine (Sntfrembung,
bte auch äulefct bon beiben nur äußerlich übertounben loorben
tft. Sßorher, am 14. Bunt b. 8./ hatte ich bereits an ber felben
©teile über bas ©chictfat bon §offmann’S Badhlafs unb bie
©ntftehung ber §ihtg’fdhen Biographie berichtet (3tuffab II).
$iefe SluSfithrungen bilben ben SEern ber beiben Stuffähe, bie
ich hierin ©eparatabzügen borlege, Sofe angehängt finb in
I neue Stngaben über bier Berliner fjreunbe §offmann’S,
namentlich über Subtotg Stuguft bon Bebeur unb 8ohanna
4
©untfe; in II 2Jtittbeilungen aus ber Sugeitb beS ©tdjterS,
befonberS über fetne ©ante ©opfjie, bie bisher allgemein —
in ©eutfdjlanb mie iit fffranfreich — als feine mufifaltfche
ßehrmetfteriu gefeiert morben ift. 3$ füge hier nocfj Ijingu,
baß fie älter als föoffmann’S Sftutter mar unb bei beffen
©eburt baS breißigfte SebenSjafjr bereits überfcfjrittett hatte.
23eibe Sluffafee finb fcßnell aufs Rapier' gemorfen unb
haben ißren 3nmd öoWommen erfüllt, menu fie mir für bas
auf bem Umfrage angelünbigte Sßerf noch redftgettig einiges
Material guführen. Stuf ben Umfcßlag barf ich fc§on beS*
hjegen bermeifen, ba icb bort u. a. bie tarnen bon £offmann’S
33 ater, SJtutter unb »ruber gum erften fötale befannt gebe.
Näheres mlrb man lünftijj in ber gmeiten Slbtfjetlung ber
angelünbigten Sammlung ftnbeit.
3Jor bem ßefen bitte ich folgenbe fünf unumgängltdö
notbmenbigen S3eridjtigungen borgunehnten:
I, ©. 2 unten: ftatt ber ißarentfiefe „(bis gu £off=
mann’S lefeter (Srlranfung)" lefe man „außer menu
§offntann, mte im grühiafm 1819 unb in ben lebten
fötonaten, burdj ®ranfbelt gu $aufe gehalten mürbe
unb für SSefucb empfänglich mar";
©.8 3JHtte: hinter „beilommeuben" einefßarenthefeeingus
fcßieben, bie fich an ber ©teile in /goffmann’S ©tctat
finbet: „(folltemohleigentlich heißen*, beifprtngenben)";
ebenba unten: ft. 25, üJlai 1. 25. Srnti;
II, ©. 3 lebte 3etle beS ©e^teS: ft. ßoeft 1. ßbeft
[©oebele 4 VI 468 f.];
©.5 Me: ft. „©heile I. „SC^eile ..." [ßücfe].
©edhftenS bemerfe idh nodj auf 2Bunfcß meines berelfr*
ten SMfterS ©buarb ©rifebacf), baß baS I, ©. 7 unten ermähnte
©onett fcßon bei ©oebefe bergeidhnet ift; bet ©rifebacß ift eS
iebodj gum erften 2Me mieber abgebrucft. ©tatt „£tmmel3=
leim entftammt" fteljt übrigens im „©efeüfchafter" „ent*
ftraßlt", maS aber bielteid^t auf einem ©rudfeßler beruht.
®ie Sftebaction hat mehr SBorte gefperrt, als mir
lieb ift, unb §offmann’S „ötecenfionen" (17 üDHtte) fomte
feines OnlelS „fUieimtngen bom heiligen ©eift" (II 5 2JMtte)
überpffiger 233etfe in 21nfübrung§geicheu gefebt; im übrigen
bin ich ihr aber gu großem ®anl berpflichtet für bie nahegu
ungelürgte Slufnahme ber beiben Sluffäße, bie fidh übrigens
and) feitens ber ^iefigett Sßreffe einer freunblichen 8kacf)tung
gu erfreuen hatten. Sluch ber grauIfurter ©ocietätS*
©ruderet möchte ich hier meinen ®anl für bie faubere &er=
fteüuug ber Slbgüge mieberholen.
[ 1 ]
5
I.
6. £. St. 4?offincmrt mar am 27. ©efrtember 1814
au§ Seidig in Söevltrt eingetroffen. ©ein tjödjflet:
Söunfcf) mar eine StnfteHung als ^abetfmeifter. t<n
ber £bat intereffirte fid) ber ^sntenbant @raf Skmjl
für feine SWufif; am 22. ©d. 1815 mürbe, gur ©ebäd)t»
nifcfeier ber bierbunbertjäbrigen $errfd)aft ber $oben*
goflern in ben Üftcrfen, gouquö’Sgeftfbiel „X u f f i I o"
im ©bernbaufe gegeben, gu bem $offmann bie ©böre
gefegt batte. Stber etje feine ©ber „itnbine" auf bie
SHibne tarn, batte er iid) mit Stiidficbt auf feine grau
am 1. £D?ai 1816 baßu entfcbliefcen muffen, ber ®üuft*
lerfcbaft einftmeilen 95alet gu fagen unb feine burrfj
bie folgen ber <Sc^Iad)t bei £>ena 1806 unterbrodiene
SHdjtertaufbabn mieber aufgunebmen. SIm S?ammer-
geridft fanb er al§ etma§ jüngeren Bottegen Julius
©buarb $ i b i g mieber, mit bem er bon 1804 bi§
1807 in Söarfdjau berfebrt batte, unb auf bie @d)itbcr*
ung biefe§ iljn iibcrlebenben 5ö?anne§ finb mir bisher
im SSefentlidien angemiefen gemefen, um un§ bon
§offmann’§ berliner Seben ein S3ilb gu madjen.
Stber fo bübfd) $ibig’§ ©d)ilberung bon $off-
tnann’f SBarfdjaucr Seben ift, fo fdjief ift feine Dar*
6 [ 2 ]
ftettung bon ben lebten fahren be§ ©idfterS. bet
£fjat modjte cS fdjmer für ifjn fein, bcm alten greunbe
üier getedfiaumerbcn. $offmann Tratte in Sßarfdfau
nidit ungern mit $ißig berfehrt (menn ihm auch
2lnbere, mie ber SDidjier gehend) SBilfjelm S o e ft,
näher ftanben), benn ßttng founte ihm mancherlei au§
ber Söerliner Siteratur ntittljeilen, maS in $offmann’§
letzte 2fufentf)aItSorte s }*ofen unb Sßlocf nod) nid)t bor*
gebnmgen mar. 2IBer jeßt ftanb eS eher umgefecjct;
®offmann mar in 23amBerg unb in (Sadjfen unter ben
ftärfüen inneren unb äußeren ©rlebniffen sum Zünftler
gereift, mährenb /oihig ruhiger gemorben mar unb fidj
immer mehr bem extremen $)$ieti: mu§ suneicjte, ber
fein höhere^ 2 flter fennaeicfjnet. £roßbem Bemühte fid)
£ißig erfidjtlid), ^offmann au protegiren unb gemiffer»
maßen für feinen föreiS mit 93eftd)Iag 3 U Belegen; er
beranftaltete gleidC) am Stage feiner Stnfunft ein großes
®iner für ihn unb Begnügte fid) aud) fernerhin nid)t
bamit, ihn intenfib 311 m gamilienberfeht heranau*
3 iehen, fonbern mußte ^offmartn aud) su Bemegen, fid)
attaBcnblich mit ihm unb feinen pfreunben in einem-
(£af<5 su berfammeln. $offmann ließ fid) baS gefallen,
folange er noch feinen anbern SSerfehr hatte. 2113 er
jebod) als STomfionift ber „Unbine" unb als ©rsähler
Befamtt mürbe, ließ er ben aUsu anhänglichen greunb
allmählich falten; biefer bermod)te it)n nur nod) auf
3 tbei, brei ^atjre 3 ur Sheitnahme an einem möd)ent*
lieh ftattfinbenben (£IuB, bem <3 e r a f> i 0 n § * StuB,
heransu 3 iehen. StußerhatB beSfetben fahen fich 33eibe
faum mehr (Bis 31 t ^offmann’S teßter Grrfranfuug),
fonbern §offmamt 30 g es bor, mit geiftreidjen 2 ßett*
männern in fleinen SDinerS unb 2CBenbgefeHfd)aften
unb mit Zünftlern, bor 2 tttem bem heertidjen
S) e b r i e n t, Bei 2 u 11 e r unb 28 e g e n e r 3 U ber«
fefjren unb fich fo bon ben amtlichen unb literartfcpen
StrBeiten, auf bie fid) ^tnfort feine immenfe StrBeitS»
fraft fon 3 entrirte, 311 erholen. 2)aneBen mar er in ben
leßten fahren ein eifriges SWitgtieb ber fimgeren „Cie*
7
[3]
bertafei", für bie er, tbie (Scorg ©flinger feftgeftellt
bat, mehrere 302ännercböre fomponirt bat.
§ißig fteHte btefe für ihn aHerbingS ärgerliche Irnt-
hncflung in feinen anonymen äftittfieilungen „2lu3
$offmann’§ ßeben nnb Nachlaß" folaenbermaßen bar:
„Steinen üjm näberftebenben greunb fanb tpoffmann jefct
in ^Berlin als #ißig • • • mirflidj lebte $offmann in ber
erften Seit feines feigen StfufentbaltS in 23erlin nur für
bcn engften SireiS feines alten greunbcS . . . gür bie Stöenbe
Batte $ i-£ i g . . . ein anfprudjSlofeS StaffeebauS gemäblt,
. . . unb hier bilbete fidj halb um £offmann unb feine nädjftcn
Sreunbe als Zentrum ein größerer, lebenbiger unb in ficb
bödjit gufriebener girfel, beffen fpätere STuflöfung feiner ber
bagu gehörigen Sheilnebmcr mit ©leicbgiltigfeit trug."
9UfmäbIitf) aber, §ißig toeiß felBer nicht recht, toie,
„machte e§ ficb nicht müjr, tuie fonft", unb $offmann
fiebelte au§ §ißig’§ anfprucf)§Iofem @affeebau§ in
Sebrient’l Söeinftubc. über.
„<So locire benn ber Sßunft begeidjnet, bon meldjern aus
§offmaim’S SBerfinfeit begann, unb, nadb ben medjanifcben
©efepen beS gaüeS, am ©ube leiber :mt furchtbarer (Schnelle."
freilich, „eine Cafe bo£C buftenbcr Blumen (!) tauften,
in ben erften fahren beS toüfien SSeinbauSlebenS, bie <Scra=
pionSsSlbenbe aus bemfefben auf. § i 4 1 g nämlid), bem eS
hjebe tljat, $offmann feinen Jnab'ren greunben um
beS Umganges mit ge «hör übern hüllen gang entfrembet
gu feben, batie bie ©inridjtung begrünbet, baß man einmal
in ber SBocbe in ©offmann’S SBobnung gufammcnfam, . . .
mobei ... bie £)ödf)fte SDtäßigfeit als ^auptgefefc angenom*
men loar, ein ©ritnbfap, bon hoeldjem auch, fo lange jene
gufammenfünfie beftanben, nid)t abgemicben mürbe. £>ie
©runbpfeilcr biefeS BereinS bilbeten nä<bft &offmann, Eon*
i c f f a, St o r e f f, ein auSgegeidjneier Strgt, unb § i b i g.
@in bortreff lieber ineinanbergreifenb .S ßuatuor mochte nicht
leicht gu finben fein" u. f. ho.
9Bic man fieljt, ift ber Blicf beS Biographen nid)t
gang ungetrübt. 9tber berbenfen fann man e§ £pißig
bon feinem ©tanbpunfte au§ nicht, tbenn er nur mit
ttnmuth auf biefe fcheinbare Säreulofigfeit be§ gfreu t»
be§ gurücfbftcfen fann, benn ficherlich hatte er ficb $off*
mann gegenüber nichts gu ©cfjulben fomtnen laffen.
8
fonbern mar bon biefcm nur megen ber SBerfdfjicbetT^elt
ber Temperamente unb Begabungen aHmäpIicp falten
gelaffen morben.
Seiber pat $ipig nur über ben mepr ober meniger
intenfibcn Berfepr ßoffmann’S mit ipm felbft unb mit
feinen greunben berichtet. ®ie anberen Befannten beS
©idtferS nennt er nicht einmal bei Üftamen, unb um ffe
mtSfinbig gu macpen, ift man auf gufattige gunbe an»
gemiefen. 2öie fcpon gejagt, maren e§ im mefentlidien
gmei Streife, in benen $offmann fidfj moplfüplie: er*
faprene unb geiftreicpe 2BeItmänner einerfeitS unb
itüuftfcr anbererfeitS. Bon beiben Tppen möcpte icp
gmei Beifpiele nennen: bon ben ^errett au§ ber ©efeß»
fdjaft ben .«Jauptmann greiperrn b. S ü i t m i (3 fomie
ben fpäteren Stammerperrfr unb Sttinifterrefibenten bon
9i e b e u r, bon ben Zünftlern Submig ©ebrient
unb Johanna @ u n i f e. 9tebeur unb ©ebrient finb,
fomeit mir miffen, unter ^offmann’S berliner Beüann»
ten feine eingigen ©ugfreunbe gemefen.
gerbinanb fDtorip greiperc. b. S "x 11 m i p (au§
Sdjlefien, geb. 27. Dctober 1773, geft. gu ©orfau
i. @d)I. 7. ^uli 1831) mar fdpon mit gmölf ^apren
al§ gapnenjunfer guri Strmee gefommen, batte bann
aber friif) ben ©ienft guittirt unb nur boriibergepertb
mieber im $Japre 1806 bie SBaffen ergriffen, inbern er
aiS .«pauptmann eine ber $auptbaftionen ber geftung
©ofel gegen bie frangöfifcpcn Belagerer bertpeibigte.
@r mar früp in bet* SBadbtftube einer unbegmiuglidien
Seibeitfd)aft für ba§ © p i e t anpeim gefallen, bie ipn
oaprgepnte pinburcp nidpt berliefc. ©onft mirb fein
gartgefiipl unb feine ©elbftlofigfeit gelobt; als biel*
gereifter unb belefener Ultann mar er in Sirfeln geifi»
reidjer SOtanner gern gefcpen, aucp recenfirte er biel,
namentlich Tpeaterftüde. $ e i n e fcpilbert (als Storre-
fponbent beS 9tpeinifd) - SBeftfälifdpen 9tngeiger§) in
einem berliner ©rief Born 26. Januar 1822 feine
„pope feierlidje ©eftalt" im ©egenfap gu ^offmann,
6ejn „fleinen bemeglidjen U>?cinnd)en mit ben emig
9
[5]
bibrirettben ©eften"; er begeidjnet SütimißenS Stecen*
fion beS „K n t e - ,? 901 u r r" (in ber aSoffiftfjen Seit*
itng oom 12. Januar 1822) als „flaffifdj" — maS
freilief) nicht aÜ 3 u ernft 31 t nehmen ift.
Submig SCugrdt b. 91 e b c u r (geb. 31 t Berlin 30.
ödober 1777, geft. ebenba 23. ^uni 1840) mar ber
lebte ©fmoffe eines nur furae Seit bliifjenben, aber
rubntboUen preufeifd)en ©efd)Ied)teS. ©ein Hrgroft-
bater, ber ©obn eines ßaufanncr Sfbbofaten, mar bei
ber KröiiungSfcter in Königsberg 1701 mit feinem
©ruber, bem Eraieber beS bamaligen Kronbrinaen, itr
beit 9fbelftanb erhoben morben. SDeffen Enfel Ebriftian
Submig b. 9lebeur mar bon 1764 bis 1784 ©räfibent
be$ Kamntergerid)tS unb ift befonberS burefj feine
mannhafte Haltung in bent ©toaefj gegen ben SDlüIIer
,9frnofb in ber ©efd)id)ie ber breu&ifdjen Muftis befannt
gemorben. II der feinen fieben Kinbern befanb fid)
Caroline SBilfjefntine b. 38 b e f e r, bie ©erfafferin
beS ©nd)eS „Eliia, ober baS 9Beib mie eS fetjn follte",
unb .§offmann’S ftteunb Submig SCuguft b. 91ebeur.
tiefer batte fid) bon Ssugenb auf in ben bornebmen unb
guftrcid)en Kreifen Serlin’S bemegt unb gehörte u. SC.
aud) ju ben intimften ftreunbeit bon© i S m a r d ’ S
Eltern. Er mar, mie öiittmib, ein meitgereifter,
melterfabrcner SHann, babei ein feiner Kenner ber
fbanifdben Knnft unb ber franaöfifeben, mie ber seit«
geitöffifcben beutfdjen Literatur unb — last not least
— ein geinfd)meder erften StangeS. Sieben einer foft*
baren ©entälbefammlung unb einer gerabeau unljeim*
lid? reid)baltigen ©arberobe bibterliefj er bei feinem
Stöbe eine fleine, aber auScrfefene ©ibliotbef; ber
Katalog, bierbunbert Slummern entbaltenb, ift nod)
im SJlanuffribi erbalten unb lieft fid) mie ein SCuSaug
aus @rifebad)’S Katalogen — allerbingS entbalten biefe-
bon ben bier 3 ebn gastronbmicis, bie ber alte Kammer«
Cierr befaß unb beitußfe, nur eines: ben ©rilfai‘©a»
betrin. ($aS ©iflet .§offmann’S an tCjn, baS ©tifebad)
entbedt unb in ber Einleitung 31 t feiner auSgeaeid)«
10
[ 6 ]
neten SluSgnßc beröffcntlicfjt f)at, ifi eine bebauernbe
Stbjnge an beit greunb, ber ihn mit anberen greunben
gu einem ©honipagnerbiner gefaben.)
^offmann’3 SSerfchr mit Subtnig © e 0 r i e n t
(©aniel SrntiS ©., geh. gu Berlin 15. ©ecember 1784,
geft. ebenba 30. ©ecember 1832) unb beffen ^erfön-
lidfjfeit fiitb allgemein befannt; eine föftlidje, mit un«
mittelbarfter grifdfe miebergegebene ©jene, bie fid) am
3Ibenb be3 1. Sltai 1820 nadf) ier Sluffiifjrung be§
gtueiteu 2I)eiIe§ üon ,,$emrid) IV." unter ben greun-
Sen abgefptelt haben foÜ, hat ©rifebad) in einer alten
Hamburger Seitung aufgefunben unb am angegebenen
Örte mieber abgebrucft. Sine anbet , faft ebenfo
luftige ©efdjichte hot ber Slfabemieprofeffor griebrid)
SBilhelm © u 6 i h in feinen unfceimiIlig*fomifd)en
„(Erinnerungen" aufbetnahrt. ©t fam einft um 11 lltjr
mit gluei ©djaufbielern bei Sutter unb SSegener borbei
unb fanb, bafj e3 fjödjftc Seit fei gu 23eite gu gehen.
,$er faß fedjS Suß tjoThe, betfcfräfiige 9t a g e l unb ber auch
hanbfefle © t e i n hatten aber, wie fid) nachträglich entbedte, einen
©ewalifiteiih berabrebet: bet (Stne ergriff mich bei ben ©djultern,
ber Slnbere bei ben gfißen, unb fo, wie fefjr idh miberftrebte,
fi^lebbienfie mich hinein, gtabhin in bad (Stfgttnmer, wo ©ebrient
unb ®aHot«§offmann mit ihrem Slnhmge faßen. SLobenbe Sufi
begrüßte in toldjemÄretie, wo mancherlei Ueberipannung herrichte,
ben an mit oollbrachten Swang; ich wußte mir ein Suirinfen ge*
fallen taffen unb e8 jelbft üben.... 9tad) meinet Wohnung fam
ich jeboch erfi ÜJlorgeni hier Uhr, unb au@ jenem Stfgimntei habe
ich wir ben unbergänglidun WtbetWiQen gegen ßijampagner ge*
Ijoli, waS gewiß fein Unglüdt ift."
©in. Söiffet ^offmann’3 an ©ebrient befifct her 33er-
lagSbuchhänbler © e i b e I in Seipgig mit ber (au£
Slönnede’S 33ilberatla3 befannten) S e i d) n u n g , bie
bie greunbe imOteftaurant barftellt; ein ähnliche^
SBilXet born 9. Januar 1821 befiht ©djreiber biefer Sei¬
len, aber bie begleitenbe Seirf)nung ift hier toeniget
fröhlich: ^offmann fiht im ©d)Iafrod auf bem ßehn-
ftuT)l unb bittet ben greunb um einen ®ranfenbefuch.
11
[7]
©r fügt aufmunternb Ijirtsu, öüttmifj fei n i d) t ba,
toorauB alfo fjerborgeht, baf 3 fitfj Sebrient menigftenB
bamalB mit bem geiftreidjen ©aron nidjt gut ftanb.
Sohanna ©uinte (geb. in Berlin um 1798, geft.
ebenba 28. Stuguft 1858 alB ©attin beB befannten
SO'JalerS $rof. gran$ Krüger), becen ©Itern beibe
emgefehene SRitglieber ber ©erliner Oper mären, trat
im Sfuguft 1809 aum erften'Rtafe öffentlich auf; @e-
fang unb ©piel beB elfjährigen ÜÖtäbchenS fanbett bie
märmfte Slnerfennung, auch bon berufenen ®ritiFern
mie bem berliner Referenten ber SIßgemeinen fDtufi*
falifdjen Leitung. 9fm 12. gebruar 1813 mar bann
ihr Sebut bei bei Föniglidjer. ©per, unb, mie eB in ber
felben 3eitfäjrift Reifet, fanben ffdfj äße Shiuftfreunbe
in ihren ©rmartungen bei SBeitem übertroffen, ©inen
ihrer höchften Sriumppe feierte fie, alB fie am 3. Sfuguft
1816, bem ©eburtBtag beB ßönigB, bie Unb ine in
tfmffmann’B Ober creirte; ber ©eifaß mürbe biel-
leidjt nur nod) übertroffen bei ihrem Auftreten alB
SInndjen in Söeber’B „greifchüfe" (f. §offmann’B „Ste-
cenfionen" bei ©rifeöach ©b. XV, 85 unb 91, mo
Berichtet mirb, SBeber habe bei feinem San! fie unb bie
«igathe [9Rab. © e i 1 e r] mit bor bie Rampe geführt;
fie fang biefe Stoße in ben fahren 1821—1824 69
Rtal). §offmann ftanb mit ihr in einem beglichen,
öaterlidhen greunbfchaftBberhältnifj unb hielt fie über
feine literarifdjen Arbeiten ftetB auf bem ßaufenben.
©o fanbte er ihr am 2. SRära 1820 — mohl B« ihrem
©eburtBtage — ben foeben erfdjienenen erften ©anb
ber „SebenB-Sfnfichten", bie er feinem SaterSWurr
in ben SRunb gelegt, mit einem Sonett beB bidjten*
b e n ® a t e r B ; eB ift unterenhnet „Murr dtudiant
en belles lettres et chanteur trös renommö". ©b-
gteid) biefeB©eIegenheitBgebichtd,en eher in eine@amm-
lung bon $offmann’B ©riefen arB unter feine Schriften
gehört, hat eB ©rifebaep, ber eB im „©efeßfdjafter" ent-
bedt hat, einftmeilen in feinen XV. ©anb ausgenom¬
men, auf ben ich alfo bermeife. Sfm 8. Januar 1822
12
[ 8 ]
fambte er ben neuen Jahrgang Dort ©auerlänber’3
„Wbeinifchem Xefdjenbudj" mit feiner ©rgähluitg „Sie
iftaitber" gur ®enntuifenahme an $ifeig „mit ber Sitte
um balbige Wücfgale, ba id) e§ ber Johanna Q. ber¬
ühren miH". 2fm 1. 9Wai enblid) fanbte ber STobtFranfe
fein festes Sud), ben bon ber Gcnfur glüdlid) mieber
freigegebenen „SW ei ft er gl ob" an fie mit einem
-rührenben Siltet, bem lebten S c I e f e, ben fair
tmn ibjm fennen. SBie e§ fdfeint, fanb ff mann mit
Dtecfet, bafe ber 2lu§feilf§f<hreiber, bem er bie SSorte
biftirt, 3 u elenb geflej-t hatte, unb liefe ba§ Silfet noch
-einmal abfdjreibe ; fo bat fi<h bie erfte Wteberfcferift in
feinem Wacfelafe erhalten, ©ie lautet:
Johanna!
$<f) fefee Shren freunblichen Slicf, ich höre Öhre
füfee, liebliche «Stimme: ja oft liebelt mir in fdjlaflofen
Machten entgegen: „9Worgen fo hell" zc. ®ie§ tröftct
mid) für bie namenlofen Seiben, meldfe mid) fdjon feit
tnerteljalb SRonaten nidjt bon bem ©ied)bette frei laffen.
©eläfemt an ,§änben unb güfeen, bin ich aufeer ©tanbe,
^hneit beifommenben SWeifter gloh felbft §u über*
reid)en. §ier ift er, aber mittelft lleberfenbitng. Seien
Sie, lachen @ie, benfen ©ie alles babei, ma§ $;br fröh¬
licher ©inn, Sfer feiner Xaft $jfenen eingibt, unb mo-
gegen — fein SWinifter etmaS eintnenben fann. ©ott
mit S'fenen, ich hoffe ©ie halb miebergufehen.
Serlin, ben lten 9Wai) 1822.
*
2ld)t SBodjen füllte er nod) meiter leben in bem
guftanbe, ben er hier fdjilbert. Sfm 25. SWai 1822
DWorgenS 10y 2 tthr ftarb er, am 28. mürbe er (nad)
'•bem Segräbniferegifter ber ^erufalemer Kirche) auf bem
„III. Kirchhof" bor bem £allifcfeen £feore beigefefet.
llnb am folgenben Sage, mährenb feine „mähren
greunbe" #ifeig unb gouquö in ©rmägungen barüber
«intraten, ob bie ©eele be£ ©ünberS gerettet fei, ber*
fammelten fidj bie gottlofen „3 c d) b r ü b e r" gu einer
13
[9]
lobten feiet in ^offmann’fdjem ©imte. gfriebridj
$ ö r ft e r hatte bagu einen ©efang gebidjtet (anfdfjei-
nenb nad) ber barnalS nodj nicht fo abgeleierten SMobie
beS Strnbt^anitfdj’fdjen Siebes „@inb mir bereint gur
guten ©iunbe"), ein bradjtboK trofjigeS Sieb bon ber
Ueberminbung beS Stöbe» burd) bie ^errlidjfeit beS
fdjaffenben STüuftlergeifteS. SBir laffen e» hier (nach
ber erften SSeröffentridjnng im „Qufdjaiter" bom
6 . \ 3 itli 1822) §um ©djluffe folgen:
91 a d) t u f
au unfern fffreunb 6 . S, 9L $offjnnnn.
3« Der jüngeren Siebertaiet gelungen.
©S tbirb fein ®rang bon uns gemurtben,
Saß feine Stofen nicht berbKiljn;
SeS Sebent fd)öne geierftunben,
. @ie gelten auf, fie fahren Ijin.
SBir reidjen traulich uns bie £änbe,
SBir meinen tbo()I, mir halten feft;
Unb ob un§ aud) ein ©ott berbänbe,
SBir fdjeiben halb bon biefem Seft.
9tur ©ineS ift unS unberforer.
Unb fürchtet nidjt beS ©rabe» £aft:
SDer © e i ft, ber aus bem ©eift geboren,
SDaS Unöergänglidje erfdjafft. —
<00 fdjieb ein greunb au» unferm 33 unbe,
©r fbrach un» manches heitre SBort,
©r lebt in feber guten ©tunbe
S3ei uns in feinen Siebern fort.
SBir fudjen Sich nidjt in ben Stiefen,
SBir fudjen ©ich nidjt hodj unb fern;
§ i e r mehn bie ©eifter, bie Sich riefen,
S)eS SBeineS unb ber Siebe ©tern.
Unb foK Sich ©lodenton geleiten
Stuf Seines SebenS lebtem ©ang,
SBohlan! fo lafjt bie @ 1 ä f e r läuten
8« hellem, frohen geftgefang!
Sie Sofjifdje 3eüung Brachte am 2 . $ult 1822 einen ano-
rtirnen SeFrotog auf !q off mann, in bern e§ nad) einet
fummatifd)en äöürbigung be§ Serftorbenen fcei&t: „Oodj
eine Giharaftetifiif unb ülufjäHIung üon §offmann'S jämmt-
tidjen ©griffen wirb in einem 53ud)Iein erfdheinen, ba§ brei
feinet alhfien unb bewäHrteften greunbe aum SortHeil
feiner SBiliroe Herausgeber, wollen, unb worin bem SubliFum
be§ Sntereffanten überhaupt biel geboten werben wirb. SSttr
begnügen un§ Hier, barauf im oorauS aufmerffam ju mad^n."
3n ber 2Hat ift ge^n Monate barauf eine Siographie £off-
tnann'S erfcHienen, bie im tüefenllic^en non brei greunben be§
SCerflorbenen oerfafjt mar. 06 biefe mit ber Hier ermähnten
ibentifcH finb, mag baHtngefiellt bleiben. Oie faltigen Sßer-
faffer jener 93iograp£)ie finb OHeobor ©ottiieb p. §ippel, bet
Serfaffer be§ „Aufrufs an mein 93olC", bamal§ Dfegierungs-
©Hefpräfibent ju Üttarienmerber; ein Dr. med. © p e p e r, ba-
ma!3 ^HHficuS am ßanbgeridjt ju Samberg; unb 3ultu§
©buarb i tj i g, bamalS ßriminairatH am ßammergeri^t iu
Setün. § t p p e I fdhilberte ausführlich £offmann’§ 3fugenb
(bie SaHre 1776 / 95 , Furfotifdj bann bie 3eü bis 1808 ),
©pepet — ein red)ter Setter oon §offmann*,f?rei§ler’3
Sfulia _ befchrieb bie 3eit, bie er gemeinfam mit ihm in Sam¬
berg oerfebt Hatte ( 1808 / 13 ), unb £ t & i g Fonnte au§ eigener
aßaHmeHmung über fwffmann’ä Seben in Söarfchau ( 1804 / 07 )
unb Serlin ( 1814 / 22 ) berichten. @r übernahm e5 aud;, bie
16
[ 2 ]
Süden burd) AuSjiige au3 ^offmann’ä Tagebüchern *) unb
Sörtefen auSjujüHen unb ba§ ©anje ju rebigiren. 3 n ben ©ei¬
trägen feinet Mitarbeiter nahm er Dabei mandje «Streichungen
bor unb fügte Dafür jmei iibetflüffige äfthetifdje Abfindungen
feiner „jungen greunbe" § ä r i n g unb 531 a r g an; ferner
bereicherte er feine Kompilation Durch ben SÖieberabbrud_ oon
fünf Arbeiten, bie §offmann in ©ertiner 3 eitf«hriften oeröffent«
licht hatte: bem „©djreiben eines Ktoftergeifilidjeu" (au§ bent
„greiiniithigen" bon 1803), bem ©erid)t über bie ©amberger
©alberon-Auphrungen (au§ ben „fDtufen* Don 1812) unb ben
brei rührenben ©fijjen „©eS ©etter§ ©dfenfter", „©aibetät"
unb „“Sie ©enefung" (au<3 bem „3u}d)auer" bon 1822). <So
roi 4 § fich ba§ in jener ©efrolog-Wotij angefünbigte ,,©üd)(ein"
3 U einem flmeibänbigen SBerfe au§, ba§ Anfang 9M 1823
anonym gu ©etlirt erfdjien.
©on ben ©tatetialien, bie ber ©iographie ju ©runbe liegen,
hat £>ifeig bie % a g e b ü <h e r unb bie © n t m u r f b ü cf) e r
£>offmann'§ berfdjenft; er tonnte, toie er in ben breifeiger fahren
an ® o r o m jdjreibt, nicht leicht einem Autographenfammler,
ber fid) an ihn roanbte, abfdjlagen, raonad) fein §erj begehrte,
©inen Töeil mag er aud) vernichtet haben; benn, mie er bem»
fetben SDororo mittheilt, h Qtle ec üoße ©tonale
ba 3 u venvanbt, ganje ©erge ber pitanteften vertrau¬
lichen 5Jtittheilungen au§ einem 3 eitraum von faft
40 fahren nad) genauer ©urchfidjt bem geuer ju
übergeben. Snbeffen rnitb ber gtßfeere Theit biefer ©ücher mohl
*) hoffmann’S 2 B { 1 t m e übergab alle Rapiere 3 U beliebiger
Söetmenbung an @ t fe i g; bie übrigen (Sachen mürben berfieigert.
Nippel bermanbte ftd) mit (Srfolg bafür, bafj fte eine ©ettfioti
erhielt, Aach Auflöjung beS £au8flanbe3 begab fie fich atSbalb in
ihre polnifdje .£>etmaih jutücE, mo ihre Angehörigen nod) lebten:
ihre alte Ututter, bte 2Bitttoe beS ©ofener ©tattprafibenten
gtorer.SrahnSlt, ihre ©ch^efter unb ihre mit bem Santi*
rath »on Setrpdi in 2 Deutfd)--Ofttoteo berljeitathete Aidte.
Unter ben foenigen Anbenfen an ihren gmanjigjähtigen @heüanb,
bie fie behielt, befanb fich ber fupferne Theefeffel, in bem fie ihrem
©tarnte, mie biefer in einem <5inlabung3biHet an Sebrient rühmt,
ben fßnnfd) flets „fehramon* bereitet hatte- Aod »or ihrem
17
[3]
nodj porbanben fein; ©offmann’g 5ß(ocfer ©agebudj, aus ben
3ot)ren 1803 unb 1804, ifi int Vefi|e be§ ©eheimen ©ofrail)§
Vrofeffor 5?ürfd^«er in (Sijenarf), bet in bem betreffenben
Sonbe feiner „©eutßen 5ftattonal»2iteratur" eine ©eite baraug
bat facfimiliren Taffen. ©djon au§ einer Vergießung biefer
©eite ergibt fß bie Unöoaftänbigfeit unb Ungenauigfeit ber
©itRg’ßen SluSgüge, unb e§ roare mir alfo fe&r errafinfd&t, gu
einer ©efammtaugga&e Don ©of f m ann’g ©age-
b ü dj e r n unb Briefen, bie id^ oorbereite, möglßft uieC
Driginnte gur Vergießung gu erhalten. 2111 e V e} i k e r
t>on©offmann.2Iutographen bitte ich alfo
hiermit i n ft ci n b i g ft, mir ihre © rf) ä ^ e g u
bie fern 3®e(fe auf einige Stage anguper«
t r a u e n. f)
2Iße§ anbere üOiaterial gut Viographie beftnbet fich jebocfi
nod) heute im Schlaffe ©i&ig’S; beffen ffinlel, ber ©eheime
ffltebictnalratb gkofeffor ©r. © i jj i g gu ©alle an ber ©aale,
hat bie Venßung biefer «ßapiere giitigft geftatiet. Von ©off«
mann finb Porbanben 23 Vriefe an ©iljig, 2 «Briefe an 2Inbere
unb 4 fonftige fleine hunbfchriftlidje ©lüde, fomie bie acht
Hummern be§„3ujcbauet" Pon 1822 mit bem „(Jclfenfter" unb
ber „©enefung"; ferner 6 Vriefe an ©offmann; iib er ©off«
mann enblß bie «D^anufcripte bet-ffllitbiogra-
p h e n © i p p e 1 n 'n b © p e t; e r unb eine 2Ingabl gum ©heit
roßtiger Vriefe, barunter 8 Pon Rippet unb je einer uon ©off»
manßs SBitlroe unb uon feinem beften 2Barßauer ftreunbe,
bem ©ßter ©einrß 2 o e f t.
(@nbe bet 50et Sahte gu SSatmbrunn erfolgten) Stöbe ü6ergab Re
oteie vteltqute bet noch heute hißbetagt in SDreSben lebenben
2Dd ioL ti0 , n ® jt ‘« 3ßann Offmann (geft.
um 1805 als Slffeffot) unb je^t iR et toohloettoahrt im SeRfee bon
biten ©itfelin, einet ItebcnSroütbigen jungen 2>ßlerin in SDreSben.
: ^ ® e,Hn NW 1 > S)otoiheenRraRe 65. 3ß
Rlber beftpe 34 ©offmann. ülnlographen, baruntet 24 eiqenhänbige
Vriefe mit $alutn unb llnterßtift. Von biefen ift bie ©älfte in
bet etnletiung gu © r i f e b a ch ’ 8 boriiefflßet ©offmann.2Iu8«
gäbe abgebrudt; bie übrigen Rnb etft fpäler in meinen Vefffe au
langt unb hauen noch ber Veraffenitßung. $>. Sexf.
18
H]
§ippel Jjat feiner ausgezeichneten ©arfMtingUon^offmann’S
Sugenb, aus ber §i£ig nur einen gebrängten 'HuSjug gebraut
bat, als ©elege zehn Quaftbefte mit fllbfdjriften refp. 'JtuSjiigen
oon 48 ©riefen beigefügt, bte §offmann in bert fahren
1794—1808 an ihn gerirfjlet batte. §iljig bot 4 oon biefen
S3riefen ganz weggeloffen unb audj bie übrigen 44 nur frag»
mentarifd) mitgetbeilt. ©leid) im erfien ©tiefe, Dom 7. ®ecem»
Ber 1794, bat er eine ©ritäb tung unterbrüdt, bereit 30Zit=
tbeitung feben Sfreunb ^offmann’S erfreuen wirb, ba bie 9Irt,
wie hier ber 18jäbrige Gtubent einen ©ummenjungenftreid) Be-
fdjreibt, jdjon ben fünftigen grojjen £umorifien erfennen läfjt.
(gioffmann’S erfteS ©ucb erjd)ien jmanjig 3abre nach ber 21b-
faffung biejeS ©riefeS.) ©t fdjreibt, wohl in ülnfnüpfung an
eine fDHttbeilung be§ fjreunbes:
*
„©ie iiberStnbbotft’S fdjmude wetfjgebleicbte e i t b o f e n
auSgeid)ütlete fUUjjIauge*) ift mir jebr fomijd) norgefommen;
mir fiel habet) etwas ein, raoöon idE) nidjt weife, ob id)§ ( 2Dir er-
gäbtt habe.
Söte 9Inbad)t unb $römmigfeit, bie immer mit golbenem
3epter in unfrer gamilie gebertjebt haben, e§ beifd)te, bafe wir
unfre ©iinben bereuen unb jur Goramunion gehn mußten,
wolle ber bide <Sit**) redjt anfiänbig erfdjeinen unb mufcb
habet grepiag Dotier au§ feinen jdjroarjen £>ofen febr forgfältig
bie Siubera be§ ©urdjfallS einer unoerfebömten ©djtoalbe unb
ber fetten Steile ber Sauce eines roobljcbmedenben Ragouts,
Bing fie bei; febr fdjönem SBetler uni er fein fünfter unb wat-
ftbelte barauf jum bpDodjonbrifdjen greunbe. — Unter bet Seit
entftanbein heftiger ©lajjregen ; faum fab id) bie burdjnöfeten
§ofen, als ich ben unwiberfteblicben 2rieb fühle, bem ißlajjtegen
*)SinbI)orfl war ein SBefannter bet fjreunbe, ber iljnen oft
aut S'äfdjeibe biente — tängft tobt. $ieje ffuttile Slnelbote Wat
eigentlich bte: S„ ein Wann in miltlein Sapten, bet föeinltchleit
u Stegana überaus liebte, wollte feine auf einer Sagb fd)mufe»s
geworbenen £ojen felbfi bleichen u Detjab fidl in bet Sauge.
**) 2)ie leibige gewöhnliche Benennung tcB OntelS Dito.
19
[5]
Ein »enig 3 « gmlfe gu fommen: idj feerie alfo 5 ©ieBfannen
unb 3 bolle Pots de Chambre auf bie unglücüidjen §ofen au§,
welches alles fich feör fdjön eingog unb fte bermafeen feiner
machte. baB berlßinbfaben, woran fte gingen, fte faunt gu halten
bermodjte. — Ulis Sir Olt nach §aufe fam, War bereifte©ang
gu feinen §ofen. gleid) nicht 1jeHe Xbränen über bie
rolbbrauen SBangenfetneS IHngefichlS, fo berrietljen bodj flägltd&e
Seufzer bie Slngft fetneS £>ergenSunb SchmeiSfropfen wie Werten
auf ber orangenen Stirne benßampf feiner Seele — 3Stunben
manb er bie Communions-f)ofen, um alles Söaffer hinaus gu be-
fommen. ©es SlbenbS Wagte er fetnllnglüct ber ganzen gamilie
unb bemerfte gugleid), bafs mit bem ^ßla^tegen bäBlidje Xbeile
unb uerberbenbe ©ünfie Ijerunlergefallen waren, bie totalen
SJiiBwadjS berurfadjen würben, benn ber Qcimer SBaffer, ben er
feinen £)ofenauSgepre&t, bällegangbefiialijchgefiunfen: worüber
benn, als eine Sanbplage, bie gange gamilie feufgte, ausge¬
nommen bie Xante, welche lädfelie unb berfiedl äu^ene, baB ber
©effanfwolftau§ ber üluflöfung gewiffer angetrodneter Xbeile —
eniftaitben fetjn löunte. — 3 d) gehörte gu ber Sßartbie, bie bie
Sanbplage annahmen, unb bewieB, bafj, wenn bie SEÖolfea hell¬
grün au'sjäben, e§ immer fo märe —. ©er Dnfel beriheibigte
bie Steinigfeit feiner §ofen unb fagte, fie wären fo orthobos, wie
feine „UJhinungen bom heiligen ©eifi. -
*
©ie Stanbnoten gu biefer Schnurre flammen bon § i p p e I,
ber fie gu £)ihig’§Drientirung mit S3let anbenfftanb gefdjrieben
hat. ©ie Sude gegen Sdjtufj finbet fuh fo in ber 'Jibfcbrift.
©ie Orthographie ber 9lbfcf)rift ifi Maffen, bie Snterpunfiion
hie unb ba geönöert. ©er 9tame Sinbborfi fehrt im „®otbenen
Xopf" wieber. — 3nr Sache felbft wäre bie ausführlicheSdjil-
berung gu bergteidjen, bie fnppel bon §offmann'8 bän g liä&em
Sehen, namentlich bon fetnem 93erhäftni{j gum O n f e I macht;
tnbeffen wollen mir uns heute auf bie X a n t e, als bie erfreu¬
lichere ©rjdheinung, befdfränfen. £ippel fagt bon ihr, nachbem
er über §offmann'S ©roBmulier unb fUtutter gefprodjen, nur
wenige SBorie, bie £)tyig mit leichten fiiliftifchen tforrelluren
übernommen hat:
20
[ 6 ]
„©eifireidj, gefeßig unb Reiter roar bagegen bie % a n 1 e.
©ie mar bie einzige im §aufe, bie feinen (Seift begriffen batte,
©ie pflegte unb liebte ipn über 9Iße§, fa fie oerjog ipn eigent¬
lich . (Et üergatt ihre Siebe burdp bie lreufie 2Inpänglid)feit.
©etbfi in ben Sagten, al§ et fd^on jum Jüngling gereift mar,
mar fie bie ©ertraule aller feiner ©tprocidjen. Keine ätnbere pat
§offmann aucp in bet SugenbgefcpicpteKieisIet'S gemeint, menn
ec ipt ba§ rüprenbe Senfmal fetjt."
äleber mitb bei biefen etma§ unnorfidfligen Sßorlen fiep be§
ppaniafiifdjen ©etidpiS erinnern, ben Breisler im „Kater fDiurt"
(©b. I, ©. 148/81, in ©rifebacp’S ©efammtauSgabe ©b. X,
©. 80— 94) üon feiner Sfugenb gibt, Sie (Erääplung beginnt
poffenpafi: e§ ifi tion ber Ürbfenfuppe bie Siebe, bie KreiSlet’S
©ater fidj bei beffen ©eburt über ben ©ait gtefji, fobann Don
ber atlafjenen fliaiptpaube ber ©ropmutter eines Sauteniflen
Gürtel u. bg(.; bann mirb ber ©eridjt in „natiirlicpflem Ueber»
gang" tief roepmüipig, inbem berlEraaptec auf feine Junge Xante
3 U jpredjen fommt, bie bei bem ÜJionfieur Xurtel Unleuicpt ge¬
habt unb e§ jur ©irtuofität auf ber Saute gebraut bat: er
fdjitbert, wie bie £)immel§iöRe ipteS ©piet§ ipn'alS Kinb tn füfie
Xräume geroiegt paben unb raie fie bann nodp in blüpenber
Sugenb geftorben. Set ©dfmerj be§ breifäptigen KinbeS um
biefen ©erluft mirb befonberS ergreifenb gefdpiibert: er fei fo
betäubenb gemefen, peifjt e§, bajj ber barauf erfolgenbe Xob ber
©iutter faum (Einbrud auf Breisler getnacpt pabe.
SIber gerabe biefet Umftanb mufjte ?ut ©orficpt mapnen.
Senn, mie man meifj, ftarb ffrau §offmann, al§ (Ernfi 20 Sapre
alt mar; unb beim Xobe ber Semoifeße Sörffer jäplte biefer
fogar 27 unb mar Stegierungiratp in ©!od: eine Xagebudj»
noti} nom 1. Januar 1804 ermapnt furj ben „Xob ber
alten Xante in Königsberg, ber mid) Dießeicpt junt
nermögenben ÜJianne gemacpt pat." ©o fragte benn fptpig erft
bei feinem fDiitarbeiter an, ob er biefe ©teile meine unb ma§
baran pifiorifcp fei. Sie St n t ro o r t, mit ber t d) biefe Dor»
läufigen fDiitlpeilungen bejcptiepe, mirb Jeben fünftigen ©io»
grapben §offmann'§ baoor beroapten, aßju füpne JRüdfcptüffe
Don ftoffmann’S Sitpinngen auf fein Seben jju rnadpen ; man
pat benn bodp $ojfmann’3 ©pantafie unb ©efialtunglfraft arg
21
[7]
unlerfdjaM, wenn man bisher mit © e r o i n u § allgemein an-
naljm, ec begnüge |idj bi« unb anberSroo bamit, wie in Me¬
moiren „ba§ ©elb[tangejd)aule unmiiielbar bar^eHen*.
§ i p p e l ermibeile nämlich in einem aud) fonft mistigen ©rief
d. d. M a t i e n m e r b e r, ben 31. Januar 1823 :
„MerbingS mein’ id) bie £anfe aus ßreisret's Sugenb«
gefdjidjte im j?ater Murr, ben id) aber, roeil er »erliefen, nicht
jur §anb habe, ©ie lang nidjt, |ie fpielie meber Fabier noch
Saute, aber |ie mar eine adjtungSroertbe alle Jungfer, bie einige
im £>au|e, bie H. begriff. SBabrbeil ift hier weniger als
©idjtnng. glaube, fie t)ie& © o p b i e.*
[ 360 / 361 ]
23
§tt (&. gU goflfmcmn:
Derjeidjitte i»tr Sdjriftflürhe neu iijut, an tljit und über ijjn,
fcir tat 4ßr|if?e feines iBtagrapljen ^tljig gfruefett fntö.
Grlje td) ben gmed beä nadjfolgenben ißergeidjuiffeS erttäve, muß
id) bitten, mir einige fefjr perföntidje Söemerfungen gu berftatten
über bie Arbeiten, in beren 3 u f ammen ^ an 9 entftanben ift.
©eit 1895 Ijatte id) nebenher Material gefammett für eine ab*
fdjliefjenbe SluSgabe unb Söiograpbjie |>offmanuS, bie id) gu feinem
Ifunbertften SobeStage, 1922, borgulegen gebaute. $)a erfd^ien 1899
‘Me bortrefflidje SluSgabe feiner SDidjtungen non Gsbuarb ©rifebad),
bie aud) an biefer ©teile gebüfjrenb anerfannt morben ift; fie mahnte
mtd), baS, rnaS mir nod) gu tun übrig blieb, nidjt mehr fo lange
aufgufd)ieben, unb id) befdjteunigte nunmehr bie Vorarbeiten. £)ie
lebten giele finb einerfeitS eine botfftänbige Ausgabe bon tpoffmannS
fteinen ©djriften 1 ) unb anbcrfeitS eine SHograpljie, bie auf
breiter ©runbfage unter pfpdjologifdjen ©efidjtSpunften burd)*
^ufüljren märe.
GsflingerS Söiograp^ie (1894) unb ©rifebacfjS 33iograpIjifd)e
©intettung gu feiner Ausgabe (1899) bieten fa bereits lebenSbofle
iöilber bon öoffmannS Gsntwtdlung, unb jebe bon betben Arbeiten
f)at ifjre eigentümlidjen SSor^üge. Veibe berufen aber bod) in allem
Vßefentlidien auf beut Sftaterial, baS feit 1839 oorlag, unb bem
loenigen, maS feitbem aus ben iftadjläffeu fyouqueS (burd) $letfe),
£iedS (burd) Äöpfe) unb ißüdlerS (burd) Submilla Slffing) ber*
') brei Abteilungen: 1- @rjäf)tungeu, ©(f)erje unb Aphorismen;
2. Abljaubtungen: a) freie Auffäfee, b) fftejenfioneu; 3. pänc, (SelcgeubeitS*
bidjtungen, einige amtliche Arbeiten. Saju at£ Anfang: Sljronotogifdjc Siblio*
grapse aller öoffmannfdjen SDrucfe (Sd)riften, ßompofitionen unb ©tidje).
I:
24 [361/362]
öffentlich roorben ift; an ungebrudtcn ßeugniffen finb oon beiben
faßt nur bie Söeftänbe ber Äöniglidjen Söibtiot^e! in Serlin oermertet
worben. daraus ergab fidj bic Nötigung, erft ba§ biograppifdje
Material felber, oor allem £>offmann3 Sriefwechfel, gu fammeln
unb einheitlid) oorgutegeu. 1 )
Sei biefer Vorarbeit be§ Sammelns ^anbelt cS fid) um brei
Slrten bon Aufgaben: erftenS finb bie 3lad)l°mmen öon gwffmannS
Serwanbten unb Sefannten fowie bie 9ted)t3nad)fotger feiner Ser*
leger feft^uftellen, um ^Mitteilungen aus ben Macpläffen ober
SertagSarchioen gu erfudjen unb womöglich für felbftänbige SMit*
arbeit gu gemimten; gWeitenS finb bie $offmann*$lutographen, bie in
öffentlichen unb pribaten (Sammlungen liegen, gufammenguftellen;
örittenS finb bie urlunbti^en unb öffentlichen ßeugniffe über
£offmann§ Seben in ben Stabten aufgufucpen, in benen er gelebt hat.
ÜDie DrientierungSarbeiten hierfür finb im Wefentlidjen erlebigt.
$dj fte£)e einerfcits in birelter Serbinbung mit ben beiben um
1700 fid) trennenbcit gweigen && 1540 gurücfguöerfotgenben
Familie Sagienfli*|)offmann (inlbefonbere and) mit ben SRacf)*
lommen bon |)offmannS redjten Settern igopann unb |>einrid)
$$ off mann), anberfeitS mit ben @rben bon Nippel, $i^ig,
Speper, $ung unb gulia SD?arc; nicpt pod) genug fann id) baS
liebenSwiirbige @ntgegen!omnten rühmen, baS id) überall gefunben.
2tlS reicpfte gunbgrube erwies fid) ber ^i^igfdje Mad)iaß:
erftenS finb nod) faft alle Sriefe £>offmannS an $ifcig oor*
Ijanben, gweitenS ift £offmann§ eigener 9?adf)laB »on beffen
SBitWe an £i£ig übergeben, unb brittenS pat £ipig außerbem ein
reichet ^Material gefammelt für feine Siograpfjie jfpoffmannS. unb
bie Mad) träge §u berfelben.
®ie Sriefe ^offmaitnS unb baS fefunbäre biographifdje XMa*
terial f>at fjifcig aufgehoben, bagegen ift f)offmannS Macplaß nur
teilweife in feinen Rauben geblieben. ®ie Tagebücher £jat er außer
geringen SReften berbranut, bie SMufifalien finb, foweit fie nicht
borper fdjon fortgegeben waren, in ben ttiergiger galjren in ben
Sefife beS Königs griebridj SBitJjelm IV. gelommen, ber fie im ge*
bruar 1847 ber königlichen Sibliotpel in Sertin übertrieb.
2113 §i^ig 1849 ftarb, blieb fein gefamter Nachlaß im |)aufej Wie
man aus ^ßaul /pepfeS gugenberinnerungen weiß, wohnten bafelbft
aud) §i^ig0 Schtoiegerföpne, grang Rugier unb ber ©eneral Saeper.
*) Sä) hoffe, bas gefamte Material nebft einem biograppifchcn 2lbriß (iit
üier SBtinbdjen) überS $ahr öorjulegen; ich barf hi« Wobt ermähnen, baß cd)
an ©riefen bisher 210 bon unb 20 an §offmann bem SBorttaut nach fenne
(gebrucft maren bisher, mehr ober weniger ooffßänbig, 142 bejiehungSWeife
4 (atiicf, bie fidh auf jmanjig fßublifationen berteifen). ©ier ittujlrierte fßribat*
Briefe habe id), als fßrobe, tnt bieSjährigen gebruarheft ber ‘gnfef ueröffenttidpt-
[362/363] 25
9?ad) ßuglerg STobc 1858 50 g beffen äßitme ©lara ßugler mit
ifjren ©öfjnen Bernljarb unb £an3 nad) 2 Künd)en; oon ben $off*
mannten ©aä)en finb anfdjeinenb nur einige Seid)nun gen bortfjin
mitgenommen, bie bann nad) bem fragilen ©nbe oon ©tarn unb
§an<3 Engter 1873 in ^aul §ei)feS Befifc übergingen.
®ie übrigen ißapiere, bie in Unorbnung geraten maren,
btieben in Berlin; fie mürben, in burd)au§ gufäüiger Seüung, oon
bem genannten ©enerat S3aet)er unb üon (pifcigS ©oljtt, bem ©eljeimen
Regierung!?* unb Dberbaurat f^riebrid^ {n^ig, oermaljrt. $efct ge*
tjören fie ber Sodjter be£ erfteren, $rau ©mma 9iibbecf in Seidig,
unb bem ©oljne be§ teueren, bem ©eljeimen flftebiginalrat ^rofeffor
£)r. Gsbuarb £ifcig in £alle a. <3.
21m 10. unb 11 . 9J?ai 1901 fjabe id) ben $atlifd)en, am 25. $a*
nnar 1902 ben Seidiger Seil be§ £)i£igfdjen ®efamtnad)laffe3 burd)=
feljen bürfen unb bie au] |)offmann 6 egüglidjen ©adjen georbnet.
üftit nid)t genug gu rüljmenber Si&eratität mürbe mir fofort erlaubt,
ba§ gange SWaterial beljuf^ miffenfd)aftlidjer Benu^ung in meine
berliner SBoljnung 1 ) gu nehmen, mo e§ uod) Ifeute liegt.
®iefe Rapiere möd)te id) f)ier oergeidjnen. 21 m ©djlufj feber
©ruppe beute id) in edigen klammern an, mo unb mie biefe£
Material bereite t»on (pifcig oermertet ift; um bie ^inmeife gu oer*
einfachen, ftetle id) eine furge 2 lufgäf)lung feiner ^offmann^ublifa*
tionen öoran. Bibliograpfjifdje SSoüftänbigfeit ber Angaben (fpegiell
gäfjlung ber Sejctfeiten unb Beilagen), fomie eine Beurteilung ber
Seiftungen ift babei nid)t erftrebt.
§tl 5 tg§ ißubtifationen über Jpoffmann.
1823 Stpril I. ßoffmann (SSerfaffer ber gantafieftüde in iSoltotS 3/fanier) in
2Barfd)au 1804—1807. (3Ibenb=3eitung, 92r. 93—95.)
,, SJtai II. einiges jur Sljaraftertfhf HoffmannS. (Ser ©efetifdjafter, 71.—
73. Statt.)
M „ III. 9luS HoffmannS Üeben unb StadjfaSS. HerauSgegeben Oon bem
Serfaffer beS JebenS^brijjeS fjriebric^ Subroig 3<ut) ar i fl§ SßernerS.
@rfter | 3^ eit er Stjeit. Sertin, Sümmter, 1823. (ipreis brojcfjiert
3 3#fc. 8 @r.)
„ ©ept. IY. ütadjträgtidjeS §u bem Sudje: 2tuS SoffmannS Seben unb ütadjtaj).
Son beffen Herausgeber. (2tbenb=3ettung, 2tr. 231—234.)
Siefe üier SCuffäfje Ijanbetn oljne befonbere Überfdjriften
1. bon Sebrient unb ben anberen „3ed)brübern";
2. über bie ©d)riftfteflerei bon grauen;
3. über brei Sriefe an f>itüg: bon 9id)tenfUibt, bon einem Un*
betannten, bon Soejt;
‘) griebenau bei Sertin, Jtönnebergftraße 14.
26 [363/364]
4. ®ntfd£|ulbigung, baß baS ®rfdl)einen ber SBerner=S3iogrop^ie ftcfj
bergcgert Ijat. Jn einer fRanbnote wirb behauptet, §ouh)atb
fjabe $ off mann nafjegefianben (??); in einer anberen wirb
HifeigS SInontjmität mit ben gwei ©rünben erflürt, baß fiel)
für einen Beamten ©djriftfleßerei nid&t jieme unb baß baS
SBort „idj" bermicben Werben müffe.
1825 Anfang V. SRadEjträge gu bem SBerfe: SIuS H°ffn™nnS Men unb SRadfßaß.
(Sie lebten Srgäljlungen bon ®. £. 31. §offmann . . . ßweite
SIbteifung [Seriin, Sinn nt (er, 1825] @. 341—400.) Sarin:
SSorWort.
A. 9?ocf) etwas SBrieflicfjeS bon Hofftnann:
1. (33rief über ©onberSljaufenS 3ef)n Jungfrauen.)
2. (Fragmente auS hier fpateren Briefen an §if>J)ef.)
B. Über §offmann. 33on ©tefjfjan ©cfjttije.
C. SRadbtragttcfjeS. 33ont Herausgeber. Sartn:
(1 = IV 1.
(2) = IV 3, aber ftatt beS SBriefS bon Soeft feiber einer bon
unb einer über ben ©djaufbieler £eo.
(3) Über einige Äritifer HoffmannS. ®ingefd£)oben eine ©ftifobe
über bie ©ntfte^ung beS Ätein JadjeS.
1831 VI. SluS §offmannS Sieben unb SRacßlaSS. Herausgegeben bon bem
SSerfaffcr beS MenS=3lbnffeS Jriebricf) Subwig SacfariaS SBernerS.
SReue bermeljrte unb berbefferte SluSgabe. SrfteS — ©ecßfteS
SSänbdjen. Stuttgart, 93robf)ag, 1831. (®. $. 2ß. §offmannS er»
güfjtenbe ©griffen in einer SluSwatß. Herausgegeben bon feiner
SBitwe StRicfjetine Hofftnanu geborene SRorer. 3. 6. 9. 12. 15. 18.
33änbcf)en.)
®ntf)ült III -f- V medjanifcf) Ijinteretnanbergefteltt.
®inige früher abgeütrgte iJIamen ftnb nunmefjr auSgefdjrieben,
fet^S Seilen über n°ffmann im Slusfanbe ftnb ßingugefügt.
1839 VII. [fRegenfion bon Souffencts ^offmanniiBerfeljung.] (©efeßfeßafter,
Siterarifdße SBlätter Dir. 7.)
1839 VIII. ®. S. 31. HoffntannS Men unb -Radjiaß. SBon Julius ®buarb
Hi^ig. Srfter — Sritter S3anb. Sritte uermelfrte unb berbefferte
SCuffage. (@. S. 31. H°ff maimS Srgäljlungen aus feinen lebten
MenSjatiren, fein Men unb SRadjtaß. Jn fünf 33änben. H ei ' au 3 s
gegeben bon 9D2idE)eIine Hoffmann, geb. SRorer. 33oßftänbige, redßt»
mäßige 3IuSgabe. Sritter — Jünfter 33anb. Stuttgart, SSrobljag,
1839.)
— VI + VII, b. fj. alfo III + V -f- VII medfjanifdf) Ijinter»
einanber geftellt. Sie in V fragmentarifdj mitgeteiften 4 Briefe
an H^P^ nunmehr berooßjlanbigt unb 9 neue abgebrudft;
bier ©df^ußgeifen bom 1. Juli 1839 ftnb f)ingugefügt. Jevner Ijat
bie SBerlagSIjanblung SRoten unb 2lnl)änge bon Shtng unb
Jouque ßingugefügt.
1841 IX. [SRotig über eine mißberftänblidje 33enufcung bon Hoffm^nS (III,
2, 60 mitgeteiltem) SalberomSdjerg.] (©efeflfefjafter, 33emerfer
5Rr. 11.) _
A. goflfmatttt« gmfr an giftig.
1. SBarfdjau 1807 SIjmt 20 (ber 33rief felbjl byforcit, bie SÖeifage, 2 @. 8°, in
Hafie).
[364/365]
27
2. — — — 28 : 4 ©. 8» (.üeipjtg;.
3. — — 2»ai 14 : 4 <3. 8° (Jpaffe).
4. »erlin 1807/08 : (nur bev <Sd)litfj, 2 <3. 8», in Setyjig; Anfang mit
Saturn abgeriffen).
6. — — : (nur ber ©djlufj, 1/2 ©. 40 , in Salle; Anfang mit
Saturn abgeriffen. gn beiben »riefen wirb irgenb»
eine bisfrete Slngelegenljeit beljanbelt morben fein.)
6. — 1807 3uli 22 : 1 ©. 4» ($affe).
7. — — Sluguft 22 : 1 ©. 4° + »eilage 1 ©. 8° (Me).
8. »amberg 1809 Januar 1 : 4 ©. 4° (§atte).
9. — — SlKai 25 : 4 ©. 8« (fialle).
10. — 1812 Styrit 28 : 4 6. 40 (§a1Ie).
11. — — Suli 1 : 1 6. 40 (fmöe).
12. — — — 15 : 1 <S. 40 , mit 5Rad)fd)rift bon $ifeig an gouquö
Chatte).
13. — — 2lugujt 15 : 1 @. 4°, ebenfo (geilnig).
14. — — Oftbv. 4 : 2 ©. 40 (fialle).
15. — — 3ioöbr. 30 : 3 ©. 4°, mit y?ad)fd)rift bon fiifeig an fffouque
(bon fiifcig an gouque gefdjenft; jefct im »eftfce
be§ fierrn Sllejanber Sföeber Kobn in »erlitt).
16. SreSben 1813 Sejbr. 1 : 3 ®. 4» (fialle).
17. Seidig 1814 3uni 8 : 2 8« (fialle;.
18. »erlin 1820 @nbe (jebenfaffd tn§ HJtauuffribt ber SQiograp^ie geliebt
unb mit biefem berforen).
19. — 1821 fftobbr. 30 : 1 16° (bon fiifjig an Sorom gefdjenlt; mo
jeljt, unbefannt).
20. — 1822 Januar 8 : 1 <S. 40 \
21. — — — 18 : 1 80 I
22. — — - 30 : 1 8° I
23. — — Februar? 1 @. 4« f w all v-
24. — — SDWrj 1 : 1 ©. 8°
25. — — — 2 : 1 @ 8» J
26. »erlitt 1822 ISfiäxi 4 : 1 ©. 8»
27. — — SfyrilSInf.? 1 ©. qu.=80
28. — — — 14 : 1 <3. 40
(finde).
— — Qrnbe? 1 ©. 4°
»i§ SSIx. 22 eigenfjänbig mit Sinte, 23—27 eigenf)änbig mit »lei, bie lebten
beiben bem ©Treiber biftiert unb mit eigenpnbigem ©dflujj.
> [§ifeig bat in III bie 6 fftummern 1. 2. 3. 7. 18. 19 ooHftänbig abgefcrudt
(19 ift bann bon Sororn falfimiliert), brudjftüdmeife ferner bie 6 fJtummern 8. 9.
12. 13. 14. 16. 3n ben ‘»riefen an gouquö’ ftefjt 91r. 15. »on ben anberen
16 ffiummern ift bisher lein ©afc gebrudt.]
B. gfaffmitm»- §t*djlrt}j.
Über bie OJiufifalten mit @itifd)tu§ ber £e£tbüd)er (aud) beS
fetbftgefertigten jur ‘^ilgerin’) £jabe id) foeben, tm gmeiten ^unif)eft
Der ‘äftiifif’ (23erttn, ©cfyufter & fioeffier; <B. 1651/66), berichtet. 1 )
0 Sie Heine »ublilation ift ‘fioffmannsfReliquien’ iiberfdjrieben unb
bringt 1 . fioffmannS SRejenfion bon »eetljobenS @gmont=3Jtuftf, 2. eine »iblio=
grafJ^ie ber bisher gebrudten Soinpofitionen fioffmamtS (9 fRumntern),
3. ein »erlagSangebot fioffmanns aus bem § erb ft 1807 mit einem »erjeidjniS
feiner bamalS oorliegenben Sinken» unb fiammermuftf (12 fftummern), 4. ein »er*
jeidjnis ber 1822 borljanbenen 2Rufill)attbfcf)rtften fioffmannS (24 iRummern).
ferner enthält ba§ fieft eine SCric unb eine Äarifatur fioffmannS.
28
[365/366]
2 luf bie t)intcvtaf[enen 3 ei d) nun gen fomme id) an einem
dritten Orte gurücf.')
•pier foÜ nuv über bie literarifdjen unb perföniidjen
piere berietet merben:
a. SRein literartfe ßRanuffripte:
(Soweit befannt, äße in Ouart.)
1 . (Sin einzelner Sogen ans einem §eft, mit „2." bezeichnet. 2luf ber erften
Seite anfdjeinenb ber ©d)tuß einer erften Raffung ber ‘?t£>nungen aus bem
5Reid)e ber Söne’; bie übrigen 77 2 Seiten enthalten ben Anfang einer ©r*
Zählung ‘Ser greunb. Srief on SEfjeobor.’ (Leipzig.)
2. (Sin grüngcbmtbeneS §eft mit ben Seitenjoplen 3—60. 0. 1 unb 2 (wof)t
Sitetbtatt) ftnb herauSgefd)nitten, auf S. 3—59 ftc^t boßßänbig ber ‘fRebier*
jäger’, S. 60 ift weiß. (Seipzig.)
3 . (Sin ebenfo gebunbeneS §eft mit 17 ungezählten Stättern. Stuf bem erften
ber Sitet
fRadftftücfe.
^erauSgegeben
üont Serfaffer ber gantajteflücfe in
©aßottS ÜRanier
Ser Sanbmann
S. 16 fRobbr: 1815 SRadjtS 1 Uhr
©S folgt ber SLejt bes ©anbmattnS; baS erfte Statt fel)tt, fonft fdjeint aßeS
borhanben ju fein. (Seipzig.) 2 )
4. ‘iReuefie ©djidfale eines abentheuertidjeu 9RanneS. ÜRitgeteilt
bon ®. S. 21. ^offmann’ (unooßenbet, bermutlid) mit 2tbfid)t abgebrochen). (2Bo?)
ij gd) fenne jwei Ötbilber bon ^offmannS $anb; baS eine ftellt §off*
mann unb ßRareuS, baS anbere bie gamitie Äunj bar. ferner fenne ich jwei bon
ben 2lquarettferien, bie er zur Seröffenttibhung bejtimmt hatte: &i e brei 33er*
liuer ©djaufpieterfarifaturen non 1807/08 unb bie brei Seipjiger fRapoteonfari*
faturen bon 1814. Siefe ad)t Sitber unb eine Slnjapl weiterer Scrfucge in 2tquareß
ftnb jwar f>crzli(f) fdjtedjt, ebenfo bie Signetten zu SöenterS Sreuz an ber Q ft fee,
ZU ben gantafteftüäen unb ben $inber=2Rärd)en. gaßS aber ber JBunfd), fte feniten
Zu lernen, aßgentein ift, würbe id) fpäter ber geplanten Siograppie einige babon
beigeben. ©inftWeiten reprobuziere id) ?Wei fteine Samberger Selb ftp ortrait§ in
meinem ‘ÄreiSterbud)’, (fiet)e unten ©. 367 Stmnerfung 1): ein Stquareß unb einen
9tiiSfd)nitt aus bem Ötportrait ber gamitie Äuttz.
5 ) Stußer biefen brei in Leipzig liegenden fenne ich uur 8*0« re * n Itterarifdje
SDianuftripte bon |)offmannS §anb, bie id) beibe in ben legten gatjren bon Stuto»
graphenffänblern erworben habe:
1. ©in Sogen 4° (8 ungezählte ©eiten): ‘SeS ÄapettmeifterS, go*
ganneS freister, mufifatifd)e Seiben’: erfte, fpäter bietfad) beränberte Raffung
beS befaunten äCuffageS au§ ber Stßgemeinen 2Rufifatifd)en ßeitung bon 1810, ber
bann in bie ‘gantafteftüde’ aufgenommen würbe (gefauft bon Otto Slug. ©djulz
in Leipzig);
2 . ein Statt 4® ohne Seitenzahl: baS bortegte Statt beS ‘tpunbeS Ser--
ganza’ genau in ber Raffung be§ erften SrudS in ben gantafieftiiden bon 1814
(aus ber fßofont)ifchen Sammlung, bon f^riebrid) Söhnt in Sonn gefauft).
[366/367] 29
5. $offmannS lepteS ÜRanufEript: 70 ©eiten, auf beut Ärantenbette tuftiert. >)
Snpatt: @. 1—18 ‘Sic ©enefung. Fragment aus einem ttoc^ ungehrudten
SBerf bon ®. S. 2t. §offmantt.’ ©. 19—69 ‘Ser fte in b’ (unbottenbet, burcp
§offmannS Sob abgebrochen; bie ‘©enefung’ hingegen ift wobt nur atS ftraqment
entworfen unb baS „ungebrucfte SSert" eine StRpftififation). (ftn Seipiig hegen bon
btefent äRanuffript 1-12. 17 f. 67-69; baS gatyc übrige SRanufEript beS
‘ftetnbeS’ wirb nad; Nürnberg gefanbt worben fein, bie brei ©djtuüfeiten ftnb ber
bieten Hörfehler wegen wopt noch einmal abgefchvieben.)
[§offmann hatte bie Ahnungen aus bem fReicpe ber Söne’ im ftrüp*
l a pr 1814 anS iüinrgenbtatt eingetiefert, fte würben aber erft int ftebruar 1816 bort
gebrudt, nachbem §offmamt bie ütrbeit bereite für ‘Johannes freiSterS 2eprbrief’
in ben ftantafteflüden berwenbet hatte. — Ser ‘SRebi erjag er’ war für bie
ftantafteftüde beflimmt, würbe bon funj refüftert unb erfcpien bann unter bem
Xitel ‘Sgnas Senner’ im erften Sanbe ber fRacptftiide. eröffnet Wirb tiefer Sanb
burch ben ‘©anbmann’. — Sie ‘©enefung’ übergab §offmamt Wenige Sage
bor fernem Sobe (bermuttich in einer Stbfcfjrift) an feinen ?anbsmann ©pmanffi,
in beffen ‘3ufipauer’ fte am 4. unb 6. ftuti 1822 erfcpien.
Son ben brei ©achen, bie §offmann nidtjt mehr jum Srucf gegeben hat,
erfepemt ber ftreunb’ jum erften 2Rate in meiner popufären Sammlung ‘SaS
freisterbudj’. 2 ) Sie Strbeit flammt aus früherer Samberg er $eit unb ift noch fepr
unreif, aber ftofftich merlwürbig, ba fte freistem im SBapnfinn borführt. — Sie
fReueften ©djidfate’ flehen atS einziges größeres ineditum in §ifcig III. —
3ahr'?824 f er ^ ien eini0e 3)ionate bami f in ftrauentafepenbuep für baS
b. Serfucpe unb ©etegenpeitsbidjtungen
(?eipgig). [Ungebrudt.]
1. Fragment eines unbefannten SerfudiS im ©tite bott ftean Saut unb
©ferne. 2Rit IftCtuftrationen. 2 ©• 8°.
2. ‘Sie geuerSbruttfl. ©in Sofcn®emäptbe bon SRembranb.’ Sleiftift=
Zeichnung uttb Stnfang einer fabutierenben ©rltärung ä la Sicptenberg. 2 ©. 8°.
3. ‘Sie SRonne an bie Sraut (bep Ueberreicpung eines ©ebetSucpS).’
ißotterabcnbgebicpt bon 52 reimfofen ßeiten. 2 @. 8°.
4 . ‘(SReftifijierteS Sonett) 2tn ben Sid>ter beS Srauerfpiets ©arlo.’
iparobtfttfcpes Sonett auf 1 @. 8°, unterfdjrieben
S’@.[tponS] & §[offmann].
’) Sorper patte §offmaun biftiert:
1. b ; en ©cptu& beS ‘SReifterS fttoh’ (beenbet 28. Februar, abgefanbt an
SJttmanS tn ftranffurt 7. 2Rärj, erfepienen bafetbfl ©nbe Stpril);
2 . ‘SeS Setters ©dfenfter’ (beenbet 14. Stprit, erfdjien bom 23. 2lpril
?ff. ^ tn ©pmanffiS ‘ßufepauer’ $Rr. 49—54; baS unmittetbare Sor=
Sergttügen auf m i798)* ® Corron am ^ en f ter> tn SederS Safcpenbudj jum gefettigen
3. 'äReifter ftopannes SBacpt’ (ftpon bor Seenbiguttg beS ‘©dfenfterS’
begonnen; tag bet §offmannS Sobe bei ©ngefmann in öeibetberg, würbe aber
Ä “«.Ft* l "^ reSfau , 9 e 9 eben a{s ® r fatJ für bie im SRobember 1821 auf
©cpnettpfefferS fthtterwoepen’ borgefepoffenen 25 ftriebricpsb’or unb erfepten in
einer ©ammtung bon ©efepiepten, ©agen unb äRSrtpen’ mit ber ftapvessapt 1824).
2 ) SaS f reiSlerbucp. 29 ©tüde Sept, 4 fompofttionen, 5 bitbtiepe Sar-
Peilungen bon @. S. 21. §offmann, sufammengefleüt bon £>anS bon SRütter. Seipiig,
3nfet*Sertag 1902. ™ a '
30 [367/368]
(ferner befinbet ftd) in Scipgig nod) ein fcE)te(f)te§ ©ebidjt auf fjriebrid)
Silfjelm III. unb bie Königin Suife, unterjeid^net Ä., gWeifelloS bon SoffmamtS
Sanb; matjrfteinlit beS ©djergeS wegen abgetrieben.)
c. ©agebüter, (Sntwurfbüt er, (Sntwürfe.
1. SaS fßlocfer ©agebut, SSStntcr 1803/04 (anfteinenb bon SMP8 ber=
ftenft, fott gang ober teilweife im 33eft($ beS (Scheunen §ofratö ißrofeffor Sfofeft
iffürftner in (Sifenat fein).
2. ‘SWifceltancen, bie literarifte unb fünftlcvifdje Saufbafjtt betreffend
Singefangen im (Sjcit, im Sluguft 1803.’ (So? §ifeig Ijat fpäter ein 35latt daraus
mit Einträgen bont 14. unb 15. äftärg 1808 an ©orow gefdjenlt.)
3. ©ie ©agebiidjet aus ber Äajjettmciftergeit, beginnenb (Bamberg 1809
unb enbenb in SSevtin 1815. Stnfteinenb gebunbene S3itd)er oon ftarfem (bläuliten
unb weißen) ©treibpafner. (SBoit S*&9 bernittet, ba §offmann barin „bie
(Befenntniffe aller feiner ©twädjeu" niebergelegt. 3fn Seidig ftnb nur fünf ßerauS*
geriffene 33fätter; auf ben gwei Weißen ftel)t bon ^iijigS §anb 1809, auf ben brei
Blauen 1812 .)
4. ‘©retj berßängnißbolle SJfonatße! (StuSgug auS meinem ©agebut
für bie freunbe.)’ Unbottenbet. beginnt „©reSben ©en 15 Sluguft 1813" unb ßört
beim 29. Sluguft mitten im @af3 unb in ber 3 e '^ e «uf, mit ben Sorten Wie
gut eS, baß it"- 3 ©. 4°. (Satte.)
5. ‘üidßte ©tunben eines wafynfimtigen SKufiferS. (Sin SBudfj für
Senner.’ ©ltgge, bermuttid) oon 1811/12. (2Bo?)
6. (Sin Siotigbut mit einjelnen (SinfätCen; einige babon publizierte fpoffs
mann, gu abgefdjloffeuen SlpßoriSmen ausgearbeitet, in feinen ‘ftlüdjtigen
(Bemerfungen unb ©ebanfen über mandßerlei ©egenftünbe. (Stat
bem frangöjiften beS SSaronS bon ?*****.)’ in ©tjmanfliS ‘freimütigem
für ©eutfdßlanb’ Sir. 36. 44. 45 bom 19. februar, 2. unb 3. ältärg 1819. (So?)
7. (Sin Dltabblatt mit 2 3eilen Zotigen (Seijigig).
8. ©esgleicßen mit einer Slnelbnte bon 4 3eiten (Seipjig).
9. (Sin ©obbelbldttdjen in 16° mit 14 3 e ^ m Zotigen aus ber testen 3 e ^/
bietteitt für ben ‘©t nettpfeffer’ (Satte).
[SluS 1 ßat tpifsig in III eingelue ©teilen ungenau beröffentlidfjt; fjoffentlit
werbe id) in ber Sage fein, baS S3ud) nacß bem Original gu bringen. — SSon 2
f)at ©orow bie eine ©eite beS ißm gcfcßenften (Blattes fafftmilieren taffen; $ifcig
gibt in III nur ben fnljalt beS literarifcßen ©eileS an. — SluS 3 ßat jpi^ig
tn III retatib geringfügige SluSgiige gegeben, bie aut den größten ©eil ber not
borfjanbenen fünf (Blätter enthalten. — 4 fteßt bis auf bie zitierten lebten Sorte
in $i^ig III, ebenfo 5. — SluS 6 bringt §i^ig III StuSgüge, er- oerlegt irrtümlit
baS gange 23ut in §offntannS letztes SebenSjaßr. — 7 ift ungebrudt, 8 ftef)t in
§i(jig III, 9 ift wieber ungebrudt.]
d. Sorrefponbeng
(Äongcpte, nitt abgeftidte Sriefe, erhaltene S3riefe),
tronologifd) georbnet.
1. 1817 «Juli
2. 1819 SDlai
3. — Sluguft
4. — ©egbr.
5. 1820 fanuar
10 §offmann an feinen (Brubcr (unbottenbet, nitt aBgefcfiidft):
2 ©. 4» (Satte).
8 frieberife jtridfeberg geb. Sot ((Berliner ©taufpielerin) an
Soffmamt: 4 @. 4<> (Satte).
15 ©tepfjan ©tüfce an Soffwann: 1 @. 4° (Seidig).
3 farl Sincfter an Soffmann: 2 ©. 4» (Leipzig).
20 Subwig SRobert an Soffmann: 2 @. 4° (Seipgig).
[368/369] 31
6. — gebruar 11 ©ebrüber SBilmans (Verleger in gvanffurt) an ©offmann:
2 S. 40 (Seipjig).
T. — üKcirj 2 ©offmann an (Johanna ©nnife: Äomept eines ©ratulationS»
fonettS, 1 ©. 80 (Üeipjig).
8. — — 23 SBeetf)oüen an ©offmann ({ebenfalls oon ©ifcig an einen
Sammler. gefdbenft).
9. — «Mai 22 gonque an ©offmann: 2 S. 40 (Seidig).
10. — (Juni 5 ©raf Srüljl an ©offmann: 2 ©. 40 (©alle).
11. 1821 Januar 2 AmabenS ffienbt an ©offmann: 3 ©. 4° (Seidig).
12 - — — 16 ©etfd), 2trcf)iteft unb «Mitglieb ber Ämtfiafabemie in Äopen*
bagen, an § off mann: 4 S. 4» (©alle).
13. — «Mürs 26 Oe^Ienfd)tägev an ©offmann ({ebenfalls bon ©ifeig einem
Sammler gefdjenft).
14. — (Juli 14 greiljerr bon Siebenfelb an ©offntann: 1 S. 4° (Seidig).
16. — Mobbr. 25 (Jofef «Ma;: (SJerteger in SreSlau) an ©offmann: 3 ©. 40
16. 1822 Januar 24 iforeff* an ©offmann: 2 ©. 40 (Seidig).
17. — fjebruar 12 ©ebrüber SUmanS an ©offmann: 2 S. 4® (©alle).
18. — «Mdr^ 4 (Jofef «Maj: an ©offmann: 2 @. 4» (Seidig).
19- — — 19 Annullierte Quittung ©offmannS an bie Sßibliotfjef ber
S. Sdjaitfpiele (er ^atte jlcf» bie Partitur ber Unbine ge*
lieben, um ein neues SJorfpiel ju fontponieren): 1 ©. fol.
20. — «Kai 1 ©offmann an (Jofjanna ©unife: erfteS Siltat eines SSillets;
1 ©. 40 (©alle).
21. Unbatierter SBrief eines ©. ©. ©aemann an ©offmann: 4 S. 40 (Seipgig).
[®abon bei ©ifcig III Mr. 1 (unter Abfilrjung ber Ortsnamen). 8. 13. —
Später frnb «eröffentli^t Mr. 7 (im ‘©efeUfcbafter’ 00 m 1. (Juli 1833) unb Mr. 20
(bon mir, in ber granlfurter ßeitung bom 26. (Juni 1901). 2)ie übrigen 16 Stüde
finb ungebrudt.]
Anbang:
8in frembeS SKanuffript aus ©offmannS Madjlajj: ‘®ie St erb? luftigen,
©ine «Poffe in einem Aufjug bon SB. b. ®’©lponS.’ (©alle).
C. tfapiere, bi* fpättv iit fjitJtea $ejt% gekommen Jtitb.
a. ®efdjäftlid)es furj nach ©offmannS £obe (©alte). [Ungebrudt.]
1. Briefe beS SSerlegerS (Jofepl) 2)?ay an ©offmann, Äubotua 30. (Juni 1822
■unb an ©offmannS SBitroe, 2. (Juli 1822; am Manbe beS 1 enteren f>at ©ifeig
ben (Jnljalt feiner Antibort 00 m 12. 3fuli bermerft.
2. Amtlicbe «Mitteilungen §ifeigS an einen Sammergeri^tSfelretdr bejüglid)
ber (Jnüentur beS MadjlaffeS (333cm unb «Muftlalten). @S gebt oarauS berbor, baß
bie SOBittve am 4. (Juli fdjon abgereift mar unb baß bie Macblaß=Auftion erft
fpäter ftattfanb.
3. ©ainmellifte für ©offmannS ©rabfteht unb 9?ecf>nung beS ©teinmetsen
(für ben ©enlftein 30 ®aler, für fonftige Ausgaben 31 ®aler 12 ©r.).
b. «Materialien unb «Mitteilungen biograpbifd)er Art bis junt
©rfdjeinen ber SSiograpljie III:
1. bon ©ippel 7 SBriefe «Marienroerber 1822 (Juni 29. Dftbr. 9. Mobbr.
16. 30. ®e*br. 4. 21. 1823 (Januar 31.
32 [369/370]
2ffS SBcitagett: 1822 fftobbr. 30: 3 §efte mit bett Sübffriften bon 20 ©riefen;
Sejbr. 4: 1 §eft mit §ippels Srinnerungen an SSoffntann (82 S. 4°), 1 Original
brief bon Snbe Dftober 1794 (3 S. 8°) unb 7 §efte mit ben 9fbffriften bon 27
weiteren ©riefen; 1823 Januar 31: eine borfjer unterbri'ufte ©teile auS einem ©riefe.
gufammen atfo an ©eilagen: 1 §eft (Srinnerungen unb als Sfnfjang baju
1 Drigittalbrief bon 1749 fomie 10 §efte unb. ein ©fatt mit Slbffriften
bon 47 ©riefen auS ben Safjren 1794—1808. Siefe Slbffriften ftnb nift bott-
ftänbig, aber in bem, maS fte bieten, bipfomatiff getreu. (2IÖeS in §affe;
leiber fef)ft je ein ©fatt auS bem 2. unb bem 10. ©rieffjeft.)
2. bon ©petjer: eigcnffänbige ‘9toti?en über $ofmannS 9lufentljalt
ju ©amberg’. 13 S. $of. (^>atte).
ferner einige ©fcittcr mit (Entwürfen unb iftotijen §it^ig§ (ffeipjig), fotoie
$Cbffriftcn bon §offmatm§ ßeugniffetx unb §offmannS Seftament (§affe) unb ein
9tuS*ug aus SßeberS fRejenfion ber ‘Unbine’ (Seidig); bie 2Ranuffripte ju §figS,
JpäringS unb SfRarfenS Seiten ff einen nift ermatten ju fein.
[©on ben 48 ©riefen an Rippet ftnb 43 (mit ftarfen Streifungen) als ©ei*
lagen im 1. ©anb bon III gebrucft. Sie 2Cuffäfee bon .§ipprf unb @pcp« finb ge»
fürjt unb flififtiff gefeilt in III aufgenommen, *um Seit auf $ippefS fel)r wif=
tiger ©rief bom 31. Januar 1823. 2Bir werben beibc Stuffätje nebft §ippefS ©riefen
im jw eiten ©anbe unferer ‘^auptquetteu’ jufammen mit ben Srinnerungen bon
ipoffmannS anberen ©efannten borlegen.]
c. bis jum ®rff einen ber 5Raf trüge in ber 2Ibenb*3eitung IV:
1 . bon öoffmannS SBitme: 1 ©rief ®eutff=Dftrowo 1823 2Rai 10:
1 S. 4° (§alle).
2. bon ünfefm bon geuerbaf: 1 ©rief SfttSbaf 1823 ÜRai 19 (fialle).
3. bon gouque: 1 ©rief SRennljaufen 1823 Sufi 6: 2 S. 4° (§aÖe).
4. bon Rippet: 1 ©rief SRarienwerber 1823 2Rai 14 (§a!te).
5. bon 2if tenftäbt: 2 ©riefe aus ©reSfau (ber erjte berloren ober in
üeipjig, ber jweite, 1823 Üluguft 1, in £>atfe).
6 . bon §einrif Soeft: 1 ©rief SRünfter 1823 Vfuguft 15: 4 S. 8° (§a£fe).
7. bon 3fo(iann fßf)ifipp Sf mibt: 4 ©riefe, ©erlin 1823 3Rai 9. 14.
Sufi 14. 21. (§alfe).
8 . „bon einem fernen greunbe, beffen §anbffrift er [§itjig] feit faft jeljn
Soweit nif t gefeljen, unb in bem, wenn er ifjn nennen woffte, man einen 2Ramt
erfennen mürbe, ben ganj Seutfffanb als einen feiner Sbefften fjof oeretjrt, ber
enbfif mof)l, fo weit bicS ißräbifat überhaupt gegeben werben fantt, ben Dlatnen
eines boffenbeten Stiften berbicnt" (2fbenb=3eitung bom 29. September 1823):
1 ©rief (berforen ober in Seipjig).
P&iftig nur 6 unb 7. 2luS 8 ift in IV eine fange Iarmotjante Stelle, aus
6 eine titrjere, wiftige über §offmannS SfRufiE zitiert, bie bann in V. VI. VIII
Wieber Weggefaffen ift. SEfuf bie fReElamation in 7 ift bei Sfuftäfffung bon
§offmannS ÜJtitff iifern in VI ftatt „Sf mibt" gefagt „3- iß. Sfmibt, als fioui*
ponift rüfjmlif bcfannt". Stuf 5 antwortet §i(sig in IV.]
d. bis jum ®rff einen ber weiteren 5Raf träge fjinter ben ‘festen
Srjä^fuitgen’ V:
1. bon £tppel: 1 ©rief Dppefit 1824 Se^br. 2. ©eifage: ein elftes
£>eft mit bier^ebn fpüteren ©riefen §offmanuS (bie fif beim Untjug naf Dpbeftt
gefunbeit Ratten) in bipfontatiff er 2lbff rift, „auSgeff foffen jebof eine jlarfe Steife
tm festen ©rief". (Ser ©rief fiegt in ?eipjig, bie ©eilage ift berloren, bietteift
1839 als ©ruefborfage naf Stuttgart geff i<ft unb nif t jurüdfgefomnten.)
2. oon Seo (Sf aufpiefer): 1 ©rief SScimar 1823 fRobbr. 8: 6 S. 4« (öaffe).
[370/371] 33
3. oon «Stefan ©djiifee: 1 Sörief SBeimar 1824 Segbr. 11: 2 S. 8». Sei«
lagen: a) 2Ranuffript oon 5 S. 4° mit Erinnerungen an fioffmann, untergeidjnct
,,©t. ©djittje", b) Srief an Schüße über Leo« Sob SBeimar 1824 Segbr. &
(Unterfdjrlft abgefürgt unb unleferlicf)): 3 ©. 4«. (Me 3 Stüde in «patte.)
4. oon Äart ©onber«haufen: 1 Srief Söeimar 1824 Segbr. 12 (weift
Jöißig tjin auf eine lobenbe Sefpredjung feiner ‘3 c h n Jungfrauen’ in einem Sriefe
§offntanu«, ber in ber 2lbenb»3eitung oeröffentlidjt worben war): 2 ©. 8° ($atfe).
5. ein anonymer Srief mit SBappenabbrud (Sitte, bett ‘Jeinb’ unb bie
‘SRarquife bc ta ißioarbiere’ in bie dlad) träge gur Siographie mit auhune^men):
2 ©. 4° (§atte).
[Son ben 5 Sricfett an $ißig ifi nur ber 2. in V abgebrudt. — Son ben
neu aufgefunbeneu Sricfen §offinann« an §ippel, ber Seitage gu 1, heißt e« in
ber Sorrcbe gu E: ,,ba« fßifantefte barau« ift ber öffentlidjeu SRittßeilung, nidjt
fähig, unb ber ffteft, unter biefer Sorau«feßung, — caput mortuum.” E§ werben
bemt aud) nur 4 „unbebeutenbe" Stellen im 2. Sanb mitgetfjeift. Erft biergehn
Jahre barauf, in VIII, finb 13 oon ben Sriefen mehr ober weniger öottflänbtg
oerbffentlidjt Worben. — Son ben Seitagen gu 3 ift ba§ ÜRanuffript oottftänbig,
ber Srief über Leo« Stob au«gug«weife in V mitgeteitt; 4 tjat bagu Slnlaß ge»
geben, ben erwähnten §offmanuf<hcn Srief in V wieber abgubruden, bie Sitte
in 5 ift bagegen in einer SRanbnote abgelebt unb erjt 1839 erfüllt.]
e.- Spätere Sriefe an §ißig,
g. S. mit ben Äongepten oon §ißig& Antworten (2eipgig). [Ungebrudt.]
1. Äorrefponbcng mit fReimer unb mit Sünder &$umblot bom Juli 1826:
SReimer will eine @efdmtau«gabc ^erfteKen, Sünder & §umblot weigern ftd),
bie ‘Eliptcre be« Senfe!«’ bagu ^ergugeben.
2. Äorrefponbeng mit ben ©ebrübem Jraudß in Stuttgart einerfeit« unb
fReim'er anberfeit«, bom Jahre 1827: §ißig bietet, ohne fReimer gu fragen, im
ÜRameu bon ^wffmann« SBitWe ben ©ebrübern grandfj eine neue 2lu«gabe feiner
S-iograp^ie, nebft,einer StuSWa^t au« §offmann« Safchenbudj'Seiträgen
an; fReitfter erlaubt nach längerem Sträuben, baß auf gefjn Jahre, bi« 1837, ber
Jnßalt ber ©erapion«=Srüber mit einbegogen wirb. E« werben f ech« Liefe¬
rungen gu bret Saubren geplant, j.ebe enthält 2—3 ®efcf)icf)ten unb 1 Stiid
Siographie. Son ben 15 aufgenommenen ©efd)id)ten finb 13 au« ben ©erapion«»
Sriibern! Sie SBitWe erhält 2000 Saler. ©djlägt bie ißublifation ein, fo foßett
bie noch fehlenbcu fpäteren SIlmauadl)«beiträge al« Supplement nachgeliefert werben.
— Sie erfie Lieferung erfdheint. URittlerweile aber hat fief) SReimer bodj noch mit
ben anberett Suchoerlegern, in«befonbere mit Sünder & ^umblot, 1 ) geeinigt unb
gibt eine geljnbänbige Sammlung Oon ^offmaun« Süehern h era u«, beginnenb
mit ben Serapion«*Srübern, bie auch eingeln (bebeutenb billiger al« oorher) ab*
gegeben werben, ©ebrüber Jratidh feiert ein, baß fie nun feine 31u«fcd)t mehr
haben unb fteffen ben Srucf ihrer teuer begafften 2lu«mnfjl unter 21u«6rücf)en
ohnmächtiger SBut gegen fRcimer ein.
3. Äorrefponbeng mit ber Srobbagfdjett Sudjfjanbfung in Stuttgart, 1830.
31: Srobhag hat ben größeren Seil oon Jtandl)« Sertag übernommen unb
finbet auch ben Äontraft mit ber §offmanti oor. Unbefannt mit ben guten ©rünben,
bie bie Slufgabe be« Unternehmen« oeranlaßt haben, brueft er alle 18 Sänbcljeu
ber geplanten 2lu«wahl; bie bereit« gebrudten 3 Werben, al« gu unfeheinbar, au«
bem § anbei gurüdgegogett.
*) Ser Sertrag gnit Sünder & §untbfot, 4. Juli 1827, liegt im Slrchio ber
Jirrna in Leipgig.
34 [371/372]
4. ßorre}})onbenj mit bcrfelfictt girma 1837/39: Sie 2luS»oafjl £>at (feie
öorauS$ufef)en mar) bem Verlage nur ©traben gebraut; ©robjjag fdjiebt jöS auf
baS unfdjcinbare Safdjenformat unb lulinfc^t Dftao. Reimer gibt jefjt bie ©era*
j)iönS=©rüber n i cf) t trieb er frei; ftatt beffctt Oeröoßftäubigt ©robfyag mit §ii(fe Bott
Sart ^riebrid^ Äunj in ©amberg bie (Sammlung, bie eine ©efamtauSgabe boit
$offmann8 (feinen ©djriften unb ©riefen, .riebft ßetdjnungen unb biogra»
pfjifdjeti ftadjridjten batfleßen fofl. Seiber mar es ©robfjag nicht oergönnt, bicfen
guten fßfau in ber miiufdjenSmerten ©Seife burdjiufüfjren: Vifcig oertueigerte bie
2Infnaf)ine ber ‘©fanbina’ unb oer6ot, VoffmannS ©riefe feparat jufammenjujteßen;
gouquö teilte ©robtyag auf Anfrage mit, er fönne §offmann§ ©riefe an if»u
nid|t finben, unb fanbte ftatt beffen feine biirftigen (Srinnerungen. ©o mußte bie
©ammfung unooßfommen bleiben. Sie fünf ©änbe, bie nunmehr ats gortfefcung
ber ßteimerfdjen ©ammfung erfdfjienen, btlben jebod) mit bicfer jufaminen nod)
beute bie einjige ©atnmtuug bon VoffmantiS ©djriften, (Sntmiirfen, Sagebiidjern
unb ©riefen. — (Sin (nidjt ganj ooßftänbiger) 9?acf)brucf biefcr 15 ©änbe erfd)ien
in (Sinetn Ouartbanbe 1841 bei ©aubrt) in ©ariS; ^ier ift ©robfjagä ftbee burdj=
geführt, bie ©riefe ftnb, fomcit Vifeig fie at§ numerierte ©eiiagen gegeben Ijatte,
gejonbert am ©djlufj beS ©anbcS jufammengefteßt.
5. Äorreffionbenj mit fiieronkjinuS Srufjn unb Sr. granj Sommer über
bie Verausgabe beS muftfafifdjen ßjadjfaffcS: 1838/41.
6 . ©nblidj liegen nod) fünf fpciteve (unintereffante) ©riefe ber ©Sitme auS
©reSfau oor: je einer ooti 1838. 39. 41. 43. 4*. Sie ©Sitme ftarb <5nbe ber
fünfziger gjaf)re in ©Sarmbrnmu
®iefe Rapiere ^abe id> aus einem SBuft Don taufenb ßeitungS*
blättern, gamtlien* unb anberen Briefen, Sitten unb bergleidjeu
herauSgefudjt, gereinigt, geglättet unb nidjt oljne DJJü^e gufamtneu*
gefteHt; befonbere ©djmierigfeiten machten bie nur teilmeife pagt*
nierten Sörief^efte Nippels, bie unmittelbar als ©rndoorlage Der*
menbet unb ba^u größtenteils in einzelne 33lätter gerfd^nitten mären.
Sflatt mirb Derfteljen, menn id) mehr als jeber anbere ben brin¬
genbett SBunfd) Ijabe, baß biefe nunmehr georbneten Rapiere aud)
jufammenbteiben unb nidjt in ber alten djaoüfdjen Teilung nad)
iSeipgig unb £atle gurüctroanbern. Sind) bie SBieberoeretnigung ber
anberen Don |)ifeig Ijinterlaffcnen Rapiere, unter benen befonberS
gahlreidje iöriefe ans ben Greifen beS SSorbfiernbuttbeS, bon ßßdjariaS
SEBerner unb fjonque in £alle liegen (maS in Seipjig ift, ift mir
nur teilmeife befannt), märe hö<hft ermünfdjt. Vielleicht entfließen
fid) bie pietätbollen unb uneigennützigen Veftfcer biefer ©djäfce, 3*au
@mma SRibbecf unb $crr ©eljeimrat §ifeig, bie ©adjen in ©eftalt
einer ^ig*@tiftung ju E^ren tf)reS ©roßbaterS lefctmillig ober
gemeinfam bei Sehweiten einer öffentlichen ©ammlung gu^umenben.
©S fäme bafür ohne ftrage in erfter Sinie bie königliche SBibtiot^ef
ju ^Berlin in betracht, ba $offmaun unb £ifztg felber in Berlin
geftorben finb unb ber mufitalife Nachlaß beS erfteren fich bereits
in berfelben ©ammlung befittbet.
[806/807]
35
$an« oon Füller in SBerlin bittet folgeitbe weiteren S8eri<f)tigungeu unb
(Srgänjungen feiner Mitteilungen „3 U ®-£• *• $offmann" (®anb 9, ©. 360 bi«
372 ju bringen:
*(©. 364) A l] Der »rief fetbft ifi uou §ifcig an einen Sammler tjerfchenft
unb liegt je^t, nad) freunbli^ev Mitteilung oon $)frrn $ar( ®nbe in §anno»er,
im Äeftner« Mufeum bafelbft.
(@. 367) B C 1 . 2] fiepe ®anb 10, ©. 689—592.
3] Die 3«^gänge 1812, 1813 unb 1816 haben fi* uad)träglid) norp in
$atte gefunben. 3m 3 a brgang 1812 fehlen nur bie brei bereits in ?eipjig ge-
funbeneu »lütter, 1813 ein unbelannte« »latt, 1815 uidjt«. Die Nürnberger
,,©d)reib*Almanacf)e" für 1812 unb .1813 enthalten na^eju log für Dag Auf
jeidjnungen über $ofjmann* »efchäftigungeu unb ©timmungen unb geben juin
erftenmal ein autpentifdje« »ilb feine« täglichen ?eben«. 3n bein „Schreib Äalenber
auf ba« ®emein*3ahr 1815. fterauSgegeben uon ber Äönigl. ffkeufjifdjen Äalenber
Deputation in »erlin" reifen bie lagebudjeinträge leiber nur bi« jum 3. 2Kärj,
brechen atjo furt cor ber »efanntfehaft mit üubtmg Deürient ab. Der ÄaCenber ift
trofe feiner fiflfalifdjen .'perfünf 1 auf clcnbcm Schreibpapier gebrueft, unb ba« mag
fcoffmann biefe Auflehnungen uerleibet paben. 2öa« an tagebuchartigen *ufjeid)=
mengen $offmatm« ftef) bi« jefct gefunben hat ober erfd)liegbar ift, gebende ich noch
m biefem 3apre alö bejonbere« »iuplem perauSjugeben. Die Aufjeidjnungen oor
unb na* bent Aufenthalt in »amberg finb bereit« burchgearbeitet unb nod) benupt
für ben (faft fertig gefegten) jttmten »anb meiner Sammlung „ö. D. Ä. ^off*
mann im brieflidjett unb perfönlidjen »ertepr".
Anmerkung des Verlages:
Die Seitenverweise beziehen sich auf die Paginierung in eckigen Klammem.
[589]
37
|Jaiijträ0lt4}£* %xx ®. JL gtfffmaron
$m neunten 23anbe be3 Gsuptjorion fja£>e id) <5. 365—368 ein
SSergeidjntjS ber literarifdjen unb perfönlid)en Rapiere in §offmann§
üftadjtafj gegeben. Einige Hummern fonnte idj nur nacp ber Srabi*
tion anfütjren; fo fjatte id) unter ben Sage* unb Crntmurfbiidjern
an erfter ©teile ^mei Slftanuffripte angeführt: ba§ „'ißlocfer Sage*
buct)" unb bie „Sftifceüaneen". $n 2BirfIidj!eit Ijanbelt e§ fid) babei
nur um ein Säftanuffript, ba3 id) feitbem aus ftofeplj $ürfd)ner£
9 t-aä)Iaf) ermorben Ijabe unb naä)ftel)enb befdjreiben möchte.
5Die §>anbfd)rift befteljt aus 18 SJogen Oftaü in einem berben
^atbleberbanb. 23on ben 144 blättern, bie urfpriinglid) barin maren,
finb aber 23 tjerauSgeriffen; bei ben meiften mirb |)offmnnn fetber
ba§ getan Ijaben, eingelne SBIätter, bie einen abgefdjtoffenen, an fid)
intereffanten £e$t trugen, mag §i^ig an ©amrnler üerfdjenlt Ijaben.
@r ermähnt in einem SSriefe an Sorom feine ©djmädje, „nidjt teid)t
einem 2lutograpIjen*©ammier, ber fid) an midj manbte, fjaben ab*
fdjlagen gu fönnen (sic), itjm gu geben tnonad) fein §erg begehrte".
Satfädjtid) fanbte er Sorom mit biefem Briefe ein S3Iatt aus unferm
SWanuffript, ba§ bie Sljemata ber am 15. Slftärg 1808 an fftaegeli
gefanbten ®ompofitionen enthielt unb ba§ ÜDorom bann in Oratfimile
mitgeteitt Jjat.
3 unäd)ft mag ber 33 eftan b beS iBudjeS fpegifigiert merben: idj
gebe im nadjftefjenben »on jebem S3ogen an, roeldje 33Iätter fehlen,
metä)e meifj finb unb metdje Sejt enthalten:
3t 1 mit £ejt
2 fef)tt
3-6 mit Eejct
7 fehlt (jufammen mit
2 auSgeriffen bor
Sßenutjung)
8 mit Xeft (gortfefeung
bon 6)
331 bon §offmamt meg*
gefdjnittcn bis auf
einen biinnen (Streifen
2 mit Sejct
3—6 fehlen
7. 8 mit £e?t
© 1 fehlt
2—4 mit $ejt (fdjliejit
unmittelbar au 33 8
an)
5—7 weijj
8 ]
2) 1—8 > mit £ert
© 1. 2 j
3—6 fehlen
7 toeiß
g ?. 2 } mit $C?t
3—6 fehlen
7. 8 t
® 1—8 \ weif?
§ 1. 2 j
3—6 fehlen
7 mit £ej?t
8 fehlt
| i~e} mit
7. 8 fehlen
38
[590]
GrS finb affo 121 Stätter oorijanben. ©iefe enthalten (auf iuS»
gefamt 102 betriebenen ©eiten) bier 2 lrten bon 2 luet
ttungen, bie |>offmann nebeneinanber geführt fjat unb bie burdj
bagtoifdientiegenbe meiße Stätter unb pm ©eit burd) ©djmuktitef
benttid) gefdjieben ftnb. ©er erfte ©eit beS Sudfes enttjatt, außer
einem STuffa^, lörieffon^epte unb bermifd)te gefdjäfttid^e Zotigen
bom 9. 2tuguft 1803 bis gnrn l. ©eptember 1808. ©er groeite Seit
wirb burd) gtoei unoottenbete ©ingfpiele gebitbet, beren erfteS tm
ÜÖZärg 1804 gefäjrieben ift. ©er britte StctC befielt aus einem ©age*
budj, baS bom 1. Dftober 1803 bis gum 10. Stßärg 1804 reicht,
©er bierte ©eit enbtid) enthalt berfdjiebene frembe ®efangSte$te,
bie £>offmann ftd) gum fomponieren abgetrieben l)at.
©en gtoeiten ©eil ((£ 8—6) l)at ^offmann am feittidjen
iftanbe um Vs cm befdjnitten (mot)t furg nad) beginn ber Strbcit
an ben ©ingfpteten), um bie brei 4)auptteite gfeidE> burd) &en ®rtff
unterfdjeiben gu fönnen. Ü0?an l)at bat;cr guerft ben Grinbrucf, baß
baS Sud) aus brei ettoaS ungleichen Jpeften gufammengebunben ift;
bte Unterfndjung ber Sogen ermeift jebod) bie urfprihtglid)e 3u*
fammengeljörigfeit beS langen, aud) erfennt man, baß ber ©d)nitt
nid)t funftgered)t (bom Sud)binber) auSgefütjrt ift.
$m eingetnen enthalten bie hier ©eite fotgenbeS: 1 )
I.
[SEitet:] SftiScettaneen | bie titterarifdjc unb lünfllertfd^c | 2auf6atjn betreffend |
2tngefangen tm ©fit unb gfoar tm 2lugufl | 1803. (2t 1 a)
[Angebot einer Stabierfantafie für baS ftepertoire des clavecinistes]
2tn $errn $anS ©eorg Sftaegeti gu 3üridj, d. d. SBarfdEjnu [ftatt ©toct] ben 9 2tuguft
1803, unterg. ©uifeppo [sic] 2>ori. — „2tbgegangen nad) ©ertin gur tu eitern ©er*
fenbung b. 9. 2tug. 1803." — „Stnttttort ermatten ben 15 9br: 1803. Totaliter
miSglfidft". (2t 3 ö. b)
©djreiben eines $tojler©cifitid)en an feinen freunb in ber $aupt=
jtabt. Unterg.'®. 2). [= ©uifeppo 23ori.] (2t 4 a—5 b) — [©egteitf djreiben bagu]
2tn ben ©udjbänbter San ber in ©ertin [atS ©erleget beS freimütigen] d. d.
23[arfd)au ft. ©toct] b. 19. 2tug. 1803, unterg. ®. 2). [== ©uifeppo 2)ori]. —
„2lbgefenbet b. 21 2lug: 1803". (21 6 a) [3>uei SDionate barauf fdjreibt §offmann
unter ba§ ©riefconcept feierlich bie bibtiograpljtjdje iftotig gu biefer feiner einzigen
»orbambergift^en titterarifdjen ©ubtication:]
©ingerüeft im freimütigen
am 9 September 1803.
2). 26 Dct: 1803.
Sff
2tn ben ©ottegieniJtatfi bon Äofeebue mit bem üufifpiet 2)er ©reis. [Offne
2)atum unb Unterfd^rift.] — „2tbgefcnbet b. 22 ©eptbr. 1803." (2t 6 b) [2)agu]
9tadjfd)rift. (2t 8 a) [Später ^injugefefet;] „®ünftige ©eurtfjcitung beS ©reifes im
t) ^offmanns Überfdjriften fjabe idj nidfjt in 2tnfü))rungSgeid)en gefegt,
nur feine 3 u fä^e unb 3 h, 'f^ e abemerfungen.
39
[591]
gretymiitljijjen" (ebenba). [Stuf ber SRüdfeite beS SBfatteS jufdßige S'Jotüen: greife
tion angelegten gnfirumenten uttb 58ücf)ern.] — [5ßertagSangebot beS ißrcifeS] 2tn
ben Sßudj^änbter groetid) in 58erlin, b. b. 14. gebr. 1804. (S3 2 o)
[Angebot einer Sonate für baS Repertoire des clavecinistes] 3tn ben
SucEjfyänbler iftaegeli in 3ßridj/ d. d. 4. ÜJiärj 1804. — „Seine Antwort!" (58 2 b)
©tüte!" (33 7 a)
[SBegteitfchreiben jnm SanonicuS Don SJiatjtanb] Stn ben Sdjaufpieler
Seemann in 58 erlin d. d. SBarfdfjau b. 28 guuiuS 1806 (58 7 a—8 a); [als
©intage bafür ein 58rief] 2In SBerner (58 8 b. ©2 a—3 a). „ffiernerS Stntmort
oont 8. 7br: 1806" [folgt erfte 3eite biefer 2lntmort: © 3 aj.
„©rofje Sataftrob^e! | Snfunft in 5ßer(in" [guti 1807. Sarauf genaue 5Rotigen
über aüe fpäteren 5Bert)anbtungen mit StuStoartigen, namentlich mit ©räff in
Seipjig, mit SRaegefi in 3 iir * d ?/ mit ©oben unb ©uno in 58amberg; am Schlug
bann:] „b. 1. Septbr. [1808] in SSamberg angetommen". (® 3 b. 4 a).
II.
®er Renegat | ©in ©ingfpiel in jmeh Stufeügen. | SDlärg 1804. (£ 8 a—
© 2b) [SBridjt unten auf ber Seite in ber 5. Scene beS 1. StfteS ab; mar oie(=
leicht auf ben bann fehtenben 58B. © 3—6 noch etmaS meitergeführt.]
gauftina | ©in Singfpiel in einem Slufjuge. [SBrid^t in ber 2. Scene ab.
(® 8 a—g 2 a)
III.
[Sagebuch bom SEBinter 1803/04] (§ 7 a. 8 1 a—Ä 6 b [ooßftänbig].)
IV.
[grernbe @ efangStejte: italiertifd^e (jum Seit mit beutfd^cr Ueberfefcung)]
(2R 3 a. 5 a—6 a. 9? 2 a—4 a); [bajmif^en:] 9Racf)t2RuflE. | 2tuS ber ©enobefa beS
SKahter 3ftüßer. (3Ji 7 a—9t la); [Sirctjentepte] (£> 5 a—$ 1 a).
58emer!ungen für meine minorennen ©jpebienten (5ß 3 a. 4 a).
£offmann felber Ijat oon bem allen nur bas ‘(Schreiben
eines ^lofterCSeiftlidhen’ öcröffcntttdEjt. §t^tg hat baS 33mh genau
burdjgefehen unb baS SEBicfjttgere inhaltlich mitgeteilt; loörtlich hat
er nur einige ©teilen aus bem SBintertagebuch oon 1803/04 toieber*
gegeben, $eboch and) in biefen oon ihm publizierten ©teilen f)at er
bie tarnen fortgelaffen, bie gum STeil biograpit)tfdhic^ ^ntereffc ^abcn.
@o fdjilbert |)offmann mit befonberer Siebe, mie er am 13. Februar
1804 in Königsberg SDialchen |>att als ertoachfeneS SUiäbchen mieber*
fieht, bie Softer feiner $ugenbgeliebten, ber oor oier fahren oer*
ftorbencn grau $att. |>i^ig hat ben tarnen $att burd) baS neutrale
erfe^t, unb biefer Sud)ftabe hat gu ber Annahme oerleitet, bafj
SUialdhen baS uneheliche Kinb eines ©chulmäbchenS Slmalie Sfteu*
mann getoefen ift, ber (poffmamt gtoölf $aljre oorljer als ©pmnafiaft
oergeblid) genfterpromenaben gemacht hatte.
£)er erfte Seil ber ^anbfchrift ift unfehlbar als offenbar ooll*
ftänbigeS fftepertorium aller oorbambergifcpen ^erfuche /poff=
ntannS, als Komponift ober ©cfjriftfteCCer an bie Dffentlidhleit gu
lommen. 2ßan barf h^r fagen: quod non est in actis, non est
40
[ 592 ]
in mundo. ®er £e£t ber ljter mtjattlid) refümfcrfen ©rieffomepte
totrb im Saufe be£ StöinterS im II. ©anbe meiner (Sammlung
‘@. 2. 2t. #offmann im brieftidtjen unb perfönlidjen ©erfe^r’ er*
fjetnen. ®te betben ©ingfaiete erftfjeinen im bieSiäfirigen erften
Oftober^eft ber ‘2ftufif.
[424]
41
Selbstanzeige des ‘Kreislerbuchs’
bet ©iuteitung £)at ber herauSgeber übet feinen ©egenftanb ju teben,
aber in bet ©elbftanjeige übet feine Gsrmägungen, feine ©tiinbe unb Stbfidjten:
barum möge man es mit nid^t »erargen, menn td) fjier gatij perfönlicfj erjäljle,
mie td) auf biefe wunberlidje (Sbition tierfallen bin.
9llS ©djjüler mar idlj burdfj ©rifebaefjs 83udj tiom ,®oet^e’fd§en Seitalter
bet beutfcfjen ®idjtung‘ auf hoffmannS ,ßater 50iurr‘ aufmerffam gemotbeu unb
bas Sßerf mürbe halb eins meinet Sieb litt gS6üdf)er. 2öie befannt, §at ^offmann
biefeS SBetf nidfjt meljr tioßenbet; Die tiorliegenben beiben SBünbe enthalten eine
tiefperfönlidje ©djrift, bie ,93iogtapljte beS RapetfmetftetS SoljanneS StreiSter‘,
in ftebje^n Fragmenten, bie maßlos Ijineingeftreut fhtb in eine befjaglidfe
s 45^ilifteefatire, bie ,8ebenSanfic(jten beS SaterS 2Jiurr‘. 33egrünbet mitb biefe§
©urdjjciuanber bamit, bafj bet Sfater bie SBtograpfjie als gebructteS Sudj tiot«
gefunbett unb jjerauSgetiffene Sagen bation beim 9?ieberfdjreiben feinet ,8ebenS*
anfidfjten 4 als Unterlage ober $um Söffen tietmenbet Ijabe; bie SBlätter feien im
SRauuffript liegen geblieben unb miebet mit abgebrudt morben. SBeniger Befannt
ift, bafj baS Saterbucfj nur bett Dritten SJT^eil biefer beiben ©änbe füllt, fobafe bie
SftciSlerbiogtapljie fdjon Dem Umfange nacfj als bet hauptbeftanbtljeil etfe^eint.
SllS ©tubent überlegte tcE) mir juerft in Den Ofterferien 1895, bei fdfjlecfjtem
SBetter in SSenebtg, ob es fidj nidfjt lohnen mürbe, biefeS feltfam gufatnmen=
gemürfelte SBudfj neu fierauSjugeben, unb jmar fo, bafj bie SfreiSlerbiograpfjie,
baS $?aterBücfjtein unb fpoffmannS h«auSgeBer»33emerfungen ju Beiben ©Triften
fidj fdfjon äufeerlidj burdj ben ®rucf fliehen; fo foHte Dem F T eunbe hoffmamtS
Die SKöglicljfcit gegeben merben, bie Siograpljie SreiSlerS audj o^tte Unterbrechung
burdfj heterogenes ju lefen. Sn ben nädjften Saljten befielt tdj biefen ?ßlan
ftönbig im 91uge, menn idfj audj einftmeilen nidfjt Daran benfen fonnte, ifjn auS*
jufüfjren. SJieinem SMfter ©rifebadfj, ben idfj ingmifdfjen auefj perfönlicfj fennen
gelernt Ijatte, mürbe @nbe 1898 bon Dem Sßerleger SJtaj §effe in Seipjig ber
42 [424/425]
Eintrag gemacht, ^joffmannS ©Triften ^erou^ugeBen, uitb et nahm Die 3lu f=
forberung an, nac§bem i§m ©oltftänbigfeit bet 8lu§ga6e in ©egug auf ben rein
literarifdjjen SC^eit bet ©Triften jugeftanben mar. geh Bat um bie ©ergfinfti=
gung, innerhalb btefer ©efammtauSgaße mein SieBlingSßucfj, ben ,Rater SRurr 4 ,
ju übernehmen, unb baö ©uch erfcfjien nach meiner ©rudoorlage aU je^nter
©anb ber Sßerfe unb einzeln, ©er ungenaue ©iiel ber (SinjefauggaBe ftammt
webet non ©rifeBach noch Bon mir, fonbem Bom ©erleget; ber ©ejt genügt ben
wefentlidjen 91nforberungen an forrefte SSiebergaBc.
©ei ber SlrBeit an biefer StuägaBe ftubirte id[j jurn erften SRale eingehenb
bie fchwierige gäbet ber RteiSlerBiographie unb fam ju bem ü6ervafcQcnbcu <Sr=
gebuiß, baß bie im erften gragment gefc^ilberte RamcnstagSfeier ohne jeben
gweifel bie fetBe geier ift, ju ber SReifter StBra^am am @<hluß be§ ^Weiten
©anbe§ RreiSlern eintübt. ©er Betannte Streit ber ^anblung fdjließt atfo uic^t.
Wie Bisher angenommen würbe, mit biefem lebten gragment bc§ jweiten ©anbe§,
fonbem mit bem erften gragment be§ erften ©anbe§. ©iefe ©eoBacfjtung ftieß
meinen alten ©tau um. ©in Reubritd be§ ©oppelwerfeS mit Bloßer Unter«
fdjeibmtg ber ©eftaubtheile festen mir jeßt nicht mehr ju genügen; wollte man
bie RretSlerbiographie rein gur 8lnf<hauuug Bringen, fo mußte man bie Streiter»
fragmente feparat geben, in djjronologifcher Reihenfolge. ©in juüerläffiger ©ejt
be§ ©oppefwerfeS war ja nun baiteBen für gwölf ©rofcljeu ju erhalten.
gm «Sommer 1901 faßte idj biefeit neuen ©tan näher in§ Sluge unb
fteffte ein ©ruefmanuffript her. g<h merfte ba6ei ju meinem ©dhreefen, baß
e§ gu einer c§ronotogifc§en STnorbmtng nic^t mit einer Bloßen Umfteltung ber
oor§anbenen fießjehn gragmente getfjan fei. ©a§ ©urc^eiuanber ber freister*
fragmente wirb nämlich nicht, wie man bettfen füllte, bami’t motiüirt, baß ber
Rater bie Sagen burdEjeinanbergeworfen Ijat. ©er Rater läßt üictmofjr bie ©tücfe
in ber Reihenfolge, in ber er fie üorfinbet; a6er ber ©erfaffer be§ gerrtffeuen
©ud|c§, ber ©iograph Rrei§ler§, hat felBft fc^ori bie ©reigitiffe in biefem ©urch*
cinanbcr erfahren unb ben ©eriefjt bemgemäß ftücfmeife nicbergefdhrie6en. ©Sollte
man alfo bie Rreidlerfraginente in cfjronotogifcljer Örbitung geben, fo mußte mau
ben ©ejt bet gragmente felBft autaften unb bie gelegentlichen ©emerfungen be§
©iographen üßer bie Reihenfolge ausmeräen.
geh ha6c SRonate lang gefdjwanft, oB ich i><»3 thun bürfe. ©eint ba§
(jicß gerabeju: §offmann BerBcffern. ©a§ war ein Unternehmen, ba§ mich Biel«
leicht tor jebem ©tenfefjen Bon wiffenfchaftlicher 3u«ht — niic§ fcl6ft nicht au$=
genommen — biSfrebitireu mußte. @§ ift nicht aBäufehen, wa§ barau§ ent«
ftehen foüte, wenn jeber ba£ Recht hätte, ba§ 338er! eiltet anberen nach feinem
©eßhmacf jurecljtauftußen; bie fchtimmfte ©arßarei würbe einreißen, wenn baö
allgemein al3 ertaubt gilt. 316er e3 gießt feine Reget, bie nicht SlwSnahmen
bulbet, bie nicht unter Untftönben geßieterifch eine Slu§ttahme Berlangt. ©in
folcher galt fehlen mir hier Borguliegen. ©ie Uugunft be§ ©djicffal?, bal e§
£offmatm Berfagte, ben britteu, eiitheitlidhen uttb auffläreuben ©aitb gu geben,
[425/426] 43
unb §offmannS unglücffeltger ©infatt, in bie erften beiben ©rittet ein Sätet»
tagetmdj tpneinguftreuen, galten im SSereiit bie ÄreisterBiograp^ie nafjegu uttge»
niefeöar gemalt. Qctj mähte wiebertjolt bie Grrfatjrmtg, baft SOtenfc^en bon feinem
©efcfjmacE burcf)auS uidljt gutn Cefen bes Sucres gu bewegen waren, weit baS
attem Stilgefühl ittS ©eficfjt fd^tagenbc ©urdjeinanber fie abfdjrecfte. So ^a6e
id) baS odium auf ntih genommen, bie SreiSlerbiograpljie fo herguftellen, wie
fie §offmanu borgefdjwebt ^at, Wie er fie öieüeidjt felbft in einer gweiten SluS*
gäbe geftattet fjÖtte: beim aut Shlufj beS gWeiteu ©attbeS wirb er ber Sater-
Beigabe bereits mübe unb berfpridfjt, fie im britten ©anbe fortgutaffen.
Um bie erften beiben SBfiitbe gu rechtfertigen, Ijat mmt Woljl gefugt, bafe
in ber Srcislerbiograpfjie bie eine ©eite bon $offmaitnS Sitnft fid) geige unb
im Saterbud) bie anbere. ©er ©egenfaft gwifc^en beiben ©eftanbtljeilen ift aber
ein anberer. @S liegt bamit fo, wie 3 rang ©lei in feinem grunbtcgenben ©ffatj
Uber fwffmaitit*) auSfüf)rt: bafc nur ber SrciSlertljeit uns £offmaiut als ©idjter
f eigt, wäfjrenb im Satertljeil ber £)umorift, ber wifdge Piterat gu ltuS fpri<f)t.
Qu ber SreiSlerbiograpt)ie liegt fcfjou ftoffinmtnS gaugeS SBefeit unb feine gange
Suuft befdjtoffcn. Stuf ber einen ©eite geigt nttS ber Siebter bas un^eimtid^fte
©rauen, baS aber nicht, wie in beit „©lijierett beS ©cufels" unb fteineren älteren
3Serfuchen, in bie Slufeenweft projieirt ift, fonbern im Qtuteru ber beiben franfen
©erfonett, ^JcbwigaS unb SreiSlerS, wütt)ct; baueben bietet er unbemittelt bie
burleSfe Satire auf beit ©uobegljof, itt ber bic bcften neueren Peiftuugeit ber Strt
oorweggeitommen fiitb. ©aS 9ft(eS würbe freilidj bic SreiSlerbiograpfiie nicht
gu etwas ^Xujjerorbeutlicfjcm unb ifjrett ©erfaffer nicht gu einem grojjeit ©id^ter
inahctt. SXber baS 333cvf ift nicht nur bunt unb reih 011 ftarfen ©egenfäfceu
ber 06erflädje; cS ift and) tief uttb gart. @S ift, mit einem SBort, eine ber
grofjen uitb rücffirfjtSlofeu ©elbftbarftclluugeu, bereu cS nur wenige itt ber 8ite=
ratur giebt. £>offmattu unb SreiSlet gehen of)tte SReft itt eiitanbcr auf: Wer
ben einen feuut, feuut beit anbent; wer ben einen ntifjberfteljt, !aun audlj
über ben aitberu nicht mitvcbcu.
©iub nun and) bic fleiiten ©djwicrigfeitcn burefj bie ©cfouftruftioit be-
feitigt, fo bleiben bodj bic großen, bie ber brittc ©anb Ijinwegräumeu foltte,
beftefjeu. Sftatt wirb mir nicht ben ©orumrf tnacfjcit föttneu, beit ^offmaitit in
Stnfhtufe an bie ,2lutomate‘ gewiffett ©rgäfjlern ntadjt, bafj ber ©oben „gnle^t
mit beut tjifforifcfjen ©efeu fo rein gelehrt wirb, bafj auch fein Sörttdjen, Echt
(Stäubchen bleibt", bafs mau „fo gang abgefimbeit nah £>aufe geht, bafj man
fo gar feine ©clptfuht empfiitbet, nod) eiumat hinter bie ©arbitte gu fufen".
©iher ^nt mancher Pefer ber SreiSlerbiograpfjic ginn ©htufe beit Sßttnfh, „hinter
bie ©arbiue gu fufen". Silber ber ©ob f)at auf immer bie ©arbitte gttgegogen.
Um nun bodj nah SRöglihfcit ben fcf)lenbett britten ©heil gu erfeljcu
uttb bie abgefhtoffeuc ©arfteftuug ooit ^offmattuS gelben gu geben, au ber itju
*) ©ring ©tjpoltt unb anbere ©ffaps. Peipgig, QitfeUSerlag, 1902.
44 [426/427]
l'clbft bcr ©ob gcljittbcrt jjat, faffc iS aus $mffitianttS fouftigen SScröffcntfic^ungcu
imb aus feinem KaSlaft bie übrigen SBcrfe folgen, bic KrciSlertt-gum ©egenftaub
Ijabcu, nebft ben mistigeren non bettelt, bic er als SBcrfc StreiSferS begegnet f>at.
Qm ©ejt folgen auf bie Sreislerbiograplfic einige ältere Slufföfge, borunter
ber Anfang (adjt ©eiten) einer bisher ungebrniften Söriefcvgä^limg ,©er Qreuttb 4 ,
bie un§ Sreislcru itn SBafjufimt »erführt. QS l)o6e bicfcS ©tiicJ, mie iS befettneit
tnitj}, nur mit großen 93ebenfen in bic ©onititliuig oufgettotntnen. ©S flammt
auS ben erfteu Qaljren non fmffutauuS @c^riftrtetteret uttb ift in ber Qorttt
überaus unreif, foft fnaben^aft; ©offmann Ijat in bet ©tjat gute ©riiiibe gehabt,
eS liiert bruefen gu laffen. Qmmerfjin tnollte Wj eS feinen gfreunben itic^t oor=
entgolten, bo eS bem reiferen ^offmonit nicf)t mel)t nergönttt mar, ben SluSgattg
feines gelben gu fSilbern. ©er tejtlidje ©tjeil f^liefet mit einem erften ©ntmurf
bet,Sitten ©tunben eines maljnfimtigen SKufiJerS 4 , non benen nodj bic Siebe fein
mirb. 9ln ©ompofitionen enthält bie «Sammlung not 9Wem baS fSöne Agnus dei
aus ber Missa in D in einem SflaoierauSguge £anS ^ßft^nerS; bann folgen brei
fleiuere, ebenfalls SreiSlern gugefSriebene ©tücfe. SBon ben Silbern lfebe iS
gmei bisher unbefannte ©elbftportraits ^offmannS aus ber 6am6erger 3<?it f)er*
not: baS eine mit ber ttnterfSrift ,S?apeC(meifter QoljanneS Breisler 1 , baS anbere
als ©itelfupfer gu ben ,SiSten ©tunben 4 gebaSt.
@o bereinigt baS ,$reiSterbuS‘ aStgig Qa^re naS CtoffmattnS ©obe
all feine ©Söpfungen in SBort, ©on uitb Silb, bie mit SreiSlerS Samen Oer»
fnüpft fiub. ©ie ©amtntung als ©angeS menbet fiS gunäSft an fslSe, bic
£>offmann ttoS gor niSt ober (maS faft baS felbe bebeutet) nur als Sonelliften
lernten, uttb fjofft, feine perfönliSften ©Söpfungen gugängliSer gu maSett, als
fie burS bie Ungunft ber Serljältniffe bieder maren. Slber auS ©enen, bie ben
,&ater Süturr 4 leimen unb in ber Originalfaffung Oorgieffcn, fjoffe iS, burS
mein 93uS einen nü^lid^en autljentifSeu Kommentar gu $offmattnS £)aupt=
merf gu liefern; junädjft burS bie SKufit» unb Sunftbeilagen, bann a6er burS
beit ©ejt. ©enn mer beit ©enufj beS SBerfeS gang auSfSöpfen null, tttujj bie
SSofaiffteinSen, bie ber Sünftler forgloS Oerftreut, Dörfer einmal gutn Silbe gu*
famittenfügen; banaS mag er bie ©l>eile mieber auSeinanberreifeen uttb fiS att
bem bunten ©urSeiuanber erfreuen, mie ^offmamt fetbft es barbietet.
QS fjoöe öer ©ammlung eine Jurge ©arfteHung oon |)offtitannS Sebcu
unb ©Saffen OoraugefteHt, fo meit bie SefanntfSaft bamit unmittelbar gunt
Serftaitbitife berffreiSlcrfSrifteit beiträgt, uttb laffe biefer ©orftellung eilte Slttalpfe
ber SteiSlerfabel folgen, ©ie ©arfteüung Oon &offmannS Sebett beruht im
©etail burSmeg auf ben lebten Ouellen, bie iS gum großen ©Ijeil erft aufge*
futtben Ijabe unb an anberem Ort geigen merbe. Kamen, ©eburtS- unb ©obeS*
jatjre fjabe iS in ber Kegel nur bei ben ^erfonen angegeben, für bie fie bisfjer
niSt belannt marett. ©er ©Ijaralter ber ©arftellung mürbe beftimmt burS
bie ©rmäguitg, bajj eS fiS bei einem Jürgen Slbrifj, mie meinem, gunäSft baruni
Ifanbett, bie großen Siniett feftguftellen, in benen biefeS Sebcn oerlaufen ift, unb
bafj eS baßei rneljr auf bie inneren, riStunggebenbeit ©rfatjruitgen als auf bic
[427/428] 45
.gufäßigleiten ber äußeren 33erl)ältniffe anfommt. Sc habe ich als bie §aupt*
erlebniffe ber früheren 3ctt bie brei gätle unglücflidjer Siebe bargefteßt, bie £off«
mamtS SSefen bie Prägung gegeben hoben, ltnb für baS le&te $afjrgehnt baS
jähe Stuf unb SIb feiner fßrobuftion. $d) geige, wie $offmanit faft bie gange
8eit feinet literarifdjen Schaffens hinburdj, t>on 1812 bis 1822, berfolgt Wirb
non bem ißtan eines großen Jift^etifc^*p^antaftifc^en SBerfeS, ben,Siebten Stunben
eines wahnfinnigen äftitfiferS 1 . Er fefct mehrfach baju an, uerfdfjiebt aber immer
wieber bie 9iieberfchrift. Er beginnt ferner gweimal eine ergäjjlenbc Einleitung
gu biefem SBerf: in ber $eit ber erften literarifdjen Hebung ben ,$reunb‘, in
ber Qcit ber 9Jteifterfc§aft bie ,33iograpt)ie Kreislers 1 . $m SSer^ältnife gu biefem
literarifdjen SebenSplan erfdheinen bie übrigen mufifalifcfjen Stücfe, alfo bie älteren
SreiSleriana, ber ,9titter @lud‘ unb ber ,©on Quan‘, als inhaltliche Sßor=
Übungen, ber ältere IRotnan, bie ,@tijciere beS Teufels 1 , als technifdEje SSorftubie;
bie brei foutierainen SJlärdljeu ^offmannS, ber ,©olbene S£ojif‘, ,®lein 3a<heS‘
unb bie ,ißringeffin Srambißa 1 , bleiben für fiefj als Heine Sßeifterwerfe befielen,
aber feine gange übrige ißrobuttton finft biefeit ©ruppen gegenüber gur Unter*
haltungliteratur herab. S^amentlid^ bie erften berliner Qafjre, in benen ber größte
$heil ber in ben ,SerapionSbrübetn‘ bereinigten Ergäljlungen entftanb, faffe
idh als eine 3eit ber ©ürre auf, bie nur baburdjj fruchtbar für ff mann würbe,
baff er in ihr fich tedhnifdh als Ergäbet boßenbete. So burfte er eines SCageS
wagen, mit ber nun erlangten ÜEfteifterfdjaft im |>anbroerf gurücfgulehren gu ben
alten ©egenftänben, bie ihm am £>ergeit lagen, gu beit hohen Iprifd^eu Stimmungen.
$djj fudhe im Eingelneu nadhguwcifeu, wie ein inneres Erlcbnijj — bie ©ettefung
aus fcfjwercr Trautheit — unb brei gufäßige rebaftioneße SIrbeiten Wjn toeranlafjt
haben, im ftrühjaljr 1819 gerabc ben Stoff ber SfreiSlerbiografihie gu ergreifen.
2luf biefe ©arfteßung (affe id) ben SBcrfudj folgen, bie ßteislerbiographte
als ©anges gu überblidcn. bisher hot man bas uns SJorliegeitbe als ein gwei»
bänbigeS ©aitgc betrachtet, bem nur ein Sdhlufjfafntel fehlt. 8dh bergegen»
wärtige mir gunächft, bajj cS fid) um brei gleich «Hoffe ^heile hobelt, beren
jeber einen beftimmteu £heil ber 9Sorgcfchic§te unb einen bestimmten Scheit ber
fjanblung enthält. ßhttt auahjfirc id) gunächft ben erften ©(jeti für fid) unb
fteße feft, welche Süden er nod; in ber SBorgefchidfjtc läfft; bann unterfudje ich
in ber felben SBeife ben gweiteit 93nub. ©ttreh fdharfes 33cobadjtcn eingelner
Spuren gelingt eS mir, einiges bisher nicht 6emerftc feftgufteßen, wie ben SScr=
bleib ber entführten El)iara; baS Enbergcbnijf ift aber buch, baff faft aße Wichtigen
Vorgänge ber SBorgefdjicfjtc eben fo wie ber Schluff ber £>anblung fidh erft im
britten SBanbe enthüßen foßten. Sßit bermögeu alfo nicht ein ©efammtbilb
ber (panbluttg gu gewinnen, fonbern tnüffen uns an bie herrlichen Eingelljeiten
halten; aber auch biefe Eingelheiten wirfeu erft, wenn man fie in fftulje in
ihrer Umgebung betrachten fann unb nicht geftört wirb burch bie fjiueinblijjeuben
IRefteje eines heterogenen SßerfeS.
Qn einem furgen 9?ad)bericht eitblich gebe id) genau fRedjeufdjaft über mein
Verfahren bei ber Siebaftion ber ßreiSlerbiographie, fo baff ber Sefer fidh banadh
46
[428]
i>ie Ctigiualfaffuug bet gragmente in jebem SBort ^erfteden fann; bei biefer
Gelegenheit t^ciCc idj bann auch einige SBeobadjtungen übet £)offmann$ (Stgen*
tljfimlichfeiten in Spraye unb «Schreibung mit, bte bietleicht biefen ober jenen
fpraifjfunbigcn Sefcr intereffiren unb als SSorarfieit für eine fünftige p^iIotogifc^=
fritifchc 2lu3gabe bon £>offmaun§ «Schriften itüjjlich hierben fönneu.
[IX]
47
[Aus der Einleitung zum ‘Kreislerbuch’]
©eit ber 5Tuff!tibuti0 bon $i$igg Sfadtfag* ift eg
mogfidj, bon bem SBefen unb bem geben feinet ftreunbe
^ouqu6, Sßerner, £offmann unb Gljamiffo eine unmittelbare
Slnfdjauung ju erwarten.
Ueber £offmanng 3ugenb flären ung bie bigljer nur
öugjuggjneife bcfannten Erinnerungen feineg ftreunbeg
Sr;eobot ©ottlieb non Nippel auf, bie burd> ßöniggberger
Äirdjenbüdjer ergänjt »erben; übet bie 93amberger £eit
I;oben mir midjtige 5luf^cid;nungen beg Dr. $riebvtd> ©peper
erraffen, ©iefe Seyte gebende idj mit anberen übetg 3af;r
in einet ©ammfung ber ^auptqueffcn bon £offmanng 93io*
* Uebet bie ©efd)id)fe biefeg 9lad)laflTeg habe id) für*
berietet in einem 2luffa$ ,3u E. Z. 21. #offmann: S3er*
jeidmijj ber ©dmftftütfe bon ifym, an ifjn unb über ibn,
bie im 93efi^e feineg 93iograptyen 4>i^t*ö gemefen (Tnb.‘ ©er
»uffafe befinbet ftd> in .Euptyorion, ^eitfdjrift für gifteratur--
gefd)id)te‘, ha. b. Sluguft ©aucr, 93b. IX, Jpcft 2/3 (geipiig
unb 2Bien, fromme, 1902), ©. 360 —372.
grapljie oorjufegen; (u'er m&djte id) £offmanng 2e£>en nur
fo weit in wenigen ©tridjen jeidjnen, afg eg fid) in feiner
23iogtapf)ie beg Äapetfmeifterg Äreigfcr wieber«
fpiegeft, unb babei jeigen, wie itym biefeg 2Berf affmäbtid)
aufgegangen ifh 3fd) fleffe im fofgenben £offmanng Seben
unb ©djaffen atfo nur unter biefem ©efidjtgpunft
bar unb übergebe mit 3fb(Id)t »iereg aug feinem äußeren
geben unb mandje feiner £auptwer!e, wie bie öfteren Dpern,
ben ,2)on 3uan‘, bie ,©fixiere beg Seuferg 1 , .Äfein 5ad)eg f
unb bie ,j5rin$£fjlri^
3n $en Äöniggberger £ird)enbüd)ern wirb 1740 ein
„S3urggraf" ©öteri genannt, oon bem wir bi$I;er einen
©of;n unb jwei £öd)ter fennen. £)er ©of;n febte big 1795
afg 2fboo Eat ju Äöniggberg; oon ben &öd;tern war bie
eine oertnäf)ft mit bem Pfarrer Sriebrid) Gl)riftopb
^offmann in £apiau (geft. 1758, aug ber alten oft«
pteufjifd;en ©aftorenfamifie S3agienfEi«J? off mann*), bie
anbere mit bem angefetyenen £ofgerid)tg*2fbPoEaten 3ol)ann
Sacob Sörffer in Äöniggberg**.
2)er britte ©of;n beg ©farrerg Jpoffmann, Gf;riftopl)
gubwig Jp offmann (1736—1796), trat in bie ftußftapfen
feiner Dljeime Sßöteri unb SBrffer unb würbe 3lbooEat am
* (Sine ©eneafogie ber Samifie »cn 1540 big auf bie
©egenwart I)at £f;eobor Jpoffmann gegeben im ,©e«
neafogifdjen ipanbbud) 93ürgerfid)er $amifien‘, t)g. oon
35. Äoerner (33erfin, 23ruet-, 1900), 53b. VII, ©. 163—175.
Jperr Garf ©. oon SWaaffen Tratte bie ©üte, midj auf biefe
entlegene ©ubfiEation aufmerEfam ju mad)en.
** ®ie 'Jladjridjten über feine 9tad)Eommen oerbanfe
id) bem Jperrn ©ifar gangtau in Äbniggberg. ©ie »off*
ftänbigen ©eneafogien ber ftamifien SSöteri, £offmann unb
Sörffer werbe id) an anberem Drte oorfegen.
49
[X/XI]
Äöniggberger Jpofgeridjt. 2lfg formet fjeirot^cte er mit
einunbbreigig 3af;ren, öm 29. DEtober 1767, bo$ fed)fte
Äinb ©ßrfferg, feine GoufTne gooifa Qffbertine ©5rffer
(1748—1796). ©ie &)t mürbe aber nach gmöffjäbriger
©auer getrennt, halb nadjbem am 24. Januar 1776 ali
britter ©of;n nnfer Grnft 3:(;eobor SEßifbefm off=
mann geboren mar. ©er S3ater ging afg SuitigEommijfar
nad; Snfierburg, bie Butter gog mit bem jüngften Äinbe
gurüct in i(jr efterfidjeg £au$; fTc rebte bort ftifl bei ihrer
Butter mit gmei öfteren, unoerfyeiratfjeten ©efd^miftern,
Otto 2Birf)efm ©örffet (1741—18U) unb Johanna
©opbie ©örffer (1745—1803).
©iefe beiben maren eg, bie bie ©rgiebung beg Efeinen
©rnft leiteten. Ueber beibe ftnb mir burdj Nippel gut
unterridjtet. Otto SBifbefm, ber „O mef;--Onfef", mie £off=
mann ihn nad> ben 9lnfanggbud)ftaben feiner Sornamen
nannte, mar bei feinem erften SSerfud; arg 3fboofat gegen
ben öfteren Nippel Efägfid) unterfegen «nb nafjtn bann bei
©efegenf)eit einer 3fuftigreform feine ©ntfafiung mit bem
Üitef eineg 3uftigratf;eg. ©r mar forgföftig ergogen, aber
of>ne affe Begabung, unb mibmete ftd) augfdjfiejjfid) einer
„biätetifd; georbneten 93egetafion" ©er 9teffe überfaf) ihn
bereitg mit gmöff fahren oöffig unb med>fefte faum ein
SEBort mit ihm, oT;ne if;n gu mpftijtciren. ©efto inniger
mar fein SBerböftnig gu ,/Sante pßdjen": ffc berfianb unb
fiebte if;n, unb er manbte ihr big in feine pngfingggeit
affe feine Siebe gu. ,,©ie fang nid;t, fte fpiefte meber Äfabier
nodj gaute", mar aber „geiftreid), gefeilig unb beiter", eine
„geiftreidje, ad)tunggmertbe alte Jungfer", mie eg anbergmo
beigt. ©ie mar gu ber j}eit, mo £offmann im #aufe febte,
34 big 51 3af)re alt, mug fid) aber gart unb buftig erbarten
haben.
50 [XI/XII]
At* unfer ipoffmamt bie Äinbljeit unb bie ©d)ur* unb
Uni»erfttät*jaf;re hinter ffd; Tratte, ftarb btc Butter. ©t
oetriefj nun Königsberg unb ging nad) ©logau ju einem
jüngeren QnEef, feinem ^attyen SoIjann Submig ©ürffet
(1743—1803). ©iefer mar «Kegierung**, £>ber*©onftftoriar*
unb ^upitfenrati) baferbfl, unb £ojfmann lebte jwei 3oT;re
bort, ar* ©tubenEamerab unb intimer ftteunb feine* gfeidj*
attrigen luftigen SBetter* ©rnft gubroig Jpartmann ©örffer.
1798 Eam ber Dljeim an ba* ©efyeitne Dbertribunal in
«Berlin; ber «fteffe, ber mittterroeiie 9ieferenbar geworben,
ging mit il;m unb fie@ fid) au* Äammergeridjt »erfefcen.
©amit mar jugfeidj ein ©rrebnif? ipoffmamt* enbgüftig ab*
gefdjfojfen, ba* iljn, mie Kipper eriäT;ft, fdjnefl unb über feine
3a(;re tjinau* entmiefeft Jjatte unb oon entfdjeibenbem
©inffuffe auf fein ganae* geben mürbe. Ar* ad;tjeT;njäT;riger
©tubent r>atte er in Ä5nig*berg eine „reijenbe grau, »off
©inn unb @efüf;I für bie fünfte", Eennett gelernt unb fte in
ber s0?u|TE unterridjtet. ©ie mar, fafl nodj ein Äinb, an einen
fünfjigjäljrigen Kaufmann oerEuppert roorben, einen ©fenben,
ben fte mit Aufopferung ifyre* Vermögen* »or ber ©träfe
be* betrügerifd^en SSanEerott* retten muffte. 3e<jt fd;enEte
fte bem jungen geljrer „if)re ©unfl, unb er ergab fid) ifyr
mit bet ooflen gebenbigEeit frifdjer Sfugenb . . . ©ine neue
«EBeft mar üjm aufgegangen, aber jugteid) mar er in ein
gjteer geraden, beffen ASogen ben AnEerrofen t>in unb T;er*
marfen. @r l)atte ein #era gewonnen, ba* er fein nennen
unb bod) nid)t beiden burfte; im tägttdjen SBieberfefyen
tag ba* tägridje ©djeiben, unb mit bet $ütte be* ©enuffe*
mifdjte fT d) bie ©emiüffeit be* ftdjetn SBerfufte*. 9Äit bem
23ed)er ber T;öd)ften 2uft ber giebe mürben il;m if;re bitterflen
Öuafen befdjteben. — ©t fünfte e* tief, mie fef;r biefeö
[XII/XIII] 51
Wi(3berf;ärtni(5 an feinen ebefflen Äräften jef;re, unb rer*
banft ec btefer geit gfeid) bie nertraute 93efann‘tfcf)aft mit
ben Siefen beS menfd)(id;en ^erjeng, bie mit in feinen
©driften mieberfinben, . . . fo brad;te bod> bag ©emufitfein
biefer Sage . . . eine fjerriffenljeit in feine ©eefe, becen
SDunben big an feinen Sob nodj fenntfid) maren."
Anfang 1800 beftanb er bag ©taatgejeamen, unb mürbe
in bie neuen pornifdjen ^rorinjen ö^fcOirft. ©ieben 3af;re
mar er bort an brei „Regierungen" (Dberranbeggeridjten)
tfyätig: erfl arg atfiefTor in *Pofen, bann, nadjbem er bie
junge, fjübfdje unb unbebeutenbe Sod^ter beg bortigen
©urgermeijterg unb ©tabtpräfibenten Rorer*Sr^ngfi ge*
T;eiratr;et> arg Ratf; in «ptoef unb in SEBarfdjau. — 3n
feiner freien geit befdjäftigte er ftcmit Waten, metyr nodj
mit Wuftf; unter anberem traben mir aug jener geit nod>
feine Missa in D.
@nbe 1806 cerlor er feine ©tettung burd; bie franjöjTfdje
Dccupation, ber bie Abtretung Vereng an ben Äönig non
©adjfen fofgte, unb manbte ftd> im ©ommer 1807 in fcer
Hoffnung auf anbermeitige ©efdjäftigung nadj ©ertin, nad;*
bem er feine grau unb bag einige Söd)terd)en ju feiner
©djmiegermutter nad; <pofen gefanbt fyatte. STber er fanb
feine ©tettung, unb bie freine Gecitia ftarb. 3n feiner
bumpfen ©erjmeifiung fanb er Sroft bei ber $meiten grau,
bie if;m näf;et trat, unb beren Ijeitfamen Ginflujj auf il)n
er fpäter banfbar gefdjifbert f;)at (©. 38/39 unfereg Serteg).
@g mar eine junge, finberfofe, mit einem ©ppftiritifer rer*
el;e(id>te grau, beren ©atte, ein feerer ©eamter, auf einer
rangen ©ienflreife abmefenb mar. ©ie mirb il;n barin
beflärft fyaben, feine ©eamtentaufbafm aufjugeben unb ftd>
ganj ber Äunfl ju mibmen (©. li unfereg Septeg). —
S3on ben Gompotftionen ber ©ertiner peit finb f;iet bie
52 [XIII/XIV]
fed)$ ,Canzoni per 4 voci alla capella' nennen, inSbefon*
bere bie Hpmnen ,Ave maris stella' unb ,0 sanctissima‘. —
@d>fiegrid) gefang e$ il;m, eine ©teKe af$ SDtufiEbireftor
in Samberg ju erwarten. @r fyotte feine ftrau auS ipofen
ab unb traf am 1 . ©eptember 1808 mit ifyr in Samberg ein,
ba$ Jperj oon ffotjen Hoffnungen gefdjwefft. ©r erfefcte
funfort feinen britten Flamen SBiffterm burd) $D?ojart$
Sornamen 2 lmabeu$.
3n Samberg warteten feiner jebod; ?£)?i0erfofge unb
©nttäufd>ungen. 2 tt$ ©irigent ftef er beim erften ©erfud)
burd) — er f;at ba$ nie »erwunben unb fld> nie fdjriftiid)
barüber geäußert — unb a($ ©omponift fonnte er ftd) nid;t
nad) 2 Bunfd) betätigen. Heber ©ine 2 iuffül)rung ftnb mir
näfyer unterrichtet; wir geben fjier Eurj bep Sbatbeftanb.
Sin Samberg reftbirte ber apanagirte H er i°g SEBifljefm
in Sapern mit feiner ©emafyfin $0?aria 3inna. ©ie
Ratten jwei Äinber, ©iifabetf) (geb. 1784) unb «piuö (geb.
1786). S)ic HtOÄogin ©iifabetl) mar für$rid) an ben 9Äar*
fd)att Servier »erljeiratljet worben unb lebte fetjt, wo
ber @emaf;( in ©panien Eämpfte, wieber bei ben ©item.
3 f;ren 9tamen$tag feierte ber &f;eaterbirector ©uno am
19. 9tooember 1808 mit einer fteffoorfMung, unb ber un*
gfücfrtd)e Hoffmann mu0te baju einen ©rofog ,2>ie <pifgerin‘
btdjten unb componiren. @r f;at einem ftreunbe ju 9teuiaf;r
1809 fefyr amüfant barüber berid)tet unb ai$ befonber$
broifig i;erborgef;oben, wie bie $ürftfid;feiten ftd; bei ber
rid)tigen ©tetie ber „©idjtung" in ber 2 oge weinenb um*
armten. Sin bem fefben Sriefe fpridjt er bie Hoffnung au$,
bie ©emafyfin be$ Herzog« Siu$ (bie neunzehnjährige Herzogin
Qlmaiie, fpäter ©ro 0 mutter ber Äaiferin ©fifabetf; bon Defter*
reid;) im ©efange zu unterrid)ten, ba er nunmehr „auf ge*
wiffe Sßeife bep Hofe introbujirt" fei.
[XIV/XV] 53
5Die ÄriegSereigniffe mad;ten tf;m aber mieber einen
©trid> burd) bie Stedjnung: er muffte ffd> unter ©djmierig*
fetten a[S Ätaoier* unb ©efangSfefyret burd)fd)fagen unb be*
gann StejenfTonen unb freie muftfafifdje Qtuffü^e für bie ,’2lß*
gemeine 3Ku(tfafifd)e Leitung' in Seipjig ju fdjreiben. 2tm
12. Januar 1809, affo furj »or SSoßenbung beS breiunb*
breiffigffen SebenSjatyteS, fanbte er afS erflen berartigen
SSerfud? feinen geniaten Ritter ©tuet', „einen Keinen 5fuf*
faij, bem eine mirffidje 93egebent)eit in 95erfin jum ©runbe
Hegt", an ben Herausgeber beS 23tatteS, 9tod)fi£, mit bem
er fd)on feit anbertfyatb 3af;ren in 23erbinbung flcmb; ber
2luffaij erfd)ien, mit aßerfei naferoeifen Sienberungen beS
iftebacteurS, am 15. Februar.
25ie nädjfte berartige Arbeit mar bann eine bitter
fatirifdje Sarfteßung feiner Sage in 23amberg, unter ber
Ueberfdjrift: ,S)eS ÄapeßmeifterS, ^ofyanneS freister, mu*
ftfatifd;e Seiben*. @r befd;reibt, fo I;eifft e$, auf ber meijjen
©djtujjfeite eines 9totenbefteS bie Quafen, bie er foeben in
einer $I)eegefeßfd;aft beim ©ejjeimen 9iatf; 9?öbertein er*
burbet l)at; bie ©eite ifl ooßgefd;rieben, unb er fäf;rt fort:
auf bem meijjen fftanbe beS SitefS miß id; 3bnen,
meine Herrn, bie ©ie mid) fragen, marum idj midj
benn bep SiöberteinS fo quäfen taffe, marum id) benn
nur überhaupt l)inael;e, antmorten: „3d; gebe Unter*
ridjt, meine Herrn! td) gebe Unterricht. — S5ie 95er*
teger fef;en jetjt nur bie aßergiänjenbßen ©terne,
©d^manjfterne ftnb ifjnen am (iebffen!" —*
3 n burd^meg umgearbeiteter $orm erfdjien biefer Stuffa^
am 26. ©eptember 1810 in ber ißßg. SJtuf. gtg. unter
* £>aS SWanuffvipt beffnbet ftd) im 23eff<}e beS Unter*
widmeten; biefe erfte Raffung mirb tyoffentfid) einmat eine
Ausgabe oon HoffmannS Meinen ©d)riften eröffnen.
54 [XV/XVI]
ber Ueberfd;rift ,3oI)anneg Äreigterg, beg Äapettmeiflerg,
mujiEatifd)e 2eiben‘.
Äreigter ift t)ier burdjaug hoffmann felber, ber 2 tuf»
fa^ ift reine ©ituationgfd;itberung otjne eingelegte ftaber.
9lur am ©d)tujfe erfd;eint bie Siebe gu einer ©efangg»
fd;üterin atg SßorfpuE ber Eünftigen 3utia»£ragöbie. gu*
nädjfl aber bitbete hoffmann bie ftigut beg Äreigrer in
anberer 9ttd)tung weiter. @r naT;m fid> Anfang 1812** »ot,
feine „SdnfTdjten ber EfJtufTE unb twrgügtid) ber inneren
©truEtur ber Sonjlücfe" einem watynfinnigen EfflufiEer
in ben 9ttunb gu tegen, „um jeber anfdjeinenben ©peentrigität
EPtni? unb Eftaum gu gönnen"; unb et befd;to@, fyiergu aber*
matö bie ftiguv be$ ßretgier gu »etwenben. 2Bot;t atg ©in*
teitung gu biefem tfjeoretifd;*pt;antaftifd;en 2BerE war bie
93rief»@rgät;tung ,£>er $reunb‘ gebadet, in ber wir ben
watynfinnigen Äreiöter nad) ber ftfudjt aug ber 3 rrenanjtatt
ftnben. 3Die Stbfaffungggeit biefeö ©tücEeö fäfjt ftd) nutyt
genau beflimmen, eg ift aber Eeinegfaftg fpäter afg Anfang 1814
entftanben. Stber eg mag itym bei ber Arbeit gum 93 ewufit*
fein geEommen fein, bafj er nod) nidjt reif fei, feine testen
* 5Bon 3uni 1809 big Slprif 1812 tyat ipoffmann an»
fdjeinenb atlen brieftidjen ©erEetyr mit EBeEannten rutyen
taffen, aber ron 1809—1815 befio fleißiger Xagebödjer
geführt, bie neben genauer ftipirung j, cr äußeren ©reig*
nijfe bie intimften ütufgeidjnungen über feine Stimmungen,
ober, wie Jpityig eö augbrüctt, „bie ©eEenntniffe atter
feiner ©djwädjen" enthielten. 2 tug biefem ©runbe tyat
benn aud> hityig bie 93tid>er 1823 »erbrannt, wie £tyomag
EOtoore im Satyre barauf bie üagebüdjer 23prong, unb wie
fpäter gfeidje ERücEftdjten bie 93ernid)tung t>or< ©djopen*
tyauerg eie kavzbv unb bie ©etyeimtyaftung »on EJtietyfctyeg
perföntid)fter ©d)rift, bem ,Ecce homo‘, »eranfafjt tyaben.
SEBit haben für biefe geit nur Jpityigg magere Stuggüge aug
ben £agebüd)ern, bie 23amberger $tyeatergettet unb bie
©tinnerungen »on ©peper, Jpolbein unb Äung.
[XVI/XVII] 55
@inftd;ten ju oerfünben, unb bie Sftieberfdjrift ber , 2 id>ten
©tunben eine« roafynfinnigen WufiEer$‘ würbe nod)
»erfd)obcn.
Sie näd)flc Strbeit, tn bet Äreisrer auftritt, (Tnb
,3oT;anne$ ÄreiöterS ©ebanfen übet ben fyofyen SBertf; ber
Wu|tE‘ — eine ironifdje SEBeiterfüt^rung ber ,WuftEatifd;en
2eiben‘. ©ie erfd)ten in bet SUIg. Wuf. gtg. <*ni 29.2fuli 1812*.
3 n ba$ 3 al)r 1812 faden ferner widrige Sompofttionen
£offmann$. 2Bir nennen fyier bie Strien ,Prendi l’acciar ti
rendo“ unb ,Mi lagnerö tacendo', fed>g ©nettinen, bie in
bem feibenfdjaftfidjen Srennunggbuett ,Ah che mi manca
Panima* gipfeln, unb enbtid) bie Dper ,Unbine‘, bie er im
©pätjafyre begann.
3 n bie fefbe geit ftet ber 5(bfd)fuß feinet Teijten großen
2 iebe$ertebniffe$. 2 Öie er in ben 3 üngfing$jaf;ren gfüfyenb
bie junge $rau geliebt, bie er in ber WuftE unterridjtete,
fo T;atte iljn in ber Witte ber breißiger 3al)re eine heftige
2eibenfd)aft für eine junge ©djüfert'n in Samberg erfaßt,
3ufia Ware (1796—1864). Stber währenb jener erjten
großen 2 iebe fefigfte ©rfüdung ju $l)eif geworben mar, lag
T;ier ber 5 a(f oor, baß ein gereifter Wann ein T;armfofe$
junget Wäbdjen, ba$ Eaum ben Äinberfdjuben entmadjfen mar,
(;eimtid) oergötterte. Sufia mirb Eaum etwas baoon gemerEt
fyaben, woljl aber bie Wutter, bie £offmann bann ben
Unterrid)t entjog, um il;n einer ©ängerin ju Überträgen;
ba(b barauf mürbe Sutia »on ber Wutter mit einem reidjen,
jungen Kaufmann oermäI;tt, einem ©ummtopf, SEBüfUing
unb SrunEenbotb.
* SRodjIitjenSSSerbaflbornungen erfireefen (Td> hier anfdjeinenb
bi$ auf ben $itef G/©itTertatiuncuta" fiatt „©ebanfen"; im
3 nf;a(töoerjeid)niß be$ 3 a(>rgang$ oerbeffert).
56 [XVII/XVIII]
Sa? war ba? tefcte große unb einfdjneibenbe ©rtebniß
£offmann?, unb ba? ging it;m nun nad) burd) bic jef;n
3 af;re, bie er nod; ju {eben Tratte- 3unäd;fl enttebigte er
fid; feinet bitteren ©rotte? gegen atte, bie an biefer ipeiratt;
fd;utb waren, in ber ,9tad;rid)t bon ben neueften ©d;icffa(en
beo Jpunbe? ©ergan^a*. ©r fäßt ben Jpunb neben attertei
attgemeinen 95etrad;tungen einen 93erid)t über bie ©reigniffe
im $Dtarcfd;en 4?uufe geben, ber freilid; Eünftterifd; wenig
burd;gebilbet ift unb (tettenweife an Ätatfd; grenzt. Sie
#offmannfd;e gatTung, bie fid> nod; 1836 im Sejtije be?
Verleger? Äunj befanb, tft nod) nid)t aufgefunben*; wir
Eennen nur bie wefenttid) gemitberte unb gefügte gorm,
in ber £un$ ben Sluffafj fd)tießtid) bruefte. 3m ,23erganja‘
tritt 3ufia at? Gfecilia auf unb wirb mit freistem nur
einmal flüd;tig in Sßerbinbung gebradjt; biefer erfdjeint
bann nod) jweimat tebigtid) at? titterarifdje 9)?a?fe Jpoff*
mann? (für Urtt;eite über 9tobati? unb ferner); nur eine
©tette berid)tet un? Eurj über fein @d)icffat: er fei in eine
3 rrenanftatt gebrad)t unb au? ibr entfprungen.
9tad; tangeren 23efpred;ungen mit bem 23amberger Seif;*
bibttott;ef?befi^er Äunj, ber ftd; it;m at? Sßerteger anbot,
befd;toß ipoffmann, bem ,93ergan$a‘ feine älteren 21'uffäfje
beijugeben unb fte burd; einige neue ju bermef;ren. Sen
,SO?uftEatifd)en Seiben‘ unb ben .©ebanEen über sJÄuffE* fd;!ießt
ftd; bie ©atire ,Ser bottfommene SD?afd)inifV an; $wei bon
feinen gaf;freid;en 93eett;oben*9iejenftonen bereinigte er ju
* @inige ©eiten barau? f;at £un\ in bem genannten
Sabre mitgetl;eitt; wenn nirfit met;r, hoffen wir wenigflen?
biefe einmat mit .froffmann? fonftigen Eteinen ©d;tiften
bortegen ju Eönnen.
[XVIII/XIX] 57
einem 91uffai} ,93eefl)o»en« 3nfirumental*9)fujtE‘; nierjel;n
91pl;ori«men reifte er jufamtnen ju einer ©erie, bie er in
(Erinnerung an einen bo«l;aften ©djerj be« Setter« Sörffer
,Jpßd)ft jerflreute ©ebanFen' nannte; »or arten Singen aber
fd)rieb er ben wunber»orten 91bfdjieb«gruß an bie emig
Serlorene, ,Ombra adorata!* Siefe fed;« ©tücEe faßte er
al« ,£rei«ferfuna‘ jufammen, al« ben 9tad)laß be« mafyn*
finnigen Äreiöfer, ben il;m beffen ©djülerin fträulein non
93. augangtid) gemadjt l;abe. Siefe ,£tei«leriana‘, ber,Witter
©lucE‘, ber ,93erganja‘ unb brei weitere Arbeiten erfdjienen
bann unter bem Xitel ,ftantafteflücEe in (Eartot« Sanier' in
jmei 93änben 1814.
Server Tratte ipoffmann 93amberg »erlajfen. gurn 91b«
fd)iebe Unterließ er feinem Serleger Äunj ein ©emülbe, ba«
biefen mit feiner $amilie barftellt; am $uße be« 93ilbe« ift
ein (Exemplar ber projeEtirten ,8id)ten ©funben' abgebilbet
mit Äunjen« 93erlag«ftrma unb £offmann« Portrait al«
XitelEupfer.
SBäßrenb ber ÄriegöereignifTe fefcte ipoffmann feine
Äapertmeiftertljätigfeit in Sre«ben unb Seipjig fort, otyne
l;ier auf bie Sauer mel;r ©lücE $u ftnben. (Enbe 1813 ent*
warf er T;ier brei Arbeiten für ben geplanten britten 93anb
ber ft-antafleftutfe: $unäd)ft ba« l>errlid;e 9Jiärd)en ,Ser
golbene Xopf‘, fobann, in 91nEnüpfung baran, eine pl;an=
taftifdje Sarflertung ber £rieg«ereigniffe in Sre«ben (fpäter
unter bem Xitel ,@rfd;einungen!‘ fragmentarifd) »eröffent*
lid)t), enbfid) eine 9teil)e lofer ,©eenen au« bem Sieben
jmeier ftreunbe', »an benen er um bie 3al;re«menbe brei
groben in ber 9111g. ?D?uf. gtg. »eröffentlidjte. Sie £anb*
fung* be« inl;altlid> erfien Fragment« mit ber Ueberfdjrift
* sieben ber £anblung taufen längere tßeoretifdie Sar*
legungen, barunter eine ©dnlberung ber äßetterltarfe.
58 [XIX/XX]
,®ie 9futomate‘, ifl für un$ oon 2Bid)tigBeit, fte ifl Bur$
folgenbcr
fterbinanb liebt eine ©änget'in, bie er nur einmaf,
bor Satiren, gehört unb gefetyen t>at. @t befragt ein
roeiöfagenbe* Automat, ben „rebenben dürfen", ob
ber gtücffid)(te Moment feineö Sebenö ftcf) mieberbofen
»erbe, ©er SürBe ermibert: „Ungfütflidier! in bem
Siugenbficfe, menn bu fte roieberfinbeft, haft bu fte
oerforen! —" ©ie ftreunbe erfahren, baf? bie @in=
rid)tung be$ 5futomat$ oon einem ^rofeffor 3E. her*
rührt; fte fudien ihn auf, er mad)t ihnen aber nur
medjanifdie Äunilflücfe oor. S3ei einem ©oajiergange
oor ber ©tabt hören fte mieber bte ©timme jener
Sängerin unb evblitfen ben ^rofefior in bem ©arten,
au« bem jener Äfang ertönt, ©ie motten ihn am
näd)jlen borgen abermafö auffudien, „aber nod) ehe
fterbinanb biefen ©ntfd)fufj auofübren Bonnte, trieb
ihn ein neues ©reignift ohne SKafl unb 9tuhe bem
23erhängniß entgegen, ba$ ber rebenbe &ürBe in ge*
heimnigootten äBorten angebeutet hotte."
$0?an (Tel;t, ipoffmann mar ftd) über ben Fortgang ber
©efd)id)te nod) nid)t Biar. &t ließ fte benn aud) liegen,
ebenfo bte ,@rfd)einungen‘ unb gab in bem britten 93anbe
nur ben .©olbenen 3;opf‘.
95on 9)tär$ bi$ ©eptember 1814 erfdjienen in ber Mg.
3)tuf. gtg. bie ©atiren ,9tad)riri)t oon einem gebilbeten
jungen 9ttann‘ ( 16 . SDiärj) unb ,©er 9)iuftBfeinb‘ (1. 3uni),
bie beibe im Jone ber .'Diufifialifrfjen 2eiben‘ gehalten (Tnb,
ferner bie fdjönen über ben GrffeBt in ber SDiuftB
(20. Sufi) unb über afte unb neue Äird>enmu(tB (31. Sfuguft,
7. unb 14. ©eptember). ©er üfbfajTung nad> fatten ferner in
biefe SOTonate ,£rei*ler$ muftBalifd)*poefi|'d)er GTlubb' unb,
roenigflenö teifmeife, bie Ahnungen au$ bem Steidje ber
£öne‘.
3n ,£rei$fer$ mu(TBa(ifd)*poetifd)em @fubb‘ befiehl ber
mufffaCifdje Sfjeif in Santaften über ben (SljaraBter ber %öne,
ber poetifdje in ben 93rud)flucten eineö romantifdjen ©djau*
fpiefö j^rinjefftn SBIanbina'. ©er erfte 2(Bt mirb oott*
[XX/XXI] 59
ftänbig mitgettjeitt, oon ben anberen beiben nur ber 3nl;a(t
angegeben. ©er erjte Slft tft eine Sammtung non fäppifd)en
SSBtfcen* unb fd)ted)ten 93erfen, aber mitten in biefer SBüfle
ftnbet (Id) eine tötume, eine ber fünften ippmnen ber Siebe,
bie Jpoffmann gebidjtet I;at. ©er nad)fotgenbe Stttonotog
beS $etben StmanbuS Sönnte wie bie ,Ombra adorata‘ auS
ÄreiSferS eigenem Sftunbe fommen:
2 öe(d) ein neues Seben ging mir auf! — ©unfte
Stimmen, bie in meinem 3nnern tönten, weljen nun
in freubiaem tauten ©efange burd) fttur unb 2Baib
unb oerfünben ein rvunberbar ©efyeimniß, baS fonfl
in meiner 93ruft rut)te wie ein töbtenber Sd)tnerj! —
@S ift mir, atS oerftetye id) je^t erft mein Saitenfpier,
baS oft, wie im bewufjttofen $raum »on meiner $>anb
berührt, in fettfamtidjen, wonneootten Stfynungen er*
ftang. — Unb bod) fann id) eS nid)t mit Porten
fagen, was tyerrtid) unb gtänjenb wie mit taufenb
gotbnen Sonnenftratyten mtd) umteud)tet, ja, was fo
oerftänbtid) mir bie 93tumen, bie ©ebüfdje, bie Duetten
jutiSpefn. — 9tie gebadete, nie empfunbene SDtetobien,
aber wie mit einem einjigen überfd)wenglid) t)err*
tid>en £on jufammenftrat)tenb, burdjbeben mein
SnnerfteS, unb ift nid)t biefer £on, oon bem erfüllt
meine 23ruft in unnennbarer Seljnfudjt brennt. Sie
— Sie fetbjt? — Sitte fd>etten mid> tt)brid)t unb
»ermeffen, baß id), ber id) nie oerflanb bie SBaffen
ju führen, mit bem ungefd)(ad)ten SOtotjrenfönig
Äifian ju fämpfen mid) unterfange unb weiSfagen
mit bem $ob: aber giebt eS benn wot)( für mid) nur
irgenb eine ©efafyr? — Seitbem id) burd) Sie —
3tyr — mein wat)reS Sepn, ben tjötjeren ®eift in
mtr erfannt f;abe, weiß id), baß ber ©efang nid)t
außer mir wot)nt, id) fefbft bin ber ®efang, unb ber
ift unjterbtid)! — gerfdjtägt Äifian baS Snftrument,
fo wirb ber barin wie in ein engeS ©efängmß ge¬
bannte &on frei unb tid)t bat)er fdtweben unb td)
werbe in 3f)r — Sie fetbft fepn. ©benfowenig wie
* ©arunter ber oon ben Sotbaten, bie oon ben SBor*
gefegten gefd)fagen werben, um bann ben fteinb wieber ju
fd)tagen.
60 [XXI/XXII]
bie Suft, fann 5Cifian ben ©eift, ber mein 3d) —
ber ber ©efang ifi, rermunben ober töbtcn. ©o mie
@ie bie unaußfpred)fid)e ©efmfudjt ber Siebe ifl, bie
mie ber 2(ff)em beß gebend meine ©ruft l)ebt, fo
merbe id) bann felbft baß Sieb fepn, baß emporquillt
au« ben ©aiten, bie 3(»re ©djmanenbanb berührt! —
3a! in ben auffd)me((enben &önen beß Siebet baß
pon 3i;ren rofigen Stppen ftrömt, merbe id) pon
meiner Siebe, pon meiner ©ef;nfud)t (Ingen. —
©on ben fofgenben Sfften erfahren mir nur,
baß ©fanbina Peineßmegeß ben 5Imanbuß tyeiratfiet,
biefev oietmebr burd) ben fyämifdjen Sioberid) irbtfd)
untergeht. 2imanbuß aieht nad) feinem irbifdjen
Untergange afß ffngenber ©d)man burd) bie Stifte
unb rettet ©tanbina auß ben Äfauen beß Seufeiß,
ber fte atß ©tementargeift täufd)te unb inß ©erberben
focfen motfte. 3f;r £ers brid)t in beß ©efangeß
böd)flcr ©eefigfeit.
Unb Äreißfer feufjt, nad)bem er bieß berid)tet,
td) motfte, irgenb ein Stoberid) fließe mid) nur gieid)
htnterrücfß Pom freffen ()erab unb id) fdjmämme mie
5(manbuß afß ©efang burd) ben reinen 3letf;er.
9fm 27. ©eptember 1814 Eam Jpoffmann nad) ©erfin. ©aß
erfte ^ufammentreffen mit frmqu6 (baß biefer 1839 näher ge*
fd)i(bert) peranfaßte eine gemeinfame ©ubfiEation in ben
,5JIufen‘: $ouqu£ perfaßte einen ©rief beß ©aronß «Baffborn
(einer ftigut auß feiner Stopeffe .SyionO an ßreißfer mit einem
©ormort, in bem er auf bie neu erfd)ienenen ,$antafteflücEe‘
hinmieß; £offmann ft'eß einen ©rief Äreißferß an SBaffborn
folßen. 3n bem ©ormort hierzu (baß jufe^t 1841 in ber
erflen ftaffung abgebrudt ifl) fprid)t ^offmann guerfl auß, ber
fe^te Sfnftoß $u ßreißferß ©rfranfung fei „eine ganj fan*
ta(lifd)e Siebe ju einer ©ängerin" gemefen; Äreißfer beute
baß in einem nad)gefa(Tcnen Sfuffafj ,©ie Siebe beß Äünftterß'
an. „©t'efen Sfuffai)," fäf;rt #offmann fort, „fo mie mehrere
anbere, bie einen ganzen GfpEfuß beß Steingeiftigen in ber
?0?u(Tf bitben, gebenfe id) Eünftig unter bem affgemeinen
[XXII] 61
$itef ,2id)te ©tunben einet roaf;n (Innigen SWuftferg' tyerauö*
jugeben."
2fn betnfefben Sage wie $ouque lernte Jpoffmann ©f;a*
miffo fennen, bafb barauf, burdj dpitjig, aud) ben eben
erfdjienenen ,©eter ©d)femil;f‘. ©eibe$ oeranfaßte tT>n 2fn*
fang 1815 p einer Sid>tung ,Sie Abenteuer ber ©pfoefter*
nad)t‘. Ser ©erfaffer begegnet f;ier feiner 3ugenbge(iebten
Sufia lieber, bie er afS ftrau eines SInbeten ftnbet; nad)ljer
trifft er ©eter ©djfemibf, ben SOTann of)ne ©djatten, unb
af$ beffen ©egenflücf ©ra$mu$ ©piftyer, bem eine ©iufietta
fein ©piegefbifb entmenbet.
Sie Abenteuer ber ©pf»eflemad>t‘ feiten ben vierten
unb lebten ©anb ber .ftantafleftücte' ein, ifpen fofgen af$
2 fbfd)fufj beS ©anbeS bie übrigen l;ier genannten üfuffäije,
mit 3fu$nal)me ber Qfbtyanbfung über bie Äird^enmuüf unb
be$ ©riefet ,Ser ftreunb*. Ser ©ammetname biefet Qfuf*
fäije mar mieberum ,&'rei$Ieriana‘. ©on ben ,2ff;nungen
<*u$ bem SReidje ber £öne‘ ijt ber erjäfjfenbe £l)eif einet
anberen ©erfon 9tamenS ©OrpfoftomuS* in ben Sftfunb ge*
fegt; barauf folgt, al$ ©rfäuterung &'rei$ler$, bie erjle ^xSffte
be$ tf;eoretifd)en S^eifS, roöf;renb bie jmeite geflridjen ifl.
©ine neue ©infeitung unb ein neuer @d)fufj faffen ba$
©anje a(S ,3obanne$ ÄreiSferS 2ef>tbrief‘ erfd>einen. Sie
2 fnfünbigung ber ,2id)tcn ©tunben' ift in gcmifberter $orm
mieberI;o(t; e$ beißt, fte „fönnten »iefleidjt bafb erfdjeinen".
Siefer fefjte ©anb ber ,$anta(Ieflücfe‘ erfd)ien pt Öfter*
meffe 1815, im «Oteßfatafog fünbigt ßunj neben biefer
* Ser 24. Januar, JpoffmannS ©eburtStag, ifl ber Zag
SobanneS ©brpfoftomi (ogf. ©. 48 unfereS Seyteg); baf;er
Sofpnneg Ä'reiefer unb ©brwfoftomug.
62 [XXIII]
Sftorität bie ,2id;ten ©tunben' für 9Rid)<tefiS an. ipoffmann
erhielt feine Sfutorepempfare beS vierten ©anbeS im S0?ai
unb banft bafür s. d. 24. Stftai. 3n bemfefben ©riefe
fünbigt er bte barbige 2fuffüf;rung bet ,Unbine‘ an; trief*
Teidri tag biefem ©d;reiben baS 5fquarefl bet, baS if;n mit
bet ,Unbine‘ auf bem ^ftotenpuft barfiefft unb bie Unter*
fdjrift trägt; ,Ser ^apeffmeijler l jol)anneS ßreisrer in
£auStrad;t, nad; bem 2eben gejeid;net pon (SraSmuS f
©piff; er/
3n bem gfeid;en ©riefe perfprad; £>offmann, baS
SOtanuffript ber ,2id;ten ©tunben', baS er auf fünfunb*
jmanjig Srucfbogen tapirte, @nbe 3ufi einjufenben. <£r
perfd>ob jebod; baS SBerf, baS jtd) if;m unter ben £änben
änberte, pon 3af;r ju 3af>r. 2lm 8. SOfära 1818 fd;reibt er
an Äun$: „Sie ,2id;ten ©tunben eines waf;n(innigen r
9J?u|tferS‘ I;abe id; 3f;nen ^ugefagt; eS perfM;t ftd; baffer
Pon fetbft, ba(j (Te bei feinem anberen ©erfeger erfd;einen.
Snbeffen fattn unb werbe id; fte por ber #anb nid;t er* r
fd;einen raffen — Pieffeid;t erft baräber pon £obeS wegen
biSponiren. SaS ©ud; ift ganj etwas 2fnbereS toorben, afS
id; im ©inn 1jatte."
•Ooffmann mar in biefen Surren nid;t in ber ©timmung,
etwas ©erfönfid;eS ju probuciren. Sie erften ©erfiner 3al)re,
etroa pon 3früf;jaf;r 1815 bis ftrühjaftr 1819, ftel)en unter bem
s?eid)en ber tiefften SReffgnation. Grr mar gefd;eitert, eS r
mar ju Grnbe mit feinen Äünffferträumen. 2ängere $eit l)atte
er nod; gehofft, Äapeffmeifter tn ©erfin ju werben. Sann
(rieft er eS wenigftenS für mögfid;, eine ©ubaftern*©inecure f
im SERinifterium ju erf;aften, bie if;m 9Rufje unb Unabhängig*
feit jur ©ettyätigung in ber Äunff fiege; aber eS f;aff nid;tS,
er mufjte wieber inS 3fod;. 5fm 1. «Otai 1816 mürbe er am l
[XXIII/XXIV] 63
Äammergeridjt feft angeftefft; am 30. Sfuguft fdjreibt er
ipippefn:
93ei bem Äammergeridjt fäfft mir nafurfid) mein
©efd)äft«feben ein, ba« id) roie bcn Äfoti be« 93au*
gefangenen hinter mir fjerfdjleppe unb glaube, e« fep
nun einmal bie ©träfe meiner rieten ©ünben, baß
id) in ber freien 2uft nidit auäbaucrn fonnte, unb
in ben Werfer jurücf mußte, fo roie ber oerroöbnte
©tubenoogef, bem ba« ftutter fo fange jugereidjt
rourbe, baß er im <^ireicn feine 2f(jung fefbjt ju fud)en
nidjt mefjr oermag.
©nbe roar e« aud) mit bem ©djaffen in ber SOTufTf,.
trofj be« Grrfofge« ber ,Unbine‘, unb ju ©nbe, fo gfaubte er,
roar e« aud) mit ber großen Sidjtung. 3n bemfefben «Briefe
Amben ftdj bie tief oerjroeifeften SEBorte: „3dj fdjreibe feinen
gofbnen $opf mefjr! ©o roa« muß man nur redjt febfjaft
fügten unb ftd> fefbft feine ^ffufton mad)en! //
@r oerfegte fid) flatt beffen auf bie «Probuftion feid)ter
Unterf>aftung«fiteratur. @r fd)rieb bie f)übfd)en ©ad)en,
burd) bie er populär rourbe unb e$ in geroiffem 9Äaße nod>
ift: bie Äinbermärdjen oom ,9tußfnacfer‘ unb oom ,$remben
Äinb‘, bie ,frermate‘ unb ben ,2frtu«f>of‘, ben »Äarnpf ber
Sänger' unb .SOteifter Martin', bie ©raäfjfung oom aften
Sogen unb ber jungen Sogareffa. — @r tfjat ba« mit
fdjfedjtem ©eroiffen, benn er fünfte, baß er nidjt mefjr
«Perfönfidje« gab, roie in ben ,frantafteftucfen‘; aber bod)
roar biefe gcit nüftlidj für iljn, benn er bifbete (td) in ifjr
eine oirtuofe Sedjnif ber ©rjäfjfung au«. SDfan braudjt
nur ben ,$reunb‘ ju fefen, um ju oerftefjen, roie fer;r if;m
bie im Anfang nod) mangefte; ber ,©ofbene Sopf‘ roar ein
S?ufaff*rourf geroefen, roie er if;m nidjt ofjne roeitere« jurn
jroeitenmaf getingen fonnte.
64 [XXIV/XXV]
SMefe unterhaftfamen ©efd)id)ten madjten JJtoffmann
bei 93ubfiEum unb 93erfegern überaus beliebt, fo bafj er
©nbe 1818 baran gehen Eonnte, bie bisherigen 2eijlungen
auf btefem ©ebiete in jmei 93anben oon mef)r afS 1200 ©eiten
unter bem £itel ,2)ie ©erapion$=93rüber‘ gefammelt oorju<
fegen. 3n biefe ©ammfung naf;m er unbefangen affeS
hinein, waS nod) nid)t in feinen bisherigen 93üd)erti fefl*
gefegt war. 9ffferbingS reprobucirte er non ben tf)eoretifd)en
Sfuffäfcen im wefentfidjen nur ben über Äird)enmuftE, ba*
gegen übernahm er j. 93. bie 93rud)flücfe ber ,©eenen au$ '
bem 2eben jweier $reunbe‘ im wefentfidjen fo nie fte waren*,
©ie ^utomate* fd;eint er anfangs nod) haben weiter führen
moffen; er erfe^t bie ©d)fufjjeifen, bie mir oben ©. XIX
mörtfid) citirt, burd) weitere 3 1 /« ©eiten mit fofgenbem
wunberlid)en 3nf)aft:
fterbinanb oerreift. 2ubwig erfährt bafb barauf,
„wie beS 9)rofe(forS medjanifdje Äunftftücfe nur aus
einer untergeorbnefen 2iebhaberei heroorgegangen, unb
baß tiefes ( 5orfd>en, tiefeS ©inbringen in affe Sheife
ber fttaturmiffenfriiaft eigentfid) ber unauSgefcijte
ßweef affeS feines ©trebenS rep."
Otadt $wei 9)?onaten erhäft 2ubwig oon fterbinanb
einen 93vief, wonad) bie ©ängerin im 93eifein beS
gcbeimnißooffen ^ProfefTorS in einer 2)orfEirdte einem
rufftfdjen Dreier angetraut fei; aber bennod) fei
eine nie gefühlte 9tuhe unb 6eiterEeit in feine ©eefe
geEommen: er habe fte nid)t, wie ber SiirEe aeweiSfagt,
oerforen, benn fte fei im innern gfühenben 2eben ewig
fein. — 93on anberer ©eite erfährt 2ubwig jebod),
baß ber 9>rofefTor bie ©tabt gar nid)t oerfaffen habe;
^erbinanbS ©rfebniß war affo nur eine Sraumoifton.
* 5DaS ebenfo unoerftänbfidte ft-ragment ,©rfd)e{nungen‘
(f. 0. ©.XVIII), mit bem er 1817 ©ubiijenS ,©aben ber €Otifbc‘
bebad)t, würbe bann bei gortfe^ung ber ©atnmfung 1821
im »ierten 93anbe oerwerthet.
[XXV/XXVI] 65
gj?it biefer „unartigen Wpfliftfation" fdjüeßt ba$ S-ragment
in ben ,@erapionö=93rübern‘; e$ wirb ber „^antafTe be$
SeferS" überlaßen, nad) biefem „9?ucE" „ftdj fcrbfl beliebig
fortjufdjmingcn". Jpoffmann beruft (td; babei auf ©oetfyeS
,9tußbraune$ Sffläbdjen*. „Sor adern f;at auf midj aber",
fährt er fort, „ba$ ©oetl)efd;e Fragment jene* aderliebfien
SOtärdjenä »on ber deinen ftrau, bie ber Sfteifenbe im
jtäftdjen mit fld) fuljrt, einen unbefd)reibtid>en jteuber ö* 5
übt" 33iedeid)t aber brad) .fcoffmann nur beSmegen ab,
weit er mäfyrenb ber Arbeit ju bem ©ntfdjluffe gefommcn
mar, bie tJabef anbermeitig ju oermertl)en.
©tma in berfelben j3eit nämfid), mie bie Vorbereitung
biefer bunten ©ammfung, befdjäftigte ihn eine anbere re*
baftionede Arbeit, bie er ernficr nahm: er hotte fein erfteö
93ud>, bie ,($rantafieftücfe‘, für eine jmeite Auflage burd)*
jufef^en. 5Die midjtigfte Ülenberung, bie er babei oornaljm,
beflanb barin, baß er bie 231anbinen*$ragmenfe augfdjieb.
Siber mie er nun af$ tedmifd) fertiger ©rjäfyfer ben „fyödjfl
oortrefffidjen" ^lan für ben jmeiten unb britten 21ft be$
©titcfeä mieber la$, ben &rei$fer bem „Slubb" jurn bcftcn
giebt, mie er ferner bie ©inreitungen ju ben beiben 9ieil;en
,$rei$ieriana‘ mieber burdjging, bie ,Ombra adorata' unb
bie ©raäljlungen be$ Serganja ron £rei$fer$ unb ©ectfienä
©d)icffaf, ba fam il;m, fo fdjeint e$, bliijartig ber ©ebanfe,
ade$ biefeä fammt ber begonnenen Automaten*@efd;id;te
ju »erbinben ju einem großen Vornan, einer Siograpljie
£rei$fer$.
©aju fam nod), baß eine britte ©bition il;n in biefen
SDtonaten bireft an feine mujTfafifdje $l;ätigfeit in Samberg
erinnerte: Anfang 1819 naT;m ftd; ein Verleger feiner ,©ed;ö
itafienifdjen Suettinen für ©opran unb &enor‘ an, bie, roie
66 [XXVI/XXVII]
wir fafyen, au$ ber gjcit feiner l;öd;flen 2etbenfd>aft für Suiten
flammten.
Unb in bet &l)at, er empfanb ftd> roieber af$ freister,
er fdjrieb roieber in ÄreiSferS ^tarnen. AfS am 10. ?0?örj 1819
bie fiebenSwürbige ftrieberife Äritfeberg, einfl ©en^enS
©eliebte, baS ©pperiment madjte, ein ©oncert auf ber ©faS*
Ijarmonifa ju geben, berroatyrte ber Äapeflmeifler Spanne*
freister fld> bagegen in einem 23riefe bon töbtenber Sronie
im ,$reimürt;igen‘.
©iefe äußeren Anregungen erretten eine ernfle 9tefonani
burd> ein eingreifenbeS inneres ©rfebniß. Sm ftrübjatjr 1819
»erfler £offmann in eine rebenSgefälirfidje Äranffteit, bie ifjn
mafynfe, fein festes ©ort nid)t me^r aufjufd)ieben. 3«i
9taufd)e ber ©enefung — er fünfte (Td) nad) ber Äranffjeit
„auf eine beinahe unanflänbige SOBeifc gefunb" — madjte er
fld) an bie ©onception ber ,93iograpt>ie beS jtapelf*
nreiflerS SofjanneS freister*. ©iefeS ©erf fofite fein
ganjeS ©efen unb fein ganjeS Seben roieberfpiegefn; eS
foffte fo bie perfön(id>e ©infeitung unb 9ted)tfertigung
roerben für fein tbeoretifdjeS Jpauptmerf, bie ,8id)ten ©tun*
ben eines mabnffnnigen WuftferS', auf beffen bafbigeS ©r*
fdjeinen er aud) im jmeiten Abbrucf ber ,ftanfafteflütfe‘
mieber IjintbieS.
Auf ©. 1—298 beS borffegenben 93ud)eS ifl eS unter*
nommen, bie ©r$äbfung, roie fle ijoffmann borfdnoebte, in
brei Slieifen au refonflruiren. 3m foigenben möd)tcn mir
unter SBetweifung auf bie ©eitettjatyfen unfeteS SepteS furj
ben ©ang ber #anbfung ffiyiren, bann bie $ed>nif
ber ©rjabfung befpred)en unb jum ©djluffe einige ©orte
roagen über ben fünflferifdjen 9iang beS ©erfeS.
[XXVII/XXVIII] 67
©ie © fern ent e bet hattet ergeben ftd>au« bem 93or{teI)en*
ben. ©ie bi«fjer rtoef) unbeflitnmfe ftigur &'rei«fer« au« ben
5antai7efiücEen roirb nerftärft burd) ben 2fmanbu« au« bet
,93fanbina‘ unb ben fterbinanb au« ben Automaten*. 3n
feiner ©efiebten »ereinigen (td> bie Gecitia au« bem ,93erganja‘,
fträufein Sfmafie alias fttäufein t>on 93. au« ben ,£rei«*
feriani« 1 , bie 93fanbina au« bem „romantifdjen ©pief'
unb bie ©ängerin au« ben Automaten*; fte mirb jefct 3ufia
genannt, mie ba« Urbifb. 2lu« ben Automaten* mirb bet
gefammte Apparat ber „pfpd)ifd)en ©orrefponbenjen"
berübergenommen. ©er ^rofefiot 3£., ber unbeimfidje, affe
93erf)äftnifTe burdjfdjauenbe unb bel)errfd)enbe 9Jiagnetifeur,
ber nad) außen T;in af« tyarmfofer Safdjenfpiefer auftritt,
mirb ju Ärei«fer« 2ef;rmeifter, bem SDfeifier 3fbraf;am. ©a«
DraEef be« 9)rofeiTot«, ber rebenbe Surfe, mirb »ertaufdjt
mit ber ©oetl)efd)en „Efeinen ftrau im haften", ber ©Ijiara;
anbere güge aber mieberf;ofen (Td> genau: ben 93efud) ber
ftreunbe beim «profeffor finben mir bann bi« in« ©injefne
nadjgebifbet in Sufien« 93efud) bei 9lbraf;am*. —
©er erfle £f)eif
(©. 3-137)
berichtet un« ^rei«ret« ©rfebniffe in ©iegl)art«meifer unb
entfett außerbem fofgenbe ^5acta ber 93orgefd)id)te:
ifbrafjam 2i«con baut af« junger SOienfd) bie Orgel
in ber JpauptEirdje non ©ßniöne«müf;I (©. 4. 100). ©r
manbert bann af« üafdjenfpiefer untrer unb beerbt einen
* ©ie 2iebf;aber ber affeinfefigmadjenben ©etaifanEfänge
Eßnnen in ber Ärei«ferbiDgrapf;ie aud) bie 2Betterf)arfe au«
ben Slutomaten mieberjtnben unb au« ber 93fanbina ben
©djerj »on ben gefd)fagenen unb fd)(agenben ©ofbaten.
68 [XXVIII/XXIX]
anberen 3:ofd>cnfptefer Sßamenb ©eoerino. 3n beffen Sßaddafj
ftnbet er bie 93orrid)tung für ein gefyeimnifjooßeb QraFef, bab
»on einem gigeunermäbdjen @l)iara bebient wirb. St^cot»
T;eiratT;et ©fiiara unb jiefyt weiter alb £afd)enfpierer mit if;t
umT;er (©. 100—110). „©ewifie Umftänbe", bie mir im britten
Streit erfahren foHen (©. HO), bringen it)n nad) ber Fteinen
Steflbenj ©iegljartbrneiter; eb tiegt in feinem ^fon, „fefyr ge»
fyeimnijjooß aufjutrefen". ©er ftürfi, ber .Spang jum ©e»
!)eimnifj»oßen t>at (©. 16), T;ört »on if;m unb fnd)t iftn auf
(©. 17 f. lll); 2tbral)am fetbfl ert)öft SBofynung im ©d)Io|j
(©. 18), gf;iora wo!)nt »erborgen bei einem if;m »ertrauten
SJtonn in ©iegfyartbljof unb Fomrnt nur 9tad)tb gu i$m
(©. lll). 31» ber orte prft ftirbt (©. 19. lll) unb
2tbrot)om nad; ©öniönebmüfyr jutücf miß, bleibt ©fyiara
einmaf aub, er T;i5rt nid)tb »ort itjr mieber (©. lll).
@r Fel)rt affo aflein nad) ©öniönebrnüljr jurüd, tebt
bort mieber arb Orgelbauer (©. lll. 5) unb wirb arb
älterer 9J?ann ber Sefyrer beb Fteinen 3ot;onneb Äreibter
(©. 3—9), ber nad) bem Sobe feiner Sante pf?d)en
C©. 52 f.) aßein bei einem Dljeim, bem £5 me^DnFef, auf»
mäd)ft (©. 59—62).
9tad)bem 3of;anneb erwad)fen (©. 10), »ertönt STbrafyam
mieber ©öniihiebmüfyr (©. 9); mofyin er \id) junäd)ft wenbet,
erfahren mir erft im ^weiten £1)eit.
3ofyanneb mib met ftd) nid)t be r gftujTF, fonbern ro irb,
eine m Ofteim in ber gieß ben^ na d)eifernb, B eamter (©. 10.
63—65). ©ie Pooflon b eb fteinbeb Aming t iftn je bod), bab
£tmt nieber^uteg en (©. 10), unb er finbet in ben Sagen ber
aßgemeinen Verwirrung ein 2tfpf bei ber jung »ermittmeten
Diät^in Venjon (©. 38. 11). ©ie ermähnt iftn, f fd) gan a
ber Äunfiiujvibmen, unb »erfd)afft ibm eine ©teßuna afb
Äajjeßmeijter an einem grofjfyerjogridjen £ofe (©. ll). ©r
(ebt bort fünf 3af;re (©. 32), giebt bab 2tmt aber auf, ba
[XXIX/XXX] 69
er jeine funftfetifdjen 3(b(td)t en nid)t burduufüfrren nermag
(©. 40—42)_geilt öfter JJefjrer*. ?Dieifter Stfbrafyom, ber
mittferroeife nrieber nad) ©iegf )ort3meifer gegongen ift, for bert
if)n auf, e benfoftS bortfyin & u fommen (©. 43), unb ffreiSfet
mod)t fTd), of;ne gfbfd)teb &u nehmen, ouf ben S Beg (©. 42).
©em often ^ürflen non ©iegljartämeifer, 3fbral)am$
©önner, war fein ©of;n SrenäuS in ber S^egieruns ftefoTgt.
@r f;at non feiner ©emafjfin SJtaria jwei Äinber, ben bf5b=
finnigen <J>rinjen 3gnaj unb bie ^prinjeffin £ebwiga;
bie einfiufjreidjfie ©ame feiner Umgebung ifl bie S'tätljin
93enaon, beren £od)ter Sufia mit ber ^rinjefftn Jpebwiga
wie eine ©d)wejter aufwfid)ft. — 2fu$ ber fjugenb ber ^rin=
jef|tn erfahren wir jwei widrige ©reigniffe. QHS breijäl)rige$
Äinb fpiefte fte rief mit einem 9J?qler Seonfrarb ©tt*
fing er, b er bie gürft in fiebte (©. 87) unb barüber w a1)n*
ftnnig. mürbe. 3» einem 5fnfa(I non $obfud)t wollte er bie
ffeine «prinjefün ermorben (©. 84—86). ©päter nerftef biefe
einmal in eine töbtfid>e ßranPtyeit unb mar fdjon non ben
Geraten aufgegeben; ba fajj in einer 9iad)t pföljlid) eine
unbeFannte ftrau an if;rem 93ett unb füllte fte ein in fußen
©d)fummer, non bem fie genefen ermad)te (©. 127). —
ftürft 3renäu$ mürbe fpäter mebiatiffrt, belieft aber bie
Jpofljaftung bei (©. 12—15). 23alb nad) ber «Dtebiatitfrung
teerte 2fbraf;am jurücf nad) ©iegfyartSweiler (©. 20 f.) unb
ließ, mie mir fafyen, fogfeid) (@. 21, 5) <tud> ÄveiSfern
bortf;in fommen.
SDiit ÄreiäferS Slnfunft im ^arf non ©iegl)art$weifer
fet)t bie eigentfldje ©raityfung ein (©. 21). freister trifft
bort bie ^rinjeffin unb 3ulien, unb jene entfetjt fid) nor
if)m (©. 22—31), ba er ©ttfinoern äfmfi d) (lebt, af$ fei er
beffcn 23ruber (©. 86), mäl)renb &'rei$fer unb 3ufia 2Bof)f=
70 [XXX/XXXI]
gefallen an einanber ftnben. @r begiebt ftd) juerft $um
SDteifler 51bral)am, erjt nad) »erlauf mehrerer &age jur
9tätl)in »enjon (©. 36); biefe fprid)t bie Jpoffnung au$, er
»erbe Suljert im ©efanq unterr idjten (©. 44).
3m »erlaufe ber 3«t flettt er fid> bem dürften oor
(©. 67), Der fd)on burd) 51bral)am von il)tn gebürt hat.
»alb barauf Eommt er auf einer >21benbgefellfd)aft bei ber
»enjon aud) mit ber »rinaefftn jufammen (0. 73), biefe
»erahnt rid?_mit ihm unb bittet ihn, aud) fte ju unter»
jüd)ten.
S5ie erjte Unterrid)t$ftunbe wirb jebod) unterbrod)en
(©. 92) burd) bie QlnEunft be$ »rinjen £eftor. SDiefer
iffc (Seneral in neapolitanifd)en £>ienflcn. ©ein »ater, ein
gleid)fafl$ mebiatiflrter ftreunb be$ dürften 3renäu$, ifl
fürjlid) geftorben, unb JpeEtor Eommt jefjt, um ftd) per»
fßnrid) um Jpebwiga ju bewerben (©. 112—114). 2Bie et
3urien erbficEt, fällt fte ihm fofort auf, unb er heftet einen
langen »lief auf fte (©. 116), ber f!e oor QIngft fafl er»
ftarren mad)t (©. 119). 2Da$ GrmpfangSfefl fd)liefjt mit
einem »all, bei bem ber »rinj Jpebwiga an ftd) brüeft,
worauf biefe in eine £>bnmad)t verfällt (©. 117). — 2>ie
»enjon m«id)t bei ber »rinjefftn (©. 119), unb biefe erholt
(Td) (©. 118); 3ulia träumt unterbeffen, bafj fte freistem
an bie »ruft fTnfit, aber bet »rinj fte fortreifjt, ba fte il)m
oerfallen fei. ©ie hofft tro^bem, baß ÄreiSler fte fdjü^en
werbe oor bem »rinjen (©. 121—122). — Sulia fpielt am
näd)flen Mittag mit Sanaj, jur frreube ber SÄutter (©. 123).
— $Ubenb$ holt bie ^rinjefftn fte ab in ben sparE. 35ort
wirb £ebwiga oon einer ©d)wäd)e überfallen, aber oon
ber wunberbaren $rau, bie fte fd)on einmal al$ Äinb ge»
heilt, wieber hergeftellt (©. 123-127). £>ie»enjon fprid)t
[XXXI/XXXII] 71
bei ber SDieibung bauon in fid) hinein: „£m! — bie Sitte ift
bei ii;r gemefen — mag ba$ bie$mai Ijtngefyen!" (©. 128).
S)rinj £eftor weiß in ber $oige feine ©aianterien ge*
fd;icft jroifdjen jpebmiga unb Suiien ju Reifen; £rei$fer
fürchtet ©d;iimmeS für (Te. SJteijler Sibrapam giebt ifym
ein 9)?ebai(ion ar$ SBaffe gegen ben ^rinjen; meidje 95c*
wanbtnif? e$ bamit f;at, foffen wir erft im jweiten 2f>eile er*
fahren. 93ei £eftor$ näd;ftem Söerfud), ffd> 3uüen ju nähern,
T;fiit freister e$ il)m entgegen, ©er ^vinj entfliegt, fenbet
$rei$fern jebod; fogieid; feinen Sibjutanten nad;, ber im
tyart auf jenen fdjiefst. ©er <Prinj oeriäßt ©iegi;art$weiier
in ber fefben 9tad)t, nadjbcm er fd)riftiid) bem $itrflen bafbige
3iücffei;r »erfprodjen; am borgen ftnbet man £rei$ier$ £ut
mit ©iutfpuren. (£r feibji bieibt »erfd;munben. —
©er jweite SI;eit
(@. 138-286)
fpieit auf gwei ©djaupfäijen. 2Bit erfahren, read in ben
näd)(ten Monaten ohne £rei$Ier in ©iegl)art$wei(er weiter
gefd)ieljt (©. 138—220) unb wa$ anbeverfeitö freister fern
ron @iegi;art$n>eifer erlebt (©. 221—286). 3n beiben
Jpäiften ergeben fid; aujjerbem wieberum widrige £i;eiie
ber S5orgefd;id;te, bie mir I;ier abermafä twrannefymen.
SrenäuS i;at, mie mir jeijt erfahren, bei Antritt ber
Regierung unter 93i(figung ber 93en$on Gtyiara fortfdjaffen
laffen, „motyin," fagt er, „weiß id) nid;t einmai, ba
id; mid; barum nidjt weiter befümmert" (©. 187). ©ie
Senken bagegen fennt @l)iara$ Siufentljait*; imeifetjoUfl
* ©ie fteiit ©. 157 bem SJieifter Sibratjam in 5iuS(td;t,
ifjm Gtyiara mieber $u t>erfd;affen, fallö er ifyren eigenen
«Pinnen nid)t entgegenmirfen mitl.
72 [XXXII/XXXIII]
bie Qft te, b ie ^cbiviga ameimaf rettet unb bi e nur ber
©enjon befannt ift, mit Gljiara ibentifd)* ** .
Sie 23enjon f;at an bem Sage, ba~ (leben 9tatf) SSenjon
f;eiratf)ete, ben SÜJtann fennen gerernt, „ber afle ©tutf) ber
innigften Siebe, beren bie meibtidje S3ru(t nur fä()ig", in
if)r entjünbete (©. 154). 2Ber ei mar, foffte mof;t im britten
Sfyeit erjäfjft merben, ebenfo, ob fte mit if;m in Siebei*
»erfeljr trat.
©päter fernte fte ben dürften Srenäui Eennen (©. 155)
unb fd)enfte ibm if;re @un(t (©. 156); er mußte einmal,
um nid)t ertappt ju merben, aui bem ftenfter fpringen
(©.204). 3f;re gemeinfame £od)ter Otngefa (©. 185f.)
erlieft oom dürften eine diente auigefeijt, mürbe aber ini
Stuifanb gefd)icft. ©eit intern ameiten 3al)re lebte (Te in
Neapel unter bem ©d)u$e einer Zigeunerin, 9Jtagbata ©igrun
(©. 284); fte ertyiett bieSicnte oon einer Sfugiburger 23anE
auigeaalfrt (©. 279).
tyrina JpePtor f;at, mie (td) pfi^rid) fyerauiflettt, einen
öfteren (©. 277) 23ruber 9tameni ifntonio, ber aufammen
mit it)m Offtcier in Neapel mar *■*. Slntonio mürbe burd)
50?agbafa ©igrun auf bie fdj&ne Sfngefa aufmerffam ge*
mad)t unb fyeiratbete (te fyeimfid). ipeEtor gab feinem
©ruber aber ©efegenfyeit jur @iferfud)t, unb biefer oergiftete
Stngefa. JpePtor moflte Qfngeta röd>en, 2tntonio mürbe jebod)
— mie er fpöter behauptet, burd) ein SQJunber — gerettet
(©. 281).
* ©te fprid)t @. 127 eine @prad)e, bie Sutia niemati
gehört f)at — offenbar bie Zigeunerfprad)e.
** Sie ftigttr bei 2fntonio. oiefleidtt aud» bie ber 9(ngefa
fdtetnen erjt mäbrenb ber 9tieberfd)rift bei tmeifen SSudiei
erfunben \n fein; ©. U2/13 erfd)eint Jpeftov burd)aui afi
einziger ©o(;n feinei S3ateri.
[XXXIII/XXXIV] 73
Steiftet Abraham t)ftt ffd), wie wir nunmehr erfahren,
bon ©Öntönegmühf bor etwa john fahren nad) Neapel
begeben unb tfl bort mieberum unter bem 9tamen ©eberino
atg $afd>enfpie(er aufgetreten (@. 216. 283); er lebte bort
gfeidjjeitig mit £eftor, Qintonio unb 2lngefa. ©r lernte
9)?agbata ©igrun Eennen, unb ft'e bermodjte tl;m ©puren
ber berforenen ßbtara nad)$umcifen (©. 283—284). 3Ug
5lngefa bon Antonio bergiftet unb Qlntonio bon #cttorn
bemmnbet mar, manbte SiJtagbafa ftd) an Abraham unb gab
ihm ba^ 9Jtebaitton, bag wir bann in _Ärei^ter« Rauben
fel;en: eg trägt nur aufjen Stntoniog Sßifbniß, in b er Zap fet
ijl ein 23ilb iWngefag unb ©ocumente über_ben Soppetmorb
(©. 284).
SERagbafa ©igrun berfiejä bann 9leapef (©.284); wohin
fte ging, fort ber britte &fteif erjähten. Abraham bfieb
bortäuftg in Neapel; er ieiftete £ettorn einen mefentlid)en
SMenft (©. 213) unb Eam mit beiben 93rübern nod) „in
mancherlei ^Berührung"; bag Nähere barüber wirb bem
britten $heit borbeT;aften (©. 284).
2lntonio mürbe nad; feiner munberbaren ©rrettung SJtßndj
unb nennt ffd; afg foldjer SBruber ©pprianug. ©r empfing
in 9?om einen befonberen Auftrag jur SBifTtation ber Ätöfler
(©. 171).
©o biel jur S3orgefd)id)te. 23on bem Ueberfafl beg
2tbjutanten auf freister erfahren mir fobann bag Nähere:
ber ©d^ufj hat ^reiöfern nur geftreift, biefer aber hat ben
Sfbjutanten töbttid) mit feinem ©toefbegen bermunbet. ©r
flieht, trifft untermegg feinen 5reunb, ben ©enebiEtinermbnd)
£ifatiug, unb mirb bon ihm mitgenom men in ba g Ätofler
Äanjheim, mo er Eomponirt unb birigirt (©. 221—231).
74 [XXXIV/XXXV]
Sic 'Prinaeftfn £ebwiga faflt in bcm Otugenbricf, wo
ftc ben @d)uß auf £rei«rern J)ört, in eine ftarrframpfartige
Setfyargie (0. 152); |Te erwad)t meiere Sage barauf lieber
burd> einen 0d)uß, ben bet fd)wad)(Ynnige ^rina 3gna a auf
einen SSoger abgiebt (0. 165—166). Ser ^rinj oerwunbet
jtd) habet, tvitrb bon ber fturflin järtfid) getröftet (0. 165)
unb oon 3ufien berbunben (0. 163. 169), w<H;renb bie er»
roadjte «Prinjefftn, um bie bie prtfin (Yd) auffadenb wenig
beEümmert (0. 163 oben, 165 unten), auf 5?rei«ret« @ut»
tarre fpieft (0. 163).
Sttn fefben Sage begiebt ftd) ber ^ürfl a um «Weiftet
3fbraf)am (0. 145) unb fd)üttet ibm fein Jper a au« (@. 148).
2tbröT;am fteflt iljm in 2Tu«ftd)t, baß (Yd) „in ganj Bürger
?eit aufffären werbe, wo Angela gebrieben; mand)er Stug
werbe bann bernid)tet werben, mand)e Söufd)ung jerrinnen"
(0. 188).
Sie 23enjon wänfd)t au« ©rünben, bie ba« britte
Sud) entlüden fodte (0. 148), auf ba« bringenbjle, baß
£ebwiga £eBtorn r;eiratr;et (@. 148. 246). 0ie (Yefct, baß
£ebwiga ßtei«rern liebt, unb nimmt an, baß aud) Ärei«Ier
bie 'PrinjeffYn fiebt; (Ye muß affo bie 25ereitefung it)re«
«Ptane« befürd)ten unb bittet ben if;r befreunbeten Äanj»
Reimer 2Tbt, Ä'rei«fern jum ©intritt in ba« ßrojter ju
oeranfaffen (0. 246). Ser 2Ibt oerfud)t ba« (@. 239 ),
Ärei«ter Bfärt tf;n aber auf, baß er nid)t Äebwiga, fonbern
5ufien riebe (@. 248). Srofcbem ttjeilt bie 93enjon ber
«pHnjefffn mit,' baß £rei«rer tl)atfäd)[id) bie 2tb(Yd)t tyabe,
in« Äfofler a u treten (0. 185), unb bie <Prin a effYn graubt
e« if)r (0. 173), nimmt aber bie Wad)rid)t mit Raffung auf
(0.185). 0ie fiebt Ärei«iern mit »er a etyrenber (Stutf), unb
(Yc weiß, baß £eBtor Furien liebt; aber (Ye ifl entfd;ro(Ten,
bem «Prtnjen a u folgen.
[XXXV/XXXVI] 75
©ineg 9tad)mittagg fefct ftc 3ufien bicd augeinanber
(©. 173—177); am ?fbenb bicfcö $ageg gefd)el)en g(eid)jeitig
brei ©inge:
1. Sie SBenjon fegt beim Zl)u bem ftürfien nalje, Julien
mit bem fd)mad)(Innigen 3gna$ ju »erf)eiratl)en (©. 181).
2. Sufia wirb, nad)bem fle IjeimgePefjrt, in Sfbmefenpeit
ber SJtutter »om ^rinaen Jpeftor überfallen, umfd)[ungen
unb gefügt (©. 192—193); biefer fpringt bei ber Jpeimfeljr
ber 9Iätf)in aug bem dufter 198 ) unb fließt ju einem
<Pa»iffon, in ben if)n ber beftod)ene Safleffan einlägt (0.199).
3. @l)iara ttyeitt auf getyeimnigoofle SEBeife Üfbraljam
mit, fte fei burd) einen aufgebrungenen ©ib »erpinbert, ftd)
if;m ja jeigen, über halb fßnne (Id) a(fe$ menben. ©r foffe
»oflbrtngen, mag ©ott gebiete (©. 186).
5(m näd)fien borgen (©. 198 g. 10) mefbet (Id) <prinj
#eftor fdjriftfid) beim dürften unb tf)ei(t mit, ©iferfudjt
f)abe if)n »eranfagt, ftd) »erborgen ju fyaften (©. 206); er
fommt bann fefbfl unb begrüßt ben dürften, ben #of unb
barauf bie ©amen (©. 211—212). ©ie ^rin^efiln bef)errfd)t
(Id), Suria brobt o()nmäd)tig ju merben, SJteifter Qfbrabam
fommt if)r mit 2fetf)er ju £iffe. $>eftor erfennt if)n afö
©eoerino; 2fbral;am »erfprid)t, über feine ©e^eimniffe ju
fd)meigen, fo fange #eftor Äreigfetn unb 3ufien in 9Iul)e
faffe (©. 212—214). @r begiebt ftd) bann mit Sufien ing
®ifd)erf)äugd)en unb »er(Id)ert if)r, fle \jabe nid)tg ju fürd)ten.
©ie aber bittet »erameifeft ben Jpimmef, fle oor fid) ferber
ju fd)üfjen. Weifter Sfbrafjam ift betroffen barüber unb
marnt fte oor ifjrer Butter (©. 216—220).
ipeftor mug bafb barauf jurücf in ben ©ienfl unb fäljrt
nad) 9teapef (©. 185).
©ie 93enjon mirb oom Äaifer in ben ©rafenflanb er=
f)oben unb mad)t bem dürften Srenäug 9fug(Td)t auf einen
76 [XXXVI/XXXVII]
Scroti. 31;ce £od;ter 3utia foK bemnäd;ft beit «Prinzen
3 fjn<*i, £ebwiga gfcid^ctfig Heftern 1)eiratf;en. (©benba.)
Steiftet 2fbral)am fjofft jebod;, biefe £)oppeflf;od;$eit ber*
Dtnbern ju fönnen burd; befonbere SOlafinaljmen öm 9lamenS*
tage ber ftürftin 9J?arta; e$ ift aber baju erforberfid;, bafj
freister anwefenb ift. @r bittet affo ÄteiSfern, ju fommen.
(©benba.)
Siefetr Ijat unterbefien nod; $wei ©ttebniffe im Ätofler
gehabt.
Mnto nip » ©t)pria nu6 jjl auf feinet 33 ifftation3re ife aud)
n ad) ffamfteim ae tommen. @t J>egbftd;tigt, bott ftrenge te
gudjt^ einiUfüTjten ^unb^bie pflege bet fünftrertfd;en 9ftujtE
$u betbannen.
2fnfd;einenb ift er orientirt über ben Sluggang beö lieber*
fa(t$ auf freister, ben fein 93ruber ^teftor berantafjt fyatte.
£eftor$ 2Betfyeug, ber 2lbjutant, mar nad; feiner Sßerwun*
bung in ben ^autflon gebrad;t unb ift bort nad; fängerem
@ied;tf;um (©. 266) geftorben. @r wirb 9tad;t$ burd; einen
23enebiEttnetmünd; (ber in ©pprianuS’ Auftrag Ijanbefte,
wenn e$ nid;t gar ©pprianuS fetber war) unb hier Sfttänner
(©. 175—176) in bie Stbtei gebrad;t, unb auf ©pprianuS’
bringenbeS @rfud;en wirb nod; in berfetben 9tad;t bie
2 eid;enfeier im Ärofter abget;aften. Sabei fätft ein T;afb
waf;nftnniget gigeunerbube ©iufeppe Ämtern an, um
feinen 93ruber, ben 21b;utanten, ju räd;en; 2fntonio=©ppria*
nu$, ber if;n fennt, weift if;n l;inau$ unb befielt if;m, jur
„Sfftmutter" $u gef;en (@. 268); wer biefe ift (SSJiagbara
©igrun ober ©fjiata?), wof;er ©iufeppe unb ber 2fbjutant
•5>eEtor$ flammen, foflen wir im britten £f;eif erfahren.
ÄreiSlet bebanft ftd; am anbern £age bei Stntonio*
GpprianuS; btefer wirft if;m luftig feine Eun_ftferifd) e Stetig »
[XXXVII/XXXVIII] 77
f eit im fftoßer oor , £rei«ier bringt ii;n burd) fein SDtebaißon
jum ©djweigen unb baju, baß er feine ©ünben befennt
(©.273—281). 2lm Sage barauf »erfprid)t ber 3(bt £rei«iern,
if;m bei feinen Plänen ju helfen, unb ergänjt Spprianu«’
93erid)t (©. 283—284). £rei«ier ^atte bereit« bie 2(bßd)t,
nad> ©iegbart«weiter juriicfjufebren (©. 271), unb wirb
nun burd> 5lbrabam« 93rief barin beßärft. —
3 tn
britten &beif
foßte ßd) ber üJteft ber Söorgefdjid^te entlüden unb
jwar bie wefentlidjen, grunblegenben £beüe ber 23or*
gefd;id>te. 3« ^offmann« ärterem Vornan, ben .©iipieren
be« teufet«', ließt ßd; jum ©dßuße eine unerwartete S3er*
wanbtfd;aft berau«, bie aße« biöfjcr Unbegreifiidje ertfärt. ©o
iß aud) in ber £tei«ierbiograpbie bie Hauptfrage bie nad)
ber wahren Herfunft ber ^rinjefßn Hebwiga. Sag ße oon
Srenäu« unb ber $ürßin abßammt, iß unwabrfdjeinlid)*.
3 T;re ©item fönnen Sibraham unb Ghiara fein** ober
bie 93enjon unb berenerßet ©eiiebter(©. 154) 1 ***; ibr fübiid)*
* 2ibrabam fdjeint nähere« batüber ju wißen; er fagt
©. 104 gebeimnißooß ju JCrei«ier: „©predjen wir ein anher*
mal oon ber sprinjefßn." ferner erinnere id) an fein SEBort
jum Sürßen: „?Ö?and)er Srug wirb bernidjtet werben" u. f. w.
(f. o. ©. XXXIV) unb an ba« fübie ©erhalten ber $ürßin ju
Hebwiga gegenüber ihrer Herjfidjfeit gegen Sanaj (f. ebenba).
** Sbiara unb Jpebwiga ßnb magnetifd; (©. 104); Gtyiara
pßegt Hebwiga beimlid) unb nennt ße ihr arme« ftinb
(©. 127). 9tur iß nid)t abjufeben, warum Hebwiga bann
ber fturßin untergefdwben fein foß.
***©ie 93enjon bot ungemöbnlidien Grinßuß aufHebwiga,
geißig (©. 15) unb feefifd) (©. 118); Hebwiga unb 3ulia
werben öfter« ©djweßern genannt (©. 158. 212; bie 23en$on
nimmt unbergteid)tid) mehr 3lntbeil an bem SEBobfergeben
ber ©rinjefßn ai« bie ftürßin felber (©. 163. 165 f.), unb
ße h»t ben bringenben SEBunfd;, Hebwiga mit Heftorn ju
berheirathen (©. 148).
78 [XXXVIII/XXXIX]
brünetter £abitu* (©. 113—115) wäre im erflen pKe non
ber SOtutter, im gmeiten bom ©ater ererbt, ber ein 93er*
manbter ber beiben italienifd)en ©rinjen fein Pann. gmeiten*
ifl aud) £rei*rer „in ein ©eheimnifj oerflodjten, ohne e*
jur $eit ganj ju Pennen" (©. 270); er fleht, mie mir hörten,
©ttfingern äf;nfid) mie ein ©ruber (©. 86). ©ritten* be=
flehen jmifd)en beiben, £ebroiga unb £rei*fern, geheimnig*
botte magnetifdje 2Bed)fefbejiehungen; £rei*fer führt jebe*--
maf einen efeftrifdjen ©djfag, menn er bie £anb ber ©rin*
jefftn berührt (©. 75. 80. 104), ja menn er nur lebhaft an
ftc benft (©. 246); unb fife fäflt in ©tarrframpf in bem
5Iugenbficf, ba auf ihn gefrf)offen mirb (©. 152). — 2(nberer*
feit* beftehen, mie mir fd;on fahen, jmifdjen ben beiben
italienifd;en ©ringen unb anberen ©erfonen ©ejiehungen,
bie mir nid;t Pennen.
©ejd)rieben ifl bom britten 2hei( nur ein Pfeine* ©tücf
(©. 287—298), au* bem mir bon ber ©orgefdjidjfe nid)t*,
aber bon bem Fortgänge ber Jpanbfung pigenbe* erfahren:
St braham hnt erPannt, baß ffre i* fet bem Untergange ge*
mei htift: in feiner © ruft ruht ber SSahnfTnn mie „ein gähren-
ber ©uifan, in je bem Stugenbticfe bermögenb fo*aubred)en
2 tm meiflen fprtdit aber bie ©tefie ©. 182 ß. 6—14 für
biefe Annahme; ftc fdjeint mir fafl bemet'fenb *u fein, ©ie
©enjon fpricfjt „burnpf unb reife", mit gefenPtcm ©rief bor
ftd) hin, bie ?0?utter ber ©rinaefftn fei „itd> immer ffar, ber?
flänbig, bon jeber ju heftigen oerberbfid)en 2eibenfd>aftrid)*
feit frei gemefen"; fte ijl überrafd)t unb gefpannt, mie
ber prft *u gfauben fd>eint, fte fönne bamit üjemanben
anber* meinen al* bie prftin. ©reid) barauf (©. 188)
bebt fte bor iHngft, mie ftc hört baß Abraham broht ihre
$äufd)ungen ju enthüflen. — ©enfbar märe j. ©., baß fte
Jpebmiga ber prflin flatt QTngela untergefdtoben hat unb
baß Angela eigentlid) ba* Äinb ber prftin ifl. 9tber ma*
märe hier nid;t benfbar.
[XXXIX/XL] 79
in berber Midien ftfammen, tütg(Td)t$ro3 afte^ um fid) t>er »er»
j ehrenb" (©. 289). £rohbem witt ber 9Keifter auf jener
‘iftamengtagSfeiet eine berjroeiferte magnetifd)*pfpd)ifd)e Äur
berfud)en, bie Ätei$rer$ „ganje$ 3d) geroaltfam erfafien"
fottte. „2Öie einem jum $obe ©ied)en" fott ,/ttrjenei, bem
SrEu$ fefbfi entnommen/' ihm „$ob bereiten ober ©enefung"
(©. 290).
3 >n ber 3:f)at Eefjrt freister auf bie ©infabung be$
SJtteifterS I;in nad) ©iegbartömeifer jurücf, aber er rennt
aföbalb, „ber Fimmel weifi, bon melden Furien ber £ötte
getrieben" wieber fort „roie ein 2Baf>n finniger" (©. 289).
23ei beginn bet geier lägt 9tbraf;am ein Äretöferfdjeö
Sieb fpiefen; Sufia meint, freister fei rcieber ba, bie
sprinjeffin erroibert raut mit fdjmerjtidjer Jpeftigfeit: „9lein
nein — ad) tiiemate!" ©urd) ben weiteren Verlauf be$
gefiel wirb 3u(ia Reiter angeregt, roährenb bie <Prin=
jeffin tief in fid) gefeftrt ifi. 2fber ba Äreiörer febrt,
breiben bie SBorfehrungen wirEung$fo$ (©. 296) unb
bringen über beibe 9)?äbd)en „nid)t$ at$ bie £iuar be=
ängftigenber $räume — ©d)merj — ©ntfehen" (©. 289).
2 tud) 2rbraf;am fetber muj? ftd) entfefcen bor bem ©ebanfen,
wa$ für ein ©pier er unternommen, wie er „gemaftfam
ben gaben, ben baö bunEre SSerhängnifj gefd)tungen, jer=
reifen motten" (©. 298). —
©r fäjjt arfo, mie ju bermutben ift, bie ©inge ihren
©ang gehen; freister unb ipebmiga oerfatten ihrem ©d)idfaf,
müf)tenb Abraham unb ©hiara wieber bereinigt werben.
3ufia mirb bietteid)t burd) ein Sieb freister! bor JpeEtorn
bewahrt, wie 2lmanbu$ nad) feinem £obe alS (Tngenber
©d)wan SBfanbina rettet (f. o. ©.XXI); fte bejeidjnet ja ferber
(©. 122) freistem al$ ben wohltätigen ©eifi, ber fte
fd)üijen werbe bor bem ^rinjen.-
r
80 [XL/XLI]
25>tc itt bem ©riefe gegen bic Äricfeberg, nimmt Jpoff*
mann i n ber ffreigferbiograpfrie ©elegenfreit,, bic neue 5lug*
gäbe feiner $anta(Tejlütfe ju ermähnen. ülußerbe m nen nt
er, ^urn ^beif mit naioem ©elbftlob, feine Siebtingg »
c ompofiti otun: im jrjten Sfretl b ie $omnen Misericordias
d omini ca nt abo (©. 9), Ave maris stell a unb O sanctissima
(beibe 0. 134), foroie bag £> uett Ah che mi mancaj^anima
(0. 75 f.); im jmeiten %j)eil bie Missa in D (fpe^ieff bgg
Agnus dei: 0. 236 f.) unb bie 5trie Mi lagnerö tacendo
(0.192)j _ 3n bem einzigen tmrljanbenen ©tücfe beö britten
$l;eileg wirb ebenfalig bag Ave (0. 296) unb bie 2lrie
(0. 294) ermähnt; bag ftolgenbe Tratte oielleidjt eine ?(naft)fe
ber llnbine gebradjt, für bie Jpoffmann auf bem lobten*
bette ein neueg ©orfpiel Eomponiren mollte unb mit ber er
freistem fdmn jmei ?0?ar aufammengebrad)t: auf bem ©Ube,
bag er @pitl;evn jufd)reibt, unb in bem ©riefe an SBallborn.
Ueber bie 2lrt ber Darftellung ft'nb Pier ©emerEungen
ju rnadjen.
£offmann erjäDlt, mie fdmn aug bet 3nl>altgangabe er=
fldjtlid), nid)t naip epifd), fonbern berfäljrt mie ber ©rama*
tifer: er beginnt an einem ^unEte, mo bie £anbfung fdmn meit
fortgefdmitten ift, unb läßt bie ©orgefd)id)te fld) etjl all--
mäfylid) entlüden, ©iefe SedmiE liegt, mie fdjon angebeutet,
bereitg in ben ,<5fijrieren beg Seufelö' oor; fie ifl l)ier nod)
feiner auggebilbet. 3m erften $l;eif erfahren mir oon ber
©orgefd)id)te nur <5in^eft?eiten oljne größere £ufammenl)änge,
ebenfo im jmeiten 3;t>eir, mo erft gegen @d)luß ein größerer
sRücfbticE mögfid) mirb; bie mefentlid)en ©ejieljungen,
bie allen ©orgängen ju ©runbe liegen, foflte ber britte $l)eil
bringen. ©ielleid)t barf l)ier an ein neuereg ©eifpief für biefe
ÜedjntE erinnert merben, ein 2BerE, baö allerbingö pfpd)ologifd)
[XLI/XLII] 81
unb tcdjnifcf) rafftnirtcr tfl afS unfere aftc 5CreiöferbtD0rapftic:
3bfenS SfoSmerShofm. ©ort ergeben (Td) bic metjlen 93or*
günge ber 93orgefd)id)te im borfeijten, bic unterften $rieb*
febern ber Jpanbrung im festen 9lPt; ohne biefen QTft fönnte
ber hingebenbfte unb fcf)arfftrmigfle Sefer baS ©tuet nid^t
berfte!)en. ©o äljnrid) fiegt e$ hier, wenn bie ftabef aud)
natrer unb bie $ed>nif tm 93ergreid>e au 3fbfen$ ©tücE bon
einer gewiffen roluiflen Grinfad)heit ifl.
2Bie beim ütufbau beS ©anjen gebt £offmann aud)
im einjefnen nid)t epifd>, fonbern bramatifd) bor. 2Bir er*
fahren nämfid) bie 93orgänge, aud> bt'e nad) 93eginn ber
eigenffidjen ©raährung fiegenben, jutn großen Steife nidjt
unmittefbar, fonbern auS ben 93erid>ten bon £anbe(nben
ober jungen: bie Jpanbtung ift grßfjtentbeifS biatogifirt.
93iSroei(en (Men bie ©tafoge einen ftortfdmtt ber Ipanbfung
bar, öfters aber ftnb fTe an ftrfj gfeidtgiiftig, nur ©inffeibung
ber mitgetbeirten «Borgänge (j, 93. bie 9tbfd;nitte ©. 44—65
U. ©. 287—298).
©ie beiben bisher befprodjenen Grigenfbümridjfeiten,
bie a(fmäbfid)e 9rufbe(fung ber S3orgefd)id)te unb bie
©iafogiftrung ber ipanbfung, ifl in unferer SRefonjtruftion
beibebaften; ffc geben nid)t über baS 9Jtafj beS aud)
fonfl übfidjen binauS. 9tbcr £offmann bat (Td) bamit
nid)t begnügt, fonbern afS 3tomantifer auS $iecfS ©d)ure,
afS ein ©idjtet, ber baS gefährliche, fcrbflmörbertfd>c ©pief
mit ber $ortn riebt, nod) jroei weitere ©d)wierigfeiten
fünfllid) in baS 2BerP f;ineingebrad)t.
©rftenS erjüT;tt er nidjt im eigenen tarnen, fonbern
töfjt bie 93orgänge oon einem etmaS artfränfifd)en 93io*
graphen beridjten, ber bie ©reigniffe erfl n>äf;renb ber
fftieberfdjrift beS 93ud)eS erführt, ©iefer SSiograpT; fann
82
[XLII]
nid)t in d)ronofogifd)cr gofge »orgeften, ba, wie
er ffagt,
betn ungtütffid)en ©raäljfer nur münbiid), brocfen*
n>ci# mitgeffyeirte 91ad)rid)ten $u ©ebote jtel)en, bic
er, um nidjt ba$ ©anje au$ bem ©ebäd)tniffe ju
»errieren, fogfctd) »erarbeiten muß. 2Bie e$ eigent*
Itd) mit ber ?OTittf>etfung biefer 9tad)rid)ten Verging,
foffft bu, fel)r lieber 2efer! nod) »or bem @d)fu(Te be$
93ud)$ [nämftd) im britten Sfyeil!] erfahren, unb bann
wirft bu »ie(ieid)t ba$ rfyapfobifdße SEBefen be$ ©anjen
entfdjufbigen, »ietteidjt aber aud) meinen, baß, trot)
be$ 9infd)eine$ ber 9ibgerifTeni)eit, ein fefter burd)=
taufenber gaben alle Zijti fe jufammeni;atte.
Mehrere äf;nrid)e ©toßfeufjer be$ 23iograpf)en T;abe id)
©. 383—386 aufammengefteiit unb bitte, fte bort nad^utefen.
©er „93iograpb" wirft affo bie ©reigniffe bunt burd)*
einanber unb fängt j. 95. fein 93ud) mit einem ©tücEe be$
britten £f)eif$ an. ©a$ genügt aber unferm Songreur*
©rjäljter nod) nid)t. ©iefe$ fragmentarifdje unb unüber*
fld)trid)e 93ud) be$ 93iograpben wirb — fo ftngirt £offmann
weiter — auf 2öfd)papier gebrucft, e$ erT;äft (Td) aber nur
ein ©pempfar, unb jwar ba$ in ber 93ibtiotl)eE be$ 9)?eijtet$
9ibraf;am. ©effen Äater, 9tamen$ Sfflurr, arbeitet an einer
9tutobiograpf)ie; er jerreißt jene$ Sud) unb »ermenbet einzelne
2 agen af$ ©djreibunteriage ober jum 2öfd)en, unb biefe
werben bann mit ber 2iutobiograpf)ie be$ £ater$ abgebrucEt.*
* 3n ber Sorrebe jum erjten Sanbe fagt -ftofftnann, ba$ fei
»erfef)entfid), ofyne fein ©iffen, aefd)el)en; im ^weiten Sanbe
fyat er ba$ »ergeffen unb »errätl) fi'd) ai$ bewußten iperau$=
gebet ber gragmente, inbem er bafeibft auf ©. 312 fonftatirt,
baß ber £ater an ber ©teiie »ier Setter be$ 93ud)e$ fyetauS*
geriffen f;abe.
83
[XLIII]
2 Bir foffcn affo, fo fdjcfnt e$, nur Fomente oon
Fragmenten erhalten. Aber eS fdjeint nur fo: tn 2BirF*
IidjFeit ftimmen bie Fragmente beS 93ud)eS, bie ber
Äater conferoirt, faft überein mit ben Fomenten ber
#anbtung, bie ber 23iograph erfährt, fo baj? oon beffen
fupponirtem 93ud)e nur einjefne ©äfce unb ©ereile festen.
©S ijt ein $}eid)en beS tedjnifdjen SMfettantiSmuS, ben
#offtnann aud) afS £>id>ter nie gang oerfor, bafj er gu
5 »ei fofdjen Fiktionen greift, tnäl)renb eine genügt hätte.
2Bie bereits auSgefprodjen, t>at £offmann bie „SrocFen"
ber ÄreiSferbiographie eingeflreut in bie Autobiographie
be$ ßaterS Sffturr. 93on £aufe auS mag er beab(Td)tigt
haben, biefen Äater mit ber #anblung gu terFnüpfen; 5)turr
foffte in ÄteiSferS pflege übergehen unb Permuthlid), ähnfid)
roie ©erganga, bon feinem ©tanbpunFte aus über ÄreiSferS
©djitffafe beridjten. Aber feftfam, ipoffmann fS|?t fdßiefj*
fid) ben Äater in bem OToment abbred)en, mo er freistem
gum erften SDtafe fTcT;t, fo bafj bie ,2ebenSanfTd)ten* beS
ÄaterS aud) inhaftfid) gängfid) auS bet £anbfung heraus*
faßen. ©S heißt, ber 5Cater habe fein 33ud> nidjt oofl=
enbet: fortan roerbe bie ÄreiSferbiographie affein gegeben
werben, nur einige anfdjeinenb non ÄreiSfer infpirirte „Ste»
ftejeionen unb ©emerFungen" beS ÄaterS* fofften „hin unb
mieber an fd)icffid)en ©teffen" eingefügt werben. — £off*
mann mu§ einen triftigen ©runb gehabt haben, wenn er
mitten im ©ud), am ©d)fuffe beS gweiten ©rittelS, pföh 5
* ©emeint ffnb offenbar u. a. bie Aphorismen, bie £off*
mann einftweifen afS ,Ffüd)tige ©ebanPen unb ©emerFungen
über mandierlei ©egenflänbe. (Warf) bem Frang5i7fd)en beS
©aronS oon s*****.y Anfang 1819 im .Freimütigen für
£>eutfriifanb* neröffentfid>t hatte — eine fdmadw Fodfehung
ber ,ipöd)ft gerjlreuten ©ebanFen*. 2Bir geben fte in biefern
©ud)e nidjt unb »erweifen auf bie geplanten .Äfeinen
©djriften*.
84 [XLIV]
Md) auf biefe gufljat »erntete. ©ottte e$ ifm fefber gereut
Jjaben, bag er fein perfönfid)fleS 93udf) mutljmittig einer per*
oerfen Saune preisgab? SBer meig, ob er nidf)t bei einer
^weiten Siuftage bie Äaterftücfe aucf) aus ben erflen beiben
23änben entfernt ljätte, wie er 1819 mit 9?ed)t bie ,<Prtn*
iefftn 33fanbina‘ auS bem ,9)?uftfarif<fj*poettfd)en ©tubb* ge*
flrid)en fjatte. —
©einig ifl baS £aterbüd)fein, baS übrigens nur etwa
ein ©rittet ber erfien beiben 93änbe füfft unb affo nod;
nid)t ein SBiertef beS ©anjen auSgemad)t fyätte*, on
ftd> eine birtuofe Seiflung ber ©atire. ©ie ©atire ifl
mit fordier Eingebung burd>gefül)rt, bag fte fleflfenmeife
faft in SBofjrmofifen umfdjtägt für iljren ©egenftanb, ben
armen »iedjSmägigen brofligen <pf;itifter, ber bod) nid>tö
bafür fann, bag er ^irifler ifl. Unb oon mand)em
mirb ja aud) bie 2frt unb SSBeife, mie Jpoffmann biefen
„ffurrifen ©djerj" mit ber £rei$ferbiograpl)ie ju einer
„etmaS bizarren ©$enerie" oerbunben T;at, afS befonbetS
gfßcfrid) unb reijooft empfunben. 3d) fann freilid) in
biefer 33erbinbung nur eine franfljafte SRoljeit fefjen, ben
SduSbrucf einer ©eete, bie ber naioen, ganzen ©efüfjte nid)t
mef;r fäf;ig ifl ober bod) nid)t mefjr magt, fld) ju iljnen ju
befennen. ©aS franfe ©emütf; greift ju peroerfen ©timu*
fantien, eS erträgt baS Sehen nur nod) in bem fdjmerj*
Ijaften, rafenben SBedjfel oon entgegengefefcten, einanber
auffyebenben ©timmungen. ©aS meibfid)e ©egenfludt
ÄreiSferS, bie ^rinjeffln Jpebmiga, in ber ber fdjmerjenS*
reid;e ©icfjter affeS oerförpert, maS in if;m franf mar, fagt
in einer ber fd;auerfid;jlen ©teilen beS 93ud)eS (©. 80)
md) einem fo!d>en ©cenenmed)fel:
* ©S ifl neuerbingS aud) feoaratim I)erauSgegeben (mit
SKuflrafionen oon ©rnfl Siebermann) bei Hermann ©ee*
mann Sind) folget in Seipjtg.
85
[XLV]
©ie fyaben mid) ganj mit ftd> außgefßftnt, lieber
Äreißier! — £> je^t »erflehe id) Spren fptingenben
Jpumor. Grr ift föjt(id), in ber 21;at Eöftlid)! —
Sftur in bem gwiefpalt ber berfd;iebenften (Jmpftn*
bungen, ber feinbiid)ften ©efül;ie, gel;t baß (;i)(;ere
2 eben auf!
3 n biefen SBorten fyaben >®‘ l ß an « en >Äater ?fJtutt‘.
©aß 93ud> ift eine wunbetbotfe, bie unterfien liefen auf*
»üljfenbe ©pmpljottie, bie nur jufäflig mit bem ©djlufj an*
fängt unb bann fd>ergl)after SBeife fTebjetyn SOiat mitten
im Saft unterbrod>en wirb non einer fyübfdjen, amüfanten,
jum ©dreien luftigen DperettenmuftE. — 2Ber baß oiHIig
empftnbet unb bann außfyält, ber braudjt atterbingß
unfer 33ud) nidjt.
©et erfte 95anb biefeß feltfamen ©oppetroerfß etfdjien
ju 2Beifynad)ten 1819 unter bem umjtänblid)en £itel:
2ebenß*5Knfidjten beß Äaterß 5Äurr nebft fragmen*
tarifdjer 95iograpI)ie beß Äapettmeifterß Soijanneß
Äreißfer in jufättigen SWaEuraturbrättew. Jperauß*
gegeben non £. 2i. Jpoffmann. @rfter 33anb. 93erfin,
1820 bei fterbinanb ©ümmier. (8°, XII + 400 ©.)
©er 93anb enthält bon bet £reißlerbiograpf;ie baß Fragment
unfereß britten £I)eiIß, fomie bie Fragmente unfereß
erflen &l)eifß in etroaß anberer Stegen folge.
3u 2Beil)nad)ten 1821 erfd^ien ber zweite 95anb mit
ber 3af;reßjal;f 1822 C&itelbratt + 406 ©.), wenige Sage,
nadjbem .fcoffmann feinen ftreunben ben £ob feineß eigenen
Äaterß SWurt mitgetfyeift tyatte. ©er 23anb enthält unferen
jmeiten aber fo, bafj immer ein ©iegfyartßweiier unb
ein Äanjfyeimer Fragment abmedjfefn.
©en britten 23anb I;at jpoffmamt nid)t mehr ju Rapier
86 [XLVI]
gebraut; er erSranEte nad) Beenbigung be$ jweiten unb
ftarb am 25. 3uni 1822.
£offmann$ ©orgfaft für ba$ SBerE erflrecEte flcf> bi«
auf bie ©inbänbe, bie er mit eigenen geidjnur.gen fd;mücfte.
Auf bem Borberbecfef jebeS BanbeS foffte eine ©eene aus
ber Autobiographie beS Ä'aterS flehen, auf bem SHücfbectel
eine auS ber Biographie Ärei^ierö. — ©er ©ntwurf für
ben SHüctbecfet beS britten BanbeS — ÄreiSler im SCBafm*
ftnn — ijl auS £i$igS EKeprobuEtion oon 1823 betannt.
©ie ©eefen ju ben erflen Bänben — eine freie ©arfteffung
ÄreiSIerS ars SÜlaguS unb eine 3ffuflration ju ©. 264 —
fommen öfters antiquarifd; oot in fpäteren Abzügen »on
ben retoudjirten Tratten; ©pempiareber beiben Bänbe in ben
Driginafberfen gehören bagegen ju ben ©eftenheiten beS
Büd;ermarEteS. Bon jebem Banbe hatte £offmann für (Id;
einige ©remplare auf boppeltflarfem, weißem Rapier atyiehen
raffen; ben erflen Banb fanbte er in einem fold;en ©pempfar am
24.3uni 1820 nadj «fllarienwerber an feinen treueflen greunb
^ippef, ben jweiten Banb übergab er ihm in Berlin jug(eid)
mit ober wenige £age nad; ber (itI;ographirten iobeSanjeige beS
ÄaterS $l?urr im ©e^ember 1821. Affe brei SWiquien, bie
beiben Bänbe unb bie Efeine Anzeige, beffnben ftd> je$t in
meinem 93efT^; id; »erbanfe ffe ber »erfd;wenberifd;en ©üte
ber wehrten grau, ber id; biefe ©ammiung ju eigen gebe
in tiefer ©antbarteit für ben wertthätigen Antheif, ben ffe
ron Anfang an meinen Bemühungen um £offmann ge*
fd;enEt h«t: grau £irbegarb Steffen in griebenau, ber
UrenEelin JpippetS.
9lad; £iijigS graubwürbigem 93erid>t foffte ber britte
£T;eir ber JpöhepunEt beS SEBerEeS unb bamit ber £öhepunEt
87
[XL VII]
»on HoffmannS ©Raffen fein. Saburdj, baß er fefjft, fe$tt
un$ bie ©efammtanfdjauung be$ 2BerEe$; ba$ 23ud)
ifl ein £orfo oI;ne Äopf unb $uß, wie ei ,9lo$tner$l)o[m‘
ot;ne bie beiben festen Sifte, ja fdjon ofyne ben festen 5lft
fein würbe. 2Bir müffen unS aifo an ba$ ©injelne fyaften,
an einzelne Figuren unb einzelne ©teilen, unb man
möge e$ bem Herausgeber nidjt »erargen, wenn er Hier auf
einige -©injeiljeiten Jjinweifl, bie ii;m befonberS am He^en
iiegen; anbere mögen jld) anbere gieblingSfleilen unb Sieb*
üngöftguren fudjen, H»ffmann ifl reid; genug baju.
93on ben einzelnen ©eenen beS 93ud)e$ ftnb »ieiieidjt
bie am größelten, bte'lTt: eiSfeYS~a uf fe t'tn e n b e n SEBaI;n*
finn~unb e ju ÄreiSlevn fd)itbern.
93on jenen ifl bie ©djilberung i;5d;fl merfwürbig, bie
Hoffntann-'ÄreiSier ©. 39 giebt »on ber unbeflimmten, flnn--
lofen Qtngfl unb Itnrajl, bie if;n feit ber Äinbfyeit »erfolgt,
fobann bie beiben £obtengefpräd)e: ba$ mit ©ttiinger
©. 95—97 unb ba$ mit bem Slbjutanten beS ^rinjen Heftor
©. 265—267; baS erflere ifl befonberS d)arafteriftifd> für
Hoffmann*ÄreiSier, inbem eS jeigt, wie er feine Singfl $u
ironiflren unb baburd; ju betäuben weiß. Siefl man biefe
brei ©teilen in ifyrer Eunftooilen Steigerung tyintereinanber,
fo aljnt man, ju weid) furdjtbarer ©ewait ber Sid^ter im
britten Steife aufgeftiegen wäre, »on beffen finale unS
freister* fd)ritte23etiweiflung$rufe im .SJiuftfaiifd^poetifdjen
Eiubb' einen SBorgefdjtnacf geben.
$on ben ©eenen ber Hebwiga möd)te id) jwet i;er»or*
Heben. ©rftenS bie$(benbgefe(Ifd)aft bei ber 93enjon ©.72—81:
Hebwiga erfennt ÄreiSfern, ii;n, Den niemanb fennt; fte
ftetyt mit fyeilfefyerifdjer £)eutiid)feit, wie aud) feine ©aiten
jum Zerreißen gefpannt ftnb, unb in bem ülugenbiicE flammt
in Reißen ©tragen ii;re Siebe empor. Zweitens if;r ©e-
fpräd; mit Julien ©. 168—177: fte gefleht bem fanften
88 [XLVIII]
Ätnbe, bag Äreigtern in füget ©infatt atjnt unb itjm
Etnbficf) tertraut, it;re Siebe, bie ebenfo unbejroinglid) ift
rote froffnunggtog.
Ueberfyaupt ift ton bett ©t;arafteren roobi bie Jpebroiga
am ttefflen erfaßt unb am geroattigften bargeftedt: biefe
5O?tfd;un0 ton terjel;renber ©inntid)feit unb unbeftegbarer
©etbftbetyerrfdjung, ton fd;neibenbem Jpot;n unb Ijinflerbenber
©d;roermutt;, ton flöget ©d;önt;ett unb unheilbarer Äranf»
T;eit gehört $u bem ©ntjücfen&jten unb ©rfdjütternbften, roag
je ein £>id)ter bargeftedt. 3d) nenne fte tot Äreigtern,
benn bei biefet $igur tjatte #offmann eg leid;t: er braud;te
nur ffd) $u Eopiren, unb baju genügte ein bigdjen ©f;rtid;=
feit unb 5pfpd)ofogie. 3mmer(;in ift ja audj bag nid)t jebem
gegeben. ^oftmann-'Äreigfer ift nid)tg roeniger atg gefunb.
ftreitid), er feijt feinen ©tot* barein, für I;art unb fpüttifd)
gehalten *u roerben; er ift cpnifd) big in feine ©etbfb
gefprädje, big in bie ©prünge feineg ©titeg hinein. 3n
2Birftid)Eeit ift er franf, Ijoffnunggtog EranE. Stber er ift
ber ftof^efle unb fd)amt;aftefte Äranfe, ton bem id; in ber
Siteratur roeiß. 3n ber ©d;amt;afttgfeit, mit ber er fein
0eiben terf;üdt, in bem ©tol$, mit bem er ftd; umgürtet,
um jebeg aubringtid;e fDtitteib abjuroeifen, fann id; it;n nur
mit Grinem tergteid;en, bem er fonft roat;rtid; nid;t ät;ntid;
gfcf;t — mit einem jüngft ©eftorbenen, beffen tarnen id)
nid;t nennen mag, roeii ade ©affen baoon roibert;aden.
2Bie biefer &apferfte Eann er einem jum $roft roerben, jurn
Söorbiib, roenn man fefbft fd;roer ju teiben t;at unb geroidt
ift, ftd) ton feinem breinreben ju taffen. Unb in biefem
©inne ef;re id) bie Äreigterbiograp(;ie atg eineg ber großen
9tnbad;tgj unb £roftbüd;er.
89
[XLIX]
2Benn id) nun bag SBagniß unternehme, bie Äreigter«
biograpt)ie aug bem oort)anbenen SDtateriat fo ju refonftruiren,
mie fte £ojfmann »orgefdjmebt hat, unb fle mit bem tarnen
ber genannten ftreunbin htnau^ufenben, fo thue id) bag in
bem Söemußtfein, baß biefeg unfer 23ud) ben 3uben ein
Stergerniß unb ben Reiben eine £horf;eit fein mirb. Sie
Sehteren, bie Satten 2Bi(Tenfd)aftter, roevbeu mit 9fed)t Sopf*
fd)üttetnb fragen, maß mir benn eigenttid) motten mit
bem 23ud)e? ob cg eine ©bition fein fotte ober eine 9teu*
bid>tung ober mag mir ung bäd)ten? Unb bie ©rfleren,
bie ortt;oboyen Jpoffmann»erel)rer, merben ung ber $empef*
fd)änbung seihen unb merben bitter Stagen, untätige £änbe
hätten freoefnb beg Sid)terg fcinfled ©emebe jerfafert.
3üngjl traf id) einen biefer ©täubigen, einen tieben $D?enfd)en
aug Söien. 2trg id) il)tn meinen ^tan augeinanberfehte,
fagte er: „Qtber get)ng, beeg ift nid)t nett. Sag ifl bod)
grab fo T;übfd>, mie ftd> immer ein Äreigferfragment unb
ein Äaterfragment fotgen." 3d) ermiberte fd)üd)tern, baß
fefbft it;m, bem kennet, bod) »ie(teid)t mand)eg erfl ftar
merben mürbe, menn er bie iCreigterflücfe ohne Unter«
bred)ung hinter einanber täfe. „3a, ijt benn überhaupt ein
gufammenhang brin?" mar bie grenjentog erfiaunte
Stntmort.
95iefleid)t erSennt biefer ftteunb £offmanng unb mit
ihm anbere aug unferer ^ubtifation, baß fTd> in ber $h<U
ein ungeföhtc$ 93i(b oon Äreigterg ©efd)id)te geminnen
täßt, menn man bie frembartigen ^uthaten aug #offmanng
£auptmerS jtreid)t unb ftatt befien bag jßermanbte aug
feinen fonfUgen Strbeiten beigiebt. 2Bie id) im ©injetnen
babei »erfahren bin, jeige id) mißtrauifd)en Sefern im 5tad)*
berid)t. Sort nenne id) aud) bie freunbtidjen SDiit«
arbeitet, ohne beren £ütfe bag 93ud) nid)t bie Beilagen
erhalten hätte, bie eg jeijt jieren. 3d) fpred)e \)ier atten
90
[L ]
meinen T;ev^lid;en DanE au$, in$6efonbere meinem Der«
ehrten ffreunbe S? an i <pfirner, ber un« ba$ Agnus dei
flu * ber Missa in D mieber jugängftd; 9 emnd;t r;ot unb
r;ofFen«td; nod; einen ®erie 0 er ftnbet für ben fan 0 e aepianten
£r<m'erau$ 4 u 0 ber „Unbine".
Anfang 9iorem6er 1902
[311] 91
[Nachwort zu den ‘Märchen der Serapionsbrüder’]
Vorbemerkung.
An dieser Stelle soll erzählt werden, wie Hofimann
dazu kam, unsere drei Märchen zu schreiben, wie er
sich der Aufgabe entledigt hat und wie seine Arbeit
bei Mit- und Nachwelt aufgenommen worden ist; da¬
neben sollen Einzelheiten erklärt und die Grundsätze
unserer Textbehandlung dargelegt werden. Da aber
unser Büchlein weniger der Forschung dienen soll
als dem unmittelbaren Genüsse alter und junger Kunst¬
freunde, so haben wir die philologischen Mitteilungen
möglichst eingeschränkt zugunsten der ästhetischen
und literarhistorischen. Diese sind in der vorliegenden
neuen Ausgabe vermehrt; die knappen bibliographi¬
schen Andeutungen der ersten Ausgabe sind dagegen
weggelassen.
Die Zahlen im Nachwort bezeichnen die S eiten
unserer Ausgabe; dahinter stehen in der Regel ent¬
weder kleine Zahlen, die die Zeilen bezeichnen,
oder Buchstaben, die einen größeren Teil der Seite
bezeichnen: o bedeutet das obere Drittel (oder die
obere Hälfte), m das mittlere Drittel und u das untere
Drittel (oder die untere Hälfte). Ein kleines f da¬
gegen bedeutet die erste folgende Seite.
Von den sieben Titelabkürzungen bedeuten
(H. = [E. T. A.] Hoffmann):
Hitzig: AusHoffmann’s Leben undNachlass. 2Theile.
(Berlin, Dümmler, 1823.)
92
[312]
Sucher: Les sources du merveilleux chez H. Par
Paul S. (Paris, Alcan, 1912 [tatsächlich schon 1911
erschienen].)
Ellinger 15: E. T. A. Hoffinanns Werke. Fünf¬
zehnter TeiL (Berlin usw., Bong [19x2].)
Hippel: Hoffinann und Hippel. Das Denkmal einer
Freundschaft. (Berlin, Gebr. Paetel, 1912.)
B w: Hoffinanns Briefwechsel (mit Ausnahme der Briefe
an Hippel). Heft 1—3. (Ebenda 1912.)
Die beiden letztgenannten Publikationen bilden Bd. 1
und 2 der Sammlung
E. T. A. Hoffinann im persönlichen und brieflichen
Verkehr. Sein Briefwechsel und die Erinnerungen
seiner Bekannten. In drei Bänden . . . heraus¬
gegeben von Hans von Müller.
Maassen 6: H’s Sämtliche Werke. Hist.-krit. Ausg....
von Carl Georg von M. Sechster Band. (München
u. Lpz., Gg. Müller, 1912.)
Voigt: „Zeherit“ in H’s ‘Meister Floh’. In: Germa¬
nisch-Romanische Monatsschrift, hrsg. von Heinrich
Schröder. (Heidelberg, Winter.) Jahrg. 1914.
I. Nußknacker und Mausekönig.
1.
Der Musikdirektor Hoffmann, der älter war als
Fouquö und Kleist, Brentano und Arnim, hatte schon
u. a. zehn Opern komponiert und neben tief eindringen¬
den theoretischen Aufsätzen die kleinen musikalischen
Dichtungen ‘Ritter Gluck’, ‘Kreislers Leiden’ und ‘Don
Juan’ verfaßt, als er in seinem 38. und 39. Lebens¬
jahr, vom 26. November 1813 bis zum 15. Februar
93
[313]
1814, zu Dresden und Leipzig sein poetisches Haupt¬
werk schuf, das Märchen ‘Der goldne Topf’. Die
Handlung spielt in der unmittelbaren Gegenwart
zu Dresden; und wie der Dichter im Beginn der
4. Vigilie ausspricht, will er uns durch das Märchen
recht vor Augen fuhren, daß das romantische Reich
des Traumes, der Illusion, der Phantasie, in dem es
nicht die beengenden Schranken von Zeit, Raum und
Kausalität gibt, nicht unerreichbar über oder vor
uns, sondern in uns liegt, daß wir nur zu wollen
brauchen, um mitten drin zu stehen.
Im ‘Goldnen Topf war ein reiner Jüngling, Ansel-
mus, der Träger dieser Idee. Noch näher lag es,
diese Rolle dem Kinde zuzuerteilen, dessen Phantasie
noch nicht durch die Erfahrung gelähmt ist. In diesem
Sinne schrieb Hoffmann seine ersten beiden Berliner
Märchen: ‘Nußknacker und Mausekönig’ als die Illu¬
sion des Puppenmütterchens Marie, und das ‘Fremde
Kind’ als die Illusion der beiden Naturkinder Felix
und Christlieb.
2.
In den ersten Berliner Jahren hatte Hoffmann die
Neigung, mit seinen teils wiedergefundenen teils neu
erworbenen poetischen Freunden zusammenzuarbeiten.
So verabredete er am 13. Januar 1815 auf einer Abend¬
gesellschaft, mit Chamisso, Contessa und Hitzig gemein¬
sam einen Roman zu schreiben; dieser Plan blieb —
man darf sagen zum Glück — liegen, nachdem Cha¬
misso am 15. Juli seine Wfeltumseglung angetreten
hatte (Bw 233/35 Note).
Vielleicht fällt schon in dieselbe Zeit der Plan,
94
[ 314 ]
unter Mitarbeit von Contessa und Fouqud ein Märchen¬
buch herauszugeben. Wenigstens klagt HofFmann am
8. Mai Fouqu6, die Arbeit, die er als Volontär am
Kammergericht zu leisten habe, mache es ihm unmög¬
lich, das versprochene Märchen zu schreiben (Bw 228).
Sechs Tage darauf zählt er abermals Fouqud auf, was
er alles an Gerichtsakten und alten literarischen Ver¬
pflichtungen auf dem Halse habe (Bw 230 f).
Erst fünf Vierteljahre darauf, nachdem Hoffmann
wieder fest angestellt war als Richter, trat man dem
Unternehmen ernstlich näher. Hoffmann, der allein
von den Dreien seinen Wohnsitz in Berlin hatte, über¬
nahm es, die Verhandlungen mit einem Verleger zu
leiten und die Illustrationen zu liefern. Er stand da¬
mals mit zwei Berliner Firmen in Verbindung.
Duncker & Humblot hatten am 16 . Mai 1815 die
‘Elixiere des Teufels’ in Verlag genommen (Bw 234),
die — 180t von Georg Reimer gepachtete — Real¬
schulbuchhandlung Ende desselben Jahres die ‘Nacht¬
stücke’ (Hoffmanns Angebot vom 24. November s.
Bw 247 f). Hoffmann wandte sich zunächst an
Duncker & Humblot, zumal die ‘Nachtstücke’ noch
nicht erschienen waren. Duncker & Humblot aber
lehnten den Verlag ab und stießen Hoffmann dadurch
„sehr vor den Kopf“ (Reimer an Hitzig 29. Juli 1826).
Dieser bot nunmehr der Realschulbuchhandlung das
Büchlein an, indem er sich „sehr empfindlich“ über
die Behandlung seitens der jüngeren Firma äußerte;
und Reimer ließ sich bereit finden, das Märchenbuch
zu drucken und gut zu honorieren (Reimer an Hitzig
27. Februar 1827).
95
[ 315 ]
Als erster lieferte Contessa seinen Beitrag, das sehr
hübsche ‘Gastmahl’. Dann kam Fouqud mit der
phantasielosen Arbeit ‘Die kleinen Leute’. Während
diese Stücke schon im Druck waren, vollendete HofF-
mann sein Märchen, ‘Nußknacker und Mausekönig’,
und Zeichnete vom T4, bis zum 16. November unter
Fieberanfällen für jedes der drei Märchen eine Anfangs¬
und eine Schlußvignette, die er am 16. mit dem Texte
seines Märchens an Reimer sandte (Bw 275 f*). Die
Vignetten wurden, jedenfalls der Eile wegen, äußerst
roh lithographiert, und das Bändchen wird, wenn über¬
haupt, nur noch mit genauer Not zu Weihnachten er¬
schienen sein. Hoffmann erhielt zwölf Freiexemplare,
von denen er seinen Mitarbeitern je vier abgab
(Bw 294).
3 -
Jetzt zu Hoffimanns Märchen.
Zum vorigen Weihnachtsabend hatte Hofixnann, wie
Hitzig berichtet (2, 109), für dessen Kinder die Burg
Ringstetten aus seiner letzten Oper‘Undine’, deren
Aufführung damals bevorstand, gemalt, aufgebaut und
prachtvoll von innen erleuchtet. Das künstliche Werk
wird aber, nachdem es genügend bestaunt war, die
* Das unschätzbare Himburg-Weidmann-Reimersche Ge¬
samtarchiv ist in den achtziger Jahren für — 5000 Mark an
einen Antiquar verschleudert, und im Laufe der letzten zwölf
Jahre haben sich erst sechs Briefe wieder zusammengefunden,
die sich auf die ICindermärchen von 1816 und 1817 beziehen.
Sie sind im folgenden unsere Hauptquelle.
96 [ 316 ]
Kinder bald gelangweilt haben, weil sich gar nichts
daraus machen, nicht damit spielen ließ.
An dies Fiasko knüpft Hoffmann nur in löblicher
Selbsterkenntnis an (12, 6—11. 17, ai—19, jo). Er gibt
Zu, daß das Kind nicht nur Automaten spielen sehen
will, sondern selbst eingreifeu will als Regisseur und
Dichter. Er läßt also Fritz als umsichtigen Offizier
seine Soldaten kommandieren und entwickelt vor allem
ein eigentümlich schöpferisches Verhältnis der kleinen
Marie zu den Puppen.*
Zunächst steht Marie zu ihren Puppen wie jedes
Kind: sie spielt gerne mit ihnen, weiß aber, daß es
Puppen sind. Sie hat das Gefühl der halb-bewußten,
willkürlichen Illusion, wie es abgeschwächt die Er¬
wachsenen im Theater haben: „Bin ich nicht ein
thöricht Mädchen, daß ich . . . glaube, das Holzpüpp-
chen da könne mir Gesichter schneiden!“ (30 m).
Allmählich aber kommt sie in das Reich der vollen
Illusion, unter wiederholter Nachhilfe (des Wundfiebers
* Hoffmanns Liebling Marie Hitzig (geb. 1809) starb jung
nach schweren Leiden im Januar i8sa: Hoffmanns schönenBei-
leidsbrief s. Bw 471 f. Fritz ist kein anderer als der Geheime
Regierungs- undOber-Bau-Rat Friedrich H. (181t—1881),
der die Börse und die Reichsbank iii Berlin, die Technische
Hochschule in Charlottenburg u. a. geschaffen hat und nach
dem die Hitzigstraße benannt ist. Die ältere Tochter
Eugenie H. (1807—1843), die Hoffmann später unter den
Hörern des Märchens nennt (s. u. 3*8 u), verheiratete sich
1826 mit Johann Jacob Baeyer, dem Begründer der inter¬
nationalen Erdmessung (gest. i88y als preußischer General¬
leutnant).
97
[ 317 ]
und) des Paten Droßelmeier-Hoffmann. Und bald
findet sie sich besser darin zurecht als der Führer.
Wie sie ihm die große Schlacht schildert, die sie im
Geiste geschaut, erwidert ihr der Dichter: „Ey, Dir
liebe Marie ist ja mehr gegeben als mir und uns allen;
. . . Du regierst in einem schönen blanken Reich.“
(85 u.) Und wie sie den Rosensee mit seinen Schwänen
schaut, erwidert der Nußknacker, der diesmal den
Chorus agiert: „So etwas kann denn doch wohl der
Onkel niemals zu Stande bringen; Sie selbst viel eher,
liebe Demoiselle Stahlbaum.“ (104/05.) Und „Marie
soll noch zur Stunde Königin eines Landes seyn, in
dem man überall . . . die allerherrlichsten, wunder¬
barsten Dinge erblicken kann, wenn man nur Augen
darnach hat“ (124/25) — ganz wie Anselmus im
‘Goldnen Topf zum Schlüsse als Herr auf Atlantis
lebt.
Wird es in den beiden Märchen dem Lehrmeister
bisweilen zu arg, so fährt er durch ein gellendes
„Hey, hey!“ dazwischen: Lindhorst-Hofimann zu
Anselmus am Schluß der x. und in der Mitte der
4. Yigilie, Droßelmeier-Hoflmann zu Marie S. 122 m;
aber beide müßten nicht Substitute unseres Dichters
sein, wenn sie nicht gleich wieder fortfuhren, ihre
Zöglinge in ihren Illusionen auf alle Art zu bestärken.
Ist es schon äußerst schwierig, ein Märchen in
dieser Weise dauernd im Zwielicht zu halten, so ist
es fest unmöglich, diesen Charakter auch am Schlüsse
zu bewahren. Der Schluß des ‘Goldnen Topfes’ genügt
denn auch nicht ganz, noch weniger der von ‘Nu߬
knacker und Mausekönig’. Es ist hier Hoffmann nicht
98
r
[318]
mehr gelungen, der Illusion ihren diskreten, ver-
schwebenden Charakter zu bewahren; Droßelmeiers
entzauberter Neffe, der Marien heimführt, fällt grob
materiell aus der Märchenwelt heraus, wie die unterste
Sprosse der Himmelsleiter aus Jakobs Traum heraus¬
gefallen ist in das Reliquiar zu Doberan. Der letzte
Absatz bemüht sich vergebens, durch „soll“, „sagt
man“ u. dgL nachträglich einen Schleier vor diese
Körperlichkeiten zu senken und die zerstörte Stim¬
mung wieder herzustellen.
4-
Eine Eigentümlichkeit unseres Märchens, zu der sich
bei Hoffmann nur noch im ‘Goldnen Topf und in .
der ‘Brambilla’ Ansätze wiederfinden, ist der Versuch,
die Stimmung" durch klingende freie Rhythmen un¬
mittelbar dem Hörer zu suggerieren.
Hoffmann konnte wie Jean Paul keine sprachlich *
guten Verse machen; auch die parodistischen sind als
solche mißglückt. Dagegen zeigt sich auch in sei¬
nen unbeholfensten Versuchen (z. B. dem bekannten
Dedikationsgedicht an die Eunike, Bw 398) ein f
glückliches Bemühen um die musikalische Klang¬
wirkung. In unserem Märchen beachte man z. B. das
Schnurren im ersten Uhrenlied S. 32; das Schnurren
und Ticken und Schlagen im zweiten Uhrenlied S. 50 *
(das natürlich eintönig und schnarrend vorzulesen ist,
wie der Pate es hersagt); das Vorwiegen des klaren,
wachen a in der Reveille S. 35; die knackenden Töne des ^
Nußknackers S. 3^/3 6; endlich den Wechsel in dem
wunderschönen Wasserlied S. io 5 , wo erst die Mücken,
►
1
99
[ 319 ]
Fische, Vogel mit leichten, hellen Lauten, dann die
„Rosenwogen“ mit dumpfen, schweren angeredet
werden.
5 -
Auch über den Stoff des Märchens ist noch etwas
zu sagen, da er die Haltung des Ganzen wesentlich
beeinflußt hat.
Hoffmanns Thema berührt sich mit dem des Frosch¬
mäusekrieges, nur daß den Mäusen statt der Frösche
die Puppen gegenüberstehen, da die Geschichte in
der Weihnachtszeit und im Zimmer spielt. Als Herr¬
scher der Mäuse wird nach Analogie des durch die
Schwänze zusammenhängenden Rattenkönigs * ein
* In der Aufklärungszeit, seit 1767, gehörte es zum guten
Ton, die Existenz des Rattenkönigs anzuzweifeln oder schroff
zu verneinen. Auch Blumenbach, der ihn ruhig in den ersten
drei Ausgaben seines berühmten 'Handbuchs der Natur¬
geschichte’ aufgefuhrt, ließ ihn von der vierten an beschämt
weg. Erst 182.0 erstand dem bedrängten Prätendenten ein
Vorkämpfer, der ihn nach fünfzigjähriger Verkennung wieder
zur Geltung brachte: Johann Joachim Bellermann,
der Stifter der Berliner Scholarchendynastie, erzählt in seiner
Broschüre Tiber das bisher bezweifelte Dascyn des Ratten¬
königes’ unter Beibringung unanfechtbarer Zeugnisse und einer
Abbildung, daß Zimmerleute 1772 in Erfurt beim Abbruch
eines Kornspeichers einen lebenden Rattenkönig von 12 Tieren
gefunden, getötet und auf den Mist geworfen, wo Bellermann
ihn dann gefunden hatte. Anhangsweise teilt er einige zwan¬
zig weitere Fälle mit. — Nach seiner Angabe am Schluß der
Broschüre haben ältere Naturbeschreiber, die er aber leidet
nicht nennt, „den Rattenkönig für den Führer und Aufseher
100
[320]
Mausekönig * mit sieben Köpfen vorgeführt, als König
der Puppen eine Nürnberger Puppe, die anfangs
Hampelmann gewesen, dann aber Zum Nußknacker
ausgebildet worden war (74 t 123).
"Wie im Froschmäusekrieg die Ilias, sehen wir hier
die Napoleonischen Schlachten, die Niederlage und den
Sieg der Deutschen, nachgebildet; und die Übertragung
menschlicher Verhältnisse auf diese kleinsten Wesen
wirkt mit Notwendigkeit außerordentlich parodistisch.
Der „begeisterte Nußknacker“ (36 m), der „begeisterte
Wbrte“ an die Truppen richtet (39 u), ist ebenso drollig
wie der General Pantalon, der aus Angst mit dem Kinn
der Gattung ausgegeben“ und behauptet, „er habe seinen
Thron und seinen Hofstaat u. d. m.“
Arthur Sakheim macht (E.T. A.Hoffmann [Leipzig, Haessel,
1908] S. aoa/03) darauf aufmerksam, daß Hoffmann in dem
Brief, den er am 7. Dezember 1794 an Hippel in das Dorf
Arnau bei Königsberg schrieb (Hippel 44,10), den dortigen
„Mäusekönig“ erwähnt, der „unmöglich harmonischer lachen
kann“ als Hippels Bote es tut mit seinem „dreymahligen
feinen hihi“.
* Grimms Wörterbuch (Heyne und Lexer) kennt nur
ein Wort „Mäusekönig“, u. z. in der gänzlich abweichenden
Bedeutung von Zaunkönig — wie es ein Buch mit dem
Titel„PhantasiestUcke“ nur von Hoffmanns Nachahmer W e is -
flog kennt!! Zwei weitere Pröbchen für die — bekanntlich
von Wilhelm Grimm inaugurierte und erst 1880 von Franz
Munckcr in der 'Allgemeinen Deutschen Biographie’ ge¬
sprengte — solidarische Feindschaft der Germanisten gegen
unseren Dichter, mit der die dankbare Liebe der Franzosen
in dem Menschenalter von 1830—1860 auf das beschämendste
kontrastiert.
101
[ 321 ]
wackelt (39 u) und der Oberst, der seine Pension in
der hintersten Ecke des dritten Faches verzehrt (96 m).
Berühmten Mustern nachgebildet sind die euphe¬
mistischen Ausdrücke für Flucht (42 m. u. 44 m).
Kostbar ist es, wenn die Mäuse mit Kot schießen (42 m)
und wenn gar ein tollkühner Mäuse-Rittmeister einem
Chinesischen Kaiser den Kopf abbeißt und dieser im
Fall eine Meerkatze erschlägt (43 f).
Einmal in diesen Ton gekommen, fahrt Hoffmann
so fort. Das Gegenstück zur Parodie der Schlacht ist
die Parodie auf das Hof leben, die H. später mit größerer
Kraft in der Biographie Kreislers durchfuhrte. Die
stete Vermengung von Staats-, Hof- und persönlichen
Angelegenheiten wirkt unwiderstehlich komisch. Gleich
der große Wurstschmaus im Anfang (56—59) ist ein
Kabinettsstück; sodann die Gleichgültigkeit, mit der, je
nach Verdauung (68 f) und Stimmung Auszeichnungen
verliehen (Brillantdegen + Sonntagsrock 68 o) und
Verbannung (80 m) oder Todesurteile (68 u) aus¬
gesprochen werden. Ferner ist die Titulatur mit großer
Liebe durchgeführt: die ausschlaggebende Person am
Hofe ist der Hof-Astronom, zugleich Geheimer Ober-
Zeichen- und Sterndeuter; seine Tochter wird von
Geheimen Oberwärterinnen bewacht, und die feind¬
lichen Mäuse werden von Katern mit dem Charakter
Geheimer Legationsräte ferngehalten.
Zum Hofe oben gehört die loyale Untertänigkeit
unten: der Gipfel der Menschheit ist eine „geborne
Prinzessin“ (53 u. 114 o. m); alles feiert wie rasend
ihre Geburt (54 o), und da sie dem Reichskanzler die
Ehre erweist, ihn in den Finger zu beißen, so weiß
102 [ 322 ]
„das entzückte Land“, daß sie Geist, Gemüt und Ver¬
stand besitzt (54 u).
Auch die Religion scheint im Vorbeigehen ä la
Offenbach bedacht zu werden: „Conditor! Conditor!
Conditor!“ (m m). *— Dann bekommt das Theater
sein Teil: das Drahtballett, das immer dasselbe
macht, und die Musikanten, denen der Brodkorb Zu
hoch hängt (101 u); ferner die Wissenschaft, die in
Kontroverse steht über „O Jemine“ oder „Au weh“
(54 u), und der Kaufmannsgeist, mit dem Astronom
und Arkanist ihren Mann aufsparen und ruhig erst
zwanzig gesunde Menschen sich die Zähne ausbeißen
lassen (75 u. 7 6 f).
Am liebenswürdigsten wirkt Hoffinanns wiederholte
Verspottung seiner eigenen Häßlichkeit (10 m. 21 m.
25f.5xo.rn). —
Bei diesem außerordentlichen Reichtum an verbor¬
genen satirischen Zügen, die sich durchaus nur an die
Erwachsenen wenden, ist es allerdings kaum zu ver¬
meiden, daß der Dichter bei Gelegenheit ganz unver¬
hüllt aus der Rolle fällt and sich gewissermaßen über
seine kindlichen Zuhörer lustig macht. Dazu gehört
das Gespräch „mitten in Asien“ mit seinen blöd¬
sinnigen Nürnberger Knittelversen 70 f, das mit dem
Bekenntnis aufhört, es sei doch „gänzlich egal“, wo
und wie man die fatale Nuß suche; dazu gehören
ferner die ungenierten Theaterzitate: „Ein Pferd —
ein Pferd — ein Königreich für ein Pferd!“ (45 m),
der Pachter Feldkümmel und die Jungfrau von Orleans
(89 m. 90 o), das Unterbrochene Opferfest’ (111 o).
Neben diesen groben Dissonanzen hören wir hin
103
[ 323 ]
und wieder die feinen, nur stilistischen, die eins der
beliebtesten und wirkungsvollsten Kunstmittel unseres
Virtuosen sind, und die in der Regel in der Wahl
eines heterogenen Adjektivs oder Adverbiums bestehen:
sich merklich rühren 37 m, schicklich krauen 63 m,
erklecklich saufen 68 m; nützliche Befehle 4z o, viele
vortreffliche Könige und sehr angenehme Prinzen 55 u.
Hoffmann ließ sich eben etwas gehen in diesem
Märchen, während es ihm beim ‘Goldnen Topf ge¬
glückt war, sich „recht in steter Spannung und Auf¬
merksamkeit“ zu erhalten, „um ganz in Ton und
Takt zu bleiben“ (Bw 195). Immerhin schweift er
nie soweit ab, daß die Kinder gestört werden
müssen, wie es z. B. Brentano öfters geschieht
(man denke an den berüchtigten Gisio Janus im Rad-
lauf-Cyclus).
— Im Vorbeigehen mag noch bemerkt werden, daß
nach Tilles ‘Geschichte der deutschen Weihnacht* unser
Märchen die erste Darstellung einer Berliner Weihnachts¬
feier mit dem Christbaum ist. Freunden der Kultur¬
geschichte wird auch die Beschreibung der Spielsachen
interessant sein, aus der man immerhin ersehen kann,
daß es unsere Großväter in der Hinsicht nicht schlechter
gehabt haben als wir.
Die Presse wußte nichts mit diesem ganz neuartigen
Märchen anzufangen. Unterm 25. März 1817 schrieb
das Morgenblatt* (vermutlich Therese Huber), nach¬
dem es Contessas und Fouqu£s Beiträge gelobt:
Jahrgang n, Literatur-Blatt it.
104
[ 324 ]
WSe der Verfasser zu allen Tollheiten dieses Mähr-
chens gekommen ist, möchte außer ihm schwerlich
einer beantworten können: ihm muß ein recht kräf¬
tiges Fieber mit Inventionen an die Hand gegangen
seyn. Der ganze Puppenverein von wenigstens vier
tausend Nürnberger Buden tritt beseelt auf, und
schlägt Schlachten mit Mausekönigen und andern
gekrönten Hirngespinsten. Maria Stahlbaum . . , ist,
beym Lichte besehen, eben auch nichts weiter als
eine hölzerne Drathpuppe [!].... Und Pathe Drossel¬
meyer ... ist so sehr Puppe, wie alle seine Zuhörer [!]
. .. Auf dem Papiere liest sich das alles artig weg;
wer aber wäre so geschickt, es einem Kinde wieder¬
zuerzählen? Dies Mährchen hätte unsers Bedünkens
in einem Mährchenbuche für Männer und Frauen
einen bessern Platz gefunden.
Ähnlich äußerte sich im nächsten Monat die Jena-
ische Allgemeine Literatur - Zeitung *. Es heißt dort,
nachdem Contessa sein wirklich verdientes Lob erhalten,
Fouquds und Hoffmanns Märchen wichen „in Er¬
findung und Ausführung von aller und jeder Märchen-
Dichtung so auffallend ab, daß man die eine ... so
wie die andere . . . kaum für eine solche anerkennen
kann.“ Hoffmanns Erzählung sei
vollends widerlich und verdorben durch die hier un¬
päßlich eingestreuten Späße, ganz in der Art und
Weise, wie der VF. der Teufels-Elixiere zu lieben
[lies: Zu schreiben] pflegt, der dießmal nicht bedacht
zu haben scheint, für wen er eigentlich geschrieben,
* Jahrgang 14, Nr. 6 s (Band 2, Sp. 4 <S—48).
[325] 105
und ob seine Dichtung für die Fassungskraft junger
Kinder sich eigne oder nicht.
Dann werden dem armen Dichter die — als Fach¬
ausdrücke hier doch schlechterdings notwendigen —
Fremdwörter aufgemutzt: „Chasseur, Tirailleur, tn
quarrt, Pantalon, Confitüren u. a,“
Freundlicher scheint sich das Publikum gestellt zu
haben. Gneisenau, der politisch Humboldts und Hoff-
manns Gesinnungsgenosse war und eben deswegen
damals von allen Geschäften zurückgezogen auf seinem
schlesischen Gute lebte, sagte Hoffmann 1817 scherzend
bei einem Aufenthalt in Berlin, es sei an ihm ein
Feldherr verloren gegangen, da er „die gewaltige Schlacht
so gut geordnet und Nußknackers Verlieren vorzüglich
von der Eroberung der auf Mamas Fußbank schlecht
postirten Batterie abhängig gemacht“ (Bw 300; vgl.
Hippel 264).
7-
Wie wir nachher sehen werden, brachte Reimer zu
Weihnachten 1817 ein zweites Bändchen ,Kinder-
Mährchen 1 heraus und ließ gleichzeitig den zweiten
Band der ‘Nachtstticke 5 erscheinen. Wenige Wochen
darauf bot der unternehmende Mann unserm Dichter
an , dessen in Almanachen einzeln etschienene Er¬
zählungen als Buch zu drucken.
Hoffmann ging am 17. Februar 1818 (BW298—300)
mit begreiflicher Genugtuung darauf ein und nannte
vier Erzählungen, die für diesen Band bereit lägen. Im
Laufe des Jahres entschloß man sich, auch die erst
im Herbst 1818 publizierten drei neuen Erzählungen
mit aufzunehmen; nun wurden zwei Bände erforder-
106
[ 326 ]
lieh, und um beide recht stattlich zu machen, gab
Reimer liebenswürdiger Weise jedem als Schlußstück
eins der Kindermärchen, obgleich die beiden Bändchen
noch längst nicht vergriffen waren.
Der erste Band, der mit ,Nußknacker und Mause-
könig’ schließt, erschien gegen Ostern 1819. H off¬
mann sah das Märchen für den neuen Ab¬
druck durchundverbesserteesanmindestens
zwanzig Stellen mit der Sorgfalt für Wohllaut und
Deutlichkeit im Kleinsten, die den Meister der Rede
vom Dilettanten und vom Lohnschreiber unterscheidet*.
Dagegen enthält der neue Druck freilich auch eine
Anzahl Veränderungen, die sich nur durch Nachlässig¬
keit des Setzers oder Schulmeisterei des Hauskorrektors
erklären**.
* Wir nennen hier nur die drei Einschiebungen:
1 0 , 3,6 gleich
43,18 plain
89,16 f stand ein rotbäckiges Kindlein, Mariens Liebling
Übersehen hat Hoffmann zwei Fehler: 39,10 ist hinter
„sprechend:“ anscheinend eine Ansprache des Nuss¬
knackers an die Truppen ausgefallen (wir haben nun statt des
Doppelpunktes Punkt und Gedankenstrich gesetzt); und 66,14
steht in beiden alten Drucken „Johann“ statt „Christian“
was wir (mit Grisebach) eingesetzt haben.
** Z. B. hat der Korrektor überall (an sieben Stellen) Hoff-
manns „frug“ in „fragte“ verbessert. Die Sperrung kurzer
Wörter ist oft übersehen; 30,y so; li.jDer; dagegen ist
sinnlos gesperrt na,af der und was Von den sonstigen
Fehlern, deren ich ein gutes Dutzend zähle, nenne ich nur
einen sachlich irreführenden: 88,16 vorigen st. vorvorigen,
und zwei, die den Fachmann belustigen werden wegen der
[327]
107
8
Hofiinann benutzte diese Gelegenheit, um die beiden
oben abgedruckten Journaläußerungen teilweise wieder¬
zugeben und darauf zu antworten. Wie bekannt, hat
er in der in Rede stehenden Sammlung nach Tiecks
Vorgang seine Erzählungen und sonstigen Ausführungen
mehreren Freunden in den Mund gelegt, die er erst
als Seraphinen-, dann als Serapions-Brüder bezeichnete.
Den ‘Nußknacker’ trägt Lothar vor, und wie er ge¬
endet, nehmen Theodor, Ottmar und Cyprian nach¬
einander das Wort zur Kritik.
„Sage mir“, sprach Theodor, „sage mir, lieber
Lothar, wie Du nur Deinen Nußknacker und Mause¬
könig ein Kindermährchen nennen magst, da es
ganz unmöglich ist, daß Kinder die feinen Fäden, die
sich durch das Ganze ziehen und [es] in seinen schein¬
bar völlig heterogenen Theilen Zusammenhalten, er¬
kennen können. Sie werden sich höchstens am
F i 1 i a t i o n die damit verbunden: 4a,a steht in den S-B „wie¬
der“ st. „wieder“, und daraus machen natürlich alle Gesamt¬
ausgaben „wieder des“; dd, nf hat die ostpreußische Wen¬
dung „nicht gerathen“ = nicht genug tun (s. Hildebrand in
GrimmsWtb.lV,!, 3 SjS f unter gerathen 13)) Unheil ge¬
stiftet. Hoffmanns Worte „konnten die Wärterinnen nicht
gerathen,“ hat nämlich der Drucker der'Serapions-Brüder’
„verbessert“ in „fanden die Wärterinnen nichts gerathen, als",
und ihm folgen die älteren Gesamtausgaben; der Drucker
der'Kinder-Märchen’ vom 839 (auch bciReimer)„ver¬
bessert“ dagegen in anderer Richtung: er setzt „konnten die
Wärterinnen nicht aufhören“, und ihm folgt Grisebach*
Die echte Lesart findet man erst wieder in unserer Ausgabe.
108 [ 328 ]
Einzelnen halten, und sich hin und wieder daran
ergötzen.“
„Und ist dies nicht genug?“ erwiederte Lothar.
„Es ist“, fuhr er fort, „überhaupt meines Bedünkens
ein großer Irrthum, wenn man glaubt, daß lebhafte
fantasiereiche Kinder, von denen hier nur die Rede
seyn kann, sich mit inhaltsleeren Faseleien, wie sie
oft unter dem Namen Mährchen Vorkommen, be¬
gnügen. Ey — sie verlangen wohl was Besseres,
und es ist zum Erstaunen, wie richtig, wie lebendig
sie manches im Geiste auffässen, das manchem grund¬
gescheuten Papa gänzlich entgeht. Erfahrt es und
habt Respekt! — Ich las mein Mährchen schon
Leuten vor, die ich allein für meine kompetenten
Kunstrichter anerkennen kann, nehmlich den Kindern
meiner Schwester. Fritz, ein großer Militair, war
entzückt über die Armee seines Nahmensvetters, die
Schlacht riß ihn ganz hin — er machte mir das
Prr und Puff und Schnetterdeng und Bum Burum
mit gellender Stimme nach, rutschte unruhig auf
dem Stuhle hin und her, ja! — blickte nach seinem
Säbel hin, als wolle er dem armen Nußknacker zu
Hülfe eilen, da dessen Gefahr immer höher und
höher stieg. Weder die neueren Kriegsberichte noch
den Shakspeare hat aber Neffe Fritz zur Zeit gelesen,
wie ich Euch versichern kann; was es mit den
militairischen Evolutionen jener entsetzlichsten aller
Schlachten, so wie was es mit dem: „Ein Pferd —
ein Pferd — ein Königreich für ein Pferd“ für eine
Bewandtniß hat, ist ihm daher gewiß ganz und gar
entgangen. Eben so begriff meine liebe Eugenie
109
[329]
von Haus aus in ihrem zarten Gemüth Mariens süße
Zuneigung zum kleinen Nußknacker, wurde bis zu
Thränen gerührt, als Marie Zuckerwerk — Bilder¬
bücher, ja ihr Weihnachtskleidchen opfert, nur um
ihren Liebling zu retten, zweifelte nicht einen Augen¬
blick an die schöne herrlich funkelnde Candis-Wiese,
auf die Marie aus dem Kragen des verhängnißvollen
Fuchspelzes in ihres Vaters Kleiderschrank hinaus
steigt. Das Puppenreich machte die Kinder über¬
glücklich.“
„Dieser Theil Deines Mährchens“, nahm Ottmar
das Wort, „ist, behält man die Kinder als Leser oder
Zuhörer im Auge, auch unbedenklich der gelungenste.
Die Einschaltung des Mährchens von der harten Nuß,
unerachtet wieder darin die Bindungsmittel des Ganzen
liegen, halte ich deshalb für fehlerhaft, weil die Sache
wenigstens scheinbar sich dadurch verwirrt und die
Fäden sich auch zu sehr dehnen und ausbreiten.
Du hast uns nun zwar für inkompetente Richter
erklärt und dadurch Schweigen geboten, verhehlen
kann ich’s Dir aber nicht, daß, solltest Du Dein
Werk ins große Publikum schicken, viele sehr ver¬
nünftige Leute, vorzüglich solche, die niemals Kinder
gewesen, welches sich bey manchen ereignet, mit
Achselzucken und Kopfschütteln zu erkennen geben
werden, daß Alles tolles, buntscheckiges, aberwitziges
Zeug sey, oder wenigstens, daß Dir ein tüchtiges
Fieber zu Hülfe gekommen seyn müsse, da ein ge¬
sunder Mensch solch’ Unding nicht schaffen könne.“
„Da würd’ ich tc , rief Lothar lachend, „da würd’
ich mein Haupt beugen vor dem vornehmen Kopf-
schiittler, meine Hand auf die Brust legen und weh-
müthig versichern, daß es dem armen Autor gar
wenig helfe, wenn ihm wie im wirren Traum allerley
Fantastisches aufgehe, sondern daß dergleichen, ohne
daß es der ordnende richtende Verstand wohl erwäge,
durcharbeite und den Faden zierlich und fest daraus
erst spinne, ganz und gar nicht zu brauchen. Zu
keinem Werk, würd’ ich ferner sagen, gehöre mehr
ein klares, ruhiges Gemüth, als zu einem solchen
das wie in regelloser spielender Willkühr von allen
Seiten in Blaue hinaus blitzend, doch einen festen
Kern in sich tragen solle und müsse.“
„Wer“, sprach Cyprian, „wer vermag Dir darin
zu widersprechen. Doch bleibt es ein gewagtes
Unternehmen, das durchaus Fantastische ins gewöhn¬
liche Leben hineinzuspielen und ernsthaften Leuten,
Obergerichtsräthen, Archivarien und Studenten tolle
Zauberkappen über zu werfen, daß sie wie fabelhafte
Spukgeister am hellen lichten Tage durch die leb¬
haftesten Straßen der bekanntesten Städte schleichen
und man irre werden kann an jedem ehrlichen
Nachbar. Währ ist es, daß sich daraus ein gewisser
ironisirender Ton von selbst bildet, der den trägen
Geist stachelt oder ihn vielmehr ganz unvermerkt
mit gutmüthiger Miene wie ein böser Schalk hinein
verlockt in das fremde Gebiet.“
„Dieser ironische Ton“, sprach Theodor, „möchte
die gefährlichste Klippe seyn, da an ihr sehr leicht
die Anmuth der Erfindung und Darstellung, welche
wir von jedem Mährchen verlangen, scheitern,
rettungslos zu Grunde gehen kann.“
[331]
111
„Tst es denn möglich,“ nahm Lothar das Wort,
„die Bedingnisse solcher Dichtungen festzustellen ? —
Tieck, der herrliche tiefe Meister, der Schöpfer der
anmuthigsten Mährchen, die es geben mag, hat
darüber den Personen, die im Phantasus auftreten,
auch nur einzelne geistreiche und belehrende Be¬
merkungen in den Mund gelegt. Nach diesen soll
Bedingniß des Mährchens ein still fortschreitender
Ton der Erzählung, eine gewisse Unschuld der Dar¬
stellung seyn, die wie sanft fantasirende Musik ohne
Lärm und Geräusch die Seele fesselt. Das Werk
der Fantasie soll keinen bittern Nachgeschmack
zurück lassen, aber doch ein Nachgenießen, ein Nach¬
tönen. — Doch reicht dies wohl aus, den einzig
richtigen Ton dieser Dichtungsart anzugeben? —
An meinen Nußknacker will ich nun gar nicht mehr
denken, da ich selbst eingestehe, daß ein gewisser
unverzeihlicher Uebermuth darin herrscht und ich
Zu sehr an die erwachsenen Leute und ihre Thaten
gedacht; aber bemerken muß ich, daß das Mährchen
unsers entfernten Freundes, der goldene Topf be¬
nannt, auf das Du, Cyprian, vorhin anspieltest
vielleicht etwas mehr von dem, was der Meister
verlangt, in sich trägt und eben deshalb viel Gnade
gefunden hat vor den Stühlen der Kunstrichter. —
Uebrigens habe ich den kleinen Kunstrichtem in
meiner Schwester Kinderstube versprechen müssen,
ihnen Zum künftigen Weihnachten ein neues Mähr¬
chen einzubescheeren, und ich gelobe Euch, weniger
in fantastischem Uebermuth zu luxurireu, frömmer,
kindlicher zu seyn.“
112
[ 332 ]
9 -
Das Märchen hat eine außerordentliche Lebenskraft
bewiesen. Immer wieder ist es neugedruckt, bearbeitet
und übersetzt worden. An neugesetzten deutschen
Drucken allein aus dem 19. Jahrhundert verzeichnete
die erste Ausgabe dieses Büchleins sechzehn; die Über¬
setzungen und Bearbeitungen habe ich aufgezählt in
den Zwölf Berlinischen Geschichten Hoffmanns a. d. J.
1551—1816 (München, Gg. Müller, i92o)auf S.401—03.
II. Das fremde Kind.
1.
Der Erfolg des Bändchens veranlaßte Verleger und
Autoren, im nächsten Jahre ein zweites folgen zu
lassen. Hoffmann war diesmal als erster zur Stelle:
er sandte den Anfang des ‘Fremden Kindes’ am
27. September 1817 an Reimer und versprach, binnen
acht Tagen den Rest und die sechs Vignetten zu
liefern; Contessa habe ihm bereits die Idee zu der
[Titel-]Vignette seines Märchens mitgeteilt, und von
Fouqu6 erwarte er ein Gleiches (Bw 289 f).
Am 14. Oktober fragte Contessa Reimern, „ob wirk¬
lich für dieses Jahr noch etwas daraus wird“ und ver¬
sprach, in dem Falle in acht Tagen sein Manuskript
zu senden, dem nur noch ein paar Bogen fehlten
(Bw 290). Es war ‘Das Schwerdt und die Schlangen’.
Als letzter stellte Fouqu6 sich ein mit den ganz ver¬
unglückten ‘Kuckkasten’.
DieBilder gerieten diesmal besser; die Vollbilder wurden
in Kupferstich, die Schlußstücke in Holzschnitt ausgeführt.
113
[333]
Ende November erschien das Bändchen; am 18. quit¬
tiert Hoffmann dem Verleger über zwei Freiexemplare
und erbittet zehn weitere, damit wie voriges Jahr
jeder Mitarbeiter vier erhalte (Bw 294). Auch bittet
er um den Rest des Honorars, um seine Mitarbeiter
zu befriedigen; seinen Anteil hatte er schon am n»
im voraus erhoben (Bw 291).
Hatte Hoffinann schon in ‘Nußknacker und Mause-
könig’ gelegentlich (nämlich an den drei S. 317/18
zitierten Stellen) die noch ungebundene Phantasie des
Kindes im Gegensatz zu der gefesselten der Erwach¬
senen ausgezeichnet: so nahm er sich nunmehr vor,
sie recht in Einfalt und Schönheit zu feiern.
Im ersten Drittel des neuen Märchens verstärkt Hoff¬
mann das Motiv des Automatenschlosses. Fritz und
Marie wandten sich unmutig ab von den „kleinen
geputzten Dingern in Schlosse“, die „nichts können
als immer dasselbe“; aber sie hatten ihre Soldaten und
Puppen belebt und wie Menschen agieren lassen. Felix
und Christlieb jedoch werfen alle Spielsachen weg, nicht
nur das quinkelierende Harfenmä nn lein und den Jäger
der immer in die Scheibe schießt, sondern auch die
Puppe die nicht läuft, die Flinte die nicht schießt und
den Hirschfänger der nicht sticht.
Sie werden diesen künstlichen Behelf nicht vermissen,
denn die Phantasie ist ihnen erschienen und verklärt
ihnen die Welt. Dies ist das Thema der Hauptpartie,
des mittleren Drittels. Die frei schaltende Phantasie
des Kindes offenbart sich, die keinen Unterschied kennt
zwischen Wirklichkeit und Traum, Leben und Tod,
arm und reich. Sofort ergab sich für den Romantiker
eine Parallele: die Kindheit des unverbildeten Indi¬
viduums entspricht der Kindheit des Menschengeschlechts,
wie Hoffmanns Lehrmeister Novalis und Ritter, Steffens
und Kanne, Schelling und Schubert sie geschildert
haben als goldenes Zeitalter des Einklangs aller
Wesen.
Aber Hoffmann ist kein Literat, der wie etwa Fouqu6
harmlos mit fertig übernommenen Gestalten, seien es
Mythologeme oder Allegorien, wirtschaftet. Hoffmann
ist Psychologe, er weiß, daß alles „übernatürliche“ aus
dem Herzen und dem Geiste des Menschen selbst
kommt. So wird auch das fremde Kind, die Phantasie,
aus dem Innern der beiden Kinder projiciert: Felix
sieht sie als Knaben, Christlieb als Mädchen. Im Ein¬
zelnen der Gestaltung mögen immerhin Tiecks ‘Elfen’
und Runges Bilder dem Dichter vorgeschwebt haben
(Maassen 6, LVIf).
In dem Nußknackermärchen hatte Hoffmann fast zu
viel getan in buntem Fabulieren; er hatte drei Märchen
in einen Rahmen gepreßt. Hier, in dem Herzstück
des ‘Fremden Kindes’, sublimiert seine ganze Kunst
sich in den Duft der Stimmung. Sehen wir zu, was
geschieht:
Die Kinder sitzen unmutig und gelangweilt im
Walde, der vornehme Besuch und die nichtsnutzigen
Spielsachen haben ihnen die Stimmung verdorben. Da
kommt die Phantasie. Was fehlt euch? fragt sie. Du
fehltest uns, ist die Antwort: warum bist du so
lange ausgeblieben? — Nun zeigt ihnen die Phantasie }
115
[335]
wie sie ganz umgeben sind von dem herrlichsten Spiel¬
zeuge, das man nur sehen kann. Und die Kinder
gewahren, wie die Blumen sie lebendig ansehen, wie
die Käfer tanzen und summen. Die Phantasie erbaut
im Nu einen Palast, in dessen Bogengängen die Kinder
umherspringen. Die Phantasie verwandelt wieder die
Säulen in einen murmelnden Bach, Grashalme in
Puppen, Äste in kleine Jäger; die Puppen tanzen, die
Jäger tummeln sich. Alles verliert sich wieder: Wb
sind die Puppen, wo sind die Jäger? Die Phantasie
erwidert: O, die stehen euch alle zu Gebote, die sind
jeden Augenblick bei euch, wenn ihr nur wollt.
Aber nun etwas anderes! Und die Phantasie schwebt
mit den Kindern durch die Luft, erst unten zwischen
den Singvögeln vorbei, dann hoch oben an Storch und
Geier vorbei. Nach einem Abschiedslied verschwindet
die Phantasie, die Kinder wissen nicht wie.
Andern Tages treffen die Kinder wieder die Phan¬
tasie im Walde. Sie spricht zierlich und gescheit mit
Bäumen, Büschen, Blumen, mit dem Bache; und die
Kinder verstehen alles was diese antworten. Christlieb
spricht mit den Blumen, Felix mit den Bäumen; der
Waldbach erzählt ihnen Geschichten und zeigt ihnen
Bilder. Zum Abend will die Phantasie fort, vorher
fliegt sie mit den Kindern empor, auf ihre heben Luft¬
schlösser zu; die Kinder hoffen diese zu erreichen, zu¬
mal sie nur noch vorwärts, nicht mehr hinab in die
erdschwere Wirklichkeit blicken: aber sie „wußten
selbst nicht wie es geschah, daß sie unversehens sich
zu Hause bei Vater und Mutter befanden“.
Am dritten Tag baut die Phantasie den Kindern
116
[ 336 ]
ein Zelt von Lilien, Rosen und Tulipanen unfern des
Baches. Felix kommt es diesmal so vor, als wenn
doch erst die Phantasie ihm die Erzählung des Baches
deuten könne. Er fragt sie, woher sie kommt, und
wohin sie so schnell verschwindet, „daß wir selbst
niemals wissen wie das geschieht?“ Weiter fragen die
Kinder, wo sie zu Hause ist und wo ihre Eltern sind.
Die Phantasie erwidert, sie wohne „hinter den blauen
Bergen“, ihre Heimat sei aber nie zu erreichen. Aber
„wenn Du Dich recht herzlich nach mir sehnst, so
bin ich gleich bei Dir und bringe Dir alle Spiele,
alle Wunder aus meiner Heimath mi t“.
Über die Heimat des fremden Kindes sprechen wir
später. Erst wollen wir vorausnehinen was weiter ge¬
schieht. Die Phantasie entflieht dieses dritte Mal wie
an den Tagen vorher, und seitdem die Kinder syste¬
matisch unterrichtet werden, läßt sie sich nur noch
in der Ferne und im Traume blicken. Ebenso ist es
dem Vater seinerzeit mit dem fremden Kinde gegangen.
„Als ich so alt war wie ihr,“ erzählt er (S.202) den
Kindern, „hat es mich so wie euch besucht und die
wunderbarsten Spiele gespielt. Wie es mich dann ver¬
lassen hat, darauf kann ich mich garnicht besinnen“.
Erst kurz vorm Tode kehrt ihm mit der Erinnerung
an die Jugend auch die an das holde Zauberkind zu¬
rück.
(Hoffmann hat sich bemüht, das Verblassen und
Zurücktreten der kindlichen Phantasie auch positiv
darzustellen. Den Kindern macht es, wie sie heran¬
wachsen, keinen Spaß mehr, im Walde zu spielen.
Dieser natürliche Vorgang wird so allegorisiert, daß die
117
[ 337 ]
fortgeworfenen Spielsachen im Walde spuken und den
Kindern den Aufenthalt daselbst verleiden. Es liegt
auf der Hand, daß diese Einkleidung vollkommen ver¬
fehlt ist: mit Angst wird wohl kein Heranwachsender
seine ausgetretenen Kinderschuhe und seine fortge¬
worfenen Spielsachen betrachten.)
3 -
Wir gaben eben die dritte Unterredung der Kinder
mit der Phantasie wieder, bis Zu deren ausweichender
Antwort über ihre Heimat. Felix läßt sich, wie der
Leser sich erinnert, nicht abspeisen mit diesem Be¬
scheide; er will die Heimat des Kindes wie ein Held
unter Mühe und Gefahr suchen. Darauf verheißt ihm
die Phantasie freudig, daß er bei festem Willen das
„Reich voller Glanz und Pracht“ erreichen werde, in
dem ihre Mutter als Königin herrsche, als mütterliche
Umfasserin und Erhalterin alles Lebens, aller Schönheit.
Wer ist diese mütterliche Gottheit?
Mit Bestimmtheit läßt sich darauf nicht antworten.
Man kann geltend machen, daß der fremde Knabe,
der Felix erscheint, ebenso wie das fremde Mädchen,
das Christlieb sieht, doch nur Individuationen der
Phantasie sind, und daraus folgern, daß diese selbst,
die abstrakte Phantasie, die Phantasie „an sich“, die
Mutter des fremden Kindes ist. So scheint Ellinger
die Sache aufzufassen, wenn er sich auch über das
Kind selbst nicht äußert.
Will man aber in dem Kinde schon die Phantasie
selbst sehn, so muß man die Mutter als einen dieser
übergeordneten, allgemeineren Trieb deuten. Vielleicht
darf man sie, wie in der ersten Ausgabe dieses Büchleins
118
[ 338 ]
1906 geschehen ist, als die Fr eu d e auffassen, und zwar
die Freude in dem ganz allgemeinen, in der Funktion
dem Schopenhauerschen Willen entsprechenden S inn e,
in dem der fünfundzwanzigjährige Schiller sie besungen
hatte:
Freude heißt die starke Feder
In der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
Die des Sehers Rohr nicht k enn t-.
Und siehe.
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, Dein Heiligtum.
Noch viel schöner ist dieser Palast der Freude als die
glänzendsten Luftschlösser: seine Säulen tragen das
Himmelsgewölbe, unter dem segelt goldenes Ge¬
wölk, purpurn steigt das Morgen-, das Abendrot auf,
und in klingenden Kreisen tanzen die fiinkelnden
Sterne. Aber auch auf der Erde ist die Freude die
mächtigste Fee: alles, was dort lebt und webt, hält
sie mit treuer Liebe umfangen; vor allen liebt sie die
Kinder, denen sie die herrlichsten Feste bereitet. Zu
ihrem innigen Schmerz gibt es so viele grämliche
Menschen, die nichts von ihr wissen wollen; und auch
im Reich der Ideen hat sie einen mächtigen Feind,
4-
Dieser Widersacher der Freude läßt sich eigent-
119
[ 339 ]
lieh nur negativ bestimmen. Immerhin hat ihm zwei
Generationen nach Hoffmann der Romantiker des
‘Zarathustra’, der wie die Brüder Schlegel so gern ein
Dichter sein wollte aber ein glänzender Fragmentist
blieb, einen Namen gegeben, der zu gut ist um ihn
nicht anachronistisch hier zu brauchen: „der Geist
der Schwere“. Königin Freude lebt in Luft und
Licht, in Glanz und Farbe, in Duft und Wohlklang;
sie herrscht über die leichten, hellen, tönenden Ele¬
mente: Feuer, Luft und Wasser; sie ist das Prinzip der
Bewegung und des Lebens. Wenn sie den Thron be¬
steigt, so rühren die Geister ihre goldenen Harfen, ihre
kristallenen Zymbeln, und dazu singen purpurne Vögel
mi r solch wunderbaren Stimmen, daß man vergehen
möchte vor süßer Lust. Aber der finstere und mürrische
Geist der Schwere herrscht über die träge, schwarze,
schweigende Erde, über die tote Materie; sein Atem ist
giftig und übelriechend. Wie er einmal Eingang ge¬
funden hat in das Reich der Freude, da hängt er sich
zentnerschwer an den Schweif der Fasanen, so daß
sie sich nicht mehr aufschwingen können; er zieht die
Kinder von den Rosenbüschen auf dieErde hinab;
er zwingt die, welche lustig laufen und springen wollen,
auf allen Vieren zu kriechen. Im Reiche der Geister
ist er der Gnomenkönig Pepser; er erscheint als
solcher in Fliegengestalt (wie andere böse Geister:
Parallelen s. Maassen 6, LVII. 402).
In seiner speziellen Rolle alsGegnerderPhantasie
verkörpert Pepser den kalten, nüchternen Verstand,
den öden Utilitarismus (175 0), die tote Gelehr¬
samkeit. In das Leben der Kinder tritt er unter dem
120
[ 340 ]
Namen eines Magisters Tinte, der Freude und Ge¬
sang, Phantasie und Spiel vernichten will, um mecha¬
nisches eingepauktes Wissen an ihre Stelle zu setzen.
Viel bewundert ist mit Recht die spezifisch Hoff-
mannsche Virtuosität der Szenen, in denen Fliegen¬
gnom und Magister sich die Wage halten: wir nennen
nur den letzten und glänzendsten Auftritt dieser
Reihe, die Rückkehr des Magisters ins Schloß und seine
Vertreibung mit der Fliegenklatsche (193—195).
5 -
Dem goldenen Zeitalter der Menschheit, wie es sich
im Gemüt der beiden Naturkinder widerspiegelt, wird
in den Nebenpartien unseres Märchens, dem ersten
und dem letzten Drittel, die Zivilisation entgegen¬
gesetzt. Sie wird mit Rousseauscher Leidenschaft und
Rousseauscher Gehässigkeit bekämpft. Die Feindschaft
gegen die Wissenschaft scheut vor Kalauern nicht
zurück: der Gelehrte hat die Dinge beschrieben
und dadurch — schwarz gemacht (175 m). Dem ent¬
spricht die Feindschaft gegen die Standesunter—
schiede, die sich bis zu der Geschmacklosigkeit ver-
steigt, daß der Onkel den kleinen Neffen verhöhnt,
weil er kein Graf ist (135/36), und zu der tränenden
Auges vorgetragenen Sentimentalität, daß alle Bauern¬
kinder des Dorfes hübsch seien (130,11_131,«). _
Daß wieder anderes in diesen Partien ganz vortrefflich
ist, soll gewiß nicht geleugnet werden; es genügt, an
den Verkehr zwischen den städtischen und den länd¬
lichen Geschwistern (133. 140. 142) zu erinnern. Aber
ihre Tendenz gibt doch dem ganzen Bilde den fahlen
121
[ 341 ]
Unterton des nssenttment, und so empfindet man auch
die glühende Verherrlichung der Freude und der
Phantasie, der kindlichen Unschuld und der unmittel¬
baren Anschauung der Naturwunder nicht als unschul¬
diges primäres Gefühl, sondern, wie es bei einer roman¬
tischen Dichtung natürlich, als Reaktion auf das Gegen¬
teil, wie den Traum eines Kranken oder Gefangenen.
Dem entspricht es auch, daß der Vortrag — im
Gegensatz Zu den lebensfrischen Kinderszenen des
Nußknackermärchens — etwas humorlos geraten ist.
Die Kinder sind beide entsetzlich gut, so edel wie
nur einRousseau’scher Naturmensch. Fritz Stahlbaum ist
da schon aus anderem Holze; er ist eben nach einem
Modell gearbeitet, Felix und Christlieb sind konstruiert.
Freilich hat sich Hoffmann dafür in diesem Märchen
redlich bemüht, „in Ton und Takt zu bleiben“, was
im Nußknackermärchen allzu oft vergessen war. Nur
ein paar Stellen zeigen den Schalk im Erzähler: wie
der Storch seine „angeborene“ Reiselust und den
hohen Preis des Brennholzes verwünscht (128 u), das
groteske Geheul der Kinder: „Uns fehlen die Wissen¬
schaften“ (1530) und die schnöde Bezeichnung der
Elementargeister als Minister des Luftdepartemens und
des Feuerdepartements (176 o).
6 .
Am 17. Dezember sandte Hoffmann eins seiner vier
Exemplare an Freund Hippel; er beruft sich darauf,
daß „alle sagen“, das Märchen sei „wunderbar kind¬
lich und fromm“ (Hippel 264).
Ein Vierteljahr darauf, am 8. März 1818, schreibt er
122
[ 342 ]
an Kunz, der ‘Nußknacker und Mausekönig’ gelobt
hatte, er empfehle ihm mehr das ‘Fremde Kind’: „Es
ist reiner, kindlicher und eben deßhalb für Kinder, fassen
sie auch nicht die tiefere Idee des Ganzen, brauchbarer“
(Bw 300).
7-
Es ist schon oben gesagt, daß Hoffmaün 1818 be¬
gann, das Sammelwerk ‘Die Serapions-Brüder’ zu¬
sammenzustellen, und daß dessen zweiter Band mit
dem ‘Fremden Kind’ schließt. Aber der Druck dieses
Bandes zog sich bis weit in den Sommer 1819 hin,
und da Hoflmann schon Mitte Juli seine Badereise
nach Schlesien antrat (Bw 345), so ist er weder zu
einer Durchsicht des alten Druckes noch zur
Korrektur des neuen gekommen. Es sind daher
in den ‘Serapions-Brüdern’ nicht nur kleine Fehler des
ersten Druckes stehen geblieben*, sondern auch eine
ganze Reihe neuer, besonders Auslassungen von Wör¬
tern, hinzugekommen**. Es ist also namentlich in
* Beide Drucke haben 142,13 Euch allein st. Euch allen,
145,18 fehlt in beiden der Artikel das. Diese Fehler wieder¬
holen sich in der ersten Gesamtausgabe; erst Grisebach scheint
sie verbessert zu haben.
** In den ‘Serapions-Brüdern’ und also auch in allen Ge¬
samtausgaben fehlen die Wörter
139,1* f Was sind das für Kinder, nein
143.3 komische
I53>3 f ■— uns fehlen die Wissenschaften
181.3 schon
191,11 f „Felix“, sprach er endlich,
19 7, 2 3 recht
123
. [ 343 ]
Hinblick auf dieses Märchen hocherfireulich, daß der
König der Berliner Antiquare, Herr Martin Breslauer,
die bisher verschollene erste Ausgabe der ‘Kinder-
Mährchen’ wiederentdeckt und dadurch für unsere
Ausgabe fruchtbar gemacht hat.
8 .
Wie schon im ersten Bande der ‘Serapions-Brüder’
angekündigt, ist auch dieses Märchen Lothar in den
Mund gelegt. Die Kritik, die der Eile wegen kürzer
ausfällt, wird wie dort von Ottmar und Cyprian be¬
sorgt; an Theodors, des dritten, Stelle treten die neu
eingefuhrten Freunde Sylvester und Vinzenz.
„Es ist wahr,“ sprach Ottmar, als Lothar geendet
hatte, „es ist wahr, Dein fremdes Kind ist ein reineres
Kindermährchen als Dein Nußknacker, aber verzeih
mir, einige verdammte Schnörkel, deren tieferen Sinn
das Kind nicht zu ahnen vermag, hast Du doch nicht
weglassen können.“
„Das kleine Teufelchen“, rief Sylvester, „das
199.33 und wehmütliiger
205,1 keiner
Hinzugesetzt ist 196,18 ein (schwarzes Gewölk); ferner
heißt es
162,30 entlocken st. entlockten
168.3 5 f Morgen- und Abendroth st. Morgen-, das Abendroth
178.3 furchten st. fürchteten
1 80.34 den st. dem
198,19 dann st. dazu
199.4 wieder st. wie
Die Sperrung ist unterlassen 154,17 bei Du.
124
[ 344 ]
wie ein zahmes Eichhörnlein unserm Lothar auf der
Schulter sizt, kenne ich noch von Alters her. Er
kann sein Ohr doch nun einmal nicht verschließen
den seltsamen Sachen, die das Ding im zuraunt!“
„Wenigstens“, nahm Cyprian das Wort, „sollte
Lothar, unternimmt er es, Mährchen zu schreiben,
doch sich nur ja des Titels: Kinder-Mährchen, ent¬
halten! — Vielleicht: Mährchen für kleine und große
Kinder!“
„Oder“, nahm Vinzenz das Wort, „Mährchen für
Kinder und für die, die es nicht sind, so kann die
ganze Welt ungescheut sich mit dem Buche abgeben
und jeder dabey denken was er will.“ —
Alle lachten, und Lothar schwur in komischem
Zorn, daß, da die Freunde ihn nun einmal verlohren
gäben, er sich im nächsten Mährchen rücksichtslos
aller fantastischen Tollheit überlassen wolle.
Das war inzwischen geschehen in dem (März 1818
konzipierten, Januar 1819 erschienenen) vierten Mär¬
chen Hoffmanns, ‘Klein Zaches genannt Zinnober’; es
geschah in noch höherem Maße 1820 in dem fünften*
Märchen, der ‘Prinzessin Brambilla’, das Phantastik
und Tiefe vereint wie kein anderes Werk Hoffmanns. —
9 -
Unter den Erzählungen und Märchen der ‘Serapions-
Brüder’ ist das ‘Fremde Kind’ feineren Lesern immer
aufgefüllen. Heinrich Voß schreibt gleich nach Er-
* Wir rechnen hier die ‘Brautwahl’ nicht als Märchen im
engeren Sinne, da die märchenhaften Züge darin zurücktreten
vor den rationellen.
125
[ 345 ]
scheinen des Bandes, im Oktober 1819, an seinen
älteren Freund, den Freiherrn Christian Truchseß von
Wetzhausen*:
Dergleichen Darstellungen scheinen mit den Kindern
nicht die Augen für die Schönheiten der Natur zu
öffnen, sondern vielmehr den Blick zu trüben und
die Vernunft zu verwirren. Warum ein so schneiden¬
der Gegensatz zwischen erlerntem Wissen und der
Naturunschuld des Herzen und des Geistes . . .?
Aber was die Darstellung betrifft, hier muß ich
Hoffinann bewundern. Es ist nicht möglich, die
Identification zwischen Brummfliege und Magisterlein
höher zu treiben als in der Scene, wo der Magister
Tinte verjagt wird ....
Wolfgang Menzel nennt das Märchen 1859** „eine der
besten, wo nicht die beste Erzählung Hoffman ns“; die
kindlichen Gefühle seien „hier höchst reizend ausge¬
drückt“.
III. Die K ö n i g s b r a u t.
Bei der quantitativ außerordentlichen Produktivität,
die Hoffinann seit 1817 jährlich für die Almanache
entfaltete, ergab sich bald Stoff für eine Fortsetzung
der ‘Serapions-Brüder’. So erschien Oktober 1820 der
dritte Band und Ostern 1821 der vierte.
Wie der erste und der zweite Band sollte der vierte
* Briefe von H. V. an C. v. T., hg. v. Abraham Voß (Heidel¬
berg, Winter, 1834), S. 8$ f.
** Deutsche Dichtung, Bd. III (Stuttgart, Krabbe), S. 3 dy.
126 [ 346 ]
mit einem Märchen schließen; Hoffmann dichtete dies
sein sechstes Märchen neu für die Sammlung.
In dem (in Frankreich) berühmten dritten Kapitel
der ‘Brambilla’ spricht Hoffmann von der deutschen
und der italienischen Fröhlichkeit. Der Italiener
äußere die Lust malerischer und lauter, der Deutsche
wolle aber dabei etwas denken und fühlen. Der Regis¬
seur der ‘Brambilla’, Celionati, gehört der „unsicht¬
baren Kirche“ an, die in allen Nationen vertreten ist;
er vereinigt germanischen Tiefsinn mit romanischer
Formenffeude. So auch Hoffmann.
Hatte er in der ‘Brambilla’ seine tiefste Philosophie
und Ästhetik gegeben, so hält er sich in der ‘Königs¬
braut’ ganz an die bunte Erscheinung. Hatte er
im ‘Fremden Kind’ fast ausgeschweift in weicher Senti¬
mentalität und kindlicher Naivität, so gibt er sich
hier als den harten Mann, als den Künstler, der die
Menschen alle ein wenig verachtet, deren kurioses
Leben er der Kuriosität wegen schildert.
2.
Wie wir sahen, hatte in dem sonst so ernsthaften
‘Fremden Kind’ nur die Gnomen-Eigenschaft des bösen
Prinzips eine lustige Szene ermöglicht. Dieses Mittel
wird hier nun voll ausgenutzt.
Also spielt auch die ‘Königsbraut* wie das ‘Fremde
Kind’ auf dem Lande. Wie dort der Gnomenkönig
Pepser sich unter falschem Namen bei Brakeis in
Brakeiheim einnistet, um die Kinder zu verderben, so
erscheint hier der Gnomenkönig Daucus pseudonym
bei Dapsul in Dapsulheim, um seine Tochter unglück¬
lich zu machen.
127
[ 347 ]
Sonst ist aber alles anders gewandt. Die drei Men¬
schen interessieren uns nur durch ihre dreierlei Narr¬
heit und einerlei Erbärmlichkeit, und es ist das Heer
den Gnomen, das durch seine bunte Erscheinung
unsere Phantasie beschäftigt. Erst kommt, hoch zu Roß,
der Courier, mit unförmlichem, dickem Kopf, langem
Leib, dünnen kurzen Beinchen und Füßen; das Kleid,
aus goldgelbem Atlas, die hohe gelbe Mütze mit einem
tüchtigen grasgrünen Federbusch, die Reitstiefel braun¬
rot poliert. Er macht Saltomortales, dann stampft das
Pferd einen Gruß auf den Boden des Hofes, während
der Reiter auf dem Kopfe steht und mit den Beinen
in der Luft tanzt (242f)*. — Dann der Zug selber:
voran sechzig, siebzig Reiter wie der Abgesandte, dann
vierzig Kutschen mit acht, sechs, vier Pferden; neben¬
her eine Menge Pagen, Läufer und andere Diener in
glänzenden Kleidern (245/46). Auf den Wink ihres
Herrn tanzen sie wie der Abgesandte auf Köpfen und
Füßen (248 m), rennen sich mit den spitzen Köpfen
in die dicken Bäuche und überschlagen sich rückwärts,
schleudern sich in die Luft und kegeln unter ein¬
ander, indem sie selber Kegel, Kugel und Kegle? vor¬
stellen (251 m). Rien n'cst plus bcau a voir! ruft Baudelaire
aus**.
Und die Fortsetzung hält, was dieser Anfang ver¬
spricht. Der Kampf zwischen Rübe und Radies
(279f) und die Szene in der Küche (296/98) ge-
* Ellinger (ty, ay8 f) vergleicht Rabelais’ Schilderung
gymnastischer Reiterkünste Gargantua Buch I, Cap. 3 y.
** S. 38+ des sub 8 zu zitierenden Bandes.
128
[ 348 ]
hören zu dem Stärksten, was in Deutschland an
grotesker Phantasie gelungen ist. Nie ist das Un¬
mögliche lebhafter geschaut worden, in dem Sinne,
wie Hoffmann es von einem wahren Serapions-Bruder
verlangt. Freilich, in Deutschland hat man zwar Ge¬
müt, aber keine Augen [um von Ohren nicht erst zu
reden]. Ein um Hoffmann verdienter Literarhistoriker
vermißt gerade an diesem Märchen — nicht etwa Gefühl,
sondern Gestaltungskraft.
3 *
Auch sonst tollt sich Hoffmanns Laune in diesem
Märchen auf mancherlei Art aus; er konnte ihr hier
die Zügel schießen lassen ohne wie in den beiden
„Kindermärchen“ sich Vorwürfe darüber zu machen.
Daß es manchmal bis zu Kalauern geht, ist ja nicht
hübsch: so wenn das „Gerundium“ Amandus totge¬
ritten wird (22z m. 226 m. 261/62); wenn die Füße der
Gnomen sämtliche Vers-Füße durchspielen (243 u.
248 u); wenn wir über die beiden Ziegenledersorten
Corduan und Saffian unterhalten werden (256 u. 257 u).
Artiger ist es schon, wenn die Pädagogen hergenommen
werden, die keinen Schritt tun ohne bei Chesterfield,
Knigge oder der Genlis sich Rats zu erholen (263 m).;
wenn die Magnetiseure darankommen, die aus Ver¬
sehen ein Erdenkind statt einer Sylphide umarmen
(238/39); wenn es über die Bureaukratie hergeht: die
Beratung über den Winterkohl wird so lange dauern,
daß gar keiner kommt (293 0); und wenn die Autoritäts¬
gläubigen aller Art einen Nasenstüber bekommen: den
Staatsmännern und Gelehrten muß eine höhere Natur
129
[ 349 ]
innewohnen „vermöge ihrer Charge oder ihrer Bücher 1 '
(258 u). Das lustigste ist aber doch, ähnlich wie im
‘Märchen von der harten Nuß’, ein Hoffest: die feier¬
liche Verlobung des Gemüsekönigs (266—271). Wirkt
an sich schon, entsprechend wie in der Nußknacker-
Schlacht, die mit Hingebung durchgefiihrte Verteilung
aller Rollen an die diversen Gemüsegeister höchst
drollig, so steigert sich das noch durch die Art, wie
dann die Rollen durchgeführt werden: Daucus befiehlt
seinen Leuten, „ehrerbietigen Beifall sowie ordnungs¬
mäßigen Jubel“ zu bezeugen „über die Wohlthat, die
ich im Begriff stehe Euch huldvoll zufließeD zu lassen“
(268 m); Aennchen tut nichts bei dieser Gelegenheit
und sieht aus wie jede andere, aber das Volk ist
„durch ihre Schönheit, durch ihr leutseliges herab¬
lassendes Betragen ganz in Wbnne berauscht“ (271 0).
Zu diesen satirischen Streiflichtern kommt, wie
schon angedeutet, die durchgängige Verhöhnung der
drei menschlichen Figuren. Aennchen, der karikierte
Backfisch vom Lande, kommt noch am besten weg.
Ihr dichtender Liebhaber ist aber in der Tat zu sehr
mißhandelt; er hat (man vergl. S. 272 u) viel vom
Kater Murr, dessen ‘Lebens-Ansichten’ Hoffinann im
Begriff stand wieder aufzunehmen, und seine Verse
erinnern peinlich an die pointenlosen Parodien, die
Hoffinann im ‘Freimüthigen für Deutschland’ veröffent¬
licht hatte und vor der ‘Königsbraut’ in den ‘Serapions-
Brüdern’ wiederholt. Am eingehendsten ist Vater Dapsul
vorgenommen, der — wie übrigens jeder Romantiker
— in der Phantasie lebt und doch die Erde nicht
missen kann (221 u. 237 o. 240 m) und der gelegent-
130
[ 350 ]
lieh mit Pathos den letzten Mut aufruft, „den wir
etwa noch besitzen möchten“ (245 o). Jn Dapsuls Aus¬
führungen über die Elementargeister vereinigt Hoff-
mann die zu diesem Zwecke ausgesuchten tollsten
Mitteilungen seines (S. 352 zu nennenden) Gewährs¬
mannes mit eigenen possenhaften Erfindungen über
den „Grützkopf“ Tsilmenech (256 m) und die „Spitz¬
nase“ Nehahilah (2590); nach diesen Berichten und
nach seinem praktischen Verhalten erscheint Vater
Dapsul geradezu als ein Don Quixote der Magie.
Das ist zweifellos der Hauptfehler des Märchens;
die Einheit der Tendenz wird dadurch zerstört. Ver¬
langt Hoffinann Glauben an die Elementargeister, so
darf er nicht zugleich diesen Glauben verhöhnen.
Eine solche Verhöhnung liegt indirekt auch darin, daß
schließlich jede Rübe als Gnom erscheint (der Radies¬
herzog 279 f, die kochenden Mohrrüben 296/98).
4 *
Aber Hoffimann war Anfang 1821 leichtsinnig in
seiner Produktion. Die ‘Brambilla’ hatte er hinter sich,
die Vollendung des Murr-Kreisler-Werks vor sich: kein
Wunder, daß er sich in der Zwischenzeit gehen ließ.
Zudem hatte er im Dezember 1820 drei Wochen lang
das Bett hüten müssen und war auch im Januar noch
krank (Bw 4193, 424 und das Faksimile bei S. 429).
Sobald er also aufstehen konnte, schrieb er — den
Bogen für acht Friedrichsdor — mehr oder weniger
leichte Arbeiten für Almanache: den ‘Elementargeist’,
die ‘Räuber’, die ‘Geheimnisse’ (vgl. den zynischen
Brifcf 231 [Bw 428f] mit beiden Noten!). Und da hat
131
[ 351 ]
er denn auch die ‘Königsbraut’ nicht durchweg ernst
genommen und sie leider mit einem gemeinem Witz
geschlossen. Der Schluß steht in der Tat auf dem
Niveau eines Kalauers; es ist nichts Zu seiner Ent¬
schuldigung anzugeben.
Mit diesen Verhältnissen wird es auch Zusammen¬
hängen, daß die ‘Königsbraut’ Flüchtigkeiten im Stil,
Schreib- und Druckfehler aufweist, wie sie in den
beiden Kindermärchen nicht entfernt in dieser Menge
Vorkommen; bei gründlicher Durchsicht des Manu¬
skripts oder bei sorgfältiger Korrektur des Satzes wären
sie leicht zu beseitigen gewesen*.
5-
Wir haben n unmehr einige sachliche Punkte zu
erläutern und die Herkunft einzelner Vorstellungen
* Wir haben nur sechs ganz leichte Änderungen einführen
zu dürfen geglaubt; wir setzen
226,26 A. st. M.
248.3 f Herrn Dapsuls st. des Herrn von Dapsuls [!]
257.3 folgend ] (schon V on Grisebach
a» Sinn st. Sein > . *
{ eingesetzt)
285,13 Schmerzes st. Scherzes j
18 von
Ebensoviele Schnitzer haben wir dagegen stehen lassen;
227,1 um sr. mit dem Aufträge,
*5 6,22 mehr stolzen st. stolzeren
260.3 mittelst eines Gänsekiels, den sie
st. indem sie einen Gänsekiel
11 viel mehr st. wie viel mehr od. viel mehr noch
2.68,? Euch (als Dativ und Akkusativ zugleich)
274,2z entquillen st. entquellen
132
[ 352 ]
darzulegen. Wir beginnen mit dem Fremdartigsten, den
Ideen über die Elementargeister, die Dapsul vorbringt.
Hoffmann hatte sich Anfang 1821 für den ‘Elementar¬
geist’ aus dem ‘Comte de Gabalis’ des Abbd Mont-
faucon de Villars über den Zweig der Magie unter¬
richtet, der es dem Menschen ermöglicht, mit den
Elementargeistern in Verkehr zu treten — eine Wissen¬
schaft, die Hofimann mit dem Abb6 „Kabbala“ nennt,
obwohl sie (worauf Sucher 92 m aufmerksam macht)
mit der wirklichen Kabbala schlechterdings nichts ge¬
mein har. Diese Kenntnisse wandte er nun gleich¬
zeitig im ‘Elementargeist’ in sentimentaler, in der
‘Königsbraut’ in possenhafter Weise an.“ Daß die
„kabbalistische“ Weisheit, die Dapsul seiner Tochter
bei verschiedenen Gelegenheiten vorträgt, fest Wort
für Wort auf den ‘Gabalis’ Zuriickgeht, haben 1911/12
unabhängig voneinander Sucher S. 92—102 und
Ellinger 15, 258f nachgewiesen; beide Gelehrte haben
zusammen dreizehn Parallelen beigebracht. Eine
vierzehnte (Nehahilah 259 o = Nehmahmihah) ist 1914
von "Voigt vermutet.
Nur weniges geht auf andere Quellen zurück: Tsil-
menech (256m. 257 o. 285 u; der Name tritt erst im
dritten Kapitel auf, im zweiten, 239 u, ist der Gatte
* Eine andere Berührung zwischen beiden Erzählungen ist
die unserm Dichter sonst recht fernliegende Schilderung des
Federviehs auf einem Gutshofe; insbesondere nimmt er sich
in beiden Erzählungen des Haushahns an: vgl. 161/63
dieses Bändchens mit den entsprechenden Stellen des ‘Ele¬
mentargeistes’ (in Ellingers Bd. Ji; 158,17—38 und 160,42
bis 161,23).
133
[ 353 ]
der Aebtissin Magdalena de la Croix wie bei Gabalis
nur als „ein kleiner Gnom“ bezeichnet) leitet Voigt
von Tsilmenaja in Peter Friedrich Arpes Schrift über die
Talismane her, und die Necklust der Gnomen (238U;
vgl. auch 288 o) fuhrt Sucher (95/97) auf Balthasar
Bekkers ‘Bezauberte Welt’ zurück: von beiden Büchern
berichtet tatsächlich 1821 der Kater Murr (im vierten
Abschnitt seiner ‘Lebens-Ansichten’, S. 212 meiner
Ausgabe), daß er sie mit seinem Meister durchgelesen.
Einiges hat Hoffmann frei erfunden, insbesondere
die Rangordnung der Gnomen mit den Gemüsegnomen
auf der untersten Stufe (285/86: s. Sucher 97 o) und die
vorhin (S. 350, 7f) citierten Übersetzungen der eben
genannten Namen Tsilmenech und Nehahilah.
6 .
Sodann möchten wir einige kleinere Entlehnungen
sowie ein paar Anspielungen und Namen nachweisen.
Zunächst die Gemüse-Angelegenheiten. Der Name
Daucus Carota ist bekannt; das Pseudonym Por-
phyrio von Ockerodastes ist offenbar von Purpur
und Ocker, Gelb und Rot, als den Farben der Rübe
genommen. Die vier Kammerherren (253 m. 267 o)
haben ihre Namen aus den vier Hoffmann geläufigen
Sprachen: poln. kapust* — Kohl; italien. broccoli =
Spargel- oder Rosenkohl; franz. rocambole =
Rockenbolle = Perlzwiebel. Der Name des Ober¬
hofmarschalls Turneps dagegen (267 u. 268 m; vgl.
2120) stammtaus dem Englischen: turncp oder tumip =
Runkelrübe.
Bohnenkönig (269 m) wird bekanntlich, wer am
I
134 [ 354 ]
Drei-König-Tage (oder an dessen Vorabend) in seinem
Stück Königskuchen die Bohne findet.
Wenn Aennchen (220 o) in ihrer Verliebtheit nicht
beachtet, wie die Mohrrüben rufen „Zieh mich heraus,
zieh mich heraus — ich bin reif — reif — reif!«, so ist
das, wie Ellinger 15, 258 überzeugend dartut, aus dem
Grimmschen Märchen ‘Frau Holle’ genommen; hier
bittet das Brot aus dem Ofen: „Zieh mich raus, zieh
mich raus“ und aus dem Apfelbaum ruft es: „Schüttei
mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle mit einander
reif“, ohne daß die Jungfrau darauf hört.
Sucher weist S. 103 eine Entlehnung aus Tiecks
‘Phantasus’ nach: die Angabe, daß die Alraunwurzel
„herzdurchschneidende“ Klagetöne hören läßt, wenn
man sie aus der Erde herauszieht, (22-7 m) findet sich
wörtlich so im ‘Runenberg’ (S. 291^.
Bei der Schilderung des alten Dapsul (208f) hat
dem Dichter nach Grisebachs Vermutung (I, XVII f)
die lange hagere Gestalt des stets in Grau gekleideten
Scheffner vor geschwebt.
Dapsuls Schloß wird (210 m) verglichen mit dem
„des Herrn Baron von Tondertonktonk in Westphalen“.
Gemeint ist, wie Ellinger 15, ay8 nachweist, der
Baron von Thunder-ten-tronckh (richtiger wohl in
drei Worten geschrieben: Thunder ten [= zum]
Tronckh) in Voltaires ‘Candide’ (Kap. 1), bekanntlich
einem Lieblingsbuche Hoffmanns. Meine Freunde Franz
Blei und Ernst Hardt machten mich schon gleich nach
Erscheinen der ersten Ausgabe dieses Buches 1907 auf
diese Quelle aufmerksam.
Whs Santa Cruz (209, ia f) betrifft, so führt Ritter-
135
[ 355 ]
Penzlers Lexikon nicht weniger als 59 Inseln, Städte
usw. dieses Namens auf, unter denen also der Leser
die Auswahl hat. Vielleicht ist die Hauptstadt der
Azore Graciosa oder die der kanarischen Insel Teneriffa
gemeint.
7 -
In dem Schlußwort, das Hoffmann nach Art der
oben mitgeteilten Selbstkritiken auch diesem neuen
Märchen mitgibt, betont er, daß er darin nicht tief¬
sinnigen Humor, sondern rein lustige Komik habe
bieten wollen; er macht dann eine Mitteilung über
die Entstehung des Ring-Motivs. Vinzenz, dem das
Märchen in den Mund gelegt, ist Ko reff, der Leib¬
arzt und "Vertraute des Staatskanzlers Fürsten Harden¬
berg.
Die Freunde hatten, während Vinzenz las, mehr¬
mals hell aufgelacht und waren nun darin einig, daß,
wenn die Erfindung des Mährchens auch nicht eben
besonders zu rühmen, doch das Ganze sich nicht
sowohl im wahrhaft Humoristischen als im Drol¬
ligen rein erhalte ohne fremdartige Beimischung und
eben daher ergötzlich zu nennen sey.
„Was die Erfindung betrifft,“ sprach Vinzenz, „so
hat es damit eine besondere Bewandtniß. Eigentlich
ist der Stoff mir gegeben, und ich darf Euch nicht
verschweigen, wie sich das begab. Nicht gar zu
lange ist es her, als ich mich an der Tafel einer
geistreichen fürstlichen Frau befand. Es war eine
Dame zugegen, die einen goldnen Ring mit einem
schönen Topas am Finger trug, dessen ganz seit-
136
[ 356 ]
same altvaterische Form und Arbeit Aufmerksamkeit
erregte. Man glaubte, es sey ein altes ihr werthes
Erbstück, und erstaunte nicht wenig, als die Dame
versicherte, daß man vor ein Paar Jahren auf ihrem
Gute eine Mohrrübe ausgegraben, an der jener Ring
gesessen. Tief in der Erde hatte allso wahrschein¬
lich der Ring gelegen, war bey dem Umgraben des
Ackers heraufgekommen, ohne gefunden zu werden,
und so [war] die Mohrrübe durchgewachsen. Die Fürstin
meinte, das müsse ja einen herrlichen Stoff geben
Zu einem Mährchen und ich möge nur gleich eins
ersinnen, das eben auf den Mohrrübenring basirt
sey. Ihr seht, daß mir nun der Gemüskönig mit
seinen Vasallen, dessen Erfindung ich mir zuschreibe,
da Ihr im ganzen Gabalis oder sonst in einem an¬
dern Buche der Art keine Spur von ihm finden
werdet, ganz nahe lag.“ —
Trotzdem wird Hoffmann darin, wenn auch vielleicht
unbewußt, einem Vorbild gefolgt sein. Im Dezember
1820, unmittelbar vor der Abfassung der ‘Königsbraut’,
hatte er zwei fingierte Reisebriefe aus Warmbrunn
veröffentlicht*, deren erster wirkungsvoll abschließt
mit einer Unterredung mit Rübezahl. Nun
handelt bekanntlich in Musäus’ ‘Legenden von Rübe¬
zahl’ ** gleich die erste von Fräulein Emma, die Rübe¬
zahl als seine Braut in die Unterwelt entführt; Fmma
Mit einem aus Hirschberg datierten früheren Bericht
wiederholt Bw 347/83 ; die Stelle über Rübezahl 368/70.
** Volksmährchen der Deutschen Bd. II (Gotha, Ettinger,
*783). 3—199-
137
[ 357 ]
erkennt jedoch bald schaudernd die Rüben - Natur
ihres Hofstaats, und es gelingt ihr, zu dem mensch¬
lichen Bräutigam zurückzukehren.
8 .
Die ‘Königsbraut’ ist weder überreich an Handlung
wie der ‘Nußknacker’, noch sentimental wie das ‘Fremde
Kind’: Grund genug, daß das Märchen in Deutsch¬
land keine Freunde fand. Es ist hierzulande nahezu
so unbeliebt wie die ‘Brambilla’.
Anders in Frankreich, das zwar nicht das Land von
Hoffmanns Vätern, wohl aber das seiner Söhne ist.
Einer der bedeutendsten und dankbarsten Schüler
Hoffmanns, Thäophile Gautier, personifiziert auf
das glücklichste in der Figur des Daucus Garota die
Phantasie eines Haschisch-Essers, in seinem kleinen
Meisterwerk ‘Le Club des Hachiebins ’, das die 1863 er¬
schienenen ‘ Romans et contes' abschließt.
Von den neun kleinen Abschnitten schildern die
ersten drei die Lokalität und das gemeinsame Essen
des Klubs, die übrigen sechs die Phantasien.
Gleich nach dem Essen tritt um monsieur auf, qui
n‘(tait ptts inviti (die Beschreibung ist noch eingehen¬
der als bei Hoffmann), der sich durch seine Visiten¬
karte als Daucus Carota ausweist. Er gibt das
Signal zum ersten Stadium des Rausches, einer un¬
geheuren Heiterkeit: „C’est aujourd’hui qu’il faut
mourir de rire!“ Durch eine Melodie aus dem ‘Frei¬
schütz’, die ein nüchtern gebliebenes Klubmitglied
spielt, geht die Stimmung in das zweite Stadium
über, ein leichtes, heiteres, passives Wohlbehagen.
138
[ 358 ]
Das wird aber jäh abgebrochen durch Daucus Carotas
Wiedererscheinen, und nun beginnt das dritte Sta¬
dium, ein sehr variabler Angstzustand.
Zuerst glaubt der Erzähler, Daucus habe ihm seinen
Kopf gestohlen und einen Elephantenkopf aufgesetzt;
mit Mühe entreißt er ihm den geraubten Kopf
wieder. Dann glaubt er, von Feinden umgeben Zu
sein, und versucht zu entfliehen, begleitet von Dau¬
cus, der ihm höhnisch zuflüstert, der Weg sei un¬
endlich lang. Er versucht es trotzdem, da er jetzt
glaubt, eine Dame erwarte ihn um n Uhr; aber
Daucus flüstert ihm zu, er versteinere sich. Wie es
ihm schließlich doch gelingt, die Treppe hinunter¬
zukommen, hetzt Daucus ein bronzenes Fabeltier
auf ihn. Dann empfiehlt ihm der Plagegeist höhnisch,
lieber wieder hinaufzugehn, da er doch nie sein
Ziel erreichen werde. Der Erzähler tut es: und
Daucus springt an die Decke mit den Worten, er
habe ihm den Schädel geöffnet und das Gehirn aus¬
gelöffelt. Ohnmächtig bricht der Dulder zusammen.
Wie er wieder zu sich kommt, ist er in einer Trauer¬
versammlung, die ihm mitteilt, die Zeit sei ge¬
storben und werde zu Grabe geleitet*; Daucus
schreit ihm höhnisch zu, niemals werde es m»h r
li werden, sondern ewig c>i/ + bleiben: er, das Opfer,
sei verurteilt, ewig den Zeiger auf dieser Stelle zu
sehen. Damit setzt sich Daucus — es scheint hier
* VgL den Hitzig a,a8d mitgeteilten Traum HofTmanns:
„Die Polizei nimmt alle Uhren von den Türmen herab . .
weil die Zeit konfisziert werden soll.“
139
[339]
die Erinnerung an das Nußknackermärchen hinein¬
zuspielen — rittlings auf die Wanduhr und grinst
ihn höhnisch an.
Jetzt spielt der nüchterne Klubbist eine lebhafte
heitere Weise auf dem Clavier. „Cela parahsait beau-
coup contrarier l'bomme-mandragort, jui s'amoindrissait, s'apla-
tissait, se d/colorait et poussait des gemissements inart icul/s ;
enfin il perdu toute apparence humaine, et roula sur le par-
quet sous la forme d'un salsifis a deux pivots“ („in Gestalt
einer gespaltenen Bocksbart-Wurzel“).
Gautiers jüngerer Freund Charles Baudelaire
war ein nicht minder warmer 'Verehrer Hoffinanns,
und auch er hat, wie wir bereits S. 347 unten berichtet,
ünserm Märchen seine Bewunderung bezeigt. Es ge¬
schieht in folgendem Zusammenhang:
Die bekanntlich sehr unzulängliche postume Ge¬
samtausgabe seiner Schriften bringt im zweiten
Band (1868), leider ohne irgendwelche Datierung,
unter Nr. VI—VIII eine Reihe von offenbar zu¬
sammengehörigen Bemerkungen über die Karikatur.
Nr. VII und VIII besprechen einzelne Künstler,
Nr. VI ist die allgemeine Einleitung dazu: De l'essence
du rire et giniralement du comique dans les arts plastiques.
Diese Abhandlung ist in sechs Abschnitte getheilt,
von denen der II.—IV. und vier Fünftel des V.
eine unfruchtbare scholastische Abschweifung über
den sündhaften Ursprung des Lachens darstellen,
während der Rest — also I, der Schluß von V und
VI — eine glänzende Untersuchung bildet 1) über
den Unterschied zwischen der Karikatur einer
gegebenen, historischen Erscheinung (le comique signi -
140
[ 360 ]
cattf) und der frei erfundenen Groteske (U comique
absolu) (359 f, 375 f); 2) über die nationale Artung
der Komik in Frankreich (378 f), Deutschland, Eng¬
land, Italien, Spanien (379); 3) werden Proben für
das Rein-Groteske vorgeführt: eine englische Clown-
Pantomime (379/84-), unsere ‘Königsbraut’ (384^
und, im Vorbeigehn, andere Märchen Hoffmanns
(385 f). Das ganze Kapitel VI ist von S. 376 bis
387 auf der Ästhetik Hoffmanns aufgebaut, wie sie
am schönsten in der ‘Brambilla’ aufgestellt und be¬
tätigt ist; am glänzendsten ist wohl die vergleichende
Charakteristik der europäischen Kulturnationen, die
nur ein hoher Meister geben konnte, der wie Hoff-
mann der „unsichtbaren Kirche“ angehörte und
Germanisches wie Romanisches mit gleicher liebe
umfaßte.
IV. Rückblick.
Wenn wir unsere drei Märchen nebeneinander halten,
so hegt offenbar die größte Auszeichnung des Dichters
in der Lebhaftigkeit seiner Vorstellungen, in der
„serapiontischen“ Kraft, die Dinge zu schauen und
ebenso anschaulich wiederzugeben. Es liegt auf der
Hand, daß beim Märchen dazu eine weit stärkere
Phantasie gehört als bei der Erzählung; denn das
Märchen, das nicht nur Kombinationen der Dinge er¬
findet, sondern sich seine Dinge erst selbst zu schaffen
hat, ist gleichsam eine Dichtung in zweiter Potenz.
Und da ist es in der Tat glänzend, wie im ersten
unserer Märchen die Puppe, im zweiten die Fliege,
im dritten die Rübe als Mensch agiert und doch die
ihr wesentlichen Eigenschaften behält.
141
[ 3 «]
Die Schwierigkeit bleibt freilich für die Phantasie,
daß die Größenverhältnisse völlig ignoriert werden
müssen (wie es z. B. Brentano noch weit stärker, und
ohne Not, im ‘Schneider Siebentodt’ tut), sobald
Menschen mit Puppen oder Gnomen in Verkehr treten.
Der Nußknacker ist doch wohl auf der Wanderung
mit Marie nur spannenhoch zu denken; Pepser kann
am Milchnapf, auf den Butterbröten und im Zimmer
umherfliegend nicht viel größer als eine Fliege gedacht
werden; Daucus erscheint im Kampfe mit dem Radies
und auf dem Herd bei seinen Untertanen entschieden
als gewöhnliche Mohrrübe. Aber die Erfahrung lehrt,
daß die Phantasie sich gerade über Größenunterschiede
am leichtesten hinwegsetzt.
Der ironische Ton, den Hoffmann selbst namentlich
beim ‘Nußknacker’ tadelt und der sich in der ‘Königs¬
braut’ gegen die Grundvoraussetzungen des Märchens
wendet, ist gewiß nicht zu loben. Musäus z. B. erzählte
nach alten Traditionen, über die er sich lustig machte;
Hoffmann prätendiert immerhin, daß man beim Hören
seine Erzählung glaube. Im Gegensatz zu Musäus’
Plattheiten erfreuen aber auch die anfechtbaren Stellen
durch die Lebhaftigkeit und den Geist des Vortrages —
ausgenommen wie gesagt der frivole Schluß der
‘Königsbraut’.
V. Unsere Ausgabe,
x. Wortlaut, Schreibung, Interpunktion.
Wie schon ausgefuhrt, bringt unsere Ausgabe den
‘Nußknacker’ nach dem durchgesehenen zweiten Druck
in den ‘Serapions-Brüdern’ (1819), aber ohne die Ver-
142
[ 362 ]
schlechterungen des Setzers; das ‘Fremde Kind’ nach
dem allein maßgebenden ersten Druck in den ‘Kinder-
Mährchen’ (1817); die ‘Königsbraut’ natürlich nach
dem einzigen von Hoffmann veranlaßten Druck in
den ‘Serapions-Brüdern’ (1821).
Hofimanns Eigentümlichkeiten in Sprache und Schrei¬
bung sind streng gewahrt und wiederhergestellt, wo
der Setzer sie verwischt hatte. Durchweg stehen die
ersten Drucke der Kindermärchen der Gewohnheit
Hoffinanns, wie sie sich aus seinen Briefen und sonstigen
Handschriften feststellen läßt, näher als der Druck der
‘Serapions-Brüder’. Stören werden diese Eigentümlich¬
keiten den Leser, dessen Lektüre über die Produktion
der letzten Jahrzehnte zurückreicht, nicht, zumal
manches davon durch neuere Schriftstellen wiederauf¬
genommen ist: aü st. äu durch den Sammler der
‘Geflügelten Worte’, zt st. tzt durch Stefan George.
Auch der Interpunktion ist nach Möglichkeit ihr
Charakter gewahrt, doch waren hier öfter Eingriffe
unvermeidlich. Insbesondere sind die Anführungs¬
zeichen hier wie in allen Handschriften und Büchern
Hoffmanns außerordentlich verwahrlost; er setzt sie
bald, bald nicht, besonders häufig aber setzt er sie
am Anfang und läßt sie dann am Schluß fort. Nur
Ein Beispiel: im zweiten Bande der ‘Kinder-Mährchen’
heißt es 12,y—11 (fast ebenso sc hlimm wiederholt in
den ‘Serapions-Brüdern’ H 528 f; die Stelle entspricht
unserer S. 134,8—14):
„Jezt wird der Kuchen angeschnitten, flüsterte
Felix der Schwester ins Ohr. Ach ja, ach ja, er-
wiederte diese voll Freude und dann laufen wir auf
143
[ 363 ]
and davon in den Wald fuhr Felix fort „und be¬
kümmern uns um die fremden blöden Dinger
nicht, sezte Christlieb hinzu.
"Wir haben jede direkte Rede in Anführungszeichen
eingeschlossen.
2. Die Anordnung des Druckes.
Hoffmann denkt sich Kinder und Erwachsene zu¬
gleich als Hörer oder Leser der beiden Kindermärchen;
die Kinder naiv genießend und die Erwachsenen halb
in Rührung halb in Ironie das beobachtend. Die Märchen
sind also am besten vorzulesen; danach haben
Herausgeber und Verleger die Ausstattung bestimmt.
Jedes der drei Märchen läßt sich zwanglos in drei
etwa gleich lange Töle zerlegen; um diese natürlichen
Abschnitte für den Vorleser zu bezeichnen, ist der
Anfangsbuchstabe jedes zweiten und dritten Drittels
eingerahmt.
In der Verteilung der Absätze waren wir oft ge¬
nötigt von den alten Drucken abzuweichen. Hoffmann
rückt in seinen Handschriften niemals ein bei einem
neuen Absatz; ging also im Manuskript ein Satz mit
der Zeile zu Ende, so konnte der Setzer nie wissen,
ob der nächste Satz einen neuen Absatz beginnt oder
den alten fortsetzt. Die Drucke sind daher ist dieser
Hinsicht höchst unzuverlässig. — Nun ist innerhalb
der kleinen Kapitel im ‘Nußknacker’ selten ein Ab¬
satz, im ‘Fremden Kind’ nie; wir haben jedoch, um den
Überblick zu erleichtern, nach sorgfältigem Ermessen
sparsam solche eingeführt, z. B. in dem Kapitel ‘Der
Sieg’ S. 86—97 die sieben Tage getrennt. In der
I
144 [ 364 ]
‘Königsbraut’ finden sich in Hoffmanns Druck umge¬
kehrt eher zu viel als zu wenig Absätze, sie sind aber
sehr ungeschickt verteilt; auch hier haben wir vor¬
sichtig nach bestem Ermessen ausgeglichen.
Die freien Rhythmen des Nußknackermärchens
haben wir als Verse gedruckt. Sie werden dadurch erst
zur Geltung kommen, im guten wie im unbeholfenen.
Die Briefe in der 'Königsbraut’ haben wir nach
Grisebachs Vorgang sämtlich eingerückt; in den
‘Serapions-Brüdern’ ist das nur teilweise geschehen.
3. Die Illustrationen.
Der "Verlag hat außer den beiden Titelvignetten
Hoffinanns aus den ‘Kinder-Mährchen’ von 1816 und
1817 dem Texte drei Zeichnungen von Hosemann aus
dem Jahre 1844 eingefügt und vier, die Marcus Behmer
1906 für diese Ausgabe gezeichnet hat. Wir ver¬
zeichnen hier alle neun nach der Folge der Gegenstände:
I. zu ‘Nußknacker und Mausekönig’:
1. (zu S. 39) Die Schlacht (Hosemann) nach S. 3z
2. (zu S. 96) Der Sieg (Hoffmann) nach S. 8
3. „ „ „ „ „ (Behmer) S. 9
II. zum ‘Fremden Kind’:
1. Das fremde Kind (Behmer) S. 4
z. (zuS. i'i&f) Vorstellung des Hofmeisters (Hosemann)
nach S. 176
3. (zu S. 187) Das fremde Kind flieht vor dem
Magister (Hoffmann) nach S. 192
4. (zu S. 188) Der Fasanenfürst zaust den Magister;
Felix (mit Hosen) und Chrisdieb (mit Zopf und
Rock) sehen von unten zu (Behmer) S. 126
145
[ 365 ]
III. Zur ‘Königsbraut’:
1. (zu S. 228f) Aennchen findet den Ring (Hosemann)
nach S. 224
2. (zu S. 303/05) Amandus singt zur Gitarre in der
Laube vor Aennchen und Daucus; vorn Dapsul
als Pilz; hinten der Garten, das Haus und der
Turm mit dem Fernrohr; am Himmel ein Stern
(Behmer) S. 207
■Wilmersdorf bei Berlin, im November 1906.
Durchgesehen Berlin W 30, im August 1920.
Hans von Müller
[ 1 ]
147
Die Königsberger Burgschule und ihr Rector Wannowski. 1 )
Die Schule, mit der wir uns hier beschäftigen wollen, ist nach Baczko’s
„Versuch einer Geschichte und Beschreibung Königsbergs“ (1804) 1658, zunächst
in einem gemietheten Hause, als reformirte gelehrte Schule eingerichtet worden.
1664 hatte sie dann vom Großen Kurfürsten und 1691 von Friedrich HL größere
Ländereien erhalten. Immerhin blieb sie in ihren Leistungen hinter den anderen,
reicher dotirten gelehrten Schulen Königsbergs zurück.
Einen Aufschwung nahm sie, als 1772 der bekannte rationalistische Theologe
Prof. Dr. phil. Wilhelm Crichton (1732—1805) nach Königsberg kam. Crichton
war seit 1766 Rector der Friedrichsschule in Frankfurt an der Oder gewesen und
hatte zugleich an der dortigen Universität philosophische, philologische, theologische,
oratorische, zuletzt auch historische Vorlesungen gehalten; in den letzten Jahren
hatte er nach seinem glaubwürdigen Bericht kaum mehr Zeit zum Mittagessen
gefunden. So war es kein Wunder, wenn er die bescheidenere, aber minder an¬
strengende Stelle eines Hofpredigers an der Königsberger Burgkirohe
vorzog, die bis 1749 sein gleichnamiger Oheim bekleidet hatte.
Alsbald wählte die Burg - Gemeinde ihren gelehrten neuen Pastor zum
Commissar bei ihrer Lateinschule. Als solcher setzte Crichton es 1774 durch,
daß die Schule eine neue Verfassung erhielt. Danach hatte sie drei ordentliche
Lehrer, sechs Hilfslehrer (ältere Studenten) und einen Schreiblehrer; der Unter¬
richt wurde an den Wochentagen Vormittags von 7 bis 11 Uhr und (außer am
Mittwoch und Sonnabend) Nachmittags von 1 bis 4 Uhr erteilt. Sonntag wurde
in der Aula für ansässige und durchreisende Polen reformierter Gottesdienst ge¬
halten.
Fünf Jahre darauf, 1779, erreichte Crichton, daß die Stelle des ersten
ordentlichen Lehrers in eine Rektorstelle umgewandelt und seinem Schüler 8 ),
*) Ein Teil dieser Mitteilungen ist bereits im März d. J. in Nr. 9 der von
Franz Deibel und Paul Ehlers herausgegebenen „Königsberger Blätter für Literatur
und Kunst“ (Beilage der Königsberger Allgemeinen Zeitung) erschienen.
8 ) Wannowski erzählt (im Vorwort zu Crichtons Nachgelassenen Schriften,
S. VH1), daß Crichton ihm in früheren Jahren „ein theologisches Gutachten
über eine sehr wichtige Gewissensfrage von einem auswärtigen Anfrager in
lateinischer Sprache in die Feder dictirt, wobey ich als noch junger Candidat seine
Einsichten, theologische Gelehrsamkeit und Mäßigung sehr . . . bewundert habe,“
148
[ 2 ]
dem polnischen Prediger D. Stephan Wannowski übertragen wurde. In seiner
Autobiographie spricht Crichton seine Freude aus, zu Wannowski’ s Berufung
beigetragen zu haben, und fügt hinzu: „Er hat die Schule emporgebracht, wie
sie vorher noch nie gewesen war“.
TJebrigens fuhr Crichton auch in Königsberg fort, seine Auffassung des
Christentums litterariseh zu betätigen; 1781, also gleichzeitig mit Kants Kritik der
reinen Vernunft, erschien von ihm „Die Religion der Vernunft, für des Unter¬
richts fähige Leser“.
In seinem Geiste unterrichtete sein Schüler Wannowski die Jugend. Eine
interessante Schilderung seiner Methode findet sieh in den Erinnerungen des
späteren Regierungspräsidenten Theodor Gottlieb von Hippel an seinen Jugendfreund
E. T. A. Hoffmann 3 ). Es heißt dort von Wannowski:
„Unter ihm und durch ihn erlangte diese Schule in den Jahren von etwa
1785 bis 1800 den Ruf, eine der besten in Königsberg zu seyn.
Er besaß das Talent, wie jeder ausgezeichnete Kopf, Talente zu wecken
und an sich zu ziehen. Dadurch ward es ihm möglich, mit geringen Mitteln aus
den Studierenden tüchtige Hülfslehrer zu werben, mit denen es ihm gelang, die
übrigen gelehrten Schulen, die mit einer reichem Zahl etatsmäßiger Lehrer ver¬
sehen waren, zu überflügeln.
Wannowski lebte in vertrautem Umgänge mit dem nie genug geachteten
Pfarrer Eischer 4 ) und war der Achtung und des Umganges von Kant, Kraus,
Oberhofprediger und Hofprediger Schulz 8 ), Hippel und Hamann gewürdigt.
Wannowski war ein gebohmer Pole aus einer Dissidenten-Eamilie. In
Sachsen gebildet, hatte er sich den Geist der deutschen Sprache so zu eigen ge¬
macht, daß seine Aufsätze wie seine Reden sich nicht nur durch Korrektheit,,
sondern auch durch Eleganz auszeichneten, wiewohl ihn der Accent seiner Mutter¬
sprache nie ganz verlassen wollte.
Er galt für einen vorzüglichen Lateiner, und durch die Wärme und den
Ernst seines Unterrichts, den er der ersten Klasse ausschließlich gab, gelang es ihm,
8 ) Auszugsweise veröffentlicht in Hitzigs Biographie Hoffmaüns (1823), voll¬
ständig demnächst in dem Buche „Hoffmann und Hippel 1786—1822: das Denkmal
einer Freundschaft“ (= 1. Band meiner dreibändigen Sammlung „E. T. A. Hoff¬
mann im persönlichen und brieflichen Verkehr. Sein Briefwechsel und die Er¬
innerungen seiner Bekannten“) in der Ldtterarischen Anstalt Rütten & Loening
zu Frankfurt a. M.
4 ) Karl Gottlieb Fischer, Pfarrer des Kgl. großen Hospitals in Königsberg.
Der Humorist Hippel erklärte ihn „bei jeder Gelegenheit für den einzigen ächten
Jünger Jesu: daher er auch nur ihm den Religionsunterricht seines Neffen an¬
vertraute“ (Worte des Neffen in Hippels sämtlichen Werken Bd. XH (1835), S.282).
s ) Der Mathematiker und Kant-Erklärer; Religionslehrer Hoffmanns. —
Kant und Kraus, Hippel und Hamann dürfen als bekannt vorausgesetzt werden.
149
[ 3 ]
unter den guten Köpfen den regen Eifer zu wecken, in gutem Latein zu schreiben.
Ciceronianisch zu schreiben, war die Losung und das Ziel seiner Schüler. "Wie
weit sie hinter demselben zurückblieben, dessen waren sich freylich nur wenige
bewußt. Das Streben weckte indessen die Kräfte.
In die griechische Sprache war Wannowski weniger eingedrungen. Sie galt
ihm — wie in jenen Jahrzehenden in den meisten Preußischen Schulen — nur
für das Hülfsmittel einer gründlichen Kenntniß der lateinischen.
Außerdem füllte gründliches Studium der Philosophie neben den Lehr¬
stunden und der Lektüre lateinischer Klassiker seine ganze Zeit aus. Sein Vor¬
trag konnte oft. für humoristisch gelten, und hätte das lebendige "Wort in schrift¬
liches verwandelt werden sollen, so konnte eine strenge Censur wohl nur selten
ihr imprimatur geben. Ihm mußte es indessen eine erfreuliche, erhebende Er¬
scheinung seyn, in der Stille der gespanntesten Aufmerksamkeit jedes Auge nur
auf sich gerichtet zu sehen.
Oft knüpfte er an einen Vers des Horaz, seines Lieblingsdichters, oder an
einen Satz aus einem der Lehrbücher, eine Vorlesung über Moral, Religion,
Litteratur, eine Unterhaltung, in welcher mehr geläuterte Erfahrung und Lebens¬
weisheit enthalten war, als in den eigends dazu bestimmten Vorlesungen anderer
Lehrer. Den besten Leitfaden dazu gab ihm das Handbuch von Crichton: Religion
der Vernunft, das von Wannowski an den Tagen den übrigen Religionsverwandten
erklärt wurde, wenn die reformirten Schüler zum Wochengottesdienste in die
Kirche geführt wurden. Noch wissen sich seine Schüler jener Vorträge zu er¬
innern, der Tiefe und Innigkeit der Begeisterung, mit der er über Gott und Un¬
sterblichkeit, über die Göttlichkeit der christlichen Moral und über die Noth-
wendigkeit des Glaubens an sie und ihren Verkündiger seine Ueberzeugung aus¬
strömen ließ, und alle mit sich fortriß zu gleicher Erhebung und gleichem Glauben.
Solchen Vorträgen — mit Beyspielen aus eigner Erfahrung, mit schauder¬
haft treuen Gemählden des Lasters und der Verführung, mit den rührendsten
Warnungen des bekümmerten väterlichen Lehrers untermischt — verdanken viele
seiner Schüler das Glück ihres Lebens. Sie seegnen seinen Staub, der nun [Ende
1822] auch schon seit zwölf Jahren unter dem Grabhügel ruht.
Es sind Männer unter ihnen, an deren bedeuttmgsreichem Wirken der ge-
feyerte Lehrer sich wohl gerne erfreut hätte, wäre ihm dieser Sonnenblick am
Abende seines Lebens noch geworden, der durch den Kummer getrübt ward, daß
die reformirte Schule — ihr früherer Ruf und ihre Blüthe waren ja sein Werk
gewesen — von ihrem Range herabsteigen mußte. Er überlebte ihre Verwandlung
in eine Bürgerschule nicht lange. Unter den Namen seiner dankbaren Schüler
mögen hier nur einige statt der übrigenstehen: Büttner, geheimer Obei’-Rechnungs-
rath; Buchholz, Stadtgerichts-Direktor in Elbing; Elsner, der Arzt; Ewert,
Regierungs-Direktor; Graf Finkenstein auf Schönberg; von Gossow; unser
Hoffmann; von Hippel, Regierungs-Präsident; die Grafen von Kanitz.
Matuszewski, ein gemüthlicher Künstler; Schmidt; Schartow etc.
150
[ 4 ]
Nochmals Friede und Seegen seinem Staube! Sein Andenken lebt fort in
treuen Herzen“.
Als Baczko’s eingangs genannte Schrift erschien, 1804, zählte die Anstalt
120 Schüler.
Am 18. April 1805 starb Crichton, und nun sollte es auch bald mit der
Blüte der Burgschule vorbei sein. Der treue Wannowski ergänzte um Neujahr
1806 die Autobiographie Crichtons und gab sie im April desselben Jahres mit
einigen Aphorismen des Verstorbenen heraus; Crichton hatte seinem „alten würdigen
Freund“ das schriftlich aufgetragen (vgl. S. VI und 43 des Buches). Die Vorrede
des Herausgebers beginnt mit den "Worten: „Eben blickte ich den Grabhügel an,
der deinen Leichnam, guter Crichton, deckt. Hier gegenüber ruhen so manche
der Meinigen, und jetzt ist auch meine zweyte Ehegenossin neben der ernten in
die Gruft versenkt“. Zum Schluß heißt es: „Da ich zuversichtlich überzeugt bin,
daß sehr viele, ja die meisten von des seligen Crichton’s Gönnern und Freunden
auch die meinigen sind, so kann ich bey dieser Gelegenheit nicht unterlassen, mich
und die Meinigen ihrem ferneren Wohlwollen ... zu empfehlen“.
Im selben Jahre publizierte Wannowski zwei - für ihn bezeichnende eigene
Schriften, eine liberal-theologische und eine sprachphilosophische: „De Immanuele
Kantio. veritatis religionis christianae in foro rationis humanae non accusatore,
sed vindice“, und „Philosophische Prinzipien einer allgemeinen Sprachlehre
nach Kant und Sacy“. —
Bald darauf ist dann seine Schule, da Crichtons Fürsprache fehlte, in eine
höhere Bürgerschule umgewandelt worden. Heute heißt sie bekanntlich Königliche
Oberrealschule auf der Burg.
Vermutlich ein Sohn Wannowski’s war der spätere Posener Gymnasial¬
professor August (von) Wannowski. Im Gegensatz zum Vater kultivierte er gerade
das Gebiet der griechischen Philologie; die Königliche Bibliothek in Berlin besitzt
vier Schriften von ihm aus deren Umkreis, die in den Jahren 1828—1846 er¬
schienen sind, und zwar die erste und die letzte bei Königsberger Verlegern.
Von Wannowski’s Schülern kann ich über zwölf einiges beibringen:
1. Karl Faber spielte als Schüler fleißig Violin-Duos mit dem sub 5 ge¬
nannten Hoffmann, promovierte dann als Dr. phil. und wurde Geheimer Archivar
und Bibliothekar in Königsberg. Als solcher veröffentlichte er 1840 das vortreff¬
liche topographisch-historische Werk „Die Haupt- und Residenzstadt Königsberg
in Preußen“, das auch für den vorliegenden Aufsatz an zwei Stellen benutzt ist.
2. Graf Ludwig Karl Finck von Finckenstein (1778—1826) besaß
als letzter seiner Linie das Gut Schönberg im westpreußischen Kreise Eosenberg.
3. Der von Gossow ist ein Sohn des Tribunalsrats Gossow, der 1798 in
den preußischen Adelstand erhoben wurde.
4. Theodor Gottlieb von Hippel (1775—1843) kam 1787 von seinem
Vater, der Prediger in Arnau war, zu seinem Oheim, dem Bürgermeister von
151
[ 5 ]
Königsberg und bekannten Humoristen; von demselben Jahre bis etwa 1791 be¬
suchte er die Burgschule, dann die Königsberger Universität. Nachdem er sich
längere Zeit dem landschaftlichen Creditwesen und der Verwaltung seiner Güter
im Kreise Marienwerder gewidmet hatte, trat er Ende 1811 als Vortragender Bat
in das Bureau des Staatskanzlers Grafen Hardenberg ein und hatte dort u. a.
sämmtliche Militärsachen zu bearbeiten; in dieser Stellung concipierte er 1813
u. a. den Aufruf des Königs „An Mein Volk“. 1814 wurde er Regierungs¬
präsident in Marienwerder, 1823 in gleicher Eigenschaft nach Oppeln versetzt,
1837 nahm er den Abschied. Vgl. über ihn die ungeschickt geschriebene, aber
durchweg auf authentischem Material beruhende Biographie aus der Feder seines
Enkels Theodor Bach (Breslau, Trewendt, 1863).
5. Ernst Theodor 'Wilhelm Hoff mann (1776—1822), unter dem
Namen E. T. A. Hoff mann als Komponist, Musikschriftsteller und Dichter be¬
rühmt, war schon 1781 oder 1782 Wannowskis Schule übergeben worden. Nachdem
1787 Hippel in die Schule eingetreten, entwickelte sich schnell eine intime
Freundschaft zwischen beiden Knaben, deren Wohnungen übrigens nur
durch Ein Grundstück (das v. Lesgewangsche Fräuleinstift) getrennt waren. Den
Lehrern fiel Hoffmann erst in der Secunda auf, nachdem ihm nämlich Freimd
Hippel einigen Geschmack an den Klassikern beigebracht. Hippel berichtet von
dieser Zeit: „Hoffmanns Talent erregte die Aufmerksamkeit der Lehrer, besonders
Wannowski’s, der ihn über Gegenstände der Kunst oft — wenngleich scheinbar
nur scherzhafter Weise — zu Rathe zog. Die Lebendigkeit der Darstellung in
seinen Arbeiten gefiel. Von seinen Mitschülern ward er wenig geliebt, denn sein
Witz war ihre Geißel.“ Nur mit Faber und Matuszewski entspann sich ern
näherer Verkehr; Matuszewskis gedenkt Hoffmann noch 1815 in seiner Ei'zählung
„Der Artushof“. — Hoffmann verließ, wie Muncker 1880 in der Allg. Deutschen
Biographie nachgewiesen, Ostern 1792 die Schule. Sein Leben ist am eingehend¬
sten 1823 von Hitzig dargestellt; die wichtigeren Tatsachen daraus findet man in
jedem allgemeinen Nachschlagewerke.
6. —10. Die Grafen von Kanitz sind die fünf Söhne des Grafen Karl
Wilh. Alex. V. Kanitz auf Podangen pp. (1745—1824) und seiner Gemahlin Ant.
Willi. Luise geb. v. Massow (1752—1805). Ich bin über sie orientiert durch die
Aufzeichnungen des ältesten von ihnen, des Grafen Alexander, die sein Enkel, der
bekannte Parlamentarier Graf Kanitz-Podangen, gütigst für mich hat excerpieren
lassen. Alle fünf Brüder sind erst nach Hippels und Hoffmanns Abgang
nach Königsberg gekommen. Zunächst wurden 1793 Alexander und Friedrich
unter Aufeicht ihres bisherigen Hauslehrers nach Königsberg geschickt „in die
reformirte (jetzt Burg-) Schule, deren Vorsteher ein gelehrter und trefflicher
Mann, der reformirte Prediger Wannowski war. Ein Jahr später (1794)“, heißt
es in den Aufzeichnungen weiter, „kam auch mein Bruder August nach Königs¬
berg auf die 3. Klasse der reformirten Schule. Im Jahre 1796 nahmen die
152 [6]
Eltern ihn wieder zu sich nach Podangen. . . . Meine beiden jüngsten Binder,
Karl und Ernst, harnen späterhin nach Königsberg in Pension zum Prediger
Wannowski und wurden in der reformirten Schule für die Universität vorbereitet.“
Alexander (1778—1850) erbte die Güter des Vaters und war Oberlandes¬
gerichtsrat (mit demTitel Geh. Justizrat) sowie Direktor der westpreußischen General"
landschaft.
Friedrich lebte von 1780—1813.
August (1783—1852) kam 1798 nach Berlin, trat daselbst in das Kegiment
seines Onkels v. Kunheim (Nr. 1) und wurde im Jahre darauf Leutnant. — Das
tolle Jahr 1848 verschaffte ihm auf einige Wochen, halb gegen seinen Willen, das
Portefeuille des Kriegsministers: am 1. Mai trat er, als Generalleutnant, anstelle
des Generals von Reyher in das Ministerium Camphausen ein, das aber schon am
20. Juni demissionierte.
Über Karl weiß ich nichts näheres.
Ernst, 1789 geboren, schlug die Richterlaufbahn ein und starb um das
Jahr 1870 als Tribunalsrat.
11. Matuszewski, dessen besonderer Freundschaft mit Hoffmann wir
schon gedachten, begleitete 1800 den Grafen Louis Groben nach Wien und traf
dort auch den damaligen Auscultator Itzig (späteren Kriminalrat Hitzig in Berlin);
nach Hippels Nachrichten ist er auch in Paris und Italien gewesen, soll aber vor
Hoffmann gestorben sein. Er ist „als braver Künstler geachtet worden“; seine
Bilder überragten die seines Freundes Hoffmann nach Hippels vielleicht nicht ganz
kompetentem Urteil weit „an Feinheit und Sauberkeit des Pinsels, aber nicht an
Korrektheit und Kraft.“
12. Johann Philipp Schmidt (1779—1853) gehörte wieder zu den
jüngeren, die erst nach Hippels und Hoffmanns Abgang zu Wannowski kamen.
Er schrieb an Hitzig bei Erscheinen von dessen Hoffmannbiographie 6 ): „Ich war nur
1 Jahr auf Prima in der deutsch-reformirten Schule zu Kgberg, nachdem ich von
Kants Amanuensis Dr. Lehmann Privat-Unterricht erhalten hatte. Ich saß neben
den Grafen Kanitz pp — Das Dörffersche Haus in der Junkerstraße 7 ), wo Hoff¬
manns Onkel wohnte, ist mir wohl bekannt. Mit Hffm. selbst aber kam ich damals
nicht in Berührung, weil er mir überall vorausging“. — Übrigens war Schmidt,
ganz wie Hoffmann, Jurist von Beruf und Komponist aus Neigung; 1806—1811
schlug er sich wie Hoffmann als Klavierlehrer durch, dann wurde er in Berlin
wieder angestellt bei der Königlichen Seehandlung. Daneben komponierte er
6 ) Der ganze Brief erscheint später mit vielen anderen bisher unbekannten
oder unbeachteten Dokumenten zu Hoffmanns Leben im Schlußbande der oben
genannten Sammlung.
7 ) Nicht correct. Das Haus lag in der Junker-Gasse, und zwar in dem
Teile derselben, der in Poststraße umbenannt ist, nachdem an der Stelle des
Hippelschen Hauses das Postgebäude errichtet worden war.
153
W
weiter und schrieb fleißig Rezensionen; im August 1816 wurden Hoffmanns „Un¬
dine“ und Schmidts „Alpenhütte“ in Berlin als Novitäten aufgeführt, und kurz
darauf erschienen Schmidts Rezension der „Undine“ und Hoffmanns Besprechung
der „Alpenhütte“.
[ 1 ]
155
1§üflfmann» Jnltug it* untr
Ifnlfotn in Berlin.
Wk befamtt, gehört bas Sufammenmirfen bes
Königsbergers <£. t£. K. fjoffmantt (^776 bis J822)
unb bes Ztieberöfterreidjers 5 ran 3 r>. ffolbein ({779
bis J855) am öamberger djeater in ben 3ah ren J8J0
bis ( 8 J 2 3 U ben < 5 lan 3 punften ber Deutfchen Cbcater«
gefdjidjte, unb ihre bortige gemeinfame Cätigfeit ifi
feit ffifeigs Biographie fjoffmanns ((823) oft bar«
gejieüt morben. Dagegen fo gut mie unbefannt ift
es, mo unb unter melchen Umftänben beibe ZlTänner
fidj uorber fennen gelernt unb jxdj fpäter mieber«
gefehen haben.
I.
5ür bie erften neun 3 ehn £ebensjahre fjoffmanns,
Knfang \776 bis (7% mar fjifeigs fjaupiquelle bie
Sdfilberung, bie fjoffmanns ältefter 5reunb Cheobor
u. bjip.pel (ber Derfaffer bes Kufrufs „Kn 2Ttein Polf"
156 M
oon 1813) oon ihrer gemeinsam in Königsberg Der«
lebten 3 ugenb gemacht unb bem Biographen mitgeteilt
hatte. Seitbem bann bjippel €nbe \7 9^ Königsberg
oerlaffen, hatten bie 5reunbe einen regen Br iefmechfel
unterhalten, bis bjoffmann 1808 sum 3 meiten UTale
Berlin Derliefj; etma ben britten Ceil ber oon bjoffmann
erhaltenen Briefe teilte bjippel ebenfalls nach bjoffmanns
Cobe f822 aussugstDeife bjifcig mit. bjifcig brutft
biefe Briefaus 3 üge — menn auch mit erheblichen Strei»
djungen — ab; 3 ugleidi finb fie feine ^auptgueüe für
bie DürfteIlung ber Seit, in ber er felber bjoffmann
noch nicht fannte, alfo für bie 3 a hre 1795 bis 180^.
1796 ging bjoffmann als Aushiltator nach
(Slogan, 1798 als Beferenbar nad] Berlin. Über
ben (Slogauer Aufenthalt berichtet ber Biograph:
„Auch an anregenben <£rfd)einungen fehlte es bamals
nicht. Ulolinari, ein geistreicher UTaler (jefct in
Berlin), bie (Sräfin Sichten au, bjolbein, ber
bramatifdje Dichter unb Künftler (nunmehr in Prag),
3 ulius d. Dofj, ber befannte Schriftfteller (in Berlin),
beffen er in feinen Briefen nicht, mol}! aber münblidj
oft in biefern Sufammenhange ermähnt hat, gaben
feinem (Seifte burch ihren Umgang Dielfache Be¬
schäftigung."
3n ber Cat mar 3ulius d. Dofj (1768 bis 1832)
etma 1795 firafmeife — er hatte fid] burch eine
Beihe unerbeteuer BeforniDorfditäge läftig gemacht —
als ältefter Sefonbe-Seutnant aus Chorn 3 U bem neu
errichteten, übel berufenen Begiment Don (SreDenifc
157
[ 1 ]
(Br. 57 *) in (Slogan oerfefct morben. Dort gab cs,
mie er fpäter ersählte 2 ), „für bie Subalternoffoiere
fein anberes IVirfen als bas eines Korporals". <£r
füllte fich tief gefränft unb unglücflich: „Betäubung,
finnliche Betäubung marb meine ein 3 ige «Zuflucht".
<£r (tü^te ftch in bie Vergnügungen, bie bort 3 U haben
maren, machte enorme Schulben unb nahm nach 3 mei
3 al)ren als premier=£eutnant ben Zlbfdjieb.
IVährenb fjifcig über biefen (Slogauer Befannten
fjoffmanns burdj beffen münbliche Mitteilungen
unterrichtet mar, hat er bie anberen brei Barnen, mie
er ja auch inbireft anbeutet, lebiglidj aus ben Briefen
an Ejippel. 3n ber (Eat finben mir fte in ben Briefaus=
3 Ügen mieber, bie Ejifeig als Beilagen 3 um (Slogauer
Zlbfdjnitt brueft. 3 m 3anuar J797 berichtet JEjoffmann
bort ausführlich über ZHoIinari, im Kpril J798 über
bie £id}tenau, bie im Jjaufe feines ©nfels aus«
unb einging; fjolbeiu mirb fur 3 im Kugufi \7ty7
genannt als „ber (Si^ige, ber es h^r ber Mühe
merth ftnbet, (ich mir an 3 ufdjmtegen". Da nun be*
fanntlich ffolbein halb barauf bie £ichtenau heiratete,
fo hat bisher fein £efer biefen Sag in gmeifel ge»
3og*n.
Bun faub id? im Mai J 90 J in fjigigs bis bahin
unberührtem Bachlag unter Dielen anberen Dofumenten
J ) ; 80 ß in Jameln gefangen unb bann aufgelöjl.
2 ) fSatirifche] Anleitung 3 U einer fublimen Kriegsfunfl.
Dlit ber militärifdjen £aufbat;n bes Derfaffers. Serltn, 3ohann
ö?ilf]elm Scfjmibt, ; 808 . 5. 365/73.
158
[ 1 / 2 ]
3 U bjoffmanns Hiographie auch jene fjefte mit Hrief*
abfdjriften, bie bjippel bem Hiographen als Hlaterial
gefanbt Ijattc. fjippel Ijattc bie (Originale oon einem
Schreiber Fopieren laffen unb benfelben ein für alle«
mal angemiefen, alle Hamen nur mit ben Anfangs*
buchflaben anjubeuten; nur in ein 3 elnen fällen Ijatte
er felbft bann bei ber Durchficht bie tarnen ergän 3 t.
bjifeig fah bie fjefte burd), ftrich, mas ihm unbebeutenb
ober unangemeffen fdjien, fügte einige KnmerFungen
ein unb risFierte es auch ein paarmal, einen ab*
gefügten Hamen 3 U ergäben, gwm < 5 tücf ftnb bie
fjanbfchriften bes Schreibers, JEjippels unb bjiftigs fo
oollFommen oerfchieben, bafj man buchftäblich bet
Feinem Strich, bei Feinem Komma im ^meifel fein
Fann, meffen £janb man oor jtdj Ijat.
3 n ber genannten Hriefftelle nun Ijat bfippels
Schreiber nur ein „fj." gefefet; erft fjiftig h a * bas in
feiner d]araFterifHfd]en berben £janbfd]rift 3 tr>eimal burdj*
ftrichen unb burd} „fjolbein" erfefct. Cs h an belt ftch
bei biefem Hamen alfo lebiglid) um eine Vermutung
^ifeigs.
XDie nahe biefe Annahme bes Hiographen liegt,
haben mir bereits ausgeführt. Sie ftimmt aber mit
ben Catfadjen nicht überein. H)ie mir fehen merben,
ift fjolbein in ber Cat mit fjoffmann unb Dofj beFannt
gemorben, aber nicht in (ßlogau, fottbern in — Herlin,
unb 3 mar mit jenem erft 1798, mit biefem gar erft 181(5.
II.
Durch bie oerbienftliche, menn auch längft nicht
erfchöpfenbe „(ßefdjichte bes Cheaters in Hamberg
159
[ 2 ]
bis 311 m 3 a fyre {862" t>on ^rtebrid] £eiß ( 2 . Auflage,
{893 auf Koßen bes Ejtßorifdjen Dereins 3 U Samberg
gebrudt) mürbe idj aufmerffam auf eine autobio«
grapljifdje Sdjrift Ejolfreins, bie biefer 1(853 als erften
Ceil eines geplanten großen fjanbbudjs über „©euifdjes
Süljnenmefeit" in {Dien erfdjeinen ließ. 3d? oerfdjaffte
mir bas fjeft unb fanb barin, mas id? fucfjte. 1 )
Danad? Ejatte f^olbein, nacfjbem er bie iljm gütigft
3 ugebad}te £aufba£)n beim f. f. £otto. 2 lmt quittiert,
1(798 mit {8 bis (9 3^Bjren als Sänger unb
(Suitarrefpieler unter bent Samen 5ontano in
pofen unb in 5ranffurt a. b. ©. je brei Kon 3 erte ge*
gegeben. < 2 r fuljr nun meiter nadj Berlin, mirfte
an Köderten im 3oad]imstE|alfdjen (Symnaßum 2 ) unb
in ber muftfalifcben Seffource 3 ) mit unb gab bann
im Kon 3 ertfaale bes fjotels 3 ur Stabt paris 4 ) fein
9 Seiner fehlen bnrdjroeg bie 3 aljres 3 at}len; ße ßnb
]«bod? für Berlin mit £eidßigfeit ju ergänjen aus ber StatiftiP
ber „Königlichen (Theater in Berlin" in ben 3®h r «n (786 bis
(885, bie (886 non ben beiben 3 ntenbanturbeamten <£. Sei? äff er
unb <£. Ejartmann 3 ufammengeßellt iß. So unentbehrlich
biefe fleißige Bureauarbeit audj für bie erfte ©rientierung iß,
fo fehr hat man ftd? bodj 3 U hüten, ben Angaben im einseinen
blinb 3 u trauen. Schaffer unb E^artmann miffen 3 . B. S. (66
nur uon 3 m ei (Safifpielen Ejolbeins im 3 al{re( 8(5 (f. bagegen
unten, Kbfd;n. V).
2 ) £jeilige*(Seiß«Straße 5f unb Burgßraße 2 (f (jeßt 2 <().
8 ) 3« ber £eßten (jeßt Dorotheen*) Straße.
*) damals ber erfte (Safttjof Berlins, Srüberßraße 39
{bas große (Srunbftücf iß bann geteilt; auf Hr. 39 ftetjt jeßt
«in IHietstjaus, auf ZIr. 39 a bas t^otel 3 um König pon Preußen).
160 [ 2 ]
erftes eigenes Ködert. Bad] bemfelben fam ein junger
Blann aufs ©rd?efter unb ftellte fid? nad] einigen
fdjmeidjelijaften gerungen als Beferenbar 3 off«
mann uor.
„Durd? ihn", er 3 d£jlt Ejolbein, „machte id] Be»
fanntfdjaft mit 3 ff<anb, $kd unb bem Kapellmeifter
21nfetm tDeber, meldje mir fogleid] ben Bat gaben,
mein (ßefangstalent unb meine perfönlid]?eit auf ber
Buhne geltenb 3 U machen. 5ie berührten baburd?
bie Saite, meld]e am leidjteften in mir anfprad?»
Batürlid? mar id] baib entfd]Ioffen, nahm ein <2n»
gagement bei ber fönigl. Bühne an unb baute fyin«
fid]tlid] ber Busfpradje auf bie Beihilfe meines jungen
5reunbes Ejoffmann.
2 Tieine erfte Aufgabe beftanb in einer — (E^or*
ftimme, mährenb id] auf eine große, erfte (ßefangs»
partie fpefulierte.
Bur 3fflanbs Derfid]erung: bie Sache fei nicht
fo leicht, mie id? glaubte, unb Skds, XBebers, Be»
fd?orts unb fjoffmanns «gureben bemogen mich, ber»
gleichen Heine Ceijtungen 3 U übernehmen, um, mie fie
fagten, mid] t>or Übernahme einer größeren Aufgabe
an ben 21 nblicf bes pubiifums unb ber Campen 311
gemöhnett, gehn unb ftehn unb — reben 3 U lernen.
Das leßte mar jebod], mie 3fflanb fagte, bas
nötigfte: für ben (Sefang bürgte Kapellmeifter tüeber.
Die «Erfahrung betätigte biefe Befürchtung, benn
als id? fpäter in Paifiellos fdjöner BTüllerin ben 5 er»
binanb fang, mürbe id? in allen «SefangjMen lebhaft
applaubiert unb meine Sprache in aller 5orm —
ausgelad]t.
[ 2 ]
161
Dennoch ijiclt ich faft anderthalb 3 Q h^ bei fehr
untergeordneter 23efchäfiigung in ber Hoffnung aus,
mir bie norbbeutfche Sprache eigen ju mad^en, unb
3 ugleidj burd] 2lnfd?auung ber IDirFfamFeit eines
3 fflanbs unb bes ihn umgebenden ausge 3 eichneten
KünjilerFreifes mir eine Fünftlerifche 3 ntelügen 3 an»
3 ueignen. . . .
2Tieine übrigen Derhältniffe in 23erlin waren fehr
angenehm. Die damals im ZÜorben noch fehr wenig
befannte fpanifdje (ßuitarre unb mein (Sefang
intereffierte; ich lebte in bejler (ßefellfchaft, erwarb
reichlich durch SeFtionen, l;atte an hjoffmann einen
ebenfo treuen als geijtreidjen freund; aber da fuhr
ein 23% aus den IDolFen, oon welchem ficfj meine
pijilofopliie nichts träumeu lieg.
Seit dem 2\. 2Tlai ^799 jianb Kofcebues
„ 3 o%nna oon 2 Tlontfaucon" auf dem Hepertoire.
3n diefem Sdjaufpiel tritt ein Knecht auf; ber
tEräger biefer Holle war im Saufe bes 3ah res erFranFt,
unb 3fflanb beftimmte „£jrn. 5ontano" 3 um Stell«
pertreter. Das war unferem flogen tEragöben ju oiel.
<£r eilte' 3 um DireFtor unb befdjwerte fidj.
„ 3 fflanb befchwichtigte mich, ^Iccf unb Befdjort
Famen baju unb lachten mid) aus, fjoffmann amüfierte
ftd|, wie er 3 U fagen pflegte: Föniglidj, als er bie
Sjene erfuhr, unb 3 eidjnete in feiner meifierhaften
ZTCanier bie große 23ethmann, bie idj feljr perehrte,
als 3 <>h a nna oon HTontfaucon, unb mich hinter ihr,
als Knecht — bas (Sebetbud? tragend.
3 d? lachte am <£nde felbft mit; aber eine unwiH*
Fürlidje Derftimmung blieb doch in mir 3 urücF unb ich
162
[3]
entfchlojj midi, mieber meine früheren Hunftreifen als
Kou 3 ertgeber förtsufefcen, obgleich ich mid] fchwer oon
meinem ^reunbe fjoffmann losrifj."
3u ber Cat ging Ejolbein»5ontano nun abermals
auf Keifen, bis er am 3. KTai (802 1 ) in 23 res lau
bie £id}tenau heiratete; er 3 <Sfylte 2\, jte ^6 £cn 3 e, es
mar alfo ein Verhältnis, wie Efoffmann es fpäter in
ber „Datura fastuosa" fdjilbert. — fjoffmann beftaub in«
3 a>tfdjen fein Kffeffore^amen, perheiratete fictj bann
(faft an bemfelbeit Cage wie ^olbein) in pofen mit
ber Codjter eines penfionierten Kommunalbeamten
unb arbeitete feitbem als Kat an preu§ifdi«poInifdien
©eridften. — 3ulius p. Vofj enblich ntadite nach
feiner Penftonierung größere Keifen, ging bann nad}
23erliit unb 3 ählte, wie er ^825 5 Ynifd? renommiert 2 ),
„an ben Kocffnöpfen ab, ob er — ohne (Sefchäft —
Schriftfteller, muftfalifdjer Kompoftteur ober 2TIaler
werben fotlte, um etwas 311 tun 31 t h a ^ cn * 2 )er fefote
Knopf traf auf ben Sd)riftfteller".
111 .
(806 brach Preußen 3 ufammen. Kudj fjoffmann
perlor burch bie ©ffupatiou ber poluifdjen propinsen
feine Stelle; er Farn am ( 8 . 3uni 180’ nach Berlin.
23ad? etwa fünf XVochen, am 2{. 3“!^ fudjte er
„ben alten 5f«u.ub 3 u b us »• Vofe" auf, ber tn 3 wifcheii
abwedifelub Komobien unb Betrachtungen über ben
‘/^eftQcjteßtDonBailleUjJUIg.DeutfdieBtograpljieXVIIIsse.
2 ) 3 n Ifitjigs „(Belehrtem Berlin im 3at}re ;825" (Berlin,
Dümmler, t826), S. 288.
163
[3]
Untergang bes Staates gefdjrieben hatte. fjoffmauit
Berichtet am folgenben Cage über feinen Befudi in
einem längeren Briefe an bjifeig 1 ).—
fjolbeiu perliefj feine (Semahlin, nadjbem er f806
bas fünfunbjmanäigfte, fie bas fünfsigfte Cebensja^r
pollenbet, unb lebte feitbem teils als Sdjaufpieler, teils
als tOjeaterbidjter an perfchiebenen ©rten, 3 tifaramen
mit ber Sd^aufpielerin 2Tlab. UTarie Henner, einer ber
umnberpollftcn beutfdjen Baipen. <£r bid^tefe eine
grofje Un 3 ahl leidster Stüde, als erftes ben oft auf,
geführten „Äribolin", eine Dramatifierung pon
Sdiillers „(Sang nad] bem <£ifenBjammer".
IV.
3>tfoIge einer Annonce erhielt bjoffmann Be-
fdjäftigung am Cfyeater 311 Bamberg; am Sep¬
tember f808 traf er bort ein.
f 8 I 0 fam auch f}olbein bortljin. <£r bjat bas
Xüieberfefyen föftlid? gefchilbert; ber Berid}t barüber
gehört uidjt hierher, ebenfomenig bie Sd;ilberung bes
gemeinfamen IDirfens ber beiben 5 fßunbe. ffolbein
n?ar Direftor unb gelegentlich auch ©arfteller, fjoffmann
rpar ©eforateur unb gelegentlid? Komponifi; gemein«
fam bearbeiteten beibe ben Spielplau unb bas
UTafd)inentpefen. Befonberes üerbieuft erwarben fid?
bie Bühnenleiter um Calberon unb Kleift; bie Henner
roar als Kätzchen pou Ejetlbronn ben §ufdjauern uu»
pergefflich. —
*) Künftig im II. Banbe meiner Sammlung „<£. (L K.
^offmann im perfönltd/en unb brieflichen Derfeljr" S. 36 f. 3 U
ftnben.
164
[3]
3«Iius D. üo§ forgfe titjwtfdjett auf feine 21rt
für bas Hepertoire ber beutfd?en 23ül?ne. Unter ben
unjä^figeit StücFen, bie er neben nod? nteljr Ztomanen
fdjrieb, ift eines ber merFmürbigften bas Cuftfpiel
„Künftlers Crbemoallcn" aus bem 3al?re JSJO 1 ), ein
3Ynifd?es (Segen jtücF su (Soetljes gleichnamigem Drainolet;
Cbuarb 3i}Ieu unb . Caroline 23al?n fmb als
lüaifen bei einer Finberlofen reifen lt)itme meltfremb
auf bem JCanbe aufgeroacfyfen. Betbe haben feit längerer
Seit eine ftille Schwärmerei: Cbuarb für bie reifenbe
Klarüeroirtuofin Cäcilia Cempioni, bie er norm 3al?r
einmal in Ceipjig gehört, Caroline für ben Didjtcr
Karl Straljlenbuft, beffeit iDerfe fie ausmenbig famt.
£tad} bem Cobe ber Pflegemutter wollen beibe auf
ber £eip3iger UTeffe biefe ihre 3beale auffudjen. 3I?r
nerflänbiger »ormunb will fie, ofjne affin ein3Ugreifen (
oon ihren 3tluJtonen teilen; er fjinbert fte alfo nid?t
au ihrem plan, fonbern empfiehlt ihnen nur, fid? ben
beiben Künftlern gegenüber für arm aussugeben.
Cr felbft fütjrt fid? bei bem Dichter, ber bürgerlich
Cämmermeier als angeljenber Verleger ein;
Cämmermeier fagt barauf pathetifd?: „Sefeen Sie fid?,
£ferr 5einb" unb fdjmäht bann auf bie fargen ffono=
rare, bietet ftdj aber 311 Arbeiten t>on jeber gemünfdjten
parteirichfung an unb nimm-t fogleid? einen Dorfchufj,
ben er umgefymb einem UT5bd?en fdjenft. U!od?
3Ynifd?er 3eigt ftd? bie Cempioni, bie eigentlich €imp*
J ) Berlin, bei 3<>ha>ii» COilfjelm Scfjmibt; so, *56 S. u.
2 Bit. (aud? als fuftfpiele Bi>. HI, Stiicf I).
165
[ 3 / 4 ]
linger tjeifjt; jte h at Fein anberes Beftreben, als
möglichft uiel (Selb 3 U uerbienen unb bie KoitFitrrenj
mit ben niebrigften Bütteln aus bem 5 elbe 3 U fdjlagen.
<£buarb unb (Caroline Feieren fchaubernb als Bitaut»
paar aufs £anb surücf, nadjbent jte bie Praxis ber
Kunft Fennen gelernt.
Kbgefehen non ber 5 igur bes Dormuubes, ber
all 3 uljänftg als bie Dorfehung bes Stücfes bral)t 3 ieljeub
eingreift, ift bas lüerF por 3 Üglich geraten, bie 5tgi«en
bes £iteraten unb ber üirtnofin finb KabinettsjtücFe.
V. 1 )
Der ©Ftober 18^5 mar ein ereignisreicher 2Tionat
für Berlin. Km mürbe Beettjonens ^ibelio 3 um
erften KTale im ©pernhemfe gegeben, am 311 m
erften ZTTale mieberholt, unb 3 tr>ar biesmal mit ber
ZHilber 4 }auptmann aus lüien in ber Citelrolle; am
15. mürbe ber (Seburtstag bes Kronprinseit gefeiert
mit einem breiaFtigeu 5eftfpiel uou 5ouque; am 17.
Farn ber König aus Paris surücF; am 22. mürbe
5 Ugleich öie IDieberFeljr bes Cages ber Ceip 3 tger
Schlacht unb bas Dierhunbertjahrs=3 ufc i Iäum
£johen 3 oUern gefeiert: morgens mar parabe unb
Cebeum, nachmittags Famen bie rufftfehen (Srofjfürften
2tiFolaus unb Ztlichael an, abenbs fanb in (Segen,
rcart bes fjofes eine 5 eftr>orfteHung im ©pernhaus
jtatt: Spontinis grofje ©per ,,(Eorte 3 ", baoor ber 5 ouque»
i) mit Kusnatjme bes fjolbeimSitats ift ber ganse Kbfchmtt
aus ber Doffifdjen Leitung oom ©Ftober J8t5 3 ufammengeftellt.
166
[ 4 ]
fcfy> (Einafter „Caffilö" mit ZHufif oon fjoffmann.
2tm 2^. fam bann Kaifer Klejaitber, fur3 barauf
mürbe unter allgemeiner 3Huminatiou ber 5fabt bie
Verlobung feines Krubers (unb Nachfolgers) Nifo»
laus mit ber prin3e§ Charlotte gefeiert, iüie Dörfer
ber feip3iger unb parifer plafe, erhielten jefet ber
23 elIe»KIliance« unb ber Kleyanber-piafc ihre heutigen
tarnen.
bjoffntaun mar in beu 3ufti3bienft surüefgefehrt
unb mar suc <l>eit als Dolontär am Kammergericht
tätig, um ftef] mieber einsuarbeiten. Überreich, toenn»
gleidj noch oon feinem Biographen benufet, fliegen
bie Quellen über fein perfönlidjes Ceben in biefem
5 rühherbft: über feinen uiersefyitägigen Befuch auf
bem fanbe bei ^ouque, feine bort unternommene
Kompofitiou bes „Cafftlo", bie 5 aBjrt mit Souque
nad? Berlin (mit fed?s pferben unb einem Umfall), bie
£]offefte, bie er „feit eilf 3 a h r en mieber 311m erften
2 TiaIe, in einer abenteuerlichen Uniform," mitmadjt.
£jier haben mir aber nur oon einer (Ei^elheit 3U
reben.
3n biefem feftlidjen ©ftober famen nämlich
£jolbein unb bie Kenner aus Karlsruhe als (Säfte
ins Schaufpielhaus. Km 9. ©ftober mürben 3mei
hjolbeinfche (Einafter gegeben: „Der Kbfdjieb bes
£eonibas" unb bas (nad? einem fremben ©eft ge»
arbeitete) Cuftfpiel „Die Nachfchrift". ^olbein fpielte
beu König Ceonibas im erfieu unb ben — 5 rifeur
im 3meiten Stücf, bie getreue Kenner in beiben bie
(Sattin. Km ( 3 . trat fjolbein als (Sraf oon Säuern
in feinem „Sribolin" auf.
[ 4 ]
167
Km begab ber £feIben«, Grafen« unb ^rifeur«
Spieler fict? mit ^reunb ffoffntann 3U 3 ulius p, Doß
3u einer wichtigen Konferen3. fjolbein berichtet:
»3<ä? ließ mich pon fjoffmanu 3U ihm führen,
weil ich unter meinen Gaftrollen aurf] bie Holle
„JTCagifter Cämmermeyer" porgefchlagen unb au bent
Stücf mir mehrere Säuberungen erlaubt Ijatte, um
bereu Silliguug ich ihn bitten wollte.
(£r wohnte in einem ((einen unanfehnlichen
ffäuschen einer entfernten Dorjtabt, lag (um Uhr
pormittags) im Sette unb forrigierte einen gebrucften
Sogen auf einem por itjm auf ber serlumpten Decfe
liegenben Srettchen. Heben bem Sette fianb ber
einjige Stuhl bes Zimmers mit einer bas (Tintenfaß
repräfentierenben — Kaffeetaffe. £f off manu trommelte
an beu 5enftertafeln unb lachte heimlich über meine
Derlegenheit. 2 Hir bot ber Dichter einen Siß auf
einem Koffer mit beu IDorten feiner Cämmermeyers:
»Seßeu Sie fiel?, bjerr 5 einb, genieren Sie jtd} nicht.
Denn Sie ftnb auch ein 5eiub ber Dichter,« fuhr er
fort; »jeber Direftor, Dramaturg, ber (jitt3utut unb
megnimmt, je nadjbem er weniger ober mehr <£Hen
3Utn <Effeft braucht, ift unfer 5 einb.« 3 ^ PCffidjerte;
icfj wolle mir ohne feine Genehmigung feine Snberung
erlauben unb fei bloß gefommen, fie ihm 3ur Kuftcht
porsulegen. <£r erwiberte: »Sie wollen gewiß beu
Kerl, ben £ämmermeyer, perfeinern, weil Sie glauben,
es gäbe bergleictjen £eute nicht. Da fetj’n Sie mich
mal an, ich bin fo einer, unb nicht ber einige.
2 Hacheu Sie was Sie wollen mit bem Kerl. Sie
168
[ 4 / 5 ]
fhtt> ein junger ttTann, ber’s uertfeht, bas hob’ ich
geftern gefeh’n, aber id} glaube nicht, bafj Sie ben
£ämmermeYet fpielen fönnen. Sie merben bas 5 ein=
unb Pornehmtun nicht laffen fönnen, unb ba tjab’
td} fd}on genug.« <£r jagte mir bann aud} manches
Schmeichelhafte über meine am Dorfjergehenben Kbeitb I
gegebene jDarftellung bes (Srafen non Sanern, mas
mich um fo mehr erfreute, ba er 3U rüdjtd)tslos mar,
um eine unmahre Krtigfeit 3U äußern.
2 Tiit feinem Stüd foQte id} machen, mas id?
mollte; er fchere fidj, menu er einmal bas Honorar 1
hätte, ben Ccufel um feine Stüde. 1
3d? fam aus einer Verlegenheit in bie anbere f
unb mar frob, mieber aus bem bjaufe 3U fommen.
fjoffmauu lad?te mid} uns unb meinte: er hätte mir |
bie gaii3e Konoerfation oorausfagen fönnen, habe <
aber [eben mollen, mie fid? ein Seibenbcmbdjen unb
ein Strid miteinanber unterhalten mürben."
Kber unfer Cragöbe ließ ftd? nid}t marnen. 21m
f6. trat er als Carl in Conteffas „tEalisman" ( 5 ort=
fefcung bes „Sätfels") auf, bie Kenner natürlich als
bie (Sattin <£life (oorher hatte fte im Koftüm eines j
„beutfeben Sauernmäbdjens" ein „Selbftgefpräch" i
„ZHarfdjall Vormärts" oorgetragen), unb am f8. mürbe I
bann ohne «Erbarmen „Künftlers «Erben mallen" ge« I
geben: £joIbein als £ämmermeier*Stral}lenbuft, bie j
Kenner als bie Ctmplinger 4 Eempioni. Kn ben näcfjften
Kbenben fdjeint bas Karlsruher Pärchen nod} in
einigen fletnen Stüden aufgetreten 3U fein. |
I
[ 5 ]
169
Bach ihrem XPeggange erfriert eine freunbliche
IPürbigung ber beiben Künftler, permutlich pon bem
liebenswürbigen Catel, in ber Pofftfd?en Rettung oom
26 . (Dftober. <£s fyeißt barin in frappanter Überein*
ftimmung mit Poffens Urteil: „£jr. fjolbein, eine
fdjöne ©eftalt, eine gebiegene tragifche fjattung, ein
poll unb rein tönenbes 0rgan . . . gefiel in ber
erfien 2>arfteQung einer 53ene aus feinem „£eonibas"
ungemein. <£r ftieg noch tjöljer als ©raf pon Säuern
im „5riboün". 3n einigen fleinen Stü(fen feiner Krbeit
unb in „Künftlers ©rbenroallen" gefiel er weniger, weil
il?m ernftljafte Bollen mehr 3U ©ebote fielen als
fd?er3fyafte ober gar niebrige." UmgefeBjrt falbem
Besenfenten bie Bettner weniger als Königin pon
Sparta gefallen, rr>ie in „fleinen, leichten, natürlichen"
Hollen — fie mar eben nicht ijeroine, fonbern Habe.
Hach £folbeins Perftdjerung h at es bei feinem
Beifammenfein mit £joffmann im fferbft f 8 J 5 noch
manchen anberen brolligett Kuftritt gegeben.
VI.
Pon ^8^6 bis If 8 l 9 waren hfolbein unb bie
Henner Hiitglieber bes Königlichen Cheaters in ^an*
noper. Km 3 Q nuar 18^8 fdjrieb er einen langen
freunbfdjaftlidjen Brief an ^offmann, ben fein Kollege
©erber bann am 5 . Kpril in Berlin an ben Kbreffaten
abgab. hfoffmann antwortete noch in berfelben IDodje
in einem feiner fdjönfien Briefe mit Bamberger Be*
miniS3en3en unb ausführlichen Berieten über bie lebten
170
[ 5 ]
berliner Eheaterereigniffe *). Dem Überbringer bes
Briefes hat er bereits in einer „oornefymen 2£>ein=
fiteipe" „bioerfen Champagner in ben £jals gejagt".
Der Brief blieb unoollenbet liegen, ba fjoffmann
fdjmer erfranfte. Diefe Kranfheit leitet bie Seit
feiner bichterifdjen Blute ein: in ben oier 3 af)ren,
bie er noch 3U leben hatte, fdjuf er ben „Caches" unb
bie „Brautmahl", bas 2 nurriKreisler*t£>erf unb bie
„BrambiHa".
Das erfte, mas er nach Überminbung ber Gebens*
gefahr, noch im B<>tte liegenb, fcfjrieb, mar eine
rührenbe Bachfchrift 1 *) ju bem unuolleubeten Brief an
ffolbein, ber über 3mei Blonate liegen geblieben mar.
Diefe Bachfchrift fchließt mit ben faft interpunftions-
lofen Seilen: „üleine 5rau unb idj bringen ber ZlTab.
Senner bie h«3lid?fteu innigften (grüße bar Biogen
Sie uns immer in freunbfchaftlicbem 3 !nbenfen erhalten.
3 <i? fdjriebe gern mehr aber es geht noch nicht gut
<£mig unoeränbert ber 3hrigfte fjoffmann".
2 lm 9 - 3 uni \820 ftarb bie £id}tenau in Berlin,
unb fjolbein fonnte enblicf? bie (geliebte auch 6ffent=
lieh 3« feiner 5rau machen. —
3ulius o.Doß hatte unterbes jahraus jahrein meiter
gefchrieben, aber er brachte es 3U feinem großen IDerf
unb feiner großen BHrfung mehr. Ejoffmann 3erpflücft
in feinem lebten größeren Briefe (an ben Breslauer
0 2 lm 5 . 3 Bote 3 genannten ©rte 5 . 30 <* bis 507.
2 ) (Ebenba S. 3 U f.
171
[5]
Ojeaterfreunb Carl Schall, pom 19 . 3anuar 1822 1 )
erbarmungslos bas r>erl;ältnismägig befanntefie oon
Doffens fpäteren StücFen, ben „Straloroer 5ifdj*
3 ug". tiefes fogenannte Cuftfpiel ift nad? Ifoffmanns
Urteil nidjts roeniger als luftig, fonbern ein (Semifd?
aus „fauftbiefer Sentimentalität" unb „fnolligem
Patriotismus". Sein 3ntereffe für ben früheren luftigen
Leutnant mar mit Hedjt längft erlofdjen.
f822 ftarb Xfoffmann, 182^ bjolbeins 3 meite 5rau.
<£r felbft lebte unb mirfte aber nod} mefyr als breigig
3aB;re, als TÜreFtor in Prag, in üfannooer unb 3 ulegt
in 2 £>ien. 3 m lefeten 3 a J?r 3 cIjnt madjte er fid? meniger
als Künftler benn als trefflidjer üermaltungsbeamter
nerbient; auf iljn geljt 3 . 23. ber feitbem t>on allen
großen Sühnen afjeptierte 23raud} ber 2lutor*Can«
ti£men jurüd. 1853, mit 7^ 3<*fywn, mürbe er
penfioniert als Direftor bes fjofburg. unb bes £jof*
operntljeaters unb lieg, toie eingangs gefagt, in bent»
felben 3 a ^! re feine fleine 2 lutobiograpl}ie als Hedjt«
fertigungsfdjrift erfdjeinen. Seine Sejietjungen 3 U
fjoffmann fagt er barin 3 ufammen in bem banfbaren
23efenntnis: „Seinem unoergleidjlidien ^umor banfe
idj un 3 äl;lige fdjöne Stunben, feinem gebilbeteu Um»
gang bie erfte Unregung 3 U literarifcfyem Streben".
«) Don Ejoliei in ben „Dreiljunbert Briefen" I, II, 30/33
pnbl^iert; ForreFter uneberfjolt »on (Ellinger im „Cupfjorion" V
( 1898 ) U3 f.; nodj einmal naef? bem ©riginal in meine;
Sammlung.
[ 231 ]
173
[Nachwort zur ersten vollständigen Ausgabe des ‘Meisters Floh’]
I. £offmann$ SXoüe in bet Demagoaennerfolgung
öctober 1819 bi$ 2lugujl 1821
wob* jeher greunb «Ooffmannd wetfj, b at ©eorg ©Iltnger
1894 ald erfier nach jtebjtg Sauren bem Dichter wieber et«
befonbered $8ucb gewtbntet. 3w6If Safyre barauf bat er btefem SDBerfe
eine b^bl* wichtige ©rgdnjung folgen raffen. ®d war ihm enbltcb
gelungen, Qrinftcbt tn bte 2Ccten ju erbatten, bte bie Demagogen#
Unterfucbungen nnb beren 92teberfcf)tag tut ,SD?etfter betreffen,
unb er bat und int 3uK 1906 auf ©runb baöon eine inbaltreicbe
spuMtcation in ber ,Deutfcben SRunbfcbau' gefebenft. ©r jetgt barin
jundebft «Ooffmannd ^bdtigfett atd STOttglieb ber 3mmebtat#3uflt$#
commtfjton jur Unterfucbung ftaatdgefdbrlicber ©ebeinwerbinbungen;
fobann tbetft er bte baraud erwaebfene bidber nicht einmal bem
Snbart nach befannte ©atire mit, bte Jjoffmann bem ,9Ket(ter $tob'
etnöerletbt batte; enblicb febilbert er ben Verlauf bed Difcipltnar#
öerfabtend, bad wegen biefer ©atire über J^offmann »erbdngt
würbe.
3ßtr begnügen und tm folgenben für ben erften *?>unft mit einem
furjen, tn einigen ©tnjeibeiten ergdnjten 2(ud$ug and ©tttngerd 3tud#
fdbt««scn; bie bon tbm entbeefte ©attre J^offmannd baben wir
$e£t auf grunb erneuter forgfditiger SSergietcbung wteberbolt unb
machen ijicv auf ein btdber dberfebened fteined, aber bäbfcbed ©egen#
jtücf baju aufmerffam; eine befebeibene Stacbtefe tn ©acben ber
174 [ 232 / 233 ]
Dtfcipfinar#Unterfuchung begatten wir un« bagegen für mtfere 2(u«gabe
oon J^offmann« 33rtefvx>ed>fet oor.
Der gelehrte unb techntfch gewanbte Surifi Äarf Gshnjtoph Sflbert
$etnrtch öon Äampfc (1769—1849), feit 1812 bortragenber SRath,
war 1817 Director tm «Poftgetmtntftertum geworben; fcfjon borfyer
war er bte rechte J&anb be« spoftgetmttttfler« dürften VSittgenjlein
gewefen, ber af« «Berliner (Statthafter Stetternich« nicht« unberfuefjt
fie$, ben Ädntg grtebrich SEßifhefm III. mit ber angeblichen Staat«#
gefdhrfichfeit ber 93urfchenfdjafter unb fonjligen „Demagogen" gu
fehreefen. Stach ber ©rmorbmtg dtafcebue« bnrcf) ben «Burfchenfchafter
©anb, 23. Stdrg 1819, bte biefen ^e^ern Siecht gu geben fchien,
ertheifte ber $6nig am 4. SDtai ber spofiget aufferorbentfiche Voff#
machten; Anfang 3uli würben bte erjlen Verhaftungen borgenommen.
3m Dctober übernahm Sßtttgenflem, um {tch bem Äontge noch enger
gu attachtren, ba« .£au«mtntftertum; bte «pofiget würbe nunmehr bem
Sttnifler be« 3nnern Äafpar gfrtebrtch bon ©chucfmann (1755—1834)
unterließt, ber ein au«gegeicf)neter Verwaftung«prafttfer, aber ein erg#
nüchterner Äopf war unb feinem meeffenburgtfehen ?anb«mann Äampfc
mtnbeflen« ebenfo freie J&anb ließ wte SEBittgenftein e« gethan Ijatte.
3m fefben SDtanat ernannte ber Ädntg eine 3mmebiat#3u{ltgcomnttf|ton
jur Unterfuchung ber angeblich flaat«gefdhrfichen ©ehetmberbtnbungen;
unter ihren Stitgftebern befanb ftch ber af« au«gegetchneter ßtrtminafifi
bekannte Jpoffmamt. #f« ftch btefe met|i au« Slichtern befiehenbe
Sommtffton gar bafb nicht gefügig genug geigte, würbe ihr im December
eine Sttnifieriafcommtfjton, tn ber Äamp& mit feinen ©dnnern SEBtttgen#
ftein unb ©chucfmann faff, gur ©eite gejtettt unb fpdter fogar über#
georbnet. SEBtpperntann berichtet gufammenfafTenb über bie 2Crt be«
Vorgehen« biefer Stintfiertafcommiffton (2fßg. D. «Biograph« 15 [1882],
69 f.): „SBftnber ©faube an eine wirfftdje «Begrünbung ber Aufgabe
machte gwar fchon fehr geeignet gu einer (Irengen Verfolgung, burch
beren ©rgebnife bte unterfteffte ©efahr er fl entbeeft werben
fottte; nur ein gang befonberer h«tgufommenber perfbnftcher ©ifer unb
eine feibenfchaftftch reaettondre ©ejtnnung bermdgen aber erfl gang
bte J^artndcfigfeit gu erffdren, mit wefcher dlampfc biefe Aufgabe ber#
folgte unb warum er bafb bte eigentfiche ©eefe biefer Demagogen#
berfofgung würbe. Die fchonungöfofe «Behanbfung angefehener ^erfonen
[ 233 / 234 ] 175
wie ©. SÄ. 3frnbt, . . . ©orreS, 3obn, ö. SMblenfelS, , .. [«Reimer,]
Scbleterntaeber, g. @. unb Ä. Sb- SOBelcfer, be SBette unb 2lnberer
fteigerte beit #a@ gerabe gegen Äampg’ tarnen noch bebeutenb, in$*
befonbere wegen ber fortgefegten ßinwegfegung ber »erfolgenben 33e*
bbrben über bie ©efege unb ber ntoraltfd) »erwerfltdben SÄtttel jur
fünjlltcben Schaffung non belaftenbem S3ewet$matertal.
SStlbete bte SKtntjlertalcontnttfjton als jwette Snftanj bte eigentliche
Duelle btefer Verfolgungen tn ^reugen, fo war Äampg bte Seele
btefer Gtommtfjton." Dte Verbanblungen gefalteten ftrf) halb ju einem
perfbnltcben Äampfe jwtfcben J^offmann al$ bem begabteren unb
energifefjeften SÄttgliebe ber Suftijcommifjton unb Äantpg; «Ooffmann
beantragte im 9?ooember 1819 bte greilafang beö Senaer Sßurfcben*
fcbafterS Dr. phil. ©eorg Subwtg SRoebiger, im gebruar 1820 bie
beS Surn»ater$ 3abit, tm 2luguft 1820 bte be$ Dr. jur. ?ubwtg
»on SÄ&^lenfeU, bie füntmtlicb fett bem 3uli 1819 tn UnterfucbmtgS*
f)aft faßen; Hampg »erlangte unb erwtrfte tn allen biefen g&Ilen auf
grunb tböriebter 2fu$jüge aus alten ^Briefen unb fonjtiger ^luf*
jetebnungen ber SÖefcbulbigten fowte baran gefnttpfter wunber*
lieber Verhöre weitere Verfolgung.
3m Sommer 1821 gelang e$ J?oflfntann enblicb, ba$ unwtttfomntene
Nebenamt abjufcbütteln Cf. ben Scblußfag fetneS 93riefeö an ÜBtlntanS
»om 25. Sfugujt), unb jegt machte er unöerjügltcb fcbriftfiellertfcb
feinem Serien 2uft über ba$ »etberbltcbe Spfietn unb feinen »er*
bauten Vertreter.
II. £)ie Satire in 5lnficf>ten'
©eptember 1821
Ofron SÄttte Stugufl bt$ «Kitte December arbeitete Jfaffntann ab*
^N^wecbfetnb an bret größeren ÜBerlen; er fcbrt'eb tn btefer 3ett ba6
jwette Drittel ber ,23tograpbt c be6 Äapellmetflerö ÄretSler',
ben brttten unb »ierten 2tbfdbnttt ber ,Seben$*2lnftcbtett beöÄaterS
SÄurr' unb bte erfau fünftebalb Abenteuer beö ,2Äetfiera glob'«
SDBdbrcttb ber »ierte 3lbfcbnitt beä ÄaterbucbS faft »ößtg »on ber
©infleibung abjtebt unb al$ 93ucb tm Söucbe föjiltcb ba$ Seben etneS
berliner ©legantä fcbtlbert, fo tfl tm brttten wentgfanS bte SÄaöfe
176 [ 234 / 235 ]
gewährt. 2)er 2(6fdE>nitt befyanbelt bte ©tubentenjaf)re ober »tefmeSr
,£e()rmonate' bei Äaterl.
©tn greunb SKurrl mit „treuem beutfcf)en Jg>erjen" erbietet ftcf) bet
einem ©efucfje, ben btlfjer recf)t pf)tltftrdfen Äater „inö ©urfcf)entf)um
etnjuffi^ren." ©tnfimetlen nimmt er „mit einem biebern beutfcf)ett
spfotenbrucf nacf) alt»orbertfcf)er ©ttte" 2tbfcf)ieb; SDhtrr bemunbert,
tf)tn nacf)fcf)auenb, feine 2urn# fertig feit. Sn ber Sttadjt mtrb bann
SDturr all ^afcburfcf) aufgenommen: „©I erfolgten nun gemiffe
$eterlicf)fettert, bte tcf) tnbeffen »erfcfjmetge, ba geneigte ?efer metnel
©efcfjlecfjtl »telletcfjt argwöhnen, tcf) fep tn einen »erbotenen£>rben
getreten unb nocf) jejt Sieb’ nnb Antwort barüber »on mtr
»erlangen fbnnten. Scf) »erftcfjere aber auf ©emtffen, bag »on
einem Srben nnb feinen ©ebtngntffen, all ba jtnb Statuten, geheime
Betcfjen n. f. burcfjaul ntcfjt bte Siebe mar, fonbern baf ber SSeretn
lebtgltcf) auf ©letcf)f)ett ber ©eftnnung beruhte. 2)enn el fanb ftcf)
halb, baff jeber »on uni fdße Sfttfcf) lieber jn ftcf) na^m all 3Öa[fer>
©raten lieber all ©rob." ©tne folenne Änetpe mit „Gaudeamus
igitur“ nnb „Ecce quam bonum“ fcfjlteft ftcf ) an, ber etn betrdcf)t#
lieber Äa^enjammer tm eigentlichen ©tmte bei CGBortel am SRorgen
folgt. — Sm Verfolge »on Stturrl ©urfcfjenleben fdllt natürlich anef)
halb eine «ßeraulforberung nnb eine Sttenfur »or, bie beibe foftbar
gefcfjilbert merben.
„$on nun an fitf)rte tcf) etn fbfHtcfje! ©nrfcf)enleben", aber „nicf)t
lange bauerte el . . ., fo erhielt unfer gemdtf)ltcf)er SSerctn . . . einen
©tof, ber tf)n erfcf)dtterte jum gdnjlicfjen SBerfall." ©in „gewaltiger,
wätf)enber ^Stftfier", ber Jj5of#.£unb 2fcf)iffel, drgert ftcf) über ben
©efang, ber if)n tn feinem »flicfjtmibrigen ©cfjlafe jtbrt, nnb fenbet,
ba er felber $u plump jur SSerfolgung tft, gegen bte ©dnger einige
feige ©ptge, bte burcf) tf)r beffernbel ©efldff nunmehr gltttflicf) anef)
ben .£aulf)errn ermeefen.
„£) Äater," fjei^t el nun tn einer 93arentf)efe, „tft bir . . . benn
jemall etmal abfefjenftger, mtbriger, »erjagter nnb babet er#
bdrmltcfjer »orgefommen, all bal fretfefjenbe, gellenbe, bnrcf) alle
Tonarten biffonirenbe ©ebefle tn Jparntfcf) gerätsener ©ptfce? —
35tefe fletnen mebelnben, fcf)tna$enben, ftcf) ntebltcf) ge#
bef)rbenben ©reaturen, nimm bief) fdr fte tn 2lcf)t, Äater! trau
[ 235 / 236 ] 177
ihnen nicht. ©laube mir, eüteg ©pifceS greunbltchfeit tji gefdhrltdher
alS bte ^erborgeflrecfte Tratte beS StgerS! —" (Sn ber $f)at, man
glaubt bei btefer ©chtlberung bie ,,9totte öerworfener SWenfcfyen" bor
ftd) gu haben, bie ftct) nach SrettfcfjfeS 21uSbrucf [II 5 531 f] um Äarnpfc
gefdhaart hatte: bie ©rano, Saufe, Sgfchoppe. Den le§tgenannten,
einen perfbnltchert ^etnb ^ofmannS, fchilbert ber fetbe Srettfchfe
[III 4 434] als „ein fnabenhafteS$D?annchen mit blonben Sodfen,
roftgen SGBangen unb fanften blauen 21ugen, glatt unb leife mte
ein ÜBtefel".) J^ojfmamt führt fort: „©chwetgen wtr bon ben
btttern Erfahrungen, bie mir tn btefer Jpinficht teiber! nur
gu oft gemacht, unb fehren mir gurücf gu bem ferneren Verlauf
unferer ©efchtchte."
Der Hausherr fommt, um Drbnung gu fdhaffen. „2BaS aber
gefchah? Die ©ptfce fchwangwebelten bem erzürnten Jperrn entgegen,
lecften ihm bie grüge unb fteKten thnt bor, wie aller Beterldrm nur
feiner 9tul)e wegen erhoben, unerachtet er eben baburch aus
aller behaglichen 9tuhe gefomnten. ©ebeHt hdtten jte bloS, um
unS, bte wir allerlei . . ♦ Unfug trieben ... mit ©tngen bon Siebern
in allguhell erfltngenben Tonarten u. b. gu berjagen. Der
J&err lieg ftch letber burch ber ©ptfce gefchwdfcige 95erebfamfeit um fo
mehr bahin bringen, alles gu glauben, als ber »Oofhnnb, ben er barum
gu befragen nicht unterlieg, in bem bittern «£ag, ben er wiber unS im
Snnern trug, eS betätigte. UnS traf nun bie SBerfolgung! —
Ueberalt würben wir berfrieben,... jal überall waren ©chltngen
unb ^uchSeifen aufgejtellt, tn bie wtr uns berfangen fottten unb
letber! wirfltch auch berfutgen . . . . tch fehrte gurücf unter ben Öfen
beS SWetjterS, bewetnenb tn tiefer Einfamfett baS ©chtcffal meiner
ungleichen ^reunbe. —"
2Cber baS war «ßoffmamt noch nicht beutltch genug. Unmittelbar
nachbem er bieS berichtet, Idgt er einen UniberfttdtSprofeffor gum
SKeifier Abraham fommen, ber gun&chft über bte unter ben Äatern
etngeriffene SBerwtlberung flagt, bie ber ©itte unb Srbnung gefährlich
fei; befonberS feten bte nächtlichen f)etntlicf)en 3«fantmenfünfte nicht
Idnger gu bulben. Darauf aber gehen beibe über „in ein weit*
laüfttgeS ©efpräch, baS ftch nicht auf mein ©efcf>lecht gu begiehen
178 [ 236 / 237 ]
fcht'en", fonbent btrect auf bte ©tubenten. üflan ftef)t, «Ooffntann
bat bte Mfynfyeit, für einen STOoment bte 2fta«fe ju lüften.
@« tft baöon btc Siebe, „ob ei beffer fep, bem oftrnaf« wirren
ungezügelten Sretben egaltirter Sugenb mtt offner ©ewalt entgegen«
jutreten, ober e« nur einjugrdnjen auf gefdfjtcFte unbemerfbare ÜÖeife
nnb SKaum ju geben ber eignen ©rfenntntß, tn ber ftch jene«
Sretben al«balb felbfi »erntetet.
2)er ^rofeffor war für bte offne ©ewalt, ba bte ©eftaltung
ber 2)tnge jurn äußern 2ßof)t e« forbere, baß jeber SWenfch alle« SßBtber«
ftreben« uneracbtet fo jettig al« mdgltch tn bte ^orrn gepreßt werbe,
Wte fte burcfj ba« Serbdltntß alter einzelnen Siietfe junt ©anjen 6e«
btngt werbe, ba fonfi fogleicb eine oerberbltche Sttonftrojttdt entfiele,
bte allerlei Unreif berurfachen fbnne. — 2)er ^rofeffor fpracf) babet
etwa« bon ^Jereatbrtngen unb ^enjteretnwerfen . ♦ .
£>er SWetfter meinte bagegen, baß e« mtt iugenbltch ejalttrten
©emütbern fo gebe wie mit ?)arttelPJGBabnftttntgen, bte ber offne
ÜBiberftanb immer wabnftmttger mache, wogegen bie felbft errungene
©rfenntntß be« Srrtijum« rabtfal \)eile unb nie einen SKütffall
bef&rcfjten taffe*
„9?un," rief ber ^rofeffor enbltcf), tnbem er auffianb unb ©tocf
unb 45ut ergriff, „nun, 3D?eifter, wa« bie offne ©ewalt gegen ejafttrte«
Treiben betrifft, fo werbet Sbr mir borf) tn fo fern Ütecfjt geben, baß
fte ba frf)onung«lo« eintreten muß, wenn jene« Treiben berftorenb
btneingreift in ba« Seben [wie in ©attb« ftalle], unb fo tfl e« nun
— wieber auf @uern Äater SWurr jurdcfjufommen, benn bocfj redbt
gut, baß, wie ictj büre, tüchtige ©pifce bie berwünfchten Äater au««
etnanber getrieben haben, bte fo befttalifcb fangen unb babet SOBunber
ftcf) große SSirtuofen bünften."
„SQBte man e« nimmt/' erwieberte ber Sfteifter: „bdtte man fte
fingen laffen, k>tetteicfjt wdren fte ba« geworben, wa« fte ftcf)
irrtümlicher SDBetfe fcbon ju fepn bünften, nebmltcf) tn ber
Zfyat gute Sßirtuofen [fie«: ©taat«bürger], ftatt baß fie jejt
bielleicht an ber wahren SStrtuofttdt jwetfefn ganz unb gar/'"
2)te« unerhört fübne ßsapitel bnt ntemanb bem SÖeamten Jpoffmamt
jum SSorwurf gemacht; bermutbltcf) au« bem einfachen ©runbe, weii
[237/238] 179
eö ntemanb nerftanben f)at *). MerbingS ^at ^offmann baburch, baß
er tn einer felbftmärbertfchen Saune befchtoß, bte Biographie Äretäierä
unb bte 2tnftcf)ten Stturrö tn abwechfehtben Stefermtgen bem Sefer bot*
gulegen, felber am wtrffamften bafür geforgt, baß man tut neungehntn
üjahrhunbert an ber einen ©chrtft an ftch fo wenig greube gehabt
hat wte an ber anberen, fonbern ba$ gange tebtgftch at$ eine fatetbo*
ffoptfehe Spielerei auf ftch wtrfen ließ. (Unfer @aptteichen, II 147/60,
fleht gwtfchen einer wichtigen Unterrebung, bte ÄretSier in Äanghetm
mit GshrpfoftomuS l)at, unb einer etwa gietchgeittgen, bte ^ebwtga in
©teghartöwetfer mit Sutta führt unb in ber jte bte unterflen Siefen
ihrer franfen Seele geigt**). ÜBetcher theifnehmenbe Sefer will, fann
bagwtfchen einer Betrachtung über bte tbbficf)e beutfefje Burfdhenfchaft
nachgehn? SStetteicht ftnbet ftch iefct im gwangigften Sahrhunbert ein
SSerteger, ber ben S0?uth SSÄurrS 3infidhten, etneS ber ft&rfften
©attrenbücher ber beutfehen Stteratur, roürbtg herauögubrtngen. Bisher
gtebt e$ nur ßrine ßangefauägabe, mit iteberlich wiebergegebenem Sejt
unb Bttbern für Ätnber — wte man ja auch bie fremben bitteren
Bücher bon £>on Huijote unb ©utliber in Seutfdhtanb am Itebflen
aI6 hflrmfoö#brontge Sugenbfchrtften brueft.)
*) SSJtit Specht bemerft auch oon ber j?nattpanti*Cfpifobe, auf bie mir gleich
fommen werben: „wäre Jjoffmann nicht fo unoorftd)tig geroefen, oorher barmt gu
fprechen, baß er bied unb jened in bem 93ud)e perfifßiren motte, fo mürbe fein Sefer —
bei ber Ungrünbtichfeit beä spublicttmä, baä fo(d)e Schriften lieft — gemerft haben,
roohinauö er gegieft."
**) Nebenbei bemerft, erfdteinen 9)eregrinu$’ greunbiitnen ©amaheh unb Dthöchen faft
mie iParobien auf j?rei$ler$ greunbiunen Jpebwiga unb üjulia, auch in ihrem SSerhüttniß
gum Jjelben.
180
III. ©je (Satire im Reiftet
©ecember 1821
[238/239]
CVVicfjbem Jfpoffmann im ©eptember baß frarmfofe Treiben ber
*^ isöurfct)enfrf)flfter unb ihr e un finnige Verf o lgung i n großen Bügen
gefchilbert, machte er ftd) ein aStcrteljaf^r fpdter baratt, btc SÄetbobe
beß ©ebeimratbß Äampfc im einzelnen ju beleuchten. £>er gQ^etffcev
ber spolijet unb feine oben charafteriflrten ffanblanger »erben ^
fammengefaßt in ber ffigur b eß (Sebeimratbß ffnarrpanfy beffen
«tert biß 105 etnfcbl. unb @. 126
btß 135 SDlttte bewmtbert haben. £>aß baß 93tlb biß htß lleinfte
ftimmt, Derftcljert unß $amp& felber, gewiß ein flafftfcher 3*uge.
Er fchretbt am 31. Januar 1822 in feinem 9)romemoria für ©chucf*
mann, man unterfuche in ber ©bat Me Rapiere ber Verbddbttgen genau
fo wie fperegrtnuß’ fPaptere unterfucht würben; bem ©orte „Freiheit"
fpüre man nach ben felben (Srunbfd&en überall nach wie Änarrpantt
bem ©orte „Entführung"*); baß ©ort „morbfaut" hohe er, Äarnpfc,
feinerjeit perfbnltcb tn bem Sagebuch eineß ©tubenten atß t^ochfl Der*
bdchttg jweimal roth unterftrichen. £>te ©cfjtlberung fltmme aufß
<£aar, nur fei ei freilich eine grobe Verleumbung, baß perfonltcbe
SttottDe btefern Verfahren JU grunbe Idgen. — $ür Äamp§ felber
mag baß ja, wenigftenß tbeilwetfe, jujugeben fein. —
9D?it bem Verbdltniß ber betben Hnarrpantt*©tücfe $u bem fonfligen
Segt unfereß SOldrchenß fleht eß nun wunberlich. 3ebe unterbricht
(bieß ©ort fleht 101,6 d. u.) an ihrer ©teile ben (Sang ber Erjdblung
in einer fo brüßfen 2lrt, baß man faft bie gegenfettige Unterbrechung
beß $retßler*9tomanß unb ber Hater*©attre bamit Dergleichen mochte;
unb wenn man nun Derfucht, fte an bie ihr dbronologifch jufontmenbe
©teile ju fefcen, fo ergiebt ftch — baß baß nicht möglich ift. ©eben
wir ju:
^eregrinuß h«t fpdt am ©eihnachtßabenb bie jantmernbe Ddrtje
*) Jjoflfmann batte eß ftcf> nicht oerfagen fomten, bie Vejiebung auf bie ©emagogem
oerfotgung noch beutlicher ju machen. 3« feinem Briefe an Submig Stöbert oom
20. ©ecember 1819 macht er ftd) (uflig über baß „barbarifebe ©ort" Umtriebe, baß
Äampfc unb feine Seute fite bie fupponirte Vetljdtigung ber ©emagogett aufgebracht
batten. 3m ,3Jleißer Stob' läßt er nun ben ©ebeimratb itnarrpanti Elagen über bie
[239/240] 181
inS J$auS getragen; offenbar fabelt bas Seute gefe^tt, unb am ndchften \
Sage — etwa mittags — wirb er als ihr @ntfüf)rer (fo @. 114 1
unten!) behaftet*)* 2)aS tft ein vortreffliches ©eitenjtdcf $u ber ebenfo /
brottigen SBerhaftung beS spepufch in ber öBeifynacfjtSnacfyt wegen ber* !
fugten ©tnbruchS: „fo bringt ein einjtg SDtdbchen oft jwei Sßtdnner !
ins SDtafljeur", t|t, nm ©ufch jn barttren, bie Sftoral btefer fefyr be * 1
gretfttchen, burchauS fyarmlofen SDtißb er jtdnbniffe ber granffurter '
*Po[t$et.
£>a$wifchen foll nun plbfcltch alteS liegen, waS @.101 unten bis
©. 105 berichtet tfi: baS @tabtgefprdcf> bon ber ©ntfuhrung einer <
Same nnb bie umfänglichen 9tachforfcf)ungen beS SRathS; ber «Bericht
beS ©eheimrathS Änarrpantt an feinen (auswärtigen!) dürften; ber
bipfomattfehe Auftrag btefeS gdrjten an Änarrpantt; ÄnarrpanttS
entfprechenber 3Cntrag beim 91 ath; ettbCich noch bie SSorunterfuchung
mit ben betben SeugenauSfagen, bie jnr Sßer^aftnng fuhren.
DaS tjt allerbtngS an Einern SBormittag nicht möglich. — ferner fottte
man benfen, baß ber hifctge 9>epufch bie wiebergefnnbene jDbrtje fofort /
jn entführen fucf)t (119 refp. 125), nacf>bem er frei geworben; aber/
jwtfchen betbe SSorgdnge jtnb bie enblofen Sßeri)6re Ä'narrpantiS gelegt,;
wdhrenb beren «peregrtnuS rdthfelhafter 2Betfe in Ungewißheit über
£drtj enSJ 5chicffaf fchwebt (@. 135 oben).
(*“ ©o ijt bie Annahme nicht abjuweifen, baß bie gigur beS Änarrpanti
erft hineingefommen, afS «ßoffmann ben spian beS eigentlichen SDtdrchenS
_ fefjon fejtgefegt hatte. —
£>aS SfBunberglaS beS 9Äeijter gfoh jetgt feinem $8ejt&er ntcf)t nur
bie Zb{id)tett beS fubltmen ©eheimrathS, fonbern beeft ihm auch fonjt
vielfach ÜBtberfprüche jwtfchen SEßorten unb ©ebanfen auf. ÜÄeijter
„SiebeSumtriebe" (@. 105,8 ». u.) unb bie „eutfüfjrerifchen Umtriebe"
(@. 128 , 2 ) bed ^eregvinud. (Sßielleicbt gehört aud) bie [@. 236 oben) citirte @tel(e
auä bem l 3)turr=33ud) hierher, wonad) bie ^a0urfrf)ett Unfug trieben.)
*) 5j)eregtrinuS iß, worauf Jpoffmann in feiner 9SertheibiguttgSfchrift aufmerffam
macht, „ein beinahe finbifcfyer, weit» nnb oorjüglid) weiberfcheuer ^Otenfcf): unb ber
Sufall will, baß gerabe er ben ißerbadjt einer (Entführung auf ffcf) labet." (©ictirt am
28 . gebruar 1822 , f. ©Hinget in ber ®. 9tunbfd)au @. 97 ).
182 [241/242 ]
gtoi) fcf)t<ft feinen ©efchfifcer unb ©cf)6ter auf bie spromenabe
(111—113) unb in ©efeflfchaften (136—138), unb ber 2tt)nung$tofe
crf&^rt bort bermbge beg ©tafeg in einer ganjen üteifye ffeiner
Iebniffe, mag im jmeiten 2C6fc^nitt beg Äaterbudjg (1819) SDiurr bon
feinem mettftugen greunbe $onto burd) bie @rjdf)Iung bon 2Batter
unb gormofug fernt. ©eibe ©eobachtunggreihen (Inb nur gan* fofe
mit ber eigentlichen ©rjd^Iung ber6unb enj eg treten augfd)tie(Jttd)
foneiT bar^ rc^’erT nicht öorfommen. Snfofern
mirfen auch fte, menn auch nicht in bem ©rabe mte bie Änarrpantt*
©teilen, atg ©inlaqen; «Ooffmann felber färdjtet benn auch, burch
ihre meitere 2Cugbef)nung ben Ütahmen beg 9Bdrcf)eng ju fprengen
(©. 136 o6en).
S03te mir gleich fcben merben, Rammen alte hier Stellen, bie mir
hier genannt, — alfo aß e rein*fatirifd)en Sbeite beg ©ncheg —
erit aug bem December 1821 ,
IV. ©er Reiftet gfofj' a(tf ©an&eä
Durch JJoffmanng Giorrefponbenj mit SOStfmang mißen mir ndmtich,
an metdjen Sagen bie etnjetnen Lieferungen beg SOIanufcriptg nad)
granffurt aögegangen ftnb. 2tm 23. Suti 1821 bietet Jjjoffmann ein
„©ud)tein" jum SBertage an, am 25. 3fugujl fchreibt er, eg hanble
(Id) um ein 9Ädrd)en ,€D?eifter gtoh'. 2tber erjt am 6. Stobember
fdjicft er bie erften 12 ©eiten beg Üttanufcriptg, am 21. December
©. 13—24, am 12. Sanuar 1822 ©. 25—36, am 19. Sanuar ©. 37
—40 unb am 7. 2Ädr$ ben ütefl. Dabei tfl jebod) $u bemerfen,
baß bag SWanufcript nach Jßoffmanng Angabe am 21. December
bereitg big jur ©eite 28 gebiehen mar, unb baß nad) einem ©ittet
an Jjifcig bom 1. 3J?dr$ ber @d)tuß beg SWdrcheng am 28. gebruar
boltenbet unb nur noch bom ©djreiber ing reine ju bringen mar.
3fug ^ojfmanng ©rief an 2Bitmang bom 21. December miffen mir
nun, baß ber Sejt unferer ©eite 70 im Stfanufcript auf ©. 14 jlanb;
unb bie Dtfciplinarunterfuchuttg, bon ber noch ju reben fein mirb,
hat ung bie SWanufcriptfetten 21—28 unb bie Schlüße ber ©eiten 19
unb 20 erhalten. Danach fonnen mir mit gtemttcher ©enauigfeit ben
[242/243] 183
Umfang jeher ber fünf Sieferungen bejttmmen: #offmann tfl (nad)
unferer 21u«gabe)
am 6. Sftoöember 1821 bi« ©. 65 oben gefommen,
am 21. December bi« ©. 138 (einfd)!.),
am 12. Sanuar 1822 etwa bi« ©. 186,
fobaß nun nod) ba« jtebente Abenteuer fehlte. SSon btefem bürfte er
am 19. Sanuar etwa bie erfte $dlfte (bi« jutn ©illet be« SKeifter«
glof) ©. 206 «Kitte) abgefdjloffen fjaben, am 28. Februar bann alfo
bie jwette.
3n bie erfte J^dlfte biefer langen Beit fiel bie abwed)felnbe Arbeit
an ber ,3Mograpl)ie $trei«ler«' unb ben fogenannten ,21nftd)ten SKurr«',
b. 1). ber ©d)tlberung ber ©urfd)fnfd)after unb be« ©aron« oon SDBipp
— in bie jmette J^dlfte bie öon Äampfc eingeleitete Difciplinarunter*
fudjung unb $ofFmann« tbblidje Grrfranfmtg. 25a« waren fdjlimme
SBebtngungen ffir eine fdjwiertge Arbeit; unb in ber Sfyat toerratfyen
einige ©teilen ber lebten Cieferung nur aßjufe^r (wie J^offmann felber,
laut SSiHet an .£i|ig »out 1, SKdrj, befdrd)tete) „bie ©djwdcfye be«
franfen 21utorö". ©djltmmer nod) war e« für ba« 93ud), baß ber
(grüblet tm gaufe ber 3eit ben Snbalt ber erflen Sbeile berg aß.
Und) beffen war er ftd) »oll bewußt: in jebem ber bter SBrtefe an
üßilman« au« bem December unb 3anuar bittet er ben SSerleger
bringenb, ben Anfang be« Söudjeö in ben 21u«f)dngebogen $u fenben,
ba ü)nt beten Durd)ftd)t für ben ©d)luß unentbefjrlid) fei: leiber fonnte
ober wollte SBilman« bem nicht entfbtecfren. —
3Bie man weiß ober bod) wtffen foUte, ift e« getabeju #offmann«
©pecialitdt (ober, qpmfd^amerifantfd) ju reben, fein tric), bie 3n*
bibibualitdt mef)r ober weniger aufjulbfen unb fo mit bem ftdjerjten
unb beiltgften ©egrtff bc« natben 9Kenfd)en ju fielen. Der rationellfte
gfaU tji, baß etn „ ©artieß^abnftnniaer" (^offmann JMt_.bMgnJ0O-n.
ber neueren s Pfpd)iatrte aufge gebenen ©egriff: f. ©. 66 unten unb.
©. 237 oben)rber aTeii^rfaen 3bee" leibet, ftcb für einen berühmten
Serftorbenen ftdlt, Diefe ^erfonen ftnb bet 4?offmann nid)t nur im
ihrigen burdjau« berndnftig, fonbern ergeben fid) ^od) über ben
#Utag«berftanb; oft bleibt e« üjnen borbefjalten, einem taftenben Äunfb
jünger bie entfdjeibenbe Anregung ju geben: ber junge SKuftffreunb
laufet mit @f)rfurd)t bem 50jdf)rigen berliner SunggefeUen, ber ftd)
für ®lucf f)dlt unb leere Siotenbldtter al« beffen 9Berfe Ijat binben
184 [243/244]
faßen*); Sraugott erlernt bte SDiaferei bon bem alten Söerfltnger, ber
bie Söifber be$ 2(rtu$l}ofeg gefcßaffen haben wtfl unb jiunbenfang bor
einer grunbtrten Setnwanb ptyantajtrt; etn ganjer 2)id)t ercfub ber#
pflichtet ftdt) auf bte poettfcf^e Stege! be$ ©rafen $)., ber ftd) fftr ben
heiligen ©erapion auögtebt. — SÄeijlenS Idßt aber ^offntann bte
hoppelte ©eltung feiner gtguren and) mehr ober weniger objecttb
| tn (Srfdjeinung treten: am fdjbnfiett tn ben bret großen SDtdrchen bom
/ ©olbenen $opf, Äletn 3ad)e$ unb ber ^rtnjefftn S5rambttta. 3« biefer
! Stetlje gehört aud) unfer Sttdrdjen.
#ier butte J&offmann eä ftd) befonberS fdhwet gemacht, tnbem er
nid)t weni ger al$ §ef)n $erfo nen^ur(L^
führen wollte. Jtein JBunber, baß tf)m ba$ bei ber gefcbirberten
3t^tSarTnt3)t gäni~gT5?te,^aF^tT^en"0cW^FT8^ unb Februar
[ 1822 manche^ unter ben $tfd) gefallen ifl. SSier 33etfp tele: 3n ben
\ ^betten bon 1821 tdbtet ber ©gelprinj at6 "g^woHneT^etub ber
\ SBlumenfontgtn beren Sodjter ©amaljei) (48/49.59.77.92); nad) ber
Sarfiellung au$ bem 3af)re 1822 ifl bagegen ©amaheh allein bon
ihrem SSater @efaft$ getbbtet (174/75); ja, nad)bem Jpoffmann am
18. Februar auö 2Ötlntan$’ SÖrtef bom 12. hatte erfehen muffen, baß
er fetne Hoffnung auf ©rnpfang ber 2lu$hdngebogen mehr hatte, fchrteb
er fogar ausführlich, ber SÖlutburji be$ ©gefprinjen fei WtrfungSloS
geblieben, ©efaftS habe jebod) bergebenS feine $od)ter getbbtet, ba
er ba$ SSerftdnbniß ber Statur berfchmdhte, unb ftd) felber
berntcf)tet (217). £itefe SBenbung ifl für ben Cefer be$ ©ucheS bölltg
unberfldnbftch; 4?offmamt hat ba eben eine ganj anbere Jpanblung
oorauSgefefct. — 3wetten$: in ber Raffung bon 1821 wirb ber (Sgel*
prinj jur ©träfe für "©ainaheh’ö Söbtung bon $f)ete! (49) ober btel*
mehr bon 3ehertt (59) getobtet; 1822 wirb er un$ gefunb unb
*) ajefanntlid) plante Jpoffmann btei Sabre fpdter eine ganje Serie »on mt)fHfcf)=
muficatifchen Qludfitljrungen in bet 2irt ber 3 . 2Jj. rüthfelfjaften Sieben be$ alten
SBerlinerä; am 28. Qiprit 1812 fchreibt er an ben bamaligen 93 erleg er jpifcig: „®ann
befcbäftigt mich ein fonberbareS muflfalifd)e$ 2öerf, in welchem ich meine QXnficf)ten ber
SDiuiif unb »orjugtid) ber innern ©truftnr ber £onftude au$fpred)en will. Um
jeber anfdjeinenben ©pcentrijität 9Ma$ unb Stanm ju gönnen, f(nb ei Qluffd^e bon einem
wafjnf innigen SDlufif er in lichten ©tunben gefchrieben; ich bemalte mir por, Sbnen
fünftig bantber mehr jn fagen unb oorjufd)lagen."
[244/245] 185
munter roteber oorgeführt, al« richtiger ©gel, ber ftd) gelegentlich tut
©chlamntroaffer berliert (166). — Dritten«; tu ber erflen Lieferung
tritt SÄanbra go ra, bie #lraunroürjel,~ auf al« tätige ^reunbtn
©antaheh’S (49 unb 59); offne Bweifel füllte fte wie bie übrigen neun
Figuren ber 33orgefchtchte ftd ) in ^ranffurt roteber einflellen, unb man
rotrb faum fehlgehen, wenn man bie fdjnapfenbe unb fchnupfenbe
alte 2dine, bte rote eine ßege außftefjt (12) unb roie eine Kupplerin
fprtdft (91), aber tm ganjen felfr gutmütig tfl, für thr ©ubflitut
ffült: aber fpüter tfl öon SJlanbragora tti<f)t mehr bte Siebe, unb al«
^rüejiüenjform ber alten 2lltne erfrfjetnt tu ber jroeiten unb fünften
Steferung l)6d)ft unpaffenber SGBetfe bte gleichnamige Äbnigtn non
©olfonba au« ber befannten £)per (122 unb 222). — ©üblich fchlügt
ba« ganje erfle ©tücf au« bem 3af)r 1822, ber ^Bericht ber alten
2lltne @. 139—146 oben, foroohl für bie SBorgefchidfte (Dortjenö
£erfunft) rote für bte ©retgntfTe in speregrtnu«’ «£aufe allem $8or#
hergehenben unb ^olgenben in« ©eftcht; e« tfl atfo gerotf fetn3wfaü/
baff biefe« lange ©tücf in ber Snhaltänngabe be« fünften 3lben*
teuer«, bte noch bon 1821 herrührt, günjlich fehlt. —
^bgefehen bon SDlanbragora unb bem ©gelprinjen ftnb fortffc bie
Figuren ber Sßorgefchtchte in ihrem ferneren Auftreten leiblich etn*
heitltch burchgeführt. SKetfler grlof) unb ber ©eniu« Shetel, 2enroen#
hoef unb ©roamnterbantnt leben unberünbert burch bte Sahrhunberte
fort — bte betben julefct genannten al« ein 3n>imng«tppu« be«
phantaftelofen ^orfdjer«, ber mit Bühlen, 9Äeffen unb 9Bügen ba«
SGöefcn ber Dinge ju erfennen glaubt, ©efaft« unb Behertt ftnb ge#
florben, aber etroa gleichjeitig in ^ranffurt rotebergeboren al« ^3ere#
grtnu« Spff unb ©eorge ^Pepufd). Dte SMuntenfontgin [bie Stofe?}
glauben rotr roteberjuftnben in bem halben Stoöchen, ju bem ^3ere#
grinu«#©efafi« am ©d)luff jurüctfehrt unb bie im Traume ben Sfjron
mit thm thetlt. 3m ©egenfafc ju btefen breten tfl bie unglücfltche
Dortje=©amaheh nach ihrem 2obe nicht natürlich rotebergeboren,
fonbern burch magtfehe Äünfle in etn ©cheinleben gerufen, gletchfam
eine galoantftrte 2etd)e; non Anfang an roirft fte fpufhaft (@. 30 oben),
unb e« tfl fchauerltch unb ergbfcltcf) jugletcf) gefchilbert, roie fte ©efaft«#
9>eregrtnu« nadjlüuft unb bte übrigen fech« SÄ&nner be« «Mrdhen«
(f, bte 3lufjühlung ©. 150 unten) tn tollem SDBirbel hinter ihr herlaufen.
186 [245/246]
£>te SSorftelfung bon ©amafyetfä ©efpenfierljafttgfeit fyat bann in
ben Steifen au$ bem Safyre 1822 aucf) auf anbcre Figuren abgefdrbt,
inäbefonbere auf $>epufd), bem mir noch einige ©orte wibmen muffen.
Sn ber erjten Lieferung fyatte ifyn J^offmann burcfyauS als normalen
granffurter @d)dler unb Senaer ©tubenten gefdjilbert (58, ebenfo nod)
68 oben), unb offenbar fennt ifyn speregrinuS auS ^ranffurt unb
Sena (©. 19 oben); fdjon in ber jwetten Lieferung (tammt bie 33e*
fanntfdjaft jebod) au$ SttabraS (©. 101 oben), wdfyrenb ^offmann in
ber erften Lieferung speregrtnuS’ 21ufentljalt in Snbten ftarf in grage
gesellt fyatte (@.20 unten); in ben Steilen bon 1822 tft spepufd) bann
bdnn unb biegfam wie ein SMfielfiengel (140 unb 184) unb barauf
einer Set(f)e dljnli<b (205 unb 222), bt$ er als (SactuS fiirbt (226).
UebrigenS fcfyrecft 4?offmann in feinem ©piel mit ber Snbibibualttdt
aud) bor einer bretfadjen 33er!orperung be$ felben „sprinjtpS" nirf>t
juruef: wie im ,gremben Ätnb' Sinte^epfer nebenbei nod) fliege tji,
fo tft f)ier speregrinu$*©efafi$ gewtffermaßen ein Äarfunfel (171 unten
unb 174) unb 2)6rtje*@amal)ef) eigentlid) eine lila unb gelb ge*
fdrbte Sulpe (bergl. 27,is. 53,15. 122,13.226 unten; bie$ merf*
wdrbtgerSßeife bie am confequenteften burdjgefüljrte Grinjelljeit ber ffabel).
^ (Sin näheres Gftngeljen auf bie ^anblung, eine 21ufjdf)lung ber
glöcfltcfjen unb mißlungenen ©teilen be$ SDfdrdjenS würbe ben SRafjmen
I btefeS 9?ad)Wort$ überfcfyreiten. Sn ber erfien $inftd)t foll alfo jur
p^rleldjterung ber Ceftüre nur barauf aufmerffam gemacht werben, baß bie
1 jufammenfjdngenbe gnlge ber ^ranffurter (Sreigntffe am 23. December
1 morgens (@. 78 2Ättte) mit ber ^ludjt be$ 3D?eijter$ ftlol) au$
* CeuwenljoefS ^effeln unb bem (Sinfauf be$ speregrinuS beginnt, bei
bem au$ SSerfe^en ber g4ol) ftatt ber Jjirfdjjagb mitgenommen wirb;
baß bann am 24. bie übrigen glofje unb Därtje ben Seuwenfyoef
neriaffen, unb baß am Ebenb btefe^ SageS gleich baö ganje erffe unb
jweite Abenteuer fowte bie erfte JjJdlfte be$ britten (bi$ ©. 85 oben)
fptelen. Grbenfo btlben bie im Sanuar 1822 ntebergefdjriebenen Steile
(©. 139—206 STOitte) eine jufammenl)dngenbe golge: ba$ fed)fte 2Tben*
teuer fptelt einige ©tunben nad) bem @d)luffe be$ fünften (bergl.
|@. 168 unten^unb bte erffe J^dlfte be$ jTebenten liegt einen Sag
rffp&t£i^__r==__^«r^'eurt^ettung unfereS 9Ädrd)en$ fei nur barauf
pjiügewtefen, baß ber optifdje Btoeifampf ber beiben SÄagier @. 116/19
[246/247] 187
[beit id), tyntid) wie Sticarba Jpuch/ för bte fänftlerifch ftdrfflc Seiflung
tut SNdrchen fyafte*)] unb ihre gemetnfame Söefdntpfung beö fchwebenben
@cf)bngetjte$ @. 184 tn JpoffmattnS trocfen^facbKchem SBortrage biettetcht
noch jtdrfer wtrfen afö bte gfetch frechen $rachtjleKen ber ,Monist*
braut' (bte ©nomenparabe, ber Äampf jwtfchen SKübe unb SKabie$,
bie Äüchenfcene). ...
V. Srldutecung eintet Stn&eljjeiten
1. Orte
Cfeamagufta Hegt an ber Oftfäffe bon ßppern, fübttef) bon ben
Nutnen bon ©alantiä; e$ bejlanb fchon im 2tftertbunt unb ^at
feit ber ©pjantinerjett fetneö guten 4?afenö wegen eine SRolle gefptelt.
©utbo bon ?ujtgnan würbe bafefbfi 1193 junt Äbntg bon Gsppern
gefrbnt. 3*»etbunbert Safyre barauf fant bte ©tabt an bte SBenettaner,
bte fte tn eine flarfe Heftung umwanbetten. 3(bermaB nach $wet*
bunbert Sauren ftel bte $efhtng (nach elfmonattger ^Belagerung) an
bte Surfen; feitbent ifl ber ^afen berfanbet unb bte SBebeutmtg be$
Orteä erheblich gefunfen.
©amarfanb, jefct Jpauptftabt ber gleichnamigen *Probin$ in Nufjifd)*
ßentralajten, war im 2lltertbum (al$ STOarafanba) ^auptjtabt ber
perjtfchen ^robtnj ©ogbtana unb würbe 329 b. §br. bon 2lle£anber
bem ©roßen erobert. Saufenb Sab** fpdter ftel ei an bie Araber,
fech^hunbert Sabre barauf an ®fchtngi$*ß>ban, 1369 würbe e$ bon
Sintur (Samerlan) erobert unb jur 4?auptflabt feinet SReicheö gemacht.
Unter tbm unb feinen Nachfolgern würben gasreiche Jpocbfchulen tn
©antarfanb errichtet, an benen auch ®uropder Söefebrung fugten.
Saß alfo (©. 53 SRitte) ein bortiger SBotantfer feinem gelehrten ^reunbe
188
[248/249]
2. $ t ß o r t f <h e sperfonen
1632 in ©elft geboren unb mürbe Kaufmann in Amßerbam (S3uch*
halter unb (Safßer tu einer Sucßhanblung). 1654 ging er j'ebodj fcßon
tn feine SSaterftabt jurdcF, um ftd£> bort afö Privatmann gdnjKrf) feiner
SteB^aBeret ju mtbmen, bte tu ber Anfertigung unb mannigfachen
©enu^ung non einfachen S3ergrdßerungögldfern beßanb; e$ mar thm
vergönnt, baS noch jteBjig Sahre burchjufüfyren, bt$ er am 27. Aufluft 1723
(nicht, mie £offmann ©♦ 47 SOHtte meint, 1725) ftarb. (Sr beobachtete
völlig planlos unb ohne jebe SDlethobe, mar jebocß in ben 70 fahren
fehr fleißig, unb baju erßaunltch gemanbt in ber Anfertigung ber
Sinfen. ©o gelang e$ tf)m, .ßarVep’S Theorie vom SBlutumlauf ju
beßdtigen, unb 1675 bie fpdter fogenannten Snfuforien ju entbecfen
(bte guten ©elfter hn&en 1875 mit ©erdufcß baS Snfufortenjubildum
gefeiert, aber Seeumenhoef hnt freilich nie baran gebacht, bie (Snt*
becfung mtfienfchaftlich $u vermerken). Smmerhtn mar ?eeumenf)oef
neben bem großen SDialptglß ber erffce, ber ben (Gebrauch bon 93er#
großerungSgldfern in ber mtfienfchaftltchen ÜÖelt ju @hren brachte.
San © mammerbam, fein großer aber unglödflicher ?anb£mann
unb 3ettgenofie, mar am 12. Februar 1637 tn Amßerbam geboren,
©chon mit 21 Sahren entbecfte er bte Sßlutfdrperchen, publtcirte aber
letber nichts bardber, fo baß ?eeumenf)oef ihm 1661 mit einer 9?adh*
entbecfung juborfam. Sftachbem ©mammerbam an Verfcßtebenen Drten,
auch in Paris, ßubirt, promovtrte er feinem mohlhn&enben SSater
jultebe mit 30 3af)ren $um Dr. med., ließ ßcß aber nicht jum
practtciren herbei. (Sr mibmete ßch tn erßer Stnie ber (SntmtcflungS*
gefeßtehte unb Anatomie ber Snfecten, über bte in ben ndchflett
hunbert fahren nichts mefentlich neueS gearbeitet mürbe, unb mteS
bie ©leicharttgfeit ber 3engungSmeife aller höheren Spiere nach.
A1$ er fo nach ber Promotion noch ßeben Sahre auSfcßlteßlich ßrengßer
SOBtffenfchaft gelebt hatte, trieben thn feine Krdnflichfett unb mehr
mof)l noch bte SBormdrfe beS prafttfeßeren SSaterS jur SBerametflung;
er ßdrgte ßch in reltgtbfe SWpßtf, fuhr 1673 ju ber religtdfen ©cßmdrmertn
Antoinette 93ourtgnon (1616—1680) nach ©cßleSmig unb begleitete
ße bann 1675 nach Kopenhagen. ü?acß ber Üldcffehr verbrannte
er einen großen 2hctl feiner ©cßriften, „metl er meinte, ber ©eßbpfer
[249/250] 189
habe tiefe feineren SSerftdCtnifle ntdfjt oftne weife QCtficf^t ben 2Äenfcf)en
»erborgen, unb eS fei grebef, bie ©ehetmntjfe ©otteö ju profaniren."
£)er ftiftorifche ©mammerbam bat atfo tn ber Shat bie romantifcften
ffreunbe miffenfchaftlicher (grfenntnifl tieft fein fann. @r ifar . b ftu
flmfterbam am 15. yfebruar 1680 Cberg t. ©. 96 oben), ©rfl jur 3aftr#
ftunbertfeier ber ©eburt beö großen ^orfcfjerö erfcftienen 1737/38 bie
erhaltenen Fragmente feiner Lebensarbeit aß Biblia naturae Cf. ebenba).
3. Dichtungen
3ttine, Königin bon ©otfonba , t(i bie ^itelfteibin einer 1761
erfchienenen ©rjdhiung Tel ~ @bebaTierS ©tanßfaS be 93oufffer$
CI738—1815, $etbmarfd)atf, 1785 ©ouberneur am ©enegat, 1792—1800
aß ©migrant in SÖerltn). Die ©efd)ichte fptett in ber inbtfdften ©tabt
©olfonba Canbertf)alft Steilen bom heutigen $aiberabab), ber J^aupt*
ftabt be$ mddfttigen gleichnamigen Üteidfjeö, baS 1687 bon 3(urengjift
jerjidrt mürbe. 3dine, eine ^robengatin, ift bort Äontgin gemorben;
ber Äftntg bon ^ranfreicft mitt mit iftr ein Söünbntß fchtteßen unb
fenbet ju bem Bmecfe einen ©enerat ©aint*=^>^ar^ ber ftcft bann aß
ehemaliger S3rdutigam ber je^tgen Ädntgtn entpuppt unb jte heiratbet
Cbergf. ©. 122 oben). DaS ©ujet ifl mehrfach $u SBafleß unb ©peru
»erarbeitet; aß ©per bon SSial unb gmbtdreS, mit SDhtftf bon $enri
Spontan Söerton C1767—1844), mürbe bie ,QCtine' in sparß juerffc
1803, in SBerlin 3. 2(pril 1804 gegeben, h^ er mit ber Sßetftmann aß
2Cfine unb mit ^rtebrich ©untfe aß ©amMPftM*. 3n biefer SBefefeunq
ftdrte ^offmann 1807/08 bie ©per C beraf. ©.61 unten). 3um 35. unb
testen SRafe mürbe fic am 13. Sßbemfter 1820 aufgefdhrt, mit Sobnnna
©untfe in ber Sitefrotte; gemiß h at «ßoffmann bet ber ©chtßerung
ber Ddrtje ebenfo an btefe feine retjenbe, etmaä coquette gfreunbtn
gebacht Cber er am 1. 3Äat 1822 ben ,3tteifier %U\)' fchenfte) mie an
bie 1814 »erflorbene 93ethmann.
Ml giebe.,A,u„,b en_ b m.3).ojnex aJIAJJt.X®. 59/60) ifi ein alte«
italienifcheS SBoIßmdrchen, ba$ ©ojji um bie SabreSmenbe 1760/61 aß
gjarobie auf feine ©egner @bi ar i «nb ©olboni bramatijtrte. — Daß ber
,&6ntg J^trfd)', ben ©ofät fünf Sabre fpdter fchuf, noch entfchiebener
190
[250/251]
auf ben ,9Retfler &lob' eingewirft, i)at (£llinger in feiner JJoffmann*
©iograpbie gezeigt. ÄuSnabmSweife nennt J&offmann biefe Duelle
nicht, wdbrenb er ben ,30ertf)er' ©. 203 SÄitte nur ju beutlicb
anfübrt.
Den 2ircf)ibarut$ einbborft (@.58) unb 9>antagruel mit feiner
barque [2ßür$fufe] (@. 59) wirb woljl jeber unferer Sefer fennen.
4. Staturwiffenfcbaft unb SWagte
S33 ei ber entfebiebenen Abneigung gegen bie SJaturwifFenfcbaften, bie
$ofmann u. a. inTerTben citirten SKebe beö ^f^TefunbeXr^rf ber
Cefer ftcb nicht wunbern, wenn ihm in biefem betrachte einiget
©onberbare jugemutbet wirb.
.ßoffmann nennt eine auffattenb große 3^t »on optifeben üjn*
ftrumenten: ernjle wie bie ?upe (44 f), ba$ ©ucbglaS (53 ©litte),
baS jufammengefefcte ©lilroffop (43 oben) unb fpeciell baö 9tußwurm’fcbe
UniberfaMDlifroffop (78 oben), unb fpielerifcbe wie bie Laterna
magica (43 oben, 66 ©litte), ba$ Äuff febe ©onnenmifroffop (54 SWitte)
unb ba$ 3lacbtmifrof?op (43 oben); er »erbinbet jeboeb außerorbentlidb
fübne SSorflellungen b amit. T ©etne ©lagter benufcen fpeciett baS ^ern*
robr in crflcr ?inte afö Angriffswaffe, tnbent e$, »or ba$ 2fuge
gebraut, fiarfe [etwa eleftrifdje] ©trablen auSfenbet; biefe ©trabten
ölenben (77 unten), brennen (114 ©litte) unb ffccdEjen wie ein
Florett (116/19; noch beuttidjer 180, wo spepufcb einen mörbertfeben
©lief mit ber $auft wcgfcbldgt). ©inb biefe SBorg&nge febr anfebaulieb
bargejlellt, fo ift J^offmamt nicht inö reine gefommen mit ber opttfeben
Sßergrößerung unb Belebung ber ©amabeb Cf. ©. 54 unb ba$ @e*
ft&nbniß @. 79 unten) unb namentlich nicht mit ber gechnif be$
©cbanfenlefenS. fo ausführlich cr ficb auch barüber auöfpricbt (be*
fonberS 97 ©litte unb 122/23: t)ier f)6rt speregrinuS fogar bureb baS
©laS Harmonie unb Diffonanj ber ©ebanfen).
(gbenfo unftar ge b lieben Jß ih m ber $Bau beS n a türlichen opt i ffoen
Apparats, beS menfebliehen 3tügeS: läßt eS |tcb oielteidbt noch benfen,
baß ©leijter fflob bem *Peregrtnu$ baS SDBunbergtaS jebeS ©lal in
bie Pupille fefct, fo ift eS boeb wohl nidbt möglich/ bie Pupille
*u brüefen, wie eS ber ©leifter @. 206 in bem TlbfcbiebSbillct »erlangt.
191
[ 251 / 252 ]
3tt ber©otanti bagegenfyat jtdf) £offtnann T ttieECeid^t mit ZbamtfioS
45utfe, offenbar etü^flg ttlber orientirt. Z$ ifi richtig, baff bie metflen
2utpen*3rten in Zentraleren f)etmifd) ftnb (©. 53) unb baff bie
©. 49/50 genannten ^ftangen ber SWittetmeerflora angef)6ren.
Die Zactuö^ftangen jeborfj, bie £offmann nad) 3nbien bertegt
(©. 58 Stritte), flammen fdmmttid) au$ 2(merifa; fpeciell ber Cactus
gr andiflorus*) fott in aÄejtco, auf ben Äartben* nnb 2tntitten*3nfetn
gu J^aufe fein. Der fyofje ©tamm biefer beliebten Btetpflange ifi matt*
grün, 5— 7fanttg, dfltg; bte ©tötljen meflen fed>je^n btö g wangig
Zentimeter im Durcfymeffer, buften flar! nad) SSanitte unb be*
fielen au$ gotbgetben gtdngenben Äetcfybtdttern unb fcfyneetbeiffen
(tanjettförmigen) Äronbtdtter. ©ie öffnen ftd) am 2fbettb unb »er#
wetten am SDIorgen — bafyer ber Zidrtnername Königin ber 9lad)t'.
©djteiben fdjilbert in feinen ,©eitrdgen gur Ä'enntniff ber Zactuö*
fangen' (9lr. 11 ber befannten poputdren SSortrdge über /Die fPftange
unb if)r ?eben') berebt ben Zontraft „gwifdjen bem trofltofen unb
unfrehntidjen ffnbticf beö labten, bftrren ©ten g etg ber gre if b lumigen
ffacfetbiflet (Cereus grandiflorus) unb feinen großen prad)tbotten r
ftd) entfattenb einer ©onne gtet’cfj flrafjten unb in bem wmtberbaren
©piet iffrer ©taubfdben fafl gu einem t)6f)ercn tffterifdjen Seben ffinan*
gujlreben fd)etnen."
SÄan ftefyt, baff btefe e£otifd)e «Pflange bie sptjantafte eines SOtdrdjen*
bidf)terö gerabegu tjerauöforbert. ©djon gwet 3af)re nor ber Zntftefyung
be$ /sflleifierä gTot)' fdjitbert .£offmann in ben ,©riefen auö ben
©ergen', wie „im Jpaucf) bcö 2tbenbwtnbeö bie Dfifte beö btfiljenben
3a$mtn§, ber ^acfelbtflcln, Sitten, Stofen" ifjn mnflromen. 3n unferem
SJIdrdjen nennt er ©. 108 unten bie ©Iittfye be$ Cactus grandiflorus
„bie tt>unberf)errltd)fie ©turne, bie e$ uur geben mag". ©. 167 unten
Oerfunbet spepufd) feierttef): „batb btdfyet bie [$a<M*]Dtflel um SDh'tter*
nact)t auf, in ootter $rad)t unb Äraft, unb in bem SiebeStob bdmmcrt
*) ©o 2inn6 unb Sprengel; bte englifcfyen ©pecialiften üfJtilfer unb Qlbrtart Jparbp
£awortlj b«ben ben alten Flamen Cereus = Äerge »ieber gu @f)ren gebraut, unter
bem fd)on 3ebler$ Unirerfaltesion ( 1733 ) bie ^flanje befebreibt, unb nennen bie ©pecieö
Cereus grandiflorus.
192 [ 252 / 253 ]
bte Sföorgenrdtbe be$ fyofyertt Sebenö." ©. 168 SOtitte wteberbolt er
mehr fdjerj^aft: „halb Mftlje td) alä Cactus grandiflorus, uitb ttt
ber gangen ©egenb wirb ei unmenfdblid) nad) ber fcfyottflen Sattttte
riedben." 3« ber Sfyat burd)brtngt bann ©. 226 „ber balfamtfd)e
©erud) ber grogbTumigen ^acfeHDtftel ben gangen weiten ©arten, ba$
gange SanbbauS"; ber ©drtner frdurnt „bie gange 9?ad)t oom Huben*
ben Cactus grandiflorus". Unb wtrfttd): „3n ber SKttte etne$
fdjdnen SöoSfetS war eine bofye gfacfel£>iftel entporgefeboffen, bie ibre,
int SÄorgenfirafyt nerwelfte SMätbe i)ina6fenfte",
3?ad) alt biefen ©teilen barf man wot)t annebmen, bag Jftoffmann
bie ,ffänig in ber 3?ad)t' gelaunt, aber jte als b otanifd)er gaie eben
für eine £>i(Mart gehalten bat, wie ja ber ißotfSmunb aud) bie 2Öate
gu ben gifdbeit (teilt. ©. 140 unten wirb 9>epufcb „fo bunn wie ein
Siftelftengel" unb ©. 184 umwinbet er ben GrgeTprtngen „mit bem
ganzen biegfamen Ädrper" — waö beibeö fd)led)t auf einen @actu3
pagt. ©o möge man ei and) unferent Setdjner nid)t berargen, wenn
er @. 51 unb ©. 229 an bie ©teile ber ,Äbnigin ber Sftadjt' eine
gemeine ^etbbiflel fefct.
5. ©prächtiges
2Bte ber mtiberfelle ©prad)fenncr sprof, Dr. ?ubwtg ©tern
in Berlin mir mttgutbeilen bie ©üte bat, tebuen bie 9tamen ber
SSorgefd)id)te ftdj offenbar an orientalifdbe an . £5aS arabifcf)*perjtfd)e
2Bort zehret bebeutet .93 In me' unb pagt alfo Portrcffltdj für ben
Srdger ber „wunberbevrlid)ften $8lume, bie ei nur geben mag"; and)
,©efafiS' unb ,®amabeb' Taffen an arabifdlj ^perftfd>e S0B6rter benten,
ohne bag tye r bie SBebeutung eine erfennbare Stolle fpiett.
SBegügltd) «£offtnannS eigener ©pradje fei furg auf fein and) fonfl
unberfennbareS SÖeftreben bwgewiefen, un»dt6toiJ£imJü>L Agi^L4tt.
meiben. 3n bem erhaltenen 2)?anufcript*©tucf ijt 113,19,2Biberfpriid)e'
nad)trdglid) gefe(jt fdr ,ÄontrafTe', ebenfo 128,20 ,©cf)laubeit' für
,©agagttdt'.
SBon 2Ö6rtent in ungewöhnlicher 2tnwenbung berjeidjne id>:
©tapel 101,8 = ©tapelplafc = ^afen;
[ 253 / 254 ] 193
Untiefen 221 ,10 = unermeßliche Siefen (ebenfo braucht «Ooffmann
,Un$eit');
f)anfiren 215,5». u. = Raufen, ftch aufhalten;
etwa 197 I. 3 * = mbglicherwetfe.
VI. §ur $e£f0efd)id>fe
m:
^ilrnanS lief baS STOdrcfjen bei Sari ?nbwtg Brebe in ber
'^efjtfcben ©tabt Öffenbach unweit granffurt brucfen.
Befannt (unb beS ndheren in SllingerS Auffa§ nnb unferer
fdnfttgen Briefausgabe nachjulefen) ift, welche Unannehmltchfetten ber
Verleger nnb mehr noch ber Autor infolge ber d?narrpanti*Spifobe
hatte. SCBie £i&ig berichtet Cf. o., ©. 237 37ote) unb J&ippel bejtdttgt,
ftch über ben ©inn feiner ©ebene in (Schweigen *u hüllen; nnb fchon
jwet Sage b o r Abfenbmtg beS entfeheibenben jwetten ßnarrpanti*
©tücfS, am 10. Sanuar, notirte SSarnhagen in feine ,SageSbIdtter':
„«Or ÄammergertchtSrath J^ofmann fchreibt an einem humoriitifchen
Buche, worin bic ganje bemagogifche ©efrfjichte, fafl würtlich auS
ben «Protofollen, hüchfl Idcherlich gemacht wirb." SS fonnte nicht
auSbleiben, baf fchltefltch auch $amp£ SÖinb babon befatn; unb bter
Sage nach bem Abgänge beS fünften unb fehlten Abenteuers, am
16. Sanuar, würbe auSgeführt, waS JJoffmann im bterten Abenteuer
gebietet: ein bewdhrter Agent würbe mit einem SKequifltionSfchretben
an ben Ütatlj bon ^ranffurt gefchteft, um ber Unthat auf bie ©pur
ju fommen unb jundchft baS STOanufcrtpt jur 3Durchftcht ju erhalten.
Bürgermeifter unb SKath ber fogenannten freien ©tabt benahmen ftch
freilich in ber fchnüben SEBtrf Itchf eit anberS als im Sttdrchen: Snbe
beS SWonatS fonnten ftc, mit ©enugthuung auf ihre Shdtigfeit jurücf*
bliefenb, an SBater ©chutfmann fchreiben, „obgleich bie ©chrift auf er
bem hicjiQC« ©ebtete gebrueft würbe", fo fei hoch „fchon am jweiten
Sage" alles im ©tune ber Äbniglich ^reuftfehen Regierung erlebigt
gewefen; bie Herren SKepubltcaner „fchmetcheln ftch, bei btefer
©elegenheit einen Beweis ihrer SBillfdhrigfeit gegeben ju haben."
Äampfc berlangte nach Äenntnif nähme beS SejteS am 1. g-ebruar
runbweg, baf bie ©eiten 20 btS 27 ,— im wefentlichen baS bterte
194
[ 255 / 256 ]
2f&cntc«cr u«t> bie erfte J^dfftc be$ fünften — geftridhen würben; ba$
übrige fdnne jlefyen bleiben. Sßßilmanö weigerte ftd), gutwillig auf
bteö 2(nftnnen einjugehen. darauf fah im Aufträge be$ preußtfehen
33unbeötag$*®efattbtett @rafen 2luguft ^riebrtch ^erbtnanb non ber
®o!§ (1765—1832, SÄinifter be$ 2lu$wdrtigen 1807—1814) bejfen
gewanbter Äanjlift Sodann 2(nbrea6 Zeichner (1789—1865) bie
inertminirten ac^t ©eiten burch unb bemerfte mit Stecht, baß bie
$narrpanti*©tellen „bloß eingelegt" feien nnb ftch „ohne befonbere
Unterbrechung beö Habens be$ ÜBerB" entfernen ließen. <£r um#
rahmte alfo bie fünf ©teilen, bie ihm nerbddhtig fchienen, mit grünem
^arbfttft; e$ ftnb ba$ in nnferem 2ejt
im bterten Abenteuer:
100.2 „Der SRath" — 3 „©runbfdfce."
101,io ». «. — 106,3
110,6 „Von ber" — io
im fünften Abenteuer:
126.2 — 3 „Änarrpantt."
126,9 — 135,12.
SDttt beren gwrtlaffung erfldrte SQBilmanä jtef) einöerftanben; aB neue
Drucfoorlage erhielt er eine 2lbfchrift ber ©eiten 21—28, in ber btefe
©teflen fehlten. Sßegen be$ fünften Abenteuers tydt er ei nicht erft
für nüthig/ bei #offmann anjufragen, ba Zeichner tyex in ber 5hat
nur bie fcharf umgrenjte Einlage geftrichen hatte; non bem nierten
Abenteuer fanbte er jeboch feinerfettS am 12. ^ebruar eine Abfcfjrift
an «ßoffmann mit ber 95itte um Durchweht unb eöentuetle ©rgdnjung.
«Ooffmann hatte feine Sufi, feinen caftrtrten ©ohn f>tttterher noch
forgfdltig auSguhetlen; er ließ alfo Zeichners AuSjug wie er mar,
unb ber Sefer erfuh* nunmehr ben ®runb non speregrinuS’ Verhaftung
nur au$ SeuwenhoeB Anbeutung ©. 114 unten, feine Stechtfertigung
überhaupt nicht, ©elbfl formell dnberte .£offmann fein SßBort; hinter ben
betben ^auptlücfen blieb alfo, gleichfam aB £)peration$narbe, ba$ *piu$*
quamperfectum flehen, wo man ein sprateritum erwartet: ©. 106 oben
„speregrimB hatte ♦ . ♦ endhlt"; ebenfo ©♦ 135 „gftit SBlifeeSfchnelte
batte . ♦ T Ipepufdb bie kleine aitS be$ n er liebten speregrimB Ernten
ftatt „speregrinuS erftarrte nor ©chrecf unb (grftaunen" .
[ 256 / 257 ] 195
ÜÖdfyrenb SÖtlmanS an Jjoffntamt fd^rteb, berichtete ber ©efanbte
ttarf) ©erlüt dber ben 23ermtttIungSborfd)Iag feines Äaniliften. £antp§
unb ©djucfmann waren eütberfianben, unb ber Srucf ging nunmehr
Wetter; Snbe 2(pril erfd)ien baS S3ucf), jwet Sttonate bor HoffmannS
2obe. —
£)te ©eiten 21—28 beS SriginalmanufcriptS Cbaju baS unterste
©täcf ber ©eiten 19/20 mit bent Söegtnit beS bierten Abenteuers)
waren ber preußtfchen SKegierung belaffen worben unb in ©djucfmannS
Acten gefontnten. Slltnger hat ftd), wie fdjon angebeutet, 1893 »er#
gebltcf) bemöf)t, Stuftest in baS Actenftdcf $u ermatten; im Frühjahr
1904 nahm td) mit bem fdrjltd) beworbenen Ard)tbrath Dr. Srharbt
beSwegen SKttcffpradje, unb eS würbe mir einige Hoffnung gemacht
bie Acten ju erwarten. SnbeS wollte td) jundchft meine Ausgabe bon
HoflfntannS 93rtefwed)fel erlebtgen; nnb injwifctjen gelang eg 1905
Stlinger Cber bon meiner Ab(td)t nichts wußtet bie bcftmtioe ©e*
nebmtgnng ber Archibleituna su erwirfett. 37ad)bem er, wie oben
gefagt, im Suti 1906 feine SÄefuItate beroffenttid)t, beeilte td) rnicf),
ihm meinen ©löcfwunfd) auSjufprechen, unb erhielt bon ihm bie Sr?
laubntß, ben gitnb für eine erfte botfftdnbige Angabe beS ,2Äetftcr$
g4oh' ju bemerken.
Am 28. Auguft 1906 fcfjlo^ irf> mit einem großen Seipjtger SBerlage
fcfjrifrttcf) ben enbgültigen Vertrag ttber biefe Ausgabe ab, bie 1907
erfcfyetnen fottte. — 3m Suni 1907 berfanbte bann ©eorg SDtittter in
QÄuttcfjen einen *Profpect über bie Hoffmamt? AnSgabe, bie Sari bon
Sttaaffen unb $ranj $3Iei unternommen fyaben; ber jetjnte Söanb biefer
Ausgabe — ber bei angestrengter Arbeit ber betben Herausgeber alfo
1917 erfcf)einen wirb — foll ebenfalls bert ungefurjten ,tD?eifter
ftlof)' enthalten. £>iefe 3ÄbgItd)?ett erfd)recfte meinen Seidiger
Verleger bermaßen, baß er barauffytn fofort bon feinem Sontracte
juröcftrat.
3u meiner nnb hoffentlich and) beS CeferS greube fanb fTd> in
©erlin ein -weniger besagter SKann, ber eS afS eine Sf)renpflid)t beS
bentfc^en S3erlagShanbelS anfah, HoffntannS lefcteS 2Berf, baS bisher
nur a(S Sorfo befannt war, noch in biefem Safyrgeljnt nnb als felbftdnbige
spublicatton bem Urteil ber Stteratnrfrennbe borjutegen. 28enn bann
in ber 5i)at eine borurthetlSlofe ^rdfung and) ergeben mag, baß unter
196 [ 257 / 258 ]
bcr Ungunft ber fßerhdttniffe ba$ SWdrchen, wie ja auch — sans
comparaison — ber erfle $i)ett be$ ^auft', at$ ©anpä nicht gegtücft
ift, fo ift borf) ber ©rmtbgebanfe groß unb biete Stnjel^eiten fo, wie
nur Hoffmann jte fchreiben fonnte; bor attem aber wirb ba$ üEBerf
jebem ^reunbe be$ ötchterS beöt>alb ehrwdrbig fein, weit eg auf ba$
engfte jufammenhdngt m it ben mannigfachen geiben ber fünf tefeten
öamtt jebem fein SRecfyt werbe, fei bemerk, baß ber 23erteger bie
©apanorbnung be$ SitetS unb ber Ueberfgriffen beforgt fowte
bie jwotf Segnungen auSgewdffft unb eingefügt hat/ bie jur Hdtfte
SBorgdnge be$ SKdrcfjenS barftelten*), jur «Odtfte Hoffraannfche STOotibe
frei weiterbttben**). 5Der Herausgeber ift für bie Raffung be$
Se^teS berantworttich***) unb muß t>ier jum ©chtuß noch furj
SKedbenfcbaft abtegen über bie Abweichungen beffetben botn öffenbarer
öruef.
1. 3m SWanufcript erhalten ift ein fünftel beS SejteS, ndmltch bie
beiben ©tetten
95,8 „*mdßigfie ftrage" — 3 p. u. „nicht fagen",
100—140,9 „atS bu".
*) ®a$ ®ilb
ittuftrirt bett £ejt
Umfcfylag
©. 35
©. 51
®. 141
®. 159
®. 223
®. 9: fperegrinub reitet auf bem ©tetfenpferbe spontifeE.
@. 37: fPetegcinud trägt ©örtje in fein j?au$, Aline iß entfett.
©. 59: «Pepufd)’ (Bericht: 2ljete( entführt ©amafjefj’ä Seiche, Sebevit
erftidjt ben ßgelptinaen.
©• 143: 9ltinenö (Bericht: ©örtje fleibet (ich mit Afinenb Hälfe an.
©. 163: ©ie (Prügelei gnrifdjen @gel unb Segenie.
©. 225: (peregrinub’ £raum: (Peregrinu$=©efafte mit 9t5bd)en;
2Jtei(ter 5lo& ate? Trabant.
**) ©er bebienenbe SRegerEnabe ©. 158 gebt offenbar auf ©orfjencS ©cherj jurndf,
baff RleregrinuS einen 9iegerfnaben [ben SReifter 3?tofj] in ©ienft genommen (©. 145
lebte 3eile). ßbenfo fdjeint in ber fcitelPignefte bai Be&enfpiel burch Sllinenö ©chilberung
©. 89 f. angeregt p fein.
***) nicht ofittig für bie ©rncEfeblet, bie bei ber @i(e ber Herftefinng fanm ju
permeiben waren. Hoffentlich ffnb bie beiben 170,io bie fchtimmften (e$ fott bort fteben
„mit feiner ©ilberftimme aufforberte"; ebenfo bitte id) 98,7 (Brebed Sefung Crueerfireicf)
roieber einjufefcen an ©teile oon ©rifebacf)ö überftftfftger ßonjectur kuerftrid)).
[258/259]
197
fHatÄrKcf) geben wir btefe ©tetfen i
itad) bent £)rtgina[ntanufcrtpt.
SBrebe war, wie wir gefet)en fjaben^
f bet ber jwetten auf ben amt*
licken £u$jug angewtefen; eä ftnben jtd) batjer außer ben fünf
oben angegebenen Hefen eine große 2(njaf)l Ungenauigfeiten bei tyrn,
non benen wir fyier bie gröberen
nennen (93rebe$ ©eitenjat)( folgt
jebeäntal in Kammern):
a) er läßt auä:
112/13 Sa (132,3 ». u.)
113,11 braöen (134,4)
115,io bod) (136,5 ». u.)
17 bod) (137,6)
2 t). u. jtdj (137,7». u.)
116,2 ». u. ©treiben (139,3)
123,19 nur (145,io o. u.)
138,6 wie (152,7)
b) er fcfyiebt ein:
101,i9 (öerfyaftet) bin (124,2)
108,7 £err CPeregnnuS) (127,4)
138,io o. u. be$ (9>eregrinu$) (152,2». u.)
c) er nerwedjfett ffiärter:
ftatt
brudt er
100,2 o. u. fjerauS
f)iuau$ (123,4)
106,8 g-reubenlofeS
freubenteereä (124,7 f)
12 fepn unb
fepn, nur ( — 13 )
17 St/rift ein
ßbrijtum ( — 19 )
110,3 geteilte
jteflte (129,7/6 0 . u.)
9 o. u. bärftet
bürft (130,12)
io/9». u. fd)tafen barf nnb ...
fd/tafen unb. , tragen barf (133,6f)
tragen fann
114,i6f 2Cf)!... at)
3Cct)! . . * ad) (135,8/7 e. u.)
120,8|7 ü. u. erblicft.
erbtieft. „@nbftcbfef)e td) @te wieber,
„(Snbftd), enbtid) fet/e
(141,13/12 o. u.)
td) bid) wieber,
4 t>. u. uneraebtet
ungead)tet (—, 99 . u.)
198
[ 259 / 260 ]
122,16 unternahm übernahm (144,2)
123, 5 fyerttorbltnften ^eröorblicfteit (—, 3/2 ». w.)
137.10 f bu ... [6]tft er . . . ifl (151,3)
138,15-17 ftd)... fcfjwingen . * . fpringen (152,7/6 ». u.)
2. $ür bie übrigen vier ^fünftel ftnb wir allerbing« auf iörebe« Drucf
angewiefen; bi« gur STCitte be« [tebenten Abenteuer« beruht ber ja aber
auf #0 ff mann $ ei genhdnbigem üftanufcrtpt, ijt alfo guverldffi*
ger al« ba« eben befjanbelte ©tütf. Smmerhin ^abett wir an 37
©teilen ben SÖortlaut dnbern muffen. Die 32 Eonjecturen, bie wir
au« ©rifebad>ö J$offmann*2lu«gabe übernommen, gdhlen wir \)ux ntcfjt
auf; neu haben wir
a) eingefügt [in klammern]:
29,12 er [egt- 28 ,i 2 f *Peregrituiö’ unfreiwilligen Jpanbtug] (93t. 33 , 12 )
53,19 War [bie üfommer ifl hier infolge 93erfe&enö ber Srudferei fortge6ließen]
(93r. 60,n)
b) geftricfjen:
184,19 |tcf) [gut ©tubenbedte erhob] (SBrebe 208 , 9 )
c) gwet ©teilen gednbert: wir fefcen
9,17 spontifej- ft. ^ontifer Gör. 6 , 10 ö
149,8». u. von irgenb einer Unorbnung ft- al« SKefultat irgenb
einer Hnorbnung (©r. 165,6/5 ». n.)
grünf anbere gwetfelhafte ©teilen höben wir unverdnbert getaffen;
vielleicht ift jeboch
flatt gu lefen
67,i 3ronte Erinnerung
79,3 ». u. bem J^errn ben J^err[e]n
180.10 0 . n. womit mit
212,7 fcbluchjten fchlucfjgte
213,i e. u. nicht ruhig (ober: in ®otteö Sftamen ob. bgi.)
3. 3n Sautgebung unb ©chreibung, ©tammbilbung unb ^lejton,
©»jntaj unb Snterpunftton höben wir ^offmann« Eigenart forgfdltig
gefront unb jte behutfam ba wieberhergeftellt, wo (te burch @e&er ober
2Ibfchreiber — gelegentlich auch burch J|5offmann« eigene Sftachldffigfett
— verwifdjt fehlen. Sffiir brauchen wol)( nicht erfl barauf hinguwetfen,
ein wie werthvolle« neue« SMaterial für bie ^eflfleKuitg biefer Eigen#
[260/261] 199
art bic acht großen SWanufcriptfeiten boten, bte tn unferem Xirucf ja
mehr al$ 38 Duartfeiten gefüllt ^aben.
©pedeß für unfer SMtch ergab ft<t> barauS bte non J^offtnann ge#
moßte ©dbretbung ber Eigennamen, #offmann fchreibt tn ber fReget
Seumenboef, feiten ?eumenboecf, nur jmeimat #b^tf: gerate btefe
fchlechtefle ^orm [ei ift, al$ wenn man SDörren ftatt SDuren fchreibt]
batSDrebe burchmeg eingefefct. ferner fchreibt «£offntann immer ElUJer#
btnf unb (mit Einer Entnahme) ©mammerbattlttl. ©tatt ©eorge
CPepufcb) (lebt jeboch ib™ fo oft ©eorg, baß mir bter nicht $u nor*
mtren magten. — SDer Familienname be$ gelben bagegen mtrb tn
SWanuffript unb Drucf nte anberS gefcbrteben at$ $ȧ. DaS 9 bejeich*
net b«r, mie j. SD. in bent tarnen ©pbel, baö lange t; ber 9?ame t(b
eine rein grapbifche Variante non S£bie$ (batteben gtebt ei u. a. bte
Schreibungen ^bteß, Süß, 3:f)tß; $b 9 e$, tyyi, $b 9 ß) «nb tfeßt bie
nieberbeutfche 2 tb!ürjung »on SOtattbiaS bar, ber bte oberbeutfcbe #ia3,
£te$ entfpricht.
Sftacb eigenem Ermejfen normirt haben mir ben ©ebraucb ber 2t n#
fübruttg$$etcben, bte mir an Anfang unb Enbe jeber tauten SRebe
gefefct, bet SOBtebergabe fltUer ©ebanfen jeboch fortgetajfen haben, ©roßere
Freiheit mußten mir un$ auch bet 2tbgrenjung ber 2 tbfüfce nehmen
(J&ofmann rücft bet beginn eine« folchen nie ein; menn alfo in
feinem 2Ranufcrtpt eine Beile mit einem fünfte fchloß, blieb ei betn
©eher übertaffen, ob er banach einen neuen 2 tbfah beginnen müßte
ober nicht.) üöenn j. SD. innerhalb einer SRebe etn 2tbfah gemacht
mar, haben mir prtndpteß auch mit unb nach biefer SRebe eine neue
3 etle begonnen.
201
EIN BERLINER THEATERBRIEF E. T. A. HOFFMANNS.
Wie ich an anderen Stellen näher ausgeführt habe, hat Hoffmann 1798 als Kammer-
gerichts-Referendar den Gitarrenvirtuosen Fontano, der eigentlich Franz von
H o 1 b e i n hieß, in Berlin kennen gelernt und dort bis zum Sommer 1799 viel mit
ihm verkehrt. — Bekannt ist, wie dann Holbein mit seiner unzertrennlichen
Freundin, der wundervollen Naiven Marie Renner, 1810 in Bamberg eintraf,
alsbald die Leitung des dortigen Theaters übernahm und sie zwei Jahre lang glor¬
reich mit Hoffmanns Hülfe führte. Eine der glänzendsten Entdeckungen, die die
Freunde machten, war der Tenorist Karl Adam Bader, den sie am 28.
Dezember 1810 auf die Bühne brachten. Außerdienstlich trafen die „Dioskuren“
sich im Salon der Konsulswitwe Fanny Marc und machten um die Wette
deren Tochter Julie den Hof; bei Hoffmann steigerte sich die Neigung zur
Liebe. Diese verspätete Leidenschaft wurde für seine musikalische und literarische
Produktion gleich wirksam; wir verdanken ihr einerseits die ‘Sechs italienischen
Duettinen’ (mit dem Duett „Ombre amene,amiche piante“als erstem) und anderer¬
seits zahlreiche der besten Stellen in den ‘Fantasiestücken’ und der ‘Biographie
Kreislers’. Bekanntlich wurde Julie dann von ihrer Mutter mit einem Hamburger
Kaufmann George Groepel verehelicht, der „sich bloß durch seine
Glücksgüter geltend zu machen wußte“, wie Juliens Vetter, der Dr. med. Speyer, es
in seiner feinen Weise ausdrückt. — Einige Jahre darauf, im Herbst 1815, trafen die
Freunde sich zum drittenmal, und zwar wieder in Berlin: Hoffmann, am Gendar¬
menmarkte wohnend, arbeitete probeweise wieder am Kammergericht, Holbein
spielte mit der Renner, meist in selbstgedichteten Stücken, im Schauspielhause
(1800/02 erbaut von Karl Gotthard Langhans [1733-1808], dem Schöpfer des
Brandenburger Tores). Am 13. Oktober trat er als Fridolin auf in seiner gleich¬
namigen Dramatisierung von Schillers ‘Gang nach dem Eisenhammer’; am Tage
darauf hörten die Berliner zum ersten Male Hoffmanns neue Hausgenossin
PaulineAnnaMilder, verehelichte Hauptmann (1785-1838), in der von
ihr 1805 geschaffenen Rolle des Fidelio. — Im folgenden Jahre ließ sich Holbein
mit der Renner von August Pichler in Hannover fest anstellen, wo er als trefflichen
Genossen den Sänger und Schauspieler Johann Christian Gerber
(1785-1850) fand.
Im gleichen Jahre spielte man in Berlin Hoffmanns letzte und wohl beste Oper
‘Undine’; zwei Tage nach der 23. Aufführung, am 29. Juli 1817, brannte das
Schauspielhaus ab. Der schwedische Dichter Per Daniel Amadeus Atterbom
(1790-1855) schildert in seinen hinterlassenen Aufzeichnungen lebendig den
Brand; er sah vom Gendarmenmarkt aus, wie Hoffmann sich aus dem Fenster
seiner Wohnung lehnte: „der Feuerschein beleuchtete das kleine magere Antlitz,
unter dessen Larve in jenem Augenblick gewiß einige Dutzend Wunderund Märchen
spukten.“ Wir werden gleich sehen, daß Atterbom mit dieser Vermutung nicht un¬
recht hatte.
Vier Monate darauf wurde Hoffmann von einem Leipziger besucht, der ihm
Grüße von seinem dortigen Freunde Adolf Wagner (Richard Wagners
Oheim und Lehrer) brachte. Er gab dem Fremden, den er nach Wagners Vorgang
202
als „Zauberer“ bezeichnet, am 25. November 1817 einen Brief an Wagner mit, den
ich vor Jahren veröffentlicht habe. Hier möge die Stelle über den Theaterbrand
wiedergegeben werden:
„Ich könte Ihnen erzählen, daß ich bey dem Brande des Theaters von dem ich nur
15 bis 20 Schritt entfernt wohne, in die augenscheinlichste Gefahr gerieth da das
Dach meiner Wohnung bereits brante, noch mehr! — daß der Credit des Staats
wankte, da, als die Perückenkammer in Flammen stand und fünftausend Perücken
aufflogen, Unzelmanns Perücke aus dem Dorfbarbier mit einem langen Zopf, wie
ein bedrohliches feuriges Meteor über dem Bankgebaüde schwebte — doch das wird
Ihnen alles der Zauberer mündlich erzählen und hinzu fügen, daß beide gerettet
sind, ich und der Staat. Ich durch die Kraft von drey Schlauchspritzen wovon der
einen ich eine böse Wunde mit einer seidenen Schürze meiner Frau verband, der
Staat durch einen kouragösen Gardejäger auf der Taubenstraße, der als mehrere
Spritzen vergeblich nach der ad altiora steigenden Perücke gerichtet wurden, besag¬
tes Ungethüm durch einen wohlgezielten Büchsenschuß herabschoß. Zum Tode
getroffen, zischend und brausend sank es nieder in den Pißwinkel des Schonert-
schen Weinhauses - Hierauf stiegen sofort die Staatspapiere! - Ist das nicht Stoff
zum Epos? — Da Sie vielleicht eins daraus machen könten, hiezu aber genaue
Kenntniß des Lokals nöthig ist, so lege ich eine kleine Handzeichnung bey die
vorzüglich die Proportionen sehr richtig darstellt. —“
(Karl Wilhelm Ferdinand Unzelmann war 1788—1823 als Sänger und
Schauspieler mit großem Erfolge in Berlin tätig. Der ‘Dorfbarbier’ des Wiener
Schauspielers Joseph Weidemann wurde mit der Musik von Johann Schenk 81mal
in Berlin aufgeführt; Unzelmann spielte den komischen Titelhelden, dem sein
Mündel, das er selbst heiraten möchte, von einem jungen Liebhaber durch List
entrissen wird. — Mit dem „Bankgebäude“ ist das unter Friedrich Wilhelm I. er¬
richtete schöne Haus der Seehandlung, an der Ecke der Jägerstraße, gemeint,
203
das bis in unsere Zeit den Gendarmenmarkt zierte; C. Schonerts Weinhaus
befand sich daneben, an der Ecke der Taubenstraße, müßte also auf der Zeichnung
eigentlich vor der Seehandlung stehen.)
Drei Wochen später, am 15. Dezember, schrieb Hoffmann einen zweiten Bericht
über das Ereignis nieder in einem Neujahrsbrief an seinen Jugendfreund, den Regie¬
rungspräsidenten Theodor Gottlieb von Hippel in Marienwerder:
„Das Dach des Hauses, in dem ich im zweiten Stocke wohne (Tauben- und Charlot-
tenStraßenEcke) brannte bereits von der entsetzlichen Glut, die das ungeheure bren¬
nende Bohlendach des Theaters verbreitete, und nur der Gewalt von drey wohldirigir-
ten Schlauchspritzen gelang es, das Feuer zu löschen und das Haus, so wie wohl das
ganze Viertel zu retten. Ich saß gerade am Schreibtisch, als meine Frau aus dem
Eckkabinett etwas erblaßt eintrat und sagte: ,Mein Gott das Theater brennt!’
- Weder sie noch ich verlohren indessen nur eine Sekunde den Kopf. Als Feuer¬
arbeiter zu denen sich Freunde gesellt hatten, an meine Thür schlugen, hatten wir
mit Hülfe der Köchin schon Gardienen, Betten und die mehrsten Meubles in die
hinteren, der Gefahr weniger ausgesezten Zimmer getragen, wo sie stehen blieben,
da ich nur im lezten Moment alles heraustragen lassen wollte. In den vorderen
Zimmern sprangen nachher sämtliche Fensterscheiben, und die Oelfarbe an den
Fensterrahmen und Thüren tröpfelte von der Hitze herab. Nur beständiges Gießen
bewirkte, daß das Holzwerk nicht vom Feuer anging. — Meinen Nachbarn, die zu
eilig forttragen ließen, wurde vieles verdorben und gestohlen, mir gar nichts usw.“
Hoffmann-Kenner wird diese Schilderung lebhaft an den ausführlichen Bericht des
Katers Murr über den großen Brand in der Nähe von Meister Abrahams Wohnung
erinnern, besonders an die Stelle, wo der Meister den voreiligen Rettern „sehr
trocken“ erklärt, „daß in solcher Gefahr der jähe Eifer der Freunde viel verderblicher
sich gestalte als die Gefahr selbst, da das, was vor dem Feuer geborgen,
gewöhnlich zum Teufel ginge, wiewohl auf schönere Art. Er selbst habe in früherer
Zeit einem Freunde, der von Feuer bedroht, in dem wohlwollendsten Enthusias¬
mus beträchtliches chinesisches Porzellan durchs Fenster geworfen, damit es nur ja
nicht verbrenne.“
Zum dritten Male hat Hoffmann den Theaterbrand in einem Briefe an Holbein
geschildert, den wir hier nach einer sorgfältigen alten Abschrift zum ersten Male
wiedergeben, nachdem wir noch kurz über den Anlaß des Briefes berichtet.
Als der obengenannte hannoversche Sänger Gerber Anfang 1818 eine längere
Gastspielreise antrat, die ihn auch nach Berlin führen sollte, gab ihm Holbein am 19.
Januar einen Empfehlungsbrief an Hoffmann mit. Gerber traf erst Anfang
April in Berlin ein, etwa gleichzeitig mit Bader, der ebenfalls als Gast auftreten
wollte und ebenfalls (zwei Tage nach Gerber) Hoffmann besuchte. Bader trat
zunächst in den Rollen auf, in denen der Wiener Sänger Franz Wild
(1791 — 1860) sich im Winterhalbjahr 1816/17 den Berlinern gezeigt hatte: als
Johann von Paris in Boieldieus gleichnamiger Oper und als Tamino in der ‘Zauber-
flöte’. Am 5. April wurde der ‘Johann von Paris’ gegeben und am 7. die ‘Zauber¬
flöte’ mit beiden Gästen; ferner sang Bader am 9. den Ottavio im ‘Don Juan’
und am 12. den Belmonte in der ‘Entführung aus dem Serail’.
Der Brief, in dem Hoffmann dem Freunde in Hannover über die beiden Gäste
berichtet, lautet:
204
Theuerster Freund!
Vorigen Sontag, d.h. am 5t. Aprill d.J. am Sontage Misere Dom. Maximus (Evan-
gel: vom guten Hirten Joh: 10 Neumond nach halb 5 Uhr Nachm. Tageslänge 13 St. 4
Min.) brachte mir Herr Gerber Ihren Brief vom 19. Jan: d.J. (am Ferdinandstage
geschrieben) der mich ganz und gar in die schönen Tage unseres Zusammenseyns in
Bamberg zurückversezte. „Die schönen Tage von Aranjuez“ pp Ew.
Hoheit verließen es nicht heiter, könnte man mit Schiller von uns beiden sagen,
indessen war doch im Ganzen das tolle unstete Treiben in B. keine üble Episode
— Eine Flitter auf dunklem Grunde — eine Fastnachts-Szene im komischen Roman
des Lebens - die Novelle vom Mohren im Don Quixote u. s. w. -
A propos! - Julchen Mark, die den Negotianten Groepel in Hamburg heirathete,
ist ganz vergröpelt! Cela veut dire - unglücklich — krank — blaß - sans enfans! ppp
O Gott! — Bader sagte mir das alles wenige Minuten vorher, ehe er als Tamino von der
Schlange verfolgt wurde, die die Wurzel oder vielmehr das Zündkraut alles Uebels
ist das rastlos fortbrennt hier auf Erden. Der Teufel hole solche Geschichten! ich
meine die von der Julia, die in Ihnen den transzendentalen Romeo ehrte, dessen
cousin germain wenigstens ich zu seyn glaubte und daher im superfeinen Tenor
lamentirte: Ombre amene, amiche piante! -
So viel merken Sie, Verehrtester! daß unser Bader wirklich hier ist und Gastrollen
giebt, Jean der Paris, Tamino, Ottavio, Belmonte. Er macht Furore und wird hier
wenn sein Contrakt in Braunschweig geendet als erster Tenorist mit 2000 rth
engagirt! — Aus Kindern werden Leute! - Sic eunt pp In der That hat sich aber die
vielversprechende Stimme auf das herrlichste ausgebildet und sein Spiel ist durch¬
aus nicht störend. Er ist viel besser als der Wiener Wild, der erstaunlich zahm war
in jeder Hinsicht — eine Art von Hausthier (bete de maison) — Mit Bader zugleich
trat Gerber als Papageno auf und entwickelte mit erstaunlichem Glück eine total
neue Ansicht dieser Rolle. Er gab nehmlich den Papageno durchaus als feinen
vielseitig ausgebildeten Weltmann, den der Hof der sternflammenden Königin a la
hauteur gebracht hat. Vorzüglich die erste Szene mit Tamino wo er nicht zu wissen
simulirt, daß hinter den Bergen auch noch Leute wohnen, daß Prinzen von Köni¬
ginnen gebohren werden (hübsche Anspielung auf die Unfruchtbarkeit der Königin
der Nacht) war ein Triumpf des feinsten gedachtesten Spiels. Ein glücklicher Ge¬
danke war es auch, daß ihm das P..*) Flötlein jedesmal versagte — das leise iro¬
nische Verhauchen mit gespizten Lippen! — Ohe jam satis! —
Leid thut es mir, daß Gerber gerade in einer bösen Periode gekommen ist. Ich
meine bloß Rücksichts meiner, da ich eben jezt mit Arbeiten so überhaüft bin, daß ich
mich werde um ihn wenig kümmern können. Unser Präsident ist verreiset und ich als
ältester und Vorsitzender Rath (ich bin nach meinem RathsPatent von
1801 ) als Kammergerichtsrath in das Kammergericht eingerückt per Kabinets-
Ordre des Königs zum großen Aerger vieler Leute mit verbrannten Steißen) muß
seine Stelle vertreten, habe daher außer meiner gewöhnlichen Arbeit noch die
Präsidial-Geschäfte - das drückt! - Am dritten Ort sind wir aber schon zusammen
gewesen d. h. in einer vornehmen Weinkneipe wo ich ihm diversen Champagner in
den Hals gejagt habe. —
*) Soll heißen Pan. [Anm. Hoffmanns.]
1. richtiger 1802 (2. Februar).
205
Hätten, o hätten Sie, mein theurer Orestes! mich Ihren demüthigsten Pylades
gesehen wie er höchsteigenhändig FensterGardienen abknüpfte - Tische - Stühle
trug und zulezt mit Addresse und Appointements eine Schlauchspritze die durch
seine Wohnung gezogen, da wo sie wund worden, in der Eil mit vortreflichen
Ginganschürzen seiner Frau verband und dann dirigiren half! — Unerachtet der
Wind abwärts ging zündete doch die HöllenGluth des Theaterdaches das Dach
meiner Wohnung zweimahl an - die Stuben mußten ausgeraümt werden, ich ließ
aber auch nicht ein Stück wegtragen (ich bin jezt ziemlich artig meublirt) und habe
deshalb - keine Theetasse verlohren. Die Milder (einen Stock niedriger mehr nach
der Mitte hin, gar nicht so in Gefahr) ließ ihre drey BuxbaumTische und sieben
Stühle wegbringen — über die Spree nach der Kön[igs]Str[aße] glaub ich! Auch
wurden zur Ergötzlichkeit des, wie Sie wissen, erregbaren 2 auf einer langen
Stange zwölf paar Strümpfe mit battistenen Hacken
[Nachschrift.]
D. 13 Junius 18
Was ist der Mensch! Eben heute in meinen Pap[ierenJ blätternd finde ich vor¬
stehendes Fragment eines Briefes den ich längst abgesendet glaubte — Ich bin
beinahe 3 Wochen hindurch an einer Verhärtung im Unterleibe gefährlich
krank gewesen - und liege noch im Bette - es geht aber besser - besser - besser
- die Munterkeit des Geistes hat mich nie verlassen -
Meine Frau und ich bringen der Mad. Renner die herzlichsten innigsten Grüße
dar
Mögen Sie uns immer in freundschaftlichem Andenken erhalten.
Ich schriebe gern mehr aber es geht noch nicht gut
Ewig unverändert
der Ihrigste
Hoffmann
2. Lücke so in unserer Vorlage.
207
2lu$ bctt Materialien
5 u einer
^öiograpfne (£. $. 21* S)offtnann3
93on
3)an$ Don Mütter
iii.
2lu$ ^offmattnö ^eräettögefc^ic^te 1796—1802
'Sott bem ©eficf)t, fettfam unb fdjauberooll,
©eb’ id) eud) hier baä äd)te ^cototoK;
©enti bic oral oon biefer Gf)romta:
De me (et te) narratur fabula.
®et 9?eue $<mt>äufer.
<3>rtoatbrutf in §n>eii)unberl (gjemptaren
batton jtocmjig auf ^aiferlid) 3apamfd)em Rapier
Otto <£rid) #artle6en
aum ©ebädjfniS
209
idj bon mehreren ©eiten l)öre, ift fpartleBenS ^Reputation burdj
eine Sßeröffentticfiung ber bon iijnt berlaffenen grau berartig IjeruntergeBradjt,
bafj fein §unb ein ©tü<J SStot rneljr bon iljm nimmt; ber eigne Verleger
fdjreiBt im Sßrofpeft, fein Slutor fönte für iljn nur nocfj als |>an§tourft in
SSetracfjt.
g<f) fenne ba§ SSucfj nicf)t nnb BeaBfidjtige nicf)t, e§ p lefen, benn rnidj
intereffieren niäjt §art!eBen§ gamilienatigelegenl)eiten, fonbern feine Kenntnis
be§ menfä)licf)en §ersenS unb bie feine, unter ©^merjen fpottenbe $unft,
mit ber er biefe§ SOßiffen in ber erften £>alfte ber neunziger gafjre ntannigfacf)
geformt Ijat. SDßie mir toerben hoffentlich auäj ben Empfängern biefeS
©eparatbrucfS bie „Slngele", ber „SIBgeriffene $nopf", ber „kleine", bie „Er=
äief)ung pr Elje", ber „©aftfreie $ßaftor", ber „Einfjorn^potljefer" unb bie
„©itttidje gorberung" merltoürbiger fein als baS pribate 9JHfjgefdjicf iljreS
SSerfafferS. gn biefem ©inne toünfdje idj mid) p bem SßerftorBenen p 6e=
fennen.
gm folgenben toirb e§ unternommen, bie Enttuicflung einer §artleBen
bietfach bertoanbten gnbibibualität p fcfjilbern. [ES ift feit ber Einleitung
jum ^reigterBuch (1902) mein erfter Sßerfudj üBer §offntannS innere ©e=
fchichte, unb toenn ftch ettoa jernanb bie 2JtüIje rnadjen fottte, Beibe ©fi^en
p bergteichen, fo toirb er finben, bafj je|t ber SSefounene bie $)inge anberS
fieht als bamalS ber S5eraufcf)te.] SSi§ Ijeute glaubte man, §offmann ljaBe
feit bem (unerflärten) 23rudj mit ber §att in ©logau unb jßofen nur um
graulein 5Q^ichaeline, bie Softer beS getoattigen ©taatSratS SlrpnSfi, ge=
toorten unb fie nad) langem Darren um Dftern 1802 im !£riumpl) prn
SHtar geführt. ES galt, bon bem allem baS ©egenteil barptun; fämttiche
Söelegftüiie bafür unb ptjlreicfje ^erfonalien toaren BeipBringen, unb auf jebe
Slnmut ber 2)arftellung mufjte unter biefen Umftänben beratet Inerben. gdj
^aBe Jeboch banad) geftreBt, toenigftenS in Sluffaffung unb Urteil midj als
Befdjeibenen ©djüler beS grofjen ©chriftftetter§ ju Betoäljren, beffen Slnbenfen
bie fleine SlrBeit getoibmet ift.
SSerlin W 15, Uljlanbftrafje 145,
Enbe DftoBer 1908.
35er SSerfaffer.
210
Nachschrift zur Widmung.
Während die gesamte, längst fertig gedruckte Auflage dieses Separatdrucks noch
beim Verleger der ‘Deutschen Rundschau’ in Quarantaine liegt (60 Exemplare bis
Anfang Dezember, 140 bis Neujahr), hat Hartlebens Verleger eine schön
gedruckte und gebundene Auswahl aus dessen Schriften in den Handel gebracht und
so seinen kleinmütigen Brief-Prospekt in erfreulichster Weise Lügen gestraft. Ich
kann nur hoffen, daß diese Publikation, die zu meiner Freude auch die sieben hier
genannten Werke enthält (freilich nicht Hartlebens Kritiken und erst recht nicht
die Seite 16 Note 2 zitierten Halkyonier-Sprüche) dem Dichter neue Freunde
wirbt, die ihn in erster Linie um seiner schwermütigen, im edelsten Sinne deut¬
schen Kunst willen lieben — und nicht, wie der Herausgeber der Sammlung es
Band I Seite X vorschlägt, weil Moppchen ihn geliebt hat.
Wie bekannt, gewährt das erbliche Urheberrecht seinen Benefiziaten leider nicht
nur die Rente, die ihnen sicherlich jeder gerne gönnt. Es hat die früher un¬
bekannte Species der literarischen Witwe gezüchtet, die herausgeben
läßt was sie will und wie sie will, die nach ihrem höchst persönlichen Ermessen
Herausgeber ernennt und absetzt, die sich frei nach jenem Muster aus der Vogel¬
welt auf die Statue des Verewigten setzt und zwitschert:„Seht, wie groß ich bin“ —
oder gar: „Seht, ich bin doch noch größer als Er!“ Ich habe wirklich persönlich
gegen Hartlebens Witwe nichts und wenig gegen Nietzsches Schwester; aber die
intellektuelle Rechtschaffenheit zwingt einen dazu, einmal prinzipiell auszu¬
sprechen, was jeder im Herzen von derartigen parasitären Celebritäten denkt.
Sicherlich war Hoffmanns Witwe weniger begabt als unsere eben genannten Zeit¬
genossinnen; trotzdem hatte auch sie es in der Hand, von sich reden zu machen.
Statt dessen übergab sie bedingungslos ein und für alle Mal das ganze literarische
Erbe einem persönlich zuverlässigen, literarisch versierten und vermögenden
Freunde ihres Mannes und überließ es dessen besserem Ermessen, damit nicht
zu ihrem, sondern allein zu Hoffmanns Ruhme zu schalten.
Gewiß war Hitzig nicht der ideale Biograph Hoffmanns. Aber wo war damals ein
Geeigneterer? (Ja, wo ist seitdem ein besserer Biograph Hoffmanns aufgetreten,
der universeller gebildet wäre und seinem Helden tiefer ins Herz schaute? )
Hitzig sammelte, was er durch öffentliche und private Umfrage erreichen konnte;
er veröffentlichte, was sich davon veröffentlichen ließ und bewahrte die Origi¬
nale sorgfältig der Nachwelt. Was dürfen wir mehr von einem zeitge¬
nössischen Biographen und Herausgeber fordern? Gewiß sollen wir
Nachlebenden, die wir die Früchte seines Sammeleifers benutzen und
nicht mehr durch Rücksichten auf Lebende gebunden sind, es besser machen als
er. Der folgende Aufsatz versucht das für eine der wichtigsten Perioden von
Hoffmanns Entwicklung.
Ende November [1908]
H. v. M.
211
35 o x Bemerfuttg.
Uufere Sarftellung toenbet fidj att foldfje gfreunbe be§ SicbterS, benen fern Seben bereits
au§ <&i^ts§ SBudj — ebentuell in bem 3luSjuge bon ©Hinget ober ©rifebadj — betannt
ift. 4?ifc»g§ SBeric^t beruht in ben t)ier in ^rage fommenben Partien 3 um größeren Seile auf
SJUtteiiungen bon f>offmannS Sfugenbfreunb «gti^pet, 311 m Heineren auf foldjen auS ber gamilie
Soerffer; ber ©influfe biefer 3 )oeiten Quelle t;at fidj überbieS negatib barin geltenb gemalt, baff
alle SßrieffteUcn über §offmann§ 4Va jährigen SSrautftanb gejtridben ober umgebeutet finb.
2 Bir toteberbolen ^ifeigS Eingaben t)icr nur, fotoeit ber Sufammenbang e§ notioenbig mac^t;
tmfre ^auf)tquelte ift ^ifjfjelS SluSsug auS ^offmannS Sugenbbriefen, ber 1901 in
•gnfcigS 9tadjlafi aufgefunben unb 1903/04 gebrudt ift (toartn er im 3Bucf)f)anbeI erfd^eint, bangt
bon ber Siterarifdjen 9lnftalt SRütten & Soening in ffranffurt a. Ift. ab). 9tud) baS SJtaterial
für bie 5Perfonalien habe ich im toefentlidjen 1904 gefammelt; ei flammt bortoiegenb auS ben
©taatSardjioen 3 U SBerlin uitb tpofen, auS ben Kirchenbüchern bon Königsberg unb ©logau unb
aus 9lbref}büdjern, unb eS ift teils bon mir birelt befdjafft, teils burcfj bie ©üte ber Herren Dr. g?eli|
Krueger au§ tßofen, SBifar Sangtau in Königsberg (jefet Siettor in Kaufebmen), ©ufjerintenbent
©nber unb Küfter SSraune in ©logau mir übermittelt. @rtoünfd)te ßrgänsungen im ein 3 elnen
habe ich 1907 bon £>errn SobanneS ©embritjti in SOtemel erbalten unb namentlich 1908 bon
fperrn ißrofeffor 2ß. StaSmuS in Krotofdjin, ber mich auf bie in 5J5ofen erfcbienenen Sluffätje ber
Herren f 2fofef>b Soloroicj (1890) unb OStar SlSner (1900) aufmertfam machte, burdj bie
u. a. unb Ort bon ^offmannS Srauung feftgefteKt toorben finb. 3dj babe bie Quellen
hier generaliter angeführt, ba ein SladjtoeiS im einseinen fidj an biefem Orte berbietet.
Um bie SarfteHung nicht mit SetaitS 3 U Übertaften, habe ich bie 3eitangaben in ber Siegel
nur nach fahren, allenfalls auch nach SDtonaten gemacht, bie Sage aber nur bei befonberS tpidjtigen
©reigniffen angegeben.
212
Im Jahre 1740 lebte in der Nähe von Königsberg, wahrscheinlich in Preußisch-
Eylau, ein altes Ehepaar V o e t e r i. Der Gatte war „Burggraf“, d.h. Vertreter
des Amtshauptmanns; er hatte von seiner Frau Elisabeth einen Sohn Christoph
Ernst (den am 25. Oktober 1795 in Königsberg verstorbenen Justitiar) und drei
Töchter, die in den dreißiger Jahren glücklich unter die Haube gekommen
waren: Gottliebe hatte den Konsistorialrat Schlemüller in Königsberg geheiratet,
eine andere den Pastor Christoph Hoffmann in Neumark, die dritte, Sophie
Luise, den Hofgerichts-Advokaten Johann Jakob Doerffer zu Königsberg.
Der Pastor Hoffmann kam 1751 als Diakonus nach Tapiau und wurde 1755
Pfarrer daselbst; er starb schon am 16. Juni 1758 mit Hinterlassung dreier
Söhne.
Der Advokat Doerffer, aus der alten Königsberger Juristenfamilie dieses Namens,
war ein sehr korrekter Herr und errang eine hochangesehene Stellung in Königs¬
berg. Er wurde Sachwalter der meisten preußischen Adelsfamilien, war im Nebenamt
Konsistorialrat und besaß, wie in den achtziger Jahren der bekannte Bürger¬
meister, Polizei- und Kriminaldirektor Hippel, ein Haus in der Junkergasse,
neben dem Lesgewangschen Damenstift.
Von seinen acht Kindern, die alle in diesem Hause geboren waren, brachten es
zwei Söhne und zwei Töchter zu höheren Jahren. Ende 1766 trat der ältere
Sohn Otto Wilhelm Doerffer (geb. 1741) als Referendar beim Königsberger
Hofgericht ein; Herbst 1767 heiratete die jüngere Tochter Luise Albertine
(geb. 1748) den jüngsten ihrer drei Vettern, Christoph Ludwig Hoff¬
mann (geb. 1736), der gleich ihrem Vater Advokat beim Hofgericht geworden
war; 1768 trat der jüngere Sohn Johann Ludwig Doerffer (geb. 1743) als
Referendar beim Hofgericht ein, während sein Bruder Otto zum Mitgliede des
Gerichts mit dem Titel Justizrat avancierte.
Zwei Jahre darauf erhielt auch Johann Ludwig eine Ratsstelle, aber nicht in
Königsberg, sondern bei dem Obergericht („Oberamtsregierung“) zu (Groß-)
Glogau. Er zog dort in das Haus des Oberbaudirektors Karl v. Machui in der
Preußischen Gasse und verheiratete sich mit der hochmusikalischen Sophie
Johanna Henriette Janitsch. Die Eheleute verkehrten besonders mit dem
Präsidenten des Gerichts, dem Sohne des Großkanzlers Cocceji, und mit einem
Mitgliede der dortigen Verwaltungsbehörde, dem Kriegs- und Domänenrat Gott¬
fried Diprand Wilhelm v. Reibnitz und seiner Ehefrau Helene Rosine, geb. v.
Tschepe, den Stammeltern der jetzigen Freiherren v. Reibnitz. — 1773 wurde
ihnen als erstes Kind Luise Johanna Henriette geboren, den 18. Juli 1775 Sophie
Wilhelmine [genannt Minna 1 ] Konstantine. Einige Jahre darauf folgte ein
Sohn, Ernst Ludwig Hartmann, 1784 endlich noch eine Tochter. Die Familie
war „durch feine gesellige Bildung ausgezeichnet“, man sprach gern französisch
und führte Theaterstücke im Familienkreise auf. Mitte der neunziger Jahre ver¬
lobte sich die älteste Tochter mit einem Rat an der Kriegs- und Domänen¬
kammer zu Kalisch, Friedrich Wilhelm Korn.
Während so Johann Ludwig Doerffer ruhig und sicher seinen Weg ging, hier ein
Lob und da eine Zulage erhielt, im ganzen aber 28 Jahre lang in Glogau alles
1. Diese falsche Abkürzung von Wilhelmine war um 1800 allgemein üblich; vgl. die unten
genannte Minna = Wilhelmine Spazier geb. Mayer.
213
seinen normalen Gang nahm, stieß den in Königsberg zurückgebliebenen Ver¬
wandten persönlich und dienstlich allerlei Unerwartetes zu.
Luise Albertine Hoffmann hatte 1768 und 1773 ihrem Gatten zwei Söhne ge¬
schenkt, von denen der eine jung starb. 1774 starb der alte Konsistorialrat
Doerffer. 1776 gebar Luise Albertine in der Französischen Gasse ihr drittes
Kind, unsem Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann; unter seinen Paten befanden
sich der Onkel in Glogau und ein Hausgenosse der Familie Doerffer, der Ge¬
schichtsprofessor Jakob Friedrich Werner (1732—1782, Vater des Dramatikers
Zacharias Werner). 1778 wurde dann das Ehepaar Hoffmann geschieden.
Der Vater behielt nur den älteren der beiden lebenden Söhne bei sich in der
Französischen Gasse, die Mutter kehrte mit dem jüngeren zu ihrer alten Mutter
in die Junkergasse zurück, wo ihre unverheirateten Geschwister, Otto und
Sophie, sich des kleinen Ernst annahmen.
Drei bis vier Jahre darauf, 1781/82, änderte der Großkanzler Carmer von Grund
aus die preußische Prozeßordnung und Gerichtsverfassung: die Advokatur
wurde beseitigt, und hinfort gab es in Ostpreußen nur zwei (koordi¬
nierte) Obergerichte, die „Regierung“ in Königsberg und das „Hofgericht“ in
Insterburg 2 . Aus Anlaß dieser Umwälzung nahm Otto Doerffer seinen Abschied,
und sein ci-devant Schwager, der bisherige Advokat Hoffmann, wurde als Justiz¬
kommissar und Kriminalrat dem neuen Hofgericht zu Insterburg zugeteilt.
Etwa um dieselbe Zeit, 1782 oder 1783, wurde der kleine Ernst in die Burg¬
schule des trefflichen Rektors Wannowski 3 geschickt, in der er dann seit 1787
bekanntlich in Hippels Neffen den besten Kameraden hatte. 1792 bezog er die
Universität, 1795 wurde er als Auskultator verpflichtet. Ein halbes Jahr darauf,
am 19. März 1796, verlor er seine Mutter (sie starb einen Monat vor dem Bürger¬
meister v. Hippel).
Der Patenonkel in Glogau lud den verwaisten Ernst sogleich ein, zu ihm zu
kommen. Dieser erhielt im Mai die nachgesuchte Versetzung nach Glogau; er
brach Anfang Juni auf und fuhr durch die polnischen Provinzen, über Marien¬
werder und Posen. In einem polnischen Städtchen wurden nachts die Pferde
gewechselt, und unserm Hoffmann fiel dabei ein Herr auf, der in eigener Equi¬
page ankam und dann in gleicher Richtung wie die Post weiterfuhr. Beide fuhren
am 15. in aller Frühe etwa gleichzeitig in die alte Festung ein; und wie Hoff¬
mann um 6 Uhr morgens beim Onkel eintritt, ist jener Herr auch gerade ein¬
getreten und entpuppt sich als — Friedrich Wilhelm Korn, der Bräutigam der
ältesten Cousine.
Dies drollige Zusammentreffen half Hoffmann einigermaßen über die erste Ver¬
legenheit hinweg. Doch wurde er einstweilen in der Familie nicht warm. Er
schleppte, wie man weiß, die Kette einer unglücklichen Liebe — zu einer ver¬
heirateten Frau in Königsberg - mit sich, und er konnte als deutscher Jüngling
2. S. darüber jetzt die ausgezeichnete ‘Geschichte der Königsberger Obergerichte’ von Georg
Conrad (Leipzig 1907: bes. S. 234 u. 237), auf die mein verehrter Freund Herr Karl
Theodor v. Schön in Charlottenburg mich aufmerksam machte.
3. S. über ihn in der ‘Altpreußischen Monatsschrift’ die einander ergänzenden Aufsätze von
Johannes Sembritzki (XXX [1893], S. 87-89) und von mir (XLIV [1907]),
deren Ergebnisse, um einige Angaben des Herrn Machholz in Königsberg vermehrt, ich
vielleicht an anderm Orte zusammenfassen werde.
214
nicht umhin, sich schon in den ersten Tagen dem Onkel mit seinem Geheimnis
„an den Hals“ zu werfen. Man kann sich denken, wie dies Geständnis auf den
korrekten Herrn wirkte. Er hielt es für nötig, dem jungen Werther einen Kübel
Wasser über den heißen Kopf zu gießen. „Sein Trost, sein Rat war eiskalt“, berich¬
tet der Patient zähneklappernd seinem alter ego Hippel; der Onkel habe ihm emp¬
fohlen, der Inamorata nicht mehr zu schreiben, damit seine Briefe nicht noch als
Belege in deren künftige Ehebruchsakten kämen.
Die Cousinen fand Hoffmann sehr gebildet und nicht eben häßlich, ja die Figur
der zweiten war ihm sogleich „äußerst interessant“; aber Freude versprach er sich
einstweilen nur von der Tante, einer „vortrefflichen Frau“, und dem Vetter, einem
„äußerst natürlichen jovialischen Jungen“.
Auf den 21. September war die Hochzeit des Korn mit der Ältesten angesetzt.
Hoffmann-Werther ist von all den bürgerlichen Gefühlen, die er um sich in Blüte
sieht, in tiefster Seele angewidert: statt seiner tragischen tiefen Liebe sieht er
„kindische Torheiten — Firlefänzen und Possenreißen mit Empfindsamkeit und
Liebelei — ich sehe Kleinlichkeiten, die man sich höchstens einmal im Leben
erlauben sollte, bis zum Ekel wiederholen“; man betrügt ihn um die besten
Stunden schwärmerischer Einsamkeit, indem man ihn „beständig herunter¬
schleppt, um die Küsse, welche die verliebte Braut dem Bräutigam auftippt,
zählen zu helfen. Jetzt hab ich mich“ — schreibt er vier Tage vor der Hoch¬
zeit — „in eine Garderobe, die dicht an meine Stube stößt, eingesperrt und sitze zwar
wie im Ohr des Dionysius (denn jeder Schall von unten verdreifacht sich, indem
er an die Eckmauer stößt und durch eine Öffnung im Boden heraufplatzt), sonst
aber ziemlich ungestört.“ Am Schlüsse heißt es dann: „Sobald Braut und Bräuti¬
gam den Bettsprung gemacht haben, sitze ich wieder im Ohr des Dionysius und
schreibe einen sehr langen Brief an Dich.“ — Immerhin bemüht er sich, seine
Mißstimmung nicht merken zu lassen und mit Galgenhumor zu maskieren.
„Dieser Humor beseelt noch meine Unterhaltung, vorzüglich mit den Damen, und
macht, daß man mich hier für einen leidlichen Gesellschafter und noch besseren
Musiker hält.“
Die junge Frau folgt dem Gatten nach Kalisch. Hoffmann klagt einen Monat
später wiederum, in Glogau nicht verstanden zu werden, nimmt aber jetzt Minna
aus: „Ich erinnere mich, Dir viel Übles von der Cousine geschrieben zu haben — es ist
alles nicht wahr, und nur ungezognen Grolls wegen hab’ ich Dich belogen.“
Um sich die lange Weile zu vertreiben, führt er Schattenspiele mit dem Vetter
auf, unter andern Goethes ‘Jahrmarkt von Plundersweilern’. Im Winter läuft er
Schlittschuh. So fängt er an, sich wieder mit dem Leben auszusöhnen: schlie߬
lich ist er doch „zu jovialisch, um [ewig] an einer fatalen Grille zu kleben,“ —
Am 21. Januar 1797 geht Minna auf längere Zeit fort. Spät abends schreibt
Hoffmann dem Freunde in „fieberhafter Schläfrigkeit“: „Denk nur, M[inna] hat
uns verlassen und auf eine entsetzlich lange Zeit, und ich bin so weichherzig, so
sentimentalisch beim Abschiede gewesen - habe sie unwillkürlich, als sie mir den
Abschiedskuß reichte, an mein Herz gedrückt, daß mir der Cousin einmal über
das andre versichert, ich wäre verliebt.“
Der Cousin hatte gewiß nicht ganz unrecht. Aber diese aufkeimende Liebe hat
Hoffmann nicht gehindert, andern Schönen den Hof zu machen: in seinem
Portefeuille liegen die Köpfe mehrerer Mädchen, darunter der einer M., der er
gerade eifrig huldigt. Auf der letzten Redoute hat er nur mit ihr getanzt, ja, er
215
ist ein paarmal in die Messe gegangen, um sie dort zu sehen, denn sie ist katho¬
lisch wie der dritte Teil der Glogauer 1 .
Im Mai sieht er die geliebte Frau in Königsberg wieder, und von neuem schießt
das halberstickte Feuer in heißen Flammen empor. Alles um ihn her ist ver¬
sunken, schreibt er aus Königsberg: ihr Wesen, ins seine verschmolzen, wird
ewig in ihm leben. Er arbeitet juristisch den Plan aus, die Scheidung der Gelieb¬
ten von ihrem „Unhold“ zu bewirken. — Nach der Rückkehr im Juni kommt ihm, wie
man sich denken kann, alles in Glogau matt und schal vor: „Hier habe ich
alles so wiedergefunden, wie ich es verließ — eben die gegenseitige Spannung —
eben das preziöse Wesen, das mich sonst auf meine Stube jug, entfernt mich
auch jetzt — mich überfällt zuweilen eine tötende Langeweile, wenn man um
mich herum lacht, und nach Fliegen und Bonmots jagt —.“ Zudem ist der joviale
Vetter weg. Dabei martert ihn die Ahnung, er werde die geliebte Frau nicht
Wiedersehen.
Diese Ahnung sollte sich schneller, als Hoffmann wohl dachte, bestätigen. Ende
August beschwert er sich darüber, daß dieselbe Person, die ihn seinerzeit der
Geliebten näherbrachte, sie ihm jetzt durch niedrige Mittel [vermutlich durch die
Andeutung, sie liebe einen Dritten] entfremden will.
Der brave Hippel wurde anscheinend schließlich degoutiert von diesen dunklen
Andeutungen und fruchtlosen Klagen, zumal er an praktischer Tätigkeit Freude
fand und seit dem April mit einem wohlhabenden Fräulein aus gutem Hause ver¬
lobt war, das er bald heimzuführen gedachte. Er ließ also ein halbes Jahr nichts
von sich hören: mochte sein Beichtkind sehen, wie es sich mit dem Schicksal
abfand.
Um diese Zeit scheint die interessante Frau in Königsberg sich in der Tat aufs
neue verehelicht zu haben, aber keineswegs mit dem malenden, komponierenden
und briefeschreibenden Jüngling in Glogau, sondern mit einem praktischen
Schulmann am Orte. - Wie diese Nachricht unmittelbar auf Hoffmann gewirkt
hat, darüber haben wir leider nicht die geringste Nachricht. Das mittelbare Er¬
gebnis war, wie es bei unserm sanguineo-cholericus sein mußte: er sagte der
Romantik energisch ab und warf sich ins andre Extrem; er nahm sich vor, es in
seinem bürgerlichen Beruf möglichst schnell möglichst weit zu bringen und sich
daneben möglichst korrekt zu verheiraten. Über den Gegenstand brauchte er sich
nicht den Kopf zu zerbrechen: seit Jahr und Tag wohnte er mit der Tochter
eines geachteten Beamten, der es noch sehr weit bringen konnte, unter einem
Dach; er stand ihr als Vetter nahe; er achtete ihren Geist und hatte sie gern.
Hinfort gab es kein Schwanken; endlich wußte er, was er wollte. Als der un-
getreue Hippel sich im Februar 1798 auf seinen Werther besann und ihn mit drei
Worten fragte, ob er noch lebe und in Glogau sei, fand er zu seinem Erstaunen
in Hoffmanns Antwort die entschiedenen Worte: „Mit der Welt in Königsberg
habe ich vollkommen abgerechnet. Außer... der Verwandtschaft. . . höre ich
von keinem Menschen etwas, mag auch nichts hören . . . Ein Umstand, den ich
1. Hitzig ergänzt das M. in „Michaeline“, wie er Hoffmanns Frau fälschlich nennt (s. u.). Es
ist an sich höchst unwahrscheinlich, daß Hoffmann die Posener Sekretärstochter, die er
sechstehalb Jahr darauf zum Altar führte, schon so früh und in Glogau kennen gelernt
haben soll. Beruht aber Hitzigs Angabe auf mehr als einer Vermutung, so liegt hier auf
jeden Fall nur ein schnell vorübergehender flirt vor.
216
mit Vorbedacht noch zurückhalte, um nachher desto mehr darüber schreiben zu
können, ist die alleinige Ursache, warum ich noch hier bin und in der Juris¬
prudenz solchen festen Tritt halte, daß ich glaube, künftigen Winter nach Berlin
zu gehen und mich dort sehr examinieren zu lassen . . . Ich muß auf Ehre schlie¬
ßen, sonst wird meine Visitenkarte ein Brief! . . . Wenn Deine letzten Versiche¬
rungen aufrichtig sind, so schreibst Du mir aufs baldigste! H.“ Das geschah, und am
1. April erklärte sich Hoffmann etwas deutlicher: „Der Zufall, teurer einziger
Junge, mischt seine Karten wunderlich: Rot und Schwarz, Gewinn und Verlust.
Mit Königsberg habe ich wirklich ganz abgerechnet. Aber Du weißt es, mir geht’s
wie Yorik: die Pausen sind mir fatal. Ich bin so gut gefesselt als ehemals, aber
jetzt ist’s ein Mädchen. Ich studiere mit erstaunenswürdiger Emsigkeit die
trockensten Dinge, begrabe mich in Akten“. -
Am 19. Juni wurde Doerffer auf Veranlassung des Justizministers von der Reck
an Stelle des (zu Svarez’ Nachfolger ernannten) Baumgarten zum Rat am Ober¬
tribunal zu Berlin ernannt. Hoffmann, der soeben das Referendarexamen be¬
standen, wurde auf seinen Antrag am 4. August ans Kammergericht versetzt. Ehe
die Familie nach Berlin abging, machte Hoffmann eine Fußwanderung durch das
Riesengebirge in Schlesien und Böhmen, der sich eine Fahrt nach Dresden an¬
schloß. Die Briefe, die er von Dresden aus (vermutlich über die Gemäldegalerie)
an die Braut-Cousine schrieb, gehörten, wie deren Familie 1823 Hitzig versicherte,
zu seinen „interessantesten Jugenderzeugnissen“.
Am 27. August begann die Reise nach Berlin, am 29. landete Hoffmann hier in
der Kurstraße im Hause der Madame Patte. Später wohnte er bei dem Onkel in
der Leipziger Straße, zwischen Markgrafen- und Jerusalemer Straße. — Unter
den Kollegen des Onkels trat der Familie besonders der geistreiche und gelehrte
Johann Siegfried Wilhelm Mayer näher (geb. Berlin 1747, 1769 Referendar
beim Kammergericht, dann Rat daselbst, 1795 ans Obertribunal versetzt), der
nach der Scheidung von seiner Frau sich bemüht hatte, seinen drei Töchtern
Minna, Karoline und Ernestine die „allerausgesuchteste“ Bildung zu geben. In der
Tat heirateten alle drei Schriftsteller, als erste Minna 1796 Carl Spazier (ihr
Sohn hat uns die wunderliche Familiengeschichte aufbewahrt). Karoline und
Ernestine nahmen statt der verlorenen Minna nun Minna Doerffer in ihren Bund
auf.
Hoffmann konnte bei den mannigfachen Anregungen, die die Hauptstadt in den
ersten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms III. bot, trotz aller spartanischen
Vorsätze nicht umhin, das Studium des Landrechts und der Pandekten gelegent¬
lich mit Zeichnen und Komponieren 1 zu unterbrechen; erst Anfang Mai 1799
meldete er sich zu den schriftlichen Arbeiten, erst Anfang Februar 1800 zur
mündlichen Prüfung. Am 27. März wurde er fürs Richteramt reif befunden. — Er
blieb aber nicht, wie er gehofft hatte, in Berlin, sondern erhielt eine mehr ehren¬
volle als angenehme Bestimmung in die polnischen Provinzen. Zunächst wurde er
in das vor sieben Jahren okkupierte Posen geschickt, als Assessor am dortigen
Obergericht, der sog. Regierung.
1. Über seinen damaligen Verkehr mit dem Gitarrevirtuosen Fontano (Franz v. Holbein)
habe ich den ‘Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins* vom Juli 1907 berich¬
tet, über eine eigene Gitarrenkomposition in den ‘Süddeutschen Monatsheften' vom Janu¬
ar 1908.
217
Er wohnte dort in dem neuen Hause der Deckerchen Druckerei, an der jetzigen
Wilhelmstraße; im zweiten Stock des Hauses wohnte ein älterer Richter, der
dichtende „Regierungs“-Rat Johann Ludwig Schwarz (geb. 1759) mit seiner
zweiten Frau Doris und deren Schwester Sophie. Die Kollegen traten sich näher;
Schwarz wollte eine Operette schreiben, die Hoffmann komponieren sollte. -
Einstweilen blieb der Assessor der Berliner Cousine treu; im Hochsommer 1800
teilte er den Königsberger Verwandten offen mit, daß er Minna Doerffer zu hei¬
raten gedenke. Onkel Otto meinte, „so was rasches und jugendliches könne gar
nicht gut gehen“; er schreibt dem unternehmenden Neffen: „Ey lieber, das all¬
gemeine Sprüchwort sagt wohl von den Theologen: ,So die Pfarre, so die
Quarre’, aber Du machst das Sprüchwort auch wahr von den Juristen.“ (Hoff¬
mann gab diese Worte schleunigst weiter an Hippel, der schon auf zwei „Quarren“
herabsah). Das Weihnachtsfest scheint der Bräutigam bei Doerffers in Berlin ver¬
lebt zu haben 1 .
In der Neujahrsnacht auf 1801 wurde in der Posener Ressource eine Kantate
zum Jahrhundertswechsel aufgeführt, die Schwarz und Hoffmann an Stelle des
projektierten Bühnenstücks gemeinsam hergestellt hatten; eine Abschrift wurde
der jungen Königin Luise dediziert. Aufs Theater brachte Hoffmann dann eine
auf einen Akt zusammengedrängte Bearbeitung von Goethes ‘Scherz, List und
Rache’ mit eigener Musik; er fand in Karl Döbbelins Wandertruppe „drei Talente,
wie ich sie nur zu den drei Rollen jenes Singspiels wünschen konnte“, und das
Stück wurde denn auch mehrmals aufgeführt, 1 „bis Partitur und Partien zufällig
verbrannten“. — So wußte Hoffmann selbst aus der polnischen Wüste eine Oase
hervorzuzaubern. Aber wie das Notideal des korrekten Beamten wieder zurück¬
trat vor dem des schöpferischen Künstlers, so verblaßte allmählich auch wieder
das Bild der entfernten Cousine. Die geistreichen Freundinnen der geistreichen
Minna, Karoline und Ernestine, verheirateten sich beide 1801: jene mit Jean
Paul, diese mit dem weniger beträchtlichen August Mahlmann; Minna wartete
auf den Vetter Ernst, aber dieser konnte sich nicht zu den Konsequenzen seiner
Ankündigungen entschließen. In seinem Innern tobte in diesem Jahre „ein Kampf
von Gefühlen, Vorsätzen pp, die sich geradezu widersprachen“. Er wollte sich
betäuben, und „wurde das, was Schulrektoren, Prediger, Onkels und Tanten
liederlich nennen. — Du weißt,“ schreibt er anderthalb Jahre darauf in einem
Rückblick an Hippel, , ; daß Ausschweifungen allemal ihr höchstes Ziel erreichen,
wenn man sie aus Grundsatz begeht, und das war denn bei mir der Fall.“
In dieser Stimmung traf er im Spätherbst 1801 mit Freund Hippel in Elbing
zusammen; beide fuhren nach Danzig und blieben dort zwei Tage. Hippel fühlte
sich befremdet und fast unheimlich berührt von dem Cynismus, den Hoffmann
zur Schau trug; und als er am Nachmittag des zweiten Tages einen braven Mit-
Gutsbesitzer traf, verabschiedete er kurzerhand den alten Freund und ging mit
jenem zu Abend essen. Er schrieb ihm dann nach Posen, ihr Beisammensein habe
„nicht so, wie vormals, die reine unverdorbene Laune, den Erguß der innigen
Freundschaft herbeigeführt.“ Nach Hoffmanns Tode schreibt Hippel deutlicher,
der Freund sei in Danzig nicht mehr der alte gewesen; „eine ungewöhnliche
1. „Dies [eine Leberverhärtung] beiseite gesetzt, lebe ich jetzt zufriedener, da wir, Gott sei‘s
gedankt, schon Oktober schreiben, und ich mit starken Schritten der Reise nach
Berlin entgegeneile.“ An Hippel 6. Oktober 1800.
218
Lustigkeit, die fast in possenreißende Skurrilität ausartete, und das Wohlgefallen
am Obszönen ließen ahnen, daß irgendeine Veränderung, die sein
Herz betroffen, ihn dem Gemeinen und besonders einer gewissen Las¬
zivität zugewandt habe, die für ihn um so verderblicher sein mußte, als die süd¬
liche Heftigkeit seines Temperaments ihn immer auf Extreme führte.“
Um Neujahr 1802 schrieb Hoffmann dem Freunde einen Brief, der Hippein „ein
zerrißnes Herz, die unaussprechliche Sehnsucht, in das Asyl der Freundschaft zu
fliehen, in jeder Zeile zeigen mußte.“ Aber Hippel, dessen Gattin bereits mit dem
dritten Kinde ging, hatte nun einmal kein Ohr mehr für diese Jünglingsleiden
und ließ Hoffmann ein Jahr lang in dem Glauben, seine Freundschaft verloren
zu haben.
Am 2. Februar wurde Hoffmann zum Rat an der Posener „Regierung“ ernannt,
und nun mußte er Ernst machen. Er tat es, indem er entschlossen das Verlöbnis
mit Minna a u f 1 ö s t e. Die Familie war außer sich; Minna warf alle Briefe des
Ungetreuen in den Ofen, auch die schönen aus Dresden; ihre Freundin Karoline
Richter hat Hoffmann den Schritt nie verziehen und bekanntlich noch nach
einem Jahrzehnt ihren berühmten Mann vor dem schlechten Menschen ge¬
warnt 1 .
Wie Hoffmann im Jahre darauf rührend an Hippel schreibt, hatte er sich damals
„mit allem, was mich umgab, und mit mir selbst überworfen“ und fand nur Be¬
ruhigung in der Lektüre von Hippels Jugendbriefen. Nebenbei kommt als Fühler
die Frage: „Vielleicht hast Du durch Zufall einige Nachrichten von dem tragischen
Ende der zweiten Liebesepisode in meinem Leben aus B[erlin] erhalten? “
Auf Hippels freundliche Antwort erwidert er, er könne seine Biographie
schreiben „zu Nutz und Frommen derjenigen, die da zu lieben — geliebt zu wer¬
den glauben und in den Stand der heiligen Ehe treten wollen. Schriebe ich diese
Selbstbiographie mit der Gewissenhaftigkeit Rousseaus, der mit seinen Bekennt¬
nissen unter dem Arm vor den Richterstuhl des Ewigen treten wollte, so würde
Minna D[oerffer] mir die Hand — nicht zur Versöhnung, nein, weil ich
schuldlos war, als alles mich verwünschte und den Treulosen schalt, freund¬
lich bieten. Ich habe mit Kraft ein Verhältnis vernichtet,
welches sie und mich unglücklich gemacht haben
w ü r d e.“
Ehe aber diese Briefe geschrieben wurden, war es Hoffmann abermals ergangen
wie Yorik: kaum hatte er die eine Rosenfessel abgestreift, so umfing ihn hold
1. Kunz berichtet in Dullers ‘Phönix’ vom 26. November 1835, Jean Paul habe ihm [Ende
August 1813] in Bayreuth gesagt, er könne Hoffmann nicht lieben, da seine Frau, die
Hoffmann früher in Berlin kennen gelernt, ihm Dinge erzählt habe, die dessen Herz in
keinem vorteilhaften Licht darstellten. Kunz fährt fort: „Nur angedeutet wurden
mir diese Dinge, die mich mutmaßlich darauf hinführten [soll heißen: so daß ich ver¬
muten mußte], daß eine Freundin von Jean Pauls Gattin irgendein Verhältnis mit
Hoffmann gehabt habe, bei dem er die Pflicht der Dankbarkeit verletzt
haben müsse.“ - Minnas Vater starb am 24.September 1803. Ihr Bruder ist noch gut
drei Jahre lang als Referendar am Kammergericht nachzuweisen; er wohnt Ende 1803
und Ende 1804 Neue Commandantenstraße 15, Ende 1805 Friedrichsstraße 44, Ende
1806 Kronenstraße 22. Was weiter aus ihm und seinen Angehörigen geworden ist, habe
ich noch nicht ermittelt; doch hat, wie gesagt. Hitzig offenbar noch 1823 mit der Fami¬
lie in Konnex gestanden.
219
die neue. Er hatte sich in Maria Thekla Rohrer 1 verliebt, die hübsche
21 jährige Tochter des ehemaligen Posener Magistratssekretärs Michael 2 Rohrer,
der, seit 1758 im Kommunaldienst beschäftigt, bei der Okkupation 1793 wegen
seiner mangelhaften Kenntnis des Deutschen mit 116-| Talern Pension ent¬
lassen worden war (übrigens genau seinem früheren Gehalt entsprechend, das
ebenfalls den Wert von 350 Mark darstellte).
Hoffmann hätte, wie sein Hausgenosse Schwarz bekanntlich berichtet, „dies
schöne Mädchen gern sein genannt, ohne sich die Fesseln der Ehe anlegen zu
lassen“. Maria Theklas Schwester, die später Hoffmanns Freund Gottwald hei¬
ratete, war mit Schwarzens Schwägerin Sophie befreundet, und nun nahmen
Frau Doris und Mamsell Sophie die kleine Polin „dergestalt in Schutz, daß die
Geschichte davon einen artigen Roman abgeben würde — und der Weg zu
ihr am Ende doch nur durch die Kirche ging, was für Mühe sich Hoffmann auch
gab, auf einem Schleifwege dahin zu gelangen.“ Ganz hat Schwarz (der die noch
lebende Frau zu schonen hatte) damit freilich nicht die Wahrheit gesagt; Hoff¬
mann schreibt am 25. Januar 1803, daß er „seit dreiviertel Jahren verhei¬
ratet“ sei und berichtet neckisch, daß die Frau gerade ein Kindermützchen
stricke. Man darf also annehmen, daß schon Ende März die beiden sich fürs
Leben gefunden hatten, drei Monate bevor die Kirche den Bund bestätigte. Ihren
„Roman“, den Schwarz uns vorenthält, wollte Hoffmann selber seit 1820 schrei¬
ben unter dem Titel ‘Jakobus Schnellpfeffers Flitterwochen vor der Hoch¬
zeit’; er hätte uns seine Jugendschmerzen darin erzählt, wie in der Biographie
Kreislers die verspätete Liebe zu Julien. Leider ist es nicht dazu gekommen, weil
er den besser bezahlten Almanachsarbeiten immer wieder den Vortritt gab. —
Am 26. Juli 1802 fand — offenbar in aller Stille — die nachträgliche Trauung in
der Posener Corpus-Christi -Kirche durch den Pfarrer Martin Hantusch statt; als
Trauzeugen fungierten die schlichten Männer Peter Sobolewski und Theodor
Tott. In der Südpreußischen (heute: Posener) Zeitung zeigte Hoffmann das Er¬
eignis am 31. Juli seinen Freunden an.
Nach allem, was wir wissen, hat Hoffmann den halb unfreiwilligen Schritt nie
bereut. Wenn wir auch keinen Rausch glühender Phantasie über Maria Thekla fin¬
den (wie Hoffmann ihn später, immer halb der Dichtung bewußt, für Julia Marc
träumte), so stört uns andrerseits nicht ein böses oder auch nur kaltes Wort.
Proben vom Gegenteil kennen unsre Leser aus den von Hitzig bereits mitgeteil¬
ten Briefen an Hippel; wir erinnern hier an vier: aus dem „Exil“ zu Plock schreibt
Hoffmann Anfang 1803 dem Freunde, daß „ein sehr sehr liebes Weib mir alle
Bitterkeiten ... versüßte und meinen Geist stärkte“; Ende des Jahres heißt es: das
Musikstudium „sowie der Umgang mit meiner Frau, die sich, Dank sei es dem
Schicksal! meinem Anachoretenleben ganz anschmiegt, ist das einzige, was mir
zuweilen Augenblicke des Lichts gewährt.“ Im Dezember 1808 freut er sich in
Bamberg innig über „die Wiedervereinigung mit meinem lieben, herrlichen Weibe“,
und im März 1815 erklärt er es von Berlin aus für seine erste Pflicht, „für eine
1. Neben diesem deutschen Namen führte die Familie den polnischen Trzcinski, der von
trzcina (dreisilbig: trsch-tschi-na) = Rohr abgeleitet ist. Der eine Name ist also die Über¬
setzung des andern; welcher der ursprüngliche ist, habe ich noch nicht festgestellt.
2, Maria Thekla ist darum Michalina zubenannt, = russisch Mischa'üowna, Tochter des
Michael. Hitzig hat irrigerweise den Eigennamen Michaeline daraus gemacht und nennt
auch später die Witwe so in den von ihm aufgesetzten Buchtiteln und Vorworten.
220
herzensliebe Frau zu sorgen und ihr nach dem, was sie mit mir ausstand, eine
bequeme Lage zu bereiten“. [— Um zu würdigen, was diese Äußerungen einer stets
sich gleich bleibenden innigen Zärtlichkeit im Munde eines vates irritabilis
bedeuten, halte man sie zusammen etwa mit den Ausbrüchen fanatischen Hasses,
mit denen Nietzsche die Frau bedachte, die dann fünfzehn Jahre lang ganz
Europa düpiert hat als die Vertraute seiner Gedanken 1 — und mit den Pfeilen,
die der „Eremit vom Gardasee“ in seiner „asketischen Klause“ zu Salö
schärfte, um sich für ein unabwerfbares Joch wenigstens in der Vorstellung zu
rächen 2 .—] Und Ende gut, alles gut: drei Monate vor seinem Tode, am 26.
März 1822, setzte Hoffmann für sich und seine Frau einen Erbvertrag auf, in
dem es heißt: „Wir . . . haben nun bereits seit zwanzig Jahren [stimmt genau!
s. o.] in einer fortdauernden wahrhaft zufriedenen, glücklichen Ehe gelebt . . .
Einer ist immer des andern Stütze gewesen, wie das denn Eheleute sind, die sich,
so wie wir, recht aus dem treusten Herzen lieben und ehren.“ Maria Thekla über¬
lebte ihren Mann über ein Vierteljahrhundert; sie starb erst am 29. Januar 1859
in Hirschberg.
So können wir, bei aller Dürftigkeit der Überlieferung, auch in Hoffmanns Leben
die Entwicklung verfolgen, die wir alle (oder doch die Meisten von uns) durch¬
gemacht. Der Jüngling, dem die „Welt“ sich öffnet, stürzt sich besinnungslos in die
„schöne Seele“ wie der Schmetterling in die Flamme; nachdem er sich die Flügel
hinlänglich verbrannt, verehrt der reifere resigniert den „schönen Geist“;
und erst der Mann erkennt (mit einem nicht bitteren, sondern fröhlichen
Lachen), daß die „Seele“, die er angebetet, und der „Geist“, den er geschätzt,
Phantasmagorien waren, die seine erregten Sinne ihm vorgespiegelt. Nachdem
nun die Augen ihm aufgetan, gibt er dem heiligen Urtrieb, den Sinnen, dem
Herzen sein Recht und folgt der lieblichen Weisheit, die Wedekinds Rabbi
E s r a seinem fürwitzigen Sohne Moses vorträgt und die Dehmel in den Spruch
gefaßt hat:
Erst wenn der Geist von jedem Zweck genesen
Und nichts mehr wissen will als seine Triebe,
Dann offenbart sich ihm das weise Wesen
Verliebter Torheit und der großen Liebe.
1. Der sonst wohl unbeträchtliche Herr Carl Albrecht Bernoulli hat sich ein unsterbliches
Verdienst erworben, indem er diese Briefstellen rettete und im ‘Literarischen Echo’ vom
15. Mai 1908 der Ewigkeit aufbewahrte.
2. Er versandte sie zu Neujahr 1904 im ‘Halkyonier’, dem zierlichen Gedichtband, dessen
Japanexemplare Grisebach und ich als Hartlebens letzte Geschenke stets besonders in
Ehren gehalten haben: ich meine hier die zwölf bitterbösen Sprüchlein von Ehe und
Scheidung Nr. 80-91, und von diesen insonderheit die sieben Nummern 82-85. 87. 90 f,
die hintereinander gelesen auch dem Fernstehenden keinen Zweifel über ihre persönliche
Geltung lassen.
[ 162 ]
221
Denkmalpflege
[Die Vernichtung von Hoffmanns Grabstein]
Unsere Mitteilung über den eigentümlichen Akt von
Denkmalpflege, der vor einigen Jahren an E. T. A. Hoff¬
manns Grabe vorgenommen worden ist, hat in der deut¬
schen Presse Widerhall gefunden, welchem aber eine ent¬
rüstete, die »Kunstchronik« der Unwahrheit zeihende Ab¬
leugnung des Kirchenvorstandes der Jerusalems-Gemeinde
gefolgt ist. Herr Hans von Müller, dessen noch im Druck
befindlicher Ausgabe von Hoffmanns Briefwechsel wir
unsere Mitteilung entnommen hatten, schreibt uns: Der
obere, symbolische Teil von Hoffmanns Grabstein enthielt
in der Mitte einen Schmetterling, als Symbol der befreiten
Seele, darum schloß sich, als Symbol der Ewigkeit, eine
Schlange, die sich in den Schwanz beißt, und zu beiden
Seiten sprossen aus den Schlußrosetten der elegant ge¬
schwungenen Umrahmung je drei Farnwedel hervor, als
Symbole der Auferstehung. Der untere Teil des Grab¬
steins enthielt die bekannte Inschrift in vollkommen deut¬
licher, aber kühn geschwungener Schreibschrift, wie sie zu
Hoffmanns Zeit in den Kanzleien noch mit Liebe gepflegt
wurde; die großen Anfangsbuchstaben reichten durchweg
über die folgenden hinüber, in Hoffmanns Namen griffen
T. W. H in ausgezeichneter, künstlerisch freier Weise in¬
einander, das K von ,Kammer' holte flott über die nächsten
drei Buchstaben aus, und alles das wirkte doch so selbst¬
verständlich, daß es in keiner Weise den Charakter der
Monumentalität beeinträchtigte. — Wenn also der Kirchen-
voi stand in seiner Erwiderung behauptet, daß seine spiegel¬
blanke Platte eine »genaue Nachbildung« des alten Steines
und die schülerhaft ängstlich gezirkelte, unbeschreiblich
ärmliche Schrift, die wie Typensatz wirkt, »bis auf den
kleinsten Zug« der alten nachgebildet sei: so verrät er
damit nur, daß er den alten Stein überhaupt nicht erst an¬
gesehen hat, bevor er die »Fabrik« anwies ihn zu vernichten.
Zum Glück sind mindestens drei Photographien des alten
Steines vorhanden, die beste im Besitze der August-Scherl-
Gesellschaft. Nach dieser bringt meine (etwa zu Ostern
erscheinende) Briefsammlung den Stein in Lichtdruck; einst¬
weilen hat der »Tag« am 4. Dezember den alten und den
neuen Stein einander gegenübergestellt, allerdings in sehr
groben Autotypien, die die ausgezeichnete Erhaltung von
Skulptur und Schrift des alten Steines nicht ahnen lassen.
[III]
223
[Nachwort zu Hoffmanns ‘Brautwahl’]
I. 2tef%fifdf>e0.
(S5ie ‘Srauftnaf)!’ afä fertiget 2Berf betrachtet.)
i. S)iß 23rauftt>af>I als (Srgä^Iung.
meine 2Iuögabe ber DQTärc^en ber ©erapionö=23ruber habe icf>
1906 bie ‘23raufti>aE>[’ nidf)f mif aufgenommen, weil mir fd^len, baj$
bar in baö Bürgerliche bacs romantifche übertt>5ge.
Dffenficf)fridh fpielt in ber ‘Sraufmahl’ baö märchenhafte eine un=
gleich hefdheibenere 9?otIe alö in ‘^Tujjfnaifer unb 3Haufefönig’, im
‘gremben Äinb’ unb in ber ‘ÄonigöBrauf 3 . Jjpoffmann, ber wie fJlie^fche
feine beflen SDöh eifen auf fich felbfl Dermenbefe, lä^f (@. 64 ) ßeonharb
ficf> bem publicum alö deus ex machina vorfteilen, c»h ne bßffen Jpocuös
pocuö leiber bie 25erlinifd^e ©efd^id^fe t>Dn ber Sraufroahl nicht ju Günbe
geführt roerben fönne; unb feinen eigenen QSerfrefer Sheobor läjjf er
(@. j5) Bebauern, baf$ ber 23erfaffer überhaupt erfi ben Jpafffij gelefen
unb feine ©effalfen in bie (Srjählung eingeführf: „nun erfcheinen bie
beiben ung[ü(ffeeligen Sfapenanfö ald frembarfige ^rinjipe, bie mit ihren
3 auberfraffen nur auf gelungene 2 Beife entwirf en in bie Jpanbhmg."
Siefe Jpanblung erinnert in ber Shaf auffaüenb an bie einer anberen
©rgähhing Jpoffmannö, 'bie mif 3 ^edE>£ no 6 ) niemanb für ein STtärchen
angefprodhen hat: an ben ‘^rtushof’ »an üfnfang 1815. Jfpier liebt
ber Jpelb — unb gwar nidE>f unglücklich — erft bie reiche, aber pro*
faifche unb unfcf)Dne Äaufmannöfodhfer (&hriftina 9 ?ooö, bie bann
ben Sudhhalt^r ihreö Sßaferö heiraf^ef, unb barauf bie poetifc^e unb
fdhöne, wenn auch arm* Äünffleröfochfer geTigifaa Serflinger, bie
ihre Jjpanb erfl bem jungen Kaufmann Sranbffeffer oerfpridhf unb fie
fdhlie^fidh einem praftifchen 3 urI ff en > ßriminalrath SXRathefmd,
fdhenEt. lag nahe, biefeö Soppelerlebnifj bea gelben gufammem
§u[egen; unb in ber ‘Sraufwahl’ fxnb in ber Xfyat beibe DJtäbchenfiguren
combinirf §u ber reidfjen, gebilbefen unb h^kf 1 ^ 11 Äaufmannöfodhfer
2 IIberfine Sofjwinfel, bie auf ber 2 IuöffeUung pon 1816, für bie
fie hodhftfelbfi eine Stickerei geliefert (@. 26), £ehfenö grüne Äunff
fennerhaff ju würbigen glaubt (@, 24), bie 1817 („wenigffenö je§£":
224
[IV]
(5. 62 fJHiffe) feine Eperfon „gu lieben Dermeinf", bie bann aber 1819 ff
mif bem ^nbfd^en, eleganten unb ffrebfamen Dieferenbariuö ©Tojrin ohne
gtage roefentlidh glüt£lit^>er »erben mirb alö es it>r mif bem „arm=
feeligen finster", mie ibr 25afer if>n nennt, möglich gemefen märe,
©er £elb felber ift in beiben @r$äf)Iungen ein junger 32taTer, ber
burch einen unheimlichen alten fJTteiffer in baö 2 Befen feiner ÄunfI ein--
gefüf>rt mirb unb ber bann bie 23oIIenbung feiner Äunft unb feineö
Cebenö in fjfalien finbet.
2 . 2)ie ^öratiftna^I dies 3fI£ärdE?en.
2Inbrerfeifä ftnb biefe giguren audE> in einem Dltärd^en benfbar-,
unb jebem unferer Cefer ift eö roofd fdE)on eingefallen, bajj er bem
Sppufl St)rifiina=ge[ijifaö= 2 I[berfine fcf)Dn in Jpoffmannö erffem unb Dieb
[eicfjf fcfjonffem DKärdE>en begegnet ift, nämlich im ‘©olbenen Xopf’
Don 1813/14. £ier glaubt bie l>übfc^e blauäugige SSeronira ^aulmann
aufrichtig ben ©fubenfen 2 InfeTmuö gu Heben, mirb bann aber gu
beffen unb ihrem eigenen JpeÜe bie ©affin beö ^errn ^ofratf)
Jpeerbranb. ©eifbem mir JpDffmannö SRoman mif feiner ©oufine
3 Kinna, ber gebifbefen 2mcf>fer beö ©eheimen DberfribunaTösStafheö
Soerffer® fennen, miffen mir, marum biefer ©ebanfengang ihm fo
naf>e lag unb biefed EUTofio if>n gu immer neuer ©eftaffung reigfe.
fyabe mit Äraff ein SSerhälfnifj Dernicf>fef, melcheö fie unb mich
unglütfndE) gemacht fyaben mürbe" fdf)reibf er im ©efühTe, eö recf)f
gemacf)f gu hoben, im grühjal)r 1803 an Jpippel.
Ser Gfwoffer 2öerfed mujj fiif> affo auö ber 2Irf ber übrigen
giguren unb ihrer 23 erbinbung mit ben rationellen Partien entfdheiben.
9 tun fyaben „bie beiben Unheimlichen" (fo @. 16) Ceonharb unb STtanaffe
einen auögefprodhen märchenhaften ®h ara ^ er / unb namenfliih £eonTjarb
greift Diel entliehener in bie Jpanbfung ein, afe Jjjoffmannö ©elbfifrifif
es gerten Taffen mill.
©ine DergTeichenbe llnferfuchung ber 31 cdrehen unfereö Sidhferö, mie
fie DieTIeidE>f Otmar ©chiffeT Don glefdjenberg unö einmaT fdhenfen mirb,
geigt fafi überall ben uraTf=arifchen, namentlich im (heibnifchen unb
* 2 Tus Jrjoffmanns ijergensgefcf)ih Ce 1796—1802: ©eutfdrje iKunbfdjau Dom
STooember 1908. 23 on bem (oermehrten) ©onberabbrudE liegt nod) eine 2 Ingahl
©pemplare beim Jperauögeber; folange ber 23 orrafh reiidjt, fief>n fie ben birecten
ftäufern biefer Ausgabe ohne roeifered gtir Verfügung. Oie anberen Käufer ber
‘©rautroahl’, bie ben 2 Iuffa| gu erhalten roünfdjen, bitte ich, bie Stummer ihres
©femplars, bie oermitteinbe Sucfjhariblung unb ben Jag bes ©rroerbed angugeben.
225
[V]
djrifflicfjen) (jfcnu auögebilbefen ©egenfafs beö gufen unb beö bofen
©eniuö, in beren Äampf ber menfd)Iicf)e Jpelb ber ®rjäE)Iung nieljr
ober meniger fühlbar oermicEelf toirb; jum ©d^Iuffe fiegf jum ipeile
beö gelben baö gute tprincip. 2(ucf) bie Heineren ^Kärd^en Jpoffmannö,
mie baö ‘grembe Äinb 5 unb, in bie Einblicke Sphäre tranöponirf,
‘STufjEnacEer unb ^ItaufeEönig’, finb nad> biefem @<f>ema gearbeitet
Unb mie im ‘©eibenen £opf’ Sinbljorft mit ben alten Ciefe in gef>be
liegt, mie im ‘Älein 3 at ^ cö ’ ^rofper Sllpanuö mit SRofabeloerbe, fo
f)ier SeDntjarb mit OQTanaffe.
Jjpoffmann mar fidE> mit 5 reu ^ e feiner SSirtuofifät bemüht, öaö
unmögliche ju flauen unb oor 2lugen ju führen, unb fo I>at er fid)
in ben eben djarafterifirfen Sliärdjen feiten bie @elegenf>eit entgegen
taffen, aus bem oorbereifenben ober entfdjeibenben 3tneiEampf ber fae*
cularen geinbe einen — in ber Siegel Eomifdjen — Jpöf>epunEf ber Sar*
fiellung ju machen. SJItan erinnere fidF> ber „®d)Iad>f" in Cinbhorff’ö
SibIiDtf)eE in ber jef>nfen fßigilie beö ‘©olbenen £opfeö J unb ber
föfflicfyen 9Ttovgencaffee=Unterhaltung bei ^rofper 2llpanuö im fed)f!en
(Sapifel beö ‘Älein 3 CMfye&’i man oergteirfje bann mit biefer ben
harmlofen Qaubevs'XBettftveit unferer beiben DHagier in ber ZBeinffube
am aileranberpla^ @. i5f, mit jener ben ernftyaffen Äampf bei 2Tofj=
minEel @. 47* £eont)arb burdhffichf E>ier mit einer fpifsen golbenen
ERabel bie grofje 9Ttauö beö Slianaffe; Furj barauf gelingt eö if>m
(hinter ben ©ouliffen), feinem ©egner bie Suratenfeife ju enfroenben,
für bie biefer bereinft bem Xeufel feine ©eele oerfauff; burch beibeö
jufammen mirb anfdjeinenb bem OTanaffe „ber ©arauö gemacht"
(@. 6g Schluß). 21ef>nlid[jeö fyat Jpoffmann mit gleichem, roenn niefjf
noch größerem ©Iüd 5 in ben 3I?ärtf)en ber folgenben 3 a f> re gefd>affen;
ich erinnere an ben Äampf jmifdt)en SJancuö ©arofa unb bem 9?abieö =
f)erjog im oierfen (Sapitef ber ‘Äonigöbrauf 5 (©. 27gf meiner 2Iuös
gäbe) unb an bie brei DTtagierEämpfe im ‘DTteijler glol)’: baö op*
tifd>e ©uell jmifdhen CeuroenljoeE unb ©mammerbamm im oierfen 2Iben*
teuer (@. Ii6/xg meiner Qluögabe), ben ©freit jmifdhen Cegenie unb
©gel ju 2Infang beö fed>ften 2lbenfeuerö (@. 167 f unb 163 f) unb bie
genieinfame 23e!ämpfung beiber burcf) ^epufd) unb bie beiben „9TtiEro=
fEopiffen" am ©d^Iuffe beö felben SIbenfeuerö (©. 184), leidere an
unfere ®. 47 erinnernb.
£>ie einjelnen 3üge unferer beiben Magier merben mir meiter unten
(II g) näher jeigen; eö roirb fxdE> barauö oollenbö ber burdE)auö irrafio»
nette, übernatürliche ©IjaraEfer beiber giguren ergeben.
226
[VI]
3- Sie 2Sermifrf>ung Beider Kategorien.
Sie gäben beö DTiärd>enö unb bie gäben ber bürgernden Realität
fmb rVuu in unferer ©r|äBIung mit einer Äecfßeif unb 23irfuofifäf in
einanber oermebf, bie felbft ber firenge ©eibffErifiEer loben mup (©. 76).
23on 2£nberen Bat am fdonften |5aul Jpenfei barüber gefproden (im
erften SHorqenbiaff ber ‘granEfurter 3 e| fung’ Dom 11 . 9?lai 1907 ):
Söefenfh’d iß B ,er / bajj baö 2Bunberbare fein bejbnbereö 2oEaf
ju B°ben braudf, um feine 23JirEung auo^uüben; man ifi nirgenbö
t>or i^m fvfyer. 3 n ben banalen ©fragen beö aufgeEiärfen 33er[ins,
in feinen Äneipen, Äonbiforeien, Äaffeegärfen, überall iß eä m’df
geheuer. Sie uriBeimliden 'JRäfyte greifen wie aud einer anbern
Simen|1on in baö SiUtagöbafein tynein, roie ein unfidfbareö ©dtt>ung=
rab erfaßt ber tolle 2öirbel ben rasigen unb nid^a^nenben ©es
Beimen ÄanjIeifeFrefär Suömann unb bringt iBn in bie bebauer=
li’dften ©ifuafionen. 2Birb iBm m'df ein biifer Spinfeü mit unah:
mifdbarer grüner garbe über baö ©efidf gezogen, f° bajj ber
2 Iermfte feine gan$e Sarriere oerm’dfef „benn m’df bulben
barf ber ©faaf ©eBeime ÄanjleifeErefäre mit grünen ©efidfern"?
2Birb er m'df burd fdnüben SenfelöfpuE genötigt, feine allerbingö
jicrnüd einfeifige Verlobung mit ber begeBrenömerfen Semoifelle
23ojjroinEel aufjugeben? Unb alleö, maö er erfebt unb erbuibef,
mirb burdauö m’df meBr auf nafürli'de 2Beife erElärt; eö B°f
genau biefelbe Realität mie bie allfägli'de 2BirEli'dfeif. Ser ges
fpenjlifde ©olbfdmibf, ber a[fe 3ube DTtanaffe fünb juglei’d biebere
Sürger ber guten aufgeErärfen ©fabf 23erlin, unb felbft STicolai
mürbe fid Eeineömegö entfetten, menn er drer am B e ^en, lidten
Sage anfidfig mürbe. ©0 Baf bie früBere Srennung ber 2BirE--
ndEeif in räumli'd getrennte SejirEe beö ©emäBnliden unb beö
2Bunberbaren aufgeBörf. Sie beiben SBirEli'dEeifen finb burd-'
einanber gefdoben, unb baib bie eine, halb bie anbere erfaßt ben
DItenjden, ber auf biefe 2Beife — freiKd in feBr unEantifdem
©inn — ein 33ürger jmeier 2Belfen iff. ©iücFiid, mer f?d in
Eongeniarem ©eift bem tollen ©piel beö ©puEö, beö 3 u fallö, beö
iingefäBrö überiaffen Eann. 3B m finb biefe Dftädfe B°ib unb
ft affen i’Bn mit rei'den ©oben auö. 2Iber fie Baben aud rin Jper$
für ben gutmütigen !PBiüfI cr / ber baö ©dtoungrab i'Brer ©emalfen
beim 3?otfjipfe[ in baö tolle UngefäBr Bineingeriffen Bat, unb aud
[VII] 227
er f^eibet §um ©dhtujj befdhenff auö biefer munberbaren 2BeIf, in
bie er eine fo gefa^rtJDÜe ©yEurfion unternommen fyat.
4. 2)ie (Sin^eif ber ^fafcel.
@d einl>eiffid) baö URävcfyen in ben — roenn man fo fagen barf —
mefopEjpjlfdjen 33orauöfe|ungen ift, fo forgfälfig unb umfidbtia ift hier
audh bie %abel gutgebaut* —nt^ ®eQen?aft*T0r?mTi ‘SJReifter §[ 0 ^,
P "~r*"*einSongT^nTerafoon fjhif einanber tDiberfpredhenben Fragmenten ift_
fan - ^rro^rgemeTnT7 ödp öeTlsc^Tuf^unj^^^ 72
äußerlich angeflebf fei [unb ben £efer etwa ebenfo überrafcEje roie bie
berühmte ironifd^e @d>[u^poinfe in Jpeinefl fenfimenfaten (jugenbgebidhfen].
SÜcarba JpudE) Elagfe 189g in ihrem (fonff gerabe für bie 2Bürbigung
Don J^üffmannö 8H drehen (Sppd^e macf>enben) 2 Iuffa§ über ^offmann
(je£f in ihrem 35 iid;e ‘2tuöbreifung unb Verfall ber Dtomanfif’ ®. 21g),
um 2 IIbertinenö 23 efi£ £>abe ,,fuf) bie ganje Srjä^tung gebrehf", unb
jum @d^Iu^ toerbe nid^fö barauö. 2Ief>nfid£> f>affe iög3 ©eorg
©Tlinger (auf 137 f feiner Jj 5 offmann= 23 iographie, bie im übrigen
ber ‘ 25 raufn>al>[’ burdE)auö geredet roirb) gefdE>rieben, Xfjurneiffer ropüe
bem Xuömann „bie 25 rauf für feinen jungen F rcun ^ abjagen";
am @dE)Iuffe ergebe fidE> aber, „baj$ ber ganje 2Iufn>anb oon fpufjjaffem
Treiben eigentlich um fünft gemefen" fei, ba auö £ef)fenö ©f>e mit
2I[berfinen nidE)fö roerbe.
Siefer 2Iuffaffung ift Dffo ^niemer igo7 in einem in ber ©efetb
fdjjaft 23 ranbenburgia gehaltenen unb in beren * 2 £rdE>iD s Deröffenflichten
2Iuffa^ enfgegengefrefen; er bemerff mit Stocht, biefer ©cf^ufs fomme
„für ben aufmerffamen £efer nidE)f Dollig unerwartet. STCadE> ber
fauberen £edhnif, bie Jpoffmann eigen ift, wirb er forgfätfig Dor--
bereifef unb mofiDierf". ^nioroer füE>rf afö 23 eteg bafür £eonf>arbö
Unterhaltungen mit £ehfen am ©chlufs beö- jmeifen unb am 2Infang
beö fünften ©apifetö an (bei unö ©. 28 unb 5of).
9 tuc ftimmt bas erfte SapiCel in SingelfjeiCen nid/t gan$ jum folgenden.
OTan flejjt nicht recht ah, roarutn ßeonharb ©. 3 f fo fehnfüdjtig „bie Staut
flauen' 1 roill, unb fragt fidj, ob biefc Sraut etroa gar 2Ilberf inens 2 lbbilb ift,
an beren ©he mit ßef)fen bem ©olbfchmidt hoch nichts gelegen ift. OTanaffe fyat
fleh nQC h ®- 69 oor mehr als dreihundert fahren, alfo um 1500, bem Teufel
Derfauft; er ift nach @. 13 und ( 5 . 69 1572 $um £obe oerurfheilt, er trägt fich
aber ®. 6 nach der 3 T?obe oon 1720/30. £usmann ^ört ®. 12 unten ßeonharbs
langen Sericfjt nach Jpafftij als h &I hft intereffante Steuigfeit, fennt aber fpaffti^'
©hruuil ausroenbig, roie er am närfjften borgen bei Sojjroinfel beroeifl.
228
[VIII]
fjn ber Zfyat ergeben bie 2Borfe, bie £eonf>arb an biefen beiben
Hellen an £ehfen ritztet, unb ebenfo bie, bie er am QSorabenb ber fog.
Srautoa^r 2überfinen fagf (0. 62), bafj unjere Er^ä^ung aud Einem
(Suffe ift, bafj fein Sprung ober 23rurfj in if)r iff. £eonE>arb ift £ef>fen
unb 2TIberfinen afd if>r gemeinfamer SdE)u^geiff in Däferlidjer Siebe ju?
gef fyan, unb beibe Oerfrauen i^m mif 9?etf>f twn ganzem Jper^en (t>gL
für Seifen 0. 22 unb 28, für SHberfine 0. 62). ©eine 2XbfFd^f gef>f
offenfTd^fHoon t>ornf>erein auf bad f)inaud, wad fitf) bann fbjeiTö oor
unferen 2fugen begiebf, f^eifd für bie 3uFunff angebeufef roirb. 2Iiberfine
fofl oon ben 2Berbungen bed affen Starren £udmann unb bed „unaud*
ffef)[id)en 23engefd" ©ümmerl befreif werben, bamif bann bie beiben jungen
£eufe in Kiifje if>r J^erj prüfen Fönnen: Ebmunb of>ne bie anffad^elnben
.Quafen ber Eifer fucf>f, unb 2Uberfine oE>ne in Seifen bie einzige SReffung
t>on jenen beiben oerfjajjfen greiern fef>en ju müffen (0. 62 oben). Sann
roirb Ebmunb fcf)on ODn felbft erfennen, bajj er fid^ nur ber Äunff t>er=
mahlen bürfe, unb Sffberfine, bajj eine bürgerlich ficf;ere unb geehrte E{i=>
ffenj an ber Seife eined guoerfäfftgen unb ffrebfamen DKanned if>re 33e=
ffimmung iff. ©ie 3 ron ' e / mif ber 2If&erfine u,nb ©fojin befyanöelt
werben, ift eine ganj leife unb beeinträchtigt faum bad oäferfiche 2Bof)f-
wollen bed autor creator, ber nicfyfß weniger oerlangfe, a(d bafj jeber
9ITenfcf) ein Äünffler fein fülle. Äreidfer f^eiffe einfi, wie er feiner
geiffigen @cf)weffer J^ebwiga er^äFrlf (@.87 bed Äreidferbucf;d), wie ber
SBeffenrichfer „afled URenfd}enüolf in gwei oerfchiebene Raufen: einer
baoon beffanb aber aud ben gufen £eufen, bie ffylefyte ober oiefmehr
garFeine OTufiFanfen finb, ber anbere aber aud ben eigentlichen 3Kufis
Fanfen. ©01h niemanb feilte oerbammf, fünbern alle füllfen
feli g werben, wie wohT auf oerfchiebene 2Beife." ©ie gufen
£eufe nämlich werben gfüdffidE) burch bie Elfe, lehren STcufiFanfen
aber— fei ed, baji fie „mif ber g-eber, mif bem SpinfeT ober fonff"
muficiren — werben gfücFficf) burch fc^opferifcf>e Segeifferung,
bie bie £iebe in ihnen erweeff, wobei ed „jiemlich gleidjgüffig, ob bie
©eliebfe . . . eine gfürfh'n iff ober [wie Dfaffaefd gornarina] eine Säiferds
fochfer, in fo fern le^fere nur Feine Eule".
©0 barf man 9?icharb @cf)auFa[ juffimmen, wenn er in einer
gufen Einfeifung |u einer fd^Ted^fen Jpoffmann=2Iudwahf bie ‘23raufwah£
bie fch d nfle 2Beihegabe eined 3Hfpreuten an bie märFifche
Jpaupfffabf nennf. Er ffeflf bie Ergötzung mif ben um bie 2f a [> re ^
wenbe i8i4/i5 (enfjlanbenen unb) fpielenben ‘Slbentfyeuern ber Spfoeffers
STacht’ jufammen, mif benen fie orffief) unb jeitlicf) in ber Zfyat uns
229
[IX]
mittelbar gufammengel>örf, wie fie au 6 ) in ber SBermenbung beö
2öunberbaren ifmen oermanbf ifh grciTiif) finb bie beiben SfudEe anbrer*
feifö nadE) Stimmung unb Stil §u ungfeidf), um ein gufeö !f)aar §u geben.
5. SInalpfe.
3 um Sd)Iufje biefeö Xfyeileö geBen mir eine UeberfidF>f über bie fo
pj>anfafiifcf>e unb fb efacfe Sichtung. ERacf) ber Schfugnofij S. 72 ift
2 el)fen „nun", b. h* im 5 r“hj a h r i8ig, „fcfjcm Tanger afe ein 3 aE>r in
9?Dm"; er ift aTfo um DTeuja^r 1818 bürf^m gereift. Die eigentliche,
im erffen Sapifel einfe^enbe unb mit Cefjfenö 2lbreife enbenbe @r$äh ;
[ung fpieTf miffjin in ben Teufen 92 Tonaten beö 3 a h reö 1817, Dc,rn
Jperbil= 2 lequinocfium (23. September) biö jur 3 a ^ rc ött>enbe, unb bie im
jmeifen Sapifel berichtete EBorgefchicf)fe fe£f efma im gfrühjahr 1816
ein. 3 m 2 l&fd>nift (@- XVIII—XX) merben mir felgen, baj§ baö DDr*
trefflich mit ben |>ifIorifd^en SSorfagen ber Q:r$ählung ffimmf. — danach
ergiebf fltf> folgenbe Di^pafition:
I. I £uömannö SIbenfeuer in ber festen Stunbe
beä 23. September 1817 -. 3—16
1. JTtit £ecmT)arb am §uge beö Dtatl)f)auä-Xl)urme0 3—6
2. DItif beiben 9 ?eoenanfö in ber 2Beinffube am
2 llej:anberp[a£.6—16
II.
&
if
en
8
2ehrenö@rIebniffebiöjumSommeri8i7 16—28
1. Dltif Ceonharb ^rxiE>ting ober Sommer
1816 im Xhiergarfen.16—20
2. Cehfenö Sinneaänberung um bie 2fah rcö:
menbe 1816/17. 20 — 22
a. Seine 2ltIegorien auf ber Qluöffellung
Jperbfl 1816, oon ben Äennern oerlai^f
[aberoonSIlberfine bemunberf:S.24]20
b. 2lu0fpradf)e mit £eonl>arb in £el>fens
21felier um Neujahr 1817. . 20—22
c. Söeiferer Umgang mit ßeonharb, afi^e=
tifcf> unb technifch förbernb . . 22
3. Cehfenö Sefanntfi^aff mit SSogminfel
unb IHlberfine, beim Jpofjäger im Sommer
1817 .22—27
4- 2eF>fen0 Verliebtheit-, feine Unferrebung
barüber mit £eonf>arb ...... 27 f
230 [X]
III. 3 n?e ' Hefutfye bei SSo^tpinfeT am DTtorgen
bed 24. ©epfember 1817. 29—37
i 1. Dudmannd 33eridE)f über Die 2IequinDrfia!=!TtadE)f 31 — 35
I [23orE>er, 29 f, ©cfjilberung Xudmannd]
2. Dudmann unb iHtanaffe.35f
■ 3. 3 I?anaffed greitperbung für Dümmer! ... 36 f
IV. ^ ( A. ßeE)fen afd Porfraifmaler in 23 d{j =
^ I tvintelö Jgjaufe: Sommer 1817 . . 37— 4 2
1. 23 o 0 toinFe[s Sitbni^: Sommer 1817 . 37— 4 r
EP J 2. 23 eginn unb [angfamed ^Drffc^reifen Don
£5 l 2I!berfinend Sübnifj: ©päffommer 1817 4 x f
B. Dad jä£e Snbe biefer £E>äfigfeif: Äampf
Der Drei greier unb Der Drei ©ecunbanfen bei
SSofjtPinFel (Snbe ©epfember 1 817 . . . 4 2 —4^
1. 2!Iberfine unb ße]E>fen. 4 2
2. Die Vorigen unb Dudmann.4 2 —44
3. Die 23origpn unb 23ü£ti>infel .... 44 f
4. Die Vorigen unb ßeonf>arb . 4^ f
5. Die Hörigen, DTcanaffe unb Dümmer! . . 46—4®
V. 5 Qerabrebung Der 23 raufrpa!>[ im Dcfober
1817.■.. 4Ö—61
r. 25o0ro/nfe!ö 2!bfrf)iebdbi![ef an ßefjfen. ... 49 f
[23orf>er, ®. 4Ö f, Der Da!ed]
2. ße£fend23er$rpeif(ungunb£r6fhmgbunf;ßeon£>arb 5 of
3. £udmannd ©elbflmorbPerfudf) im D^iergarfen;
feine Dieffung, @nfgauberung unb ©färEung bure§
ßeün^arb.5i—56
4. ßeDnf)arb0 23efucf) bei 25o{3tpinFe! (Qjpenfualbro*
jungen mit ßeE)fend ERadje 5y f, mif Der non Xuß=
mannd ©oüegen 5g, mif Der STianaffed 60 ^ 23dc*
fcf>!ag einer ßofferie 60 f).56—61
VI. 2!uöfül>rung Der 23rauftpaf>! im Dcfober 1817
unb Srgebnijj. 61—72
1. ßeon!)arbd Srfcfjeinung bei 2!!berfine am Sonn*
abenb 2!benb [Sjxurd über fein 2Befen 62—64] 61—64
2. Die Sraufroa^I am ©onnfag.64—71
a. üünfunff Der Drei gfreier unb ber beiden 3tes
oenantß um ir Uf>r.64f
[XI]
231
b. Saö gruE)| 1 ü<f.
c. 33D^roinfe[ö ^nflruction an bie greier —
d. präfenfafion ber ÄäffriEjen um 12 LlE>r 65 f
e. Sudmanna 2JJaE)t.66—68
f. Summerld 28 at>r unb fein Äampf mit 3 Ita=
naffe . ^8f
g. £eljfend TScfyl . 7°
h. 23 erFiinbung bed ©rgebniffed unb beffen 2 Bir=
Fung auf Sudmann unb Summerl . .71
3. Sad ruhige ©iüdP ber brei freier in ber nädEjflen
3eit ..
a. Summer! ffeüt bad Siebten ein,
b. Sudmann läuft 'nid^f me&r auf bie SSiblioffjeF,
c. £ejjfen lebt einige QBotfjen in @nf$ü<fen unb
greube, gef>f bann aber @nbe 1817 nadf> 9 ?om.
4 . Sie (Situation im grüf)ja^r r 8 ig.7 2
a. £e£fen ift abgeEü^If,
b. 2Hbertine [äfjf fidF) oon ©lofin ben £of machen,
c. £eonf>arb manbelf roeifer umf>er in Serlin.
232
[XII]
II. £ttezavfyt{ioztfcfye$.
(Sie ©irfflef)ung ber ‘SrauftDabl’ auß ©rlebni|3 unb 23 eo&aif)fung,
Soriagen unb freier ©rfinbung.)
i. S)er @d^aufpieler ^ftagel alö 23rauff>afer unb
23ürgeromf1:er eon &räf)tPinFeL
Ser Sreßiauer 0 dbaufpieier unb S'Jegiffeur STagei fraf im 8Här§ 1819
in 23 er(in in fieben ©affroflen auf. Sr fpiefte am 2. ben Dberförffer in
2 ffflanbß ‘^Jägern’, am 8. ben Kaufmann 33 ufcfj in 23 re§nerß ‘ 9 ?äufd>gen’,
am 12. ben 2 Bacf)fmeiffer 2 Berner in £effingß ‘DItinna Don Sarnbelm 5 ,
am 14. (in @b ar I 0 ^ en I >ur 9 ) ^ en öfteren Xitelfyelden in Äo^ebue’ß ‘Selben
Älingßbergen’, am i 5 . ben ©inneijmer Srauf in ^jfflandö ‘Steife nad>
der (Stadt’, am 19. ben Jpippeibanj in Äof$eE>ue’ß ‘©pigramm’ unb am
21. (in @b a doffenburg) ben Siirgermeiffer @faar in ben ‘Seuffc^en
Äleinffäbfern’ beffeiben 23 erfafferß.®
Siefeß Cufifpiel ift in den ^jafjren 1802—1855 Don ben Äönigiid^en
(Stfyaufpielen (in Seifin, QZfyarlottenburg unb Pofßbam) 130 mal aufge?
fü^rf unb rnirb aud^ nocf) ßeufe nic^f ungern gefe^en. Dfyne Qtveifel
baffe ber £beafer=£iebi)aber unb * * *** Äenner Jpoffmann, beffen jefjiger befter
gireunb nor uier (ja^ren gfeidbfailß t>on ber Sreßfauer Sü^ne fyer nad>
Seriin gekommen roar, bie Teufen ©afffpieie (Ttageiß unb inßbefonbere
bie 2 IbfdbiebßDDtffeiIung befu^f.®* ^n ben feiben Sagen muß er bie 2 Iuf=
forberung ber ÄaienöerSepufafion ® 9 ® erbaften buben, ünb bei ber 2 Iuf*
fubrung ber ‘Seuffd)en Äieinffäbfer’ fcf>ei'nf ibm ber ©ebanfe gefommen
* 3 n ber 23of|7fd)en Reifung finb bie |7eBen ©aflfpiele angegeigf unb (in ben
GtüdEen Dom i\., *6- unb 27.) febr rooblmoflenb Befprotfien.
" ©r baffe fitb etroa 3 Iiifte beö Dlionatö roieber leiblitb erf)oIt oon ber fcbroereri
©rFranfung, bie if;n 2 fnfang ge&ruat Befallen.
*** G. o. G. 1. — (jcfj Bebalte mir Dor, üBer bie Äönigiicb Preufjifcben ffalenber
auf©runb ber 2 Icten anberroeit ju Berid^fen. ©er‘Serlinifcb e £afcfyen-- Stellend et’
(1820/26) mar beroorgegangen auö bem ‘©enealoglfiben unb poft^Äalenber’
(1817/19), biefer auö bem ‘Pofbffalenbec’ (18x4/16), biefer auö bem „prbinairen"
‘©enealogifrfjen jfaienber' (1808/13), ber fo b*e(J gum Unterfcfieb non bem
„feinen" ‘ipiflorifcb = @enealogifd)en Äaienber’.
233
[XIII]
§u fein, roefenfEicEje Zfyeüe de r gabel für feine neue berliner ©r$äE)[ung
ju t?ertt>erfl)en. 2Bir (teilen im fotgenben bie analogen 3^9 C einanber
gegenüber:
Äo^ebue Jpoffmann
(cifirf nadE> 2tcf unb ©eene) (cifirf nadE) unferer ©eifenjaE)!)
x. Jperr EJticoEauö ©faar iff Sürs Ser ©ommifju>nöraff) 97IeIdE)ior
germeiffer unb DberäEteffer DDn Soj^ZBinfel iff ©fabfoerorbs
ÄräE>s2Binfe[ (16). nefer (©.40) unb generiert in
Serlin.
2. @r toiEI fein einjigeö Äinb, bie ©r lEjaf fein einiges Äinb, bie
f)übfd^e unb lufiige ©abine (audE> E>übftf>e unb luftige 2IIberfine
Sinken genannt: 15, III 13), (©. 27 XindE>en), an beren
oerE>eiraflE>en. 18. ©eburföfage (©. 30) oE>ne
iE>r 2öiffen einem Sefannfen oer*
fprodEjen.
3. 2Ilö bie XodE)fer fid^ gegen ben iE>r 2Uö fie e& erfahrt unb prüfeffirf,
beffimmfen Sraufigam erfEärf, er* enoiberf er (©. 44/4^) : z/3 1 ^ meifj
toiberf er (I7): „mir madjf man nidEjf, n?aö Su SidE) alferirfi über
feine ©intoenbungen ... icf> I>abe eine ©acfye, bie ja längft be=
benfelben ju meinem ©cf>n>ieger= f cf) [offen. SQTein lieber ©es
fof>n erfiefef, toogegen feine Reimer iff Sein Sraufigam, unb
toeifere bifatorifdf)e ©inrebe ffaff in menigen 2ÖodE)en feiern mir
finbef." bie oergnügfe Jpodf^eif."
4. Ser ©Ejecanbibat beö Saferö iff Ser ©E>ecanbibaf beö Saferö iff
ber Saus, Sergs unb ffiegs ber ale> tüchtiger Seamfer befannte
^nfpecforö = ©ubffifuf (I 4) (@- ^9) @cf>eime Äanjleis
©perling, ber 2IuöffdE)f E>af, ©ecrefär Xuömann, ber feinen
EKunfetrübens©ommiffionös STtenfdEjen anreben mag, üEjne iE>m
2Iffeffor gu roerben (I 10). einen Xitel gu geben (@.5 üben,
fjfeber ÄräE)tt>fnf[er [egf auf feinen 7 unfen), unb bem nicEjfö ärgereö
Xitel großen 2BerfE>; baö furdE)fs miberfaEjren fann, alö bajj man
barffe iff, roenn man eine grau if>n um feinen Xifel oerfürgf
Unfers©feuer=©innel)merin einfaef) (©. 4 unfen, 53 unfen); baö
„3Itab am" nennt (II3). ©d aucf) fcfynöbefte iff, toenn man iE>n
©perling: er oerE>oE)nf Dfmerö „STconfieur" nennt (©. 33).
(III6), bafj biefer feinen Xitel E>abe.
5. ©r iff „eine ©dE)[afmütje, bie ©r pflegt mit bem ©Eotfen*
früf) gu Sette geE>f" (III 13). fdE)[age 11 fidE) bie 9tad)tmü£e
über bie DE>ren gu gieffn (©. 3).
234
6. Sabine „Faun ben Jperrn Sperling
nirf>f auöffef>n" (I 4)-
7. Sie infereffirf fid) Diefmefjr f df) o n
feif 9 Itonafen für Dfmerö (11).
8. Sie treifj nunmehr mif großer ßift
eine geheime 3 U farnrnenfunff
mif iffm §u ermöglichen (III 13,
IV 7 ).
g. Öfmerö ifi aber nacF) bem UrfF>eif
t>on Sabinens QSerwanbfen nidf)f
für fie geeignet, ba er „gar
nicf)fd" iff, nidF>f einmal ein
Supernumerariuö (III g). J
Srff nadf)bem er ficf) afö t>err
mögenb unb betitelt auöge=
roiefen (IV11), milligf ber 23 afer
in bie Gebe.
[XIV]
2 Ifberfine finbef Suömann „uns
auöffeftfid)" fie „Ijaf3f"unb„t>err
abfcfjeuf" if>n (S. ^ 5 ).
Sagegen intereffirf fie ficf) feif
breitnerfef 2 faf>ren für £ej>fen
(S. 24 oben).
Sie tveifc nunmehr fifiig unauf=
fäüige 3 U fammcnfunffe mif
if>m fjerbei^ufüfjren (S. 37/38).
£ef>fen iff bagegen nacf) bem
UrtE>eif 23 of$rDinFefö ein „bürffiger,
armfefiger, nicfjföroürbiger gar*
benFfecffer" (S. 4^ unten),
ein „armfefiger ’Jßi nöf er" (S. 67),
ein armer „Sd)Iucf?er", ein
„ÄieF in bie TBelt" (ebenba
DKitfe).
Gcrft al& OSofsroinFef erfährt, baj?
£ef>fen Don einer Srbfanfe 80000
Xfyalev ju erwarten f>af, ifi er
if>m afö Scf)WiegerfoE>n wiff*
Fd mmen (S. 58 unten).
2 . ©ubi|etiß älbenfeuer in bet SleqmttocfiakSTfad^f.
J^affe 9 tagef fo bem Siebter burcl) feine 23 erförperung beö 33 ürger=
meifferö Don Äräf)tr>inFeI bie Anregung §u ber gigur beö SfabfDerßrb=
nefen unb beö befpotifdf)en SSaferö 23 ofminFef gegeben, ber boef) fd)fieffid)
Don bem pfiffigen £ödf)f erlein fyinteva £id)f geführt wirb unb feinen Gef>e=
canbibafen nidf)f burcf^ufel^en oermag, fo füllte er if>m gfeief) barauf
nodf) eine weitere gigur für bie neue Serfinifcf)e @eftf>idf>fe liefern, „£iefern"
iff hier im eigentlichen Sinne gemeint, benn er trug Jpoffmann baö fJHobefl
eigenhänbig in bie Stube. Ser befannte $ol%{<i)neibet griebrid^
2 Biff>efm ©ubi£ (1786—1870) berichtet im §weifen 23 anbe feiner
‘Gtrinnerungen’ (Berlin 1868) S. 81—83®:
* fjabe fcfjon in meinem 2Iuffa§ ‘2Iua Jpoffmannö Berliner greunbeöFreiß’
(gjranFfurtec 3eifung t>om 25. (juni 1901) auf Öen FöfHicfjen unfreiroitligen jjiumor
[XV]
235
2lua bem ^ergangenen fyebt fic£> mir je§f bie ©onberbarFcif jjer«
oor, bajj mein britfes gefellfdEjafflid^eö 3 u f ammen Fommen mif Seorienf
fld) wieber mif ber ÜBeinmirflEjfdfjaff Derbinben mujjfe, was begreif«
lief) nur für micf>, ber icf> lebenslang öffentliche ©afforfe
möglidE)ff Dermieb, ein wenig merFwürbig ift — 3^ärj 181 g
gab 9tagel, bereif 9?egiffeur beS 23reslauer Zfyeaterö unb efn burcE)
ITtafur unb Uebung geförberfer ©cf)aufpiefer, ©aflrotlen auf ber Ser«
liner Süf>ne. Ser Jj 5 ofraff> Äarl ©fein, früher ©rfjaufpieler unb audE> alö
®cf)riffffeller beFannf, mochte fro£ feiner fpäriic^en ©elbmiffel Don
jenem if>m Sefreunbefen ficf> nicf>f D^ne einen mäßigen 2 Ibenbfd^mauö
frennen; bagu waren ber Sf)eafer«®ecretair ©Sperfiebf, ben man
bamals auch als Souffleur befchäftigte, unb idf) eingelaben. Seibe
fdf)itffen wir 2 lbfagen, ©sperffebt, weil er fouffliren mufjfe, id£>, weit
arbeifen wollte; micf> aber berebefe ©fein bei einem 33efucf),
il>n nicht mif Utagel allein §u taffen, unb wir Srei waren 3lbenbs
oereinf „bei bem 3 fa ^ ener// / mie man fagf?, obfcfjon ber 2 Birff)
ben beufjtfjen Utamen Siefrich fyatte. ©egen @lf meinte ©fein:
eS muffe nocS) eine 2lbwed[)felung ffaftfinben; eS Famen Suff er unb
28egener in SorfdEjlag, ich aber weigerte midi) fel^r enffdt)ieben, liefj
mich bann enblicf) gu einem ©las ©iS bei bem bamals gerühmten
©onbifor £eid£>mann befcfjwa^en. Sorf, unter ben £inben, war
bas ©efc^äff gu meiner gfreube fd£>on gefdfjloffen, unb nun wollte
man mich nach meiner 2 Bo^nung® begleiten. Ser 20eg führte an
bem genannten 2BeinE>aufe Darüber; ber faft fed^a gufj t)Dl)e, berb«
Fröffige UTagel unb ber au ä) l>anbfeffe ©fein Raffen aber, wie ficf>
nachfraglich enfbedFfe, einen ©ewalfffreidE) Derabrebef: ber ©ine er«
griff miif) bei ben Schultern, ber 3lnbere bei ben gufjen, unb fo,
wie fe£>r icf> wiberffrebfe, fd^reppfen fie mich hinein, grabl>in in bas
©cFgimmer, wo SeDrienf unb ©al[ot=^offmann fammf ihrem
3lnl>ange fajgen.
beS Serirfjteö F>ingetuiefen unb bie jpauptjleflen baraus abgebrucFt. ©arl ©eorg ron
DTtaafjen Fiat bas (Sitat neuerbings (Sb. IV feiner ^affmann= 2 lusgabe ©. XXIV Stofe)
trieb erholt, aber eeft griebritfi jjolfje F> ot 0 n feiner ©inleitung gur ‘Srauftrahl’
in ben ‘Sdjriften bes Sereitiö gur ©efrfjirfjte Berlins’ XLIII 65 f.) bie Begleitung gur
‘Srauttrahi’ erFannf. Surrf) bie Don uns eruirten £)afen (für CtageiS lefstes 2 Iuf«
treten einerfeits unb für gerber=Sü[oros 2lufforberung an bie Äaienberbeputation
anbrerfeits) wirb jpolfses Sermut^ung gur @etriJjF>eit erhoben. — (jfn bem ©tat habe
itfj bie Sperrung eingelner Partien felbflünbig rrrgenommen; ©ubif; fperrf flatt
befj'en bie 3 tamen.
• [3immerftra^e 34].
236
[XVI]
Zobenbe 2uft begrüßte in folgern Greife, wd mand;erlei lieber*
fpannung E>errfcf)fe, ben an mir oollbvadjfen 3 toang; id^ mugfe mir
ein 3ufr*nfen gefallen [affen unb eö felbfi üben. Sen 2Ierger be=
Eämpfenb mif ber ©ewalf beö Uebermufl>ö, unterwarf idj midi) bem
@if)i(ffar, unb ba ic£ in jener 3 «f eben oiele ber ®<f>riffen beö
Paferö SIbraljam a ©anfa Klara gelefen l>affe, fo madljfe id>
mir ben ©pag, meinerfeifö mif feiner 21rf bie Unterhaltung
gu mengen, waö felbft bei Uebergängen gur ©frafprebigf ber
allgemeinen, ungroeifelfjaff efwaö füllen Stimmung besagte. 3T!ad>
meiner 2 BüI>nung fam id) j ebod) er ft Borgens oier Uf>r,
unb auö jenem (Stimmer ßabe idf> mir ben unuergänglidjen 2 Biber*
willen gegen Kf>ampagner gefjülf, waö gewig fein linglücf ift. —
3 n jenen 9Tadhtf?unben blieb Seorienf faff fdEjtpeigfam miffen
im ftf>wirrenben £ärm, fd)aute meift wie tieffinnig ddi' fid) f>in . . .
3Ttag fid^ biefe ®efd)id)te nun einen aber gwei Sage nacfj bem
3 t. 9Itärg gugefragen haben, jebenfaüö fiel fie irntf) in bie Slequinocfial^df.
Jpüffmann, ber feinen Cefern baö brollige ©rlebnig nid^f norenf^alfen
wolle, lieg je§f alfo feine neue 23erlinifcf)e ©efd>id>fe nicht in einer ©Keffer*
DTacfyt, fanbern in einer 21 equinocfialsUtad^f um ii U>r anheben —
allerbingö nid^t in ber beö ßrüßjaßre iöig, fonbern, wie ber Aufbau
feiner ©rgähhing eö erforberfe, im Jpcrbff 1817 . Ser paffbe „.!F>eIb"
biefer 9tad>f oereinigf bie (Eigenfcßaften beö weinfdjeuen belefenen
©ubig mif benen beö tifelfroßen Sperling; unb tvie jener in bie un*
gewohnte ©efellfd^aff beö gefpräcfjigen .£ off mann unb beö jd^roeig*
famen Senrienf»©^ploif geraffen iß unb mif alferfljumlicfjen £efe*
früd^fen gu imponiren geju^f hat, fo befinbef fid^ Suömann plo^lid), er
rc>eiß faum roie, gmifd^en bem lebhaften ©rgä^ler £eonf>arb unb bem
finfiren ÜR anaffe unb gief>f, nad;bem er warm geworben, ben Si^oinafiuö
auö ber Saftf>e.
3 . ©er ‘Kaufmann ron 23enebig’.
9Teben Äo^ebueö ^arrnlofem ©c^toanf ßat befannflich eineö ber ewigen
DTteißerwerfe beö Sfjeaferö auf bie ‘23raufroahl’ gewirff: ©hafefpeareö
‘Äaufmann oon 93 e ne big 5 , in beffen SarjMIung Jpoffmannö groger
greunb alö ©hplodE glängfe. JFwfifmann änberf bie gäbe! ber ‘Seuffdjen'
Äleinßäbfer 5 banadp in brei widrigen !Punffen: erffenö werben drei freier
um bie Srauf; gmeifenö iff bie 21 ngelegenl>eif nodf) nidjf mif ber ben
‘Äleinffäbfern’ enfnommenen ©inneöänberung beö 93aferö (©.58 unten)
237
§riebrid) 3öil$elm ©ubifc.
©cjcutynct von ©tcffenö.
Jpiet na<$ einem Sticfc von Ol. ©etf>ge.
239
[XVII]
erfebigf, fonbern tnirb unter ben greiern fefbfl auögefragen; briffenö
gefdF>ieE>f bieö burif> eine Strf Soff er ie. EßierfemJ mag bie gigur <5fyr);
fodfe, mif bem Jpoffmann @. 65 DTtanaffe auöbrütffid^ oergfeid^f, if>n
mif Deranlaj$f fjdben, einen bofen affen 3 u ^ en bämonifcf)en 2 Biber=
fad£>er beö gelben eingufufjren.
Jrjoffmann ffeflfe affb bem Äo$ebuifdE>en pebanfifdE>en freier, ben ber
23raufoafer begünffigf, nidf>t ©inen fonbern gtnei junge ERioafen gegenüber,
oon benen ber fpmpaffjifdfiere bie Srauf geroinnf. ©em jungen @nfE>u =
fiaff en unb bem guten ©eiffe, ber if)n feifef, flef)f ein junger ERedf>ner,
befdf)üf$f DDn einem bofen ©eifle, gegenüber.
4. S)aö 3 u 9 en ^ cr ^ n ^ Soerffer.
2 Iu^er ben giguren ber beiben ©enien fügt ^offmann bem fo ge¬
wonnenen ©df>ema nodf> einen ureigenen 3 U 9 eln * 2 B‘ r erinnern an
baö, maö mir üben (©. IV) über Jpoffmannö ©rlebnifj mif ERRinna
©Derffer unb feine tiefen ©puren in ^pDffmannö ©icf>fung gefagf.
^m ©egenfa^e gu Äo^ebueö Dfmerö unb gu ©fjafefpeaueö 33affanio
iff aucf) ber gtücEIi<f>e freier nidE)f ber ERed^fe für baö Dltäbt^en
unb baä EUtäbdfjen nidF>f bie ERecf>fe für if>n. ©er @cE)u^geifl, ber
oäferfidE) über ben beiben jungen Seufen. waltet, füfjrf (toie oben, 14 /
naf>er bargefegf) if)re 93 erfobung nur gu bem 3 roetfe Ijerbei, um ifjre
fjeffigen bfinben 2 Bünfd£>e gunädE>ff gu befd^mid^figen unb fle befb fidlerer
gut ©rfennfnig, ©rnüc^ferung unb Trennung gu führen.
5. £)er junge jpenfel.
EJIad^bem fo bie gäbet beö neuen ÜBerfeö feflffanb, mag ^offmann
nadf> weiteren EJTtobellen für feine giguren — EXRenfcfjen unb ©eijfer —
LlmfdEjau geraffen f)aben. 28of>fgemerff: nur für bie giguren. ©er
fnipfenbe EReporfer roill E>ifforifdF>e QSorgänge fefff) affen; ber EJItaler, ber
eine ©ingeffigur nad) bem EJItobefl bifbef, toifl nur biefe gigur febenbiger
geffaffen: nidE)f 0 liegt if>m ferner, afö über ben mobellffefjenben EJ 2 Tenfdf>en
fefbfl efwaö auögufagen.
©ie Äönigfid)e 2 Ifabemie ber Äünfle ßeflfe im ^erbfle jebeö gweifen
3af>reö „fägfidf> ODn 11 — 5 in ben ©äfen beö 2Ifabemie>@ebäubeö auf
ber ETteuflabf" ÄunfftrerEe aller 3Irf au$; eä erfdEjienen 23ergeidE>niffe
barüber (gebrudPf bei Couiö Huien). 1812 fraf gum erjten DTiafe in
einer fofdEjen 21 u 0 fleflung ber junge 2 Biff)efm £enfef auf, ber am
240
[XVIII]
6. 3 u f> 1794 S u Xrebhin im Xeltom ah @oF)n eines. Canbgei'fKid^en ge*
baren, gu £inum im JpaoeHanbe aufgeroadhfen unb 1808 nadE> 23 erlin
geFommen mar um bas Sergfadh gu ffubiren. Sr fleüfe gmei Delbilber
(ßf>riffuö am Delberge unb ein ©elBffporfraif in fiebenSgröjje), fünf
mpff)o[Dgifd)e ©Figgen unb einige RTiniafur^orfraits aus. 1813/14
macf)fe er ben gclbjug gegen granFreitf) mif unb mürbe Dfjigier. 3 n
ber griebenSgeif barauf lernte er burcf> ben DDrfreffiid^en Stinben*
Iet>rer unb branen ©eograplEjen, aber fpottfd)led)ten ©ermaniffen 3 Iuguff
3 eune ben gleichaltrigen stud. phil. 2 BiIE>elm Rtüller aus Seffau Fennen,
ber halb einer feiner nädfjften greunbe mürbe. 3 m Jrühjahr i8i5 gog er
abermals ins gelb unb blieb audf> nadf> bem griebensfcf)luffe in ^aris, um
bie borfigen Äunfffammlungen gu fhibiren. Rodh ehe er gurütffam, er*
fdE)ien ein Sanb ©ebirf)fe, bie DltüIIer, er unb brei minberbegabfe ©bei*
leufe oerferfigf unb unter bem Xitel ‘SunbesblütEjen’ gu einem fefjr ge*
mififjfen ©traute oereinigt Raffen. 23 on Jpenfef fielen (@. 31—112)
33 ©ebid^fe barin; eines ber längffen (@. 80—91) ifl eine 33 aüabe ‘Sie
3auberm’, in ber berietet mirb, mie ein Ziffer, einem ©elübbe geEmr*
fam, gegen eine „3auberin" 311 gelbe 31'e^f unb fie föbfef, obgleich beibe
ingmifchen in £iebe 3U einanber entbrannt finb; ein Regenbogen mölbf
fid^ über ber ©dfjlujjfcene. 3 n 5 tDl f c ^ en f>afte DHüiler am 20. Secember
ben greunb Bereits bei 3 cunc Riifglieb für bie ‘@efeüftf>aft für
Seutf^e Sprache’ angemelbet®, in ber Qeune unb 2 j Q h n bas grüfse 2 Borf
führten; Jpenfel ift offenbar fdE>on brei Sage nach feiner (7. ^jfanuar 1816
erfolgten) RüdfFei>r in biefen QSerein eingefüf>rf. 21 m 2g. gebruar
machten beibe 3“ n 9^ ,1I 9 e Souque ‘^ re 2Iufmartung.
Jjpenfel, ber mefjr benn je gmifcf)en Sichtung unb Rtaferei fd^manFfe,
fafjfe ben ungIüdEIicI)en ©ntfcfjhifj, feine grofje SaQabe aus ben ‘ 25 unbes*
blüf^en’ in ein ©emälbe umgufe^en, bas bann in ber Sfjaf t>om
* Diary and Leiters of Wilhelm Müller . . . edd. Philip Schuyler Allen
and James Taft Hatfield. Chicago 1903. Sa baß Surf), an baß Jpenfelß frfjon
genannter Snfel Paul jjenfel mirf) erinnerte, auf ber ff gl. SifcliotfjeF Derhefjen mar,
half mir Ricfiarb 31t. 3Itei;er fteunblirf)jf mit feinem Spemplar auß. ßeiber h at
SXRülIerß 2lbfid)f, täglid) 2Iufgeichnungen gu matten, nur 3 Olionate unb 2 Sage tmr*
gehalten: Don feinem 21. ©eburtßfage, bem 7. ßctober 1815, biß gum 8. Januar 1816,
bem Sage narf) jjenfelß OtücEFe^r. ©arauf folgen unregelmäßige 2tufgeid)nungen
tmm g. Januar biß gum 16. gebruar, bann Fommen nur norf) fünf oereingelte Sin*
träge 00m. 28. unb 29. gebruar, 18. unb 30. Oltärg, 23. SJItai. Sanad) tritt eine
fafl halbjährige J)aufe ein (über bie ffunffauejtellung im Jperbjl 1816 ftnbeC ffd) fein
2Bort); erfi unterm 10. Otooember frnbet ficfj Sine Ototig, im Segember 1816 bann
noch einige oerfprengte Sinfräge, mif benen baß ©ange abfd)ließf.
241
2(uä SEBil^clm J^>enfel6 ^ortrait‘Q5ü(^crn
im 93efi§c (einer @nfelin grau ßcctle£eo in Böttingen.
243
[XIX]
22. (September 1816 an einige 2 BocF)en lang auf ber Äunffauäfiellung gu
beroimbern mar. Reben biefer Jpaupfarbeif F>affe er in bem falben 2 faf>re
nur eine @epiageitf)nung (bie ( 5 dE)[adE)f bei ©rogbeeren) unb ein ©elegen*
F>eiteffucE (ein auö ber. ©rinnerung gemalfeö Samenporfrait) Por | 1 <J>
gebrarfjf. S fl bie Se§eidf>nung beö graben DelbiFbeö alö „Äampf eineö
Rifferö gegen eine Sauberin" bem £)ici)fei-= 2 Q'ia[er mit Recfjf unguIängFicFj
freien, lieg 1 er in ben amtlichen Äafaiog nocf) folgenbe feibfioerferfigfe
Gtrläuf erung einrücEen: 8
„“Die Sauberin, n>eltf>e bie Sünbe bebeufen mag, fF eF)f in
bienbenber, aber bei näherer SeobacF>fung fdf>eugFidE>er
‘Jßrafyt auf bem Rüdfen eineö feurigen SracF>en. ©innperroirrenbe
JpöIIengebiibe F>af fie herauf befdfymoren in i^r pon felffamen Dlteer*
fernen, Eßolppen unb riefigen ÄoraFIenbäumen fcE)immernbe0 ReidE>.
©in Witter befcF>Fog im frommen RlufF) unb ©offperfrauen ben
Äampf gegen baö Perlodfenbe 3 auberroeib. Sie ir b ifdE>e 2 Daffe
gerfnidff in bem Radien eineö UngefFyümö; aber nun iff baö
©dEjtoerf gum Äreuge geroorben, unb eine ©iorie Pon Borgens
rofF) unb ©ü£>nungöbFuf ergiegf fi<f> Por bem trmnberfF>äfigen 3 eid^en
burdf) baö mächtige [rect. tvofyl näcFjfige ?] ReicF). Sie ©unbe
finff unb ber £ob entfliegt. Son bem £idE>fe beö Äreugeö be«
fd^ienen, gerfFiegen bie frügerifdE>en, Pertoirrenben ©effalfen in
Ricf>fö unb ber Regenbogen ber SerF>eiguug tpölbf fidE> burcf> ben
herüber bämmernben JpimmeF." —
Ser Serfaffer be 3 ‘ßaofoon 5 f)äffe )ltf> bei biefer ©emätbebefcfyreibung
im ©rabe F>erumgebrcF>£, unb man fann fidE> benfen, roie ber mpflifdE>e
©alaf, Silb unb ©ommenfai-, auf baö berliner publicum roirEfe. Sag
JpDffmann, ben JpenfeF oF>ne 3 roe ‘f e i bafb nadf) ber RüdEEeF)r burdE) ge=
meinfame Sefannfe (etwa gauque ober Srenfano) Eennen gdernf, mit
feiner Rteinung über biefe neuefie Rianier, ben ©ieg ber Sugenb gu per*
FjerrFicFjeu, nidE)f Fünfer bem Serge geholfen, lägt ficf> ebenfalls benfen;
er toirb Jpenfefn moF)F fdEjon por ber 2 Iuöf£eFFung einige Soöf>eifen gefagf
F»oben.
2 Iuf bie foFgenben 2 FuäfFeUungen (1818 unb 1820) ftf>einf JpenfeF in
ber SFiaf nur nodE> Silber gefanbf gu F>aben, bie burcf) iF>re ۟nflFerifcf>e
unb fedE>nifdE>e Öuaiifäf, nidFjf erff burcl) iF)re allegorifcije Sebeufung,
roirfen fonnfen. 3 nö I ,e f Dn ^ ere F>*niüF>fe er fidE) 1817/18, „bie DeFfarben
nacF) 2 Irf ber früheren Rieberlänber unb SeuffdEjen mif £eim gu Per*
* Sie Sperrungen finö oon uns eingefüF>rt.
2 44
[XX]
felgen"; 1818 [teilte ev lauf Äafafog ein mit folgen ^ar&en gemalfeS
„Sifbnifj eines jungen OKannes" aus.
Jpier E>affe JpDffmann ein banFbareS 97 iobefI für ben groeifen, if>m
fympatfyföeften ber brei freier. DTTan oergfeiclje mif bem, roaS mir hier
Don Jpenfef berid>fef, £el)fens Purismus ©. ig DTiiffe, feine fdf)fedE)fen
©ebidjfe ©. 19 unfen, bas grojje afIegorifdE>e 35 iTb auf ber 2 fuSffefIung
Don 1816 ©. 20 unb bie fpäferen 25 erfud^e, bie affbeuffdf>e garbenfetf>niF
gu erneuern @. 22 unfen.®
6. ©ftuaige fbnfligc 9fITobeIIe aus ber ©egeutuarf.
Sag audE) für ben briffen freier, Sümmerl, unb für bie 33rauf fefber
roirFficfje 3QTenfd^en Dliobell geffanben, ift mir nicf)f tnabrfdheinfidf). Seibe
finb, menn aucf) mif ©fücE, burd>aus. fppifcf) gefjaffen: es finb ber
junge reiche fdF>fcd^fer Äinberffube unb bie „feingebifbefe"
Ijöfyere Xodf)fer, tt>ie jie namenfficf) bei Jrparffeben roieber in (RcinFuffur
auffriff (nur bng Jparfieben nie bie SReife erfangf t)at, aucf) biefem
Eprobucf ©offes eftoaS abgugeminnen); insbefonbere bürffe 2IIberfine
audf) mif 8Itinna Soerffer nidE)f mef>r als biefe allgemeinen 3üge —
allenfalls baneben nodE> eine befonbere Steigung gum aff^efifc^en Äfug=
fdfjrDaljen — gemein fyaben.
gfür Xusmann, ber aus ÄräF)roinFe[ bie XifeffudE>f unb non ©ubi§
manches äußere, ferner bie 2Beinfcf)eq unb (oermuff)[id^) bie £iebe gu
affen @df>moFern fyat, Fönnfe man nocf) ein briffeS 9HobefI fudf>en, non
bem bie 3 n 9 re &iengien beS ©ubaffernbeamfen unb öfteren Jjunggefeflen®* **
ffammen. 2f n 5 ran S Äugfers 9Tatf)[ajj — nidf>f in bem X^eiT, ben ber
@d^roiegerfof)n Fürglicf) unfer ben Jparnmer gebracht, fonbern in bem
feiber nngfeicf) geringeren, ben bie @d^n?iegerfodf>fer (gfrau ’@ffe ÄugTer
in ©fuffgarf) piefäfnofl f)üfef — liegt eine anonyme3eidf>nung ad natu-
rara, bie barffeüf, „rote XuSmann ftdf> [burcf> unfer bie 97tüf$e geflecFfe
^eifungSbfäffer] t>Dr ber ©onne fdf>ü^f // , unb bie oon Äugfer eigenljünbig
* Sag 2el;fen autfj im 9? amen mif £enfel ibentifcfj i(l (2Inagramm), bat
Jpol$e fd)on t>or 3 a b ren erFannf. 3^ freue rnid), auch biefe @leidjfe$ung burd)
bie fjier angeführten btograpfjifdjen ©ngelljeifen, bie mit ber tgronologifrfjen 2fnal9fe
ber .Srautroabl' (o6en ©. IX) gufammengubalten finb, betätigen gu Fönneu.
** 23iel(eirf)t audj ber tpunberlicfje STame Jusmann. jpolfce benFt (in feiner
Einleitung, ©. 47 fJTete) in biefer 23egief>ung an gtpei 33ureauE>eamte ber Äalenber--
beputafion namens ÄrütFmann unb ©oufMle.
245
[XXI]
als „Original §um £uömann" tefläfigf ifl j tnir bilben baö 33Iaff (linear
auf bie Jpälffe oerfleinerf) nebeuffeEjenb
ab. Ob biefer im freien lefenbe 92tann * ** , ^
©ubi| ober ein anbereö „Original" bar* : I
fiellf, mnf ba^ingeffeüf bleiben. • \
(£benfo lie^e fiel) benfen, ba^ für “ ( 5 ~\; \J? *,
bie §igur beä 23o0trinFel ein 33c*
fannfer unferm Saricaftiriffen „gefeffen"
l>af. 23enn aud) bie fiäbfifdf)en Uöürben
fomol)! n>ie bie aufofrafifcl)e®efmnung aus
Äräljroinfel flammen, fo ifl ber ßl>araffer
beö iprD^en unb ©eigljalfeS bocf> bem 23ürs
germeiffer ©faar fremb. DJCöglic^, bafj
Jpoffmann Ijier einen ungebilbefen <f>rifl=
litten Kaufmann oor 2 lugen Fjaffe®.
2 Bie bem aud> fei: in feinemgaüe F>af
Jpoffmann Daran gebatijf, prioafe ®rleb=
niffe®® unb ©mpfinbungen DonSeilgmüffen
nach 2lrf eines ©fanbalfcfjriffflellerS üffentlid) gu t>erf)c>E>nen. §ür fein
3 arfgefül)l fpricf)f im ©egentljeil ber &emerfenStt>erff>e Umfianb, bajj er
1820 gerabe bie beiben fignificanfeffen ©feilen geftricf)en E>af: auf unferer
@. 7 bie über £uSmann:©ubi£enS 2Beinfcf>eu, auf ©. 20 bie über 2et>fen=
Jpenfels großes allegorifcfjes 33ilb auf ber Äunffausffellung oon 1816 .
lieber eine folcf>c Sümbinafion t>on 23eo&arf)fefem unb Sonffruirfem
f>af ficf> anläfjliif; ber unferer ‘35rauüroaE>I’ nädEjffoertranbfen ©rjäf>lung
* Oec gebilbete ^ube ‘ilbrafjam 3Iienbe!ßfDF)n--23artf)o[b9, an ben man rounber*
lirfjcc 2Beife gebaut F;af, roat bec Diametrale @egenfa£ gu bem tfjrifUidj-'germanifcfjen
ftnoten 23ofjroinfeI, roie feine Decroarfjfene, fünfllerifrfj unb geiftig mirflicij bebem
tenbe Xocfytet baß ®egentf;ei[ non 2lFbertine war. ipoffmann beutef bei QSofsroinfeF
roeber im Flamen norf) in bec ©predjweife npcf) im 2Teu0ecen norf) im 2Befen auf
jubifdje Jjperfunft fjin, wäfjrenb er baß g. 25. bei Oümmerl bod) ausgiebig beforgt.
SXKan Dergieic^e bie ÜSofjroinfeFn (5. 57 angebrofjte ßaricatur mit ber nid)t
carifirten PerfonaFbefdjreibung Oümmertß 6. 36. 2ludj ifl SojjroinfeF feineßroegß,
toie man gemeint F>at, ein 23erädjter beß ÜBeineß (etroa roie'iLußmann), fonbern im
©egentljeil ein folrfjer Äenner non ©übroeinen (©. 3g unb 65) unb ßiebFjabet bat>on,
bafj er flrfj nur ungern mit anberen in beten ©enufj t^eilt. ^
** 2Bie jpoltie mit FKedjt I)ert>orI)ebf, mar ©ubi§ in ber 0011 5?ojfmannß
‘23rauttt>aF)[’ fd)on ^a^re lang Derfjeiratffet (mit gffecf'ß lEodjfer Jpenriette, bie 1812
biß 1814 ©djaufpielerin in Serlin geroefen mar), unb Jpenfel F>at umgefe^rt erfl
groei 3 a ^ re nat ^ ber Sonception unferer (Srgöfjlung, im grü^ja^r 1821, feine fpäfere
gruu fennen gelernt, mit ber er fücfj bann — felfr im ©egenfa^e gu ße^fen — erfl
adjf (ja^re fpäter, am 2a. 3 anuar iSag, oerlobf Ijaf.
246
[XXII]
Jpoffmanns fc^oiT beffen greunb Jpippel üovtrefflid) geäußert (1823, auf
eine 21nfrage .£>!|igS fjin, ber pieüeidEjf eine 23egiel>ung auf ^Itinna
Soerffer gemifferf fyatte):
3m 2IrfusE>ofe, einer feiner @rgäE>[ungen, fyat Jp. feinen brep*
tägigen 2Iufenff>art in Sangig — mit mir gufammen — benufjf,
um ben Silbern frifefje garben gu geben. 2Imf) f>af er unfern
©cfjulgenoffen 3Iiafufgerosfi barin aufgefüfrf. Sücf) Hegt biefer
Sichtung feine mir befannfe SljatfadEje gum ©runbe. 2Bof>f jeber
Sid^fer benuljf ©reigniffe feines eignen £ebenS gu rooE>I ausgeffaffefen
©ebilben, pf>ne bajj man jenen gerabe @cf>riff oor- ©d^riff nadf)*
fpüren fann.
Somit merben mir uns im !Princip audE) ber ‘Sraufma^I’ gegenüber gu
befd^eiben F>aben.
7. Könige ‘SSerfud;’.
Surcfyaus auf bie £iferafur angemiefen mar Jpoffmann für bie beiben
©enien, bie ben jungen greiern, SusmannS SRmalen, beiffef>n foUten.
©r fud)te bafür nad} 23 erfrefern geheimer 2 Bifj"enfdE>aften unb Äünfie im
alten Serlin. Um fTcf> über biefeS ©ebief gu orienfiren, griff er —
ido[)[ auf ben 9 laff> beS 23 ibIioff)ecars 2 BiIfen, ber bamals eine @efdf>icf)fe
SerlinS für einen anberen Äafenber bearbeitete® — mit SRed^f gu bem
erffen nennenSmerff>en 23 erfucf), bie ©efd)idf>fe SerlinS in d) ronofogifefjer
golge barguffeflen. 9 Tacf)bem 3 act> 6 @dE)mibf 1727 unb 1733, 3- ®^ r -
3 CRüUcr unb ©. ©. Äüfier 1737/69, griebrirf) TOcprai 1769 (2. 2 IujT.
1779, 3. 2Iuff. 1786) Soppgrapljien ber ©fabf mit geftf>icf>f[id^en
©pecia[=©pcurfen geliefert I/affen,®* f)affe ber jebem ©eneabgen mof)[=
befannfe überaus fleißige Gtompiiafor 2 Infon 33 alft>afar Äönig®*® in
ben 3af)ren 1792/99 ben
Serfucf) einer Jpifforifd^en ©dEjifberung ber JpaupfDeränberungen,
ber Religion, ©iffen, ©eroofnf)eifen, Äünffe, SBiffenfcfjaften ic. ber
9?efibengffabf Seriin feit ben ä[fefien feiten bis gum 3 a £ re 1786
unternommen. Sie erffen beiben Sänbe biefeS 2 BerfeS riejj ffdE) Jpoff=:
mann — permufftfid) aus ber Äönigfid^en Siblioffjef, ber aud) mir bie
* f. barüber Sjotye, ©inleitung ®. 46 f.
** f. ©lauötüi^ in ben '©djriffen bes 23ereinS für bie ©efdjidjfe Serlins’ XXXI
(1894) 1-/24.
"** geb. gu Serlin 13. ©erember 1753, f ebenda 14. 3 an,iar I ^ lJ 4 OrbenS*
rat!) bei ber 23 erroal(ung bes 3°^ ann ‘ ter 'S r ^ enö: v 9 ^ Jpamberger= 3 Iteufels ©eieljrfes
£euffdjlanb 5 IV (1797) 200/02. X (1803) 115. XVIII (1821) 38g.
247
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*" * c ' • ^ ^ ‘ - ' *' ; ■
[7]
V.
«*.
r IfXh*/JAAH' , n+X U4*+*+S3— y»
/lcyysrry*/ 2 *' Mtrruf (^er^Atf?
[2lm ltnfcn Stnnfce, in mittlerer #ölje:]
^offntöttnö 2(u$$ü3e aus Äöni.qö „SBerfud)".
3» bet @vö|e be$ Originals.
249
[XXIII]
Senu^ung beö je£f Tc 6694 fignirfen 2 BerPeö banfen — geben unb fanb
barin u. a. folgenbe (leben ©feilen [Sperrung uub ^nterpunefion I)aben
mir frei be^anbelf]:
[ij I g2f: ^onch'ni S°9 auch eine 3 Henge ® Dn Äünffler[n] unb Sau=
facf)Derjlänbige[n] inö £anb, bie er gu feinen oielfälfigen Saufen,
foroof)! bei ben angelegfen £uft= unb 3 a göfdE>[6ffern . . . alö auch
bei benen geffungen ©panbau unb !} 3 ei£ gebrauchte. Sie erfie biefer
gelungen legfe Sfjriffppp Körner unb ein ^faliäner Kljiramella,
ben ber @£>urfürfi wegen feiner ©efdl>iiflid^feif befonberö gurrt Ziffer
fd)[ug, an.
[2] I 103/6: . . . fiippolb hafte baö unumfd^ränPfefle Serfrauen beö
©furfürfien 2 f° ac h ,m ^eä II. genoffen . . . @r fatte audE> baö ge--
fammfe STtüngmefen betrieben . . . [Ser neue Äurfürfi 3 °h ann
©eorge nimmt ihn in LlnterfudEjyngöIjaff, Pann il>m aber nitfjfö naef^
weifen.] ©emifj wäre er mit biefer audgeE>aIfenen Llnferfudf)ung
forfgepDmmen, alö [!] ihn bie Unbefonnen^eif feineö bofen 2 Beibeö
in baö grämte Ilngliitf ffürgfe. ©ie ganffe nemliif) mit iljm im ©e«
fängniffe, unb ffiejj unter anbern fülgenbe 2Borfe wiber i^n auö:
2 Benn ber S^urfürff müjlfe, waö Su für ein bpfer©d>elm
bift unb waö Su für Subenfiücfe mit Seinem %auhet‘
budE>e Pannfl, [d mürbeff Su fdfjon längft Palt fepn. Sie
Sürgermacf)e Ejaffe bieö gehört unb fagfe eö weiter, biö biefe oetbreifefe
9 Tad^ridE)f ber <SE>u r fürft erfuhr. Ser gang natürliche, aber efwaö fi>leu-
nige £ob beö oerfforbenen (5|>urf£irfte n unb ber Umflanb, baf il>m
£ippoIb an feinem lebten 2Ibenbe oor bem Schlafengehen ein ©laö
DTcabafierwein gereicht I>afte, erregte pIü^lidE) bep 3 c ^ ermann ^ ev:
badE)f, alö habe er benfelben oergiftet, ohne S u bebenPen, baf er
baoon unmöglich Su^en haben Pennte, weil er flcf> unter ber 9 ?e=
gierung 3 oac hi m [ö] beö II. gang wohl befunben fyatte, geehrt unb
gefürchtet war. . . . [^n ber Swrfur giebf er 3duberei unb Ser«
giftung gu.] 3 In oerfhiebenen Drfen warb er herauf gehnmal mit
glüenben 3 a ngen gegmieff, unb auf bem SteuenmarPfe, auf einem
befonberö gu biefem |chrecflidFjen ©dhaufpiefe errichteten ©erüfie, mit
oier ©foffen auf 2 Irm unb Seine geräberf; barauf in oier ©fücPe
genauen . . .
[3] I i48f : ©n ©harlafan, £eonharb Shurneifer [sic], ber oorgab
©o!b gu machen unb geheime 2 Biffenf<haften gu befi^en, fanb bei
bem ©h“ r f ür f^ n balbigen ©ingang unb hielt [ich eine geraume 3 c if
250
[XXIV]
Bei bemfelBen, BefonberO ju 33erfin, auf. 2Benn man ifym in ben
märfiftfjen ©efd^icfjföBucfjern fein fonberlicfjeö ßoB Beifegf, fonbern
[/F>n] rneFjr für einen üBinbBeufel, 33efrüger unb ßanbläufer aus;
gieBf; fo f)affe er bocf) baö 23erbienff, Diel ÄünfHer inö ßanb ge*
Brarfjf ju f>aBen, alö vitaler, %ei<fyner, gormfd^neiber, 35urf)brucfßr
unb anbere gefdFjitf te ßeufe, bie unfere 93orfaf>ren mif Singen Be;
fannf matftfen, mefd^e ifynen biä ba^in unmiffenb [!] unb fremb ge;
mefen mären. [ 2 Begen alleö näheren mirb in einer STofe auf 3Itof> =
fenö ‘Seifräge §ur <Sefcf>itf>€e ber 2Biffenfif)afien in ber SQTarf
33ranbenBurg 5 , 33erlin unb ßeipjig 1783 , oerroiefen.]
[4] I x49 f•' 3 m 3a^re i584 mürben in ber Srucferep ju Serlin im
grauen Äfoffer jmei Äomöbien in 8 . gebrucff, baDon bie erffe Don
^jfaacö Jpepraff) ^anbelfe. Ser 93erfaffer mar ©eorge !p° n & D
uon EieleBen . . .
£5] I igo: Dltan mu^ (Id) aBer bod^ munbern, fcfyon einen ifaliäniftfjen
©änger in cf)urfürfHi<f>en Sienffen ju finben. Siefer f>ie 0 33 er ns
£arb Paöquin ©rüffo, auö STtanfua, ber fld^ 1616 gu 33ertin
Befanb unb 360 2 E>afer ©efjaff genojj. 23om 3 a [> re *611 finbef
(ttf) eine 33eflaüung für 3°?> ann ©fen£el . . . Siefer 23irfuofe
fcf>einef aBer ein Blaffer ©tocfnarr gemefen ju fepn.
[ 6 ] II 67 : fj a fäbft baö 2 üfer fd^üjfe nid^f, fonbern Derme^rfe nodfj
ben 23erbacf)f gegen bie ber 3 au & ere 9 Bejücfyfigfen [!] ^erfonen.
©0 enfljaupfefe man jum 33eifpiel in biefem 3 af>re [ 1663 ] 3 U Sertin
einen feF>r alfen Jpeibeiäufer S^amenö ETauf . . . ber Sf>or f)affe
unODrfidjfiger 2Beife auögefprengf, er Be|l£e einen ©eiff, ber ify m
alleö, roaö er miffen rooüe, Berichte.
[ 7 ] II gif: fann fjier nidE>f unferlaffen anjufüfjren, bag ber E£ur*
furff um biefe 3 e ' f [i658] eine fonberBare Neigung jur £f>pmie
äußerte. 3 U &wen 2IuöüBung fjaffe er ju Äöpenitf ein eigenes ßaBo*
raforium angelegf, roeldjeö im folgen ben 3 a ^ re [i65gj naifj 35erfin
gefdE>aff mürbe. 3 n tiefem aBer naf)m er einen gemiffen ZBerner
EBerfjarb f in feine Sienfle alä ßa&Dranfen unb [iefj aucf) §u gleitfjer
3eif mif Einem DTamenö 3 D £ ann JpeÜinger megen tfjpmifcfjer
21 r 6 eifen Unferfjanblungen pflegen.
2Ifö £lue[Ie gieBf Äönig f>äufig jjuerjl I g] „Jpaffi§ E^ronif" an;
u. a. Befd^reiBf er I 140/42 bie j^effe anläglidE) ber Saufe bes JTtarfs
grafen Sf>riffian (i58i) mörtlicf) n ad} biefer Vorlage.
251
[XXV]
JpDffmann nofirfe ficf) auö Äonigö 2Berf jene fieben ©feilen (wobei
ec fju 5] ©fen^elö 2S a ^ r Derfeljentlicf) auf ©rüffo® überfrag) unb
ben ERamen biefer Quelle, um ndtyereö barauö über fiippolb unb £f>ur--
neiffer ju erfe^en. 2 öir reprobuciren biefe er|7e 2 lufjeicf>nung Jpoffmannö
§ur ‘Sraufwaf)!’ in gacflmitr, fle befinöef ftcf> in einer Poftbaren ©ammel* * ***
I>anbfcf>riff auö jpoffmannö 9Rati)[a^, bie mir igil mif gütiger ©rlaub-'
nifj beö aere^rfen Seji^erö in extenso ju publiciren gebtnEen.
8. ‘Microchronologicon.
Jpafftij’ ß^roniP (f. u. IV 2 ) entflammt bem felben 3af>rgef)nf, ja bem
felben 2f a £ r f“ n fr 03,6 f“ r ^ie ‘Sraufwaf)!’ fo wichtige ‘Kaufmann
non SBenebig’.
Ser Serfaffer lief} eö nitfjf burcf) Srutf, fonbern burcf> 2lbfdF)reiben
oeroielfdltigen unb E)affe fo bie DRoglitfjEeif, ben £ejf jebeö ©jremplarö
burd^ 2 ßeglaffungen ober %u\a§e r Äürjungen ober 2 tuöfiä)mü<fungen ben
üBünfifjen beö Seflellerö anjupaffen®*. gut unferen ^aben mir
alfo junätf)ft feffguftellen, melier Serfion Jpoffrnatm gefolgt iff.
3 n ber Sarffellung oon Cippolbö Procefj f£eE)t in einigen Jpanb;
fdEjriffen ber (EtjroniP bie oerfdng[id>e Sel>aupfung, Cippolb Ejabe wdl);
renb ber gegen if>n geführten LlnterfudEjung einige 9laff)geber beö
Äurfürften befiotf>en (in ber oolföt^ümlit^en gaffung, er £abe „etliche
fo bepm Jj?©[rrn] £t>un unb laffen waren, mif ber filbern Süd>fe ge=
fcl)offen“). ber 3ülel>rjal>t ber 2lbfif>riffen ifi biefe 2lngabe begreif;
IidEjerweife fortgelaffen; bei ^offmann finbet fte fldE> jebodE> (©. 13 ), unb
jwar in ber eben cifirfen alfertljümlidEjen gaffung®*®, auf bie Jpoffmann
unmöglich Don felber Pommen Pennte. ©r mujj mithin eine ber wenigen
Jpanbfdjrtffen benu^t f>aben, bie biefe ©feile enthalten. Sei- ber Jpanb*
fc^riff beö Äammerger icf)fö, an bie man gebaut l>af, fel)lf jebod) ber
* 0 er < 5 änger fiep, roie Spalte (Einleitung ®. 70/71) auöfüijrf, in 2 BirP[idjPeit
©raffi.
” 23 gl. Jpol^eö Einleitung ju ben ‘Setolinenfien beö Peter jjiafftij’ im XXXI.
.Speft ber ‘©griffen beö Vereins für bie ©efd^idjte Serlins’ (1894). fjot^eö 2 luö*
gäbe ifl in f>i jtorifrfjer SejieFjung muftergüitig gearbeitet, mit reitfjen Erläuterungen
unb Pritifäen Erörterungen auögeflattet; tejrtlirf) berücPflcfjtigt fie jebocfj im Prinzip
nur bie im 23 efif}e beö Äammergericfjtö befinblidje Jpanbfcfjrift.
*** 0urtf) ein DTCpDerftänbnifj ober einen ©tfjteibfefjler Jpoffmannö, oielleidjf aurfj
burdj einen blojjen 0rucffef>ler, ift baö ©ubjeft „er“ fortgelaffen; bet gebier ijl aurfj
in ben 'ßerapionö--Srübern’ nirfjt oerbefferf.
252
[XXVI]
^affuö®, fobaj 3 fie ali 23orfage nidEjf in 23efracf)f Fommfj ei ift pielmefm
anjunejpmen, bajj JFmffmann mie für Königs ‘3Serfucf ) 5 aucf) für biefe
■Quelle bie Äöniglidjje 23ibIipff>eF ju Serlin 311 9tafF>e gezogen I>af.
2Bir F>aben alfb bie brei§ef>n ^anbfd^riffen ber ©IjroniF, bie fidE) feif
meljr alö fünfzig 3 a ^ ren unfer ben manuscriptis borussicis biefer
Sammlung befinben, barauffjin Perg[idE)en. Saö (Srgebni^ iff, bafj
£ippo[bä fiiberne 23ütf)fe urfprüngfid) nur in grnei gfol!D=Jjpanbfcf>riffen
(DTrn. 23 unb 24 ) unb in jroei Quarf=Jpanbfd|)riffen (DTxn. 186 unb 187 )
figurirfe; in eine fünffe jF>anbfdE>riff, bie golio STr. 47 5, ift bie 2 Benbung
t>Dn einem gelehrten 33orbefi^er nacfyfrägiicf) auf grunb einer SoUafio=
nirung mif anberen Jpanbfcf)riffen eingefügf. Sagegen fief>f bie ©feile
nicfjf in ben brei goIip=.£anbfcf>rififen 28 , ^61 unb 639 , in ben beiben
QuarfcJpanbfdfjriffen 24 unb 4°6 unb > n & en (gefrennf aufgeffellfen)
brei JFjanbfcfyriffen auö STicofaifl 23efi£ 9Trn. ixo— 112 .
23on ben Pier aber fünf ^anbfdf>riffen ber ®£>rpniF, bie banacf> in
grage Fammen, ffimmf gfeicf) bie erffe, bie g D ß° Sftr. 23 , f° frf>r in
atfem einzelnen mif Jpoffmannö £eyf überein, bajj man mif ©idEjerljeif
behaupten Fann, baf fle ober eine mif i£>r fafi bu df)ff äblicf) überein*
ffimmenbe JFjoffmann als 23oriage gebienf f>af. Siefe £Rr. 23 ift eine
faubere 2 Ibfdf>riff auö bem 18 . 3 a ?> r £> un & erf / ,n einer großen unb breif*
Taufenben ©djriff, bereu Surcf>[efen Jpoffmann nicf>f mef>r @cf)roierig=
Feifen bereifen Fonnfe ali baö gerpplmfe 2Icfenffubium. (2Iuf baö XiteU
blaff füfgf auf 0 . 1—20 Jjpafffij’ 2 Bibmung an ben 23efletler beö Originär*
©jremplarß, ben DKarFgrafen ßf)riffian 2BiHf>eIm ju Sranbenburg, Sifcfjof
pon 33Tagbeburg; auf ben ©eifen 21 — 2 g 6 fp[gf ber f>ier biö §um
12 . 2 Iuguff xöoo forfgefe^fe Sej-f.)
2 (m folgenben bringen mir bie Pier pDn JjpDffmann benu^fen ©feilen
biefer Jpanbfdfjriff unb unterfingen gleidF) bei jeber, mie £pffmann fie
permenbef f)af (bie @eifen$aE>[en ber JpanbfcEjriff fügen mir in edFigen
Kammern ein; in ber 2 Baf)I ber ©cljriffgaffung, in ber JperPorE>ebung
einzelner 2 Borfer burd^ Sperrung, ffeüenroeife autf) in ber 3 n f er puncfipn
perfaf>ren mir feI6ffänbig).
1) Unferm ^a^r i 55 i berid^fef Jpaf^ftig:
[@. 168 ] tiefem 3 a £> re W ^ er Seüffel an fielen ofjrfern
[ber EXTtarF] bep ber 9HadE)f fidEjflicfjen auf ber ©affen umfjergangen,
t)at an £f>uren geFfopfff, offfe meife JXobfen Äieiber angeE>abf, ifl
* Sas feiSe gilt für bie jpanbfdpriff, bie 3 ?I e b ei feiner BeFannten Publirafion
ju grunbe gelegt f)at, unb für bie (fefjr junge) Jpanbfcftrift beö iJItärfiftgen
DHufeumö.
[XXVII] 253
mif gur 23egröbnig gangen, udf> traurig geftelf, f)af audE> offfe
anbere ©eberben geE>abf, bie £eufe barmif gu erfdEjrecFen.
Die (Stelle roirb oon JF>offmann roillFürfidE) auf 23er[in bezogen; im
übrigen citirt fie Suömann im britfen Gapifef (@. 34 ) 23ogromFeEn
gegenüber fo guf rote roörf[icJj. — 2Bie ft^on (5. 1 angebeufef, iff fie
bann im DTiai 181 g Don Jfpoffmann gum Äern einer neuen ©rgcfyEung
gemacht unb beöfjaib im 1820 auö ber ‘23raufroaE>[’ geffridE>enj
baS ©i’faf felbff erfdEjeinf bann, geFürgf nnb oercmberf, in ben Unter*
Raffungen ber @erapion0*33rüber (f. d. ©. 74 ).
2 ) Unferm 3 a f> r I ^7 I EE gciE>[f Jpafffig, nadE) bem p[ö£EidE)en Sobe
^ocdEjimö II. t>abe fein 9TadE)fo[ger „^u^anneö ©eorge" bie ©ünfflinge
feineö 23orgängerö o erraffen [affen:
[©. 20 g] $üe allen anbern aber Ijaf er ben ©rfs Süferoid^f
£ip polbf 3 u ^ cn / ^ Er r *j 3 auö geben rooEfe, erroifdEjf, gefättgh’d^
eingieEjen, alleö baö feine Eßerfiegeln, bag Jpaug mif Bürgern befe£f,
beroaf)ren Iaffen . . .
Jpier iff fonberlidE) gu merFen, unb in 2£dE>f gu nehmen, roaö für
ein el )Hofer unb 23ergroeifeEfer ©rgSdEjelm unb Söferoid^f biefer
£ippolbf 3 u be geroefen, bag if>m aud) gu iprage in bepben feifen
3eicben gebranbf, bag er bie EJKünge befdE>niffen, unb burefy
3auberep ben [!] frommen [©. 210 ] £ob[idf>en ©Ejurfürffen fo oief
bepgebraefjf, bag er mef>r plag bep if>m gehabt, alg einer feiner
£Räf[>e unb fürnef)mffen Dfficirer... ©0 E>af i^m [!] audE) ber ©f>ur=
fürff gurn fUTüngmeiffer gemacht . . .
[@. 212 ] Anno Christi 1672 im gfebr: aEg e 0 barauf geffanben,
bag ÖppoEbf feilen log Fommen, (bie roetl er etliche fo
bepm Jp@[rrn] Sj>un unb [affen roaren, mif-ber fitbern 25fidF)fc ge*
fd>offen) aber in feinem fleinen Jpaufe in ber ©fralo[ro]ifdE)en
©fragen gelegen, nod) oon Sürgern beroadEjf roarbf, [>af fidF>ö auö
fonber[icE)er fcffdPung ©offeö, bet ibn bepm [!] Jpaaren gur ©fraffe
gegogen [©. 213 ], gugefragen, bag er fidf) mif feinem 2Beibe 33er*
gürnf, roeEdE>e in genügen [!] EJIiufl) gefagf, roann ber ©I> ui fntff
ronffe, roag bu für ein böger @d>elm biff, unb roaö für 35uben=
ffüdPe bu mif beinern 3 au & er 35udE>e Fanff gu roege bringen, roürbefl
bu lange FaEf fein. 2BeIti>e0 ba e 0 ben [!] ©ljurfürffen 23eridbf[ef],
l>af mann ba 0 33udE) t>on it>m genommen, unb £euf[>en [!], bie beffen
33erffanb gehabt, Eefen taffen, ba feinbf feine 53uben ©füdPe am [!]
£ag Fommen, iff beroroegen roieber gefängEidf) angenommen, forquiref,
unb auf feine 23eFänfnig 3Tu'ffrood)0 für $aftnad)t, erfflith 4- niaE>[
254 [XXVIII]
mit 3angen geriffen, barnadE) auf einem fbnberlidjen bargu auf*
gerichteten ©erüfte aufm ETteuen fJTTarff ju Serfin, an 2Irmen unb
Seinen mit bem D?abe geflogen, in 4 ©füllen genauen, unö lef^id},
ba mann baS ©ingemepbe mit bem 3 au & er! 5uif>e oerbranbf, ifi eine
grofje DTlaujj unter bem ©erüfle fyevfüv Fommen, ins gfeuer 9 es
laufen unb mit 23erbranbf, trefcf)e 23iel £eutf>e für feinen 3 au ^ er
Xeuffel geraten i>aben. 2IIfo f>af ber 33errätf>erifd^e 23ube, ber
23/eien [©. 214 ] frommen Llnfcfjufb/gen ffeutfjen 23ofeS [!] gefijan,
feinen gebührlichen 2 ofyn empfangen.
J^offmann iäjjf in feinem erflen Sapifei (@. 13 f) Ceon^arb in bem
felben ©inne über biefe 23orgänge berichten, menri er aud^ oorljer ben I
arten DItanaffe' fM> bagegen oermai>ren iäßf; bie gro0e DtJTauS, bie ben
23erfaffer ODn ‘ETiuffnatfer unb EXRaufeEönig 5 befonberS intereffiren muffe,
beteiligt f?dE> perfönfidE) an ber grofen ©dE)faif)f im oierfen Sapifel (©. 47 ),
bie DTtünjbefd^neibung ifi im fecfyfte n ©apitef (@. 6g) ausgiebig Der*
merf^ef. EZDunberiicf) ifi, baf Jpoffmann ben EÄegierungSmedEjfei ODn
1^71 garniert anbeufef. 2 Inf(f>enienb i>af er ii>n oergeffen; fonff Ejcüffe
er ©. 13 Dliiffe |7aft „ber fo nff bas 23erfrauen beS Sijurfürffen befaß" ?
oieImef)r gefagf: „ber baS 23erfrauen beS oerfiorbenen (Sfyurfürften
befeffen fyatte". 2Bie Jfpoffmann jidE> Dörfer gan$ richtig aus Äönigs
2BerF notirf fyatte, mar £ippoib ber 23orrourf gemacht morben, er f>abe *
ben ihm blinbiingS jugef^anen Äurfürffen 3 oac h !m U- oergiffef; baS
formelle 23erfai>ren gegen ben 3 u ^ en fd^eint ficF> in ber £b>at im mefent-
iirfjen auf biefe oöüig jinnipfe Sefd^uibigung gegrünbef ju haben. J£>affti§
Derfcf;meigf jebücf) roofjimeisiid^ biefen für 3 E° 5 > ann ©rorgs coms
promiffirenben LImfianb, unb Jpoffmann ift ifjm bann in ber ‘Srauftoabf
barin gefotgt.
3 ) Unterm 3 a h r i58i befcl^reibf bie Jpoffefie aus Einlaß
ber £aufe beS 9KarFgrafen (Sfyriftian, ber fpäter bie EJHarFgraf*
fcE>aff Sapreutf» erbte •; als ©äfle erfd^ienen baju ber Äurfürfi 2 iugufi
oon <5ad)fen mit feinem ©ohne 6 f>riftian, ber mit einer Xotfyter Jjo^ann
©eorgS oerlobt mar unb bem Täufling ben tarnen gab. ©s fjeifjf ba:
[©. 226 ] ©DnnabenbfS 23or oculi in ber gaffen, ‘1? -^perfog
2 Iug. ©fjurfürfi ju @acf)fen mit feinem ©e[@. 227 ]maf>r unb
Söhne [T], Jperfog Sijriffian oon aÜen anroefenben sperren Jperriicf)
unb prächtig §u ©ölln eingelötet, mit etlichen Jpuuberf ipferben,
unb feinb bie Sürger bepber ©fäbfe Seriin unb ©öiln, fambt ben
* 23gF. JpoI$e a. a. ü. ( 1894 ) 0. 77 .
255
[XXIX]
©panbäuifdfjen Don [!] gopenidffcfjen Zfyove an biö gum ©dtjloffe
in Söller 9iuf?ung gu heyben feiten im ©inguge geffanben unb
bepbeä Sag unb fftacfjf bie 2 Bacf>e gegarten.
Seö folgenben Sageö [am ©onnfag. Dcutf] ifl 93 Targ[graf]
®f)riffian auf bem ©aaf im ©cfüoffe gef auf ff unb iff nadf)miffage
eine ßecfytftfyule auf ber ©fecf>bane,
97lonf ageö unb Singffageö barnadf) ein flaffIidE> 9 ?ing*
rennen geraffen, auf wehren [Q mann SSid unb mamfjerlep in-
ventiones unb Instrumenta Musica gefe^en unb ge^öref. Unb
fonberfidE) iff .$©. g^riffian® gu Saufen mif ©raff ^oflen gu Sarbp
unb 4 . anbern Don 2tbe[, fo if>me auf ben Sienff gemarffef], flaff--
rid^ aufgegogen, in güfbener Äleibung, I)Df>en ©ülbenen ®firnf>auben,
am [!] ©puffern, ©übogen unb Änien mif gulbenen £omen Äöpfen.
©onffen an 2Irmen unb Seinen mif fleifcf>far&en[en] Äarfetfen®®
a[§ mären fie blofi gemefen, angeff>ann [Q, mie mann bie J^epb:
nifd^en Äämpfer pflegef gu maxien. Unb feinbf bie Musici unb
3 fnffrumenfiflen in einer gürbenen 2 Ird^en 9 ?oa, oben mif einen [!]
Sergüfbef©. 228 }fen gefcf)ni|fen S 5 atf>e, bafj mann fie nidE)f f>af
fe^en Eönnen, fürfjer gangen. 2fuf welti^e ein Heiner Änabe an [!]
ganzen 2 eibe auf ber bfofen fjauf mif ffeifc^farbenfey] ÄarfecEen
beHeibef, mif gfügelf!], Sogen, Äod^er unb Serbunbenen 3Iugen
wie ber Supibo gemäE>lef roirb, in [!] einer großen eifernen ©fangen
fte^enbe, gebunben gemefen, unb f>aben 2 . «eine Änaben, mif fronen
meinen ©fraufjfebern beHeibef, gulbenen 2fugen unb ©df>näbdn®*®
mie Säube[ein, bie 2 Ird>e gefüEjref, in meiner, mann ber föürft ge=
ranbf unb gefroffen, mann lieblii, DJtuficiref fjaff. Unb feinb efüidEje
Sauben E>erauö gefaffen... ifl bie erfie bem gf)urfürffen gu ©atfjfen,
[d bepm Sf)urfürffen Don Sranbenburg aufm Srommefer 6 fuF>r
gefianben, gugeflogen unb I>af ftd^ auf feine 3 abeln Dltüfje gefe£f...
[@. 22 g] Seö 37uffmodE)ö Jpernacf) f>af mann einen [!] § u 0
Sourn ier über bie Safgen, auf ber Saf>n, geraffen, unb iff
roegen pia^mangefe auönafjmöroeife eng unb unbeutlidj gefcfjrieben unb infolge
beffen Don £offmann — im erflen SIugenbiidE, offen gefianben, audj oon mir —
für SF)urfürjl gelefen. [) n ben anberen Öreigeljn jpanbfdjriften, bie idj im Original
Derglidjen F)a&e, ifl ber Same ©fjriflian Doüfommen beutfid).
nadj Spotye a. a. O. (1894) ©. 78 ein feiner fieinmanbfloff. 2Bo er gur
Äleibung oerroanbt ifl, giebf Jpoffmann baö 2 ßort burrf) ‘Seibe’ roieber, fonfl burcfj
'3eug’.
®° £offmann. 2Inbere Jpanbfdjriffen, g. S. bie beö Äammergerichtö,
haben bie piaujlblere Reihenfolge „goibenen Schnäbeln unb 2Iugen".
256
[XXX]
abermaf)! Jper^og ©tjriffian gu ©adEjfcn mif dem ©raffen Don 33arbp
in einem ©cfjiffe mit gelben unb fdtjwargen Äarfeifen befteibef
wetdjeö Don gülbenen [!] 3*nbet e,n ©eeget gef>abf, unb fjinfer i^m
ber Heine Änabe, fo gu Dor @upibo gewefen, mif einen [!] langen
bunten ERod! unb ©pi^en Jpufe ddii ©dE)war£en unb gelben Äar«
fetfen unb langen grauen 23arfe, atjj ber ©feuermann t)infer ben
^errn ffet>enbe aufgegügen; Unb feinb bie Cantores unb [jnfifrumen=
tiften gteidtjer gejMf atfD befteibef EBorf>ergangen, fambf anbern
EBieten Don 2Ibet, bie mit bem Jp®. im Sournier fic3E> tjaben braunen
taffen; unb feinbf bie 23algen attenftjatben Doll fdE> d ffc gewefen,
meltfye, atfj fie alle gugleidt> gegen einanber geffriffen, feinb angegünbef
unb abgangen.
[©. 230]... EDonnerffagö barnad) auf ben Eübenbf, alfj bie
Sanfe feinb auögeff>eitef unb E8erfdf)en?f, t>af mann um 10 Uf>r
aufm 2Ibenbf ein fd;on 5 euertI>e,:i ^ angegünbef, wetd)eö etliche
faufenb ©tröffe geff>an, in ber geffalf einer EBiere cf liefen EBeffung
mif £anbes Äned)fen befe^f, bie aüe Dotier ©tröffe gewefen, unb
Ipaben bie 23 udf)fen meifferö EBiet EXÖeriftidEje [sic] SPoffe 11 mif
fielen, fedtjfen, in allen 2 Baf>ren [!], bie alle EBotler ©efjöffe getoefen,
gleich atfj wärenö feurige ERoffe unb EJTiänner getoefen, getrieben,
audt) fetffame Äugeln auf ben [!] 2Baffer fahren taffen, welche, toann
fie in bie Jp6F>e gefommen, graufam feuer um ftdE) gewütfen, unb
t)af biejj feuerwercf faff 2. ©funben gewähret.
2tm gretjfage ift ber Stjurfürfi gu ©atfjfen [®. 231] wieber
aufgebrocf)en, unb tjabeii it>n ber ®I>urfürff gu 23 r[anbenburg]
neben ben anbern Jperren baö ©eteife geben, unb feinbf bie ©acfj'fen
fo ddII gewefen, bafj etliche mif ben Epferben geffürfjf unb wegen
beö großen ©efoffö halb f>ernadt) muffen baö StTtaut guft>un. .
EBergteidtjf man bamif £eonf>arbö 23 erid)f an Suömann im erffen
Glapifet (@. 11 f), fo ergiebf ftdt>, bafj Jpoffmann, tvofy tDÖrflid^er 2 In=
tef>nung im eingetnen, im großen red)f frei mit feinem DItaferlal ge=
fcfjatfef f>af. @r Derfd>weigf ben 2 lntaf$ gu ben fäeften, nämlicf) bie
Saufe am ©Dnnfag, (ebenfo bie banad) abgef>atfene „gedE)ffcf)uIe") unb
bie fragifomifcf>e 2tbreije ber fädf)fifd)en Herren. 2Iuö ben fieben gefi*
tagen, Dorn ©onnabenb biö greifag, werben bei it>m brei: ©onnfag biö
EDienöfag. EDajs er in bem 25 «rid>f über baö ERingrennen ben Jpergog
(Stjriffian gu ©adE)fen burdf) beffen EBafer erfefjf, berutjf, wie in ber EJTofe
nacEjgemiefen, offenbar nicf)f auf 2IbftdE)f fonbern auf einem £efefef>ter
J^offmannö; er gog bann aber barauö .bie Gtonfequeng, audf) in bem
257
[XXXI]
SeridE>fe üE>er bas j^ujjfurnier ben Safer an ©feile beS ©ofjnes gu
nennen. 25er poefifdfjen ©erecf)figEeif megen Fjulbigf aber bie Zaube
nacf) bem 9?ingrennen nidtjf bem jroeimal anbern>ei'fig ausgegeidjnefen
Äurfürffen Don ©acfjfen, fünbern bem Äurfürffen Don Sranbenburg.
25en Äurl>uf aus QobelfeU, auf ben biefe Saube fid) fe§f, fyält Jpoffmann
irriger 2 Beife für fpi£ ffaff für breif unb Bebauerf bestoegen bie unbe«
quem placirfe® ©ängerin: er läjjf bie Saube nämlicf>, ba ber ©dfalf mif
if>m burtf>gef>f, eine ifalienifdje 2 Irie fingen, um baran ©jxurfe über bie
Serliner SocalmufiiE in Sergangenl>eif unb ©egemoarf gu Enüpfen. Sei
ber ©efjilberung beS gu^furnierö ffreicf>f er bann am 2Infang unb
am @d;[u 0 bie ungemütlich fnaüenben „Salgen", auf benen bie ZfyeiU
nejjmer fedf)fen muffen; bafür gefjen bei iE>m bie ©belleufe nidE>f toie bei
Jpafffig efjrbar oor bem ©dEjiffe fyer, fbnbern umfangen unb umfpringen
es in ben DItaSfen „luffiger Jifc^e". Sei ber ©cf>ilberung beS <5 eue r«
roerfs enblidE) roerben, ebenfalls gur ©rljohung ber 2Infd)auIicf)Eeif, aus
ben „Äugeln" „Sögel unb anbere £I>iere" gemadE)f.
4) Unferm 3af)r 1682 Eomrnf Jpafffi^ auf £f>urneiffer gum
2^^urn gu jpredEjen, beffen Samen er tounberlicf) Derbrel^f:
[©. 232] ©ben gu ber 3 e *i f) a ^ 2eonI>arf SurnEjäufer gum
Zfyuvm, ber Panbfarf ein ©dbtoei^er, feines JpaubftDerfs ein ©olbf«
fdE)mibf (ein burd) Sriebener, Serfc^mi|fer unb unoerfdljämfer ©efell,
ber, nac^bem er fiel) für einen getoaltigen unb berüf>mfen [@. 233]
2 Ir^f aus gegeben, unb ba er boef) Eein Pafeinifdf), Sieltoeniger
©ried)ifd> ober Jpebreifd) 2 Borf Serffanben, nidEjfS beffo toeniger
©alenber unb Prognostica um fein ©elb DDn anbern Prüften ge«
macf)f, in jeinen [!] Saljmen ausgel>en taffen, gu Jpofe fid^ einge«
gefliif, einen großen Satjmen unb 3 IufDrifäf il>me gemad^f, audf> mif
feinen 2Bucf>erifdf)en 2f“^ i r c ^ eri Jpänbeln, bie DKarfe toeiflid) aus«
gefogen, unb enbtlidf) ©olbt machen [füllen? ober: gu fönnen be=
E>aupfef?], baf$ er bod) nidE>f befanbf [sic], unb fid) befürd)fe [sic]
feine 3 auberijdE>e Hüffen unb Jpänbel mödjfen n>ie PippoIbf[s]
[juben @d>elmflüd?e an Sag Eommen) fyat er bie DKarfe Dalebiciref,
bafj [= n?as] bocf) toenig Peuflje gehöret hoben, unb I>af fid) gum
Sapffi|d)en Raufen oerfügf, bafür if>m ber JpcUifdF>e 2 )iebl>enfer gu
feiner >$eit (roo es nicf)f albereif gefd)ef)en) feinen gebührlichen Palm
* nirfjf, roie man es ausgelcgf bat, fcfjledjt fjonorirte. Sie Saute mu|j bei
Jpoffmann roäljrenb bes ©ingens mif ben glügeln fdjlagen, um nicht Don bem
gucfecf)utf6rmigen piebeflai F;erabgugleiten.
258 [XXXII]
moll roirb geben, dB er fd)on ben [!] 33er[im'fdE>en genfer entiauffen
unb baß t>erm einte EIRiffel geholfen.
Sie ©ef)äffigFeif biefer Sarftellung liegt auf ber Jrjanb® unb ift
natür[irf> Don Jpüffmann fßforf BemerFf morben; feine SarfleEIung in
£eonf>arbß @rgäE>[ung an £ef)fen im groeiten ©apifel (©. 2 rf) cifirf
gmar ben 25ericE>f unferer JjpanbfdE>rift naFjejn 2Borf für 23orf, aBer
nur um jeben EBormurf aTß EBerTeumbung gu dEjaraFf erifiren.
Jpüffmamtß entgegengefe^feß Iir tfyeil Berufe offenBar in erfler Cinie auf
einer infhncfiüen ©pmpatlE>ie mif ber get>eimnifDoüen SPerfönTid^feif beß
2üd)pmiften; er mug fidF) jeboif) nod) an einem briffen £>rfe — t>ieüeid)f
nur münblid) — flüchtig*® über it>n orienfirf haben, benn meber Äonig
noä) £afffig geben an, roie alt SEjurneiffer mar unb bag er ftdE) Don
23erlin aus gunätBff nadf> @adE)fen gemanbf f>aBe. —
Saß reiche EJRaferiar, baß Jpoffmann bei Jjpafftig über bie $eit
f^o^ann ©eürgß fanb, Beflimmfe iE)n, frdE> für biefe gu entfdE>eiben; er
lieg affo uon ben auß Äönigß ‘EBerfütff üürgemerFfen EPerfünEidE)Feifen
bie 23efeftiger üün ©panbau auß ber $eit 3 Dac ^>* rnö II- (Sir. i
unfereß gaeftmifeß) unb bie ERefromanfen auß ber %eit beß ©rügen
Äurfürflen (ERrn. 6 unb 7 ebenba) fort. Sagegen bradfjfe er ben
©änger, auß EXRanfua (ebenba ERr. 5) menigfienß parenfE>etifdf> in £eons
F>arbß Serid^f an ü£ußmann im erffen Sapifef (©. 12 ). ERac^bem er
aber, mie üben barge[egf, bie fjahreä$ahl 1616 bereifß irrtBümlicfjer*
meife in 1611 üermanbeif §atte, fdE>einf iF)m baß meiftre ERtiggefdjicF
paffirf gu fein, ftatt biefer 1611 nun i65i gu iefen; roenigflenß lagt
er feinen ©roffo fiebgig ^al^re naef) jener bafancirenben Zaube Don
i58i feine melfd^en EJIrien fingen.
9 . 2 If>a 0 beru 0 alß 23orBiIb ber Beiben dtebenante.
Sie Jpaupffguten, bie Jpoffmann Äönig unb Jpafffig üerbanFf,
finb 2ippo[b unb SurnBäufer. Siefe beiben hiftorifd^en 2IIferßs
genoffen leben bei Jpoffmann gefpenftig meit er (um Jpofgeß
treffen ben EMußbrudF üün 1904 **® gu gebrautfjen). Sen Slnfag für biefe
■ Jpol^e erfrört Jpafftigenö ^einbfdjjaft gegen Sbutneiffer a. a. O. (1894)
©. 8a f.
** nidjt bei bem Don Äöntg rifirfen EXRoBfen; in bem gafie roäre Jpoffmann
mehr inß S^fail gegangen unb batte ERamen unb Säten correcter gegeben.
”* ©efrf)idjte beß Äammergerid)tö Sb. IV ©. 83 ERofe.
[XXXIII] 259
in ber 3Qtärcf)enbidE)fung felfene SSorffellung nennt Jjpoffmann bem £efer
ebenfo offen wie bgö 23orbilb für bie SBerloofung oon 2IIberfinen0
Jipanb: er oergleidEjf £eonf>arb auf ©. 18 unb 9Itanaffe auf (5. 6g
mif ber ( 3 efta.lt be0 ewigen 3 u ^ er |/ &' e Slnfang 1819 lebhaft
befcf)äffigfe. 2Bie er am 24. Januar 1819, alfo wenige 2öocf>en oor
ber (Eoncepfion ber ‘23raufwaf>I\ an ^ütfler fdE>rieb, E>äffe er fich un*
längfl nad^fö auf einer 23anE llnfer ben £inben mif 3IF>aöoer unter*
Ralfen bei einer glafcf)e (Ef>ampagner, bie er fidf> fammf ben ©läfern
auö bem erflen Sleffauranf E>abe bringen laffen.
Sie beiben neuen 2lf)a0oere, oon benen freilief) nur (Einer 3 u ^ e 'fl/
frefen nun 1817 alö feinblidEjeg DItagierpaar in 23erlin auf, ganj in ber
felben 2ßeife wie fpäfer. (im, ‘DIteiffer glo^’ twn i8aj) bie beiben
f>olIänbifcf)en 3Üoa[en £euwenf>oeE (geb. 1632) unb ©wammerbamm
(geb. 1637) in gjranEfurf am 9Itain erfcf)einen. 2Bie biefe finb £ippofb
unb Surnfjäufer in 2BirElicE)Eeif nitf>f gefforben: £ippolb iff 1672 burcf>
ben Seufel Dom Sobe gereffef um ben !J>rei0 feiner unterblieben ©eefe
(©, 69 unfen) unb nennf fidE> je^f 33ianaffe; £urnf)äufer f>af §war 1682
bie Dltarf oerlaffen (©. 22), Iäfjf flc^ aber „juweilen" unfer bem 9Tamen
£eonf>arb bafelbft feE>en, halb in 97tündE>eberg (um 1794 unb 1800:
@. i7f), batb in 23erlin (1816/ig: ©. 18 oben, 6 . 34 unfen,
©. 72).
2Bie oon ber 3 eit iff £eon£arb aber auch 00m S'laum unabhängig:
er gelangt (@. 56) mif (Einem @df)ritf aus 2Beber0 $elt in 23o^winfeb
3>mmer, unb wie ein eä>fer 9Itärcf)en=©eiff iff er immer jur ©feile,
wenn feine ©cf)ü^[inge (£ef)fen ©. 20 STtiffe, 2Ilberfine 62 DJlitte)
it>n recf>t IebE>aff f>erbeiwunf<f>en: er weifj bann „merEwürbiger" 2öeife
jebeömal im oorauö, maö man oon if>m will. 2ludE> äu^erlicf) oerraffjen
neben ber großen unb Eräffigen ©effalf, ben bröfjnenben ©griffen (©. 6),-
ben ffarEen 2lrmen (@. 53) unb ber gewaltigen gauff (@. 55) „ber
eigne, wie au0 tiefer fcf>auerlidf)er S^ad^f f>'nau0 ffralenbe 25I*tE"
£eonf>arb0 unb „ber bumpfe Son feiner ©fimme" (©. 6) ben über*
weltlichen ©eniuö. @0 beruht auf einer 25erEennung oon Jr>offmann0
2£bfldE>fen, wenn man neuerbing0 unter feinen 3 e ^3 enE> ff en nai h einem
3KobetI für biefe gigur Umfdhau l)ält-, ein fo[cf)e0 iff borf ebenfo wenig
ju finben, wie im granEfurf oon 1821 ein £euroenhoeE über ein ©warn*
merbamm. Ser einzige 1819 lebenbe® 25erliner, mif bem £eonf>arb
* @0 beijjt nämlich, nebenbei bemecEr, im lebten 2 lbfa§ unferer ©efdjidjfe,
auf Den jpo[§e 0 . 49 feiner (Einleitung befonöeren 2 Bertf) legt, auöönicEiid), ba£
260 [XXXIV]
einige 3üge gemein f>af, iß J^offmann felbff: raie n?ir gefe^en £aben,
fpielf ber ©ofbfrfjmibf im erffen ©apifel £uömann--®ubi£, im jmeifen
©apifei £e£fen=Jpenfe[ gegenüber bie ^ifJorifdF>e Stalle Jpoffmannö; aud>
fonfl aerfriff er äfferö ben 2Iufor, raie eö bem ©dEjufjgeiff, bem deus ex
machina unb bem Staifonneur (@. 63 f!) guFommf. ©einem QBefen
nad^ iß er jebodj ofjne jeben Qweifel als übernafürlidje ©efialf in- ber
2£rf beö 2If>aöDer, nid;f alö beliebiger STtifbürger nnb 2I[ferögenoffe 23o0=
roinfelö aufjufaffen.
2)aö gleiche gi[£ Don feinem SBiberparf SITanaffe. 2öie biefer im
le^fen Eapifel (@. 65 SItiffe) mif ©Fjpfcxf Dergleichen wirb, fo enffprid)f
er im erffen ©apffel in ber ©injelfcene mif Xuömann=@übi£ SeDrienf,
ber am ©d^tu^ beö Darlehen Sapifefö (©. 60) auöbrüdKidE) afö Sac*
ffeüer beö ©E>p[ocE genannt toirbj unb fein Stame mag immerhin, wie
j£al£e aermuffjef, afö ©egenffüd? ju bem beö DTtünjpäcfjferö ©p^raim
geroäl)lf fein, ©einem 2Befen nad^ iß aber audf) SItanaffe eine burcf)*
auö übernatürliche, nid^f menfc^Iid^ erFfärbare ©rfd^einung.
Söeifereö über bie Stalle ber beiben ©enien, inöbefonbere weitere
parallelen auö anberen SItärcf)en Jpoffmannö I>aben mir bereifö oben
(©. V) beigebratf>f.
Ceonljari) bei Grrfdjeinen ber ©rjäjjlung „noch in 23 edin umfjertüanble" unb
bem ßefer bie 2 Bai)r{jeit beö 23 ericfjfeö befföligen Fönne.
[93/94]
261
[‘Schwester Monika erzählt und erfährt’]
W er die in dem vorstehenden Aufsatz auf Grund von Gugitzens Vorarbeit zusammen¬
gestellten Zitate und Namen ohne Kenntnis der „Monika“ auf sich wirken läßt, kann
in der Tat zunächst irgendeine Beziehung Hoffmanns zu dem Texte für möglich halten.
Liest er dann aber die 235 Seiten des Buches, wie ich es auf Wunsch der Redaktion nunmehr
getan habe, so verschwinden diese scheinbaren Anklänge in der Masse des völlig Heterogenen
wie Tropfen im Meer. Außer dem von Margis zitierten Absatz Seite I96f. habe ich nicht einen
weiteren, nicht eine halbe Seite in dem Buche gefunden, die stilistisch von Hoffmann sein könnte.
Hoffmann hat einen extrem persönlichen Stil, den er sich nicht willkürlich zurechtgemacht
hat, sondern der ein so notwendiger Ausdruck seines Wesens ist wie seine Handschrift; den er
nicht trägt wie einen Rock, sondern wie seine Haut. Diese Individualität von Hoffmanns
Schreibart äußert sich nicht, wie Herr Gugitz glaubt, im wesentlichen darin, daß er vor m, n, r
das e synkopiert, daß er oder vielmehr sein Setzer mehr Kommata setzt als nötig, oder daß er
Mahler statt Maler schreibt. Sie zeigt sich vielmehr erstens in der Verwendung gewisser Lieb¬
lingswörter (Bedingnis, Tendenz, Prinzip; bedrohlich, emsig, ganz eigen, verjährt; diverse, exo¬
tisch, heterogen, passabel, skurril; umstülpen; dürfen und mögen statt brauchen und können
und verschiedene andere); zweiten» in einem Schatze fester Wendungen, die in den „Elixieren“
genau so stereotyp sind, wie später in der Biographie Kreislers (das holde Kind, die ewige Macht,
unheimliches Grauen, unnennbares Weh, brünstige Sehnsucht, namenloses Entzücken, reges
Leben, die sublimsten Ideen, ein wackerer Künstler, und so hundert andere). Sie äußert sich
drittens in den humoristischen Partien in der Neigung, möglichst heterogene Wörter ironisch zu
verkoppeln (mancher würdige Pirschhund, vortreffliche Könige, sehr angenehme Prinzen, nam¬
haftes Beileid; genugsam toll; ungemein schreien, hinlänglich wüten, erklecklich saufen, beträcht¬
lich kacken; sich mit dem Tode balgen und dergleichen). Sie offenbart sich viertens in der
Wortstellung, über die sich eine lange und sogar sehr interessante Abhandlung schreiben
ließe (hier sei nur darauf aufmerksam gemacht, wie gern Hoffmanns betonte einsilbige Par¬
tikeln wie: nicht, nur, noch, wphl, an den Anfang des Satzes stellt: „nicht auszusprechen
vermag ich“ und dergleichen); fünftens, im Zusammenhänge damit, in der ganz ausgesprochenen
Vorliebe für konjunktionslose Konditionalsätze mit Inversion x -, sechstens in der Neigung für ab¬
solute Konstruktionen (Brill’ auf der Nas’, Stimme in der Kehle und Brust, Guitarre in der Hand);
siebentens, damit verwandt, in der Verwendung des Participium Praesentis als Apposition; achtens
in der Schwäche für Einschachtelungen bis zum dritten, vierten Grad, die (wie die großen Vorzüge
seines Stiles, insbesondere die im guten Sinne militärische Zucht, Knappheit, Konzentration) auf
Wannowkis römische Schulung und das Corpus juris zurückgehen dürfte. Endlich sei daran erinnert,
1 Hoffmann gibt merkwürdigerweise besonders gern cingeschachtelien Sätzen diese Form; zum Beispiel in einem
Briefe von 1813: „Das Bier ist seit einiger Zeit nicht mehr trinkbar, da, läge ein Frosch darin. Sie ihn unmöglich ent¬
decken würden.“ —
262
[94/95]
daß Hoffraann ein allzu unbestimmtes Abstraktum gern nachträglich dadurch erläutert, daß er ein
spezielleres (in der Regel durch Zusätze noch näher bestimmtes) Synonymum ohne Konjunktion
folgen läßt' (Natürlich erhebe ich nicht den Anspruch, mit diesen neun beliebig herausgegriffenen
Eigentümlichkeiten Hoffmanns Stil auch nur halbwegs ausreichend zu charakterisieren; nur einige
Linien des Bildes, wie sie mir gerade einfielen, wollte ich dem Leser ins Gedächtnis zurückrufen.)
Von all diesen Dingen, die zu Hoffmann so unabänderlich gehören wie seine Nase und
sein Temperament, findet sich in der „Monika“ nicht die leiseste Spur. Das Buch ist vielmehr
in einem reizlosen, durchaus unindividuellen Ton heruntergeschrieben, der noch mehr als der
unvergleichlich elende Ober- und Untertitel, die völlige Sinn- und Witzlosigkeit der einzelnen
Vorgänge und der Mangel an jedem Versuch eines Aufbaus gegen die Annahme der Gugitz
und Margis spricht, daß das Buch einen begabten (oder auch nur routinierten) Schriftsteller zum
Verfasser hat. Mir scheint es im Gegenteil von einem der mehreren tausend namenlosen
Skribenten zu stammen, die damals wie jetzt zwischen Maas und Memel herumliefen; ihn aus¬
findig zu machen, wäre ein ebenso hoffnungs- wie zweckloses Unternehmen. Der Mann hat
bescheidene Flagellationsneigungen gehabt und sich an der literarischen Onanie des soi-disant
Marquis de Sade, dessen „Justine" er ausdrücklich nennt, aufgerichtet; er liefert nun einen matten
Teeaufguß auf dessen gepfefferten, wenn auch dem Wesen nach schalen Trank. Im übrigen
dürfte er wie die ihm ebenbürtigen Verfasser der heutigen Detektiv- und Verbrecher-Romane
seine „Bildung“ einer schlechten Leihbibliothek verdanken (deren Besitzer er vielleicht war); so
mag er an Jean Paul und Hippel, vielleicht auch an Diderots Nonne und (wie Gugitz meint) an
die Lucinde herangekommen sein.
Die Gründe, die Gugitz und Margis für Hoffmanns Autorschaft anfuhren, Punkt fiir Punkt
in ihrer Nichtigkeit darzulegen erübrigt sich, da beide Herren selbst zugeben, daß keins dieser
Indizien zwingend ist. Ja, Margis sagt in erfreulicher Würdigung der Sachlage wörtlich: „Es
wäre lächerlich, in den einzelnen Fällen [lies: Punkten] positive Argumente fiir die Autorschaft
Hoffmanns zu sehen.“ Um zum Beispiel zu wissen, daß Don Juan es auf tausend und einige
Geliebte gebracht, brauchte man keineswegs, wie Margis doch zu glauben scheint, „Text und
Musik der Oper ,Don Juan' von Mozart“ so „eingehend zu kennen“ wie Hoffmann; das wußte
1815 jedes bessere Dienstmädchen auch.
An Schriftstellern, deren Kenntnis der Verfasser der „Monika“ mit Hoffmann teilt, nennt
Gugitz Cicero, Shakespeare, Rousseau, Hippel, Goethe, Schiller, Kotzebue, Kanne. Aber welcher
Leihbibliothekar hätte 1815 die ersten sieben nicht gekannt? Und was den achten angeht, so
kannte Hoffmann Adolf Wagners Freund Johann Arnold Kanne (1773—1824) als Verfasser des
„Blepsidemus“ und Mitherausgeber des „Menschlichen Elends“, der Verfasser der „Monika“ spricht
aber von dem Musiker Friedrich August Kanne (1778—1833). Gugitz und Margis hätten sich
über beide erst aus dem sechsten Bande von Goedekes Grundriß orientieren sollen. Margis
übernimmt nämlich diese ganze Liste und fugt aus eigener Forschung noch Diderot und Wieland
(beide ohne Belege), Voltaire und Wetzel an. Von den ersten drei gilt dasselbe wie von den
ersten sieben bei Gugitz, von dem Namen Wetzel aber leider wieder dasselbe wie von dem
Namen Kanne: die „Monika“ nennt Johann Karl Wezel (geboren 1747) als Verfasser der „Wil¬
helmine Arend“ (1782), Hoffmann kannte Friedrich Gottlob Wetzel (geboren 1779, also bei Er¬
scheinen der „Wilhelmine Arend“ drei Jahre alt; gestorben sind beide 1819, aber das ist auch
alles, was sie außer dem Klange des Namens gemeinsam haben).
Ebenso unglücklich ist Margis mit seinen Parallelen aus Hoffmanns Leben: entweder be¬
sagen sie nichts, oder sie stimmen nicht. Daß der Archivarius Lindhorst, der Konrektor Paul¬
mann und der Registrator Heerbrand Dresdner Bekannte Hoffmanns gewesen seien, wird ihm
schwerlich jemand glauben. Dem von Hoffmann 1791/92 aus der Entfernung angeschwärmten
a Zum .Beispiel in einem Brief von 1814: „nur ein fester Muth — ein standhaftes Vertrauen auf
die zuletzt doch siegende gute Sache"; in den Elixieren: „ein gewisses inneres Wohlbehagen, eine rege Heiterkeit des
Geistes"; „meine Unwissenheit, meine Ungeschicklichkeit im Reiten"; „von seltsamen Gefühlen, von unbekannten Ahnungen
bestürmt“; in der Brambilla-, „durch den tiefen Grund, durch die aus einer philosophischen Ansicht des Lebens geschöpfte
Hauptidee"; in der Biographie Kreislers-, „jenes unheilbringende Gefühl, jene eigentliche Verbitterung•.
263
[95]
Schulmädchen Amalie Neumann hat Grisebach 1899 in einem bösen Lapsus eine noch aus ihrer
Schulzeit stammende uneheliche Tochter angedichtet *; in Wirklichkeit war das gute Kind nach
Hippel (und Hitzig) „an Körper und Geist kerngesund“ und hat mit der Amalie-Monika soviel gemein,
wie Schillers Amalia von Edelreich mit dieser gemein hat, oder wie Friedrich Gottlob Wetzel
mit Johann Karl Wezel. Woraus endlich Margis schließt, daß Hoffmanns Bruder bei seinem
Weggange aus Königsberg im zwölften Lebensjahre stand und seinen Bruder seitdem nicht
wiedergesehn hat, ist mir unerfindlich; falsch ist beides.
Was drittens die Komposition der „Monika“ anlangt, so macht Margis darauf aufmerksam,
'daß „auf die Deduktion philosophischer Gedanken unvermittelt sexuelle Vorgänge' der schlimmsten
Art folgen“; ihn erinnert das lebhaft an den „Goldenen Topf 1 . Andere Leser wird es wesentlich
lebhafter an die läppischen, dauernd mit Tiraden und Exzessen abwechselnden Produkte des
französischen Graphomanen erinnern, den wir oben als das offenbare und eingestandene Vorbild
des Verfassers der „Monika“ nannten und der ja in unseren Tagen unter anspruchslosen Ge¬
mütern ebenso begeisterte Apostel gefunden hat, wie die „Monika“ in Gugitz.
Auf Hoffmanns Geschlechtsleben einzugehn ist hier nicht erforderlich, da Margis gerade
hieraus mit sonst leider nicht geübter Vorsicht nur die Möglichkeit, nicht aber die Wahrschein¬
lichkeit der Autorschaft folgert. Es ist also für unsere Frage gleichgültig, ob seine Ausführungen
’in Einzelheiten korrekt sind oder nicht.
Soviel vom Autor: zweitausend Sudler kommen dafür in Betracht, aber weder Hoffmann noch
sonst ein Künstler. Etwas besser steht es mit dem Verleger, mit dem Gugitz und Margis ja nicht so
hoch hinaus wollen als mit dem Verfasser. Sie raten hier nicht auf Cotta oder Reimer, sondern nur
auf Kühn in Posen. Es ist nun zwar nicht abzusehen, warum das Buch nicht ebensogut in Tirol
oder an der holländischen Grenze das Licht der Welt erblickt haben kann als gerade in Posen; aber
natürlich kommt Kühn in Posen ebenso als Verleger in Betracht wie einige hundert seiner Genossen.
> Ich habe Grisebachs Entgleisung 1903 (im „Enphorion“ X, 591) berichtigt, und Grisebach hat 1904 die Stelle
seiner Einleitung bei deren Neudruck dementsprechend geändert.
[596/597] 265
[Pückler und Helmine Lanzendorf]
<S»fte8 3ntertM«jj<K
qjödler unt> öelmine bi$ jtun 5rüf)jfli)r 1834.
X. ißttdleralSSunggefeir; £elntine in bet SSerltner ©efetlfdjaft.
SßfttflerS Sater ijatte 1810 tion bent fetnigen nur boä »eine ®ttt Branife
Bei RottBuS geerbt, borljer jebo^bie ©tanbeäBerrf^oft 3KuBlatt ittberbamals
nodj fäd&fijdjett DBetlanftb exljeitatijet, ein ©eBiet, baS mit einem «real
Bon 470 qkm uub mit 41 Ortfdjaften Staaten ttie ffieufc ä. S. unb Schaum«
Butg«ßiWe Weit fiBertrifft 1 . ipütfler felbft, geboren 1785, toar 1797/98 Stiller
-
1. 1645 hatte der vielgewandte Heese CurtBeineke fnomen et omtnt] von
Callenberg aua dem Hause Wettesingen die Erbtocher von Muskau >
eine Gräfin von Dohna, gehelrathet und war daraufhin 1646 böhmischer
Freiherr, 1654 böhmischer Graf und 1671, ein Jahr vor seinem Tode (
auch Beichsgraf geworden. Daneben hatte er es zum kursächsisoheu
Geheimen Batbe und Landvogt der Oberlausitz gebraoht.
Sein Urenkel Graf Georg Alexander Heinrloh Hermann (t 1795)
cedirte seinem Schwiegersohn, dem Grafen Ludwig Johann Karl Erd¬
mann von Pückler, ein Jahr nach dessen Heirath 1785 die Standesherr¬
schaft (nach Kneschkes Heuern allg. Deutschen Adels-Lexikon II197 f);
sie war also durch vier Generationen (140 Jahre lang) ln Callenberg’-
echem Besitz, wahrend die Pückler sie nur ln zwei Generationen (60
Jahre lang) gehalten haben (s. u. letzte Note zu IH).
Das Aufsteigen der Pückler hatte ganz wie das der Callenberge in
in der letzten Zeit des 30jährigen Krieges durch eine reiche Helrath
begonnen: Georg Pöckeler von Groditz hatte 1646 die Franken-
berg’sohe Herrschaft Lubschau in Obersohlesien erheirathet und war
1655 in den böhmischen Freiherrnstand erhoben. Die beiden Söhne,
die ihn überlebten, — Karl Franz und August Sylvins — erlangten
dann 1690 den Belchs-, 1691 auch den böhmischen Grafenstand. Wäh¬
rend dann aber die Desoendenz des Grafen Karl Franz durch ziel-
bewußte Fortsetzung der traditionellen Hoirathspolitlk in den reiohs-
unmittelbaren Adel emporstieg (dem sie noch angehört), verblieb
die des Grafen August Sylvias dauernd im niederen Adel. Einer
seiner Söhne erwarb das im Text genannte Gut Branltz, und dessen
Enk»-, der oben erwähnte Graf Ludwig Johann Karl Erdmann, wußte
im Geburtsjahre seines Sohnes Hermann von seinem Schwiegervater
(der ein Callenberg, aber kein Reineke war) Muskau zu erlangen, ehe
er sich wieder aoheiden ließ.
Dem Sohne war es dann beschielen, in einem langen und genu߬
reichen Leben dieses fürstliche Erbe wieder durchzubringen. „loh
habe“ philosophirt er als Bräutigam am4. Juni 1817, „die Klugheit
der Sparsamkeit nie recht begreifen können, weil sie sich von
Hause aus gohon die Privation auflegt, die erat spät, nach mancher¬
lei Genuß, den entgegengesetzt Handelnden auch auferlegt wird: und
gerade das Muß finde loh angenehm; nichts in der Welt ist bequemer.
Also bis dahin vogue la galere.“- Nach vollbrachter Arbeit oonstatlrt
er dann am 19. Februar 1823 weniger befriedigt: „Uebrigens ist es aller-
266 [ 597 / 598 ]
tcS ißäbflßogtumB }u $aHe getocfen 8 mtb batte, als frühreifer ßttahe, bort
Botraiegenb mit älteren Spülern Umgang gehabt: mit SCBtlljelm Gonteffa
aus £irfdj6erg, beffen greunbe § o u la o I b wnb einem gewtffen Eäfar aus
dings ein UnglUck, daß wir beide geborene Verschwender sind,
und dies ist der eigentliche Abgrund, nicht Muskau. In keiner ein¬
zelnen Bache ist es zu snohen, in aUem zusammen. Wir haben unge¬
heure Summen verthan: das ist nicht zu läugnen, das zeigen unsere
Sündenregister.“ (Beides ln Briefen an seine Frau, Bd. IV S. 260 und
Bd. V S. 406 der in der nächsten Note sub 2 genannten Publication.)
2. Wir folgen hier im wesentlichen den beiden in abwechselnden Liefe¬
rungen erschienenen Publicationen der Erbin von Pücklers Nachlaß,
Ludmilla Assing:
1) Fürst Hermann von Pückler-Muskan. Eine Biographie:
[Erste Hälfte, 1785—1830.] Hamburg 1878 (Vorwort Oct. 1872) und
Zweite Hälfte [1829—1871], Berlin 1874.
(Citirt Biogr. I. II.)
2) Briefwechsel (und Tagebücher) des Fürsten H. v. P.-M.:
Erster, Zweiter Band. Hamburg 1873 (Vorworte Oct. 1872) und
Dritter — Neunter Band. Berlin 1874/76. [In Band IH hat die Assing
einheitlich die ganze Oorrespondenz Püoklers mit ihrem Onkel Varn-
hagen gebracht. Von dem weit interessanteren Briefwechsel mit
Lucie dagegen hat sie nur die erste Hälfte, die Briefe aus den
Jahren 1817—1834, mitgetheilt, u. z. verzettelt zwischen anderen
Correspondenzen ln den fünf Bänden IV—VIH; die zweite Hälfte
dieser Oorrespondenz, ans den Jahren 1835—1854, ist — abgesehn
von den in die Biographie verarbeiteten Stücken — noch unge¬
druckt.]
(Citirt Briefw. I—IX.)
Beide Publicationen sind elend; die Biographie gewährt fast garkeine
positiven Daten, und die Briefedition ist im ganzen wie im einzelnen
ohne jede Ordnung: jeder nicht vollständig datirte Brief ist erst darauf¬
hin zu prüfen, ob er von der Herausgeberin unter das richtige
Jahr und den richtigen Monat gestellt ist. Vgl. dazu im Ab¬
schnitt II unsere Noten 1, 22, 26 f, 31 (hier waren siebzehn durch-
elnandergeschüttelte Briefe zurechtzurücken I), 42, 49,54,65, 78 und 81.
Immerhin verdiente die zweite Publication ihres Inhaltes wegen
ein wenig bekannter zu sein; wie unbekannt sie ist, ergiebtsich schon
daraus, daß ein Leser wie Grisebach 1899 die darin (V 468/72) gedruckte
Oorrespondenz zwischen Hoffmann und Pttckler für ungedruckt hielt
und daß der vielleicht nooh belesenere Bichard M. Meyer ihm das 1901
(Euphorion VHI 430) ausdrücklich bestätigte. Das anziehendste ist
vielleicht die autopsyohologische Oorrespondenz, die Pückler in den
sieben Monaten September 1844 bis März 1845 mit der wundervollen
Gräfin Hahn-Hahn führte: das typische Gespräch zwischen Eitelkeit
und Stolz (1273—346). Ueberhaupt ist Pückler einer der ausgezeich¬
netsten Selbstbeobachter (oft auch ein durchaus gerechter Selbst-
benrtheiler), und insofern gewähren nicht wenige seiner Briefe ein hohes
psychologisches Vergnügen. Leider vermag jedoch das Object dieser
Beobachtungen in keiner Beziehung ein tieferes Interesse zu erregen:
267
[ 598 / 599 ]
Berlin 8 — Bis feine«elegation 8 tiefem ftSB(icE>enSeien ein jäijeS©nbegemadjt
Batte, ißütffer tnar bann in facßfife^e Stoffe Betreten; 1804 Botte er jebodj tief
»erfdöulbet als SRtttmeifter ben KbfcBieb genommen unb mar nadj längeren Seifen
1811 feinem ©ater in ber ^errf^aft über beffen Beft&uttgen gefolgt, bon benen
1807 audj BraniB mit bem Rreife fflottbus an Saufen gefaHen mar. Bei aus»
ftiigen nacB SBeimar Botte er 1810 Earl Sluguft unb ffioetBe fennen gelernt,
1812 @^o)>enBauerS SKutter unb beten „Berrli^e" ZoQtet Kbele, bon bet er eine
unser Held hält sich Im 'Wollen, Handeln und Denken Immer in mitt¬
leren Grenzen; seine Seele ist im Grunde banal, wenn sie sich auch
rastlos bemüht, sich und anderen interessant zu scheinen.
Nachschrift während der Correctur, Mitte October 1911:
Erst jetzt lese ich den Aufsatz ‘Vergessene Briefe’ von Felix Poppen¬
berg (ln der Neuen Rundschau vom Februar 1905 = Freie Bühne XVf
226/46), der das Leuchtende, Prickelnde und Uebersohäumende in Pück-
lers Erscheinung mit Entzüoken geschaut und in so anmuthiger Bered¬
samkeit geschildert hat, daß wir um so getroster das andere zeigen
dürfen: die unfruchtbare Leere dieses stets nur spielenden und sioh
spiegelnden Geistes.
Es ist damit schon gesagt, daß wir Poppenbergs Bildniß eine rela¬
tive W ahrheit zugestehn. Wer freilich das Object von einem anderen
Standpunkt aus betrachtet, der wird keinen Champagner sehn, sondern
nur eine blanke leere Flasche, geschmückt mit einer erstklassigen Eti-
quette und bekrönt mit einem tadellos vergoldeten Korken. Auch für
diese nüchterne Auffassung läßt sich nicht wenig geltend maohen.
Pückier, der doch kein beschauliches Gemilth war wie der alte Villers
oder der alte Fontane, sondern der wie der Urahn Reineke einen
brennenden Ehrgeiz, einen heftigen Drang nach Wirksam¬
keit und Geltung hatte — dieser Mann der Actlon und des Glanzes
begann alles an dem Ende, wo er allenfalls re bene gesta hätte auf¬
hören können; er baute alle seine Schlösser von oben nach unten. Er
legte einen Park an, statt sich erst den Boden zu sichern; er griff naoh
der Fürstenkrone, indeß das angestammte Fürstentbum Ihm entglitt; er
gierte zeitlebens nach Orden aller Art und schmachtete naoh einem
gnädigen Blick von oben, während er sioh ängstlich allen Amtspflichten
entzog. So darf man wohl behaupten, daß der Sinn für das Wesent¬
liche ihm durchaus abging, daß er stets nur dem Schatten der Dinge
nachjagte: wie er ja auch selbst einmal (28. Dec. 1822: VS76) sagt,
er werde es „höchstens zu einem großen Bilde“ bringen, eine große
Wirklichkeit sei ihm verschlossen. Die schöne Flasche ist da: aber
es iBt nichts drin.
Im folgenden ist es übrigens keineswegs auf eine Schilderung von
Pücklers Wesen abgesehn, auch nicht auf eine Erzählung seines langen
Lebens, sondern, wie sohon im Text gesagt, nur auf einige petits faxte
vrais aus demselben, die in den Zusammenhang dieses Buches gehören.
3. vielleicht einem Bruder der Pauline Wiesel (1779—1848)? Er comman-
dirte im Kriegsspiel als Oberst das Regiment der älteren Schüler, Con¬
tessa als Major das der jüngeren (s. Houwald’s hübsche Schilderung
268 [ 599 / 600 ]
begelfterte ©cbflberung entworfen bat. St nt ©efreiungSIambf gegen Wafwieon 1.,
ben fein SltterSgenoffe ©arnbagen «18 rufftfcher $aupttnann unb Wbjutant Setten*
borns mitmadjte, batte ©ücfler all rufjifdjer SRajor tmb Stbjntant Sari Stuguft«
(ber als rufflfc^er ©eneral bie Xrupben bes gefangenen RönigS bon ©acbfen
führte) nttt Äusjeichnung tbeilgenommen imb war jnm Döerftlieutenant be»
förbert Worben. 1815 waren bann feine fämmtlichen©e ftf/ungen anSßrsufjen
gefallen, unb ©ücfler war als Oberft fn bte breujiifcbe Sanbmetjr eingetreten.
[1816.]
3m Sabre 1816 btelt er ftch öfters in ber $auf)tftabt feines neuen
„SBaterlanbeS", in Serlin, auf unb machte hier burdj fein ungebänbigteS Sem»
berament, feine £ufarenftreicbe unb feine btelfad} freilich aus reiner ©itelfeit
jur ©(bau gepellten Karotten bon ficb reben. ©efettfcbaftlidj hielt er ft(b Wohl»
WeiStldj an bte Steife beS alternben StaatStanjIerS $arbenberg: einerfeits
befreunbete et fi(b mit beffen Setb* unb Seelenarjt Soreff, anbrerfeitS
machte er SarbeubergS Zofitet Sucie ben §of, bte im 41. SeBenSjafjre ftanb
unb 5 Sabre 10 Konate Jünger War als Rüttlers Kutter. (8wei Sabre bot»
ber b“lie ficb ffiarnljagen belanntlicb mit ber bamatS fdjon 43jährigen Wobei
berebelicbt.)
Sucie bon $>atbenberg hotte 1796 ben regterenben ©rafen bon ©abfien*
beim gebetratbet, 1802 aber ihn unb fein Sänbcben auf Wtmmerwieberfebn bet»
laffen; 1813/14 batte fte ln Hamburg unb Slltona Ihren alten Slebljaber Bema»
botte als Sronbrinjen bon ©djtoeben Wiebergefebn unb War 1816 nach Berlin
übergefiebelt mit ihrer 1797 geborenen Sechter Slbelbeib unb einer angeblich
IWei Sabre jüngeren SEBilbelmtneSanjenborf, btefiealS ©Pegetcchter er»
jogen batte. - Sie ©erfunft biefer „$elmine", bie uns hier mehr angebt als bie beiben
©räpnnen, ift unftdjer; fte galt allgemein für bie uneheliche Sod/ter ber ©räpn
(etwa bon Bernabotte), unb man ift geneigt, biefem ©erücbte Stecht ju geben,
Wenn man wieberbott bemerlt, ba& bie ffiräfin $elminen offenbar noch järt=
lieber liebte als ihre Zofyct Slbelbeib, unb ihr alles, auch baS fchwerfte, ber*
gab. ®te ©täfln gab fie aber auch ihrem erften ©emaljl gegenüber für ein
frembeS eheliches flinb aus, nämlich für baS feines SutfdjerS.
©amhagen nennt §elminen „ein wunberbübfcheS Käbdjen bon
feltenfter Sugenbftifche unb Sieblichteit; tlein aber WoblgeWadjfen, jietlich,
fein unb berb jugletdj, War fte ein gigüTdjen, an bem ftch baS Stuge recht
Weibete, unb bon bem ftch her ©IW nicht wieber abwenben mochte. ®te
Könnet bulbigten ihr beetfert, mehr als ber gröberen unb fdjöneren Slbel»
beib... $elmtne War latt, fte fchtett mit ben §utbigungen nur gu fpielen
unb feffelte — baburdj nur befto mehr.“ — Sluf ben Röntg grtebrtch 2811=
ln den ‘Bruchstücken am Contessa’s Leben’ in W. G. Becken Tb. mm
geselligen Vergnügen auf 1828, S. 211—246); im Leben brachte Cäsar
es jedoch nur mm Rittmeister (s. o. S. 830 zweite Hälfte und im folgen¬
den 8. 609 unten).
4. Blogr. I 14.
[600/601] 269
Ijeltn HL, bett «Jäljrtgen SBitltoer, machte fie „fogtetc^ beit ftärlften ffihtbrucC",
tote tljre Kftegefdjmefter im SDtärj 1827 Sarttljagen berichtete. „Stuf alten 8lf*
fembleen" muffte fie „an fetnem 5Etfd|e Sßtafc nehmen"; er ttottte fie ju feiner
®etie6ten machen, ia ju feiner grau (unter bent Kamen einer ^etjogin
bott 8teätau); ein 8rief beS trodenen §errn begann: „SKeln ange6eteteB,
übet altes geliebtes fKäbdfett 1" Stber fjelntine blieb einfttoeilen unnahbar,
unb $arbenberg brohte feine ffinttaffung ju nehmen, toenn bie SJtajeftät feine
8ftege=®ntetin eheliche. Set Jlönig retfte atfo [am 23. galt 1816 abenbSJ gegen
feinen SBunfdj ohne bie ^ßa^i>en^etmfd5en Samen, ja ohne einen StbftfjiebSlufs
nach ÄartSbab, too er fleh bie ®rtlte glüctttch ans bem fiofcf fdjtug 5 .
SBoht burch fforeff lernte SBüefter £ off meint leinten unb bejeigte ihm
„freunbfdfaftlidje 8ea«htung" 6 ; §offmann feinerfeitS beaetdjnete hiüeltern 1817
„in bieter £>inf«f)t als mir geifteSbcrtoanbt" abgefehu babon, bah er ihn als
fdjityferifdjen Sochtftnfiter ehrte 8 .
$offmann unb hSfictlet fcheinen ftch gelegentlich unterhalten ju haben über
baS berfattene $auS Unter ben ßinben 9 unb feine väthfelhafte8efifcerin,
eine ältere Same, über beten SBerffättniffe niemanb fidjereä toufite. (Sie war.
B. Biogr. II 233J3T; oonfuser I 182 f (hier ist Helmine erst von der
Tochter, dann von der Fran des pappenhelmischen Kutschers ge¬
hören). Wegen Pappenhelm und Bernadotte s. ebenda S. 156 f. In
Piloklers Briefen an Lucie -wird, so weit ich sehe, die Neigung des
Kdnigs su Helmine nur zweimal gestreift: Püekler schildert ihr „Berlin,
den 3. früh 11 Uhr“ (von der Asslng wohl mit Hecht unter das Jahr
1817 gestellt), wie der König ihn „ganz schüchtern und halblaut“ nach
„Fräulein Helmine“ fragt (Y 83) und Techt niedergeschlagen ist, als
er hört, daS sie leide; acht Jahre darauf, am 28. Deo. 1825, schreibt
Pückler, nachdem er zum ersten Male die Fürstin von Liegnitz gesehn:
„Helmine ist meines Erachtens, wenn Bie gesund wäre, nooit immer
weit hübscher“ (VI 282 Mitte).
Die Abreise des Königs nach Karlsbad geben wir nach
Klödens Biographie S. 210. Im nächsten Jahre fuhr'der König (am
24. Juni) zunächst nach Teplltz und reiste erst von dort, vierzehn
Tage später, nach Karlsbad weiter; also hat Adelheid in ihrem Bericht
an Varnhagen dooh wohl das Jahr 1816 gemeint.
6. So H’s bescheidener Ausdrnok, oben S. 326 Z. 2—4.
7. Nachtstücke II 10 Z. 8 f (näheres unten). Dafi Pücklers Individualität
in der That 1816 auoh Männer fesseln konnte — in einer Zelt, wo man
noch hoffen durfte; daS dieser Most sich einmal zu starkem Weine
klären würde — wird begreiflich, wenn man von einzelnen seiner
damaligen Streiche hört, z. B. von dem Maskenball zu Muskau,
der nicht nur in Hoffmann’scher Manier erdacht und durchgeführt ist,
sondern der auch in einem ganz Hoffmann’schen Tone geschildert
wird (ln einem Briefe an den Weimarer Hofmarschall Freiherrn
Emil Spiegel von und zu Piokelsheim — nicht Grafen von Spiegel,
wie die Assing ihn nennt — vom 17. Februar 1816: Briefw. V 464 f).
Man kann sioh kaum etwas humoristischeres in Hoffmauns Sinne denken,
270 [ 601 / 602 ]
wie Bier feftgeftettt fein mag, 1753 in ©erlitt geBoren aI8 Sncßtet be§ Befannten
ÜBegelt}, Bet jwei Saßre borBer bie [jefet fötriglidje] ©orsetfan=9)tanufactur
Begrünbet Ijatte, bie er freilich 1757 an ©oßloWätB tierlaufen mußte 8 . gittmer*
Bin BlieB iBm fo hier, baß bie fpanb feiner Stodjter Earoline SBiiBelmine
bebt 1746 geborenen Bieutenant SriebridB SBilBelm Subtuig bon Sl mim aug bem
$aufe Ärödjlenborff Begehrenswert erfdEjien; 1775 fanb in SSerlin bie Stauung
beä ißaareS ftatt“. 3irnim fdjeint alSBalb als .fjaubtmann ben StBfdjieb ge=
nommen ;u IjaBen, um feinen fcßon ü&er 60 gaßre alten ©ater in ber SBewirtß»
fcßaftung bes ©uteS ju unterflüßen. ©ort, auf ßrödjlenborff, geBar ißtn Sardine
SBirßefmine jtoei ©Bßne, 1777 griebticß 11 unb 1779 SBilBetm SubWig. Stuf bie
Sauer bermocBte ficß jebocß bie berliner ©ürgerätocßter hießt in biefet feubalen
Umgebung ju Beßaubten; inSBefonbere mag bie ©djwiegermutter, eine geborene
©rifin bon ber ©djuIenBurg aus bem £aufe 8BoIf§Burg, ißr Bart äugefeßt
BaBen. Sie ®ße würbe getrennt: Strnim Blieb auf bem ©ute, beffen eigentßümer
et 1788 Würbe; Gardine SÜBilBetmine jog f«B berBittert nadfj SBerlin snrütf
unb Böufte bort einfam unb menfdßenfiBeu in ißrem ©aufe Unter ben Sinben 9.
©o Weit man in SBerlin üBerßaubt bon ißrer ©jiftenj wußte, ßielt man fle für
eine SBittwe; fle fetbft fdjeint ficß bafür auSgegeBen ju ßaBen, nm ©erebe gu
berm eiben“.)
and die Aehnlichkeit beruht offensichtlich nicht auf Nachahmung son¬
dern auf einer gewissen Verwandtschaft des Temperaments.
Daneben besteht freilich ein erheblicher Unterschied des Charakters,
den Hoffmann nicht gleich erkannte. Bel unserem Dlohter sind die
Opfer solcher Streiche immer äufferlich hoher gestellte (von wirk¬
lichen Personen 1794 der Onkel Otto in Königsberg [s. I 44 —46], 1802
der General von Zastrow in Posen, 1821 der Geheimrath von Kamptz
in Berlin; Ton finglrten Gruppen 1810 die Gesellschaft beim Geheim¬
rath Roderlein und 1819 der Hof zu Sieghartsweller); Hoffmann muff
sich ein Ventil sohaffen, er will sich beweisen, daff er innerlich diesen
Gewalthabern überlegen ist. Fiioklern dagegen, der bis ins höchste Alter
ror jedem höherstehenden katzbuckelt, ist es lediglich darum zu thnn,
sich seine Ueberlegenheit über untergeordnete Personen no oh einmal
•vor Augen zu führen — mögen diese auch seine Gäste sein.
8. S. o. Nr. 256 (Faos. tot 8 . 459) tui Nr. 3.
9. J. D. P. Rumpf, Berlin und Potsdam* (1829) I 572.
10. Gothaisches Geneal. Tb. der Adeligen [rect. Uradeligen] Häuser 1903
S. 63.
11. Dessen Sohn Oskar (1813—1903) heirathete 1844 Bismaroks
Schwester Malwine (1827—1908); deren jüngere Toohter Si¬
bylle (geb. 1864) heirathete 1885 Bismaroks Sohn Wilhelm. Die
Besitzerin des ‘Oden Hauses’ ist also die Großmutter von Bismarcks
Schwager und die Urgroßmutter Ton Bismarcks zweiter Schwieger¬
tochter.
12. 1812 wird sie in Sachs’ Wohnungsanzeiger als „Wittwe“ bezeichnet,
Sommer 1820 in Bolckes AUg. Adreßbuch als „Verwittwete Majorlnn“;
nach ihrem Tode, 1828/24, erscheint sie ln den Polizei-Acten über das
Grundstück, die mir Herr Polizei-Sekretär 08k ar Sn der freundlichst
[ 602 / 603 ] 271
SRe \)t fxeiltd^ als für bie Stlte unter ben Stuben, bie nur ben SRetj be§
©eBeimnißBotteit für fuß tjatte, intereffirten $offmann unb ©ücflet ft cf) für bte
fdjfae, tatte ^elmineSanjenborf, beren gamtltenerijdltmffe übrigens jamin*
bejienS eBenfo unltar waren. SBte Wir weiter unten feßen werben, ßat^offmann fte
offenbar in einer großen ©efeflfcßaft, an ber and) ©fidler tßeilnaßtn, als Sij (jß =
b ante gefjabt nttb ißt bamalS gerätsen, nerbüfen Jtopffdjjneri burcß einen ©cßtiuf
Eßampagnet }u Bertreifien. (SKBgliiß ifi es aucß, baß ©ücfler bann Beim Eaffee
auf $offmannS tnterefftrte Sfrage nadj ben ©erfonalien feiner Sifdjbame in aus*
Weidjenbent Scßeräe mit geßeimnißBoIIer Stimme gefagt Bat, baS Wiffe niemanb,
aBer am Enbe Bange fie gufammen mit jener mtjfteriöfen Sllten. Ser pßanta*
ftifd^e ffioreff mag barauf biefe genealogiicße Sßpotßefe in bem Sinne auSgemalt
BaBeit, baß bie berfaffene grau itjren treufofen Runter OorüBergeßenb wieber
nacß SSerlin gelocft nnb bort ein SieBeSfeft gefeiert Babe, beffen grudjt §elmine fei.)
Einige SBocßeit nacB Sotfenbung beS 31. SeBenSjaBreS, am 20. 9to=
»emBer 1816 1S , berloBte ©üdler ftd) mtt ber (einftweilen nocß bereBelidBten) ©räftn
Sncie Bon ©aBBenßeint,
[1817.]
Sinfang beS grüBjaBrS 1817 14 reiße et auf feine StanbeSBerrfcBaft, um
fie atS ben lünftigen eBelidjen SBoßnfiß ju Berfdjönern: er legte jeßt ben ©runb
}U feinem wirtltcBen £iauf)tmerf, bem ©arl bon BMuSlau. güt biefe (scßöpfung
ffjarte er lein ©elb, Weber fein eigenes nocB baS feiner ©raut: biefe Würbe un»
zugänglich gemacht hat, abwechselnd als Hauptmanns- und als Majors-
Wittwe. Wegeners Haus- und General-Adreßbuch nennt sie Ende 1821
Torsichtiger Weise nur „Majorin“.
Das Richtige hat wohl der expedirende Kammergerichts - Sekretär
Hofrath Johann Friedrich Wilhelm Zier angegeben, der seit Jahrzehnten
für die beiden Berliner Obergerichte der erste Vertrauensmann ln
Cassensachen war und anscheinend auch die Angelegenheiten der Frau
von Arnim verwaltete: er meldete dem Pfarramt der Dorotheenstädtl-
sohen Kirche (nach deren, von mir eingesehenem, Sterberegister), daß
„Frau Caroline Wilhelmine sep arirte Hauptmann von Arnim
geborne Wegely“ am 26. Mal 1823 Nachmittags 4*/e Uhr im 71. Lebens¬
jahre am Schlage gestorben sei, u. z. „unter den Linden Nr. 9 im eignen
Das schmale, tiefe Grundstück wurde, naeh den vorher erwähnten
Polizei-Acten, am 13. August 1824 verkauft an Johann Gottlieb Sieg¬
meyer, Geheimen Calculator am General-Postamt, der alsbald das Haus
ab riß und mit einer vom König bewilligten financiellen Beihülfe die
Kleine Mauerstraße durch das Grundstück legte, die gewiß schon
mancher unserer Leser dankbar benutzt hat. — Arnim überlebte seine
„Wittwe“ fast um zwei Jahre; er starb am 15. März 1825 auf seinem
Gute.
18. Biogr. I 158.
14. Nach den Briefen an die Braut
IV 194/97.
272 [ 603 / 604 ]
aufbbrlich in ©ontriBution gefefct unb gab ihm auf fein mieberboIteS Srüngen
fcblieglicb eine anfdjeinenb faft unBegrengte Sottmacht über if)r Vermögen; nur
eine {Rente Bon 500 Sparern fieberte fle ihrer Termine 15 . SügUcb arbeiteten
„toenigftens 200 SRenfdjen" für Sßütfler 18 , unb allein imSKärg unbSfyril gingen
36000 £hafer, arfo über 100 000 SDtart, babei brauf 1 ’. ©efriebigt fdjreiBt
Sßütfler am 14. SRai 18 : „eS gebt im Sntnbe aHeS nach SDtSglicbfeit raftfj bor=
ioärts, nur toftet es ein ©iädjen Biel ©elb. ®aS mußt ®u nun freilich her»
geben; bafür loerbe idb für Sieb forgen trenn h)ir oerbeiratbet finb".
ffior feinem ffieggange §atte er $offmann aufgeforbert, ibn auf feiner
tferrfdjaft gu Befucben. Sort hatte er Balb nach ber Stnfunft im SRadjlaffe
feines gutmütbigen ©rofsbaters ©aKenfierg 19 bie SIBfcbrift eines ©riefeB Bon
SDtogart gefunben; er tünbigte am 6. St j>rtl feiner ©raut bereu ßufenbung an mit
einem ©riefe 90 , ber „Sofmatm’S" ‘Kacbtftütfe’ ermähnt, Bat aBer „febr um bie
Suriitffenbung", ba er „tein anbereS ©yemfiiar babon habe" unb „nicht leicht
ettoas rübrenb SntereffantereS fenne". STm 19. fanbte er bie SIBfcbrift (bie
bertegt gemefen mar)* 1 ; naihbem er fle surütferbalten, fchrieB er Süden
am 29.®*;
SKojart’ü SSrtef inerbe ich Äofmann fommunijireu, unb
ihm babei fein fßerfprechen, SBluiStau ju befuchen, in’Ä
©ebächtnig rufen.
2>aS lefctere toenigftenS bat Sßütfler auSgefübrt; eS gelang ^offmann je»
boch nicht, Urlaub gu erhalten* 3 .
Studj Sucie lieg in SKuSIau lange auf ftdj toarten; fte batte gute
©rünbe, erft ihre @<betbung unb StuSeinanberfefcung mit bem früheren
©atten burtbgufübren unb ihre Sochter gu Berbeirathen, ehe fle mit
Sßütfler jitfammenjog. — SßfitflerS ©cbmefter ©ianca mar mit bem Sßringen Sari
Bon Sdjßnaicb’Earoiatb berheirathet; beffen ©ruber Heinrich, ber gm ei Sabre
Srter ats Sßütfler unb feit bem fJeBruar 1817 fffirft gu EaroIatb=©eutben
mar, mar ber ©rüfin STbelbeib als Satte gugebadjt. Stber erft um ben io. Sunt
fam baS Sßrojett ins reine**. Um ben 20. Suni Berichtete ein Wiener SucienS,
ben biefe nach SKuSfau gefchitft, Sßütflern Bon ber fröhlichen ©rautftimmung bon
SKutter unb Tochter* 8 ; aber „bie fjelmine giebtftcb in f«h, bie lann fo maS gar
nicht recht mit anfeben. ®ie fagen aber, ©omteffe [Slbelbrib] mirb fte [nach
©arotatb] mitnebmen, unb fte miU nun, ba alles beiratbet, auch beiratben." SBen,
miffe er freilich nicht. — Sude hielt ^elminen Begreiflicher SBeife bon bem
16. Ebenda S. 262 Mitte.
16. Ebenda S. 255 Mitte.
17. Ebenda S. 241 oben.
18. Ebenda unten.
19. S. o. S. 596 unten, 597 Mitte.
20. Brief». IT 198.
21. Ebenda S. 212 unten.
22. Ebenda S. 228.
23. S. o. Nr. 192 Abs. 1 (S. 325/26).
24. Brief». IV 267 Mitte, 268 oben,
271 Mitte.
25. Ebenda S. 275 f.
[ 604 / 605 ] 273
feurigen Bräutigam fern; biefer ftagt: „Saß ©elmttta nitßt mit aufs SagbßauS
lommt, ift fd^abe; fie mürbe Sir bie ©infamleit, bie ®u nidjt moßt ertragen
lannft, botß in dmaS »ariirt ßaben. Sott benn meine fanfte BHnti nun gar
nitßt ßerfommen? 3<ß glaube, bie atme Steine furztet mitß mie eine Böget*
fdjeudje."
SBäßrenb fo ber Bräutigam in StuStau mit gemixten ©effißlen* 6 ber
reifen Braut ßarrte, fanb gu Berlin am 1. 3nli 1817 mit altem Bomb Übet*
ßeibS Stauung fiatt. Unter ben bunßlaucßtigen unb ejcettenten Stngeßörigen
bet Braut faß als bie ©djönfte ©elmine Sangenborf.
Kadjbem Sude ißre Soäjter berforgt unb ft<ß fetber mit bem KriißSgrafen
bon B«PPenßdm auSeinanbergefeßt ßatte, fußt fte übet ©arolatß nach fßftcflers
3agbfcßloß bei BtuSIau 3 ’; fie blieb bort bis in bie jtoeite ©äffte beS «tuguft
unb tarn nad) lutgern Ütufentfjalt in Berlin Slnfang September mieber. — Unter*
beß gerbradj bie SB eit ftdj ben Stopf über ©elminenB gulunft. Kiemanb
mottte glauben, baß baS bietbegeßrte 95täbeben muß lange dne ®emoifeIte Sangen*
botf bleiben toerbe: bie einen meinten, Büffler unb Sude mürben fte formell
aboptiren unb ber König fte gu einer ©rafin oon Büfflet* ÜJluSfau maißen;
anbere behaupteten, ein jüngerer Bruber beS gürften gr. ©arolatß (alfo dn
gemdnfamer Scß traget bon Bbelßdb unb bon Büfflers ©djtnefter), ber 1795
geborene Bring Ebuarb bon @cßönai<ß*®arolatß, merbe fte eßetidjen 38 .
Bring ©buarb gog jebodj ben ©djnupftabat beS freien SnrtggefeHen ben
Kofenfeffetn ber ©ße bot, unb Büffler ßdratßete, mit ber auftrimenben Beigung
für ©elmttten im ©ergen, am 9. Dctober beren Bßegemutter.
3n biefer Seit mitt ©offmann „einen langen feßt bermunberlidjen Brief"
an Büfflet geftßrieben ßaben, ben er bann gurüigeßalten ßabe, ba Büfflet,
mie er geßört, bamalS auf Keifen geroefen fei 39 . @r miü barin über „eine
feßr feiertieße Stauung eines überaus ftßönen jungen BaarS" berietet ßaben
— nitßt über Büfflers eigene, mie mir oben @. 326 Kote 2 als mögttcb ßin*
fteHten, aber bermutßtieß bie beS gürften gu ©arotatß*Beutßen unb ber ©rüfin
Sttbetßeib —; et ßabe jebotß mäßtenb ber Seiet nießt natß ben Uniformen unb
OrbenSfternen Umfißau gehalten, fonbetn natß „jenem ßöäjft interrejfanten
Btübdjen", baS er einft mit ©ßampagnet curirt. SBeiter ßabe er in jenem Briefe
ergäßtt, baß er fidß, „etmaS fomnambüt geftimt auf einer ftßnöben Bant unter ben
Stnben' ßingefeßt ßabe unb baß fitß bann ein fettfamer «Wann, näntlitß ber emige
3ube, bei ißm eingefunben unb tßm „bie munberbarften Singe" ergäßtt ßabe.
Blag nun biefer Beritßt mirllitß im ©erbft 1817 in Briefform aufgefeßt
morben fein ober nitßt, jebenfaHS ift et eine Soublette ber im fetben Sagte für
ben gmeiten Banb ber ‘Kacßtftfitfe’ niebergeftßriebenen ©rgäßtung *®aS bbe
26. Ygl. seine Briefe an sie rom
27.-29. Jonl (Bd. IV, bes. S. 281,
283 nnd 286 oben).
27. Biogr. 1 176; Briefw. XV 296.
28. Beide Versionen erwähnt Püeklers Mutter 80. August: Briefw. V 467.
29. S. o. Nr. 192 Abs. 2 (S. 326 f). Die Note 4 dort Ist zu streiohen.
274 [ 605 / 606 ]
4?au5\ »udj Ijtec (janbett eS ftc^ um eilt intereffanteS aRäbdjeit, ba8 ber Er«
jäljlet Sbeobor mit Gljamfiagner curtrt 80 : fie Reifet Eb Witte 31 , »nb e8
Bleibt ungewiß, 06 toirtlitb bie boit intern ®atten »etlafiene ©räfttt ©aBriele,
bie fie erjteijt, ihre SKutter tft, ober niefjt bielmeljt bie SSeftfcetitt unb S8e=
toobnerln beS üben $aufe8 32 . Studj Ijler flfct bet Erjäület ein anbereS Dial
auf einer ®ant unter ben fiinben unb wirb non einem uttljeintUcfien Sftamte an*
gerebet, ber iljm einen SauBerfbiegel berfauft. Stnt «nfattg unb am Sdjlufj
ber ©efötdjte tritt ®raf $[ Udler] auf, ber bem Er jäljlet bie rätselhafte StB»
gefdjloffenljett be« Kaufes neben ber Sucßä’fcfjen Eonbitorei erft (S. 10 f) burdj
eine bfjantaftijcbe Eombination, batauf (@. 11) burdj eine rationaIi|Hf$e
SlngaBe unb erft auf jener ©efellfc^aft Beim Gaffee (®. 61 f) ridjtig erllärtj
wegen ber testen ©eljeitnnifie ntuß er iljn freilich an ben Dr. «[oreff]
»erweifen 38 .
30. In der Darstellung des Briefes (oben S. 326 Z. 7—3 v. u.) beweist er
ihr, „daß der zarte keusche Schaum des sphärischten aller Weine,
nehmlich des Champagners, von Bosenlippen genippt... jeden
Kopfschmerz der Inhaberin jener Lippen verscheuche“; in der
Erzählung (S. 60 f) deutet Theodor, um seiner Nachbarin aus der Ver¬
legenheit zu helfen, deren Thränen als „Böige des nervösen Kopf¬
schmerzes, . . . -wofür nichts besser hilft, als der muntre kecke Geist,
der ln dem Schaum dieses Dichtergetränkes sprudelt.“ „Mit diesen
Worten“ — fährt der Erzähler fort — „schenkte ioh Champagner, den
sie erst abgelehnt, ln ihr Glas ein, und indem sie davon nipptet
dankte ihr Blirk meiner Deutung der Thränen“. Es liegt auf der
Hand, daß der Brief das wirkliche Erlebniß bringt, das die Erzählung
umgedentet hat.
31. So lautet der Name beim ersten Vorkommen (S. 61 unten); erst am
Schluß (S. 72—74) wird Edmonde daraus gemacht.
32. Ebenso gehelmnißvoll ist in der zwei Jahre darauf conoipirten Bio¬
graphie Kreislers die Herkunft der Prinzessin Hedwiga, deren Name
gleichfalls an „Helmina“ anklingt. Sie wird erzogen als Tochter des
Bürsten Irenäus und der Fürstin Maria, ihre wirkliche Mutter aber ist
wahrscheinlich die Bäthin Benzon (s. Einltg. zum Kreislerbuch, XXXVIIf).
Auoh andere Züge sind den beiden räthselhaften Mädchengestalten
gemeinsam: Hedwiga wird behütet von einer alten Zigeunerin
(Chiara oder Magdala), die sie wohl auch als Kind mit ihrer Halb¬
schwester vertauscht hat (Krb. XXXII f, XXXVIII Sohluß der Note);
ganz ebenso Edwine. Kreisler steht mit Hedwiga in magneti¬
schem Kapport, und zwar seltsamer Weise ohne sie zu lieben
(Krb. XXXVIIIZ. 7—13); ebenso ergeht es Theodor mit Edwinen und
deren muthmaßlicher Mutter. Man darf also der freilich nur flüchtig
skizzirten Figur der Edwine die Ehre erweisen, sie als Vorstudie für
die der Hedwiga aufzufassen, die ioh im Kreislerbuch S. XLVXH oben
zu charakterisiren versucht habe und die ioh auch heute noch für die
interessanteste Brauengestalt Hoffmanna halte.
33. Das öde Haus ist 1888 von Julius Bodenberg identifioirt, der Graf P.
1899 von Eduard Grisebaoh und der Dr. K. 1909 von Carl Georg
von Maaßon (der es allerdings versäumt, auf Koreffs Beziehungen zu
Pückler hinznweisen). Der angebliche Brief von 1817 ist bisher
nicht heran gezogen.
[ 606 / 607 ] 275
n. Sßitdler oIS ^atbettBeigS ©cßmtegerfoßtt
unb ©elnttjtenä SteBßaBer.
[l. Site ftotep ©cßmetcßrer unb §offmcwn8 ®8nner.]
[1818.]
3m SKSrs 1818 riß ißüdler ficß mit ©cßmerjen Don ber geliebten ©tief»
tobtet log, utn mit ber ©emaßlin nad) fßarig au faßten 1 2 3 . SIBer bort lonnte
er an nicßts als an bic öettaffene öelmine batten; nocß fünf gaßte fester,
am 28. 3uni 1823, jcßteiBt er feiner grau in bet ©timterung batan*: „S8ei bet
unglüctlidjen franaßftfdjen SReife ßatte icß bie ßeibenfcßaft für Selmine im Serjen,
bie mir mirtlidj eine martetbo Ile ßSein Bereitete, an bie icß nod) immer
mit einer Slrt bon ©djauer benfe. ©8 toar aKe8 fo romanßafr, fo
feltf am gegangen, baß meine ©inBilbungSfraft babon aufs ßeftigfte ergriffen
mar . .. SieS ftumpfte midj für jebeS SBergnügen aB, unb maeßte mir im
©egentßeile alles mibermürtig. 3iß muß bieß, arme ©djmtcfe, nießt menig gequält
ßaBen, oBgleid) icß mit üBematürlicße STOüße gab, bidj nießt ;u Iränlen."
3m SerBft 1818, u. g. bom 9. Bis jum 19. September, bom 26. Sep»
temBer Bi§ jum 18. OltoBer unb bom 1. Bis jum 21. SJobemBer, ßielt fuß
Sßüdler in Süatßen auf, um fiiß auf bem bärtigen Kongreß ju amüftren unb
toieHeicßt Bei ber ©elegenßeit aueß etmaS praltifcßeS ju erteidjen 8 . ©r Beridßtete
feiner „fingen, guten, IieBensmürbigen unb nie genug ju beteßrenben" 4 * ©attin
regelmäßig über feine gefeUfcßaftlidjen ©tfolge, feine Sangemeile unb feine
fonftigen ©timmungen, unter benen Balb mieber bie ©eßnfudßt nadj fpt.Imine
bie OBerßanb gemann. SBon einem SIBftedßer naiß Srüffel fcßreiBt er ber ©e=
maßlin am 22. September 6 :
©s geßt mir mie in fjSariS, gute ©cßnude... icß merbe nimmer
rußig unb jufrieben fein Knnen, menn bie SßBrin einem SInberen ju
$ßeil mirb, als ßötßfienS einem alten unb reißt mibermär»
tigen, bet ißr Bloß ddgoüt einfIBßen fann. ©ei alfo, Ser»
äenSfdßnude, nidßt Ieidßtfinnig bamit [!!], menn Sir meine 8Juße
unb mein @Iüd am Serjen liegt, et ne faites pas de roariage Bans
1. Pückier fuhr nach Dresden vorauf und schrieb Lunten von dort unterm
8. und 4. März — vielleicht verschrieben für April, was ja im Monats¬
anfang leicht geschieht: vgl. unten Note 27 (die Assing Btellt den Brief
V 222 f, unter das Jahr 1819; die Heirath wird aber darin durchweg
als Neuigkeit für die Dresdner Bekannten hingestellt, und es ist von
der bevorstehenden Beise nach Paris die Rede). Erinnerungen aus
Paris enthalten dann (außer den weiter unten genannten) drei Aachener
Briefe aus dem October 1818 (in Bd. V): vom 8. (S. 151 Mitte), vom
13. (S. 163 oben) und vom 16. (S. 167 oben).
2. Ebenda S. 413.
3. Ebenda 102 — 216. 277—280.
S. 126 soll es nicht „den 29.“
sondern „den 26.“ heißen, wie
das vorangehende und das fol¬
gende (S. 128 unten) beweist.
4. So ebenda S. 113 Mitte.
5. Ebenda S. 120/21.
276
[ 607 / 608 ]
mon coneentement et & non inagu: 3dg toürbe e§ nie flbertoinben,
et puisque, chfere ©dgnucfe, vous Stes men äme damnde, 11 ne faut
ni raisonuiren ni refMchiren, maig faire ce qul me plait. Oul,
©(Bnucte, teile est Totre destination, teile est yotre vertu, tel est
yotxe devolr.
Staffle, füge ©dgnucfe, Bin audg i cg Sir mit SetB unb Seele eigen [!]
. . . itg Bitte alfo, Befte ©dgnucfe, toenn Su tion mir bie Sfiad^rid^t
meiner SIBreife ergättft, fic fogleicg ttadj SDhtgfau lommen gu laffen.
(SBit.goffen, SBergeBung für bie SBiebergäbe biefer SSriefftette gu ergatten, bie
freitidg nidgtg mit ©offmann gu tgun Bat, bie aBet toie faum eine anbere fotoogl
bie Senf» toie bie SdgreiBart Sßücflerg dgarafterifirt. Subern iHuftrirt fle fegt
leßtreidj ben Segenfag gtoiftgen sqcos (amor) unb ayämj (caritas) — gtnei SBe»
griffen, bie mir unberanttoortlidger SBeife burdj bie felBe »ofaBet toiebergugeBen
pflegen.)
3'n biefem ©inne gegt eg faft in jebem S8riefe tneiter 8 ; in einem Befonberg
teibenfdgafttidgen StußBrucge Born 4. OftoBer’ geigt e8 - toie immer in ber
fpecififdg $ücfterifcgen SDlifdgung Bon SBeinertidgfeit unb Brutalität:
®u, ließe ©dgnucfe, mugt bie Stolle beffen Jpielen, ber midg tröftet
unb aufridgtet, toenn Su mir ©eil Bringen toiHft, aBer toie ein fieBenber
©ngel[!], fanft unb ogne Seibenfdgaft, nie eingreifenb in be8
armen ©Anberg SBflnftge mit Unmutg ober ©iferfudgt. @ute
©egnuefe, fonft toerbe icg Sit unter ben ©änben Betitelten! Sag fügte
i(g tief . . .
©g ift redgt goge Seit, bag icg Bon gier toegtomme, benn i(g fügte
midg gang toie in ijSarig, unb nodg gegnmat ungtüctlicger, in jeber
©infidgt.
©r mßegte, toie er bann Breit augfflgrt, ben SSinter 1818/19 mit ben Beiben
grauen, bie er „auf Berfcgiebene Strt, aber eingig in bet SBett ließe" im ©üben
oerteBen:
3$ Berlange toagrlidg niegt gu Biet, benn S u fottft nur midg mit
einer Knberen tgeilen, unb iig foH nadg Seinem SBmtfdj bie Stnbere
gang entBegren.
8tm 7. toirb ber junge ©ßemann noeg beutlidger 8 :
@g ift toagr, gätteft $u audg neBen ulten Seinen übrigen »orgügen
bie 3ugenb unb ©cgöngeit in bem Stube, toie Su fte einft Befageft, fo
mürbe idg Si(g BieHeicgt in jeber ©infiegt mit Seibenfdgaft ließen, biet=
Ieicgt audg nidgt . . . Su Bift mir faft atteS in ber SBett, nur in ©inem
liebe idg eine ütnbere . . .
6, Im September nooh ebenda S.
111/12. 115. 117. 132 unten. 134.
7. Ebenda S. 138—144.
8. Ebenda S. 148 unten.
[ 608 / 609 ] 277
®er StaatSfanäter mar itt bett elften SBochen burdjauS nicht p fpredjen
gemefen für ben charmanten ©chmiegerfohn, unb Bon feinen Käthen mar auch
leine gBrberung p ermatten: „SIm elften Bon Sillen", meinte S3ücfler am
1. Citobet 9 , merbe Slot eff ihm einen ®ienft reiften, „bet bei meitem bet
©emüthlichfte unb auch bet ©enialifchfte ift". SIm 14. fann erenblidj
ntelben 10 : „®aS ©iS bei ®einem SSater fdjeint nun buttfi Storeff gebroden p
fein." ©r rühmt bie SSertrauIiäjleü bet gürftin unb ihrer ©efeUfctjafterin (es
banbeit fidj um bie fomnambule SSadletStod^ter grieberile § äljnel genannt
$ud=IuMul, bie Storeff einft als SBerljeug ins £>au3 gebraut batte) unb fährt
fort: „©Iaube mir, ich höbe ganj richtig gefeben, menn ich ßoreff für ben ®e =
fdjeuteften aber aud) für ben ©emütblidjften unb SSeften im^aufe
gehalten habe."
©eit biefer Seit» SDtitte CItober, concentrirten fid) Sßüdlers SBünfche auf
einen ©efanbtfdjaftSpoften. SIm 17. October fprad) er m’t bem ©ectionSdgef im
fötinifteriura be§ Stusmärtigen Johann Subrnig «on Sorban 11 , ber ihn jeboch
an $arbenberg felbft bermieS 19 . Stm nächften SJtorgen fudjte er Storeff auf 18 ,
hörte eine halbe ©tunbe lang bemunbemb beffen ©ebtdjte an unb er*
hielt bann ben Statb, in einem formellen Schreiben ben ©taatSIanjler um
einen biplomatifdjen fßoften p erfaßen. fßüdler fdjrieb alfo an $arbenberg 14 ,
er h«be ben ®rang, fich nüblich p machen, unb merbe „mit SSergnttgen ganj
ohne©ehaIt" bienen; feine ©teHung „erlaube" ihm aüerbingS nicht, „einen
geringeren als einen ©efanbtfdjaftSpoften anpnebnten". Katürliä) tljue er
biefen ©djritt meniget „um eine ©unft p erlangen“, als um feiner „Pflicht
als Staatsbürger unb ttnterthan ©enüge p leiften". Storeff übergab baS
Sdjrtftftüd bem StaatSlanjIcr 15 unb rebete fich unb feinem Schübling ein,
nun fei biefem bie ©efanbtfdjaft in ©onftanttnopel fo gut mie ftcher; er malte
ihm lebhaft aus, bah er mit etnem ©efolge Bon ffotfdjetn borthin aieljn unb
auch für bie SBiffenfdjaft fluhm ernten merbe l8 . fßttdler berichtet baS altes am
3. Stobember feiner grau unb jauchst 17 : „mie intereffant ift es Bon bähet
ptüdplommen! J’y vais comme Bonapaite en jfegypte." (SKait fie^t: ber
Bollenbete fjetbentenor!) Stm SIbenb biefeS ®ageS beruhigte ihn Storeff auch
fäjon barübet, bah er „nicht gratis bienen merbe"; fßüdter metbet baS am
nächften Sfftorgen nach SbhiStau 18 unb fügt hinp, bie Stellung fei alfo „Bei
unferer SebenSart, bie überall fo loftfptelig mie bie eines ©efanbten ift, eher
eine $ülfe".
SIm 5., 12. unb 15. StobemBer hatte Sßüdler jufammen mit fioreff u. a.
feinen alten ©djulfreunb Safar, Jefet preufsifdjen Stittmeifter a. ®., als ©aft
bei (ich 19 ; biefer hatte Bor lurjem ©onteffa ober jjcffmann felber gefptodjen
9. Ebenda S. 135.
10. Ebenda S. 164.
11. 1773—1848, von Januar 1819 bis
Juli 1848 preußischer Gesandter
ln Dresden; vgl. Bailleu ADB
14, 506.
12. Brlefw. V 189. Vgl. folgende
Note.
13. Ebenda 8. 189/90; der Tag nacl
S. 171 Mitte.
U. Ebenda S. 194 t.
15. Ebenda S. 187 unten.
16. Ebenda S. 188 oben.
17. Ebenda S. 188 unten.
18. Ebenda S. 197 oben.
19. Ebenda 8. 198 f. 209 f. 214.
278
[ 609 / 610 ]
unb feilte spüctlem jefct mit, baß cpoffmann binnen turjem ein fiart fatirifc^eS
SBert beroffentlidjen merbe 20 .
3»ei Sage nach ber lefcten tiefer ©efeUfdjaftett berichtet hJüctler feiner grau
jufammenfaffenb 21 als Srgebtttß feiner Shatigteit, er habe „brei SStffairen in
gutem ©ange: 1) bie ©efanbtßhaft itac(j ftonftantinopel, 2) ben SBlabimir um
ben $aI8, toeldjtS burcb ben ©eneral ©djöler Betrieben mirb, 3) 1» croix de
St. Boule, bie burdj ben ©eheimen SegationSratlj Schön in $aris toerfudjt
toitb. Kad) ber ßenormanb, bie ich geftern nodj einmal Befragt habe, mirb
meine StnfteDnng nic^t Bor 15 «Konnten erfolgen. @ie bat mieberßolt in ben
Harten gelefen. baji ich ettoaS ©efonbereS finben mürbe". Sie8 ift alfo bie
Ouinteifenj bon ©tieflerS Sljätigfett in Stachen, bie mir ©. S30 Kote 3 nodj
nicht genügenb ju mürbigen mußten. SBir mären aber auch ießt »teHeidjt nicht
näljet barauf eingegangen, menn nicht ber freigebige Storeff, mte mir gleich
feßen merben, §offmann eine bfbtomatifdje ©teile in Rüttlers fflefolge }u=
gebacht batte.
8m SKittag beS fetben 17. Kobember Bat «ßüctter auch ben Sßotiaeiminifter
gürfien ju @abn=2Bittgcnftein=$obenftein fchrlftlich um feine ©ermenbung; er
Beridjtete ba8 bann gleich fein« grau 22 unb tünbigte ißt noch im felben
©riefe am Stbenb feine balbige Kitrtfehr an. 8m Sage barauf, Bern 18. Ko=
bember, machte £arbenberg feinem ©djtoiegerfoljn nach beffen Sluffaffung „jiem»
lieh bofitib" 8u8flcfjt, jmar nicht nach Sonftantinof>eI aber nach SKabrib ju
fommen. 3n bem ©riefe, in bem filetier tiefe neuefte Hoffnung ber ©attin
mittheilt, heißt e8 meiter:
Qffje fetfjß ©otfjett »ergehen, fogt Äoreff, foH ich beflimmt
tviffen, woran td) bin ...
Spanien unb Äonftantinopel, beibe fpoftett finb fehr
intereffont. 9la<h JfortfTß 3bee foö ich fjofmanu «nb
Jöartholbp mitnehmen, föou Spanien auß roirb ein 9lbs
fledfer nach COlaroffo unb j« ben »arbareßfen gemacht.
80. S. o. S. 330, 2. HSlfte.
21. Briefw. V 215.
22. Dieser Brief, datiert „Den 17. Mittags“ und „Abends“ sowie der
folgende Brief mit den Daten „Den 18., Abends“ und „Den 19. früh“
ist von dei Aasing (V 277—2801 alB Nr. 80resp. 81 unter die Berliner
Briefe vom März 1820 gestelltl Beide Briefe bilden aber die noth-
wendige Ueberleitnng von dem Briefe aus Aaohen Nr. 43 („Den
16., früh“ — „Nach Tisch« — „Den 17. früh“) zu dem von der Köck¬
fahrt Nr. 44 („Andernach, den 22. früh, 10 Uhr“ u. s.w.) und wären
also hinter S. 215 zu stellen.
Das Nichtige bezüglich des Inhalts des uns besonders inter-
essirenden zweiten Briefes hatte die Asslng 1872 bereits ge¬
bracht! (S.Biogr.I 179.)
279
[ 610 / 611 ]
@o reifte er brei Sage brauf mit ber fieberen Ermattung auf einen ©efanbtfchaftä*
fujften a6: „tft e§ nicht bet ber erfien »acattä, hoch gewiß Bei ber jmeiteit." 25
8Iuf ber SRüdreife, in gfranffurt am SJtain, fanb er am 23. SJioBemSet
SStiefe non Sucie Bor, Wonach biefe ©elmine Bor ihm nach Earotath in Sicher*
Beit Bringen tooltte. Er feijitt unb jammert feitenlang barüBer unb mimmert:
„Sfdj Bin gans tranl baBon, unb ganj berftimmt. ES ift, als menn alle meine
fo lang gehegte fjreube in ben »turnten gefallen märe!"
Ser nun folgenben 3afjrt Bon granlfurt nach SßuSIau erinnerte er (ich
noch 182a TeBhaft 26 : „iih hatte . . . fdjon Sich, weine Sitte, mußte Sich aber
bamalS noch nicht gefjöcig gu mürbigen, unb hatte SieBe, Bergehrenbe Starrheit
im SeiBe."
(Siefe Stimmung hielt, mit Sdjwanfungen, noch 3ah« lang an unb ftieg
regelmäßig, menn bem armen fiinbe mieber einmal ein [freier mintte. 8113 ein
Bolnifdjer Ebelmann fnh um ba§Stäbchen Bemühte, hieß eä: „Ehe ©elmine
heirathet, muß ich f« noch einmal feljen, am liebften in Sluglau, aBer natürlich
ohne ihren »olaten, ber mir buch ein menig burch bettfiofif geht"; „nur noch einige
SBochen ungeftört fie ju feljen münfehe ich, mo, ift mit gleich. Stur menn e§
Wegen be8 neuen »räutigam? in SDtuSlau nicht gehen foßte, fchlug ich Seplifc
Bor." „SBißft Sn, gute Sdjnude, mich Bor Unruhe unb bießeiefjt tiefftem SB eh
Bewahren, fo laß mich ©elminen bor ihrer ©eirath noch einmal einige SBochen
frei unb ungeftBrt fehen . . . mein gutes ©erg unb meine Eitelleit münfdjen
Beibe qu’elle puisse dans les Bras d’un autre au moins regretter de tempg
en temps non anoien et son prämier ami. »in ich beffen gemiß, fo Werbe
ich mich über ben »erluft gänjlich tr5ften".'» — Sn einem anbeten Säße Wat
»fidler auf einen Siufiter eiferfüdjtig unb jammerte: „Stur eine Stacht ober
[einen] Sag laß mich noch mit ihr aßein fein". „Sn meiner Smagination ift
jefct . . . ©elminenS Steij mit Seiner Seele unb Seinem ©eift berfchmoläen".
„Steine ©elminomanie ift eine Bft)<hologif<he Sterfmürbigleit." *’)
[1819.]
SaS Etfcheinen beS ‘filein flaches’ Berjögerte fish Belanntlidj „miber aße§
»ermuthen*® 8 618 in bas le$te Sättel beS SanuarS 1819. ©offmann erfuhr
am 24., feinem ©eBurtStage, Bon fioreff® 9 , baß »fidler heimgefehrt fei; »er*
muthlich hat ber ffreunb ihm auch ben fpanifchen Sraum nicht Berfcßmiegen.
13.
24.
25.
26.
Brlefw. V 216 unten.
Ebenda S. 220 Mitte.
Brlefw. VI 436 oben.
Aus einer Teplltzer Brief¬
reihe, am Schluß der Saison,
also etwa Ende August, in
einem unbekannten Jahre ge¬
schrieben. Die Briefe stehen
bei der Assing V 92- 96 als
Summern 3—5 und 2; sie stellt
sie mitten ln den Winter
(Anfang 1818)1
27. Aua zwei Briefen, die am l.März
[1818?] und kurz darauf vor
einer Keise ins Ausland ge¬
schrieben sind; sie stehen eben¬
da als Nr. 6 (S. 96 f) und Nr. 1
(8 91 f).
28. S. unsern Bd. I S. 267 unten.
29. S. o. Nr. 192 Abs. 8 (8. 327).
280 [ 611 / 612 ]
SebcttfallS beeilte ©offmann fi$, bem ©efanbten in spe baS 3Kär(§en mit bent
oben unter Rr. 192 mitgetfjeilte« ©egTeit Brief ju fenben.
©ttctler reBancbtrte [ich, wie unfete flefet toiffen, am 2. Sebruar fe^r
artig burdj eine Origtnaljeidjnung EaltotS mtt einem StutograpI) beS
SReifierS auf ber Rücf feite; in bem Begleitbrief, nnferer Rr. 195, fönbigte er
feinen balbigen ©efudj in Berlin an unb fpratb bie ©Öffnung aus, bafj ©off«
mann tt}n bei ber Rüctfafjrt Jtad) RluSfau begleiten Werbe 30 .
3n bet Sbat tarn ©(tctler am 26. gebtuat nad& Berlin, um enblitfj ju
erfahren, ob er in ffionpantinopel ober in üJlabrib nbtljiger fei. ©leid) am
nädjften Sage begab er fic© jum dürften SInton Rabäiwiff, um ju beffen Satt
am 1. SRfira eingelaben an werben, unb jum ©erjog Sari ju Bledtenburg, um
eine Etnlabung jum 2. ju erhalten; brittenS bat er am felben Sage ben dürften
au ©abn»®3ittgenftein, iljn bem ftbnige au melben. aber bon teiner ©eite
lam eine ©inlabung, wie er aml. 2Rärj IjiJcfjft betteten feiner grau mittlfeilt 11 .
3n einer fritieren Bartie beS felben ©tiefes, bom 28. Sebruar 32 , berietet er
über bie Stufnaljme feines ® egengefdjents bei ©offmann:
Äoreff roar febr frrunbfcffaftltcl), unb öofmann t'fl, rote
er mir erjcifftt fjat, aufier fid; für Jreube über ben (Jatlot.
(Fr bat tf>n, rote er fagt, ju ber Sammlung oon Olejenr
flonen feiner iffierte, alä bie fdjmetcbelbaftefte »on allen,
gelegt 33 . 3cb rooHte ihn beute, fo roie »iele SInbere, bes
fucben, wenn mtd) nicht bie böfe SDtigraine im 93ett hielte.
30. 8. o. S. 332 oben.
31. Der Brief (mit den drei Daten „Den 28. Mittags im Bett“ — „Um
10 Uhr Abends“ — „Den 1. früh“) ist ohne jeden Zweifel in Berlin
am 28. Februar und 1. März 1819 geschrieben, von der Herausgeberin
aber in Band IV 8. 298—301 zwischen Pttcklers Muskauer Bränti-
gamsbriefe aus dem Sommerhalbjahr 1817 gestelltl Die oben wieder¬
gegebenen Mittheilungen stehen 8. 300.
Die sonstigen Briefe aus diesem Berliner Aufent¬
halt stehn in Bd. V unter den Nrn. 48—63 auf S. 225—251, sind aber
in folgenderReihezu lesen (und nach den eingeklammerten Tagen
zu datlren):
1) Hm. 54 f (5.-7. März),
2) Nrn. 49 f (10.—13. März),
3) Nr. 48 (1. April),
4) Nrn. 51—53 (2.-4. April),
5) Nrn. 56—63 (9.—21. April).
32. Briefw. IV 299 oben.
33. Ein Jahr darauf, am 24. Januar 1820, schenkte bekanntlich Koreff
selbst eine Mappe Callot’scher Original-Radirungen (die ‘Ballt di
tfetsania’) an Hoffmann. — Die Original-Zeichnung [wie natürlich
auch die Mappe] fand sich 1822 in Hoffmanns Nachlaß vor und wurde
am 26. oder 27. Juli versteigert: s. o. S. 547 Zeile 4.
[612/613] 281
®ag and) f pater, tote eS fc^eint, aus bem !8efut$e Bei § off mann nichts ge=
Worben ift, lag Wohl an beffen 6 toödjfg« fhweret Kranfheit 84 .
ißütfter fegte {ein Bisheriges Auftreten fort, fo gut bie altmäfjttdj
fhtolnbenben SDHttel cS ertaubten (er fdjutbete bem Sanquier feinet grau Be»
reits 90000 Shttter = 270000 Wart 88 ). 3nt ddhaufe bet ©trage Unter ben
Sinben unb ber grlebrihSftrage (wo jegt baS (Safe Sauer ftetjt) würben feh®
Simmer mit Kammer, Küthe, Setter unb (ßferbeftaH gemiettjet 38 ; unfer §etb
UertrieB ftcfj bie gett (unb »erfüllte zugleich ©elb zu Oerbienen) mit ifßierl>e=
fjanbet, mit faft tiigtidjem ©pieten um hohe ©ummen unb mit toitben SReiter»
Kraftftüden Bor mßglithft grogern ißubtifum, j. St). auf gmnb Bon SBetten 3 ’.
Zrog ber SorurtheltSlofiqteit ber regierenben Steife mar biefe circenfifdje SebenS»
weife taum geeignet, Sertrauen für eine ettoantge tünftige Amtsführung ju er=
toecten. @o Ilagt er am 7. SKitrj 38 , jjarbenfierg fei „Böüig gleichgültig“ unb
Soreff „nicht mehr fo bienftferttg, als er in Aachen War. ©ehr höflich/ ober
einigerntagen Bertegen unb Biet weniger herjt'h-" 2)tei Sage batauf Reifet
eS 38 : „Serttn ift tobter al§ je, nahbem ber Sarnebat borBei ift. Unenbtidj
langweilig. 3h freue mih fhon toicber auf äRuStau." — ffltitte SKütj tarn
bie ©räfin bann nah Serlin, fuhr aßer am 1. April toieber aß 40 ; Sudler BtieB
mit gteihen Sefhiiftigungen unb unter gteiher Sehanbtung noh BiSjum25. 41
ffinbe SecemBet tarn er toieber na* Serlin, abermals ohne junt König
ober jurn Kronprinzen oorjubringen. Sogen nahm Betannttih am 25. ben
StBfdjteb; ©arbenberg fhten „fiep mit etnemmat ganz in bie Arme ber Ultras
geworfen" zu hoben, wie fjSücfter am 29. fhreibt 43 . ©t fügt ben ©togfeufzer
hinzu: „SBenn er eS nur burhfühtt! 3<B gtauBe aber, el fehlt ihm jebe
Energie, unb er Wirb noh ungtüdlidj enben."
[2. AIS KoreffS Seinb unb $offmannä ©egner.]
[1820.]
gortan war Südtern feine potitifhe Sichtung borgezeihnet. Am 1.3anuar
1820 Berichtete er bergnügt üBer ben ©turz ©ilfjetmS Bon fjumBoIbt 4 *, bet ihn
i. S. o. S. 336 Note 2. loh möchte jedooh diese Krankheit jetzt in die
Zelt ron Anfang Pebraai bis Mitte März setzen: s.xnein Nach¬
wort znr ‘Brautwahr S. XII. Ein Billet an Reimer Tom 11. März,
das Wolfgang Goetz mir mittheilt und das in Band III nachgetragen
wird, bestätigt, daß H. sich damals bereits „viel besser“ befand.
35. Briefw. Y 236 oben.
36. Ebenda.
37. S. seine regelmäßigen detailiirten
Berichte darüber in den oben,
Note 31, aufgezählten Briefen,
besonders denen aus dem April.
38. Briefw. V 238 unten.
39. Ebenda S. 228 Mitte.
40. Ebenda S. 225 unten, S. 226 Mitte
und S. 227 Z. 7 und 6 v. u.
41. Ebenda S. 247 Mitte and S. 250
letzter Absatz.
42. Der Brief ist von der Assing in
den folgenden Monat gestellt (V
266/69, die citirte Stelle S. 267)!
48. Ebenda S. 252 Mitte.
282
[ 613 / 614 ]
in Stadien am 3. ÜRooember 1818 leimen gelernt“ unb Bier Sage barauf bet einem
Siner mit SRec^t fcgarf aurechtgeWtefen hatte 45 . SRatürlidj machte ^ücfler am
2. Januar ber gamitte eine ironifdje SSiftte. SBorger, beim SWittageffen in
Harben8ergB Haufe, batte er bie SBabrneljmung gemacht, bag ber ffanjter mit
mit feiner beseitigen (britten) grau, einer früheren Sängerin, „bett broutttirt"
unb beten (Sünftting fioreff gegenüber lühl fei“. Slm 11. Sanuar mieber§ott
er 4 ’, Jtoreff« Einflug auf Hartenberg fei im Sdjwinbett; „Ser Dberpräftbent
SBÜIom, ben ich tu fr als guter Hofntann fcfton fehr gewonnen habe, ifl in
biefem Stugettblide berjenige, welcher ben meiften Einflug hat, unB auch en Chef
bieUmtriebSunterfu^ung? *Jiommiffton leitet." SERiteinerSRtfdjuug
Bon fflewunberung unb SJieib geht er bann auf einen Dbertauftfcer SanbSmann
über: „Ser Heine Sfdjoppe 48 fteigt fehr, unb loirb genug balb feljrbe*
beutenb Werben. (Er tft ber einjige, ber bei ber Umtrie634tnterfucf)ung ben
SKantel nach bem SBinbe hängt, unb Wahrfdjeinltch beibe ißarttjeien
betrügt. Er birigirt bie Sfommiffion bereits als fUegierungBrath
immebiat unter StttoW, ber täglich beim Sanjter feines ßobeS Bott ifl."
Stm 21. gebruar 49 ruft Sßflcfler auä: „Sie Seit fängt an bebenflich au werben!
SJJänner Bon flraft unb ohne gurcht Werben erforbert Werben, um bie Süget
fdjärfer au halten, unb mit eiferner gauft bie mörberifchen «üben
juiSobenjufchtagen. Sa Wäre ich an meinem 5ßlage! SaS fitste ich’."
— Sah jefct. ntcfjt nur SoreffB Wegen, (JSüclterB Seaiehungen au Hoff«
mann aufhbrien, braucht nichterftbelegt au Werben.
Sie Hoffnungen auf eine bifjlomatifdje ßaufBaljn finb aber trog aller
Schneibigfeit geringer benn je. Schon am 2. gebruar fchreibt er 50 : „UebrlgenB
ift mein Sliifeljen h ier fehr gefüllten, feitbem man weifj, bah ich feine biptoma*
tifche Stnftettung fetomme, ba jeber fidj [mit fRedjt!] fteif unb feft einbitbet,
ich habe fie gefugt, unb fei abgewiefen Worben"; aum 6. üftärj läbt ihn ber
rufftfche ®efanbte Herr Bon SllopeuS nicht ein, „Wahrfdjeinlich weil er nun
toeig, bag ich feine bipfomatifche (ßerfon Werbe“, unb am 7. „ift auch ein SSatt
bei Hofe, $u bcm ich nicht gebeten bin, wie noch au teinem, bie bis fegt ftatt«
gefunben haben"; auch hat ihn auger bem genannten rufftfdjen Siplomaten
„noch feiner ber fremben ©efanbten ober SKinifierau Sifdje gebeten,
obgleich Biele groge SinerB gewefen ftnb." 51 — So tann, wie er am 9. SKära
fchreibt, fein tägliches Sehen in Serlht „unter foIgenbeB Schema ein für alle»
44. Ebenda S. 195 unten.
45. Ebenda S. 199 unten.
46. Ebenda S. 254 oben. Vgl. dazu
unten S. 615/16.
47. Ebenda 8. 256.
48. 8. o. 8. 496/97 und 503 unten, da¬
zu weiter unten 8. 617 Mitte.
49. Von der Asslng als Nr. 83
(V 282 f) zwischen Mitte März
und Mal gestellt! Der Monat
erglebt sich mit Bestimmtheit
heit aus einer ln dem Brief er¬
wähnten Pariser Nachricht. —
Die cltirte SteUe steht 8. 282
unten.
50. Ebenda S. 270/71,
51. Ebenda 8.273 (Mitte und unten).
Ganz ähnlich am 3. Mai (S. 287
Mitte): „Uebrigens werde ich.
hier sehr geringschätzig behan¬
delt“; Hardenberg werde fast
täglich eingeladen, aber stets
ohne ihn.
[ 614 / 615 ] 283
mal gebracpt werben" 59 : „Stufgeftanben 11 Upr. ©ehafipen unb getrieben,
aucß gefrüpftüdt bis 1 Upr. ©tngfiunbe. Slttgegogen. ißromenabe ju ißferbe
ober gu guß. ©egeffen bet Seinem SBater. 7 Upt gu Stägemann, gouque
ober gu $auS. Kpee getrunlen. ©efcprieben, gelefen bis 1 Uljr ober 8. bann
gu S3ett." »iS Shtfang guni fcßehtt er in Berlin fo fortbegetirt ju paPen 51 ;
gelegentltipe ißlSne für ben SDiuSlauer ’Jßart 54 , ben er bocp, wie tpm in litten
Momenten boaiommen beutticp war 55 , ntcßt palten lonnte, Waren bieetngtge
pal&WegS ernftpafte SBefcpäfttgung. —
©eit bem ®erbft 1820 atta^irte fiep Jßüdter faft getoaltfam bem bin»
fälligen ©cpwiegerüater. Er batte fcpcn im SKai beä gapreä 56 ertannt, baß
biefer „nur nocp lurge Beit gu leben" hätte, uttb War entfcplofjen, biefe grift
auSgunußen. Sieben bem alten SBunfdje nach einer ©efanbtfcpaft bonbeite
es fiep für Sßüdlet um eine mSglidjfi reic^lid&e ©ntfcpäbigung für bie 1815
fortgefallenen ©inlünfte aus ber ©tanbeSperrfcpaft. — SMerbiugS Wehrte
ftfp $arbenberg noch eine Bpti lang gegen ben unwittlommenen ©aft. 2lm
24. September ließ er tpm aitSbrücflicß Jagen, et Wttnfcpe allein gu fpeifen 5 ’;
am 30. ließ er ipn gwar fommen, empfing ipn aber „febt lall": „bie ©nt»
fcpäbigungSfacpe war ipm gang entfallen!" 58 Bet ffangter ließ buripbllden,
baß ihm JßücflerS regelmäßige Befucpe nicht erWflnfcpt feien. „gcp Werbe aber",
fdjreibt Sßücfler entfcploffen ber ©attin, „bocp fo lange bingeben, bis mir bie
Spüre gewiefen Wirb." Sfn ber Spat empfing ipn ber alte $err, als er am
nächften Sage 59 wieber gum ®lfen etfcplen, „mit einer ®Hene, bie mir beutlitp
geigte, baß er micp gar nicpt erwartet patte, gcp Heß mich aber nidjt irre
maipen, unb tpat recpt unbefangen unb Wie gu 4?aufe". Sielet gubringlicpteit
War ber alte 9Kann auf bie Sauer nicpt gewacpfen; er bulbete Rüttlern ptn»
fort, wenn er ihm au cp Weber einen ißoften noip eine ©ntfcpäbigimg »erfcpaffte.
52. Ebenda S. 274/76.
53. Ebenda S. 289 oben.
54. Ebenda S. 286: „Den 1.“ näm¬
lich März (nicht, -wie die Assing
annimmt, April oder Mai).
55. Ebenda S. 287 und mehr noch
die folgende (3. Mai). Schon
7. März 1819 schreibt er (S. 238):
„Ueberhaupt sieht es elend
mit uns aus, und ohne einen
Deus ex machina sehe ich nicht
wohl ein, wie wir uns wahrhaft
helfen wollen, denn alle die
sanguinischen Projekte für Mus¬
kau sind höchstwahrscheinlich
glänzende Chimairen.“
56. Briefw. V 290 oben.
57. Ebenda S. 292 Z. 8.
58. Zweite Hälfte der selben Seite.
59. Ebenda S. 294/95. Aehnllch
schreibt er 1823 an Eucie, sie
möge ihm beim König eine
höhere Classe des Rothen Adler-
Ordens erwirken: „Hilft’s nichts,
so schadet’s nichts, und nur
recht oft gebeten, am Ende muH
man doch etwas bekommen,
ist die sehr richtige Theorie des
Bettlers.“ (Ebenda 8. 408/09.)
In der selben Angelegenheit
schreibt er Enden 1888 vom See
Tiberlas aus: „ On ... estrefusi
trois fois, et la quatrieme on
obtient (Biogr. n 105; die Zelt
naoh S. 93 unten).
284
[ 615 / 616 ]
£1321.]
Slm 8. SDifti 1821 fudjte fjäüdler beit ©taatsianjler abermals in biefen
Angelegenheiten auf“ unb terbünbete ficfj nun mit berSäljnel. Biefe marihrem
©ärmer ßoreff unb ber Hausfrau fdjon im Saufe beS SahreS 1819 über ben Kopf
geworfen unb batte offenbar bie fjäuSHdjen ffliibheHigleiten berbeigefübrt, bie
Rüttler, »nie mit hörten 61 , Anfang 1820 im ^arbenbetgfdjen #au[e Bemertte.
SBir erinnern auch an bie SBorte, bie $offmann am 24.3unt 1820 an $ippel
ftbrieb •*: „Jtoreff [eheidj beinahe gar nicht. Ber ©taatstanjter, ber mit übrigens
[früher einmal] bie ©h« angethan, mich ju feiner gamilientafel au Taben, ift
ganj umlagert Bon befonberen 63 Beuten, unb ich meifi nidöt, melcher SBinb
fest noth toeht." — Seht, am 10. 2ttai 1821, fdjreibt ißücfler ber ®atttn 6 *:
„JJoreff ifl gänitich aus bem Sattel gehoben, unb man hört jefct
am Biftihe nur über Suben fdjmähen unb mifceln."
3m 4 erb ft 1821 erreichte bie gähnet (bie fkfj, tote meilanb bie fitdjtenau,
injtoifthen pro forma hatte »ereljelichen müffen, aber als „Pflegerin" Farben»
Bergs im $aufe blieb), bafi bie gürfiinunb ftoreff »etanlafjt mürben,
SBerlin ju betlaffen; fßüctier, ber für ftdj unb feine grau bar»
aus ©apttal ju fotogen hoffte. leiftete babei reiche $anb,
unb jtoar mit folget Serfdhtagenhelt, bah feine beiben ßpfer ihm noch leb»
haften Bant muhten“.
SJladhbem £offmann im Sommer 1821 feines »erhöhten SJtebenamteS als
Bemagogenrichter lebig gemorben mar 66 , fteUte er im fjerbft beS gahreB im
brftten unb »ierten abfdjnitt ber ‘SebenB=Anft(hten beS SaterS gjturr’ bie
gegenmärtigen SBerliner guftänbe in leichter Verhüllung bar. SBie mir an
anbetem Orte 6 ’ bargethan haben, fchilbert ber britte Slbjchnitt im mefent»
liehen unoertennbar bie Verfolgung ber Surfcfjenfchafter; mit ben »Keinen
mebelnben, fchmahettben, fich nieblich gebehrbenben" ©pifcen ftnb Bjfchoppe
60. Briefw. Y 299 f.
61. S. o. S. 613 unten.
62. In unserem Bd. IS. 271Z. 8—12.
63. bei H. = wunderlichen: g. o.
S. 147 Z. 7 t. u. des Textes.
64. Briefw. V 300 Mitte.
65. Briefw. Y 300 vorletzter Ab¬
satz, namentlich aber S. 354—
359, vom 19.—23. Sept. (be¬
sonders schlagend der letzte
Brief, S. 858 f). Die Assing hat
diese vier Briefe unter das Jahr
1822 gestellt, den Irrthum aber
in einer Note S. 354 noch selbst
berichtigt. Für das Binzeine
sind zu vergleichen YH 77—127,
bes. die zärtlichen Briefe der
Hähnel an ihren „anmuthigen,
holden, engelgleichen Püekle-
rlno“ ; für die gesammte Situation
der Familie Hardenberg endlich
die erbaulichen Mittheilungen,
die Pücklers geschiedene Frau
während dessen englischer Belse
1827 in Berlin Yarnhagen machte
und die die Assing in ihre
Pückler-Blographie aufgenom¬
men hat (das. 1196—204, hes. 202).
66. S. o.S.439oben; dazu den 1. Abs.
des 70. Bfs an Hippel Bd. I
S. 269/70.
67. 1908 Im Nachwort zum ‘Meister
Floh’, S. 234/37.
[ 616 / 617 ] 285
uno letjte (Settoften gemeint. Süenti man bann im bierten SübfcBnitt bie
©djilberung lieft. Me ber ©übel ©onto bon feinem neuen ®errn, bem
©aron Stljtbiabes toon Wipp madjt, unb wenn man bamit ben oben
rattgetljeflten 2/ageSpran unfere? ffitafen bom 9. fdl&xi 1820 unb feine fonftigen
Sefenntniffe betgleid^t, fo lann man auf bie Sennutfjunß tommen, bafe
biefet für ben Saton fotooBI »ie für ben ©übel STCobeÜ geftanben. gnbeb
foH baä Jetneswcgs Beraubtet »erben; e§ gaB ja nodj rei^t btei meljr
Seute biefeS ©(Btagel in ©erlitt.
[1822.]
gebenfaHS fdjeint §offmann ©ücflem gegenüber ein gutes ©etotffen ge=
BaBt ju Baben. Sen politifcben Satiren in ‘SKurrS Slnf^ten’ »aren im ®e=
cemBer 1821 bie im ‘SK ei ft er ft t c. B ’ gefolgt 68 , nnb ©cBudmann Batte baranf*
Bin am 5. gebruar 1822 §arben6erg naBegelegt, §offmann natB SnfterBurg
5U berfe|en (f. o. ©. 495 flJIttte). darauf »anbte ber ©ebroBte f«B am
8. bom firantenBette aus burdj £>lppet an Rüttler mit ber ©Ute, Beim
©taatstanjler für tBn ju intetbeniren unb bemfeiBen bie ©treidjung ber in=
criminirten ©inlagen anjubieten (f. ©b. X ©. 274). ©ücfler Weigerte ficB
jebotB in einer 9trt, bie iBm Rippet nodB SaBraeBnte lang nadjgetragen B a *
(f. eBenba ©. 275 Stute unb ©. 278 unten); er überliejs biefeS gelb boüig bem
fianbSmann Xjfdjoppe, ber mit »obrer Seibenfdjaft gegen $offutann Befcte (f.
im borliegenben ©anbe ©. 496/97 unb 508).
gm «ptll 1822 reifte Storeff enblicB ab 69 ; am 7. guni (alfo in fjoff“
mannä ©tertemonat), tonnte ©üd Cer feinet grau bie SJtittBellung madjen ™, ba(s
in bierjeBn Sagen — i»ar lein GrnennungSpatent, aber eingürftenbiplom
n SDluStau eintreffen unb abermals bierjeBrt Sage fpäter bie erftreBte
©ntf djabigung gejaBIt »erben Würbe; bie näcBften ©JocBen BefiBaftigte er
fidj »tt bem Entwerfen bes SBappenS, baS mit feinen 8 gelbem unb 5 £tlm=
gierten in allen garBen beS SRegenbogenS ftraBlte ,1 . Slm Sageber ©eerbigung
68. S. unsere Ausg. S. 288/42.
69. S. o. Nr. 263 m. Note 1 (8. 478f).
70. Briefw. V S. 830.
71. Ebenda S. 332f. 337. — Ein bis
zwei Wermuths tropfen fanden
sich dann doch in dem Freuden¬
becher. Friedrich II. hatte 1741
die Standesherrsch.rft Carolath-
Beuthen zum Fürstenthum und
den Grafen von Schönaich zum
Fürsten desselben erhoben; unser
Pttckler hatte geglaubt, er werde
in gleicher Weise den Titel
„Fürst von Muskau“ neben
seinen alten Namen (Graf von
Pückler und Baron von Gro-
ditz) erhalten (17. und 26. Juni:
a. a. 0. 336.338). Er wurde dann
aber weniger pittoresk „Fürst
von Pückler-Muskau“ benannt;
auch dasPrädicat „Durchlaucht“
wurde ihm zu seinem Nummer
wiederholt bestritten, sowohl
unter Friedrich Wilhelm in.
wie unter dessen Nachfolger.
26. Jan. 1825 schreibt er der
Gattin: „Es ist allerdings eine
kleine Perfidie Deines Täters
gewesen, sowohl den Titel
Durchlaucht, als die Benennung
Muskau's als Fürstenthum aus¬
drücklich [gemeint wohl: ab¬
sichtlich] im Patent wegzulassen“
(Briefw. TI 260 Mitte).
286 [617/618]
£offmannS, bem 28. Sfutu, gab ©arbenberg ein Heines $erren=Siner, um awei
anbeten gürften unb Stet ©rafen in Beben ©taatgfteBungen ben ©d/WiegetfoBn
als gürften öctjufteKen: aber bie J&älfte ber ©äfte ignorirte oftentatib ben
©efeierten, fotorit eS irgenb möglich War, fobag bet ©aftgeber felbft unfidjer
Würbe unb Jidj feiner protection fdjämte: „la froideur de» aatre» le refroldit
aussi ponr moi“ mug Büdler Bekommen conftatiren™.
Sie alte Seibenfdjaft für fpelntine trat unter ben (Sorgen bet teilten Sabre
jurütfgetreten, aumal $etminen§ ©efunbBrit bauernb ju wünfdjen übrig lieg,
unb toanbette ftd) tangfam in eine Art bäterliäjen SOtitteibeS ,s . SJlitte SRobembet
1821 gatte püdtter, ben § elmine im SRai Bei einem ABfdjieb jum Seufel ge»
toünfdfjt’ 1 , jum erften SDtale erftärt’ 6 : „glaube bod) nid/t, bag td) etwas ber
$eiratB in ben SBeg legen Werbe." Srnmergin Batte er ein unbehagliches @e=
fühl, aB Sude bann au SReujaBr 1822 einen Brief an $elmine eröffnet Batte™,
unb noch ärgerlicher würbe er, als ein halbes Sagt barauf fid) baS wieberhotte.
Sn feinem Briefe Born 14, g ult Bebauert er”, Sude „um nichts Beffer als bieS
jammerbolle Sing felbft ju finben, bie alte Briefe erbriefit, beren fte BabBaft
Werben fattn". Sucte foHe bodj „ben Biit&ft orbinairen Siebesjargon, ben man...
in fold/en BerBättntffen .. . fdjretben mug, ... oBne biel babei au benten"
ntiBt „für ©ott Wetg was für ein tiefes ©efüBI“ anfeBen unb fid) „ganj oBne
SRoth“ barüBer betümmern. Sa fie aber einmal iBre SRafe Bineingeftedt, fenbet
er iBr aucB — §elmtnettS Briefe an ign! SntmetBin war SucienS Sntereffe
für biefe ©orrefponbenj nicht unberechtigt. ®nbe Suti toar püctter, ber ft<B
ganj atS SDHtglieb beS £arbenberg=$ähnetfdjen $iiuSBaltS füBtte, eine ober jtoet
SBocBen tang „als ber®aft” feiner grau in BluSfau; banadj, um ben l. Sin»
guft’ 8 fegreibt er iBr in einem Sanfbrief, bag bfefer Befud) „ju ben unge»
trübteften unb fügeften ©rinnerungen feines SebenS gehören würbe, Wenn
$etmtna garni<Bt in SRuSfau gewefen, unb iBre unb beS reuigen Sou [= pücfter]
©<Butb bie Beitem Sage nicht getrübt unb ben ©tadjel ber EReue im $erjen
iurütfgetaffen Bütten!“
Anfang September Bot ber ©taat?fanjter bem ewig foüicitirenben
SdjWiegerfohn an, ben 2Rtntfter ber auswärtigen Angelegenheiten ©rafen bon
Bemftorff als Bolontair auf ben ©ongreg au Begleiten, ber bemnäehft au Berona
ftattflnben feilte; püdier foltte ftcB „auf biefe Art gewijfermagen aur bipto»
matifegen Sarrifere borbereiten." 78 Stefer BorfiBtag war freilich nichts für
unfern grand seigneur, ber in feinen Sräumen ftetS nur regräfentirte
unb Untergebene für fid) arbeiten lieg. 80 Gr lehnte es alfo entfegieben ab, „als
Attaches bon Bemftorff bon unten auf ben Sienft anaufangen“ 8l . Sa jeboih
72. Brlefw. V 338/89.
73. Ebenda S. 224. 246/47. 261. 264.
Ein kleiner Rüokfall S. 285.
Gleichgültig wieder S. 289, für¬
sorglich-mitleidsvoll S. 294, 323
unten, 324 oben.
74. Ebenda S. 299.
75. Ebenda S. 302.
76. Ebenda S. 307.
77. Ebenda S. 342 f.
78. Ebenda S. 817. "Von der Asslng
ins Frühjahr gestellt; die Zeit
ergiebt sich aus den Briefen
vorher (S. 341 Mitte und 343
Mitte) und nachher (S. 344).
79. Ebenda S. 851 unten.
80. Ygl. bes. Briefw. IV 293/94.
81. Briefw. V 319 Mitte. Dieser
wie der folgende Brief vom
16. und 17. Sept. ist von der
Assin g unter den Mal gestellt I
287
[619]
©arbenberg inatoifchen bett Befehl erhalten 5attc, fetbft jenen Kongreß ju Be»
füllen, fo Bot ißn Büdter in Erinnerung an bie Staehener Soge brtngenb, er
möge tfjtt ttt feinem eigenen ©efolge bortbin mttnefjmen. SaS Ieljnte jebecb
©arbenberg am 15 (September lategorifdj ab 82 ; gegen Schluß beS Briefe?
fdjreibt er: „Koch einmal, liebfier ffJücfter, Begnüge SM) mit ben glüdllchen
Bribatberhaltniffen, tn benen ich mit Sir unb oer lieben, gutenSucie
ftelje." Sagegen pellte er bann bonSBten aus feinergfrieberüe anheim,
ihm itadjäureifen: tote biefe Borm ga^r ihren SReifter ffioreff unb ©arbenbergS
grau üBerttiunben hatte, fo erwieS fie fi<b jefct auch ftürter als ber neunmal»
Ilnge «püctler unb ©arbenbergS Eodjter 83 .
@o erhielt Büdler a»ar lein $lmt, aber — Was ihm nielleicbt noch lieber
toar — einen leeren Eitel (baS Siplont batirt bom 10. 3uni; bie SRecbnung
bafür, auf biertaufenb Ebaler [12000 SDJarf] lautenb, tourbe Bücflem am
29. präfenttrt 84 ) unb bie SluSficht auf eine größere Summe ©elbeS. Sine
Sanirung feiner berfaßtenen Berljältniffe (onnte et ftdj freilief) nicht babon
berfbreeßen; am Sage nach ©offmannä Eobe fäjreibt er ber (Sattin 85 : „gotban
hat »ohl Kedjt gehabt, wenn er fagte: ‘Saftnb ein Baar jufammengetommen,
bie gut au toirtbfcßaften berftehen 1’ SaS ©etb ift »irllich Bei uns, tote SBaffet
auf einen heißen Stein. SSaffer unb Brob toir'o toohl am Snbe allein noch
übrig Bleiben."
in. fßüdlet unb ©elmine nach ©arbenbergS Eobe.
3n ber Ehat nahm bas Berßängniß feinen ®ang. ©arbenberg ftarb in
©egentoart ber ©atjnel }u ®enua am 26. KooemBet 1822, fünf SJlonate nach
©offmann. Huf ber ganaen Keife hatte er beä Ehepaares Büdler „nie gebacht!
SB eher im ßeben noch int Sterben!", toie ber bertoaifte Sdjtoiegerfofm Jlagt, bem
nun alle gelte toeggefdjtoommen waren 1 . Um ben 10. Eecember lonnte er, bet
auf bie Erauerpoft hin fogleich nad) Berlin geeilt War, ber ©attin einen Meinen
ßidjtbtid geben“: „Unfere 20 000 Eßaler fuib heute enblidj geaahlt... Sie
82. Ebenda S. 352/51.
83. Sie ging später nach Rom, wurde
katholisch und starb 1871, nach
Pückler, im Besitze groäerReioh-
thümer; sie war innig befreun¬
det mit dem Cardinal Fesch und
dem Jesuitenpater Backx (Briefw.
YU 110). Pückler schreibt noch
als 70j&hriger schaudernd von
Ihr: „Je n’ot rencontre que deux
monstrea de femmea pareilles
dam ma vie, et j’en frisonne
eneore toutea les fois que j’y
pense.“ (Ebenda 8. 145 unten.)
84. Briefw. Y 339 oben.
85. Ebenda S. 337/38.
1. 23. Deo. (YS77), naoh dem Berichte
des Geh. Ob. -Med.-Käthes Dr.
Kust. Ueber Hardenbergs letzte
Bebenswoohen (vom 15. Oot. an)
I. im übrigen Rust’s sehr aus¬
führlichen Bericht an die Für¬
stin Pückler vom 2. Deo. (bei
der Asslng V 363—375).
2. Briefw. Y 862 Mitte. Pückler
erfuhr Hardenbergs Tod erst
durch einen Brief seines Berliner
Notars, des Justizraths Kunow-
»ky, vom 7. Dec. (VI 467/69) 1
288
[ 620 ]
Hälfte babon ift aber letber frEjon hin". Strn 23. ftöfjnt er jebocfj 3 : „gef) f a nn
tS mir nicht berbergen, baß iih bächfttbaljrfchrinlich jefet 100 000 ©Ijaler... tn meiner
®anb gätte, trenn ich... biergeljn Sage früher in SSerlin mar, ehe Sein SBater
bie Singen fdjtoß". Sann geht ber SJrteffdjretber jeboch tbbhlgemuth auf eine
neue Sibree für einen Spagen über, bie nodj gu ändern ift, unb fährt fort 4 : „Sitte
übrigen SJeränberungen find gemalt. SKeue ßffigianten unb SibreefnSbfe, bie
©bauletten, ©cßlBffer unb ©efdjirre mit ben neuen ffironen berfehen. SRodfj ein»
mal IBnnen mir ben SBettetfürften in boHem ©länge refträfen«
tiren, ehe bierreidjt bie Sürftenfrone auf bera Sröbel berfauft
mirb."
Um baB gu berfjüten, bot bie berarmte, enterbte unb nunmehr enbgültig
jebes ©influffeB baare grau am 31. Oftober 1823 großmütig Spürt rem bie ©Reibung
an 6 ; nadh längerem Sträuben ging biefer barauf ein.
1824 ber tobte ft<h $elmine ßangenborf, anfcheinenb nur um über»
hauftt einen ffltann gu befommen, mit einem bermögensiofen Dfficier, bem ihr
gleichaltrigen Sienienant fjanB bon 23Iüif)er aus bem £aufe ©orfcßenborf, ber
in Seuthen an ber Ober, alfo im Gebiete be§ gürften gu GarotatlHSeuthen,
bei ber britten Schmabron be§ 1. Wanen=3legiment§ ftanb 8 . Stuf bie Sitte
ihrer SPfUgefchtnefier, ber gürftin, abette ber fflbnig fte als »raut am
24. ©efttembev — gtoar nicht, mie bie «Pflegemutter gemfinfdjt, als ©täfln bon
Sraniß, fonbern uuter Söeibeljaltung ihres SlamenS ’. ©rei SBochen nachdem
ihr IBnigliiher Sereßrer in alter ^eimtichfelt bie ($etminen etma gleichaltrige)
©räfin Stugufte bon £>atrach atS gürftin bon Siegniß gu feiner ©emahlttt ge»
macht, fanb am 1. Secember in «Dtuslau bie Srauung beS §errn bon Stüdher
mit bem gräutein bon ßangenborf ftatt; spüctter tranf auf bie ©efunbljeit
beS spaareS ehamfjagner aus einem golbenen Sech er unb (brach bagu einen
gietticßen SechSgeiter auf bie ffierbinbung bon Sraft unb fRelg 8 .
Stücher ließ fich batb barauf auf ein Saht gur Sehr=@Scabron nach
Stettin Berfeßen 8 ; feine grau fuhr im Sommer nach SDtuSfau gu ihrer «Pflege»
Briefw. V 375 Mitte.
Ebenda S. 376 unten.
Die Assing bat da« Schriftstück
auerat Blogr. 1220 f, dann Briefw.
V 414/16 mitgetheilt. Im Januar
1823 batte P. seine Schulden
schon auf 500000 Thaler i»/ t
Millionen Mark beziffert (V 381),
sodaß er schreiben muBte: „Gott
gebe, d&B wirBranitz retten;
von Mus kau habe ich abstra-
hirt “ (V 399.)
Er war Ostern 1817 aus dem
Cadetten-Corps entlassen und
19. April des selben Jahres als
Second-Lleutenant in das Regi¬
ment eingetreten: s. die Ge¬
schichte des Regiments (Pots¬
dam 1861; von mir benutzt in
dem Expl. der Hofbuchhand¬
lung E. S. Mittler & Sohn In
Berlin), S. 515; vergl. auch eben¬
da S. 518/20.
7. Tamhagen bei der Assing, Biogr.
H 234; ebenso Eneschke V 398.
8. Briefw. VI 480; Tag nach dem
GothaischenTb. Wegen der Für¬
stin Liegnltz s. o. S. 601 Note 5.
9. Rangliste für 1825, S. 109. 127.
F 0 h 11 in der (Note 6 genannten)
Rgts.-Gesch.: müßte dort S. 544
oder 646 stehn.
289
[ 621 ]
mutter, um bort ttjre SWeberlunft abgutbartm. Sbrer am 14. stuguft 1825
geborenen Sohiet lieg jte bte hier 9tamen Garotine Stugufte StbeHjetb Sucie
geben — bie erflen betben toaren tooljt bem berftorbenen StaatSIangter gu
©jren getoSblt, bem dürften Start Stuguft bon ©arbenberg, bie testen betben
offenbar nach ber Sßftegefdjttefter unb ber «Pflegemutter.
spfidfer, ber bodj getniß letne motalifhen Sorurt^rUe batte, fdjetnt immer»
bin bas IBetnußtfein gehabt haben, $ elmin ett burdf ben SBerbraudj bon Südens
Vermögen unb namentlich butdf) bie SSerbinberung an einer redjtgeitigen ©eiratb
eine nicht gut gu mahenbe StbSbigung gugefügt gu haben. SKit befonberer Küß»
rung gebachte er ihrer im Stnfange beS gabreS 1826. Stm 10. ganuar taufte er
in 3}erlin einen ©ürtet für fie 10 unb fdjrieb ihr ein SDitlethen in bertiebtem
Sone bagu; am 20. fdfjtieb er feiner grau, bie beifaes ©elminen eingebänbigt batte 11 :
Stn bie arme ©elmine benfe ich nicht anberS als mit gveunbfchaft
unb einem getoiffen ©efübte, baß ich fte nie berlaffen barf. 58on Siebe
ift nicht mehr bie fRebe, obgleich i<h 7 h« ©itelleit gu bergnügen ben
alten Son beibebatte.
Kachbem er gehn Sage fpäter burch »enecfe's 12 SSanfroft 12 ooo Sbater
bertoren batte 13 , fdjrieb er am 18.gebruar ber ©attin 14 : „SBir haben auch
beibe genug gelitten, um nun etroaS Somtenfdjein gu Betbienen. Unb im ©runbe
tbaten mir in biefer Seit (meine <5finbe gegen ©elmine ausgenommen)
niemanbem ettnaS gu Seibe, unb bieten ©uteS. Sttfo b tont prendre luaren toir
nicht bie fcfjlecbteften Äinber unfereS ©errgottä". — gn ben felben Sagen Be»
reitete et ©of unb ©efetlfchaft auf feine (Sljefcbeibung bor, bie bann am 20.9Rärg,
gtoangig Sage bor bem 50. ©eburtstag ber gürftin, gerichtlich auSgefptodjen
tnurbe. Korber jebodj, am 24. gebruar, toar er tnieber nah SDhcSfau gurüdt»
gefahren, too er bis gum September mit Sucien gufammenbtieb; nur bie erfte
©äffte bes guni berbrachte er in SreSben, anfdjeinenb um einem SBefuche ©et»
minenS aus bem SBege gu gehn 15 .
Stm 7. September nahm er bon Sucie StBfdjieb, in ber abenteuerlichen
Sbjidjt, eine reiche ©rbin in ©ngtanb gu fudhen. Korn 12. Bis gum 17. machte
er in SBeimar Station“: am 13. toibmete er fth feinem „alten etjef", bem
©roßbergog; am Stbenb beS 14. mähte er ©oetben feine Sluftnartung; ben 15.
berbrahte er tbeils beim ©rbgroßbergog im Schloß Ketbebere, tbeiis mit ©oetbens
Shtbiegertohter Bei SMülter bon ©erftenbergf; ben 16. enbtih berplauberte er
bei feinem alten gteunbe Spiegel 17 , unterließ es aber nicht, am felben Sage
10. Briefw. VI 302.
11. Ebenda S. 316/17.
12. S. o. S. 439 Z. 8 nnd S. 532 sub
Nr. 15.
18. Briefw. VI 822/25.
14. Ebenda S. 342 oben.
15. Ebenda S. 346—357; über Hel-
minens Besuch 348 Mitte und
352 Z. 12 und 11 v. u.
16. Ueber den Aufenthalt in Wei¬
mar, den die Assing auch
in der Biogr. mit keinem
Worte erwähnt, s. ‘Briefe
eines Verstorbenen’ m 8—22.
17. S. o. S. 601 Note 7.
290
[ 622 ]
©origen eine Befdjrabung beä Don igm in KtuSIau angelegten SB ab es mit Sin*
fMjten besfelben gu überfenben; fein Portrait legte er gut freunblidjen ©rinne*
rung bei unb empfahl in bem Begleitbrief bem alten Herrn etwas plump einen
SBerfudj mit feinen IjeilMftigen SWoorbäbern 18 . Bann ging eS nadj ©nglanb
auf bie ©olbfucge.
8u yilältti Unglüd würbe aber feine HetratbSabficbt pubtil, unb fo fiel
auch biefer fßlatt ins Blaffer. Slm 29. ganuar 1828 batte unfer ©tüdSrttter
in aller Kaibetät ben König erfutbt, et möge ibm boch ftbleunigft ben ©eneralS»
tattg ober ben Kolben Slbler=Diben I. ©laffe berleiben, bamtt er fieberet eine
reiibe ffinglänberin fänbe; bermutbtieh bot ber ©eneratabjutant, bem Büdler
ben bretflen Brief fanbte, ibn bem Könige gantiebt eingebänbtgt 19 . Kalbern
ftbtieglieb au(b Henriette ©ontag, bte fßltcftet; in Sonbon getroffen, ibm im
SDtai 1828 einen fiorb gegeben 20 , lehrte ber fabrenbe greiet am 10. gebrnar
1829 über Boris beim gu feiner früheren grau. ©r batte biefer feiner Ber»
trauten and) Wägrenb ber Keife ausführliche Berichte gefanbt, IüdenloS unb
rüdftchtsloS wie ein ZagebuCg. ©o bielfadj btefe Briefe bte Slbreffatin tränten
mußten, bie hoch tein gefdjlecbtBlofeS SEBefen War, fo hübfch lefen fie füg für
einen unbefangenen Britten. Um nun boch etwas bon ber 2i/ 2 jährigen
Keife gu profitiren, befegtog Büdler — angeblich auf ben Katb beS befreun*
beten ©bepaarS Barnbagen — biefe ©djtlberungen, wenn auch mit StuStaffnng
beS BerfBnlichften unb mit Berbedung ber Kamen, ju berBffentlichen. ©chon
1808 batte er eine Serie bon 27 Keifebriefen bruden laffen Wollen 21 ; 21 gab«
fpäter unterfchrieb er jeßt — am so. October 1829, feinem 44. ©eburtstage —
baS Borwort gu fetner erften Bublication, bem brittenunbbierten
Bugenb bet ‘Briefe einesBerftorbenen’. Senn ähnlich wie $offmann
eS mit ben gragmenten ber Biographie RreiSlerS gemacht, lieg er bie gfoeite
fiälfteberBriefeguetft erfcheinen, unb Wie Hoff mann in ben Kreislerianis,
ben ©linieren unb fonft getgan, gab er fich als biogen Herausgeber bon Kadj*
lagpapieren.
Bie beiben Bänbe erfchienen im 3uli 1830 22 , unb gwar, wie wir bereits
im ©ingang biefeS SntermeggoS fagten, beigriebriCh ©ottlob grandh in
SKÜnchen. SBie eS ftch benten lägt, ging bie Bublication gunacgfi bBIlig unter
in ber ©rregung übet bie Borifer Sulttebolution 28 , Würbe aber atsbalb flott
18. Brlefw. VI 490 f.
19. Briefw. VII 249/53.
20. Briefw. VI 894/99. 403/05. 417/19.
432 f = Biogr. I 234/38.
21. Briefw. H 1—289.
22. S. Pücklers Begleitbrief vom
16. Juli an seine Cousine Au¬
guste Charlotte geh. von Schön¬
berg, verwittwete Gräfin von
Lynar, geschiedene Gräfin von
Eieimannsegge auf Pöring
(1777—1863; nicht ihre Tochter
Natalie, wie die Asslng anglebt),
die schöne Antwort der Em¬
pfängerin vom 20. Aug., Pück¬
lers Replik vom 5. Sept. und die
Duplik der Gräfin vom 31. Oct.:
Briefw. VII302 f. 309/11. 328/30.
23. Briefw. VH 187 (drittletzter Ab¬
satz) und 194 oben.
291
[ 623 ]
gemacht burdj fRecenfionen BarnbagenS unb ©jefljeS, beiten bann $eine (tra
Borwort junt IV. Sb eil feiner eigenen iReifebilber) beiftimmte. — Bttdler er*
lebte bie aRorgenrBHje feines fRutjmeS in Berlin, wo er ftdj ben ganjen Stugufl
unb ben halben September über aufbielt 8 *. ©r fanbte bie beiben Bdnbe nur wenigen
Scannten, auf beren ©iscretion et fiep öerlieB; öelntine erhielt ftatt belfert ein
flaues feibenes ßafstudj, für baS fie bem „lieben Stiefpapu" unterm 29. Hugufl
aus ©arotatfj banlt 86 . Sie ftreibt in bem Briefe weiter:
3dj armes, B erlaff eneS ffiinb bin obnebin fo ftiefmütterlidj Born barten
Sdjidfal bebanbelt unb berforgt worben — toietteic^t ergebt eS mir jen*
feits beS ©rabeS beffer ... »Seifst Su wobl, bafj idf mir oftmals Wie
ein armes, beimatblofeS, frembeS 8inb Borlomme, unb iä) gar fdjtneta*
lieb empfinbe, Wie ich eigentlich fo xeäjt uiemanb angebäre.... ©enlt
benn nicht 3eber nur an fidj [Bon benen,] bie id) fo gern als meine Ber*
wanbten betrachte...
Sie flagt bann, ba6 fie ju teiner ber {Reifen mitgenommen Wirb, bie Pflegemutter
unb =SdjWefter planen.
©egen ©erbftanfang fuhr Büdler nach SDtuSfau jurüd, wo er als ©dfte
ßelminen mit ihrem fünfjährigen ©ädjterdjen fanb. ©ie ffürftin fuhr halb barauf
nach Serltn unb nahm §elminen mit, wäbrenb Büdler bie Heine Surfe oäterlich
ober grofsBdterlidj betreute, 4>elmine banlt ihm bafür Bon Berlin aus am 30. ßc*
tober 88 ; fie wünfdjt ihm ©lüd jum neuen Sebensjabr unb hofft, ihn halb in
Berlin an feben, „benn $u bift boch ber Snterefjantefle, ben ich fenne."
»Sittlich fuhr Büdler Stnfang SRoBemb er nach Berlin 8 ’, um bort ben ganjen
»Sinter ju bleiben. §elmine erwies fidj, nach ben folgenben Briefen ju fcfiliefsen,
biesmal im ganjen als fpröbe.
g ran dl) batte als Berleger am Schluffe beS aweiten BanbeB (S. 897)
bemerlt: „»Sir hoffen nächftenS ben britten unb bierten Banb (ober Biel*
mehr ben lten unb 2ten, vlde bie Borrebe) btefeS geiftreicben BucbeS ber »Seit
borlegen ju bürfen." 3n bet ©bat war Büdler »litte Cctober 1830 in SRuBlau
mit bem britten Banbe büHig ins reine getommen 88 unb unteraeidjnete bann
in Berlin am 1. OTdra 1831 baS Borwort ju ben „am« lefct=erften ©heilen".
Bieraebn ©age barauf fuhr er mit § elminen aufammen ah. Sie junge
Sfrau Hagte über bie fchlechte gabrt; Büdler härte baS Bequem im »Sinfel fi&enb
ohne ein Seichen ber ©fjeilnaljme an 89 . 3nßroffen erwartete bie Heine fiurie mit
ihrer ©raieberin ihre »lütter; Büdler fchenlte ber kleinen awei Puppen, bie er
in Berlin für fie getauft, berahfdjiebete fiel) bann aber, ba auch er fidj aufs
©oquettiren Berftanb 30 , „aiemlidj lalt unb gleichgültig" Bon $ elminen unb fudjte
24. Ebenda S. 175-202.
25. Ebenda S. 307/09.
26. Ebenda S. 325 f.
27. Ebenda S. 210/11. 331.
28. Ebenda S. 206.
29. Ebenda S. 367 unten.
30. Die französische Romanschrift¬
stellerin Sophie Gay geh. Nl-
chault de la Valette 11776—1852),
in deren Aachner Salon Püek-
ler gern verkehrte, batte ihm
dort am 13. Oct. 1818 nach län-
292
[ 624 ]
einen anberen ©affljof auf. ffiie er erwartet batte, fonbte ißm Helmute noch am
fetten Sttenb um 9 bom Bett au« einen 9ttfcbieb«gruß 31 :
SRir ift fo Wehmütig um« £erj, baß td) nur mit SJtfibe meine
Sbtänen surücfbalte, unb nur in biefen Seifen ber Benommenen Stuft
Suft ma<ben fann, inbem idb Sir nodb einmal SebeWobl jurufe, lieber
Hermann! Schon fcijläft mein tbeure« &inb neben mir, Welche« noch
äutjor, ebe eS einfdjüef, febr liebenStoürbig unb järtlidb für midj
toar, unb febr niebfidj mit gefaltenen ©änbcßen feine frommen ©eBete
berfagte; ich fettft liege auch bereit« auf meinem Säger, non loo au«
idb ®fc biefe toenigen 8eilen fdbreibe, benn idb Bin fo traurig übet ben
Sttfdjieb »on Sir, al« hätte idb ®icb «um lefstenmal in meinenSeben
gefebenl Senn Su Weißt, baß man ein ©ut oft erft aisbann recht §u
fehlen Weiß — wenn e« Bon einem flieht.
Sfm nädbffen Storgen um 5 fuhr fte mit ber Steinen Weiter „nach bem oben,
traurigen Beutben"; fßücirer fuhr auf „fdbretflidben ©egen" über Sommerfelb
nadb 3Ru«fau. Bon bort fdbrieb er am 19. #elminen einen nectenben Brief 38 :
oft benle er feiner Keinen Seufefin nub febne ftdb, oon ihr maltraitirt su werben.
8 um Schluß beißt e«
9iun, Weiner SCeufel (ein Sleiner oon ben Steinen, Wie 9Hebbiftobbe=
te« fagt), lebe Wobt, füffe bein grücßtcben oon mir ...
Satan, Sein $err, behüte unb bewahre Sich, geliebte Seetentofe,
unb fdjenfe Sir Biet ©etb. Welche«, glaube idb, bänglich Wäre, un§
Beibe gtücttidb ju machen, ba unfete ©iteltett un« glauben läßt, baß
un« fonft nicht« fehlt, unb unfere ©efübltofigteit bon anberen fdbwärme*
rifdben ©enüffen ftdb leinen rechten Begriff macht. Quand on a le
malhenr d’etre nee diablesse, il est trfes-difficile de devenlr un
ange: mala toaa les genres sont bong, borg le genre enunyeux.
Stm 26. Stärä antwortet ^elmine in einem längeren Briefe au« Beutben 33 . Sie
fdbilbert ihre gabrt bortbin unb ihr langweilige« StrobWittWenteben; Webraütbig
benft fte an ben Aufenthalt in Berlin jurfid, boch liegt bie Seit wie ein Sraum
hinter ihr:
Blanche« erfdjeint mir jeßt unglaubtidb nnb unerbärt, Wa« fi<b
bort in bet festen Seit jugetragen bat, befonber«, baß idb ein fo lang
bewahrte« ©ebeimniß bem G. mittbeilen fonnte — idb glaube
nicht recht bei Sinnen in ber Seit gewefen ju fein, inbem eS mit boch
febr gewagt Oorlommt.
3db erhielt auch toor einigen Sagen einen recht lamentablen Brief
bon meinem armen guten Stann, ber nun 30 Bl eilen Weit bon hier,
gerem Umgang gesagt, er sei 31. Ebenda S. 357f.
„viermal mehr coquet als die 32. Ebenda S. 359 f.
coquetteste Frau“ (Briefw. V 164 33. Ebenda S. 367/69.
oben).
[ 625 ]
293
nafje Bei ßaIif<B ftetjt unb mit UnmoBIfein unb mancherlei StotB aucß
fonft noch äu fämpfen Bat — Bauptfä^IitB aucß an ©elbmangel
Jeibet; idj (hielte »hieß er [sic] baßer fogleid) meine ganje Heine Saar»
ftfjaft, weldje i(ß bon »erlin mitnaBm . . .
*.. gcß träume midj Bi« 0<tn* in metne UnfdjuIbSWelt surüdf, ba
idj gegenwärtig leinen BBfen »erfmßungen in meiner ftitlen §äu«Iicßleit
auägefeßt Bin...
Sie Bittet bann um bie ‘»riefe eines »erfiorBenen’ unb fdjließt mit bem ©rüge
Slbieu, tBeurer ßusifer unb atatßgeBer aller armen Seufeldßen;
pe berfidjert iBn iBrer „treuen, aufridjtigen (<BwefterlitBen ©efinnung".
Sn ber SB«! war ba« Ulanenregiment, bem §elminenä ©atte ar.geßSrte,
in biefem gaßre bauernb unterwegs, um bie ©renjen gegen bie »ölen unb (nadj
ffiuff s Sßftem) gegen bieEBoIera ju BeBüten. »lädier trat jefet jur 2.@8cabron
üBer, bie ©nbe be3 gaßre« naeß SRilitfdj berlegt würbe**. Sa biefe Stabt
hoppelt fo weit bon SKuStau entfernt ift Wie »eutßen, fo Bärte ber regelmäßige
»erleßr gwifeßen »üdlerS unb »rfießer« nun auf, Wie Selmine ba« in ißrem
Stoffener StBfdjiebSBriefe aBnenb auSgefprotßen Batte. — SlIS alter SDlann fdjreiBt
fßüdler in einem BrieflicBen SRüdBIid auf feine »egießungen gu Terminen in ben
gaßten 1816—1831“:
Ste war ein fe<BieBnjäßrtgeS SKäbcßen unb i(B 32 gaßre alt, at« biefe
»elanntfdjaft Begann. Sie bauerte fünfgeßn gaBre, unb in ber BÄitte
biefer ßeit mußte fuß ba« fDläbdjen berBeiratBen, unfere Samerabfdjaft
BlieB aBer btefelBe. SReßr tann idj ü&er biefe BetBinbung
nidjt fißteiBen, benn e« ruBt raeßt als ein widjtigeS ©e=
Beimnißbarttbet. 3?ur fo Biet lann icB no<ß ßtnjufeßen: bie«
fbtpßibenartige ©efdjöpf war eine ®ebe 8tapßael8, unb fpäter ba«
©benbilb ber beriißmten tnieenben Keinen BenuS.
SDiit bem ©tfeßeinen ber Beiben „teßt=erften" Bänbe be« „BerftorBenen" Batte
eSnodß guteSBeile: grantfß tnadßte »anlrott, wie »üdler am 24. guli 1831
an Sarnßagen melbet 86 ; ber Stuttgarter Kaufmann SouiS 4?aH6erger 81 — ber»
mutßlicB einer feiner ©läuBiger — erwarb bie Blaffe unb erntete, wa? granefß
gefät Batte. Ser britte unb ber bierte Banb ber »riefe, alfo bie Stummem
1—24, etf(Bienen gufammen mit ber 2. Stuflage ber Beiben erften »änbe ©nbe
Slobember in ber „$aHBergei’fcßrn bormal« grancfß’fcßen »ertansßanblung",
alfo etwa ju ber felBen Seit, in ber Ständig anberer SJtadjfolger »robBag
feine $ off maitn»Stu sw aßl bollenbete. ©in ©yemplar fanbte »ttctler —
34. Zunächst nur provisorisch; am
1. Juli 1833 wurde dann Mi-
litsch dem Regiment zur dau¬
ernden Garnison angewiesen.
Vgl. dl« ln Note 6 genannte
Rgts.-Gesoh. S. 554 f. 560—568
(bes. 566). 571.
35. Biogr. I 183 unten.
36. Briefw. III 54 Mitte.
37. ADB 10, 418. Brat nach dem
Erwerbe von Eranckhs
Verlag erlernte der bereits 35-
jährige Kaufmann den Buchhan¬
del bei Raul Neff in Stuttgart.
294
[ 626 ]
Stear nidjt ©elminen, Woßf aber ©oetben 88 , ec banft nachträglich für bie woßl=
Woltenbe JRecenfion, entfdjulbigt Me „Heine ©itetfeit", bie ißn berantaßt habe auch
ben ©eridjt über feinen Sefucb Bom 14. September 1826 in ben m. S8anb mit
aufsuneßmen, unb bittet um einige briefliche SBorte jur SJerußigung barüber.
©oetße antwortete am 5. Januar 1832 39 : et giebt einigem ©ntfeßen über baS
©ineinsießen feiner ißerfon SluSbrucf, äußert ficb jebocß im übrigen tooblmoffenb
unb fcßließt in feinem betannten SllterSftil „2118 treuften unb beguemften Steife»
gefäbriett inbeffen bodßachtungSboII ftdj unters eicßneitb atterbeftenS empfohlen ju
fein wünfcßt 3- SB. ©oetbe." (SQBir glaubten biefe an ficß belanglofe Gorrefpotibeus
hier erwähnen su bfirfen, weil fie erfcbütternb bie Sürse bon ©offmannS
Beben Bor äugen führt: als ©offmann jur SBelt tarn. War ©oetbe bereits aß
Karl äugufts greunb in SBeimar unb batte bie gatije wunberbare Schöpfung
feiner 3ugenb (0öß, SBertber, Ur=gauft) abgefcßloffen hinter fith liegen — unb
ber felfie ©oetbe b«t bann unferen dichter faft um jeßn 3ahre überlebt. ©offmann
aber mußte — wie boribm Schiller, nach ißm Sßießfdje — auf beruhe be§ Bebens,
in ber SKitte ber bieräiget 3aßte bie 3eber aus ber ©anb legen.)
95üd!let glaubte jeßt feinen SebenSberuf gefunben su haben, nämlich ben
ffleruf, bet ihm im ©egenfaß su feinen noblen Sßafftonen für BanbfcßaftSgärtnetei,
SPferbe, Spiel unb feine ffiücße ©elb einbracbte. ®r würbe swar nicht SJiplo»
mat, aber UnterhaltungSfchriftfteller. aber bte lebenbige fjrifcße, bie leichte,
oft fcbnßbt ©eiterfeit, bie nachtwanblerifcbe Sicherheit beS ßtuSbrucfS, bie feine
83 tiefe auSsei ebnete, maihte einer guälettben SSefangenßeit unb Unfidjerbeit ißfaß,
fobalb et nicht für einen inbiöibuellen Befer fonbem für ein anonßmes ?J3ubIi =
cum fchrieb: als er geiftretdj fein wollte, hätte er auf eS su fein. — ©einen
Umgang wählte et ber neuen Situation entfpredjenb: wie er in feiner politifdjen
©treberseit unbefeßen jebem 6t§ sum (Siet ben ©of gemacht, bon bem er trgenbwte
gförbetung erwarten fonnte, fo tßat er eS hinfort mit jebeut, ber ißm bureß
Btecenjionen ober anberes öffentliches Bob nußen tonnte; niemanb btt Hrt
War flehet baoor, prioatim ober öffentlich laut bon ißm befchmeichelt su
werben.
Sunächft arbeitete er Saßre lang an ©rsäßlungen unb ©rinnerungen,
äuffäßen unb KpßotfSmen, bie er in einer meßrbänbigen Sammlung heraus»
geben Wollte, aber noch eße er bamit fertig War, befeßtoß er, fuß lünftig
wieber berSteifefcßrtftftelletei, BefonberS übet baS äuslanb susuwenben.
Um SRaterial baffit su fammeln, wollte er Seutfcßlanb auf einige 3aßre
bertaffen unb melbete fleh in |etner ©igenfeßaft als Sanbweßr»£)Berft am
22. Slprit 1838 beim Stönige ab; er wieberßotte babet bte Sitte, ißn mit bem
©eneralSrang su feßmüefen 40 . Sie ißm unerwartete, aber ßBcßft berechtigte
Sntwort war, baß er im Suni bureß KabinetSotbre ben äbfeßieb aus ber
flanbrneßt erßielt mit bem bloßen Eßaralter als ©eneralmajor 41 .
38. Brlefw. YU 380f. 41. Ebenda 180 unten, 181 unten,
89. Ebenda S. 388 f. 186 Mitte, 206 unten, 336/38,
40. Briefw. VIII 335. 344.
295
[ 627 ]
Sin fotgenbenSKonat fdjreibt er feiner ehemaligen grau: „Beben!’,...
ba& ich eilt ©djttftflelter für ©elb getoorben Bin ... ttttb geBe tcfj mir
nicht uitfäglidje Sftülje, fo teirb e§ fdjleC&t, nnb eine CUteHe Berftegt, bie
mir Bietteidjt jur Sjifteitj nöthig toirb!“ 4 * — ®nbe geBruar 1834 13
erfdhienen eitbltdj, Bet ßaHBerger, bie erften Beiben BSnbe feiner lange Be»
Brüteten Sammlung; ber Sitet lautete Totti fruttl. 8t uS ben fßapierett beS
BerftorBenen.’ ®in§ feiner greiejempiate fanbte SJSüefler nadj SJUlitfcIj an
fjeltnme, bie ja Bei ben ‘Briefen eines BerftorBenen’ leer ausgegangen mar.
Sie banlte ihrem „IteBen Hermann" am 25. «Kärs 1834“; ber Brief Bemüht
fidj, ben nedenb=äärtUd)en Kon Bon früher anfredhtiuerhalten, man fühlt aber,
bah fte innerliih bem „Sucifet" entglitten ift.
gm aitai 1834 serretfte (Jäüctler auf eine Bei he Bon fahren; Sucie
nnb Selmine fah er erft im September 1840 in SKuStau tnieber 4 '.
42. Briefw. VIII195 f. Vorher, 10.
Febr., hatte er seiner Mutter ge¬
schrieben : „ich werde bald vom
Schriftstellern leben müssen.“
(Ebenda S. 325.) 1839 seufzt er:
„Wäreich nur das Schriftstellern
los ... Es . . . absorbirt alles.
Zum Genuß kann ich nirgends
kommen, sondern nur zu seiner
Beschreibung.“ (Biogr. II 108.)
43. Briefw. III 198.
44. Briefw. VIII 406f.
45. Biogr. II 180. — Blücher, der
14. Juni 1833 zum Premier-
Lieutenant befördert worden
war, wurde 26. Febr. 1835 dem
1. KUr.-Rgt. zu Breslau ag-
gregirt (Rgts.-Gesch. S. 579;
Rangl. f. 1835 S. 131 und 151);
1841/42 avancirte er daselbst
zum Rittmeister. — Am 18. Juni
1846 starb Helmine zu Bres¬
lau in den Armen ihrer Pflege¬
mutter an einer schmerzhaften
unheilbaren Krankheit (Biogr.II
233); sie hat genau dasselbe
Alter wie Hoffmann erreicht.
(Der Wittwer nahm dann
als Major den Absohied und
zog mit seinem einzigen Kinde,
der schon genannten Lucie,
nach Dresden, wo er am 9. Mai
1861 als letztes männliches Mit¬
glied des Hauses Gorschendorf
starb. Lucie hatte daselbst
1853 den Grafen Karl Allwill
zu Solms und Teoklenburg
(aus einer Nebenlinie des Lau¬
bacher Hauses) geheirathet; sie
wurde 1876 Wittwe und soll
nooh am Leben sein. — Diese
und die anderen bisher nioht
belegten Daten meistens aus dem
Artikel Blücher im Gothaischen
Genealogischen Taschenbuch der
Uradeligen Häuser, der aller¬
dings — Muskau als Helminens
Geburtsort angiebt und von ihrem
Tode garnlchts mittheilt.)
P ü c k 1 e r hatte sohon vor Hel¬
minens Tode (1845), um im sech¬
zigsten Lebensjahre endlich aus
den Schulden herauszukom¬
men, die ci-devant Collenbergi-
sohe Standesherrschaft anfgege-
ben und war für das Ende seines
Lebens auf die Klitsche seiner
Väter bei Kottbus gezogen; der
Ifürstentitel war damit vollends
inhaltslos geworden.
($a8 ganje öilb, Derlteinert)
(Huäfdjnitt in Dtiginalgtflfje;
baS einjige befannte Selbftpcrtrait $offmann« au« feinet 3ugenb)
&ie ^antaftc erfrfjeint $offmann jum Srofte
©ouactye jungen #offniann
[ 313 ]
299
Sugabe:
Sljartotte Jeimann
unb «£>offmannö fünfKcrifd)c ^ulbigung für fte.
Slug er £ippel» Stuffag unb gelegentliäjen aRitöjeüungen be» Sinters
feI6(i bat ftcb meine» SBiffen» nur Eine SRadbridjt über baS pribate Sieben beS
jungen $ off mann erwarten — eine münbltcge Srabition, bie in ihrem bio*
grapbifdjen SDBertbe geringfügig, aber bafür ooMomtnen glaubtoürbig ift. ffiir
bringen fie um fo lieber, al» fte terfnüpft ift mit ber einjigen {Reliquie au»
ber reifen tünftlerifcgen ÜJrobuction be» jungen .fcoffmann.
3$ Oerbaitle bie foigenben Slngaben but^toeg ber ©üte beS £errn Stlfreb
Kühn ju Königsberg in sprengen; nur etn paar untoefentlidje Säten fhtb aus
©. g. Wartung» banlenSüjcrtljem SJerjeiibnig ber ßönigsberget ©tubenten 1
fjinjugefügt. §ett Kühn bat im Stuguft 1904 bie bamatige »ejtfcetin beS Silbe»
Peranlagt, mir baffelbe jut SReprobuctüm berjufenben, bat bann gröulein
Slife SBoelf<b in Königsberg um SRacEjtitbten über ba» SBilb erfudjt unb mir
beren eingebenbe Stnttoort mit ausfübrltdien eigenen Slngaben jugefanbt. SedjS
Sabre barauf, im September 1910, tnanbte i# rnidj noch einmal an £errn
Kühn mit einer {Reibe Pon nodj offen gebliebenen Stagen. SRetn Perebrter
ffiönner batte abermal» bie @üte, ftdfj in meinem Sntereffe an gräulein Elife
Soelfcg ju toenben; biefe gewährte toieberum SluSlunft in reifem SDlage (aber.
Wie ba» Porige SRal, in ftrenger äBefdjrünlung auf ba» tbr fielet belannte), unb
£>err Kühn gab ihren Brief mit Weiteren mistigen Säten au* feiner eigenen
Kenntnig an midj weiter.
*
gu bem gefeflfdjaftlidjen SBefanntenfreiS beS jungen
•£offmann gehörten jrnei eng mit einanber befreunbete 9Ääbd)en,
Ctyarfotte Sfteimann unb Sacobine Kuretta. 3>ie Semoifeüe
(SOarfotte Steimann mar am 3.©ecember 1780 a(S £od;ter
eines moijtyabenben iputmadjerS in Königsberg geboren, affo
faft fünf 3al>re jünger al$ £offmann. ©ie mar ein fdjöneS,
anmutiges unb gebilbeteS «OTäbdjen. Sacobine Kureffa
mar in ©umbinnen geboren afS Sodjter eines Söeamten, ber
1. SHabemifdje» ffirinnerungSbueb für bie, Weldje in ben Sabren 1787—1817
bie KönigSBerger Uniberfität befuebt haben. Königsberg, Wartung, 1825.
bann afß Äriegßratf; nadj ÄBnigßberg oerfeijt worben war 2 .
Sie jungen SDtäbdjen fyatten einanber im Gionftrmationß*
unterridjt tennen gefernt unb eine ftmmbfdjjaft gefdjfoffen,
bie biß an ben £ob wäf;rte.
@(>arfotte Jeimann foß eine ernfle Neigung ju Jpoff*
mann gefaxt fyaben, bie biefer jebod), wenn überhaupt, nur
furje geit ernfUid) erwibert T;aben wirb: benn afß £offmannß
Siebe ju ftrau ipatt ftd) tangfam aber unwiberfteljlid) ent*
wicEelte — ogt. feinen 93rief »om 12./13. ©ecember 1794,
©. 51 7 biß 20 —, tyatte (Sbarfotte eben erfl baß 14. Sebenß*
jaljr ooßenbet. (ftreiftd) waren bie preufjifdjen 9ftäbd)en
bamatß anfd)<inenb mit einer gerabeju inbifd>en ftrüljreife
gefegnet: 3eannette ©rufjcjpnffa würbe, wenn if;r ©eburtß*
batum bei 93ad) ©. 53 ftimmt, mit 13 Sauren bie 93raut »on
£offmannß greunb Rippet, unb beffen berühmter Oljeim foß
gar (afß 21 jähriger Sanbibat ber Geologie unb $auß(efyrer)
fid) flerblid; in bie ad)tjaljtige ©djwefier feineß gßgfingß
oerftebt I;aben 3 .)
2BU bem uud) fei, jebenfaßß überreidjte #offmann eineß
Sageß ben beiben ftreunbinnen, (Sftarfotte unb Sacobine, baß
Söifb, baß wir nebenjie^enb reprobuciren, unb erffärte babei
feierficf;: ©ie ©öttin ftantafie fei if;nt erfdjienen unb Ijabe
2. Wartung nennt bret ßureHaS aus ©umBimten, bie in ßiinigSBerg bie SRedjte
ftubirt Baben. Eer erfte toar Beftimmt ein 83 ruber SacoBinenS, bie anberen
beiben offenbar ebenfalls. 3m 3aBre 1825 »at
1) ®anS grtebricf) Seobotb (imntatriculirt int SBinterfemefler 1800/01) Sßoli»
jeiratb in ßSnigSBerg,
2 ) Huguft SBUBelm gerbinanb (intmairicnlirt im Sommerfemefter 1802)
fRatB Bei ber ^Regierung in SRagbeBurg,
S) granj 3ulin5 3oacBim (eBenbann immatriculirt) Deconomie*3nfpeltor
in iReffau Bei Srengfuttl).
3. ftadj gerbinanb 3ofef ©djneiber, Sljeobor (BottlieB bon fiibbel in ben Sagten
»on 1741 Bis 1781 ($rag 1911), ®. 97—in. Die gretin Slmalte HlBertine
bon Sdjroetter, bie Sd&neiber für bas UrBitb bon §ibbeIS Sorten ober
SEhtcfjen hält, loar nach feinen geftfieDungen int Sttfirit 1754 geboren; ©ipf>et
mar aber nur Bis jum Sommer 1762 im $aufe ihrer Eltern. „$iefe Siebe
war nicht gang unertnibert, aBer bie Eltern entfernten ihn, toie fte
es mecften" ergäBIte foSter £if>pels gntimuS SBorotoSIi (Sdjneiber 98/99).
[315] 301
ihm btc beiben Sreunbinnen tu einem Spiegel gezeigt; ber
fJtaurn ring$ h«uw fei erfüllt gemefen mit frauenhaften ®e=
finiten. Stuf ba$ @ebot ber ©öttin l^abe er bie ganje @r--
fdjeinung mit bem «pinfef feftgefjaften.
2Benn bie Sfteimann ein !>afbe$ 3af;rl;unbert fpäter ba$
»fatt einer jungen Sreunbin jeigte, fo fe£te (Tel;tnju:
mann fefbft habe ftd> oorjügfid) getroffen, unb bie Äöpfe
ber Ungeheuer auf ber redeten Seite be$ 93ifbe$ hätten eine
unoerfennbare 5fehnfid;feit mitben»hpftognomien oon öfteren
SBermanbten unb »efannten #offmannS, bie mßdjentfid)
fleife unb fangioeifige gufammenfünfte abgef;aftcn
bie fogenannten Samifientage, über bie bie Sugenb ftdj
befufligt hätte. »efonberß frappant fei in bem einen großen
breiten 5\opf ein biefer Dnfef ipoffmannS getroffen. [SBegen
ber Samifientage oergfeidje man, ma$ Rippet oon ben
regelmäßigen gufammenfünften unb »eratfjungen ber Samifie
erjäf;ft (7, 31-33. 14,23—26. 24, 7 f), unb toenn man tuifl, aud)
bie (freifid) moljf ?u brei »iertefn erfunbenen) föfflidjen
»eridjte £offmann$ über bie Samifienconcerte im ‘SDtufif*
feinb’. gu bem biefen Dnfef ogf. oben 45,2f. 49,i4-i6.]
* *
*
9lad) IpoffmannS SEBeggang au$ Äßnigäberg überrebete
man Gharfotte Jeimann ju einer Verlobung. Sie fühlte
ftd) jebod) I)öd)fl ungfüdffid) af$ »raut unb litt feefifdj, ja
fogar förperfidj, bi$ bie SBerbinbung mieber gelöfl mürbe.
Sacobine Äurefla oerfor früh il;re SDtutter unb mürbe
bann au$märt$ erjogen. Sie l^eirat^ete in ber Sorge einen
£errn Ströbef 4 . 93i$ $u ihrem $obe bfieb fie jebod) mit
4. Wartung nennt atoei Snriften bicfeS SRamenS:
1 ) SBÜIjetnt £einridj ffianiel aus Petersburg, immatrtculirt int Sommer«
femefter 1791, i825 Gontmercien= unb 2tbmiralität8=8latfj in pittau,
2) Stuguft Gart griebridj au« Königsberg, intmatriculirt im SBinter*
femefter 1800/01, 1823 in Promberg alb erfter guftitiac bei ber SRe»
gierung unb StjnbicuS bei ber SJanbfdjaft.
302
[ 316 ]
GharrotteJeimann in treuer ftreunbfdjaft oerbunben, roedjferte
re<jermäßig 93riefe mit if;r, befud;te ffe öfter« unb bebaute
ffe in ihrem £eftament.
2Bie im 5?uredafd;en £aufe mar Gf;arfotte aud) in bem
be« Gommercienrathe« Ä'riting mofjt gelitten; ihre« ange*
nehmen SBefen« megen mar ffe ein befonberer Siebfing oon
beffen fanfter ftrau — mie ffe offenbar mehr ju grauen
pafjte al« ju Scannern. 2fn biefem £aufe fanb ffe aud; eine
gfeid;aftrige ftreunbin, bie für if;r fünffige« geben ent»
fd;eibenb merben foflte: Gharfotte 23oeffd;, bie £od;fer
eine« angefefyenen Äöntg«berger 2trjte« unb 9tid;te be«
Gommercienrathö Äriting.
Sa« 3al;r 1802, ba« £offmann in ben ^roefer Orcu«
jliejj, ihm bafur aber eine fieben«mürbige ftt-au im Sffter
ber Gharfotte Jeimann befd;eerte, btad;te btefer unb ihrer
greunbin Gharfotte 93oeffd; fd;mere« Unreif. Ser Dr. S3oeffd;
flarb, unb fein bebeutenbe« SSermögen ging au« nid;t auf*
geffärten Urfad;en oerforen; Gharfotte 23oeffd; begab ftd> $u
ihrem unoerehefid;ten S3etter Johann ipeinrid; Äriting,
bem ©of;ne be« Gommercienratf;« 5 , auf beffen @ut 9togehnen
Opoftjfation ^omapen) im Äreife $ifd;haufen, um ihm ben
£au«fianb $u führen. 3n bem fefben 3ahre brannten bie
Käufer be« #utmad;er« 9teimann mit adern SDtobifiar ab.
SEBa« if;m nod; gebfieben, ba« oerfor er bann in bem un*
gfüdffid;en Kriege 1806/07. Gharfotte Steimann ging nun»
mel;r af« Grjteherin ju fremben Seuten. 23on ben Grinne»
rung«flücfen an bie heitere Sugenb begfeitete fte bte gemalte
.ipulbigung be« ci-devant ©tubenten £offmann, ber jefct eben
burd; ben fefben Ärteg fein 93rot werteren hatte unb ohne
93eruf unb gamifie in 23erfin irrfid;tefirte.
6 . ®t Satte fidj, nadp Wartung, jttet Sabre »or $offmann (int ßöfnterfemefter
1789/90) al« stud. jur. in ßänigsSerg immatxiculiren Mett.
[ 317 ]
303
Sftadjbem <£f;artotte SKeimann etwa jwei 3ahrie!)nte rang
ba« ©rot ber gretnbe gegeben hatte unb au« einer j}wan 5 igeritt
eine ©ierjigerin geworben war, erlieft fte eine« Sage«, SKitte
ber jwanjiger Safjre, »on ihrer Sugenbfreunbin unb 2eiben«*
genofitn Ehartotte ©oelfd) bie Stufforberung, nadj Sttogehnen
3 U jiehn unb mit if;r unb bem ©etter ßriting ben S^eft
ihrer Sage ju »erleben.
Ehorlotte Jeimann folgte ber Einfabung unb jog auf«
2anb, ber gemärte ©erehrer »on 1794 mit if;r, beffen Ur*
bilb norm #ariifd)en Sf;or unter £iijig« Senfjlein rag. ©eit*
bem rebten bie brei »erarmten König«berger jufammen, eine
tröflerlid^e ©infteblertrta«, faft feinblid) ftdj abfddtejjenb oon
ber gefammten STufjenwctt. ©ie jehrten »on ben Erinnerungen
an bie gute arte geit »or 1806/07: bie beiben feingebitbeten
arten Jungfern badeten feufeenb an bie ruftige ©efedigEeit
unb ba« angeregte geiftige 2eben be« arten £önig«berg jurürf,
bet arte Sunggefed an bie frühere ©füthe ber 2anbwirtl;fd>aft
»or Einführung ber großen Reformen, bie — ben anberen
genügt hatten.
3n ber Shat hotte er für feine *Perfon ©runb, mit ben
©erhäftniffen unjufrieben ju fein: et »ermodjte ba« @ut nidjt
ju hotten. E« Eam unter ©equefler unb würbe 1829 oon
2 ubwig Äüt;n erworben, ber in ÄBnig«berg unb ©onn
tPhifofophic unb Eameratia ftubirt, ftd) bann theoretifd) unb
praftifd) für bie 2anbwirthfd)aft »orbereitet hotte unb jefct
bie jüngfte Sodjter be« £errn »on ©d;ön auf ©rumberg
(©ruber« be« Dberprüfibenten unb betannten ©taat«mann«)
heimführte. Äriting bebang fid; jebodj auf 2eben«$eit freie
©Johnung im Sttogehner Jpaufe au« unb houjte bort foju*
fagen ar« SUtentheifer mit ben beiben alten SOtübdjen. E«
gelang ihm, ar« im .Kriege »erarmter ©ut«befttjer oon ber
Regierung eine Unterflühung $u erhärten; er gab biefe
weiter an feine Eouftne Eharfotte ©oeffd;, bie thatfräftigfte
304 [318]
non ben Sreien, bie bafür alle mit Äoft unb Äfeibung oer*
forgte.
Sie einzige Perfon, bie intimeren SinblicE in biefeg
©tillleben eruiert, mar eine 9lid)te ber Gljarlotte Poelfd),
2lnge(ica 23oeffd;6). ©ie Eam jebeg 3M&r auf längere
geit ju Söefud) unb mürbe fdfltefifid) »on ben beiben alten
Samen mie eine Sodjter angefefjn. Gg gelang ihr fogar,
non Gharlotte Jeimann bag Jpoffmannfdje 93ilb gefdjenEt
ju erhalten, beffen Sntftehung unb 93ebeutung i1)r oft ge*
fdjilbert morben mar.
3m übrigen »erEehrten bie Srei fafl nur mit ben
neuen 23e(Tljern beg ©uteg, ingbefonbere aud) mit bem 1831
geborenen ©of;ne Sllfreb Äül;n, ber bie beiben alten
„Semoifellen" häufig gefprodjen l;at unb fid; für bie ©laub»
mürbigfeit ihrer ©eridjte mie ber ihrer Pflegetochter 2lngelica
berbürgt.
.ftriting flarb 1851, feine Soufine Gharlotte Sßoelfdj
1858: Gharlotte Steimann blieb, im 78. 2ebengjahre, allein
jutücf. Ser ipaugljalt, ber länger atg ein SRenfdjenalter
auch ihrige gemefen, mürbe aufgelöft; bag ©hepaar Äühn
nahm bag alte $D?äbd)en ju ftd> unb verpflegte eg big an
feinen £ob. 93ig jufeht hotte Sharlotte ein liebengmürbigeg,
fehr geminnenbeg SSJefen unb lebhafte* 3ntereffe für Eünfl*
lerifdje unb mtfjenfdjaftlidje Singe, menn fie ftd; aud) megen
junehmenber ©djrcerhörigfeit t>on Unterhaltungen jurücEjog.
©te flarb brei 3al;re nad) ipoffmanng SEBittme, am 7. ftebruar
1862, ju S^ogehnen unb mürbe, mie bie beiben ihr »orauf*
gegangenen 2ebenggefährten, auf bem bortigen Äirdjhofe
6. gljr SBater toar bet einjige ©ofjn beg oben genannten Dr. Soelfä, ©atl
$eintidj S8oeIfc§- Sieferwat, ncfä Wartung, im SBinter&atbjabr 1801/02
at« «tad. jur. in ßBnigSbetg intmatttculirt roorben; er tonnte jtoar noch
bag ©tubium beenben unb bte etften beiben ©jatnina ablegen, ntujste bann
aber als Dteferenbar ben ©tenft aufgeben unb fällig ffä in bet golge als ©om«
miffionär in feinet SBaterftabf burd). Kngetica toar feine ättefte Softer.
[ 319 ] 305
beerbet. ©aß ©rabfreuj, baß baß ®(;epaai; Äüf;n tl;r fe^en
lief’/ jdgt bic »on unß angegebenen Sebenßbaten.
*
©rd 3al;te barauf »etHeß aud) baß GT;epaar S?ül)n
«Kogehnen unb gog nad) Äöntgßberg.
2(ngefica ©oe(fd) »erEaufte in ben 80er 3aT;ren baß 93ifb,
baß bom 3a^n ber gdt fdjort einigermaßen mitgenommen
mar, an eine SRidjte ber grau Äüljn, grau 3 o 1; a n n a
gernom geb. non ©djöti auf ÄugfacEen CPoflftation Sap*
faden) im greife SEBef;fau. 93or ber Uebergabe bictirte fte
ihrer SRidjte unb ^Pflegetochter Gftfe 23oeffd), bie früher
fd)on mef;rfad) bie ©efd)td)te beß SBifbeß auß ihrem 9Jlunbe
»ernommen hotte, ein Gertiftcat, auf bem bem ©inne nad)
baß fleht, maß mir eingangß über bie ©ntflehung beß Sifbeß
berichtet haben 7 , grau gernom ließ baß 93ifb forgfäftig
(aber ohne Uebermafung) mieber in ©tanb fefjen, einrahmen
unb baß Gertificat auf bie Stütffeite bet ©djufjpappe Efeben.
— Singerica SBoelfd) ftarb 1891.
grau gernote gatte, tele eingangs bemerit, bie ©ilte, mir auf Ber»
anlaffung beS ©ettn ftiign 1904 bas Bilb ju fenben; idj gäbe eS bet Sllbert
grifdj nac§ Entfernung beS ©iafeS (Jgotograpgirert (affen. Seiber erlebt grau
gernote bas enblicge Etfdjeinen ber Bublication nidjt mehr: fte iftEnbe 1911
gefiorben.
7. Seiber bat Slngelica babei ben Siebter „SBitgelm ©off mann" genannt:
fte batte in einem Eon»erfatton8»Sej:icon ober einer SUeraturgefdjidjte ge»
(efen, bag er „Ernft Sgeobor SlmabeuS, eigentlich SBilgelm“ gebeigen
gäbe, unb gatte batauS gefcgloffen, bag bie brei juerft genannten Barnen
„eigentlich* falfcg feien. Slegnlidj toar fegon 1863 ©ippelS Biograph Bach
»erfahren, ber eS beffer hätte teigen fbnnen; er tgeitt ©. 47 eine ©teile aus
bem Sagebucge feines ©eiben mit, in ber itgenbein 2811 g e I nt apoftropgirt
toirb, unb maegt baju bie Bote: „ES ift gier offenbar ©offmann gemeint,
ber, teie bemerlt, eigentlich SBilgelm unb niegt SlmabeuS gieg." gn
bem felben Sinne fdjrleb mir 1904 eine Btcgte ber grau gernote bei Ueber»
fenbung beS BiibeS: „®ie Barnen Sgeobot SlmabeuS gat fieg ©offmann erft
als ©{griftftedet geigelegt, fein eigentlicher Baute ift SB Ufte Im, tote gfmtn
fteger beiannt ift." Slngeüca Boelfcg ftegt alfo nitgt allein mit biefem Btig»
»erftänbnig.
[XLV]
307
2(bri£ üon £ippel£ äußerem geben.
©orbemertung.
©Sit feiert borau«, ba& her liefet bte toiehttgften <Er=
lebniffe ©offmannS lemtt ober hoch bie Slöglichleit bat. ftch au« itgenb einem
Machfchlagewerle (GonberfationMeiicon, allgemeiner Seutfchet Biografie, Site»
raturgefchichte) batiiber ju informiren, fowelt bie bon ©ibbel gegebenen SRach«
richten nicht auSreidjen.
ÄBetiiger leiibt ijl eS, ftch fdjneU Aber befHmmte jjacten au« Ribbelt
©eben ju orientiren, alfo 4 . SB. fofort feftjUfteHen, warum ©offmann 1796 auf
bet Smrdjrcife ©ibbel nicht in Sßatientoerbet traf ober unter Welchen ©erhält«
niffen bie greunbe ftd) 1813 in StcSben unb bann 1814 in Seibiig trafen;
ober, um gleich bon ben erften ©riefen ©offmannS ju fbtcäjen, wie lange bie
greunbe nodb burch ©oten correfbonbirten (unb bie ©riefe mit Sefudjen
alternirten) unb Don mann an fte auf ben gernberleljr burch bie ©oft an»
gemiefen waren. Sa« in bet Einleitung bereit« befbrochene gemeinfame ©Serl
bon ©ibbel« Enleln a^cobor ©ach unb Starl bon ©djleinifc ift Sufterft uniiber*
fichtlich 1 , unb bet artilel in her HEg. Sö. ©togr. bringt an bofttiben Ihat»
fachen unb Säten fo gut wie garnidjt«. ©Sir flijjtren beshalb in Et»
gänjung (nicht: ©Sieberholung) ber bem SRegifter beigegebenen ©tammtafet
©. 855 nach ben bort (©. 353) genannten ©Serien unb nach Schlichtegroll«
1. Unter ber ileberfdjrtft ‘©ibbet al« fRegietung«btäftbent in SRarienWerber unb
Obbein’ bringt ©ach im 9. Gabitel in fortlaufenbem ®rud junächft brel
lange ©arifer Eingaben ©ibbel« an ©arbenberg au« bem SDiai 1814
(6. 234—244), bann einen längeren HuSjug au« einer Senffdjrift au«
ÜRarienWetbet bon Enbe 1819 (®. 246—248); barauf fthitbert er
©ibbel« ZBieberfehn mit ©offmann tn Seibjig 1814 (S. 249), unb ba»
nach bringt er gar bie beiben Stüde au« ©offmann« Gortefponbenj bon
1808 (®. 250 f)l Huch ba« gnhaltSberieiehnift gießt für biefe Seite nur
bie ettirte Eabitelüberfchrift, unb ein SRamenregifter ejiftirt nicht. — Ein
ähnliche« Surcfjeinanber herrfcht fdjon borher in ben ©eiten 37—45; ber
Sob be« Oheim« unb ba« barauf folgenbe ©Sieberfehn ber beiben jungen
gteunbe in Äönig«berg witb bon bem hülflofen Eombilator 4Wei 2Rat aus«
führlidh berichtet (89/40 tmb bann wieber 45 unten + 47 unten)!
308
[XL VI]
unb unfereS £ippel a SSiograpijie beS älteren Rippet (f. 6. 321) bie äufjete
ffieftaltung bon $ippe£3 Beben. 23ir herüdfichttgen aber nur bie SBet»
hältniffe $ippel8, bie birect ober inbirect für £ off man n mictjtfg getoorben
flnb ; bie 21 Testen SebenSjahte tftppels, nach bent Sobe beS greunbeS, »erben
alfo nur ftüd^tig ermähnt, unb gänzlich abgefeljen mirb bon bent, maS für eine
felbfiänbige Siograbhie $ippels raoljt ba8 äBichtigfte märe, nämlich bon einer
äBürbigung feiner Seiftungen als unabhängiger gjoütifer bis 1811 , als 9Kit=
arbeitet ©arbenbergs 1811—1814 unb als StegierungSpräftbent 1814—1837.
Eagegen tönnen tbir eS un8 nicht berfagen, in unferer Earfteüung ben tiefen
inneren ©egenfafc jtollen Rippet unb feinem Dheirn aufzuzeigen. Eiefer
herrfchgetoobnte SOlann, ber in fetnen Staunten ftch “18 ben ©tünber eines
mächtigen ©efdftechteS fah, tooHte über feinen Eob hinaus ben »ruberSfohn
in eine Saufbahn jmingen, für bie biefer nicht gefdjaffen roar. ®r ermattete,
bah Eh ei) bot, einmal in ben Sattel gefegt, in feinem ©inne reiten »erbe;
bah er, erft einmal im SBeftfce ber ihm jugemanbten ÜJlittel, ben ©djöngetft
unb ©nthuftaften abftreifen unb fich als tühter SßraEtiler bemühten merbe, mie
eS griebridj ber ©rohe, ber bei - esprlt bon SühetnSberg, fedjS SBodhen bor
feiner, ©ippets, ©eburt getljan. ®S tarn umgelehrt. EaS SKojorat ermieB
ftch als golbene geffel für ben ffirben, unb biefem mihgtüdte auch bas, maS
ihm ohne biefen Smang bieüeidjt gelungen märe: bauernbe Eheilnahme an ber
Seitung ber ©taatsgefdjäfte. 28er bei biefem ©egenfafe auf ber ©eite beS
Weiteren fteht, ber mirb baS SJUglittgen bon beffen meitauSfchauenber gamilten»
politil als tragifch empfinben; mem bie gütige, offene, enthufiaftifche Strt beS
jüngeren lieber ift, bem mirb baS Scheitern aller ber ehrgeizigen $lüne beS
Säßen als tomifdj ober boch IjöchftenS als tragilomifch erfcheinen. SBit möchten
um nichts in ber 28elt bem Sefer in ber Seurtheilung borgreifen unb ber»
mähren uns im boraus bor ber Stuffaffung, bah mir im fotgenben irgenb
Sßartei ergriffen hätten. — Eie ohne ßufap citlrten Seiten» (unb Seilen»)
Sohlen beziehen ftch auf ben bortiegenben Eanb.
1. Sn Öfiprcufien 1775—1795.
a) 3m bäterüdjen tyfarrljaufe 1775 — 1787.
Sljeobor Jpippei mürbe in ©erbauen geboren ar$ ©ol)n
be$ ©iaconu* ©ottfjarb £ippei unb ber $eintiette
geb. ©logier.
1778 erlieft ©ott&arb £ippei bie Pfarre in 25men*
fl ein (l Weite bon ©djippenbeii, 9 Steilen bon Äönig^
berg), bie [nad; ©djneiber] 1680—1717 bon feinem ©rofj.
J. biefe cftirt ,S3togr. $ippelB“.
[XL VII] 309
batet ©eorg -Suppet 1 , 1717—1738 bon befien Reffen 93em
Jjarb Rippet »ermattet roorben roar. ©ottfyarb -Rippet darrte
tn btefer feiner erffen eigenen Pfarre jebod> nur biet 3af)re
au«. 3n biefet £5eit beriot et feine $rau, fc bafj bet Steine
üfyeobor mit 3 Saferen 4 Monaten »erwatffe. ©ottfearb gab
tfem batb eine zweite «Rutter, bie eine £odjter jur SEBctt
bradjte, mit bet Sfeeobor bi« an fein @nbe gute Äamerab*
fd)aft get)aften.
1782, in £feeobor« fiebentem 2eben«jafer, fiebette bie
nunmehr bietfbpftge gamitte nad) Ätein»©d)önau über,
ba«, etwa eine «Reite nörbtid) bon ^riebtanb gelegen, Äönig«*
berg fd)on näfeer liegt. 2(ud> feiet butbete e« ben unruhigen
«Pfarrer nidjt lange, unb er jog batb barauf nad) Sirnau,
etwa eine «Reite öftlid) bon Äönig«berg, um feier enblid)
einen il;n befriebigenben SBofenort ju ftnben.
Sn einem Sanbfeaufe ber ©egenb fernte 1786, in ^ticb=
rid)« be« ©roften &obe«jafer, ber jefenjäferige £feeobor Rippet
ben gteid)altrigen ©tnff Jpoffmamt Sennen (12).
l. ffit flammte toobl aus einer oftpreugifcben KaufmannSfantilie; menigftenS
War fein Stüber SOtartin, ber Sater beS gleich ju nennenben Sernljarb,
Kaufmann in Biaftenburg (Sdjneiber @. 11). Georgs unb äKartinS Cater
ift ber UeBerlieferung nach »litglieb beS SlatbeS ber genannten Kleinflabt
getoefen, toas jurn mtnbeften nid)t bagegen fbricfjt, bafs er im £>auf)tberuf
Kaufmann mar. — ©ine SerWanbtfcbaft mit gleichnamigen gamtlien tn
ber Saufifc unb in StanbenBurg ift im 18. gafjrfiunbert bebauet et aber nidbt
erwiefen worben; man ging babei bon ber jebem Genealogen als tbbifcb
unb faft unbernteiblidj Betannten (Sonftruction bon Bern „<Sturj eines
GiinftltngS* (gamiliengefcb. @. ll) aus — einer Kataftrobbe, für bie
nicht bie leifeften ^iftoxrtfthen SeWetfe in ber auger=$it>f)erfcben Literatur
ober gar in Sieten borliegen. SUS analoges gactum nenne ich ftatt aller
anberen nur ben galt Sßie&fche. ®« Urgrogbater beS ^bUofobhen mar
nach ber »fErabitton" als Sogn eines Grafen Stiebt) infßolen ge»
Boren; ber Hgne fotlte turj barauf burch reltgiöfe unb
SSirren Saterlanb unb Stanb berloren haben, unb man muffte bie gtudjt
ber gräflichen eitern mit bem Säugling anfchaulidj SU fchilbem. 2)et grofse
Slefititer unb Seutfihenfeinb legte nicht weniger SSertg auf biefe intereffante
SBIunft als ber ältere Rippet auf bie feintge. 3$ tonnte jeboch nicht um»
bin, in ber ‘ßulunft’ bom 28. SJlai 1898 aus einem inbtsereten Kirchen»
Buche mitjutheilen, bag Jener Urgrogbater bielmegr als Sogn eines StcciS»
SnfpectorS (Ebriftopb Bliegfche ju SBiBra in Sachfen geboren ift.
310 [XLVIIIl
©er öftere ©ruber beg ©afforg Rippet fügte in bem
fetben 3a^re feinen bigfjer erworbenen SEBürben jwei neue
f>inju. ©r fjatte »on £aufe aug ebenfaffg Geologie ffubirt,
war aber, nad)bem er atg ^augfeljrer bie groge ©Jett fennen
gelernt, Surift geworben. 3n ber Sfiat tyatte er eg bann
auf bem SEBege über bie Slboocatur mit 39 Sauren jum
birigirenben ©ürgermeiffer »on Äoniggberg mit bem £itet
„Ärieggrafl)" gebrad)t. 1786 gab ifjrn nun ber neue Äönig
bie ©röbicate „©eljeimer Ärieggratl)" unb „©tabtpräffbent"
auf bie ©ifftenfarte.
b) Stuf ber ©d;ute unb ber Uniberfität ju ßonigg*
berg; perfontid;er Umgang mit bem Df;eim unb mit
£offmann: 1787 — 1794.
21W ST;eobor £ippef bag elfte 2ebengjal)r bottenbet Ijatte,
befcf>rog ber ©ater, ber ifjn big balffn felbft unterrid)tet ijatte
(12), iijn nadi Ä&niggberg auf bie ©d)uie ju geben, ©r
empfabr ben Änaben bem ©d)u$e unb ber 2Iufffd)t feineg
©ruberg, beg ©efjetmratfjg. 3n ber £I)at naljm ber unner«
ijeiratljete «Wann (Id) beg unbemittelten Steffen, ber nad) tym
benannt war, »erwanbtfd)aftfid) an: er fiefj iljn jwar nid)t
bei ffd) wohnen, gewährte itjm aber jwei big brei SJtar in
ber 2Bod;e einen Sreitifd) [©t'ogr. ^Jippelg IX unten].
2Ifg ©d)ure für feinen ©of>n fjatte ber ^afior Rippet
bie ©urgfd)ufe beg SRectotg SBannowgfi gewöfjtt. Sljeobor
traf bort ©rnff .fcoffmann wieber unb erneuerte bie Jreunb*
fd;aft mit iijm. ©ie erffen jwei 3af>re befd)ränfte ffd) ber
©erfebr auf ben Umgang in ber ©d)ure (14), erff gegen
Anfang 1789 fanb Sljeobor Rippet ©inlag (10 unten. 14 unten.
16 unten) in bag Jpaug ber ©onfffforialrötljin ©oerffer, bei
ber ber ©d)utfamerab, in nöd)ffer Stälje beg ©efjeimratfjg
•Kipper (325!), wohnte, ©ie gern ein famen ©efd)öftigungen
t'n £aug unb ©arten ber Sonfffforiafrätljin, bei benen
[XLIX] 311
bet fleißige unb befdjetbene ©orfpaflotSfopn bet banfbar
empfangenbe ®afl war, pat £ippe! ©. 15 unb 16 föfllid)
gefdfllbert.
Slnfang be$ nädjflen 3api** erlieft Speobot £ippef
in ber ©cpufe einen ©ipplap in 4)offmann$ 9täpe (16 unten),
unb beibe Änaben waren nun tollenb$ unjertrennlicp.
3n ber felben gleit flef bem braten Speobor eine ©tanbeS*
erpöpung in ben ©d)oß, an bie wenige 3apre jutor nod)
niemanb gebadet pätte. ©er DnBel ®epeimratp, ber in ber
Speorie mit Sftouffeaufd^n 3beaien coquettirte, ber über feine
Spür fcprieb
2Ißein unb im £f einen,
SPiepr fepn af$ fdjcinen l
ber nod) 1786 fld) über ben 2lbel unb befonber$ über ®rieb*
rid) 2Bilpelm$ japlteicpe Ptobilitirungen „mit bitterer Saune"
geäußert patte (©cplidjtegroß 333/34) — biefet intereffante
sjJtann war in praxi nidjt entfernt jufrieben bamit, ber erfle
Bürger Königsbergs geworben ju fein: als Sßorbebingung ju
größeren fielen für fld) unb feine @rben erflrebte er junädjfl
ben 3lber, unb jwar, ba er felbfl unterepelid)t war, gfeid)
für alle ipm befannten SBerwanbten. 2lud) biefer nicpt ge*
wöpntüpe SOBunfd) ging ipm nacp jäper Slrbeit auf nid)t
gewöpnrUpem SBege in Erfüllung: Kaifer 3ofepp II. unter*
fcprieb am 3. Sanuar 1790, fleben 2Bod)en tor feinem Sobe,
in 2Bien einen SlbelSbrief für aHeS, waS ton jenem SRaflen*
bürget PtatpSperrn abflammte, unb fo fapen fld) ptöptid)
ber brate Sanbpaflor in Slrnau, fein ©opn, ber Primaner
in Königsberg, unb eine ganje Slnjapf entferntere Skrwanbte
atS SJiitgfieber beS 5Römifd)en SfteicpSabelS, obgleid) fle gar*
nid)t jum SRömifdpen jfteidje felber gepörten. ©er
©outerain ton Preußen, ftriebricp SEBifpelnt 11., beflätigte
nad) längerem gögern biefe SGBiener 9Jtaffen*9lobiHtiruttg am
6. fllotember be$ felben SapreS, nad)bem Nippel fld) ton
312
[L]
geföfftaen Seuten in Äönißöberß I>attc befd>einißen Taffen,
bag ein »orfa&r »on if;m fd>on im riergebnten 3a^t--
tyunbert ein abfigeg SÖBappen geführt tyabe, bie gamifie fo*
mit bem Utabet anßefjöre®.
£fyeobor, ber bem ftreunbe @rn(l non oorn herein in ber
©djufe boranßewefen (13 oben), Fonnte biefe fd)on Öflern
1791, alfo mit 15 1 /* Sauren, »erfaffen. @r fiubtrte unter
ber ftrenßen Stufffd)t be« Oljeim« (I8 u f), bei bem er nun
täßfid) au«* unb einging [93iogr. Rippet* X oben]; im
■£>erbft 1794 beflanb er ba« 3IufcuItator*G?;tamen.
£offmann begoß „erjl" mit 16 V* 3faDren, gu Dffern 1792,
bie Umoerfltät unb fegte bem entfpred;enb erfl im ©ommer
1795 bie erffe juriffifd)e «Prüfunß ab (23 unten).
23on ber geit be« »ertrauten perfönlid;en Umganß«
beiber ftveunbe in ben oberen ©d)u(cfaffen unb auf
ber Unioerfität, Sinfanß 1789 bi« £erbft 1794, Ijanbert
ber flr&fjere Ztyeil oon Rippet« ©rinnerunßen an
s? off mann (bi« 19 21 ). »riefe werben bie greunbe in
biefer geit faum ßemed;fert tyaben; jebenfaff« ffnb un« Feine
beEannt.
c) 355ieber beim »ater in 2(rnau 1794/95.
fftunnteljr trennten (Id) aber tljre 2eben«weße, um nie
metjr bauernb gufammengutreffen, j3unäd)(l oerbrad)te ber
junße Kipper brei »ierterjal;re beim »ater in Sirnau,
»fil)tenb £offmann |td) feinerfeit« gum Siufcurtator^pamen
porbereitete. Die greunbe befugten (Id) öfter«, in«befonbere
fu^r Rippet nid)t fetten in bie ©tabt; man ft!) (Id) aber
in ber 9teße! nur auf ©tunben (64 oben) unb aud) bann
2 . Mud) ber neuefte ^ippelfc§e gamilienfjiftoriograplj beginnt feilten „®ef(I)td)t=
Itdben Uebetblid" mit bem flüchten aber monumentalen Safce:
®ie gamitie gehört bem Urabet ber Oberlaufs an.
3>ie btebaction ber ®otljaifcijett ©enealogifdjen Safcfjenbitcijer Ijat afferbingS
biefer »eljauptung nid^t äugeftimmt. — gut Sache ogl. @. XLYII gtote.
313
[LI]
nid;t immer ungeflbrt (56 Witte). Defio eifriger mürbe
jetjt pon beiben ©eiten eine ©orrefponbenj gepflegt, pon
ber unS Rippet einige groben mittheilt: unfereSKm. 1—11,
bie er im einjelnen unb aufjerbem in einer jufammen*
faffenben Darfteflung (19 22 —23 22 ) commentirt. 23on
£ippers eigenen jahfreidjen Briefen auS biefer SIrnauet
geit ift jufammenfafienb bie SJtebe 43 13 _ 10 r. u. unb nament*
tid^ nad;trägiid) an ben Pier rüljrenben ©teilen 139 oben,
155 Witte, 161 Witte unb 185 Witte, bie mir fogleid)
nad)jutefen bitten.
2. Sn SBejtyreufjen 1795—1810,
a) 3m 93orbereitungSbienft ju Warienmerber
1795 — 1797.
3unt 1795 perriej? Rippet für immer bie oftpreu(jifd)e
£eimath unb trat ben SßorbereitungSbienfl an atS Slufcuf*
tator an ber Regierung ju Warienmerber. (£offmann
beftanb, mie fd;on angebeutet, im fofgenben Wonat baS
2iufcuttator>@pamen unb trat im £erbft ben Dienft an ber
Ä&nigSberger Regierung an. — @$ mirb unfern Sefern
befannt fein, baf? „Regierung" bis 1808 ber 9tame für bie
Dbergerid)te in ben ^rDPin^en, bie fpäteren DberfanbeS*
geridjte, mar.)
3m Februar 1796 beftanb Rippet baS 9teferenbar*@j:amen
(104) unb mürbe alSbalb beauftragt, anfäfjfid) ber britten
unb testen Steilung tyotenS bemnädjft afS fonigfid)er Som*
miffar einen S^eit beS bisherigen SSiatpjlofer Departements
für ftriebrid) Wilhelm II. in SSefl^ iu nehmen. @r fünbigt
biefe Steife nad) „fReupreujjen" tm Wärj jmeimal £offmann
an (pgf. bie Anfänge ber 9trn. 19 unb 20).
@hc eS jebod) baju fam, ©nbe Slpril, mar ber Dntei
©ef;eimrath burd) einen porjeitigen Sob aus feinen ehr*
314 [UI]
öligen «prönen f>erau«gerifTen worben. Sbeotwr n>ar auf
bem «Papier be« Seflament« [f. $am.=®efd)J jum ltniberfal*
erben eingefefct; ba« bebeutenbe «Bermögen fotlte jebod) bi«
©nbe 1805 in ber 23erwa(tung ber !£eflamettt«boßftrecfer
betbfeiben unb ber ©rbe bi« bafjin (ebigrid; ein drittel
ber jJtnfen au«geia(>rt erwarten, fctyeobot tarn jur 23e--
erbigung nad) &&nig«berg, war jebod) nid)t in ©timmung,
auf £offmann« funflfertfdje llnterljartung einjugel;n (107
bi« 110. 112 oben).
SBont 30. SJiai bi« jum 24. 3uni war #ippe( bann jener
l/iflorifdjen «SRiffion wegen bon «ÜRarienwerber abwefenb.
#offmann, ber in biefer ?eit bie „«Regierung" $u Äönig«»
berg mit ber ju ©(ogau oertaufdjte, fanb a(fo auf ber
©utdjreife burd) SRarienwerber ben greunb bort nid;t bor
(112—119; im (Jebruar unb SfRärj bie »ergeblidje ©orfreube
barauf: 98. 105).
2)ie jweite £ä(fte be« Sanuar 1797 über (bom 16. bi«
$um 28.) war Jpippef in Äönig«berg unb Strnau (132/34.
139/40).
SBon ben ©riefen, bieJpippef in biefer §eit bon Jpoffs
mann er friert, j)at er 16 mitget^eift (unferc «ftrn. 12—27).
b) Sanbwtrtf» unb «Potitifer 1797—1810.
@nbe Februar 1797 (egten bie £eflament«boßflrecfer be«
©el/eimen «Ratye« bon £ippe( auftraggemäg ba« bon biefem
f>interraffene @apita( in einem bebeutenben ftibeicommifj an,
ba« für «Ke feiten ben ©(ans berer bon £tppe( fid;erfte«en
foßte. ©ie erwarben ju bem Swecte [nad; ber $am.*@efd).]
bom ©rafen Otto ©ietrid; Äepferling unb befien ©attin
bie au«gebe(;nte £errfd)aft Seiflenau im Äreife ©raubenj,
bie au« ben «Rittergütern unb ©Brfern ©rofj» unb Äfein*
Seiflenau, £arr«l)of, Äowaßef, Sl/pmau, @ottfd)a(f unb jal/r*
reichen 9leben=£>rtfd)aften beflanb, bon Slnfang an jebod)
315
[LUIJ
erljebtid) berfd)ulbet war. ipoffmann gratufirt am 15. «Wärg
(141) gu biefetn ©reignifj, burd) ba$ Rippet« Seben enbgültig
berpfufd;t worben ift.
31m fefbett Sage erfßrte ber 2ijäT>rtge neugebaefene
«Wajoraßperr feinem «Präftbenten, bem $reiT;errn ßart ton
©djroetter (223 13 !), feine ©egenwart auf ben ©ütern fei
notfywenbig, er wolle affo feinen 2Ibfd;ieb nehmen [93ad) 53,
nad) #ippeß Sagebud)]. üingeblid) beranfafite ber «PräfTbent
il)n, baoon abgufeftn; tl;atfäd)fid) gog (Td) Rippet aber auf$
2anb gurüd [93ad) 58 oben], ©tatt be$ 3lbfd)iebe$ fyatte er
affo wof;f einen Urlaub auf unbefd)ränFte geit genommen.
3m 2Iprtf ftfeft er um bie ipanb ber längft geliebten
3eannette non ©rufgcgpnfEa 1 an unb erhielt fte mit ftreuben.
S>ie £od)geit fanb aWerbing* erft ein 3aT)r fpäter ftatt,
nadjbem bie jugenbfid)e ©raut wenigftenS ba$ 15. 2eben$--
jaljr bofienbet fyatte.
glatte Rippet ftd> aud) auö bem ©taaßbienfte factifd)
gurüdfgegogen, fo war er bod) für bie weflpreufjifdje Witter*
fd)aft (b. I). bie ©efammtljeit ber abrigen ©ußbefityer)
mannigfad) tpätig: im 3uni 1798 war er aß ©eputirter
ber Witterfdjaft mit ber ifjrn eben angetraufen $rau in
.Königsberg gur £ulbigung bor bem jungen KBnigSpaar
griebrid) SBityetm III. unb Suife (©. 162 «Witte!); 1799
würbe er Sanbratf; be$ «Widdau 1 fdjen KreifeS unb Kreß«
3ufligratf) be$ «Wartenwerberfdjen KreifeS (beibeS audj mefjr
ober weniger ftänbifdje Siemter). Kurg, e$ fap au$, aß
wolle ber £etr bon Rippet ein edjtcr unb redjter Sanbjunfer
werben unb aß fofdjer fein 2eben befdjtießen.
1. ®8 fdjetnt, ba§ fäjon im 2Rai 1796 ton i[)r bie Siebe ift (107). ©ad) ent*
bedt in ®ippeI8 Sagefiud) bie erften «Stuten unterm Sult 1796 [@. 52 oben
feiner Compilation], geannetten« ©rüber nahmen übrigen« im 19 . gabt*
bunbert ben beutfd}en 8tamen 81 ofenberg an, ben bie gamilie angeblich
in einem früheren gabrtaufenb föon einmal geführt hotte. 3Kan fiept,
§tppel mar nicht ber einige, ber feine gamiiiengefdjicbte hoch hinauf führte.
316 [LIV]
#offmann fah feinen früher fo rebf;aften, großäugigen
unb mannigfad) intereffirten ftreunb in ber offenbaren @e*
fahr be$ 23etbauern$. @r rief ihm Anfang 1799 au, e$ fei
bod) unbenfbar, baß Rippet auf bie Dauer in feiner jefjigen
©yiftena ©enuge ftnbe (174 SD litte). 3n ber £l)at entfdjfoß
Rippet ftd) einige SDtonate barauf, für affe $äffe wenigjlenS
ba$ 3iffeffors@pamen abaufegen, aur größten ©enugtfjuung
£offmann$, ber gfeid)faffS »or biefer festen Prüfung flanb
(175 f, befonberä 176 oben).
3m 5rüf;jaT;r 1800 beftanben beibe tn 23erfin if;re
©yamina (26) unb fuhren aufammen nad) ipofen, wo 43off*
mann fein 2fmt antrat, waf;renb dptppef weiter norbwärtS
reifte. Rippet fdjeint (genaueres barüber l)at 23ad) ntd)t
ermittert) bie nädjjten 3«!;« übet a^ar feine ©uter im
Qfuge begatten, aber bod) in SDtarienwerber gewohnt unb af$
unbefofbeter Qfffejfor an ber bortigen ÄriegS» unb ©omainen=
Äamtner gearbeitet au haben.
3m 3ahte 1804 jebodj, in bem £offmann mit neuem
sjJtuth oon ijifocE nad; S35arfd;au ging, fd)eint Rippet alte
2femter niebergefegt a« haben. ©r berfudjte nunmehr
awei 3ahre fang ernftlid), ben il;m bom Jpimmef gefaffenen
©utercompfey rentabef au mad)en. SIber e$ woffte if;m nid)t
gfücfen. @r gfid) gana unb gar nid)t feinem reafpofitifdjen
Oheim, bem eifernen seif made man, ber e$ bom armen
©anbibaten ber !£hei>togie unb £au$fehrer aum reichen ©tann
— aum erften 93ürger ÄönigSbergS — aum ©eheimratf) —
aum ©befmann gebracht hatte unb e$ bei längerem Seben
ohne §weifef nod) weiter gebrad)t hätte*. ©em ©rben fehlte
bie gfüdtfid;e £anb, bie ohne 93ebenfen fdjneff jufaßte unb
bann behieft wa$ ffe hatte, ©ewiß war ber äftere Jpippef
2. „felbft bie päjften Stellen in feinem SBaterianbe (dienen ihm nun er*
reizbar unb regten feinen ÜBunfcfj" (SdjlidjtegroH 315); ein längere« Seben
hätte nadj bet Meinung beS Keffen „feinen Kamen ber @efdji(Pe überliefert,
unb toohl nitfjt BCoS ber Siteraturgefdjidjte" (Siogr. $ipe» 218 f).
317
[LV]
[wie ©djneiber in ber ‘ilUtpreugifdjen gttonatlfd)rift’ XLVII
535/69 fd)ön gezeigt I)at] ein au$gezeid;neter »ürger*
meiner gewefen unb feine »erwaftung ein reidjer ©egen für
Königsberg: bal fofl fo wenig beflritten werben, wie ba|j
nnd; itytn »onaparte eir. ausgezeichneter ©efe^geber gewefen
ift. 2lber in erfler 2inie f;aben biefe au(jerorbentfid>en
SWänner bod) für ftd> unb für ifjre joI;freid;en »erwanbten
geforgt; unb ftc fonnten nidjtö bafür, wenn biefe »erwanbten
bem ^)errengfücf, baS if;nen jugebad;t war, nid)t gewadjfen
waren. Unfer Rippet badjte im ©egenfa^e ju bem eigent»
rid)en ©rünber bei £aufeS z«näd)ft an bie Stnbern, bie
©efammtf;eit unb bann an (Id) unb feine gamilie. „Sag
man aber bei fofdjen ©effnnungen ein SBettfev ober zeitig
aft ju werben pflegt, ift natürlid/' fd;reibt er fdjon Anfang
1810 [93ad) 260].
1806 fiefj er in ber £$af „afle feine forgfättig angelegten
©ütermefiorationSpfäne" [93ad) 85] fahren unb gab jTdj gänz*
(id) ben politifdjen 2TngefegenI;eiten t'in — bie freilich biSweiren
ben Sanbfeuten red;t naT;e auf ben Seib rücften. Sie @d)Uf*
ben, bie auf ben ©ütern faftcten, wud)fen inS ungemeffene.
2iuf biefe Seit feit bei* erzwungenen »egfürfung mit ber
unüberfel;baren SD?ajorat$f>errfd)aft beziehen ftdj in ben @r*
innerungen bie ©eiten 24 unten bis 29 oben, bie bon hier
SufammenEünften ber ftreunbe beridjten: im 9Jtai 1797 auf
einige Minuten (25), im Frühjahr 1800 bie bereit! erwähnte
auf zwei SDfonate (26 oben), im ©pät^erbfl 1801 auf einige
Sage (26 unten) unb ebenfo im Februar 1804 (27 unten).
2iuS biefer Seit Eennen wir ferner 30 »riefe #offmannS an
Nippel, unfere 9trn. 28—57. SSJir beruhen, warum ber biel
beneibete Satifunbienbeft^er (ben aud) ©rifebad; ©. XXXIV
für einen „fefjr bermögenben" SOfann Ijäft) bem greunbe
1803/04 unb 1807/08 nid)t fdjnefler unb burdjgreifenber zu
helfen bermod)te.
318 [LVI]
9J?it @nbe 1808 oerffummt bet 93tiefwed)fel öuf fed)|te*
halb 3a^re. .^offmann fud)te (Td; in Samberg af$ ©efang*
leerer burdjäufdjfagen, Nippel übernahm 1809 ba$ 2Imt be$
SirectorS ber SJlarienwerberfdjen Sanbfdjaft (b. Ij. be$
@rebit»erein$ ber Seltner abtiger ©üter) [Sad> 123 oben],
©eit Anfang 1810 bemühte er (td; aufierbem um ein
bejahtes ©taatöamt, ba er auf anberem SBege feine gamilie
— grau unb fedjg Äinber — nidjt mehr ernähren fonnte.
Soriäuffg Ratten feine SOBünfdje jebod) fo wenig ©rforg wie
in ber fefben 3eit -fcoffmannö SBunfd), Äapeßmeifler bei
3ofeptj ©econba $u werben (f. II 73 f).
3. Safjre »ortragenber SRatf) bet
£arbenberg: (Sttbe 1811 bis SÄitte 1814»
3anuar 1811 würbe Rippet ju einet ©tänbeuerfamm*
fung nad> 93erlin gerufen, ©ein SEBunfd) nach einer ftaat*
lidjen 2In|Mung würbe „mit Rücfftdjt auf feine burd) ben
jtrieg beoafiirten ©üter unb bie baburd) contrabitten
©d)ulben", wie ei auögebrücft würbe (93ad> 139), bringenber.
51m tiebflen wäre er bei ber "Regierung (ber früheren Kammer)
in SÄarienwerber at$ SMrector ober Ratfj eingetreten;
flatt bcflfen würbe er jebodj unterm 10. ©ecember af$ »or«
tragenber Ratb bei £arbenberg tnft 3000 Ratern
©ebalt angefieflt. Jparbenberg hatte ba$ beim Äönige be*
antragt — einerfeitl natürlidj im Vertrauen auf Jpippelö
gäl;ig!eiten, „befonberS" aber audj wegen helfen „perfön*
licken ©eflnnungen" gegen ihn, ben ©taaWfanjter felbfl. 3m
ffetnen entfpridjt alfo £ippef$ Sebenögang bii I;ierl;er bem
93i$marcf$: beibe jfnb oerfdjulbete SanbjunEer, bie in ber
Sfugenb 3urtflen gewefen |Inb, barauf jahrelang ihre ©üter
bewirtbfdjaftet hoben unb fd)Iicßfid> halb jufälltg burd) eine
[LVII] 319
©tänbeoerfammtung in 93ertin mieber in bcn ©taatbbienft
bineinEommen.
Rippet erlieft ben Sitet „©taatbratb". ©ein 2BirEung$-'
Erei$ mürbe 1812 genauer abgegrenjt; er umfaßte einen SbeÜ
ber Sinanjfadjen (befonbet* bie SBermaftung ber ©omainen
unb $orjlen), Sfogetegenbeiten ber ©emerbepotijei unb
Sanbebcuttur, ftänbifdje ©ad)en unb namenttid) atte*
?Wititärifd)e, ma* im 93ureau be$ ©taatSEanjter* ju
bearbeiten mar; Ripper bebanbette biefe ©inge in »Bttiger
Uebereinftimmung mit ben (ätteren) miiitärifd)en ftütyrern,
©d)arnborft unb ©neifenau.
©nbe gebruar 1813 folgte Rippet mit Rarbenberg bem
Äönige nad) 93r ei tau. «Witte «Wärj mürbe bort bei
Rothenberg über bie ftorrn ber itriegSertfärung beraten.
Rippet empfabt eine Sltnrebe an ba$ SBotE; ©neifenau unb
nad) ibm bie übrigen 3tnmefenben flimmten bei. 2lm n5d)ften
Sage unterbreitete Rippet feinen ©ntmurf einer fotdjen 5ln*
fpradje; Rarbenberg flidte einige* b*nein, unb tcr ßj) n jg u& ers
febrieb ba$ ©anje am 17. „5tn mein 93otE".
3m 5tprit begab Rippet ftd) mit Rarbenberg nad)
©rebben unb traf bort jufättig Roffmann (29. 239), mit
bem er 1800 ebenba fd)Bnere Sage oertebt batte. 93or bem
beranbringenben Wapofeon mid)en bie Seiter Preußen* aber
Anfang «Wai mieber jurürf nad) ©d)te(7en.
SÖ55brenb be* 2Baf fen (Hlffianb*, ber für 3uni unb
3ufi gefd)toffen mar, übeematf fid) Rippet mit bem
©taatbEanjter 1 unb befd)toß, bie ©efd)äfte nur noch fo
fange meiterjufüf)ren, mie e$ im bringenben 3«terefie be*
©ienfie* tag.
3tn Sluguft begleitete er Rarbenberg nad) 93öbmen,
Eebrte jebod) «Witte Dctober oon bort mit ibnt nad) ©ad)fen
1. ®a8 SctwitrfniB batte natb »atfjs getjeimnigBotier Berfidjening (@. 833
feine» »n^e», »tote) »rein fubjectioe unb moratifdje ©tiinbe".
320 [ LVIII 1
jurütf. 2fm 21. würbe ba« ©cbfad)tfefb bei Seipgig befud)t,
am 28. unb 31. waren bie Jperren bei ©oethe, ber „fef)r »iet
uttb fdjön" fprad). ©ann ging e« oftwärt«. Som 7. Ko*
»ember bi« gum 19. ©ecember, affo fed)« 2Bod)en fang, »er*
meiite man in Sranffurt; ^offmann fragte unterbe« »er*
geblid) Jpi$ig, „wo ftd) jegt ber ©taat«ratl) »on Rippet, ber
im 25ureau be« Jparbenberg arbeitete, auff;äft" (1. ©ecem*
ber: II 175 unten).
3m 3anuar 1814 ging e« über 93afel nad) ftranEreid);
am 13. Slprif ritt Rippet in tyari« ein. ^ier erfutfjte er bann
Jparbenberg, au« ber ©entraf»erwaftung au«fd)eiben
unb fid) für ben Ke ft feine« 2eben« in bie <Pro»ing
gurücEgiefyn gu bürfen.
©er ebrgeigige D^eim hätte ftd) ob biefer «einmüßigen
Keftgnatiott im ©rabe l;erumgebrel;t. ©benfo fel)r mifjfier
(Te Jpoffmann, ber, wie mir fahen, fd)on Anfang 1799 ben
©fjrgeig in Jpippef gu werfen fudjte unb ber ftd) biefen, in
ber SSerfiebtheit be« ftreunbe«, gern af« Ktinifter bad)te
(259 oben ^offt er, bafj Rippet ihm aud) af« foTdjer feine
ftreunbfd)aft bewahren werbe). 3mmer wieber fpridjt 4>off-
rnann (u. g. au«brüc£fid) aud) in Jpippef« 3«tereffe) ben
SCBunfd) au«, bag ber ftreunb ftd) wieber größeren Riefen
guwenbe af« ber föerwaftung be« 35egirf«, in bem ber bau«*
mad)tfliftenbe Dbeim ifm feflgeregt (244. 256. 258/59. 265;
befonber« 271 ?D?itte „bifi wobt aud) nid)t ©äfar« Kteinung"
u. f. n>.).
syber bem fieben«wütbigen Katureß be« <J>aftor«fohne«
fd>eint biefe ©ntwirffung nid)t unerwünfd)t gewefen gu fein,
©r war weid), fiebe»ofl, »erträumt wie ber gute Sater (f.
feine fd)öne, hier guerft gebrurfte ©efbftd)ava«eriftit 12 a2 _ 26 ).
SUßein unb im «einen woßte er mehr fein af« fd)einen, wie ber
berühmte Df)eim empfof)fen, wenn aud) freifid) burd)au«
nid)t »orgemad)t hatte: ber Df;eim,ber gwei3«hoenad) bem
321
[LIX1
©rfdjeinen be$ ‘Antimachiavel’ geboren war. Unfer guter
Rippet Ijanberte nad) bem ‘Antimachiavel’: er 1?at benn
ouef; feiner Familie fein ©d^eften erobert, fonbern, wie wir
in ber ftofge fefjen werben, umgeEefjrt Seiftenau oerforen — ba$
ftibeicommifj, ba$ ber ftamilie für affe feiten geftdjert fdjien.
.ßarbenberg foß feinem Statt; auf beffen wieberbofteS
©rängen fdjfiefjrid; unwißig gefagt f;aben: „SBenn ©ie benn
burdjauS fort woßen, fo foß e$ gefdjeben." (23ad; 233.)
iMm 3. Suni »erlief ber Äönig Jpippefn bie 33icepräftbenten*
fteße mit ber atu$ftd;t auf balbige SBeförberung $um ©b*f s
präfibenten (bie benn aud; nod; im fetben 3afjre erfolgte)
unb 4000 3:I;alern ©ebaft.
Rippet bereifte nodj im 3uni $u feiner ©rbofung bie
©djweij. 2iuf ber Steife oon bort nad; SBeftpreugen Eam
er buvd) Seipiig: er fud>te bieSmaf wo!)I £offmann auf
(f. ©. 29 unb 240), ber il)m bie beiben 23änbe ber ju Dftern
erfd)ienenen ‘grantafteflüde’ (oermutbfitb aud) bie ‘23ifTon’)
fd^enfte unb feinerfeit* .£ippel$ golbene Ubr erlieft. Bon
ba fuf;r Jpippef nad; 23erfin, wo er ftd; oon ben SWiniftern
oerabfd;iebete unb bafür ju wirfen fudjte, bafj ^offmann
eine feinen 2Bünfd;en entfpredjenbe 2infteßung — tbunfid;ft
alS ©rpebient in einem SOtinifterium — erf;iefte (240/44,
mehr nod) 247 unten).
4. ÜEßieber in ber spromnj 1814—1837.
a) 3n gjtarienwerber 1814—1823.
Nippel oerfegte feinen 2Bobnfib nunmehr enbgüftig nadj
gjtarienwerber. ©ie £errfd;aft Seiftenau, bie wätyrenb
feiner Slbwefenbeit ooßenb* oerwabrfoft war, überließ er
tyädjtern, bie nod) weniger Sntereffe baran naf;men ar« er
fefbft e$ get^an.
@nbe 1819 (Stooember unb ©ecember) trat er in einer
322 [LX]
pofitifdjen ©enEfd;rift bon 96 ©. Sofio Ccb^aft für bic ®e*
wätyrung einer SBerfaffung ein (bgf. 269 unb 300!).
3nbeß beEannte jld; Kipper jeljt ebenfo wenig wie früher
in feiner 9tatf)ßt!)ätigEeit atß 5lnl)änger einer beftimmten
Partei, ©tanb er in ber SBerfaffungßfrage im großen unb
ganzen auf ©eite ber Siberafen, fo war er in ber Stöße ber
SBe^Brbenorganifation reactionär. 2Uß er 1821 atß 9)titglieb
einer Eommiftfon jur 93erein fadjung beß ©efdjäftßgangß ber
SBerwattung um fein Sßotum erfudjt würbe, forberte er
neben ben hier Sadjminiftern (für £rieg, Suftiä, 2luß*
wartigeß, Sinanjen) fünf tyrobinciatminifter mit gfeidjer
©timrne.
©ie genannte EommiffTon tagte in 23ertin bom
©ommer 1821 biß jum ütprit 1822; Kipper wohnte
im #aufe ber SBittwe beß Äammergertdjtßpräftbenten bon
©djfeiniij, beß gemeinfamen ©ßnnerß unferer beiben Sreunbe
(2inbenftraße 26) unb tieß im SEBinter Srau unb Äinber
auß SÄarienwetber bortljin nadjßommen, @o würbe Jpoff»
mannß atter SBunfdj, mit feinem äfteften Sreunbe in SBerlin
gufammen ju (eben, wenigtfenß für brei SBiertetjaljre
erfüllt
Sreiiid) wißen unfere Duetten wenig erfreutidjeß über
biefeß feit 27 Sauren erfeljnte gufammenteben ju beridjten.
Rippet war offenbar mit ber Sebenßfüljtung #offmannß un*
jufrieben (©. 34: 9tr. 9), unb angebrid) fjat #offmann tyrn
gelegenttid) barin 9ted)t gegeben (©. 35: III 2; bgf. ben nadj*
benEtidjen ©djtuß beß 70. 93riefeß, ©. 272!). 3n ange=
netymerer Erinnerung blieb biefeß gufammenteben mit ^>off*
mann bei #ippetß Äinbern (©. 35: III l). 3m einzelnen ift
ju bergteidjen: für 9tobember/©ecember ©. 272 (91 r. 70a),
für ben 3anuar £ifcigß 93erid)t über J^offmannß testen
©eburtßtag in unferem 93b. III, für $ebruar/9Hära 273/78
unb für ben Slprif ©. 33/34 (9tr. 8).
[LXI]
323
b) 3« Öppetn 1823/37.
2Rftd)bem Rippet 1814 auf eine SStitroirEung an Per
Gentratberwattung uergidjtet Tratte — Pod) woJ)t im wefent*
ridjen feiner ©üter, »ießeid>t aud) Per ©erwanbten feiner
$rau wegen — traf il)n 1823 Per ©djtag, au« feiner ^rotunj
berau«geriffen ju roerPen, aber nid)t um nad) ©ertin fonPern
um nad) — Dppefn ju gel)n. ©idjertid) bat nur Pie Sftüd*
ft d)t auf feine neun ÄinPer, Peren jüngffe« jwei 3at;re htyttt,
ibn rermodjt, unter Piefer ©ePingung im ©taat«Pienfte ju
bleiben.
fJtatürlid) mußte er jetjt Pie te^te Hoffnung fahren taffen,
feine au«gePet;nten ©eff^ungen in SBeffpreußen ju Ratten.
SIber Per ßarnpf Pauerte nod) lange, bi« Pie ©üter am
4. Februar 1835 auf Pem 2Bege ber gmang«rerfleigerung
uerfauft murPen. ,,©ied) unP bettetarm" [©ad) 260] nahm
Per Unirerfaterbe Pe« reid)en Nippel 1837 Pen 2tbfd)ieP, nad)*
Pem er fdjon feit jet)n Sauren gefränEeft batte.
[349]
325
E. T. A. HOFFMANNS LETZTE KOMPOSITION
ZUR 90. WIEDERKEHR SEINES TODESTAGES, 25. JUNI 1912
D er Freiheitskämpfer und Freiheitsdichter Friedrich Förster
(1791—1868), der mit seinem (einen Tag älteren) Freunde Theodor
Körner im Lützowschen Freikorps gefochten und später in Paris
erfolgreich geholfen hatte, die von Napoleon dorthin entführten Literatur- und
Kunstschätze auszusondern und zurückzugewinnen, war nach dem Friedens¬
schluß Lehrer der Kriegsgeschichte an der Ingenieur- und Artillerieschule ge¬
worden; bald erhielt er jedoch den Abschied, da er sich als begeisterten
Anhänger Jahns bekannte und sich auch durch eigene, in dessen Geiste
verfaßte Aufsätze mißliebig gemacht hatte. Vorher, 1816/17, hatte er es
verstanden, anerkannte Dichter wie Tieck, Brentano und Arnim zur Mitarbeit
an dem schönen Sammelwerk „Die Sängerfahrt“ zu vereinigen; auch E. T. A.
Hoffmann hatte er — allerdings vergeblich — um einen Beitrag ersucht.
Bald sollte er ihm jedoch näher treten. Ludwig Berger (1777—1839),
der 1814 nach neunjähriger Abwesenheit im Auslande wieder in seine
Heimatstadt Berlin zurückgekehrt war, und den Hoffmann schon im Januar
1815 öffentlich als ausgezeichneten Klavierspieler gefeiert hatte, gründete
nach Vorbesprechungen im Februar 1819 am 26. April desselben Jahres
mit drei jungen Freunden die „Jüngere Liedertafel zu Berlin“, der
Hoffmann und Förster sogleich beitraten. Auf den regelmäßigen Zusammen¬
künften dieses Vereins trafen sie ohne Zweifel häufig zusammen, und
Hoffmann ließ sich bereit finden, zwei Lieder des jüngeren Genossen zu
komponieren. Das eine, „Walpurgisnacht“, (in dem Textbuch des Vereins
von 1835 No. 59) ist gedacht als kleine Szene, aufzuführen von den
Herren und Damen des Vereins; es schließt mit den von beiden Chören
gesungenen Worten:
326
[349/350]
Wir halten ihn auch,
Walpurgisgebrauch,
Und wissen uns zu finden.
’s ist weit von Berlin
Zum Blocksberg hin:
So bleiben wir unter den Linden.
Habeü wir hier eine bis zur Unkenntlichkeit verbürgerlichte Romantik,
so zeigt das andere Lied, für Männerchor (No. 47), eine milde Satire, die
sich weislich orientalisch maskiert, um nicht Anstoß zu erregen:
Türkische Musik
Ein Kaiser einst in der Türkei
— Er hieß von Gottes Gnaden! —
Hatte sein treues Volk herbei
Zu einem Fest geladen.
Er saß zu Thron, im vollen Glanz,
Umlagert von Trabanten;
Da rief das Volk: „Zu unserm Tanz,
Herr, schick’ uns Musikanten!“
Der Zimbelschläger war zu Hand,
Er ließ sein Spiel erklingen:
Wo er gefüllte Beutel fand,
Die mußten klingend springen;
Das Silber und das feine Gold,
Das er herausgeschlagen.
Er lachend in den Säckel rollt,
Dem Kaiser heimzutragen.
Der Fiedeler war auch nicht faul
Mit seinem Fiedelbogen:
Wer hinterher ein schiefes Maul
Beim Zimbelspiel gezogen,
Den spannt er in die Fiedel ein,
Sich angenehm zu zeigen;
Und mochten alle „Zeter“ schrein —
Er ließ nicht nach mit Geigen.
So wurden sie gezwickt, gezwackt,
Gezimbelt und gestrichen;
Und war nur irgend aus dem Takt
Ein armer Schelm gewichen,
Da sprang der Trommler schnell hervor,
Das Trommelspiel zu rühren,
Zog ihm das Fell dicht übers Ohr,
Das rechte Maß zu spüren.
Der Kaiser, dem der Tanz gefiel,
Rief sich die Musikanten,
Die sich sofort nach ihrem Spiel,
Ludi ministri nannten.
Dem Fiedler gab er die Justiz,
Dem Zimbler die Finanzen,
Dem Trommler aber die Miliz —
Und ließ dann weiter tanzen.
[350/3511 327
Wie es dem Dichter nicht eben gelungen ist, die musikalischen Un¬
taten der drei künftigen Minister anschaulich zu machen, so ist auch das
Wortspiel am Schluß nur durch zwei Verrenkungen zu stände gekommen:
der lateinische Ausdruck lautet bekanntlich ludi magister und bedeutet
überdies nicht Spielmeister, sondern Schulmeister, speziell Elementar¬
lehrer. Indes ist der flotte Ton des Gedichts einladend zur Komposition,
und das Lied blieb ja wohlbehütet vor dem rauhen Luftzuge der Kritik
im Kreise der Liedertafel.
Die Musikhandschriften der „Jüngeren Liedertafel“ haben anscheinend
1861 dem Freiherrn Carl von Ledebur noch Vorgelegen, der in seinem
klassischen „Tonkünstler-Lexicon Berlins“ Hoffmanns Kompositionen da¬
nach zitiert. (Der eine der vier Gründer der „Jüngeren Liedertafel“,
Gustav Reichardt, der Komponist des Liedes „Was ist des Deutschen
Vaterland?“, starb erst 1884, wohl als der letzte von Hoffmanns näheren
Bekannten.) 1893/94 hat Georg Ellinger die Originalhandschriften nicht
mehr ermitteln können. Zum Glück hat sich jedoch — worauf 1901
Robert Eitner in seinem nie genug zu rühmenden „Biographisch-Biblio¬
graphischen Quellen-Lexikon“ hingewiesen hat — eine Abschrift wenig¬
stens der „Türkischen Musik“ erhalten: sie liegt, zusammengeheftet mit
einer Abschrift von Goethe-Zelters Lied „Sankt Paulus war ein Medicus“,
in der Gottholdschen Sammlung, die sich jetzt auf der Königlichen und
Universitäts-Bibliothek zu Königsberg befindet, und ist so in die
Geburtsstadt des Dichters zurückgekommen. Wir legen sie den
Lesern der „Musik“ vor 1 ) nach einer Kopie, die der Leiter der Musik¬
sammlung der Berliner Königlichen Bibliothek, Herr Direktor Prof. Dr.
Albert Kopfermann, zu kollationieren die Güte gehabt hat. —
Eine spezieller auf die Gegenwart, und zwar auf die preußische Gegen¬
wart mit ihrer Verfolgung der Burschenschafter abzielende Satire gab
Hoffmann selbst im September 1821 als dritten Abschnitt der „Lebens-
Ansichten des Katers Murr“; eine zweite legte er dann im Dezember des¬
selben Jahres nachträglich in das seiner Anlage nach ganz und gar un¬
politische Märchen „Meister Floh“ ein. Da er selbst in unbegreiflicher
Sorglosigkeit um Neujahr 1822 in mehreren größeren Gesellschaften die
Tendenz dieser Einlage ausplauderte, so hätte er wie Förster sein Airtt
verloren, wenn er nicht vor Entscheidung der Angelegenheit am
25. Juni 1822 gestorben wäre. Am 28. Juni wurde er in aller Stille
vorm Halleschen Tore beerdigt, während einer seiner politischen Gegner,
der bekannte Pückler, beim Champagner seine Ernennung zum Fürsten
feierte; die Todesanzeigen erschienen erst danach, am 29. Juni in der
Spenerschen und gar erst am 4. Juli in der Vossischen Zeitung.
Einen Tag nach der Beerdigung hielt aber die „Jüngere Lieder¬
tafel“ eine Totenfeier für ihr berühmtes Mitglied ab, und dabei wurde —
J ) Siehe die Beilagen dieses Heftes. Red.
328 [351/352]
jedenfalls nach Hanitschens feierlicher Melodie für Arndts Lied „Sind wir
vereint zur guten Stunde“ — ein Lied von Friedrich Förster gesungen,
das die beiden von Hoffmann vertonten weit überragt und in der Tat
seines Gegenstandes nicht unwert ist. Als Unterton klingt wohl eine ge¬
wisse polemische Tendenz mit in diesem lauten und fröhlichen Bekenntnis
zu dem geächteten Manne, der gestern in aller Stille eingescharrt war:
ein Protest einerseits gegen Hoffmanns und Försters gemeinsame Feinde
in der Staatsleitung, ein Protest andrerseits gegen Hoffmanns quietistische
und pietistische alten Freunde Hitzig und Fouquö. Aber im wesentlichen
ist das Gedicht positiven Charakters: es ist eine hinreißende Huldigung
vor dem schöpferischen Künstlergeist, der allein den Tod verachten
darf, weil ihm allein der Tod nichts anhaben kann. Wenn auch die
Schlußpointe nicht neu ist, so wirkt sie doch nicht im geringsten als ein
aufgeflicktes Zitat, sondern wächst organisch heraus aus dem stolzen Ge¬
danken: der Künstler lebt, denn seine Werke leben!
Wir glauben, in diesem Zusammenhänge und namentlich jetzt, zur
Wiederkehr von Hoffmanns Todestag, das schon anderweit mitgeteilte Lied
hier wiederholen zu dürfen:
Nachruf an unsern Freund E. T. A. Hoffmann
Es wird kein Kranz vor. uns gewunden,
Daß seine Rosen nicht verblühn;
Des Lebens schöne Feierstunden,
Sie gehen auf, sie fahren hin.
Wir reichen traulich uns die Hände,
Wir meinen wohl, wir halten fest;
Und ob uns auch ein Gott verbände.
Wir scheiden bald von diesem Fest.
Nur eines ist uns unverloren
Und fürchtet nicht des Grabes Haft:
Der Geist, der aus dem Geist geboren,
Das Unvergängliche erschafft. —
So schied ein Freund aus unserm Bunde,
Er sprach uns manches heitre Wort,
Er lebt in jeder guten Stunde
Bei uns in seinen Liedern fort.
Wir suchen Dich nicht in den Tiefen,
Wir suchen Dich nicht hoch und fern;
Hier wehn die Geister, die Dich riefen,
Des Weines und der Liebe Stern.
Und soll Dich Glockenton geleiten
Auf Deines Lebens letztem Gang —
Wohlan! so laßt die Gläser läuten
Zu hellem, frohem Festgesang!
II
331
DIE ENTSTEHUNG
DES MURR-KREISLER-WERKES
UNTER BERÜCKSICHTIGUNG
DER SONSTIGEN LITERARISCHEN PRODUKTION
HOFFMANNS IN DEN JAHREN 1818-1822
Im Winterhalbjahr 1912/13 habe ich eine größere
Abhandlung ausgearbeitet, die die Entstehung des
Doppelwerkes, insbesondere des Katerteiles, unter
Berücksichtigung der sonstigen literarischen Produk¬
tion Hoffmanns in den Jahren 1818—1822 schildert
und sowohl die Elemente des ursprünglichen Planes
wie auch die öfteren Umbiegungen zeigt, die er im
Laufe der zweimal unterbrochenen Arbeit erfahren
hat; die Nachrichten über den historischen Kater
waren eingeschaltet. Mitte April 1913 war diese
Arbeit im wesentlichen beendet.
Danach legte ich eine sachlich fundierte (ethisch¬
ästhetische) Charakteristik von Murrs Ansichten an,
die ich im Januar 1915 auf Grund einer erneuten
Durchsicht des Textes gründlich durcharbeitete.
Beide Abhandlungen, die Entstehungsgeschichte von
1912/13 und diese Charakteristik, gedachte ich als
besonderes Beiheft zu Murrs Buch zu bringen; der
Verlag lehnte ein solches Beiheft jedqch unterm 15.
Februar ab. Ich wurde ersucht, den Band mit einem
kurzen Nachwort abzuschließen, und man stellte mir
anheim, die beiden Abhandlungen einer Zeitschrift zu
übergeben - was freilich bei der durchaus auf meine
Ausgabe zugeschnittenen Charakteristik nicht mög¬
lich gewesen wäre. Diese ist denn auch völlig liegen
geblieben und kann nur dem etwaigen Verwalter
meines Nachlasses zur Prüfung empfohlen werden,
während die Entstehungsgeschichte wenigstens zu
geringen Teilen als II. Beigabe in das Buch überging.
Aus Hans von Müllers Autobibliographie
1896-1915 [erschienen 1937], S. 55-56.
333
VORBEMERKUNG
Der Inhalt der Biographie Kreislers wird als bekannt vorausgesetzt.
Unsere Einleitung zum Kreislerbuch von 1902 wird durch das folgende ergänzt,
aber nicht ersetzt.
Während die Inhaltsangabe einer Dichtung, die von dem fertigen Werk oder doch
von dessen letztem Stadium ausgeht, der Bequemlichkeit des Lesers dient, er¬
fordert eine genetische Analyse, wie wir sie hier unternommen haben — also die
Darstellung der öfters wechselnden Formen des Gesamtplans — auch vom Leser
eine große Aufmerksamkeit und - Nachsicht für den, der sie unternommen.
Bei dieser Gelegenheit müssen wir auch die kritische Schärfe motivieren, die
manchen vielleicht in unserer Beurteilung von Hoffmanns Arbeitsweise verletzt.
Man wird mir glauben, daß Hoffmann selbst und sein persönlichstes Werk mir
mindestens ebenso lieb sind wie sie es z. B. Grisebach waren. Der verschiedene
Ton, in den} wir uns darüber äußern, erklärt sich daraus, daß wir uns an ver¬
schiedene Ldser wenden. Grisebachs Aufgabe war es, für Hoffmanns Schriften
neue Verehrer zu werben; er mußte also in erster Linie auf Vorzüge hinweisen.
Dessen bleibt er auch bei der Besprechung unseres Doppelwerkes (LXXXVIII f,
IC-CI, CVI) eingedenk. Seite C versichert er in befriedigtem Sperrdruck, Murrs
Autobiographie sei mit dem II. Bande „völlig beendet “, während sie in Wirklich¬
keit dort unbeendet abgebrochen wird: „ schlimm ist es, daß der Verblichene seine
Lebens-Ansichten nicht geendet hat, die also Fragment bleiben müssen“.
Ich wende mich im Gegensatz zu meinem alten Meister an ein Publikum, das
Hoffmann bereits kennt und schätzt: und diesem durfte ich im Kreislerbuch und
hier sagen, was wir Freunde Hoffmanns mit Schmerz vermissen an seinem per¬
sönlichsten Werk. Bezüglich der Biographie Kreislers dürfen wir „die größere Hälfte
seiner Schuld den unglückseligen Gestirnen“ zuschreiben, die es Hoffmann nicht
gestatteten, den dritten Teil zu Papier zu bringen: im Katerbuch liegen die
offenkundigen Mängel mehr in der Sorglosigkeit begründet, mit der Hoffmann
im Vertrauen auf seine erstaunliche Erfindungsgabe den Aufbau der meisten
seiner späteren Arbeiten behandelt hat. Und wenn wir nun bei der Betrachtung
der Entstehung des Katerbuchs vorurteilslos uns die Art vergegenwärtigen, in der
seit Weihnachten 1819 die Beendigung des auf 3—4 Bände angelegten Doppel¬
werkes bald erwogen bald verschoben, bald begonnen bald wieder liegen gelassen
ist, dann ergibt sich daraus auch die Erklärung für Mängel der Biographie Kreis¬
lers.
Ellinger hat völlig Recht, wenn er (I, CXXIII Mitte bis CXXIV Mitte der Ausgabe
der Werke 1912 [S. CXXVII Mitte/oben bis CXXVIII oben der Ausgabe 1927 ]) einen
gewaltigen Unterschied statuiert zwischen der gewissenhaften Arbeitsart des sich
noch mißtrauenden Anfängers und der späteren aus-dem Ärmel-schüttelnden
Sicherheit des gewiegten Schriftstellers. Hier ereignet sich das Unwahrscheinliche,
334
daß einer der scharfsinnigsten und vielseitigsten Gelehrten, die je über Hoffmann
gearbeitet haben, Otmar Schissei von Fleschenberg, Unrecht erhält gegen den
unwissendsten, unfähigsten, leichtfertigsten und dreistesten Charlatan der Hoff-
mann-Literatur, Herrn Paul Margis. Wir meinen hier selbstverständlich nicht die
Urteile, die dieser Schriftsteller sich in seinen Analysen an und bei Hoffmann
über die Kreislerbiographie oder gar über die ‘Brambilla’ erlaubt 1 , sondern eine
Bemerkung zu Hoffmanns ‘Räubern’ S. 144/45:
Als Hoffmann dieses Werk anfing zu schreiben, hatte er sicherlich noch
keine Ahnung von den Verwicklungen, die er am Schlüsse schaffen wollte.
Mag das auch für die ‘Räuber’ vielleicht nicht zutreffen, so gilt es doch bestimmt
für eine ganze Anzahl von Produkten der letzten Jahre. Hoffmann setzt in diesen
nach kurzer Überlegung eine Situation hin und überläßt es mit gläubigem Ver¬
trauen seinem Talent, nachträglich dafür die Vorgeschichte zu erfinden.
Während bei anderen Schriftstellern solche Verschiebungen des Planes nur in
sehr langwierigen Arbeiten eintreten, etwa in Schillers ‘Carlos’, in Goethes Wal¬
purgisnacht im ersten und der Helena-Episode im zweiten Teil des ‘Faust’, so
bringt Hoffmanns zersplitterte Arbeitsart es mit sich, daß sich in wenigen Mona¬
ten schon die Anlage unmerklich verschiebt.
Am ärgsten ist das im ‘Meister Floh’ (s. S. 241/47 meiner Ausgabe, be¬
sonders S. 244; einiges davon unten, S.362 Note), kommt aber auch z. B. in der
‘Brautwahl’ vor, deren erstes Kapitel gleichfalls in einigen Punkten nicht zu
den folgenden stimmt (s. S. VII meiner Ausgabe). Die Folge für das Zer¬
laufen der Murr-Biographie werden wir sehen; aber auch im einzelnen
zeigen sich Divergenzen zwischen dem Anfang des ‘Katers Murr’ und seiner
Fortsetzung.
Von den drei ersten Werken Murrs, die er S. 49 f nennt und über deren
Anlässe er näheres für später verspricht, werden in der Folge nur die bei¬
den ersten (S. 103 und S. 144) erwähnt, die Tragödie wird nachher ver¬
gessen, dafür wird aber S. 106 eine Aphorismensammlung als zweites Werk
genannt. — Die kleine sehr dicke Jüdin mit schwarzem Haar und einer
Menge Ringe an allen Fingern, die Meister Abraham nahe steht (S. 10), ist
doch wohl identisch mit der Räthin Benzon (die der Witwe Fanny Mark
geb. Marc in Bamberg entspricht); diese wird aber später nirgends als Jüdin
bezeichnet. S. 71 warnt Mina den Sohn, Meister Abraham nicht seine
Kenntnisse zu verraten. In der Tat will dieser sie ausnutzen, und Murr
hütet sich künftig etwas zu verraten. Entsprechend in Abrahams Bericht:
gibt nie die feindliche Stellung zum Menschen ganz auf. Vgl. auch Murrs
Mißtrauen, als Abraham ihn in den Korb „spundet“.
Ganz anders und erfreulicher S. 129 unten: Meister Abraham denkt an
keine Ausnutzung, Murr an keine Vorsicht.
Lothario ist anfangs Professor am Gymnasium (I 130), später (II 157 M/u,
277 u, 279 M) an der Universität.
1. E.T.A. Hoffmann. Eine psychographische Individualanalyse von Paul Margis. Leipzig 1911,
S. 145 und bes. S. 155 (über die ‘Prinzessin Brambilla’); S. 171 f (über die Kreislerbio¬
graphie).
335
Im ersten Abschnitt (S. 6 u) wird das Wort ^pinnen“ „nicht uneben“ ge¬
nannt, während es im zweiten Abschnitt (S. 259) als Ausdruck „höhnender
Verspottung“ aufgefaßt wird.
Wichtig zur Ermittelung von Hoffmanns ursprünglichen Absichten sind die
Inhaltsangaben, die er häufig seinen Abschnitten vorsetzt. Wie früher für
das 5. und 7. Abenteuer des ‘Meisters Floh’, werden wir diese Angaben
auch für den 3. und 4. Abschnitt des Murrbuches verwerten. Wir bemerken
dabei, daß die modernen Neudrucke (Grisebach, Ellinger) in den Über¬
schriften des Murrbuchs die Schriftgrade umkehren. Im Originaldruck sind
die Worte „Erster Abschnitt“, „Zweiter Abschnitt“ usw. großgedruckt, nur
sie bilden die eigentliche Überschrift. Der Zusatz, der jedesmal folgt, ist
kleingedruckt ; er ist wie in Hoffmanns besten Märchen (dem ‘Goldnen
Topf, dem ‘Zaches’, der ‘Brautwahl’, der ‘Brambilla’, dem ‘Floh’) lediglich
Inhaltsangabe und zwar bezeichnet er in jedem Falle die beiden geplanten
Hauptteile des Abschnitts.
Er ist darin kaum gewissenhafter, als sein großer Schüler Balzac es nur allzu oft
gewesen ist. Ebenso häufig ist bei beiden Schriftstellern die umgekehrte Erschei¬
nung zu beobachten, daß ein großer Plan hingeworfen wird und dann ganz oder
halb unausgeführt bleibt.
Wir haben Ehrfurcht vor den gewaltigen Naturen Hoffmanns und Balzacs, wir
haben Ehrfurcht vor ihren grandiosen Plänen : wo die Ausführung aber unter der
Intention des Schöpfers geblieben ist, da müssen wir, eben aus Ehrfurcht vor den
Absichten, diese unvollkommene Ausführung bekämpfen und — insbesondere bei
Hoffmann — die Charakterschwächen tadeln, die das Erreichen der Absicht ver¬
eitelt haben.
336
EINLEITUNG
HOFFMANNS LITERARISCHE ARBEITEN
VON JANUAR 1818 BIS ANFANG MAI 1819
Nachdem Hoffmann im Herbst 1814 nach Berlin gekommen war, bemerkte er
alsbald zu seiner Verwunderung 1 , daß er durch die ‘Fantasiestücke’ „eine merk¬
würdige Person“, eine literarische Berühmtheit geworden war. Er erhielt als solche
nicht nur Einladungen „zu großen Thees“, sondern auch „verschiedene Anträge
von Buchhändlern“. Seine praktische Natur, die ihn in Bamberg den Handel mit
Musikalien nicht hatte verschmähen lassen, zog aber bald Nutzen aus dieser Kon¬
junktur, und seit dem Januar 1815 schrieb er fleißig für die Almanach-Herausgeber,
die bei ihren großen Auflagen doppelt soviel zahlen konnten als die Buchverleger
und dabei mit jedem Schmarrn vorlieb nahmen, vorausgesetzt nur, daß er mit
einem berühmten Namen unterschrieben war.
Die Manuskripte für die Almanache waren (der Raum Verteilung und der Kupfer
wegen) in den ersten Monaten des Jahres abzuliefem, spätestens im März; nur
besonders wichtige und sichere Mitarbeiter erhielten allenfalls bis zum Mai Frist.
Die Buchverleger ihrerseits, die auf den Weihnachtsmarkt rechneten, gaben bis
zum Hochsommer, höchstens bis zum Herbst Frist. So ergab sich für Hoffmann
eine Zweiteilung des Jahres. Die ernsten, schweren, aber minder hoch honorier¬
ten Buchmanuskripte wurden im Sommer und Herbst geschrieben; im Winter
und Frühjahr erholte der Fabulant sich dann an der leichten und mit den Jahren
immer leichter genommenen Arbeit für die Taschenbücher 2 . Die Schlußtermine
für beide Kategorien wurden von Jahr zu Jahr bei wachsender Arbeit und
wachsender Unentbehrlichkeit für die Abnahme um ein paar Wochen hinauf¬
gerückt, sodaß die Bücher schließlich sozusagen noch naß auf den Weihnachts¬
tisch kamen.
Entsprechend dieser Einteilung hatte Hoffmann im Winter und Frühjahr von
Murrs Geburtsjahr 1818 vier seiner bekanntesten Almanacherzählungen geschrie¬
ben: ‘Doge und Dogaresse’, ‘Meister Martin’, den ‘Kampf der Sänger’ und zuletzt
die ‘Scudery’; vielleicht fällt auch noch in dieses Halbjahr die Abfassung des
‘Unheimlichen Gastes’ (der Ostern 1819 erschienen ist). Ob auch der ‘Klein
Zaches’ schon in dieser Zeit entworfen worden ist, wie man bisher annehmen
mußte, ist zweifelhaft geworden, seitdem Herr von Maassen eine Anfrage Hoff-
manns an Chamisso von Anfang November des Jahres mitgeteilt hat, die sich
anscheinend auf eine Stelle im letzten Drittel des Märchens bezieht; auch zu der
1 m5 die BriefC an KUnZ V ° m 28 September 1814, an Hi PP el vom n - März und 18. Juli
2. Ich hoffe, daß diese merkantile Erklärung, die ich seit 1902 vertrete, mit der Zeit die
pathologische verdrängen wird, nach der Hoffmann in periodischer Abwechslung ein Genie
und ein Idiot war. Ich kann mir nicht versagen, auch hier an die köstlich zynische Stelle in
dem Brief an Schall (vom 19. Januar 1822) zu erinnern, in der Hoffmann vorschlägt, daß
der Kopf oben-vorn die Bücher und der Vizekopf unten-hinten die Almanachgeschichten
liefern möge.
337
eben entwickelten Jahreseinteilung würde es besser passen, daß das Märchen im
Herbst entstanden ist. Jedenfalls waren die Almanachredakteure spätestens im
Mai befriedigt, und die Buchverleger konnten drankommen.
Hier war Hoffmann nun dieses Jahr in der ebenso ehrenvollen wie angenehmen
Lage, abgesehn vom ‘Zaches’ den Bedarf der Buchverleger aus alten, bereits ge¬
druckten Schriften bestreiten zu können, die lediglich redaktioneller Nachhülfe
bedurften. Für Reimer erwog er eine Sammlung seiner neueren Erzählungen in
zwei Bändchen, für Maurer erweiterte er die ‘Kunstverwandten’ von Anfang
1817 zu den ‘Seltsamen Leiden’, und für Kunz sah er die 1813/15 erschienene
Sammlung seiner älteren Schriften, die sog. ‘Fantasiestücke in Callots Manier’,
behufts eines Neudrucks durch.
Handelte es sich bei der geplanten Sammlung, die an die 1815 abgehaltenen
Seraphinen-Abende anknüpfen sollte, und bei dem Theater-Dialog immerhin um
eine starke Vermehrung der Texte, so bedurfte die ältere Sammlung lediglich der
stilistischen Durchsicht und der Kürzung. Vor allem wurde der Gesamtinhalt, der
1813/15 rein zufällig im Laufe der Sammlung und Entstehung auf vier Bände
angewachsen war, nach einem nicht nur äußerlichen Prinzip disponiert. Die
wesentlich subjektiven Stücke aus der Bamberger Zeit von Ende 1808 bis Anfang
1813 (die den Hauptteil der ersten beiden Bände bildeten und auf die allein sich
Jean Pauls sauersüßes Vorwort bezieht) wurden als erster Teil zusammengefaßt.
Leider versäumte es Hoffmann, die späteren Kreisleriana dazuzustellen; er strich
aus diesen die fragmentarische ‘ Blandina ’, ließ im übrigen die Serie aber am
Schluß der Sammlung stehen. Diese jüngeren Kreisleriana bilden nun zusammen
mit den objektiven Arbeiten aus den Bänden II—IV den (erheblich stärkeren)
zweiten Teil, der also die von Mai 1813 bis Februar 1815 in Dresden, Leipzig
und Berlin entstandenen Stücke vereinigt.
Die drei größeren Texte dieses Bandes durfte Hoffmann nunmehr als abgeschlos¬
sene Werke betrachten: der ‘Goldne Topf’ hatte im wesentlichen unverändert
bleiben können, und den beiden schwächeren Arbeiten, dem ‘Magnetiseur’ und
den Sylvester-Abenteuern war durch energische Streichungen aufgeholfen wor¬
den. Daß von seiner ganzen bisherigen Schriftstellerei nur der ‘Goldne Topf’
hohen Ansprüchen genügen konnte, darüber war Hoffmann sich durchaus klar,
wie u. a. der Brief an die Chezy vom 17. Oktober 1818 zeigt.
Insbesondere konnten die Bamberger Schriften, die nun im ersten Teil der ‘Fan¬
tasiestücke’ vereinigt waren, — mit Ausnahme etwa der Beethoven-Apotheose,
des ‘Don Juan’, allenfalls des ‘Gluck’ — und ebenso die späteren Kreisleriana
dem gereiften Künstler nur noch als eine wüste Materialsammlung erscheinen. Er
ließ bei der Durchsicht die Texte (mit Einer Streichung im ‘Berganza’) für den
Neudruck wie sie waren, beschloß aber alsbald — spätestens während der Krank¬
heit Februar/März 1819- die darin und in der ‘Blandina’ verstreuten Motive
anderweitig aufs neue aufzunehmen, mit festem Griff zusammenzufassen und in
einem einheitlichen — halb erzählenden, halb theoretischen — Werke zu verarbei¬
ten.
Ehe er aber an dieses große Werk - die Biographie des Kapellmeisters Johannes
Kreisler nebst den ‘Lichten Stunden eines wahnsinnigen Musikers’ — ging, das den
von Anfang 1818 bis Anfang 1819 geplanten musikalischen Roman ‘Die Meister
des Gesanges’ verdrängen sollte, vergingen noch sechs Monate, die neben mehr
theoretischen Arbeiten (den Gesprächen der Serapions-Brüder an den ersten vier
338
Abenden, den ‘Flüchtigen Bemerkungen’ des Barons von L. und Kreislers Brief
über die Glasharmonika) eine große Reihe wichtiger Erzählungen zeitigten: im
November 1818 wurde der ‘Zaches’ vollendet; Ende desselben Monats entstand
die Erzählung vom Grafen P., der sich für den Märtyrer Serapion hält; im De¬
zember die ‘Bergwerke von Falun’; um Neujahr 1819 die Anekdote vom Baron
von B., dem Schüler Tartinis; Januar/Februar ‘Spieler-Glück’; Februar/März, trotz
einer schweren Krankheit Hoffmanns, ‘Signor Formica’; März bis Mai während
der Genesung die ‘Haimatochare’, die ‘Brautwahl’ und (im Anschluß an diese)
die Berliner Teufelsanekdote.
I. DER PLAN UND DER ERSTE BAND DES WERKES:
MAI/NOVEMBER 1819
1. Der Plan und seine Elemente
Nachdem nunmehr die Redakteure der Journale und Taschenbücher einstweilen
befriedigt, konnte Hoffmann sich wieder einer großen Arbeit zuwenden: im Mai
begann er, wie das Datum der beiden Vorworte des Katers zeigt, die Nieder¬
schrift des weitschichtigen Werkes, das die in den ‘Fantasiestücken’ angedeuteten
und verstreuten Motive vereinigen sollte.
Den theoretischen Teil, die ‘Lichten Stunden eines wahsinnigen Musikers’, ver¬
schob er an den Schluß; vermutlich wären sie ähnlich rhapsodisch ausgefallen
wie die Reden des Berliner Komponisten von 1807/08, der sich für den Ritter
Gluck hält, und wie Kreislers Lehrbrief.
Zunächst entwarf Hoffmann den erzählenden Teil. Träger der Handlung wurde
die 1810 glücklich entworfene und bis 1815 weiter ausgearbeitete Figur des
Kapellmeisters Kreisler. Offenbar hat Hoffmann jedes Kreislermotiv der ‘Fanta¬
siestücke’ sorgfältig daraufhin geprüft, ob es für die neue Darstellung verwendbar
sei. Wo das nicht der Fall ist, vermerkt er das ausdrücklich in der Biographie
Kreislers (II 124). — Für einen genaueren Vergleich des Kreisler von 1810/15 mit
dem Kreisler von 1819 und 1821 (eine höchst interessante Aufgabe, für die ich
mir einen Neudruck des Kreislerbuchs wünschte!) ist hier nicht der Ort. Nur bei¬
spielsweise seien drei Tatsachen genannt, die aus Vorbemerkungen zu alten
Kreislerianis übernommen sind in die zusammenfassende Darstellung: Kreisler
gibt seine Stellung als Hofkapellmeister in der nahen Residenz auf aus Opposi¬
tion gegen die moderne italienische Musik; er spricht sich eingehend aus über die
Liebe des Künstlers ; eine „ganz fantastische“ Liebe zu einer Gesangsschülerin
ergreift ihn und treibt ihn in den Wahnsinn.
Die Erlebnisse des Kreislers der ‘Fantasiestücke’ sollten offenbar erweitert
werden durch das im ‘Berganza’ noch recht roh erzählte Geschick der Julia Mark
und durch die im ‘Blandinen -Entwurf vage angedeuteten Ereignisse.
339
Die im Kreislerbuch XVII, XXf, XXVI vorgetragene und begründete Über¬
zeugung, daß die Biographie Kreislers die unmittelbare Frucht der Durch¬
arbeitung der ‘Fantasiestücke’ für den Neudruck war, hat sich mir in den
elf seitdem verflossenen Jahren nur befestigt.
Die enge Verbindung zwischen den ‘Fantasiestücken’ von 1818 und der
Biographie Kreislers ist natürlich nie ganz verkannt worden. Diese Erkennt¬
nis ist aber im neunzehnten Jahrhundert nur einmal praktisch betätigt, in¬
dem bei Baudry in Paris 1841 die ‘Fantasiestücke’ in der Fassung von
1818 mit dem Murr-Kreisler-Werke von 1819/21 in Einem Bande vereinigt
wurden (234 zweispaltige Quartseiten). Das erste ähnliche Unternehmen ist
das Kreislerbuch.
Meister Abraham Liscov, der Automatenbauer mit dem wunderbaren Orakel, ist
unbeschadet sonstiger Ingredienzien 1 zweifellos in erster Linie eine verbesserte
Auflage des Professors X. aus den fragmentarischen ‘ Automaten ’, die vier Mona¬
te vor dem ‘Blandinen’-Fragment (gleichfalls in Leipzig) entstanden waren. Das
ursprünglich den ‘Fantasiestücken’ zugedachte Stück hatte Hoffmann soeben —
wahrscheinlich im April oder Mai 1819 - für einen Neudruck in den ‘Serapions-
Brüdern’ durchgesehen und von den Freunden kritisieren lassen 2 ; aber wie die
‘Blandina’ konnte er auch diese längst aufgegebene Arbeit mit gutem Gewissen
wieder einschmelzen und als Rohmaterial benutzen 3 .
Von Mai 1819 bis Ende November 1821, also über dritthalb Jahre lang, hat
Hoffmann die (erst Dezember 1821 aufgegebene) Absicht gehabt, außer dem
Meister Abraham und anderen menschlichen Nebenfiguren ein denkendes Tier in
Kreislers Umgebung zu bringen. In den ‘Fantasiestücken’ war das bereits an zwei
Stellen geschehen.
Der Hund Berganza läuft in der „benachbarten prächtigen Residenz“ Kreislern
zu; dieser spielt ihm in der Folge gern auf seinem Flügel vor und betrachtet ihn
1. Die Laute seines Familiennamens und Kreislers dankbares Verhältnis zu ihm stammen von
H.s ausgezeichnetem Musiklehrer Cristian Wilhelm Podbielski (o-i-l-s-k = Lisko), der, 1740 zu
Königsberg geboren, am 3. Januar 1792 als Organist an der dortigen Domkirche allgemein
betrauert starb - drei Wochen vor Hoffmanns 16. Geburtstag und drei Monate vor dessen
Immatrikulation. Wenn es im Murr-Kreisler-Werk (I 210) heißt, daß dem jungen Johannes
Kreisler Liscov nach seinem plötzlichen Weggange überall gefehlt habe und daß ihm „nun
ganz Göniönesmühl ein todtes düstres Gefängniß dünkte“, so darf man das vielleicht auf die
Stimmung des 16jährigen Hoffmann nach dem Tode des Lehrers deuten.
Daß Abraham in anderen Punkten - so im Verhältnis zu Murr und im Verhalten bei dem
Theaterbrande - ein Abbild von Hoffmann selber ist, braucht nicht erst näher dargelegt zu
werden. Seine Wohnung und deren Mobiliar (s. I 42) stellt eine Mischung von Hoffmanns
Bamberger und Berliner Müieu dar.
2. Bd. II, dessen viertes Zehntel das Fragment etwa ausmacht, erschien im September 1819.
3. Die frühere, auch von mir 1902 im Kreislerbuch (XXV) noch geteilte Annahme, daß das
Fragment erst für diesen Neudruck in den ‘Serapions-Brüdern’ auf das Doppelte bis Drei¬
fache erweitert worden sei, ist 1903 dadurch erledigt worden, da & Alfons Fedor Cohn den
ersten Druck des vollständigen Textes in der ‘Zeitung für die elegante Welt’ vom April 1814
auffand. Seitdem ist es allerdings klar, was Maassen 1912 in seinem VI. Band ausfuhrt, daß
Hoffmann lediglich aus Verlegenheit die Erzählung abgebrochen hat - nicht, um sie für die
Biographie Kreislers aufzusparen.
auch sonst als Vertrauten. Infolge eines schweren Erlebnisses bemächtigt sich
Kreislers dann eine extreme Reizbarkeit. Bekannte versuchen ihn zu beruhigen,
er wirft sie jedoch mit des Hundes Hülfe hinaus; am Morgen darauf läßt er den
Hund laufen, da er fürchtet, man werde diesen als toll erschlagen und ihn selber
als toll ein sperren. In der Tat soll Kreisler dann „in die bekannte hier ganz nahe
gelegene Irrenanstalt“ gebracht werden, entspringt jedoch auf dem Transport
(‘Berganza’ FSt 1 II 73, 69).
Dies hatte Hoffmann Anfang 1813 in Bamberg für Kunz geschrieben; ein Jahr
darauf, 2./3. Januar 1814, verfaßte er in Leipzig für Rochlitz die ‘Nachricht von
einem gebildeten, jungen Mann’. Hier lernt Kreisler — in einer anderen Periode
seines Lebens — bei dem Geheimen Kommerzienrat R[öderlein, dessen Nichte er
bekanntlich im Gesänge unterrichtet,] den Affen Milo kennen, „der im Hause des
Commerzienraths sprechen, lesen, schreiben, musiciren u.s.w. lernte“ und nun
seiner Freundin im fernen Amerika in einem langen Briefe schildert, wie herrlich
weit er es gebracht habe. Der Brief schließt mit einem Zitat aus Schlegels
Shakespeare-Übersetzung.
Auch in der Biographie Kreislers erscheint der Held als Hundeliebhaber. I 386
erwähnt er Abraham gegenüber den „sehr würdigen Bullenbeißer“ Hektor, „der
unbeschreibliche Liebe und Treue zu mir hegte“; in Wiederholung der Berganza-
Szene möchte er ihn „dem fürstlichen Namensvetter in die Rockschöße hetzen“,
um ihn von Julien fortzubringen. Später sagt er (I S. 33 u) gleichfalls zu Abraham,
er gebe „dem Geschlecht der Hunde bei weitem den Vorzug“ vor den Katzen. Dies¬
mal wollte der Dichter ihm aber einen Kater beigeben.
Der Kater Murr hält die Mitte zwischen dem treuen Berganza und dem gebilde¬
ten Milo 1 , oder vielmehr, er vereinigt die Eigenschaften beider: er ist ganz Haus¬
tier wie jener und ganz Bildungsphilister (um Nietzsches Wort vorwegzunehmen)
wie dieser — wenn er sich auch in der menschlichen Sprache nur schriftlich aus-
drücken kann. Seine Zusammenstellung mit Kreisler hätte sicherlich eine Reihe
burlesker Szenen ergeben; neben dem pathetisch-sentimentalen Kreisler hätte der
„witzige“ „Pulcinell“ (S. 36 M) Murr sich in der Tat ausgemacht wie Sancho Pansa
neben Don Quixote 2 .
Kreisler verläßt aus Abscheu vor Rossini, Pucitta pp seine Stelle in der Residenz
(I 124ff); Murr bricht über eine Rossinische Arie in lautes Freudengeschrei aus
(I 374). Der Kater spricht Kreislers Sprache, parodiert sie aber durch seine
Gesinnung: vgl. Kreisler über die Wirkung von Juliens Gesang (I 128 und
240/41) mit Murr über die von Miesmies’ Niesen 1333. (Gleich darauf (336)
heißt es, beim Wiedersehn am andern Tage: „wie wallte in meiner Brust das Ent¬
zücken, die unnennbare Wonne des Liebesgefühls“.) Wir haben hier einen kleinen
Ansatz zu einer Gegenüberstellung Kreislers und Murrs in dem Sinne, in dem
zwei Jahrhunderte früher Shakespeare und Cervantes die edle und die gemeine
Natur kontrastiert hatten, und in der Tat wollte Hoffmann, wie wir in dem an¬
gehängten Aufsatz nachweisen werden, die beiden Typen aktiv gegen einander
1. Hoffmann selbst erinnert I 271, Z. 6-9 an seinen Berganza; Ellinger hat außer auf ihn mit
Recht namentlich auf den schreibenden Affen als Vorläufer Murrs hingewiesen (IX, 9), das
Verhältnis der beiden Tiere zu Kreisler aber nicht beachtet.
2. Grisebach braucht diesen Vergleich CVI; wie wir auf S. 353 und 357 ausgeführt, trifft er
leider nur auf Hoffmanns Absicht zu, nicht auf das dann wirklich ausgeführte Werk.
341
spielen lassen; leider hat er diese Absicht jedoch im Dezember 1821 aufgegeben,
und es bleibt bei der Einleitung, der abwechselnden Vorführung in zwei getrenn¬
ten Handlungen.
Daß der Schöpfer des Berganza und des Milo jetzt seinen Stubenkameraden
Murr in die Literatur einführte, erklärt sich aus dem bisher Gesagten wohl zu Genüge,
ohne daß wir fremde literarische Einflüsse zu suchen brauchen. Immerhin seien
der Kuriosität wegen drei literarische Katzen der Jahrhundertwende genannt:
1) Zunächst habe ich hier das Vergnügen, einen hübschen Fund mitzuteilen, den
der namentlich um Kleist verdiente Literarhistoriker Paul Hoffmann in
Frankfurt a. d. Oder gemacht und mir im April 1912 gütigst zur Verfügung ge¬
stellt hat. Herr Hoffmann fand bei Durchsicht des ‘Neuen Berlinischen Intelli¬
genz-Blattes zum Nutzen und Besten des Publici’ in der Nummer 283 vom 25.
November 1796 folgende
Klagen des Katers Murr.
In einem Park bey finstrer Nacht,
Wurd’ ich auf fremden Hof gebracht.
O! was mein Vetter P. wohl denkt.
Daß er mich an den B. verschenkt!
Ich hab’ mein Schicksal nachgedacht
Und mich im stillen fortgemacht.
Doch will ich meinen P. nicht kränken.
Nein; sein will ich im Tod’ noch denken,
Mein Fleisch, mein Balg, sey alles Dein,
So bald’ ich werd’ gestorben seyn.
Einen dichterischen Kater Murr gab es also schon in Berlin, ehe Hoffmann die
Stadt gesehen hatte. Bei Hoffmanns Neigung, alte Scharteken nach Stoffen für
seine Produktion zu durchblättern, ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu
weisen, daß er dies Poem gelesen und daraufhin seinem Kater den Namen Murr
und die Neigung zum „Versleinmachen“ verliehen hat.
2) Im Jahre darauf, 1797, führte Tiecks ‘Gestiefelter Kater’ den Kater in die
höhere Literatur ein, allerdings nur als Helden einer satirischen Dichtung, nicht
als Schriftsteller. Er wird in unserm Buche öfters zitiert.
3) Abermals fünf Jahre später, 1802, erschienen in Paris Autobiographien einer
Katze Blanchette (‘Histoire d’une chatte ecrite par eile meme’) und eines Hundes
(‘Histoire d’un chien’). Leppmann gibt in seinem 1908 bei Beck in München
erschienen Buch ‘Kater Murr und seine Sippe’ (S. 19-22) den Inhalt der ersteren
an, erklärt jedoch - jedenfalls mit Recht - die mehrfachen Ähnlichkeiten mit
Murrs Autobiographie für bloße Folgen der gleichen Motivwahl.
Als deutsches Gegenstück möge noch genannt sein die 1804/05 bei Theo¬
dor Seeger in Leipzig erschienene ‘Lebensgeschichte der mecklenburgischen
Stute Amante. Von ihr selbst erzählt und ins Reine gebracht von Valentin
Trichter’ [= Christian Ehrenfried Seyffert von Tennecker ].
Die menschlichen, historischen Modelle, die Hoffmann bei der Schilderung des
Katers im ersten und im dritten Abschnitt vorgeschwebt haben, werden suis locis
gezeigt werden.
342
2. Das erste Doppelstück aus dem Mai 1819
In dem zuerst konzipierten Fragment der Biographie Kreislers wird erzählt, wie
der Held in seiner eigenen Wohnung den Besuch seines väterlichen Freundes und
Meisters Abraham Liscov erhält, der sich von ihm verabschieden will, um eine
Reise anzutreten. Liscov berichtet bei dieser Gelegenheit auf Kreislers Wunsch von
einem Hoffest, das ,,schon ziemlich lange her ist“ (I 15, Z. 7). Er erzählt dann
weiter, wie er auf der Heimkehr von diesem Feste einen Kater gefunden
und wie er diesen dann großgezogen habe. Der Kater, den er Murr genannt, habe
gute Anlagen, insofern er artig, gescheit und witzig sei; dagegen fehle ihm noch
die höhere Bildung, und diese könne Kreisler ihm besser beibringen als er, Abra¬
ham (I 33, Z. 9—11). Er wolle den Kater deshalb fernerhin Kreislern überlassen
und habe ihn zu diesem Zwecke bereits mitgebracht. Kreisler stellt fest, daß der
Kater noch jung ist (I 35, Z. 5); er willigt nach einigem Sträuben ein, Murr
wenigstens so lange bei sich zu behalten, bis Meister Abraham von seiner Reise
zurückgekehrt. In diesem Doppelstück ist auch inhaltlich eine gewisse Ent¬
sprechung durchgeführt. Murr philosophiert 13—4 über die Vernunft des Men¬
schen, Kreisler I 36/37 über das Geistesvermögen der Tiere.
Hoffmanns Absicht war es nun, von hier aus die Erzählung rückwärts und vor¬
wärts weiterzuführen: einerseits wollte er nachholend die getrennten Erleb¬
nisse Kreislers und Murrs vor jenem Besuche Abrahams mitteilen, andrerseits
beabsichtigte er — und gewiß sollte dies die Hauptsache werden — Kreislers und
Murrs gemeinsames Leben seit ihrer Begegnung vorzuführen.
Die Erlebnisse sowohl des Kapellmeisters wie des Katers wollte Hoffmann aber
nicht im eigenen Namen schildern, sondern jene von einem unbekannten Dritten,
diese von Murr selbst berichten lassen. Dieser spielerisch komplizierten Technik
wegen ist das Doppelwerk von einem Zeitgenossen (im Weimarer Literarischen
Wochenblatt, s. u.) mit Gustav Schillings ‘Roman im Romane’ 1 verglichen, von
Cerny wohl mit mehr Recht auf Jean Paul zurückgeführt (1908 im Programm
des k. k. Staats-Ober-Gymnasiums in Mies, S. 19 ff; 1909 im ‘Euphorion’ Bd. 16,
Heft 2 u. 3, S. 512 f). Das erste Stückchen von Murrs Buch führte Hoffmann
sogleich aus und stellte es der gewählten Einkleidung zuliebe vor das erste Kreisler¬
fragment.
Daß dieses Fragment, das Programm für den ganzen überhaupt ausgeführ¬
ten Teil des Doppelwerkes, früher konzipiert ist als das erste Murr-Stückchen,
liegt auf der Hand. Murrs Aufenthalt in dem „engen Behältniß mit weichen
Wänden“ ist z. B. nur dem verständlich, der von Meister Abraham weiß, daß
dieser den Kater gerettet und in seine Rocktasche gesteckt hat.
Am Schlüsse erwähnt Hoffmann darin als regelmäßige Besucher des Meisters
Abraham einen Fürsten und eine kleine dicke Jüdin.
Hoffmann nannte Murrs Schrift ‘Lebens-Ansichten’, und in der Tat läßt er den
Kater mit Hymnen auf das Leben und die Natur beginnen; dann kommt er aber ins
Biographische und bleibt dabei. Nur einmal läßt er den Kater die Erzählung ab¬
brechen und schiebt die Wiedergabe einer gegenwärtigen Stimmung in der Art des
eben besprochenen Anfangs ein: I 327, Z. 20 — 332, Z. 21.
1. ‘Der Roman im Romane, oder Siegfrieds Angelo’ erschien 1802 in 2 Teilen mit Kupfern bei
Arnold in Dresden; das Buch war in dem ‘Neuen Leseinstitut’ von C.F. Kunz in Bamberg
(Katalog Nr. 3369-70) vorhanden [F.S.].
343
3. Der Rest des ersten Abschnitts
(Murrs literarische Ausbildung): Juni und Juli 1819
Hoffmann führte zunächst beide Pläne flott weiter: am 4. Juni schreibt er an
seinen Landsmann Johann Daniel Symanski, „eine litterarische Arbeit“ feßle ihn
so sehr, daß er „in andern Dingen an einiger Vergessenheit laborire“.
Er erledigte zunächst neben vier weiteren Fragmenten der Biographie Kreislers
den ersten Abschnitt von Murrs Schrift. Der Fürst und die Jüdin verschwinden
völlig aus Murrs Buch, spielen aber in der Biographie Kreislers wichtige Rollen
als Fürst Irenäus und Räthin Benzon (denn mit der jüdischen Dame, die als ein¬
zige Frau in Sieghartsweiler den Meister Abraham vertraulich „Mein Lieber“ zu
nennen wagt, kann doch nur Juliens Mutter gemeint sein). Die Handlungen des
Murr-Buchs und der Kreisler-Biographie werden nunmehr gänzlich von einander
gesondert. In dem gesamten ausgeführten Rest des Katerbuchs wird Kreislers
Name nur noch zweimal genannt (II 355 M/u in einer hypothetischen Ankündi¬
gung, am Schluß in dem Anhang des 4. Abschnitts II 406); in der Biographie
Kreislers ist von Murr auch nicht andeutungsweise mehr die Rede - aus dem
Grunde, weil Murr noch nicht existiert, als Abraham am Schluß des II. Bandes
Kreisler nach Sieghartsweiler einlädt. — Wir können und dürfen hier also die
Biographie Kreislers nicht im einzelnen analysieren.
In Murrs Buch wird nunmehr dessen Knaben- und Jünglingszeit geschildert: seine
erste moralische Ausbildung, die Erlernung von Lesen und Schreiben, aber auch
schon die Entstehung der ersten drei Schriften. Darauf folgt sein Zusammen¬
treffen mit seiner Mutter und namentlich die Bekanntschaft mit dem Pudel
Ponto, der hinfort als Gegenspieler Murrs erscheint, wie sein Herr Lothario als
Gegenspieler des Meisters Abraham. Pontos und Lotharios Denunziation von
Murrs Schriftstellerei bilden den Schluß dieses Abschnittes; dieses Ereignis be¬
zeichnet den „Uebertritt in die Jahre der reiferen Bildung“ (106 u). Für das
Folgende verspricht uns der Autobiograph die,.eigentlichen Jünglingsmonats, die an
das männliche Alter streifen“ (1145 M/o).
Wie gewöhnlich hat Hoffmann deutlich auf das Urbild angespielt, das ihm bei
dieser Erziehungsgeschichte vorschwebte und das natürlich kein Kater, sondern
ein Mensch war, nämlich der Wunderknabe Karl Witte 1 .
Karl Wittes Sohn, der Superintendent a. D. Prof. D. Leopold Witte zu Halle a. d.
Saale, hat 1898 eine Skizze von seines Vaters Leben in der ADB veröffentlicht,
der wir hier folgen. Danach ist das menschliche Urbild des Katers Murr am 1.
Februar 1800 zu Lochau bei Halle geboren.
1. Daß die Unterhaltung zwischen dem Gymnasialprofessor Lothario und dem Meister Abra¬
ham (bes. I 131-134), die ich nachzulesen bitte, sich auf diesen Jüngling bezieht, hat
Ellinger mir bereits im Dezember 1910 gütigst mitgeteilt und XV 264 (zu IX 81) wieder¬
holt: der von Lothario (I 132 u) formulierte und mit Recht als heillos bezeichnete „Grund¬
satz“ ist eine etwas übertriebene Zusammenfassung zweier Stellen aus der ‘Erziehungs- und
Bildungs-Geschichte’Wittes, die dessen Vater und Dresseur verfaßt hat „gedruckt in Berlin
unter den Augen des Verfassers“; das Vorwort ist in Berlin am 10. April 1819 unterzeich¬
net. Es scheint mir aber keinem Zweifel zu unterliegen, daß die Beziehungen von Hoff-
manns Satire auf das gelehrte Wunderkind noch viel weiter gehen.
Zu 1106 M/u vgl. Witte Bd. I, Bl. IV: „Was mein Sohn also ist...“
er ist...“.
und „wie er wurde, was
Mit vier Jahren lernte er lesen; um die Mutter, bei einer längeren Abwesen¬
heit des Vaters, zu überraschen, eignete er sich heimlich die Formen der
gedruckten Buchstaben auch für die schriftliche Wiedergabe an und wurde
so sein eigner Schreiblehrer, — freilich mit dem Ergebnisse einer Hand¬
schrift, welcher alle Haar- und Verbindungsstriche fehlten, und die noch
des Greises Manuscripte wie gedruckt erscheinen ließ.
1810 wurde er als stud. phil. in Leipzig immatrikuliert, ging dann aber auf die
Universität Göttingen über, wo er durcheinander Geschichte, PhÜologie, Natur¬
geschichte und Mathematik studierte und mit 12-j seine erste Schrift über ein
Problem der höheren Mathematik drucken ließ (vgl. damit den kostbaren Anfang
von Murrs drittem Abschnitt!). 1814 wurde er zum Dr. phil. honoris causa er¬
nannt, und da nun die philosophische Fakultät ihm nichts mehr zu bieten hatte,
fing er in Heidelberg mit frischem Mute an — die Rechte zu studieren. 1816
promovierte er rite zum Dr. jur. und gedachte sich nun (wie der Gymnasial¬
professor Lothario 1269 fürchtet) in Berlin als Privatdozent zu habilitieren.
„Aber“, erzählt uns sein Sohn,
aber Fakultät und Studentenschaft machten Schwierigkeiten. Die Probe¬
vorlesung am 25. Januar 1817 über „das Schicksal der Mitgift nach getrenn¬
ter Ehe mit Berücksichtigung sowol des vorjustinianischen, wie des justini¬
anischen Rechtes“ verlief äußerst stürmisch; das größte Auditorium mußte
noch mit der Aula vertauscht werden, um die zugeströmten Massen der
Zuhörer zu fassen. In der ersten Viertelstunde konnte der junge Docent
vor lauter Scharren, Pfeifen, Schreien, Trampeln und Pochen nicht zu
Worte kommen. Zuletzt schlug er die mitgebrachten Scripturen zu und rief
in die stürmische Versammlung hinein: „Ich werde meine Vorlesung Män¬
nern vortragen, die humaner denken, als Sie“. Das beschwichtigte die
Masse, und unter donnerndem Applaus ließen sie nun den Jüngling frei
und ohne Manuscript seine Vorlesung zu Ende halten.
Vermutlich hat Hoffmann sich dieses große Spectaculum nicht entgehen lassen;
wir hören (I 276, 327 u), wie Murr diese Ehre und dieses Martyrium voraus¬
ahnt. - In der Tat kehrte Witte dem undankbaren Berlin schleunigst den Rücken
und ging auf mehrere Jahre nach Italien. Über sein weiteres Geschick werden wir
am Schluß des IV. Abschnitts berichten. -
Bei dem Aesthetiker Lothario schwebt Hoffmann möglicherweise derselbe
Aesthetiker vor [Samuel Heinrich Catel], den er (etwa im Mai desselben Jahres) im
Schlußkapitel der ‘Brautwahl’ bekämpft hatte. (Vgl. besonders Murrs Stoßseufzer
II 152 letzte Zeile - 153, Z. 1.)
Nachdem Hoffmann den ersten Abschnitt des Doppelwerks vollendet, übergab er
die Blätter dem Verleger des ‘Zaches’, Ferdinand Dümmler, zum Druck; anschei¬
nend ohne ihm über Inhalt und Umfang schon nähere Angaben machen zu kön¬
nen. Mitte Juli begab er sich dann frohgemut auf die Reise in das schlesisch¬
böhmische Gebirge.
Dümmler zeigte im Leipziger Meßkatalog für die Michaelismesse 1819 als fertiges
Buch [in Einem Bande!] an:
Hoffmann, E. T. A., (Verf. des Klein-Zaches) Lebensgeschichte[!] des
Kater[!] Murr. 8. Berlin, Dümmler.
345
4. Die Pause in der Arbeit während der Reise:
Mitte Juli — September 1819
Hoffmanns und Dümmlers gemeinsamer Freund Hitzig, der in Berlin blieb, las
dort die Korrekturen; Hoffmann zeichnete derweil in Warmbrunn wohlgemut ein
Porträt des literarischen Katers mit der Umschrift ‘Der junge Autor seinem viel¬
geliebten Correktor’ und ließ es in einen kristallenen Prachtpokal schneiden. Ein
wenig schriftstellerte er auch unterwegs, aber wohl weniger an dem schwierigen
Doppelroman als am ‘Zusammenhang der Dinge’, mit dem es 25 Dukaten vom
Zeitschriftverleger Schickh in Wien zu verdienen gab.
Am Morgen nach der Rückkehr, im September, überbrachte Hoffmann Hitzig das
Dankgeschenk. Die Freude über die ihm abgenommene Arbeit sollte indes nicht
lange währen: in den elf Bogen des ersten Abschnitts (A-L; auf Bl. 3 des Bogens
M beginnt der zweite) fand er alsbald eine Reihe von wahrhaft fürchterlichen
Druckfehlern, die Hitzig übersehen hatte 1 und die dem Verfasser geradezu das
Buch hätten verleiden können; Hoffmann stellte sie dann im November öffent¬
lich richtig.
5. D er zweite Abschnitt: Oktober — November 1819
Zunächst ging er daran, den zweiten Abschnitt zu schreiben: er hatte Grund sich
zu beeilen, da das Buch noch zu Weihnachten erscheinen sollte. Nach dem im
ersten Fragment gegebenen Programm sollte der Kater, der dort noch „in der
Jugend“ steht (35, Z. 5), die höhere Bildung von Kreisler empfangen und hätte
also wohl schon im Verlaufe des ersten Abschnitts zu diesem kommen müssen.
Wenn Hoffmann im Gegenteil jetzt Murrs Aufenthaltswechsel bis auf weiteres
verschob, so tat er das offenbar deswegen, weil die Biographie Kreislers noch
ganz in den Anfängen steckte und weil die Verwirrung auch für Hoffmann selbst
und seine geduldigsten Leser unerträglich geworden wäre, wenn Kreisler ab¬
wechselnd bei Murr als älterer und bei seinem Biographen als jüngerer Mann auf¬
getreten wäre. Ersichtlich durfte also Murr im Buche erst dann zu Kreisler
kommen, wenn auch dessen Leben in der Biographie fortgeführt war bis zu
jenem Besuche des Meisters Abraham, wo Kreisler den Kater übernahm. Hoff¬
mann ließ den Kater also nicht nur die Kindheit und Knabenzeit, sondern auch
das im zweiten Abschnitt zu behandelnde Jünglingsalter noch bei Abraham ver¬
bringen.
Die erste Hälfte dieses zweiten Abschnitts gibt, wie ein Blick ins Inhalts-
Verzeichnis zeigt, vornehmlich Murrs Abenteuer bei seinem unfreiwilligen
Ausflug in die Welt und die Ereignisse des folgenden Tages wieder; diese erhiel¬
ten, namentlich durch die Einschaltung von Pontos Bericht über die beiden
Freunde Walter und Formosus, eine solche Ausdehnung, daß Hoffmann selber
gegen Schluß (I 262 M/u) die Zeit irrtümlich auf „ein paar Tage“ taxierte. - Das
erste wichtige Erlebnis Murrs nach der Heimkehr ist das Attentat des Aestheti-
kers Lothario auf ihn. Hatte Hoffmann diesen im ersten Abschnitt (bes. I 132,
1. Allein im zweiten Bogen erschien ein lustiger Page statt eines luftigen, Kreisler schlug eine
rührende Lache auf statt einer rasenden und schalt heftig im Zimmer auf und ab statt daß
er schritt ! So geht es weiter.
346
Z. 19-23) als den Vertreter wahrer Wissenschaft und Kunst dem Karl-Witte-
ähnlichen Kater gegenüber gestellt, so erscheint er jetzt, nachdem Hoffmann
größeres Interesse für den Kater gewonnen, in nicht so günstigem Lichte; bes.
I 268, Z. 16—269, Z. 12 und I 274, Z. 17—23 wird er entschieden weniger von
der Sorge um Ideale als von materiellen Erwägungen bestimmt. Auch die äußere
Stellung des Aesthetikers hat Hoffmann unwillkürlich verändert: offenbar denkt
er ihn sich jetzt nicht mehr als Gymnasiallehrer in einer Kleinstadt, sondern als
Universitätsprofessor etwa in Berlin; Lothario fürchtet Murrs Konkurrenz in
dieser Stellung. Ganz zweifellos wird diese Auffassung Lotharios in den Teilen
von 1821; s. u. IV 2.
Auf den Bericht über diesen ereignisreichen Tag folgte (nach fünfzig Seiten
Kreislerbiographie!) ein Intermezzo, das wir Murrs Apotheose nennen möchten,
weil er sich darin mit dem überirdisch leuchtenden Kometen identifiziert. Dieses
Stück scheint Hoffmann bei der Zeichnung für den Vorderdeckel des Buches
vorgeschwebt zu haben: Murr ist an den Schreibtisch auf dem Dache zurück¬
gekehrt (I 328 o) und sieht über seinem Haupte den Kometen flammen (I 329
M/u). Zu vergleichen sind auch die verwandten Schilderungen I 29/30 und 139/40.
Die zweite Hälfte des zweiten Abschnitts enthält die Vorgeschichte und Ge¬
schichte von Murrs Ehe.
Die Geschichte Kreislers wurde unterdes in fünf weiteren Fragmenten (VI—X)
weitergeführt bis zu Hektors Überfall auf Kreisler und die Flucht beider aus
Sieghartsweiler. Auch hier hat — wie für die Figur des Lothario — die Unter¬
brechung der Arbeit durch die schlesische Reise eine kleine Unstimmigkeit ver¬
schuldet. Das II. und das III. Fragment stimmten darin überein, daß Irenaus bis
zu seiner Mediatisierung und vor ihm sein Vater ein „Ländchen nicht fern von
Sieghartsweiler” regierten und in einem (nicht genannten) Marktflecken desselben
residierten, von dem aus mit einem guten Fernrohr das ganze Land zu übersehen war
(I 52o). Nach dem Verluste der Souveränität wies der Großherzog, „der das Länd¬
chen des Fürsten Irenäus verspeist“ (1213 M/o) diesem die Stadt Sieghartsweiler als
Aufenthalt an, und Irenäus richtete nunmehr in diesem ihm bisher fremden
Ort eine „chimärische Hofhaltung“ ein (151 f, 66 Z. 9—10, 77 Z. 1—2). Jetzt
dagegen heißt es im VIII. Fragment, daß schon der alte Fürst in Sieghartsweiler
residiert habe (I 325) und daß Abraham dort und Chiara in Sieghartshof gewohnt
hätten, bis Chiara nach dem Tode des alten Fürsten verschwunden sei
(I 326/27).
Die zweite Hälfte des zweiten Abschnitts von Murrs Autobiographie, die, wie
gesagt, Murrs Liebe und Ehe behandelt, ist die einzige Partie des Werkes, in der
eine innere Beziehung zur Biographie Kreislers zu entdecken ist. (Damit soll
nicht etwa gesagt sein, daß die Verteidiger der Einheit des Doppelwerkes — ich
denke besonders an Otto Julius Bierbaum — das gemerkt hätten.) Ich halte näm¬
lich Murrs Liebesleiden für eine Parodie der Erlebnisse, die Kreisler in den Wahn¬
sinn treiben sollten.
Kreisler liebt an Julien in erster Linie den ebenso kunstreichen wie gefühlvollen
Gesang. Wir erinnern an drei Stellen. Im dritten Fragment heißt es(I 87 M/u):
(Julia) verlor sich in allerlei zierliche Melismen, gewagte Läufe und
Capriccios . . .
347
Kreisler sagt ihr (I 91 M/u):
als Sie sangen, aller sehnsüchtige Schmerz der Liebe, alles Entzücken
süsser Träume, die Hoffnung, das Verlangen wogte durch den Wald.
Ausführlicher berichtet das siebente Fragment über Juliens Gesang: Kreisler be¬
gleitet Julien das große Recitativ der Klytemnestra aus Glucks ‘Iphigenia in Aulis’
(I 242 f);
jeder fühlte seine Brust beengt von süssem nahmenlosen Weh, erst ein paar
Augenblicke nachher, als sie geendet, brach das Entzücken los im stürmi¬
schen ungemessensten Beifall.
Nur Kreisler bleibt stumm. —
Später (I 247 f) singt dann Julia mit ihm zusammen das Duett „Ah che mi manca
l’anima“, das Kreisler „in der höchsten Aufregung des Gemüths, mit einer Inbrunst
komponirt“ hatte, „die beim Vortrage jeden . .. unwiderstehlich hinreißen mußte“.
Kurz darauf heißt es wieder (I 300, im achten Stück) von Kreisler:
Da hörte er Julias Gesang, und ein unnennbar süsses Weh durchbebte sein
Inneres.
Man vergleiche da mit die Stellen über Miesmies’ Töne und deren Wirku ng auf Murr.
Die erste, im IX. Doppelstück (I 3 3 3—33 4) ist die frechste. Ganz in der Wortwahl des
letzten Zitates heißt es:
O der Ton durchbebte mein Innerstes mit süßen Schauem, meine Pulse
schlugen — mein Blut wallte siedend durch alle Adern, - mein Herz wollte
zerspringen, - alles unnennbar schmerzliche Entzücken, das mich außer mir
selbst setzte, strömte heraus . . .
davor steht aber: „Das holde Kind schien mich nicht zu erschauen, es blickte in die
Sonne, blinzelte und nieste“ und danach: „in dem lang gehaltenen Miau! das ich
ausstieß.“ Toller hätte es Heine auch nicht treiben können.
Ausführlich wird Miesmies’ Kunst im zehnten Doppelstück gewürdigt; hier handelt
es sich wie im 7. Fragment der Kreislerbiographie um das Zusammenwirken des
Liebhabers und der Geliebten und ebenfalls z. T. um eigne Kompositionen des
ersteren:
Miesmies sang nun mit seltner Geläufigkeit, mit ungemeinem Ausdruck, mit
höchster Eleganz das bekannte: Di tanti palpiti etc. etc. Von der heroischen
Stärke des Recitativs stieg sie herrlich hinein in die wahrhaft kätzliche Süssig-
keit des Andantes. Die Arie schien ganz für sie geschrieben, so daß auch mein
Herz überströmte und ich in ein lautes Freudengeschrei ausbrach. Ha!
- Miesmies mußte mit dieser Arie eine Welt fühlender Katerseelen begei¬
stern! - (I 373 f.)
Schon in dem vorhergehenden Duett hatte sich Miesmies als „wackere Sängerin“
gezeigt, und das folgende Duett „aus einer ganz neuen Oper“ ging „herrlich“, „da es
ganz und gar für uns geschrieben schien“. Ja, „Miesmies war so musikalisch“,
konstatiert Murr (I 376), „daß wir Beide auf das anmuthigste mit einander zu
fantasiren vermochten“.
Zuletzt sang sie meine eignen Melodieenherrlich nach, darüber wollte ich denn
nun ganz und gar närrisch werden, und quälte mich schrecklich ab in meiner
Liebespein, so daß ich ganz blaß, mager und elend wurde. —
348
Dieser letzte Umstand, daß die Geliebte die eigenen Melodien des Liebhabers singt
und diesen damit vollends liebekrank macht, ist zweifellos auf den Kapellmeister
Kreisler und dessen Schülerin gemünzt; denn Murr erscheint sonst (168, 373) zwar als
^kunstfertiger Sänger, nie aber als Tonschöpfer.
Aber mit dieser Parallele ist es nicht getan. Der geliebten Sängerin naht ein schöner
und tapferer Krieger als Verführer. Im IX. Fragment heißt es(1345-346):
Prinz Hektor, der zu nichts wenigerem aufgelegt, als zum stillen, friedlichen
Leben, der, unerachtet ihm der Fürstenstuhl unter den Beinen weggezogen,
doch gern aufrecht stehen, und statt zu regieren, wenigstens kommandiren
wollte, nahm französische Dienste, war ungemein tapfer, ging aber [dann]. . .
nach Neapel, und zog statt der französischen Uniform eine neapolitanische an.
Er wurde nehmlich so geschwinde General, wie es nur irgend einem Prinzen
geschehen kann. -
Er kommt an den Hof nach Sieghartsweiler: der schöne Fremdling in der
schönen Uniform
entfaltete nun vor der Prinzessin den bunten prahlenden Pfauenschweif
seiner Galanterie ... Er bewährte sich als ein Meister in der Kunst, zu der
Dame so zu sprechen, daß alles, alles sich gestaltet als ein Hymnus, der ihre
Schönheit, ihre Anmuth preißt. (I 352.)
Der Räthin Benzon ist er „der schönste liebenswürdigste Mann“ (I 358). Im
darauf folgenden (zehnten) Fetzen von Murrs Autobiographie (I 379) marschiert
das genau entsprechende Gegenstück auf:
Ein Jüngling, der im Felde gedient, war zurückgekehrt . . . Schön von Figur,
herkulisch gebaut, wozu noch kam, daß er eine reiche fremde Uniform trug,
schwarz, grau und gelb, und wegen bewiesener Tapferkeit, als er mit wenigen
Kameraden einen ganzen Speicher von Mäusen reinigen wollen, das Ehren¬
zeichen des gebrannten Specks auf der Brust trug, fiel er allen Mädchen und
Frauen in der Gegend auf. Alle Herzen schlugen ihm entgegen, wenn er auftrat
keck und kühn, den Kopf emporgehoben, feurige Blicke um sich werfend.
„Der hatte sich“, heißt es lakonisch weiter, „in meine Miesmies verliebt, sie war
ihm eben so mit Liebe entgegengekommen“.
Entsprechend sagt dann Kreisler im zehnten Fragment der Biographie (I 385):
diese Ruhe scheint mir bedrohlicher, als der wüthendste Sturm. Es ist die
dumpfe taube Schwüle vor dem zerstörenden Gewitter . .. Julia lächelt ihn
(Hektorn) an auf ihre holdseelige Weise, und läßt sich seine Galanterien
gefallen ...
Und Abraham erwidert (I 387 u):
Unter der schönen Hülle - die werdet Ihr ihm nicht absprechen - liegt gif¬
tige Verderbtheit, ich möchte lieber sagen, Verruchtheit, verborgen. — Er
führt Böses im Schilde — er hat, aus vielem was sich zugetragen weiß ich’s, er
hat es abgesehen auf die holde Julia. —
Es kann hier nur flüchtig erwähnt werden, wie der Verführer im zweiten Bande
seinem Ziele näher kommt. Gegen Schluß des XIV. Fragments heißt es (II 203):
Mit dem Gedanken an den Prinzen, an jene gefahrvollen Augenblicke regte
sich in Julia’s tiefster Brust eine Empfindung, deren Bedrohlichkeit nur
daran zu erkennen, daß sie die Schaam weckte, die das wallende Blut ihr in
349
die Wangen, heiße Thränen ihr in die Augen trieb ... Es ist hier noch wieder¬
holt zu bemerken, daß Prinz Hektor der schönste liebenswürdigste Mann war,
den man nur sehen konnte, daß seine Kunst zu gefallen auf die tiefe Weiber-
kenntniß gegründet war, die ihm das Leben voll glücklicher Abentheuer er¬
worben und daß eben ein junges unbefangenes Mädchen wohl erschrecken
mochte vor der siegenden Kraft seines Blicks, seines ganzen Wesens.
Und gegen Schluß des XVI. Fragments - des letzten in Sieghartsweiler spielenden
- steht folgender nachdenklicher Dialog zwischen Julien und Meister Abraham (II
345 f):
(Abraham:) . . . Was hast du von bedrohlichen Anschlägen zu fürchten,
wenn Standhaftigkeit, Liebe und Muth dich schützen vor den Bösen, die dir
nachstellen.
Barmherziger Himmel, rief Julia mit emporgerichtetem Blick, schütze mich
nur vor mir selber! Sie erbebte wie im jähen Schreck über die Worte die sie
Willenlos ausgestoßen. Halb ohnmächtig sank sie in den Sessel und bedeckte
mit beiden Händen ihr glühendes Antlitz.
Ich verstehe, sprach der Meister, ich verstehe dich nicht Mädchen, du
verstehst dich vielleicht selbst nicht und darum magst du dein eignes Innres
recht auf den Grund erforschen und dir nichts etwa verschweigen aus weich¬
licher Schonung. —
Danach besteht kaum ein Zweifel daran, daß auch Julie dem Verführer erliegen
sollte, obwohl bei ihr die Hemmungen größer sind als bei - Miesmies.
Wenn man will, kann man auch das Duell zwischen Murr und dem Schwarzgrau¬
gelben, das Hoffmann 1821 erfunden hat, in Parallele setzen mit dem Rencontre
zwischen Kreisler und Hektor, mit dem Hoffmann in der Biographie Kreislers 1819
geschlossen und 1821 wieder begonnen hatte. Allerdings sind die Motive verschie¬
den.
Für den Leser, der die Biographie Kreislers im allgemeinen und die Figur der Julia
im besonderen liebt, ist es schwer, diese Parallelen zu ertragen; eine Selbstpersiflage
von dieser Rücksichtslosigkeit wird mancher Hoffmann nicht Zutrauen. Aber jeder
Künstler pflegt mit seinen Figuren rauher umzugehn als der verehrende Leser es
möchte: er hat sie immerhin gemacht und kann sie tanzen lassen. Wir brauchen gar
nicht die üblichen Beispiele Brentano und Heine zu nennen; es genügt, an Goethes
Verhöhnung seines Werther zu denken und an Nietzsches Motto
Ich wohne in meinem eignen Haus,
Hab niemandem nie nichts nachgemacht
Und lachte noch jeden Meister aus,
Der nicht sich selber ausgelacht.
Nur spezifische Theaterleute wie Schiller und Wagner und spezifische Oden¬
dichter wie Klopstock, Platen, George, haben das Vorrecht, keinen Humor in
diesem Sinne zu haben.
Im November schrieb Hoffmann dann das “Vorwort des Herausgebers“; seine
Behauptung, vorm Druck nur den „Eingang der Historie“ angesehn zu haben,
stimmt nicht mit seinen Bemerkungen zu I S. XII und 335, Note; II 106/107.
Was auffallender ist: die Fiktion der aus reiner Unachtsamkeit mit Fragmenten der
Kreisler-Biographie durcheinander geratenen Lebensansichten Murrs wird durch die
jeweils Vorgesetzten eingeklammerten „(Mak. Bl.)” und ,,(M. f.f.)” zerstört. Unbe¬
greiflich, daß Hoffmann nicht statt dessen verschiedene Schriftgattung gewählt hat.
350
II. DIE GROSSE UNTERBRECHUNG: DEZEMBER 1819 - JULI 1821
1. Mitte Dezember 1819 — Mitte Dezember 1820
Einstweilen ruhte der Erzähler sich befriedigt aus, versandte das Buch an litera¬
rische Freunde (20. Dezember 1819 an den alten Gast der Seraphinen-Ab ende,
Ludwig Robert: „Kater Murr empfiehlt sich angelegentlich und bittet um Ihre
gütige Protektion)“ und genoß (oder ignorierte) die Rezensionen 1 .
Zum 2. März 1820 sandte er an Johanna Eunike ein Geburtstagssonett im
Namen von
Murr
Etudiant en helles lettres
et chanteur tr£s renomme
mit dem Schluß:
Verschleuß Dein Ohr nicht bangem Sehnsuchtswüthen
Käterchen Murr klagt auch romant’sche Schmerzen.
Im Ostermeßkatalog 1820 kündigte Dümmler hoffnungsfreudig den zweiten Band
als demnächst erscheinend an, aber der Autor dachte nicht daran, das Wort des
Verlegers einzulösen.
Am 1. Mai sandte Hoffmann den ersten Band an Freund Speyer nach Bamberg:
Ich empfehle Ihnen den höchst weisen und tiefsinnigen Kater Murr, der in
diesem Augenblick neben mir auf einem kleinen Polsterstuhl liegt und sich
1. S. Rosenbaum in Goedeke VIII (1905), S. 495 und aufgrund seiner Liste die Auszüge bei
Ellinger IX 17 f. Nicht von Rosenbaum gefunden ist eine liebenswürdige Besprechung im
Literarischen Wochenblatt. Weimar. Jm Verlage der Gebrüder Hoffmann. Redacteur: Wilh.
Hoffmann. 5. Band No. 22, 1820 März (etwa am 20. März erschienen) unter der Über¬
schrift ‘Katzen-Literatur’:
.Durch obigen dummen Streich des Katers und seines Setzers ist nun allerdings ein
verworrenes Gemisch der fremdartigsten Stoffe entstanden, und in dieser Hinsicht gleicht es
beynahe dem Schillingschen Romane im Romane; allein der aufmerksame Leser findet und
behält dennoch den Zusammenhang, und diese, wiewohl nicht für alle Werke empfehlbare,
Form spannt, möchten wir fast sagen, das Interesse desselben noch mehr. Katzenfeinde,
besonders wenn sie zu der Sorte der recht eingefleischten gehören, die gleich in Ohnmacht
fallen, wenn sie mit einer solchen kleinen zahmen Hyäne in einem und demselben Zimmer
sind, dürfen indessen dies Buch nicht in die Hand nehmen, denn bey der Gabe der leben¬
digen Darstellung, deren sich der Verfasser zu erfreuen hat, sind die Schilderungen, die der
gelehrte Kater Murr vom Katzenleben überhaupt macht, so aus der Wirklichkeit gegriffen,
daß man die ganze Katzenwelt mit ihren Freuden und ihrem Jammer leibhaftig vor sich zu
sehen wähnt. Auch über die Menschen nehmen sich der Herr Kater Murr heraus ihren
mitunter recht scharfen Witz auszulassen, und auf der Höhe seines gewöhnlichen Stand¬
punktes - er hält sich meistenteils auf dem Boden auf - kann man ihm wenigstens die
Möglichkeit eines recht weiten Ueberblickes nicht absprechen.“
351
den außerordentlichsten Gedanken und Fantasien zu überlassen scheint,
denn er spinnt erkleklich! - Ein wirklicher Kater von großer Schönheit
(er ist auf dem Umschläge seines Buchs frappant getroffen) und noch größe¬
rem Verstände, den ich auferzogen, gab mir nehmlich Anlaß zu dem skurilen
Scherz, der das eigentlich sehr ernste Buch durchflicht. -
Fouque, der den Band wohl schon im Winter bei einem persönlichen Beisammen¬
sein erhalten hatte, revanchierte sich am 22. Mai mit seinen ‘Vier Brüdern von der
Weserburg’, die er als Wallborn an Kreisler sendet:
Sie poltern, Kreisler, an die Thüren Euch, daß Murr -
Ingrimmig, gleich dem Oberbaurath — drob miaut,
Und wild an ihnen hinschießt, Feuerzorn im Blick.
Am Schluß des Briefes läßt er sich Hoffmanns Frau empfehlen, und
Dem Murr entbiet’ ich meinen rechten Vorderfuß. —
Nicht näher erwähnt wird der Kater bei der Absendung des Bandes an Hippel,
die erst am 24. Juni geschah. Hoffmann klagt in dem bekannten Begleitbriefe über
die Führung der Demagogen-Untersuchungen, stellt dann mit Befriedigung fest,
daß der Band „in der litterarischen Welt eine sehr günstige Aufnahme gefunden
hat“ und fährt fort:
Es folgen noch zwei Theile, die längst fertig wären, wenn mir nicht aus
oben entwickelten Gründen Zeit und Humor fehlte. —
Immerhin fand Hoffmann zu anderen literarischen Arbeiten ausreichend Zeit; es
waren durchaus nicht die Dienstgeschäfte allein, die ihn abzogen. Bald nach der
Beendigung des ersten Murr-Kreisler-Bandes, noch vor Ostern 1820, schrieb er die
‘Marquise de la Pivardiere’ und die ‘Irrungen’, beides freilich wohl seine flüchtig¬
sten Erzählungen. Im Mai folgte dann der schöne (aus Hirschberg datierte) Brief
‘An die Frau von B.’ in Berlin (mit der Schilderung seiner Fieberphantasien im
Februar 1819, des Besuches im Landhause der Adressatin an jenem Juli-Abend,
den er zu den schönsten seines Lebens zähle, und des Blickes von der Höhe zwi¬
schen Löwenberg und Hirschberg). Darauf machte er sich an die Zusammenstellung
des III. Serapionsbandes (Anfang Juni wurde dafür die ‘Brautwahl’ grausam zusam¬
mengestrichen), an die Übersetzung der ‘Olimpia’ Spontinis, den er am 30. Mai
öffentlich begrüßt hatte, und an das Hauptwerk des Jahres 1820, die ‘Prinzessin
Brambilla’. Nachdem dieses Werk und der dritte Serapionsband vollendet waren,
versuchte Hoffmann im Herbst, unter ausgiebiger Benutzung eines Reiseführers, die
‘Briefe aus den Bergen’ fortzusetzen, gab diese ihm nicht angemessene Feuilleton¬
schreiberei aber im Dezember auf, nachdem er sich zwei (aus Warmbrunn datierte)
Briefe abgerungen.
2. Mitte Dezember 1820 — Sommer 1821
In dieser Zeit mag es gewesen sein, daß er aus der Heimat eine Mahnung erhielt.
Der Musiklehrer Carl Heinrich Saemann in Königsberg, der Sohn von Hoffmanns
altem Zeichenlehrer, sandte „An den Kapellmeister HErrn Johannes Kreisler Wol-
geborn“ einige Lieder von eigener Komposition, die er nicht sowohl nach ihrem
Wert als nach dem guten Willen des Gebers aufzunehmen bittet. In dem Begleit¬
brief heißt es dann:
352
Noch habe ich eine Bitte. Solltest Du [Kreisler] nemlich den Meister Abra¬
ham besuchen, so sei so gut, und melde dem Kater Herrn Murr meinen
gehorsamsten Respeckt, und sage ihm: ich ließe Sr. Wolgeborn gehorsam-
lichst ersuchen, ja recht bald die folgenden Theile seiner intressanten Lebens¬
ansichten an’s Tageslicht zu fördern, auch recht viel Makulaturblätter zwi¬
schen zu legen. Er wird mich schon verstehen. —
In der Tat nahm Hoffmann sich nunmehr ernstlich vor, das Doppelwerk wenig¬
stens im folgenden Jahre zu beenden. Ende Dezember 1820 schreibt er in einem offe¬
nen Brief an den Herausgeber des ‘Zuschauers’, Johann Daniel Symanski — gleichfalls
einen Königsberger — er habe jetzt keine Zeit, den verlangten Beitrag für das neue
Blatt zu liefern:
Erfahren Sie, daß ich eben in diesem Augenblick mit einer literarischen
Arbeit beschäftigt bin, die die mühsamste zu nennen, die es nur geben mag.
Indem Hoffmann nun die Fiktion des Vorworts aufgibt, fährt er fort:
Ich bin nämlich eben jetzt darüber her, die Papiere des Katers Murr in Ord¬
nung zu bringen, um den zweiten und dritten Theil seiner merkwürdigen
Lebensansichten herausgeben zu können. Der Gute schreibt zwar eine
passable leserliche Pfote, indessen kann er von gewissen Gewohnheiten nicht
ablassen, die auf manche Stelle in seinen Manuscripten ein schwer zu durch¬
dringendes Dunkel werfen. So wie mancher eitle, stolze Dichter sich, scheint
ihm eine Stelle, die er eben gedichtet, über die Maaßen vortrefflich, im
Hochgefühl seiner Größe von seinem Sessel erheben und Aug’ und Nase gen
Himmel kehren mag, so pflegt Murr, übermannt ihn beim Schreiben das
Gefühl seiner Vortrefflichkeit, sich schnurrend in der Stellung aufzurichten,
die man im gewöhnlichen Leben „Katzenbuckel“ nennt. Bei dieser Gelegenheit
fährt der Theure mit seinem Schweife vergnüglich hin und her, und oft eben
über die Stelle weg, die ihn entzückt hat, so daß sie an Deutlichkeit merklich
verliert. — . . .
Doch, — ich bemerke, daß ich, ohne es zu wollen Ihnen verrathen wie sich
der vortreffliche Kater Murr eben bei mir befindet. — Es ist dem so; eben
sitzt er am Ofen mit dicht zugekniffenen Augen und spinnt. — Gott weiß
über welchem neuen Werk er brütet. —
Ich bitte, Verehrtester! sagen Sie von Murr’s gegenwärtigem Auffenthalt
nichts weiter. Literatoren, Aesthetiker und auch wohl Naturhistoriker könn¬
ten auf die Bekanntschaft des lieben Vieh’s begierig werden und würden es
nur in seinen tiefsinnigen Mediationen stören.
Kurz darauf, am 7. Januar 1821, schreibt er einem Taschenbuch-Verleger:
Andere litterarische Arbeiten, vorzüglich die Beendigung des Romans:
Lebensansichten des Katers Murr, gebieten mir Arbeiten für Taschenbücher
bis Ende May spätstens zu vollenden;
er hatte also die feste Absicht, die beiden noch ausstehenden Murr-Kreisler-Bände
als erste neue Bücher nach der ‘Brambilla’ zu bringen. In dem gleichen Sinne
schrieb er am nächsten Tage, dem 8. Januar, an Hitzig:
Was ich jezt bin und seyn kan wird pro primo der Kater . . . zeigen.
353
Immerhin gehörten die nächsten Monate noch der Vollendung der ‘Serapions-
Brüder’ (Anfang November war der IV. Band eingeleitet worden, nunmehr wurde
als Abschluß die ‘Königsbraut’ konzipiert) und den Taschenbüchern, für die bis
zum Juli drei Erzählungen mehr schlecht als recht neu erfunden wurden (‘Der
Elementargeist’, ‘Die Räuber’, ‘Die Geheimnisse’) und zwei aus alten Vorarbeiten
zusammengezimmert (‘Die Doppeltgänger’, ‘Datura fastuosa’). Auch die Premiere
und nachfolgenden Aufführungen der ‘Olimpia’ lenkten Hoffmann von seinem
Hauptwerke ab und veranlaßten ihn zu einem größeren Aufsatz über die Entwick¬
lung der Oper im allgemeinen und über Spontinis ‘Olimpia’ im besondern.
III. HOFFMANNS ARBEIT AM ZWEITEN BANDE
AUGUST - DEZEMBER 1821
1. Zwei Doppelstücke bis Anfang September 1821
Im August begann Hoffmann endlich wieder die Arbeit an dem Doppelroman. Die
Pause war ebenso lang geworden wie seinerzeit die in der Arbeit an den ‘Elixieren’,
sieben Vierteljahre; und wie damals war die Zwischenzeit nicht nur an anderen
Arbeiten sondern auch an Aufregungen reich gewesen. War in jene Zeit die Über¬
siedelung nach Berlin und die Wiederaufnahme der Richtertätigkeit gefallen, so
lagen zwischen dem ersten und zweiten Bande des Murr-Kreisler die zwölf Monate
Demagogenverfolgung.
Beim Abschluß des ersten Bandes im November 1819 hatte Hoffmann zweifellos
beabsichtigt, künftig im zweiten Bande mit raschen Schritten sich dem Zeitpunkte
des ersten Fragmentes zu nähern. Die Biographie Kreislers sollte schnell bis zu
jenem Hoffeste geführt werden, das zu Abrahams und der beiden Mädchen Kum¬
mer ohne Kreisler gefeiert wird und das dann Abraham nichts einträgt als den
Kater Murr\ der Bericht sollte dann weitergehn bis zu Abrahams erheblich viel
späterem Besuch bei Kreisler und der Übergabe des inzwischen herangereiften
Katers an diesen. Parallel damit sollten künftig im dritten Abschnitt von Murrs
Buch dessen letzte Erlebnisse bei Abraham geschildert werden.
Dann sollten — sicherlich spätestens in der Mitte des zweiten Bandes — beide kon¬
vergierende Linien Zusammenstößen, und von jenem Abschiedsbesuche Abrahams
an sollten die ferneren Ereignisse, also die gemeinsamen Erlebnisse Kreislers und
Murrs, zugleich (oder abwechselnd) von dem Biographen Kreislers und vom Kater
dargestellt werden. Jetzt erst wäre der alternierende Bericht der beiden Autoren,
auf den das Doppelwerk von Anfang an angelegt war, reizvoll geworden, und der
Ausgang hätte das kühne Experiment gerechtfertigt. Der Doppelerzählung sollten
sich dann offenbar wiederum abwechselnd mystische Rhapsodien Kreislers und
rationalistische Aperfus aus Murrs Denkerfeder anreihen.
In mancher Hinsicht wurde aber 1821 der Plan umgebogen.
354
Zunächst wurde die Fiktion des Vorworts, die, wie wir sahen, erst im November
1819 ausgeheckt worden war, wieder aufgegeben (schon in dem oben erwähnten
offenen Brief an Symanski). Hoffmann macht als Herausgeber, der also den Text
ganz durchgelesen hat, vier Zwischenbemerkungen: II 106/107, 232/233, 355,
405/406 und besonders II 312 Z. 8—14 (zum XVI. Kreislerfragment). Auch An¬
deres stimmt nicht recht zum Vorwort: dort wollte Hoffmann den Kater erst
während des Druckes kennen gelernt haben; in der ersten jener Zwischenbemer¬
kungen peroriert er ihn zweimal als „Murr, mein Kater!“ und erklärt dann in der
Nachschrift, er habe ihn lieb gehabt und lieber als manchen [Menschen] (II 406).
In der Krawler-Handlung fand Hoffmann den Faden leidlich wieder. Allerdings
gestattet er sich, wie wir 1902 im Kreislerbuch S. XXXII—XXXIV dargetan haben,
einen breiteren Ausbau der Vorgeschichte, als er 1819 vorgesehn hatte. War dort
z. B. Prinz Hektor zweifellos als einziger Sohn seines Vaters gedacht (erst nachdem
„ihm der Fürstenstuhl [ durch die Mediatisierung seines Vaters] unter den Beinen
weggezogen“ tritt er in französische und dann in neapolitanische Dienste) so gibt
ihm Hoffmann nunmehr einen älteren Bruder Antonio, der mit ihm in Neapel
gedient hat, heimlich mit einer — auch jetzt erst auftretenden — unehelichen Toch¬
ter des Fürsten Irenäus und der Benzon verheiratet war, diese aus Eifersucht ver¬
giftet hat und dann in ein Kloster getreten ist. — Auch in der fortlaufend berich¬
teten Handlung geht es nicht ohne Widersprüche ab. Laut Bd. I (388 u und 390 u)
hatte Meister Abraham Kreislern das Geheimnis eines Medaillonporträts anvertraut,
und Kreisler hatte seine Wissenschaft Julien und ihrer Mutter mit Absicht ver¬
schwiegen (I 396/97); in Bd. II ist Kreisler selbst nicht in das Geheimnis eingeweiht
(S. 67/68 und 340 M/u)!
Stärkere Abweichungen von dem beabsichtigten Gange der Erzählung gestattete
sich Hoffmann im Katerteil.
Wie wir schon ausführten, sollten in Bd. II auf die verfehlte Ehe des jungen Schrift¬
stellers Murr dessen Mannesjahre folgen, die ihn zu Kreisler führen. Aber Hoffmann
war im Sommer 1821 nicht in der Stimmung, wie bisher etwa in Rabeners Manier
allgemein menschliche und speziell literarische Schwächen zu verspotten. Hatte die
erzwungene Teilnahme an der Verfolgung der Burschenschafter ihm bisher Zeit
und Lust genommen, das Katerbuch fortzusetzen, so beeinflussen diese Beobach¬
tungen und Erlebnisse jetzt übermächtig seine Erfindung. Hoffmann läßt — eine
Anomalie, auf die zuerst Ellinger (IX 9, 30) hingewiesen hat, ohne sie jedoch zu
erklären - im dritten Abschnitt den alten Literaten und geschiedenen Ehemann
Murr, den der Zyniker Ponto bereits in der Weltklugheit unterwiesen hat, plötzlich
noch Student werden — oder doch Burschenschafter, denn von Studium ist freilich
keine Rede. Dieselbe Rückwärtsentwicklung erlebt der Leser staunend an Muzius,
der am Schluß des zweiten Abschnitts als reifer, überlegener Weltmann aufgetreten
war. Hatte er damals den Hahnrei Murr bei seiner Aufklärung selbstverständlich mit
Sie angeredet (I 380—382), so nennt er ihn jetzt (II 10—14, 50, 53—54) Ihr und
nachdem Murr durch die Zitierung des Epithetons „pomadig“ seine Seelenverwandt¬
schaft dargetan, du (II 51). — Allerdings konnte Hoffmann sich bis zu einem
gewissen Grade auf sein Modell Karl Witte berufen, der ja 1814 als Leuchte in der
Mathematik und Dr. phil. h. c. die Universität Heidelberg bezogen hatte, um ein
neues Studium zu beginnen. — Dank diesem kühnen Griff kann Hoffmann in der
ersten Hälfte des Abschnittes (II 55-61, 104-114) behaglich das Treiben der
Burschenschafter schildern u. z. anknüpfend an den Besuch des Muzius und die
355
verunglückte Rache am Nebenbuhler, die beide am Schlüsse des zweiten Abschnitts
bereits erledigt waren. Beides wird nun wiederholt und anders gewendet.
Möglicherweise ist das erste Stück aus dieser Partie, das Hoffmann verfaßt hat, das
‘Katzburschenlied’ in der für die Jüngere Liedertafel gedichteten und komponier¬
ten Fassung 1 .
Am 2. September sandte Hoffmann Dümmlern Manuskript für 6 Bogen, d. h. die
ersten beiden neuen Kreislerfragmente und das vorhergehende und dazwischen
liegende Stück von Murrs Aufzeichnungen (S. 3-97 M/u des Buches).
Um die Kreisler-Handlung bald zu dem Punkte zu führen, den das erste Fragment
vom Mai 1819 voraussetzte, wollte Hoffmann wohl weiter Sieghartsweiler zum
ausschließlichen Schauplatz der Handlung machen. Direkt berichtet er also nur die
dortigen Ereignisse nach dem Attentat auf Kreisler und dessen Flucht, den Starr¬
krampf der Prinzessin und ihr Erwachen; dazwischen das Gespräch des Meisters
Abraham mit der Benzon. Was dagegen Kreisler unterdessen fern von Siegharts¬
weiler erlebt hat, das erfahren wir nur aus einem Brief von ihm an den Meister.
Aus Murrs Leben wird der Eintritt in die Burschenschaft und die erste Kneipe
geschildert. Ganz unverhüllt wird das Burschenwesen als eine menschliche und
zwar deutsche Angelegenheit besprochen: in Muzius’ Brust schlagt ein treues deut¬
sches Herz (II 51 u), und er nimmt von Murr mit einem biedern deutschen Pfoten¬
druck nach altvörderischer Sitte Abschied (11,54 o). Murr selbst erscheint als ziem¬
lich farbloses Mitglied der Burschenschaft; nur um die Kontinuität mit dem eitlen
Schriftsteller der ersten Abschnitte leidlich aufrecht zu erhalten, werden II 152
und 158 ziemlich harmlose Äußerungen der Selbstgefälligkeit eingestreut (s. II 405
u).
In dem Begleitbrief an Dümmler verspricht Hoffmann zu Mitte des Monats die
Fortsetzung; mit der übrigen Arbeit habe er „gänzlich aufgeraümt und eben des-
1. Leider sind die Musikalien und die Protokolle der Jüngeren Liedertafel verschollen und
wohl unwiederbringlich verloren, sodaß wir auf Hoffmanns Skizze (für Männerchor) des
einleitenden und vor jeder Strophe wiederholten 5stimmigen Ecce quam bonum (10 Takte)
und der 4. Strophe, dem 4stimmig gesungenen „Miaut und knurrt und miaut, miaut / Doch
bei Leib nicht kratzen / Seid galant daß man euch traut / Schonet Eure Tatzen“ (so der
Text zu den 9 Takten) einerseits, wie auf den Abdruck des vollständigen Textes in den
‘Gesängen der jüngeren Liedertafel zu Berlin’ andererseits angewiesen sind. Auf dem Titel¬
blatt dieses Textbüchleins steht zwar „Berlin, 1820. Gedruckt bei Leopold Wilhelm Krause,
Adlerstraße No. 6“, doch findet man das ‘Katzburschenlied’, an dessen Schluß „Gedichtet
und komponirt von Hoffmann “ vermerkt ist, als Nr. 76 auf S. 92/93 u. z. gehört es zum
Zweiten Anhang, der jedenfalls erst nach Hoffmanns Tode - um 1825 - gedruckt und bei¬
gefügt worden ist. Ob die Leseart in der letzten Zeile der 6. (Schluß-)Strophe „Trotzen
Spitzphilistern“ (während es im dritten Abschnitt des II. Bandes des ‘Murr’ „Katzphi-
listern“ heißt) auf einem Druck- bzw. Schreibfehler beruht, oder eine erste Leseart dar¬
stellt, läßt sich schwer entscheiden. Zugunsten einer selbständigen ersten Fassung könnte
man anfuhren, daß im Buche die Änderung im „Katzphilister“ deshalb notwendig wurde,
weil beim Absingen des Liedes durch die Katzburschen die Feindschaft mit den Spitzen
noch nicht ausgebrochen war; demgegenüber läßt sich aber geltend machen, daß Muzius be¬
reits vor dem Kommers, gelegentlich seines Besuches bei Murr, den Ausdruck ,Katzphi¬
lister“ nicht weniger als zehnmal gebraucht. - Die vierte Strophe beginnt im Textbuch der
Jüngeren Liedertafel: „Knurrt und miaut! Knurrt und miaut! / Doch bei Leib’ nicht krat¬
zen!“; im Murr-Buche dagegen: „Miaut und knurrt und knurrt und miaut, / Nur bei Leib’
nicht kratzen“. [Diese Anmerkung ist von mir z. T. ergänzt und berichtigt. F.S.]
356
halb so lange gewartet“, um sich „mit dem schwürig angelegten Buche, dessen
Credit ich auf alle Weise bewahren muß, ganz ausschließlich zu beschäfftigen.“
„Fangen Sie daher“, fährt er fort, „getrost mit dem Druck in folgender Woche an
und es kann das Buch wohl Anfangs November fertig werden.“ Dümmler durfte
also wirklich hoffen, daß wenn nicht zu Neujahr, doch zu Ostern 1822 die beiden
seit 1819 versprochenen Bände vorliegen würden; vorsichtig geworden, kündigte er
aber im Michaelis-Meßkatalog nur den zweiten der drei Bände (freilich schon als
erschienen) an.
Diese Vorsicht war bei unserem Dichter leider nur allzu angebracht.
Allerdings wollte er ohne Ablenkung durch Almanach-Arbeiten zunächst zwei
Bände schreiben, und der eine davon sollte der zweite Band des Murr-Kreisler-
Werkes sein. Für den anderen hatte er aber schon einen anderen Plan im Auge. Er
hatte dringende Schulden, besonders wohl beim Weinhändler, und mochte den
Berliner Dümmler aus irgendwelchen Gründen nicht um Vorschuß angehn („Za-
lung verlange ich keines Falls eher, als nach dem Abdruck jedes Theils da ich
Gottlob nicht mehr so in Verlegenheit gerathe als es sonst wohl bey geringerer
Einnahme der Fall war“). Dafür hatte er aber bereits am 23. Juli dem freigebigen
Frankfurter Verleger Wilmans ein „Büchelchen“ angeboten. Am 25. August, also
acht Tage vor dem eben zitierten Briefe an Dümmler, hatte er dann Wilmans ein
humoristisches Märchen in der Art des ‘Zaches’ versprochen, den ‘Meister Floh’.
Das Buch werde noch zu Weihnachten erscheinen können; „Wegen richtiger Liefe¬
rung des Manuskripts würde ich jezt um so mehr mein sichres Wort geben können,
als das mein ganzes Arbeitssystem zerstörende Geschafft nehmlich die Immediat-
Commission wegen dämagogischer Umtriebe bey der ich angestellt war, aufgehört
hat.“ Jedoch müsse er einen Vorschuß von 20 Friedrichsd’or verlangen und zwar in
dem Sinne, daß er den Betrag sogleich mittels einer Tratte eines Berliner Bank¬
hauses entnehmen dürfe. Und siehe da, am 8. September, 6 Tage nach dem Brief an
Dümmler, kann er Wilmans bereits über diesen Vorschuß quittieren und verspricht
nunmehr fest das Märchen zu Weihnachten. Beides hindert ihn aber keineswegs,
abermals zwei Tage darauf, am 10. September, Biedenfeld zu versichern, daß er
nach Beendigung des zweiten Katerbandes zu Ende November für 32 Friedrichs¬
d’or eine Erzählung von 4 Bogen liefern könne. Also dachte Hoffmann in Wirk¬
lichkeit nicht mehr daran, gleich nach dem II. Bande den III. zu schreiben.
2. Fortsetzung der Arbeit bis zur Erkrankung des Katers:
Anfang September — Ende November 1821
Immerhin vollendete er für den II. Band des Doppelromans offenbar zunächst den
dritten Abschnitt von Murrs Ansichten und die eingestreuten Fragmente aus der
Biographie Kreislers. Dann freilich, etwa Mitte Oktober, mußte er erst den ‘Meister
Floh’in Angriff nehmen, um Wilmans ein Aequivalent für die vorgeschossenen 20
Friedrichsd’or zu geben. Am 6. November sandte er einen guten Teil, fast zwei
Abenteuer, an Wümans (mit der Versicherung, Anfang Dezember werde das Ganze
fertig gedruckt sein!). Darauf aber ging er sofort an den vierten Abschnitt des
Doppelwerks, auf die Gefahr hin, inzwischen die kunstvoll eingefädelte Floh-
Intrigue wieder aus dem Kopfe zu verlieren.
Im ganzen wurden in den drei Monaten September bis November etwa siebzehn
weitere Druckbogen des Murr-Kreisler-Werkes, die Bogen G—Z, zustande gebracht.
357
Im Gange der Handlung blieb freilich die Kreislerbiographie und daher notgedrun¬
gen auch das Katerbüchlein immer noch weit zurück hinter dem im Mai 1819
gesteckten gemeinsamen Wendepunkt.
Hoffmann erschwerte sich (und dem Leser) vom September an die Arbeit noch
mehr, indem er fortan die Kreislerbiographie abwechselnd auf zwei Schauplätzen
spielen läßt. Kreislers weitere Erlebnisse in der Abtei Kanzheim erfahren wir nicht
mehr durch Briefe, sondern wir werden direkt dorthin versetzt. Die Texte, die der
Autor in selbstherrlichem Übermute vor seinem Leser ausstreut, spielen also ab¬
wechselnd in der Abtei, in Murrs Reich (der Katzburschenschaft), in Siegharts¬
weiler, wieder bei Murr usw. Kein Wunder, daß sich im 19. Jahrhundert niemand
um den Gang der drei Handlungen bekümmert hat!
In der Biographie Kreislers werden die Ereignisse in Sieghartsweiler bis zu Juliens
Besuch bei Abraham geführt, wo dieser Julien vor den Plänen ihrer Mutter warnt;
die Ereignisse im Kloster bis zu dem Augenblick, wo Kreisler erkennt, daß der
jetzige Mönch Cyprian identisch ist mit dem Offizier, dessen Bild er, Kreisler, von
Meister Abraham erhalten. Noch immer ist keine Aussicht auf das Hoffest, das in
der Zeit des ersten Fragmentes „schon ziemlich lange her“ war!
Ähnlich steht es mit Murrs Autobiographie. Liest man den dritten und vierten
Abschnitt, wie sie der zweite Band des Doppelwerkes schließlich brachte, so
scheint es in der Tat, als ob die Fabel für Hoffmann ihr Interesse eingebüßt hat und
er sie nur noch benutzt als „ein Vehikel, die verschiedenartigsten Gegenstände
vorzutragen und zu persifliren“ , wie Kamptz dann am 31. Januar 1822 nicht mit
Unrecht vom ‘Meister Floh’ sagt (und wie es früher Goethe im Unmute über die
nordische Barbarei der Faust-Fabel mit Walpurgisnacht und Hexenküche gehalten
hatte).
Wie schon am Eingang des 3. Abschnitts bemerkt, erscheint Murr nicht mehr als
bete noire, auf deren Haupt der Dichter alles ihm Widrige versammelt; die groteske
Leichenrede auf Muzius, die Hoffmann früher unbedenklich Murr zugeschoben
hätte, wird jetzt von einem dazu eingeführten Kater Hinzmann gehalten und von
Murr mißbilligt. Hoffmann steht jetzt dem Helden im allgemeinen neutral, zum
Schluß ausgesprochen sympathisch gegenüber, und Murr selbst ist mehr Beobachter
als individuell Handelnder. Zu den oben angeführten Stellen relativ harmlosen
Selbstlobes tritt noch eine und zwar eine ziemlich kräftige am Anfang des 4.
Abschnitts (II 259—263); im Gegensatz zu dieser und zu allen ähnlichen früheren
steht aber Murrs Bericht über seine Erlebnisse auf der Hundeassemblee (II
360-361) und namentlich das Gespräch mit Minona (II 363 M/u-366 Z. 1), in
dem Murr seine Eitelkeit objektiv als eine Torheit schildert. In Teilen dieses Berich¬
tes kann Murr für Hoffmann selbst oder Kreisler stehn (wie das Hoffmann dann bei
der Betrachtung II 352 M—355 selbst gemerkt hat: vgl. seine Bemerkung S. 355);
in den ersten Abschnitten wäre eine solche Gleichsetzung völlig undenkbar. Mit
dieser Änderung der Murr-Figur (denn von einer objektiven psychologischen Ent¬
wicklung des Charakters ist kaum die Rede) wurde nun auch der groteske Kontrast
zwischen Murr (Sancho) und Kreisler (Don Quixote), den Hoffmann offenbar von
Haus aus als Hauptreiz des Doppelwerks angestrebt hatte, unmöglich und eine
Fortsetzung der Doppelerzählung zwecklos.
Während Murr langsam in die Gunst des Dichters hineinwächst, kommt sein Gegner
Lothario, der, wie wir sahen, schon im zweiten Abschnitt nicht mehr mit Sympa¬
thie gezeichnet war, jetzt vollends um allen Kredit (II 151-160; 277-299). Auch
358
seine (Hoffmann unbewußte) äußere Verwandlung aus einem Gymnasiallehrer in
einen Universitätsprofessor ist perfekt geworden. Er äußert sich im dritten Ab¬
schnitt mit heftiger Erregung gegen das Burschenwesen (II 154-160); im vierten
Abschnitt wird geschildert, wie er, „in Büchern begraben, sich auf die zu haltende
Vorlesung vorbereitet“ (II 277 u) und wie dann „dieser, jener artige junge Mann, der
die Vorlesungen des Professors besuchte, die Thüre des Auditoriums verfehlte und
statt dieser, die Thüre, welche zum Zimmer der Professorin führte, leise öff¬
nete“ (II 279 M).
Nachdem als wichtiges Stück von Murrs Burschenleben noch ein Duell erzählt wird,
geht Hoffmann dazu über, mit Bitterkeit die humorlose Verfolgung der Burschen¬
schafter durch den verbohrten Kamptz und dessen erbärmliche Helfer Tzschoppe,
Janke, Grano zu schildern. Zunächst geschieht das noch in einer Verhüllung, die
freilich so leicht ist, daß man nicht begreift, daß sie nicht gleich bei Erscheinen der
Schrift durchschaut worden ist. Bei der Charakteristik der von Kamptz-Achilles
angestellten „Spitze“ kommt Hoffmann unwillkürlich in das „wir“ des menschlichen
Autors, das er den Kater sonst nirgends gebrauchen läßt, in dem auch sonst ganz
un-Murrischen Satz „Schweigen wir von bittem Erfahrungen, die wir in dieser
Hinsicht leider! nur zu oft gemacht, und kehren wir zurück zu dem ferneren
Verlauf unsrer Geschichte.“ — Diesem Berichte schließt sich — noch deutlicher —
(II 154—155, 158—160) eine Diskussion zwischen Lothario und Abraham an über
das studentische Treiben, das alsbald sogar die Sphäre der Fabel ausdrücklich ver¬
läßt und sich mit dem „Pereatbringen und Fenstereinwerfen“ der menschlichen
Akademiker beschäftigt. Lothario wünscht Unterdrückung dieses Treibens durch
offene Gewalt; Abraham hätte es vorgezogen, daß man die jungen Leute sich hätte
austoben und selbst zur Einsicht hätte kommen lassen (II 160 M/o *). An diese
Diskussion schließt sich dann als dritter und letzter Teil der zweiten Hälfte des
Abschnitts die Leichenfeier für einen bei der Verfolgung zu Schaden gekommenen
Burschen an, die zu dem „launischen [heute sagt man „launigen“] Spiel des Zufalls“
führt, das — pars pro toto — in der Überschrift des Abschnitts als der Hauptinhalt
der zweiten Hälfte angegeben ist. Dieses Zufallsspiel besteht darin (II 227—230),
daß der Kater sich nach tragischen Mustern unwissentlich in seine eigene Tochter
verliebt, daß die Mutter aber die Situation erklärt, im Namen der Moral Einspruch
erhebt und ein blutschänderisches zweites Eheglück verhindert. Wie die Überschrift
vermuten läßt, hatte Hoffmann im August vor, diesen Schwank weiter auszu¬
spinnen; leider hat er sich dann aber durch seine Neigung zur Parodie dazu ver¬
leiten lassen, den Bericht über die Leichenfeier ins Unerträgliche zu dehnen, indem
er einen endlosen parodistischen Trauersermon einschiebt, der — trotz seines gro¬
ßen Witzes im einzelnen — in seiner faustdicken, ständig sich selbst aufhebenden
Ironie wohl der fadeste Teil des ganzen Buches ist. So blieb für den wirklich
erzählenden Teil dieser zweiten Hälfte des Abschnittes nur ein geringer Raum
übrig.
1. Die wichtigen Stellen sind im einzelnen hervorgehoben in meiner Ausgabe des ‘Meisters
Floh’ (s. Vorwort) S. 234-237. Die Stichworte haben wir uns auch in der Ausgabe des
Katerbuches zu sperren gestattet. - Zu Hoffmanns Stellung zu den Verfolgungen der
Burschenschaft und zu der Wiedergabe dieser Ereignisse im ‘Meister Floh’ vgl. den grund¬
legenden Aufsatz von Ellinger in der Deutschen Rundschau vom Juli 1906; dazu meine
Ergänzungen ‘Hoffmann und Hippel’ 273-278 und Briefwechsel 472-510 passim, sowie
die in meiner ‘Floh’-Ausgabe 231-233, in Ellingers Gesamtausgabe Bd. 1, LXXIX-LXXXVI
[1927: LXXXII-LXXXIX] und im Schlußaufsatz dieser Ausgabe.
359
Hoffmann dürfte, wie gesagt, in der ersten Hälfte des Oktober diesen dritten Ab¬
schnitt abgeschlossen und sich dann dem ‘Meister Floh’ zugewendet haben. Etwa
am 7. November wurde das Murr-Kreisler-Werk fortgesetzt.
Da die Kreisler-Handlung immer noch weit von ihrem vorläufigen Ziel, dem Hof¬
feste, entfernt war, so galt es, Murrs Erziehung bei Meister Abraham weiter aus¬
zuspinnen. Im groben war der Inhalt der nächsten Partie durch den dritten Ab¬
schnitt gegeben. Denn da Hoffmann dort Murr wieder ins harmlose Studententum
zurückgeführt hat, so muß er ihn notgedrungen noch einmal desillusionieren; und
diesen letzten Erziehungsdienst, den der Mensch um das 30. Jahr zu benötigen
pflegt, muß der dazu geschaffene Ponto eben noch einmal vollbringen.
Als künftigen Inhalt des vierten Abschnitts des Katerbuchs notiert Hoffmann:
„Ersprießliche Folgen höherer Kultur. — Die reiferen Monate des Mannes. “
Auch anderes wiederholt sich: Pontos Berichte aus der Menschenwelt, Murrs mora¬
lischer Einwand gegen die Lehren des Pudels (II 297), der Oheim Skaramuz.
Also Ponto treibt Murr das Burschentum wieder aus und preist ihm den feinen
Weltton;~Murr hat aber damit in den Assembleen der haute volee ebenso wenig
Glück wie ihm früher das Burschentum eingebracht.
Aus den „ersprießlichen“ Folgen, die die Inhaltsangabe des Abschnitts ankündigt
und die Ponto II 358 u preist, ist nichts geworden, wenigstens für Murr nicht.
Noch weniger wurde aus dem Bericht über Murrs Manneszeit.
Die zweite Hälfte sollte laut Inhaltsangabe Murr, der nach mancherlei Erziehungs¬
experimenten nunmehr zum Manne herangereift, weiteren Erlebnissen zuführen,
sei es noch bei Abraham, sei es schon bei Kreisler.
Aber hatte sich Hoffmann schon im dritten Abschnitt mehr oder weniger offen
erlaubt, aus dem Gebiete der Fabel herauszutreten auf das des menschlichen
Lebens, so geschah das hier noch ausgiebiger und ungenierter: fast der ganze
Raum, der Hoffmann zur Verfügung stand, wird ausgefüllt mit Menschengeschich¬
ten 1 .
Und wie dann Hoffmann nach dieser neuen Moralität oder vielmehr Immoralität
— wir meinen: der lehrhaften Erzählung des zynischen_ Pudels.— endlich so weit ist,
daß er in der eigentlichen Handlung, den praktischen Erlebnissen Murrs, fortfahren
will, da hat er für sie gerade noch soviel Platz wie seinerzeit für das Liebeserlebnis
beim Trauermahl am Schluß des dritten Abschnitts. Inhaltlich bietet er ein hüb¬
sches Seitenstück zu jenem. Wie Murr dort seine Tochter Mina bei einem Mahle,
lernt er hier das schneeweiße Windspielfräulein Badine auf einer Abendgesellschaft
kennen und verliebt sich unmäßig in sie, bis ein Eimer Wasser ihn wieder zur
Raison bringt.
1. Wipp und Ponto sind z.T. wohl nach bestimmten Mustern gezeichnet. Wipp erinnert an
Pückler: man vergleiche die Lebensweise des Baron Alzibiades (II 300 M-305 M) mit dem
Tagesschema, das Pückler in seinem Briefe an Lucie vom 9. März 1820 aufstellt (Pückler V
274/75). - Die Vermählungsschmäuse, die Ponto stört (II 305 u), haben sicherlich auch
irgend eine Beziehung, die sich möglicherweise im 3. Teil der Biographie Kreislers ergeben
360
Aber schon hatte Hoffmann den letzten Bogen des Alphabets gefüllt, und der 24.
und 25., den Dümmler wie im ersten Bande noch konzedierte, waren dringend
nötig, um die Kreislerbiographie vom Fleck zu bringen. Hoffmann ließ also die
angekündigte zweite Hälfte des Abschnitts, Murrs Manneszeit bei Abraham, völlig
unter den Tisch fallen und kündigte nunmehr (für den fünften Abschnitt, im drit¬
ten Bande) den Bericht über Murrs Aufenthalt bei Kreisler an. War die Fabel bei
Beginn des zweiten Bandes durch Einschub des unzeitigen Burschenlebens in ihrem
Fortgange zurückgeworfen, war der Bericht dann verzögert durch Hinzmanns Ser¬
mon und Pontos Roman, so wurde jetzt durch einen kühnen Sprung endlich
der seit Jahren gesuchte Anschluß an die Situation des ersten Kreislerfragments
erreicht. Es galt nun, in den beiden Schlußbogen möglichst das selbe für die Bio¬
graphie Kreislers zu erzielen oder doch wenigstens das Hoffest in Sicht zu bringen,
über das in jenem Fragment aus dem Mai 1819 Abraham dem Freunde bereits
berichtet hatte.
3. Krankheit und Tod des Katers Ende November 1821:
Beendigung des zweiten Bandes Anfang Dezember 1821
In dieser Zeit intensiver Arbeit an dem Buche, Ende November, erkrankte der
Kater selbst, den Hoffmann das Buch schreiben ließ.
Hatte Hoffmann schon im ganzen Verlaufe des zweiten BandesoffensichtlichMühe
gehabt, die Tierfabel fortzuspinnen, so kam zu dieser Ermüdung für den Augen¬
blick auch zweifellos eine gefühlsmäßige Abneigung, den toten Liebling weiter als
komische Figur zu verwenden. Beides vereint brachte ihn zu dem Entschlüsse,
Murrs Buch unvermittelt abzubrechen.
Zunächst beeilte er sich, auch für die Biographie Kreislers wenigstens halbwegs den
Anschluß an das erste Fragment zu erreichen. Er führt Kreislers Erlebnisse im
Kloster weiter: Kreisler bringt den Bruder seines Feindes Hektor zu einer Beichte,
die wesentliche Punkte der Vorgeschichte enthüllt. Hoffmann benutzte dazu eine
Beschreibung von Neapel, die er am 3. Dezember „in der dringendsten Schriftstel-
lerNoth“ von dem Leihbibliothekar Friedrich Kralowsky entlieh. Und während der
25. Bogen mit dieser Beichte des Mönches vielleicht schon im Satz war, schrieb
Hoffmann mit fliegender Feder zum vorläufigen Abschluß der Ereignisse am Hofe
einen Brief des Meisters Abraham, der Kreislern zu jenem Feste einlädt, über das
im ersten Fragment berichtet ist.
Liest man freilich nach den letzten Stücken der Kreislerbiographie nun jenes erste,
dritthalb Jahr früher verfaßte Fragment, so erkennt man sowohl aus Kreislers
Fragen wie aus Abrahams Bericht, wie wenig sich Hoffmann bei Beginn der Nieder¬
schrift schon über den Gang der Dinge im klaren war. Was er in jenem Fragment im
Nebel ließ, das lag — darüber wollen wir uns nicht täuschen — auch für ihn im Mai
1819 zum großen Teile noch im Nebel. In diesem alten Fragmente ist Kreisler
schon in der Zeit jenes Hoffestes dem Wahnsinn nah, er ist aus Sieghartsweiler
fortgerannt „der Himmel weiß, von welchen Furien der Hölle getrieben“. Er hat seit
dem Hoffest Abraham noch nicht nach dessen Verlauf befragt!! Und aus dem
Kater, der im alten Fragment jung zu Kreisler kommt, um von ihm die höhere
Bildung zu lernen, ist ein gereifter Mann geworden, der aus lauter Bildung zusam¬
mengesetzt ist und von Zitaten überfließt, sobald er sich äußert.
361
Immerhin war äußerlich das Programm für den II. Band erfüllt, und Hoffmann
berichtete nunmehr in einer Nachschrift den Tod des Katers, mit der genauen
Bezeichnung der Nacht, sodaß wir hier eine dritte Fassung der Anzeige vor uns
haben. Seine tiefe Teilnahme bricht hier durch; er desavouiert gewissermaßen die
mehr als zweifelhafte Rolle, die er den gelehrten Kater hat spielen lassen. - Zu¬
gleich teilt Hoffmann mit, daß der Kater sein Buch nicht beendet habe (insbeson¬
dere also nicht mehr dazu gekommen sei, über seine Erlebnisse bei Kreisler — die
nach dem ursprünglichen Plane zweifellos die Hauptsache waren — zu berichten!).
Dagegen lägen aus Murrs Feder verschiedene Reflexionen und Bemerkungen da, die
aus jener Kreisler-Zeit zu stammen schienen; diese würden zur Ostermesse im III.
Bande erscheinen 1 .
Am 13.und 14.DezemberbrachteKuhns ‘Freimüthiger’ HinzmannsTrauersermon
als Kostprobe nach den Aushängebogen. Einige Tage darauf dürfte der Band er¬
schienen sein; Dümmler hatte, um das Weihnachtsgeschäft nicht ganz einzubüßen,
schon am 13. in der Vossischen Zeitung angezeigt, daß der Band „soeben die Presse
verlassen“ habe (aber wohl noch nicht die Buchbinderwerkstatt!).
In demselben Herbste 1821, in dem das vierbeinige Modell des frühreifen Katers
starb, kehrte sein zweibeiniges menschliches Mitmodell, der Dr. jur. et phil. Karl
Witte, nunmehr 21 Jahre alt, aus Italien zurück und habilitierte sich als juristischer
Privatdozent in Breslau. 1834 siedelte er dann als Ordinarius für Römisches Recht
nach Halle über, „dem er“, wie sein Sohn uns erzählt,
als geliebter und geachteter Lehrer, als allezeit gefälliger und geschätzter
College, als treuer und in der Revolutionszeit muthig an die Spitze des
„Preußenvereins“ tretender Patriot und königstreuer Conservativer, als from¬
mer Christ und Kirchenältester, mit Orden und Ehrenzeichen übersäter
Gelehrter und liebevoller Haus- und Familienvater noch fast ein halbes Jahr¬
hundert angehörte, bis ein sanfter Tod am 6. März 1883 dem reichen und
überaus glücklichen Leben ein Ende machte.
Mit ihm ist wohl die letzte Vorlage für eine Hoffmannsche Figur dahingegan¬
gen.-
1. Vgl. dazu 1) II 352-355 nebst Hoffmanns Herausgeber-Note; 2) mehrere Einträge im sog.
Notatenbuch (zwei davon ausdrücklich für das „Katzenbuch“ bestimmt); 3) die von mir
1902 im ‘Euphorion’ nachgewiesenen ‘Flüchtigen Bemerkungen und Gedanken über
mancherlei Gegenstände’ (erschienen 19. Februar, 2. und 3. März 1819 in Müchler-
Symanskis ‘Freimüthigem für Deutschland’).
362
ANHANG
VOM ERSCHEINEN DES II. BANDES BIS ZU HOFFMANNS TODE
Zunächst hatte Hoffmann nunmehr den ‘Meister Floh’ fortzusetzen, aus dessen am
6. November nach Frankfurt gesandten Stücken er tatsächlich schon vieles ver¬
gessen hatte 1 ; bis zum 19. Januar 1822 erhielt Wilmans alles bis auf die zweite Hälfte
des letzten Abenteuers. Und an diesem 19. Januar versprach Hoffmann dem vor¬
schußfreudigen Verleger eine Taschenbuch-Erzählung ‘Margaretha’!
Je tiefer man den wahren, im Kreisler integrierten, Hoffmann liebt, desto unglück¬
licher wird man mit Hitzig über die Charakterschwäche sein, die Hoffmann ver-
anlaßte, in dieser Weise seine Arbeitskraft zu zersplittern und zu vergeuden.
An demselben 19. Januar wiederholte freilich Hoffmann Schall gegenüber, „daß zu
Ostern Murrs dritter und lezter Theil erscheinen muß“, vor dem ‘Schnellpfeffer’,
auf den er schon im November von Max 25 Friedrichsd’or Vorschuß genommen
hatte.
Aber nun brach gleichzeitig die tödliche Krankheit und die polizeiliche Unter¬
suchung über den Säumigen herein. Erst am 28. Februar konnte er das Wenige, was
am ‘Meister Floh’ noch fehlte, zu Ende diktieren, und Dümmler beschränkte sich
darauf, im Ostermeßkatalog den dritten Band des Murr-Kreisler-Werkes als künftig
erscheinend anzukündigen.
Nachdem jedoch der ‘Floh’-Rest abgeliefert, verfiel Hoffmann auf ganz andere
Arbeiten. Im März wollte er daran gehn, einen neuen Anfang der ‘ Undine ’ zu kom¬
ponieren: am 19. März ließ er sich zu dem Zwecke von der Bibliothek der Schau¬
spiele seiner Partitur leihweise zurückgeben (auch Fouque berichtet über den Plan).
Vier Tage darauf versprach er Wilmans von neuem die lang angekündigte ‘Marga¬
retha’. Dann begann er aber erst für Symanski ‘Des Vetters Eckfenster’, das etwa
am 10. April zu Ende diktiert wurde, und unmittelbar darauf den 'Meister Johan¬
nes Wacht’. Nach dessen Beendigung wurden, wieder für Symanski, im Juni die
Anekdote ‘Naivetät’ und das Fragment ‘Die Genesung’ diktiert; dann begann er
den ‘Feind’ , mußte einige Tage pausieren und starb an dem Vormittage eines
Tages, an dem er abends weiter hatte diktieren wollen.
Am 17. Juni hatte er den ‘Feind’ und den ‘Wacht’ dem Verlegerder ‘Brambilla’
und des künftigen ‘Schnellpfeffers’, Josef Max in Breslau, für ein Buch angeboten.
Diese Verzettelung würde vollkommen unbegreiflich sein, wenn wir nicht wüßten,
daß Hoffmann aus der erstaunlichen Elastizität seines Geistes auch auf eine lange
1. neben der unterm 21. Dezember Wilmans zugegebenen Kleinigkeit (einer bloßen Frage der
Reihenfolge des Berichtes) eine Anzahl wichtiger Tatsachen der Vorgeschichte: die Tötung
des Egelprinzen, die Präexistenz der alten Aline als Mandragora, die Herkunft der Dörtje-
Gamaheh aus Samarkand, den Verkehr zwischen Peregrinus Tyß und George Pepusch auf
der Schule in Frankfurt und der Universität zu Jena : s. unsere Ausgabe S. 244, 245 unten,
247 Note.
363
Lebensdauer trotz der völligen körperlichen Lähmung geschlossen hätte. Hitzig
sagt in dem wichtigsten, immer noch nicht nach Gebühr gewürdigten Teil seines
Buches, nämlich den ‘Einzelnen Zügen zur Charakteristik Hoffmanns’, von den bei
Hoffmann bestellten Taschenbuch-Arbeiten:
Da er selbst in den letzten Tagen seiner Krankheit, an nichts weniger, als an
seinen Tod, dachte, so ergötzte es ihn, davon zu sprechen, auf wie viele Jahre
hinaus diese Bestellungen schon reichten (Hitzig II 317)
und von gelegentlicher Selbsteinkehr:
So bekannte er in der letzten Woche seines Lebens, er sehe ein, wie sehr er
seinem Autorruf, durch einige seiner damals erschienenen Erzählungen (in
dem Berlinischen Taschenkalender, in dem Gleditsch’schen Taschenbuch
zum geselligen Vergnügen u. s. w.,) geschadet haben müße, und wolle er in
dem dritten Theile des Murr u. s. w. dem Publikum Satisfaction zu geben
suchen. Es war zu spät, wie überall mit seinen guten Vorsätzen. (Ebda. 319.)
Auch in dem biographischen Teile seines Werkes gibt Hitzig einige mündliche
Äußerungen Hoffmanns über den dritten Band des Murr-Kreisler-Werkes dem In¬
halte nach wieder. Danach erwartete Hoffmann, in diesem Bande „zu leisten, was
er früher noch nicht vermocht“ (Hitzig II 146); der Plan war „auf das Grandioseste
angelegt“, und den Text hatte Hoffmann „im Kopfe schon ausgearbeitet, so daß es
nur des Niederschreibens bedurfte“ (ebda. 129).
Wenn wir nun auch, nachdem wir die Arbeitsweise unseres Erzählers kennen ge¬
lernt, das nicht wörtlich nehmen können, so ist doch wohl anzunehmen, daß der
dritte Band den beiden früheren nicht nachgestanden hätte. Aber er ist, wie Hitzig
ausdrücklich versichert (a.a.O. 144), „leider auf dem Papier nicht angefangen“ wor¬
den. Was für die Biographie Kreislers dadurch verloren ist, habe ich in der Einlei¬
tung des Kreislerbuchs anzudeuten versucht. Die Autobiographie Murrs fortzu¬
setzen, hatte Hoffmann ja freiwillig im Dezember 1821 aufgegeben; an den damals
versprochenen Reflexionen des Katers dürfte kaum viel verloren sein, wenn sie etwa
in der Art der ‘Flüchtigen Bemerkungen’ des Barons von L. ausgefallen oder gar
mit ihnen identisch gewesen wären.
365
CHARAKTERISTIK DER
‘LEBENS-ANSICHTEN DES KATERS MURR’
366
I. ALLGEMEINES
1. Ausschluß des Übersinnlichen
Die nächtliche Katze mit den im Dunkeln leuchtenden Augen gilt von altersher als
ein unheimliches Tier, als das Gefäß eines Geistes oder doch als Begleiterin von
Zauberern und Hexen. In diesem Sinne ist sie auch im neunzehnten Jahrhundert in
romantischen Novellen dargestellt, so von Brentano und Storm, von Poe, von
Gautier und Baudelaire 1 .
Von dieser unheimlichen Märchenstimmung fehlt bei Hoffmann jede Spur. Seine
Katzen vereinigen - ebenso wie seine Hunde - Züge des realen Tieres und des
realen Menschen unter absolutem Ausschluß jedes übersinnlichen Elements. Hoff¬
mann schreibt durchaus als satirischer Fabeldichter, als Rationalist vom reinsten
Wasser.
2. Verständigung der Tiergeschlechter untereinander
und mit den Menschen
Das Tierepos führt in der durchsichtigen Art der Aesopischen Fabel die verschiede¬
nen menschlichen Charaktertypen in der Maske von ebensovielen Tier-Arten vor,
die, in je Einem Paare vertreten, in einer gemeinsamen Sprache miteinander ver¬
kehren. Den klassischen, nie wieder entfernt erreichten Höhepunkt dieser Gattung
stellt das vlämische Gedicht ‘Van den vos Reinaerde’ aus der ersten Hälfte oder der
Mitte des 13. Jahrhunderts dar (das, wie Hoffmanns ‘Goldner Topf’, dessen ‘Aben¬
theuer der Sylvester-Nacht’, ‘Die Brautwahl’ und anderes, in der unmittelbaren
Umgebung und in der Zeit des Dichters spielt); einen letzten, in seiner Art selb¬
ständigen Ableger bilden die merkwürdigen ‘Scenes de la vie privee et publique des
1. Man sehe darüber die beiden vergleichenden Studien über die Katzen in der Literatur des
19. Jahrhunderts von Ahrens und Leppmann.
Wilhelm Ahrens' gedankenreicher Aufsatz ‘Von den Katzen E.T.A. Hoffmanns und Charles
Baudelaires’ erschien in der Wochenbeilage der Magdeburgischen Zeitung vom 15. April
1907; er zieht auch Tieck, Gautier und Mallarme heran.
Ein halbes Jahr nach dem Erscheinen des Artikels, aber ohne Kenntnis desselben, sprach
Franz Leppmann in der Berliner ‘Gesellschaft für deutsche Literatur’ über den Kater in der
deutschen Literatur: der Vortrag erschien dann, mit Ausblicken in fremde Literaturen
erweitert, 1908 unter dem Titel ‘Kater Murr und seine Sippe’. Leppmanns Arbeit steht
dem Ahrensschen Aufsatze an Tiefe nach, übertrifft ihn aber weit in der Breite des be¬
handelnden Stoffes; insbesondere läßt Leppmann es sich angelegen sein, Hoffmanns
Nachahmer in der deutschen Unterhaltungsliteratur, von David Bär Schiff bis zu dessen
Berufsgenossen Johannes Richard zur Megede, vorzuführen, um dann mit Recht Gottfried
Kellers Spiegel für den Ersten aller deutschen Literaturkater zu erklären. - Eine kleine
Ergänzung zu Leppmanns Studie gibt Friedrich Hirth in der Biographie des genannten
Schiff durch den Neudruck von dessen Balzac-Verarbeitung (‘Lebensbilder von Honorö de
Balzac’; Georg Müller, 1913; I, LXVII mit Note **).
367
animaux’, die sechshundert Jahre später, um das Jahr 1840, auf die Anregung und
unter der Leitung und Mitarbeit des Verlegers Hetzel alias P.J. Stahl von Hoff-
manns besten französischen Schülern und Verehrern — Balzac, George Sand,
Müsset, Nodier, Janin, Labedollierre — geschrieben und von Grandville mit erstaun¬
lichem Talent illustriert worden sind 1 .
Hoffmann selbst hat in der Autobiographie des Katers Murr diesen guten alten Weg
nicht eingeschlagen. Es lag von vornherein in seinem Plan, das Tier nur als Begleiter
des Menschen auftreten zu lassen, u. z. als den Begleiter des städtischen Menschen
aus den höheren Ständen; aber selbst aus diesem engen Umkreise schaltete er z.B.
Pferd und Esel, Ratte und Maus, Papagei und Kanarienvogel, Fliege und Spinne,
Egel und Floh spurlos aus, obgleich die Mäuse in ‘Nußknacker und Mausekönig’,
der Papagei im ‘Goldnen Topf und später in den Abenteuern des Barons Theodor
von S. (in den ‘Irrungen’ und den ‘Geheimnissen’), die Fliege im ‘Fremden Kind’,
Egel und Floh dann im ‘Meister Floh’ bekanntlich Hauptrollen spielen. Allerdings
hatte er anfangs vor. Murr die Tragödie eines Rattenkönigs schreiben zu lassen, der
offenbar untergehn sollte wie der Mausekönig: s. I 50 oben. Später hat Hoffmann
jedoch den Vorsatz fallen lassen, während er die beiden andern dort (49 u) ge¬
nannten Schriften Murrs, die nicht über die Sphäre von Katze und Hund hinaus¬
gehn, auf den Seiten 103 f und 144 ausführlich bespricht. Tatsächlich beschränkt
Hoffmann in seinem Tierbuch par excellence sich völlig auf die beiden Geschlech¬
ter der Katzen und der Hunde. Diese Tiere treten, wie gesagt, nicht wie im Tier¬
epos als Herren ihrer Umwelt auf, sondern als'Begleiter, Beobachter, Schüler und
Kritiker des Menschen; Hoffmann wollte sich aber nicht so weit von der Wirklich¬
keit entfernen, daß er die Tiere wie im Märchen mit Menschen reden ließ.
Aus diesen Absichten ergaben sich die Bedingungen der Erzählung, die von den
Voraussetzungen der Tierfabel wesentlich abweichen. Erstens reden die Katzen
und die Hunde bei Hoffmann verschiedene Sprachen, verstehen einander also
nicht. Zweitens führt Hoffmann innerhalb beider Gattungen eine Reihe ganz ver¬
schiedener Charaktere vor. Drittens tritt außerdem eine nicht geringe Anzahl von
Menschen auf, teils unmittelbar, teils in eingelegten Erzählungen; die Tiere verste¬
hen deren Sprache, die Menschen verstehen aber nicht die Sprache der Tiere 2 .
1. Nebenbei bemerkt, läßt Balzac im ersten Bande eine englische Katze, Stahl im zweiten eine
französische Katze ihre Herzensleiden schildern. Das Sammelwerk erschien 1840/42 in 100
Lieferungen = 2 Bänden (8°) bei Hetzel & Paulin in Paris, also zu derselben Zeit, als Baudry
ebenda in 30 Lieferungen (4°) Hoffmanns Leben, sämtliche Schriften und Briefe in deut¬
scher Sprache herausgab.
2. Das letztere ist freilich nur für die Katzen durchgeführt. Diese verkehren nur durch Gesten
mit den Menschen: man sehe I 35 f, wie Murr mit Kreisler Bekanntschaft macht, I 259, wie
er das Wiedersehn mit Meister Abraham feiert; II 209 f wie er die Hausmagd veranlaßt, ihm
den Topf Milch zu überlassen, und ihr dann seinen Dank ausdrückt. - Von den Hunden gilt
dasselbe im vierten Abschnitt: in der Ehebruchsangelegenheit der Lätitia kann der Pudel
Ponto sich seinem Herrn nur durch freudiges Bellen (II 283) und leises Winseln (n 285)
verständlich machen. In den älteren Teilen liegt es damit anders. Ponto macht im ersten
Abschnitt seinem Herrn zwei detaillierte Mitteilungen: I 139 Z. 2-4 = 142, Z. 9 und 139
Z. 18-20; im zweiten Abschnitt wird zweimal darauf verwiesen: I 268 Z. 4-2 v.u. und 271
Z. 3-5. Im dritten Abschnitt denunzieren die Spitze mit „geschwätziger Beredsamkeit“
dem Hausherrn die Katzburschen: II 150 Z. 3-14; dieser befragt darauf den Hofhund
Achilles, der die Anschuldigungen bestätigt: II150, Z. 14-16.
368
Innerhalb dieser Welt nimmt nun der Held des Buches wieder eine Ausnahmestel¬
lung ein. Er lernt nämlich nicht nur die Sprache der Menschen verstehen, sondern
auch sie lesen und schreiben ', dagegen lernt er, wie schon gesagt (im Gegensätze zu
Hoffmanns Affen Milo), nicht sie sprechen. Darauf lernt er die Sprache der Hunde
verstehen und diese auch sprechen, obgleich „das Pudelische für uns Kater wirklich
eine schwere Sprache“ (I 104 M). Er kann sich also, als einziges Tier seiner Gattung,
mit den Pudeln Skaramuz und Ponto und dann auch mit den Windspielen Badine
und Minona unterhalten; dem Meister Abraham und dem Kapellmeister Kreisler
kann er aber nur zuhören, nicht ihnen antworten; die Menschen lesen seine Gedich¬
te, aber sie hören ihn nicht sprechen.
Nur in der durch Lotharios Neid angeregten Phantasie (I 276) sieht Murr sich als
Dozent in einer menschlichen Hochschule.
Unter so verkünstelten Bedingungen konnte freilich nur ein spielerisches Gemisch
aus Roman und Tiergeschichte entstehen, und dieses formale Moment - dieser
Konstitutionsfehler, wenn das physiologische Bild erlaubt ist - begründet schon
eine gewisse Schwächlichkeit des Werkes gegenüber der robusten Kraft des relativ
rationellen Tierepos und seiner Ausläufer.
3. Stellung des Verfassers zu dem Helden seines Buches
Der Kater Murr ist einerseits ein treues Abbild des klugen und schönen Katers, den
Hoffmann seit 1818 aufgezogen hatte und der ihm beinahe so lieb wie ein Kind
war. Andrerseits jedoch erscheint in den beiden 1819 entstandenen Abschnitten
das denkende und dichtende Tier als der Träger aller Meinungen und aller Grund¬
sätze, die Hoffmann verachtete, insbesondere als Verkörperung der Beschränktheit,
der Eitelkeit, der Gemeinheit.
Dieser Widerspruch in Hoffmanns Stellung zu dem Helden seines Buches ist das
andere Hauptgebrechen des Werkes, wenigstens in den ersten beiden Abschnitten
desselben. Wie wir sahen, hat Hoffmann dann 1821, freilich auf Kosten der Einheit
des Werkes, im dritten und vierten Abschnitt im allgemeinen davon abgesehn, den
Kater zum Objekt der Satire zu machen; Murr erscheint hier wie ein Durchschnitts¬
mensch, ohne auffallende Fehler oder Vorzüge. Diesem Wechsel in Hoffmanns Stel¬
lung zu Murr entspricht der Wechsel in seiner Stellung zu Murrs Gegner Lothario.
seiner Stellung zu Murrs Gegner Lothario.
II. DIE TIERISCHEN ELEMENTE
1. Objektive Schilderung des Tieres
Wir verzeichnen hier die Stellen, die Zeugnis ablegen von Hoffmanns liebevoller
Beobachtung seines Zöglings, insbesondere die Beschreibung der Bewegungen, der
369
tierischen Laute u. dgl.; analoge Stellen über andere Katzen und über Hunde sind
eingeschoben.
Allgemeines'. I 34 M/o—36o, 7o—M/u; II 6 M/o 97—98.
Bewegungen:
1) Klettern und Springen: der neugeborene Kater ist [einen Pfosten] hinauf¬
gekrochen, klammert sich mühsam an (I 31 M). Murr klettert in der Angst eine
hohe Leiter hinauf, während Ponto vorwärts springt (I 233 M/o). Murr springt
beim Beginn des Trommeins vor Schreck drei Ellen hoch (I 189 M/u). Muzius
springt aus dem Fenster aufs nächste Dach: die Katzen sind gebome Turner (II
54 M).
2) In Spiel und Freude'. Murr und Ponto überkugeln sich (I 102 M/u). Murr
wälzt sich vor Freude auf dem Boden und schlägt Purzelbäume (II 6, Z. 9—10,
52, Z. 6-7).
3 ) Katzenpuckel: außerordentlich (I 34 u), ausdrucksvoll (I 67), sehr anmutig
(1 141 u), höher, schöner als jemals (I 193 M/o), jene anmuthig stolze
Erhebung des Rückens (II 6 M/u). — Später, in der Hundegesellschaft, von Murr
als pöbelhaft empfunden (II 364 o).
4 ) Schweifwedeln: Murr lernt es (I 7 M/o). Er und Ponto begrüßen sich
damit (I 100 u). Bei Miesmies: wellenförmiges Ringeln (I 333 M/u), Wirbeln
und Schlängeln (II 5 o). Bei Muzius (II 53, Z. 3—4).
5) Ankneifen der Ohren an den Kopf beim Empfang von Tadel: (II 158 o,
162 u).
6) Kratzen'. I 32 u = 5 M. Murr hat ganz infame Krallen (I 269 M); man will
sie ihm verschneiden (I 275).
1) Einziehen der Krallen'. I 5 u.
Laute (einzelne, direkt wiedergegebene wie Miau sind nicht verzeichnet):
Piepen und quäken unter der Brücke: 131; piepen und winseln aus der Rock¬
tasche: I 32 M/u = 50. - Spinnen (jene Töne, die die Menschen durch den nicht
unebenen Ausdruck „spinnen“ bezeichnen): I 6 u. Knurrt und spinnt vor Wohl¬
behagen nach dem Dichten: I 140 M/o. Bricht vor Wohlbehagen in jenes sanfte,
süße Knurren aus, das die Menschen in höhnender Verspottung mit dem Worte
„spinnen“ bezeichnen: I 259 M/u (im Widerspruch zu I 6 u!). — Muzius schnurrt
laut, als Meister Abraham ihm Hühnerskelette vorsetzt: II 53, Z. 5. Murr
schnurrt nach der Reinigung sich behaglich im Spiegel an: II 163 M/u. — Der
furchtbare, entsetzliche Klagegesang der Kater: II 210/211. Noch besser (beson¬
ders die Wirkung auf den Menschen!): II 225, Z. 3-15.
Sinne und Sinneswerkzeuge:
1) Augen: in der ersten Kindheit verschleiert: 14. Murr sieht: 17 M/u.
Phosphorglanz der Augen: 1 183 M/u.
2) Ohren: spitz, unglaublich scharf hörend: I 268 o.
3) Gefühl: beim Gestreichelt werden: I 72; analog I 273 M/u; im Gegensatz
dazu aber I 99 (Murr fühlt sich geschmeichelt und läßt gern seine inneren
Gaben leuchten).
370
Träume-. Jagdhunde träumen: I 37 M. Murr träumt sehr lebendig: I 37 u/38;
von Hasenbraten u. dgl.: I 188 M.
Wunden und Krankheiten Murrs: I 337 f, 382 u; II 111, 115 f, 368, Nach¬
schrift 405. - Niederkunft der Miesmies ohne sonderliche Schmerzen: I 68
M/u.
Tod: II 405 (Nachschrift).
2. Beziehungen und Gegensätze des Katzengeschlechts
zum Hunde und zum Menschen
a) Die natürliche Feindschaft der Hunde gegen die Katzen wird von Murr dreimal
theoretisch erwähnt: I 276 u; 327 M/u, wo er sich als Dozent vor menschlichen
Studenten denkt und der Sicherheit wegen seinen Hörern verbieten will, Hunde
mitzubringen; II 358 M, wo er vom angebornen Naturell der Hunde spricht, und
II 360 Z. 12, wo er die Hunde als ihm feindliche Naturen bezeichnet (vgl. ebda.
Z. 16-21). Praktisch spielt sie jedoch merkwürdigerweise überhaupt keine Rolle in
der Geschichte (II 148—150 ist es zufällig, daß die Gegner Hunde sind, I 191 und
II 357 geschieht der Angriff auf Murr nur auf Veranlassung von Menschen). Im
Gegenteil freundet Ponto sich sogleich mit Murr an, wie I 100-103 o köstlich
geschildert ist. Im vierten Abschnitt findet sich insofern eine Spur jenes natürlichen
Gefühls, als hier die Hunde auf die Katzen herabsehn wie auf eine tieferstehende
Klasse. Murr erfährt diese soziale Mißachtung seitens einer ganzen Gruppe II 360 f,
seitens eines einzelnen II 267—271.
b) Gering an Zahl, aber sehr interessant sind die Stellen, die sich mit der verschie¬
denen Stellung der Katze und des Hundes zum Menschen befassen. I 32 oben stellt
Abraham den Pudel als angenehmen Diener dem Kater gegenüber als ,,ein Thier das
jeder gern um sich duldet, von dem sogar angenehme Dienstleistungen zu erwarten,
mittelst Apportiren, Handschuhe, Tabaksbeutel und Pfeife nachtragen u. s. w. aber
ich rettete einen Kater, ein Thier vor dem sich viele entsetzen, das allgemein als
perfid, keiner sanften, wohlwollenden Gesinnung, keiner offenherzigen Freund¬
schaft fähig, ausgeschrieen wird, das niemals ganz und gar die feindliche Stellung
gegen den Menschen aufgiebt“. Er seinerseits als Katzenfreund nennt seinen Kater
in einer ähnlichen Gegenüberstellung (I 36 M) „artig und sittsam, nicht zudringlich
und unbescheiden, wie zuweilen Hunde die uns mit ungeschickten Liebkosungen
beschwerlich fallen“. (Professor Lothario, der Herr des Pudels Ponto, erwähnt al¬
lerdings, ohne die Hunde zu nennen, II 154 M/u die „ursprüngliche wilde Natur“ der
Katzen.) — Murr selbst bekennt dem Pudel Ponto, daß der ihm angeborene Sinn sich
auflehne gegen die unterwürfige Schmeichelei, das Verleugnen des Selbstgefühls, wie
dieser (Ponto) es übe: „nein! guter Pudel, nicht entschließen könnte ich mich, so
freundlich zu thun, so mich außer Athem zu setzen mit angreifenden Manoeuvres,
so recht demüthig zu betteln, wie du es thatest“ (I 215 M; vgl. auch II 299 M/u).
c) Hübsch sind auch die Stellen, die ohne eine solche Gegenüberstellung den Ver¬
kehr zwischen Murr und seinem Herrn rein sachlich schildern; ohne Zweifel gehen
sie auf Hoffmanns Beschäftigung mit seinem Zögling zurück. Wir erwähnen hier als
einige von vielen solchen Stellen nur die gemeinsame Lektüre I 46 = II 264/265
(daß Hoffmann damals wirklich das genannte Buch von Arpe gelesen hat, hat Max
371 '
Voigt 1914 nachgewiesen), die Reinigung nach dem Aufenthalt im Ofen II 163, das
vom Herrn arrangierte Vogelspiel II 6/7.
d) Mit Stolz stellt Murr fest, daß sein Geschlecht freier als das menschliche ist
(I 40) und daß die jungen Katzen klüger und geschickter als die Menschenkinder
sind (I 47).
3. Besondere Tierworte
Durch Hoffmanns Bestreben, die Handlung äußerlich in den tierischen Sphären
zu halten, erhält auch der Sprachschatz seiner Helden eine besondere Färbung.
Wenn Muzius die Worte Katzenjammer und Katzbalgerei nennt oder auf sie an¬
spielt, so geschieht es unter Verwahrung gegen diese menschlichen Schmähungen
(II 101 M/uund 108 M).
Hoffmann ersetzt menschliche Werte durch tierische: Ponto spielt statt um
Papier, Gold und Silber um Cervelat-, Grütz- und Leberwürste (II 274 o); mensch¬
liche Genußmittel durch tierische: Katzpunsch mit Heringslake = Punsch mit Arrak
(II 57 o, 99 f).
Vortrefflich ins Tierische übersetzt sind einige der Soli zum Ecce quam bonum
II 58 ff.
Hoffmann weiß auch besondere tierische Metaphern zu finden: Verse sollen in
der Prosa wirken wie Speck in der Wurst: II 350/351. Statt „Feigling“ sagt Ponto
„Hase“: I 195 u, 220 u.
Bisweilen werden menschliche Zitate durch Umkehrung parodiert: „mein Sohn,
den ich ohne sonderliche Schmerzen geboren“: I 68 M/u. Anderes der Art ist
unten erwähnt oder in Ellingers Kommentar nachzulesen.
Gut werden menschliche Altersstufen durch die entsprechenden der Katzen ver¬
treten: Jugendmonate I 38 M/o; hübsche blühende Mädchen von 6—8 Monaten
II 228; Lümmelwochen I 187 M/u; Lehrmonate II 3 = 234 M/u ; die reiferen Mona¬
te II 266 u; [ danach:] die reiferen Monate des Mannes II 259 = 369 M; Jünglings¬
monate I 145. Aber Jünglingsjahre I 322 u, II 263, Z. 17/18.
Besonders zahlreich sind die Varianten der Worte Kater und Katze, die Neubil¬
dungen davon und deren verschiedene Verwendungen, deren interessanteste wir
hier anführen:
1) Katz (nach Tieck) = Mensch II 3—4. Mehr im Sinne von Kerl: ein ganz ge¬
wöhnlicher miserabler Mausekatz II 100, Z. 8; ein ganz gemeiner Katz: II
157 M. „Guter Katz!“ als Anrede seitens Pontos II 276, Z. 7, 298 Z. 11 u. 305
Z. 11; „o mein Freiheitsliebender Katz!“ ebenso II 300, Z. 6/7. Katzkerle
II 50 u;
2) entsprechend Katzheit = Menschheit 149 u, 144 M; Katzengesellschaft
= Menschengesellschaft II 218 u; Katzenfreund = Menschenfreund II 220 o.
katzlich = menschlich: das katzliche Herz II 4 Z. 4; alles katzliche Behagen
II 147 Z. 8;
3) gelegentlich auch Kater = Mensch: ein anderer Kater sollte ich werden II 55
Z. 4/5; vortreffliche Katerkenntniß II 162 o;
372
4) in der Regel ist Kater = Mann und Katze (einmal auch Katz) = Weibt Ist es
nicht Katertugend, der schwachen Katze zu verzeihen? (II 232 Z. 7/8. - großer
Kater I, S. XI; O Appetit, dein Name ist Kater! I 73 M/u; seid ihr sonst keine
Esel, sondern wahrhaftige honnette Kater I 75 M/o; große berühmte Kater
II 60 u; des durch Tugenden jeder Art . . . geläuterten Katers II 221 o; ein ein¬
facher, schlichter, gerader Kater II 224 M/u; Kühner Kater! (parodistisch statt
kühner Jüngling! oder: kühner Ritter!) I 336 u. — Andrerseits: O Schwachheit^'
dein Name ist Katz! II 232, Z. 5/6;
5) entsprechend kätzlich = weiblich I 374 o.
6) Oft ist aber Katz- nur vorgesetzt, um (von Murrs Standpunkt aus über¬
flüssigerweise!) daran zu erinnern, daß es sich nicht um Menschen und mensch¬
liches handelt: Katzkerle; Katzburschen; Katzsenior II 52 Z. 3 (später ver¬
ständigerweise nur Senior); Katzphilister (II 14 u, 47 u—50,60 M/u; daneben
auch Spitzphilister II 216 M, 221 M/u; oft aber auch bloß Philister); Katz-
punsch (s.o.).
7) Entsprechend heißt es quasi-pleonastisch: ein tüchtiger junger Kerl von
Kater; Katzenmädchen II 225 u; Katzenjungfrau II 226 u; Kateijüngling: sehr
häufig, sowohl für handelnde Personen wie als Anrede an den von Murr (zuerst
I 39 M/u) vorausgesetzten Leser, z. B. geliebter Katerjüngling, der du dieses
liesest I 184 u; O Katerjüngling, der du dieses liesest II 98 M/u; O Kateijüngling
II 210 Z. 9 u. ö. bis 369 u. — Entsprechend Pudeljüngling I 332 o.
Gelegentlich wird aber auch hier das Vorsetzwort weggelassen: ein junger
schwarzgekleideter Mann I 375 M/o; ein Jüngling, der. . . eine reiche fremde
Uniform trug I 379 M; in der Anrede: Leser! — Jünglinge, Männer, Frauen,
unter deren Pelz ein fühlend Herz schlägt I 66 M/u.
Sehr spaßhaft sind auch die mannigfachen Verwendungen des Worts Pfote und
die Ableitungen davon:
1) die reguläre Verwendung = Fuß oder Bein kommt nur vereinzelt vor: sich
die Pfoten wund stoßen I 107 o; Hinterpfote II 150 u (208 Z. 4 und 217 Z. 2
statt dessen Hinterbein). Fast immer erscheint das Wort im vermenschlichten
Sinne als Arm oder Hand, d. h. als Werkzeug zum Greifen, Umschlingen, Schla¬
gen u. dgl.:
2) = Arm: eile in meine Pfoten I 68 M/u; Unsichtbare Pfoten rissen mich hin zu
ihr I 334 o; Pfot’ in Pfot’ und Brust an Brust II 60 M; ich forderte sie [Mina]
auf zum Tanz, sie gab mir die Pfote II 229 u; Wie ich ihren süßen Leib mit
meinen Pfoten umschlungen hielt! ebda.; - entsprechend umpfoten = um¬
armen: I 337 M/o, 384 M/o, II 5 Z. 4.
3) = Hand: griechische Schrift scheint Murr vorzüglich in der Pfote zu liegen:
I 98 M/u; Herz und Pfote bieten: I 376 M; Pfote aufs Herz: II 4 Z. 8; Pfoten¬
druck II 56 u; mit gewichtiger Pfote auf den Tisch schlagen II 57 u; recht unter
den Pfoten weggeraubt II 154 Z. 4; die Pfote der Schönsten heftig drückend
II 228 M; Murr drückt ihre Pfote an seine Lippen II 230 M; ebenso Minonas
Pfote: II 364 M/o; Muzius warb um ihre [Minas] Pfote, die sie ihm willig reichte
II 231 M.
Entsprechend werden die Klauen als Schreibwerkzeuge angeführt: Sprang wirk¬
lich ein Heldengedicht unter meinen Klauen hervor I 50 u.
373
Der Pelz und seine Partien wird dagegen weniger als Körperteil denn als Kleid
aufgefaßt. Bisweilen ist der Gebrauch neutral: unter deren Pelz ein fühlend Herz
schlägt I 66 u; die volle Glut im Innern und Eiswasser auf den Pelz II 367 u.
Ausgesprochen als Kleid erscheint der Pelz I 333 M (Sammetkäppchen auf der
Stirn, Strümpfchen an den Beinen). I 375 M/o (der junge schwarzgekleidete Mann)
und 379 M (der Jüngling in reicher fremder Uniform, schwarz, grau und gelb: s. o.
üntör „Katz“,am Schluß [S.372 M]);II 4 u (Sammtkäppchen); II 308 M/o (Verse,
die ich . . . so recht, wie man zu sagen pflegt, aus dem Pelzärmel schüttle).
Jahns Neubildungen Volksthum, Deutschthum usw., die sich inzwischen einge¬
bürgert haben, aber den Zeitgenossen als barbarisch erschienen, werden parodiert
in den Worten Pudelthum (I 103 M/o) und Pudelthümlichkeit (I 101 M).
Analog nach „landein“ bildet Murr I 340 o den Ausdruck dachein.
III. DIE PRINZIPIELLE SATIRE 1
1. Aesthetisches
Murr kennt und schätzt in der Wissenschaft nur die Anhäufung von Buchkennt¬
nissen, in den Künsten nur die erlernbare Technik. Da er in der Tat beides erwor¬
ben hat, so empfindet er sich mit tiefer Befriedigung als vollendetes Wesen und
verlangt mit subjektiver Berechtigung von jedem die gleiche Schätzung.
Diese Charakteristik gilt jedoch, wie gesagt, nur für die Teile von 1819; 1821 hat
Hoffmann nur in einigen wenigen Stellen darauf zurückgegriffen. Im einzelnen
verzeichnen wir:
1) Verherrlichungen des Buchwissensund des Strebens danach: angebohmer Hang
zur hohem Cultur I 41 o; Wollust, in Schriften zu wühlen; wissenschaft¬
licher Heißhunger I 42 u, 43 o. Es ist etwas Herrliches um die Wissenschaften!
I 97 f. Verehrt die Gelehrten (besonders die Statistiker), von denen man sagt,
sie hätten das Pulver nicht erfunden I 97 M/u (s. unten Murrs Gönner, der den
tiefsten Respekt vor Eseln hat). Hat die Bücher sich unbesehen herausgelangt
und durchgelesen, einerlei was sie enthielten; so gewann sein Wissen den Reich¬
thum, den die Nachwelt an ihm bewundern wird I 98 o. Kommt jung in den
Peruschacht der Litteratur und geht mit Riesenschritten der Vollkommenheit
entgegen I 107 M/u u. v. m.
2) Murrs Urteile über Literatur, besonders über seine eigene Schriftstellerei:
a) im allgemeinen: Ausgezeichnetes Talent, entschiedenes Genie 198/99;
macht Ponto mit seiner Genialität, seinem Talent bekannt I 109 M/o;
1. Satire über einzelne historische Verhältnisse, Personen und Werke in der vorigen Abhand¬
lung besprochen.
374
Genie, großer Geist 1143 M/o; Genie 146 M/u, 48 M, 49 M, 104 M;
Hoher Genius I 38 M; hoch emporstrebender Geist I 50 M; Unwidersteh¬
licher Trieb zum Erhabenen I 10/11; Junger Romantiker, der den Ent¬
wicklungskampf der großen erhabenen Gedanken in seinem Innern be¬
steht I 96 M/u; seine unsterblichen Werke I 49 M/u. Er selbst und seine
Werke sind ihm das Höchste im Leben I 109 o und so immer 1819. 1821
nur gelegentlich: der wahre, hohe Dichtergeist II 259 M/u u. dgl.
In seinen Dichtungen erscheint Murr mehrfach, wie in seinem Denken,
als derber Rationalist oder besser gesagt Materialist; da jedoch Hoffmann
den schlechten Nachahmern der Romantik begreiflicherweise ebenso ab¬
geneigt war wie den platten Nützlichkeitspoeten, so muß es Murr auch
übernehmen, jene unfreiwillig zu parodieren.
b) Philosophisches: romantische Sprachphilosophie [sehr hübsch] I 103
M/u—104 o ; romantische Aphorismen [gleichfalls sehr glücklich; von
Ellinger mit Recht auf Loebens ‘Lotosblätter’ bezogen] I 106.
c) Genugtuung über einzelne Fähigkeiten: Metrum (Jamben) I 266; Me¬
taphern (Wälder, Quellen, Wellen) und Reim (auf Kater: hat er, Berater)
I 341. (Zu den Metaphern vgl. I 2 M/u [Schwingen] und 257/58 [„hohe
Götterlust“ = Braten].)
d) Besingt herrlich Dinge, ohne sie zu kennen (die Liebe: I 338 M).
e) Einzelne Werke: in den Abschnitten von 1819 werden von Murr die
meisten seiner Werke in den Himmel erhoben, insbesondere in der ersten
Aufzählung I 49—50; im folgenden namentlich das Sonett und die Glosse,
die Mausefallenschrift, die Reisebeschreibung (zumal sie sich wesentlich
mit ihm selbst beschäftige) und die Liebesklage an Miesmies; in den Ab¬
schnitten von 1821 findet sich nur ein schwacher Rückfall bei Gelegenheit
des Rachegedichts auf Muzius II 260 und 263, während die Minona-Dich-
tungen II 366 M/o recht bescheiden erwähnt werden.
3) Murr über Musik:
a) Murr verehrt Rossini, schätzt Mozart weniger: I 374 o und 375 M.
b) An Sängern schätzt er besonders die Fertigkeit der Rouladen, Triller und
Mordente: I 373 M/o, 374 M.
c) Sein eigenes Talent, bestärkt durch seinen Glauben daran: I 68 M/o (vgl.
auch I 372 u). Miesmies singt seine eigenen Melodien herrlich nach; er
wird darüber fast närrisch: I 376 o.
4) Murr als Maler: führt mit dem ins Tintenfaß geratenen Schweif die schön¬
sten Malereien auf Boden und Kanapee aus, aber der Meister hat keinen Sinn für
dieses Genre der Kunst: I 186 M.
5) Murrs entsprechende Gesamtbewertung seiner Persönlichkeit: großer Kater
I, S. XI; großer Geist I 38 M/o, I 190 M; großer Mann I 38 Z. 3 v.u. und öfters.
Die Hauptorgie der Selbstverherrlichung ist das außerhalb der Autobiographie
stehende Intermezzo I 327 u[,,Es wird mir so enge . . ,“]bis I 332 u[„ein merk¬
würdiger Lebenspunkt tritt ein.—“], das allerdings 328 M/o mit offener Selbst¬
ironie eingeleitet wird. — In den Teilen von 1821 werden diese Ausbrüche sehr
gemäßigt; im Katzenjammer II 100 verachtet Murr sich und glaubt zu erkennen,
375
daß er nichts sei als ein ganz gewöhnlicher miserabler Mausekatz; erst nachdem
er Haare aufgelegt, ist er II 102 wieder der herrliche höchst excellente Kater
Murr. II 103 M/u ist er ein gelehrter, scharfsinniger Kater, höher hinauf geht es
jetzt in der Regel nicht mehr.
6$) Dem entsprechen Murrs Ansprüche auf Anerkennung. 1819 sind sie un-
gemessen: im Vorwort I, S. XI verlangt er Bewunderung, ja Anbetung; I 39 u
soll der Leser ihn apostrophieren „göttlicher Murr, größter deines Geschlechts“;
am ausgiebigsten ist die sub 5) zitierte Stelle I 329 M—332 u. Sehr viel gemäßig¬
ter sind die Ansprüche 1821. Er ist II 60 u überaus glücklich, daß die Katz-
burschen sein Talent anerkennen und später darüber gekränkt, daß Ponto ihn
(II 152 M) nicht vermißt und (158 M) verachtet. (Eine hübsche Parallele zu
II 152 M steht II 265 Z. 2 v.u.-266, Z. 5.)
In einer großen Anzahl der angeführten Stellen wird in Tiecks Bierzeitungs-Manier
der Kater direkt verhöhnt, indem ihm offenbarer Unsinn in den Mund gelegt wird;
das stärkste ist wohl die Zumutung, in der Wendung „Er hat das Pulver nicht er¬
funden“ ein Lob zu erblicken (I 97 M/u). Aber Murr selbst wünscht gelegentlich, er
möge „so viel Unsinn aussprechen, wie es einem von dem besten Romandichter ge¬
schaffenen Liebeshelden geziemt!“ (I 372 M/u). In gleicherweise muß der einzige
zuverlässige Gönner des Katers unter Meister Abrahams Freunden der „den tiefsten
Respekt vor Eseln hat“, sich (I 271) nicht nur auf Tiecks ‘Gestiefelten Kater’ und
auf Cervantes’ Berganza-Episode als geschichtliche Zeugnisse berufen, sondern
auch noch auf 1001 Nacht als „die beste historische Quelle voll pragmatischer
Authentizität“ (I 270). In dem unhemmbaren Bestreben, einen Typus zu be¬
kämpfen, packt unser Dichter der Figur, die das Unglück hat diesen Typus zu
verkörpern, alle Dummheiten auf, die ihm einfallen; er verwirkt damit bewußt den
Anspruch, daß man diese Figur und damit das ganze Werk ernst nehme. In diesem
Betrachte ist der Kater Murr von 1819 eine tendenziöse Satire, die künstlerisch um
kein Haar besser ist als Satiren der umgekehrten Tendenz, etwa die Freuden des
jungen Werthers.
1821 hat Hoffmann, wie gesagt, diesen selbstmörderischen Kampf gegen die eigene
Figur nur gelegentlich wieder aufgenommen. Dafür findet sich aber im dritten
Abschnitt ein großes und sorgfältig ausgeführtes satirisches Stück: Hinzmanns
Trauerrede auf Muzius. Während der Murr von 1819 seine unzähligen Dummheiten
unbewußt von sich gibt, scheint Hinzmann sich dessen bewußt zu sein, daß er eine
Parodie auf das Institut der gewerbsmäßig angefertigten Trauerreden liefert; er
nimmt gewissenhaft die sämtlichen Stücke, die zu dem eisernen Bestand einer
solchen gehören, nacheinander vor: zunächst die leeren metaphysischen Betrach¬
tungen (II211 u-214 o), dann die inhaltslosen biographischen Rückblicke
(214 M/o—215 M), darauf die überflüssige Darstellung des Todesfalles (215 M—217
Z. 14), dann, besonders ausgiebig, die verlogenen Verherrlichungen des Charakters
des Verstorbenen (218 M/o-220 M/u), schließlich (gleichfalls recht gut, nur, wie
die Rede überhaupt, zu ausführlich) die Lobpreisungen des immerhin nur negativen
Glückes der Todesruhe (221—223 o). Hinzmann wird so deutlich, daß selbst Murr,
der (wenigstens im ersten und zweiten Abschnitt) nie eine Bosheit versteht, die
„Zweideutigkeit“ des dem Verstorbenen gespendeten Lobes bemerkt. Eben diese
durchaus nicht mehr zweideutige Deutlichkeit der Parodie tut ihr, namentlich in
Anbetracht der großen Ausdehnung des Stückes, Eintrag; trotzdem ist sie unver¬
gleichlich besser als alle parodistischen Stücke der ersten beiden Abschnitte zu¬
sammengenommen.
376
2. Ethisches
Weit interessanter als die kunstpolemische Seite des Werkes ist die moralische.
Auch hier wird Murr nur in den Teilen von 1819, dem ersten und zweiten Ab¬
schnitt, als Demonstrationsobjekt verwendet; im dritten und vierten Abschnitt
handelt es sich ausschließlich (wie auch im ersten und zweiten schon vielfach) um
andere, die Murr beobachtet oder von denen er hört. Wir besprechen zunächst
einige Stellen der ersten Art.
Bei Gelegenheit leistet sich der Kater eine bewußte kleine Heuchelei: in dem
definitiven Vorwort (I, S. X); bei Pontos Bewirtung (I 102 M), wobei er sich freut,
daß er wenigstens den Bratfisch vor dem Gaste gerettet; bei der Kunde von Mies¬
mies’ Untreue, die er zwar mit heimlicher Freude vernimmt, aber „Anstandshal¬
ber“ mit „gehöriger Verzweiflung“ und mit einem Racheversuche beantwortet
(I 382 M/o).
Diese Stellen wirken, da man die richtige Selbsterkenntnis dahinter sieht, gerade¬
zu erfrischend im Vergleich mit den jetzt zu besprechenden.
Eigentlich charakteristisch für den Murr von 1819 ist die unbewußte Heuchelei.
Diese besondere Art von „Unschuld“ ist zwar zweifellos Gemeingut aller Völker
(wenigstens aller christlichen Völker: den Japanern scheint sie so fremd zu sein wie
den alten Römern); Außenstehenden scheint sie aber besonders an uns West¬
germanen aufzufallen. Nietzsche will sie (namentlich 1888) von Italien aus an den
Deutschen wahrgenommen haben; vor ihm hat Johannes Scherr sie von Zürich aus
öfters der ganzen Nation vorgehalten, Bismarck hat sie aber — sicherlich mit
Recht — Scherr selber vorgeworfen und Fontane — im ganzen wohl mit weniger
Recht — wiederum Bismarck. Wie dem auch sei: ihre klassische Ausprägung hat
diese Gemütsverfassung doch wohl — Kenner von Byron bis Shaw versichern es
glaubwürdig — im puritanischen cant beider Hemisphären gefunden. — Aber da
inzwischen aus 1908 1915 geworden ist, so halten wir uns auf diesem umstritte¬
nen Gebiet nicht länger auf, sondern beeilen uns unter den Ofen zu unserem Kater
zurückzukehren. Dieser also folgt unbekümmert seinen Trieben, besitzt aber nicht
die intellektuelle Redlichkeit, um sich über seine Motive Rechenschaft zu geben.
Im Gegenteil: wie er mit gutem Gewissen sich für die Blüte aller Wissenschaft und
Kunst hält, so ist er auch mit seinem Charakter vollkommen zufrieden. Wie ihm
jedes Verständnis abgeht für schöpferische Originalität, für individuelle Phantasie,
für selbständige Forschung, so geht ihm auch jede Fähigkeit zur ethischen Selbst¬
prüfung ab.
Auch hier trägt unser Satiriker oft die Farben allzu dick auf. Knigges „herrliches
Buch“ ist so recht aus Murrs Seele geschrieben und unschätzbar für Kater, die in der
menschlichen(!) Gesellschaft etwas gelten wollen (I 45 M/u); innig überzeugt von
seiner hohen Vortrefflichkeit (I 183 u) glaubt Murr, daß er in seinen Lümmel¬
wochen nur unwillkürlich den Menschen in dessen Lümmeljahren nachgeahmt habe
(I 185); er zeigt, wie glücklich ihn auch unverdientes Lob macht (I 263); gerechte
Selbstvorwürfe weist er an der Schwelle ab, da es für einen Mann von Verstände
nicht schicklich sei sich zu schämen (I 267 M).
Trotz solchen Überdeutlichkeiten liegt die Stärke des Werkes und sein bleiben¬
der Wert in erster Linie in diesem moralkritischen Element.
Gleich das erste Stück, das Stimmungsbild, mit dem Murr seine Autobiographie
einleitet, bringt (13) ein ethisches quiproquo: Murr empfindet „einen gewissen
377
schwärmerischen Appetit “ und will eine Taube „an sein liebekrankes Herz
drücken“, aber „die Falsche“ läßt ihn sitzen, und er stellt mit Wehmut fest, wie sel¬
ten in dieser liebeleeren Zeit wahre Sympathie der Seelen ist.
Wie hier kontrastiert Hoffmann öfter sehr glücklich die elementaren Triebe des
Katers mit den angelesenen sentimentalen Gefühlen und Tugendphrasen.
Der Kater liebt enthusiastisch sein Vaterland — denn es gibt ihm zu fressen:
I 11. Er feuert seine Brüder zu Heldentaten an — denn er kann dann um so sicherer
hinter dem Ofen sitzen: I 144/45.
Die glänzendste, mit außerordentlicher Sorgfalt ausgearbeitete Episode des ersten
Abschnitts ist Murrs Zusammentreffen mit seiner Mutter und was darauf folgt resp.
nicht folgt (I 50, letzte Zeile, 66, Z. 14 bis 75 Z. 18): Mutter Mina spricht wie ein
Buch, und zwar wie eins aus weiblicher Feder; Murr antwortet ebenso preziös. Wie
aber nach dieser beiderseitigen Deklamation die Zuneigung sich betätigen soll — da
frißt unser pius Aeneas selber den Heringskopf. Damit ist der Schwank keineswegs
zu Ende. Es werden nunmehr die gleichfalls rein literarischen, aus der Lektüre
reproduzierten Gewissensqualen des Katers vorgeführt, die schließlich den Vorsatz
zeitigen, die Mutter „womöglich einzuladen zur Frühstücksmilch“. Dieser Entschluß
wird zwar gleichfalls nicht ausg'efiihrt, er beruhigt Murr aber völlig. Ein seliger
Frieden kommt über ihn (I 75 o); er überzeugt sich, daß in einem echten, tiefen
Dichtergemüt auch kindliche Tugend und Mitleid wohnt (I 96 M/o); die Leser,
unter deren Pelz ein fühlendes Herz schlägt,.werden ihn verstehen und ihn lieben
(I 66 u).
Hoffmann ist jedoch weit davon entfernt, in Swifts galliger Zelotenart dem Kater
resp. dem von ihm repräsentierten Menschen aus seinem natürlichen Egoismus
einen Vorwurf zu machen: im Gegenteil, das praktische Verhalten des Katers
erscheint ihm als selbstverständlich. I 262 M läßt er einen zweiten Gail unter den
vortrefflichsten Organen des Katers Mordlust, Diebssinn und Schelmerei aufzählen:
diese Tugenden werden in souveräner Unbefangenheit mit dem Ortsinn auf eine
Stufe gestellt. Und wenn der Kater I 108 an seinem Ahnherrn, dem Gestiefelten,
eine „ganz vortreffliche Sorte Tugend“ rühmt, so gibt er selber zu, daß es mancher¬
lei Sorten Tugend gibt, praktische und unpraktische. Hoffmann hält es eben ganz
und gar nicht für den Zweck der Kunst, die Menschen zu bessern und das Leben zu
schildern „wie es sein soll“, sondern zu zeigen, wie es ist.
Murr seinerseits lernt das Leben, wie es ist, insbesondere den großen Satz, daß jeder
sich selbst der nächste ist, in der ersten Abteilung des zweiten Abschnitts auf
jenem Ausflug in die Welt kennen, der wieder ein Kabinettsstück Hoffmannscher
Kunst ist. Die Jünglinge seines Geschlechts, von denen er mindestens Interesse
erwartet, glotzen ihn an und lassen ihn stehen (I 190 o); der hübsche Knabe, dem
er vertraut, kneift ihn in den Schwanz (191 o); die Frau, zu der er flüchtet, geht mit
einem Stock auf ihn los (191 u); das schöne Mädchen, bei dem er sich zu einer
Wurst einlädt, versucht ihn mit einem derben Stück Holz zu erschlagen (193). In
dem verzweifelten Monolog, den Murr am folgenden Morgen anstimmt (194),
formuliert Hoffmann mit grausamer Beobachterfreude die Enttäuschung des
jugendlichen Stubenhockers, der die „Welt“ kennengelemt hat, jene Stimmung, die
der noch härtere Busch in die Verse gebracht hat
Zuerst hast du es gut, mein Sohn,
Doch paß mal auf, man kommt dir schon!
I
378
Es saust der Stock, dann geht es schwapp!
Sieh da, mein Sohn, du kriegst was ab!
Und schon erscheint dir unabwendlich
Der Schmerzensruf: Das ist ja schändlich!
Du wächst heran, du suchst das Weite,
Jedoch die Welt ist voller Leute;
Vorherrschend Juden, Weiber, Christen,
Die dich ganz schrecklich überlisten,
Und die, anstatt dir was zu schenken.
Wie du wohl möchtest, nicht dran denken.
Und wieder scheint dir unabweislich
Der Schmerzensruf: Das ist ja scheußlich!
Ein köstliches Pendant zu jener Stelle steht in der zweiten Abteilung desselben
Abschnitts (I 338). Hieß es dort (194): „Das also ist die Welt“ usw., so hier: „Das
ist also die Liebe “ usw. 1
Hoffmann sorgt, wie Busch, redlich dafür, daß die Sentimentalität nicht über
den Leser Herr wird, sondern behagliche Ironie die Oberhand behält: Murr ist wie
Buschens „Helden“ um kein Haar edler als die Gegenspieler, über die er sich be¬
schwert ; und Hoffmann entrüstet sich über diesen Sachverhalt so wenig wie Busch,
denn es ist der reguläre. Was Hoffmann mit Busch verhöhnt, ist eben nur die Er¬
wartung und der Anspruch, daß andere „besser“ sein sollen als wir, daß andere so
sein sollen, wie wir selber fälschlich zu sein glauben.
Ohne die moralische Illusion über sich selbst und über die Sozietät ist im Gegen¬
sätze zu Murr der Pudel Ponto. Ponto handelt genau wie Murr und genau wie von
100 Menschen mindestens 99, nämlich als reiner Egoist; aber erstens ist er sich
darüber völlig klar, und zweitens hat er dabei das beste Gewissen von der Welt.
Am Tage nach Murrs Ausfluge in die Welt bemüht sich Ponto, seinem Freunde
theoretisch den wirklichen sozialen Mechanismus zu zeigen, etwa in dem Sinne, in
dem der junge Goethe ihn in den ‘Mitschuldigen’ zeigte. Er tut das zunächst
theoretisch (I 215 letzte Z. —219 Z. 5) und illustriert seine Darlegungen dann
durch ein ausführliches praktisches Beispiel, die Geschichte der beiden Freunde,
die Braut und Amt miteinander tauschen. Bei diesem Beispiel ist allerdings unse¬
rem Dichter die Kraft ausgegangen, die Figuren tierisch zu maskieren oder sie auch
nur mit seinen Helden in irgend eine Beziehung zu bringen; Murr und Ponto sehen
lediglich eine Begrüßung der Freunde, und Ponto berichtet darauf ihre Geschichte,
wie er sie von seinem Herrn (Lothario) gehört hat 2 .
Wie der vierte Abschnitt unseres Buches in manchem den zweiten wiederholt, so
unterrichtet auch hier Ponto seinen lernbegierigen Freund in der Lebensweisheit.
Als Murr sich gerührt dafür bedankt, daß Ponto ihn an einem Pintschergerächt hat,
1. Wie wenig veraltet diese Enttäuschungsausbrüche sind, zeigt der Titel eines Romans aus
weiblicher Feder, der unlängst in den Schaufenstern lag: ‘Ist das - das Leben? ’
2. Hoffmann mißbilligt das später (1821, im dritten Abschnitt) selbst durch den Mund des
Muzius; dieser tadelt (II 13/14) Murr gegenüber den Pudel, „der, statt Euch einzuführen in
das wahre Weltleben, Euch unterhielt mit albernen, menschlichen Geschichten!“
379
erwidert der Pudel ihm offen, in erster Linie habe er sich selber gerächt (II
275/276; eine ähnliche Lehre II 358/59). Dann wartet er ihm mit einem neuen
conte moral auf, der Geschichte vom geborenen Hahnrei (II 277 M-297 M). Dies¬
mal ist die Fabel - abermals ein Prachtstück gelassener Menschenverachtung -
geschickt mit dem Leben des Pudels verflochten, wenn sie auch Murr selbst nichts
angeht. Wie Murr sich über die Kupplerrolle entrüstet, die Ponto in der Geschichte
spielt, lacht Ponto ihn aus und erwidert zunächst mit der Gegenfrage, „ob denn die
Moral der Katzen gar so strenge sei“; dann rechtfertigt er sich als bloßes Werkzeug
des Schicksals und schließt mit dem Satz: „Wir Pudel sind nicht solche überstrenge
Moralisten, daß wir in unserm eignen Fleische wühlen und die im Leben schon
sonst knapp genug zugeschnittene gute Bissen verschmähen sollten.“ (II 299 M.)
Ein kürzeres und milderes Beispiel aus dem Menschenleben trägt Meister Abra¬
ham dem Helden vor (von den beiden Trinkern II 161).
Eine eingehende Charakteristik des Durchschnittsmenschen in seinen sozialen
Beziehungen, diesmal mit Sorgfalt tierisch maskiert, gibt HoffmannH 211-224 in
der Leichenrede auf Muzius: der Verstorbene wird gewürdigt als Staatsbürger,
V Gatte, Vater, Politiker, Wohltäter und Freund.
Die Damen kommen keineswegs besser fort. Miesmies und Mina verlieben sich
(I 344 M-345 o resp. II 227/28) erst dann in Murr, dann aber auch stürmisch, wie sie
hören, daß Murr sein reichliches Auskommen hat. Das männliche Opfer verfehlt
beide Male nicht, ob ihrer Seelenschönheit in Ekstase zu geraten. - Die eben zum
-dritten Male verwitwete Miesmies gönnt ihrer älteren Tochter die Ehe mit Murr
nicht sondern verlangt als ihr gutes Recht, wieder geheiratet zu werden (II
230—234). Besonders die Stelle II 231 Z. 16—232, Z. 15 ist eine kostbare Parodie
weiblicher Schriftstellerei, genau wie die vorher angeführten Reden von Murrs
Mutter Mina. — Da Murr sich drückt, tröstet Miesmies sich mit Hinzmann: II 265.
Mit diskreter Ironie wird am Schluß des dritten Abschnitts berichtet, wie eine
Trauerfeier sich „in Jubel auflöst“, nämlich in einen Ball mit lebhaften Heirats¬
plänen (II 229—234); ein Rückfall in die klobige Manier von 1819 ist es dagegen,
wenn im Anfang des vierten Abschnitts das Versemachen als Gegengift gegen alle
Körper- und Seelenschmerzen gepriesen wird (II 259/260).
Die gelassene Skepsis, mit der Hoffmann im allgemeinen die menschlichen An¬
gelegenheiten betrachtet, äußert sich stilistisch gern in der ironischen Vertauschung
des Gefühlswertes der Worte. Hoffmann bezeichnet in solchen Fällen böse Dinge
durch lobende Ausdrücke, pathetische Vorstellungen durch geschäftsmäßige
Wendungen, niedere Dinge durch feierliche Vokabeln; dabei werden die Worte so
nahe zueinander gerückt, daß die Komik sich ohne weiteres durch den Kontrast
ergibt. Unser ganzes Buch ist nun schon in diese Ulkstimmung getaucht; erstens, da
die menschlichen Charaktere tierisch maskiert sind und wir beständig von „großen,
berühmten Katern“ u. dgl. hören; zweitens, da die erbärmlichen Gefühlchen und
Gedichtchen des Helden unausgesetzt mit den verstiegensten Epithetis belegt
werden. Aber auch in den menschlichen Partien findet sich dieser spezifisch
Hoffmannsche Stilscherz; so in Pontos Erzählung von den beiden Freunden
(I 227 M/u: Walter läuft in den Busch, wo er am dicksten ist, und will sich tot¬
schießen — in der Verzweiflung hat er aber vergessen die Pistole zu laden; beson¬
ders aber in Pontos aufklärendem Schlußwort I 230 u—232 u. Nachdem Formosus
den Tag über verzweifelt, besucht er abends eine niedliche Putzmacherin, der eine
alte sehr anständige Frau abwechselnd als Mutter, als Muhme, als Aufwärterin
dient; die engelsmilde Ulrike besitzt das eigne Talent, sich bei schicklicher Gelegen¬
heit in einen Satan zu verwandeln; wer sich ihr als Gemahl anheftet, ist ihr einerlei)
und in Abrahams Mahnung an die voreiligen Retter (I 260): Er hat einst einem
Freunde in dem wohlwollendsten Enthusiasmus beträchtliches chinesisches Porzel¬
lan durchs Fenster geworfen, damit es nur ja nicht verbrenne. — Muzius, der am
Schluß des zweiten Abschnitts (also in dem letzten 1819 geschriebenen Stück)
durchaus als kühler Weltmann in Pontos Art auftritt, bezeichnet hier Miesmies,
deren Untreue er Murr mitteilt, als dessen „vortreffliche Gattin“ (I 380 M/o)
und sagt dann zu Murr, als sein wahrer Freund möge er ihn jetzt weiter nicht in
seiner angenehmen Verzweiflung stören; er könne ihm zwar mit einem tüchtigen
Rattenpulver aufwarten, es wäre aber schade um Murrs junges Leben (I 381 u).
Im einzelnen findet sich derartige Wort-Ironie noch Öfter; so ist es jedenfalls
Absicht, wenn (I 32 M) statt „Mitleid“ (mit einem Kater) das in der verflossenen
Aufklärungszeit besonders feierliche Wort „Menschenliebe“ verwendet wird.
3. Soziales
Wie in Nr. 1 dargetan, verzichtet Hoffihann 1821 fast völlig auf die 1819 so aus¬
giebig geübte ästhetische Satire, die in massiver Parodierung von allerhand ihm un¬
sympathischen Richtungen bestand. Dafür führt er ein anderes Element in das
Wefk ein: die leicht karikierende, aber immerhin nicht grob parodistische Wieder¬
gabe gewisser sozialer Erscheinungen, die er in Berlin beobachtet hatte.
Im dritten Abschnitt führt er (II 10—14, 47 u —61 M, 97 u — 117 M/o) in diesem
Sinne mit väterlichem Wohlwollen das Burschenwesen vor, wie es sich in den
letzten Jahren entwickelt hatte. Er schildert das „Keilen“ (II 10—14, 47 u —54),
die Aufnahme in den Bund und eine Kneiperei (II 55 M/o-61 M), den Katzenjam¬
mer mit dem Grauen Elend (61 Z. 11-12, 97 Z. 19-102 o), dessen Heilung durch
„Haareauflegen“ (102 M), die Beleidigung (103 u -106 M/o), die Forderung
(II 107 M/o -109 u), den Zweikampf selbst (II 109 letzte Zeile -115 o) und die
Heilung (II 115-116).
Was darauf folgt, ist nicht mehr Zustandsschilderung, sondern Satire auf bestimm¬
te historische Ereignisse und ist daher in einem weiteren Aufsatz zu behandeln, der
die zeitlich und individuell bedingten Elemente des Werkes bespricht. —
Der vierte Abschnitt enthält zwei vortreffliche Satiren auf das Leben der Gesell¬
schaft im engeren Sinne: die Schilderung einer assemblee, mit großem Geschick
tierisch maskiert (II 359 u — 366 Z. 1); besonders die Unterhaltung im allgemeinen
(II 361) und Minonas Äußerung im besonderen (II 363 M —365) und den Tages¬
lauf eines elegant, nicht maskiert (II 300 M -305 Z. 10).
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Fragmente einer 'SMograpfjte
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Anfang 1802 bi3 9Jlärg 1804*
'Sftit einer ‘21bbüi>un<j beS ^tocfer ©orneS
unb i>rei SaffimileS.
3n groeiimnbert ©jemptnren ctuSgegeben
bei ©ebrüber ^aetel (Dr. ©eorg ^aetel),
Berlin, Februar 1914.
[ 2 ]
385
^aul 23aiKeu
in fveuer ©eftnnung bargef>vacf)t
[5]
387
3nl)alt$t>er3eid)nig-
93orbemerfung. 7 10
I. 931g prn Februar 1802 . 11—22
1. ©ie 9teminifaenaen beS §:agebucbS auS ben 90er Sohren 11—14
2. 33ed)ältniffe unb Sreigniffe in < pofen bB junt dornend
1802 . 14—17
3. ©ie Stabt ’Ptocf unb bie int 'Sagebuci) erwähnten 9Kit-
glicber bet ‘ptoefer Regierung bB ßnbe 1801 .... 18-22
II 'HnffeUung unb Äeirat: Februar big 3uli 1802 . 23—27
III. ©ag erfte <£()ejabr: Qluguff 1802 big 3uli 1803 . 28—32
IV. ©ie ßeffüre beg freimütigen 5 unb ityre Drütte: 2iuguff unb
6epfember 1803 . 33—39
V. Oftober big ©esember 1803 . 40—50
1. Q3om 1. Oftober bB jum 17. 91oöember.40—48
2. 93otn 18. 9to»ember big jum 31. ©ejetnber.48—50
VI. 3anuar big OO^ärg 1804 .. 51—66
1. 3n grtoartung ber grbfebaft.51—54
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05 or fünf Sauren f)abe icf) in ber brüten unb einftmeilen lebten meiner
Mitteilungen „au$ ben Materialien §u einer ‘Biografie ©. ©. Ql. .Soff*
ntannö"*) berietet über mistige innere (Srlebniffe SoffmannS auP ber 3eit
oom Berlaffen ber Seimat im 3uni 1796 bid jur ©rünbung eines eigenen
SauäftanPeS im 3uli 1802. ©aP gefamte ardjtoalifcbe Material für ben nach*
folgenben Qluffatj ift furz barauf, im 3anuar unb Februar 1909, gefammelt 2 )
unb nur aus zufälligen, äußeren ©rünben erff jettf zu einer jufammen^ängenben
©arftellung georbnet; eP folt barin im mefentlichen SoffmannS QSeggang au«
^ofen unb fein Qiufenthalt in ‘plocf 8 ) mit ©infchluß ber 9Reife nach Off*
unb Qßeffpreußen zur ©arftellung fommen, mit anberen QBorten fein Ceben
in ber 3eit oom 3anuar 1802 btS zum März 1804. ©er Qluffah
fdbilbert nicht tttie Pie Mitteilungen „auP ben Materialien" unb mie baP
Seft ‘Soffmann unb Sättel 5 einzelne Berhältniffe ober Beziehungen Soff*
mann3, fonbern faßt alle mir zurzeit erreichbaren Entfachen aug einem
beftimmten, relatio furzen £ebenSabfchnitt zufammen. Qlu$ biefem
©runbe mar ber Qlrbeit ein neuer Öbertitel zu geben; ber gewählte foll
nicht baP Berfpr e eben einer gortfebung auäbrücfen, fonbern nur meinen
Qöunfdj, in gleicher Qöeife anbere zurzeit ferner zu überfehenbe Partien
oon SoffmannS £eben barzuftellen, etma bie 3ahre 1808 unb 1811.
3n Pier oon ben jtebenunbzmanzig Monaten, um bie e$ ß<h heute
hanbelt, nämlich im Oftober unb 9?0Pember 1803 unb bann im 3anuar unb
Februar 1804, hat Soffmann, menn auch feineämegd regelmäßig, ©agebueß
l ) ‘SluP ÄoffmannP ibersenPgefcbicbte 1796—1802’. ©ienoch öorhanbenen
Ssemplare finb für bie S3efitjer biefer Schrift »on beten Verleger für je 2 'Sflarl ju
bestehen.
*) ©ureßgefehen ftnb bie eintägigen Sitten beü BuftisbepartementS (foroeif
fie nicht 1835 im 9Kinifterium auf Slnorbnung bep ©eheimen BuftisrafS Starte rernichfet
ftnb; ber 9teft liegt auf ber 9tepoftfur 84 beS Staatsarchiv), namentlich aber sablteicße
Sitten auP bem Kabinett (9tep. 89; inSbefonbere bie oom ©roßtansler bemS?önig ein*
gereichten Äonbuitenliften beS BuftisbepartementS über bie fecßS Baßre 1800 bis
1805, Q5ol. 71 H—K). Sin näherer 9lachtoei£ ift hier nicht am Orte; ich möchte aber
fchon jeßt bem streiten ©irettor ber Staatsarchive, Äerrn ©epeimem Slrchirrat
Dr. S3ailleu, meinen beglichen ©ant für bie trerffätige Slnferffütjung auSfptecßen, bie
er barnalS ebenfo trie vorher unb nachher meinen Slrbeiten sugetrenbet hat.
*) Spv. ^loßf.
390
[ 8 ]
geführt; biefe 9lufjeicbnungen, bie bemnäcbff jufammen mit Äoffmanng
fpäferen Tagebüchern unb oerwanbten Slufjeicbnungen beim Verleger biefer
Sdbrift üollffänbig erfcbeinen werben, fd)alten mir augguggweife in ben
V. unb VI. ( 2Ibfct)nitf ber Darffettung ein unb wteberbolen babei aud) bie
Stellen, bie im 19. 3abrbunbert non bcttnaligen 93eft^ern publigiert ftnb J ).
Um ben Tagebucbteft nicht mit ju öiel 'Jufjnoten ju betaffen, referieren mir
in einem einlettenben 9lbfcbnitt (I) 1. über bie (Ertebniffe, 93efd)äfti*
gungen unb 93ejiebungen jooffmamtg in ben neunziger 3a£ren,
bie im piocfer Tagebuch ermähnt werben; 2. über bie gefellfdjaftlicben 93 er¬
hält n iff e in Pofen §u .öoffmanng 3cit; 3. über Äoffmamtg neue Um¬
gebung, bie Stabt Plocf unb bie bortigen Bottegen, foweit Äoffntann
fte nennt. (Einige 93eri^tigungen beg älteren Sluffafjeg ftnb an ben
entfpred>enben Stetten eingeftigt.) Sie Tagebudhffelten, bie burcf) biefen
einteifenben 9lbfthnift erläutert werben unb bie ibrerfeifg wieber bie bort
erwähnten 93erhältniffe ittuffrieren, führen wir in jebem 'Jalle abgefürjt
in klammern an (Ott. 1 = 1. Oftober 1803; *5ebr. 20 = 20. Februar
1804), fo baf ber 9lbfchniff, ingbefonbere beffen erfteg unb lefjfeg Stüct,
gleichseitig Kommentar unb 9? egt ff er für bag Tagebuch iff; eg empfiehlt
ft<h alfo, biefe Stüde unmittelbar t>or ober nad) bem Hagebuche felbft ju lefen.
Die beiben Reiben tton Tagebuchaufseichnungen ftnb in literarifch un-
probuftiben 9öochen entffanben. Die poetifchen unb fbeoretifcbcn Schriften
Aoffmanng aug biefem 3eitraum, ber feine zweite Periobe literarifcber
Probuftipifät barftettt 2 ), gebären ben Monaten banor, baswifchen unb
banad) an; wir berichten barüber alfo im IV. 9lbfd)nitf, am Scbtuffe beg
V. unb am Schluffe beg VI. 9lbf<hniftg. 9^ur biefe 'Partien unferer
biograpfnfchen Stubie tragen einen im engeren Sinne Itterarbtfforifchen
<Sbaraiter.
9^acb ber gorberung, bie in ber (Einleitung ju Äoffmanng 93riefwecbfel
S. XLIII aufgeftettt iff, werben hier für bie Arbeiten, bie man bisher generaliter
ber 'plocfer 'pertobe jugewiefen fyat, bie Monate beg (Entfteheng feft-
geftettf. (Eg ergeben ftcb babei teils mit Sicherheit, teils mit 9Babrfcbeinticbfeit
folgenbe Datierungen:
0 1823 bat £>if}tg eine 9leibe »on Stetten, gufammen »iettetd)f ben britten ?ett
be« §epteg, mitgeteilt, atterbingg unter ^Beglaffung faft fämtlicher 9lamen. 1841 erfcbien
biefer Sluggug jutn werten unb lebten 93tale in beutfcber Spraye (in ber ^arifer
©efamtauggabe öon Äoffmanng QBerfen, bie an 93oüftänbigfelt ber ^egte feiten, an
9teich&altigfeit ber btograpbifchen Beigaben nie wieber erreicht worben tft), banad) nur
norf) einmal franjöftfcb (in ^atig 1856, alg neunteg Kapitel [S. 105—113] üon
dbampfteurpg fcf)önem Sammelwert Contes posthumes d’ Hoffmann).
1889 bat Sofepb $?ttrfebner eine Seite ber Äanbfcbriff (bie ginträge »om
6. unb 7. Sanuar 1804) für ben 147. *23anb feiner ‘©eutfehen Btational-Eiteratur fat-
limitieren taffen.
2 ) Über bie brei 'Jterioben öon ßoffmanng Scbriftftetterei, ingbefonbere bie erfte
unb bie jweite, »gl. ben gweiten Anhang ju Äoffmanng 53riefwechfel S. 677/79.
[9]
391
I. 1803 $luguff unb September:
1. Schreiben eines 5?loff ergeiftlidjen [über bie ‘Sßieber--
ertoeefung beS db»rS in ber Sragöbie];
2. ©er ^reiS, Cuftfpiet in brei ‘Sitten;
II. 1803 ©ejember:
3. lieber 6onaten;
III. 1804 Februar unb ‘SJlärj:
3 a. ^tan eines “Staffa^eS über baS Sgenfer in ft’önigS*
berg;
4. ©er 9?iefe ©avgantua;
5. ©ie FeuerSbrun ft, ein ©ofen©emäblbe [mit ©rttärung];
6. ©er Renegat, Gingfpiet;
7. Fauffina, Gingfpiel.
Slufjer biefen ct>ronologifd)en Fixierungen [feile id) folgenbe Sf>efen auf:
1. Äoffmann hat erff “Slnfang Sluguff 1803 ben ‘F^etmüthigen 5
fennen gelernt; unter bem ©inbrud biefer ßeftüre hat er
bintereinanber im “Sluguff unb Geptember baS t 9QSiScellaneen 5 -- < 23ucb
angelegt, bie Fantafte an SSaegeli gefanbt unb für ^otjebue ben
©borauffab unb baS Cuftfpiel berfajjt.
2. ©ie Fabel biefeS £uftfpielS, inSbefonbere bie Belehrung beS in
^oefie biletfierenben 'SuchhalferS c SBilmfen su bem ibm allein ju--
fommenben praftifepen Berufe ftebt feineSWegS im <2öiberfprud)
ju iooffmannS fpäteren “Slnfchcmurtgen unb ^Berten; im ©egenteil
ftnben fiep in biefen genaue ‘parallelen baju.
3. ©er ‘9?iefe ©argantua’ fotlte einen 'Seil beS mit SMppel jufa turnen
bcrauSjugebenben SafdjenbucpS für 1805 bilben, mie baS für
bie ‘FeuerSbrunff bereits üon ©llinger mit 9^ed)t o er mutet ift 1 ).
©ie jepn textlich befannten Briefe auS “ploct, bie mir neben biefem
fragmenfarifeben Sagebucp unb ben “Sitten benupen, ftnb 1904 gebruett in ber
Gammtung ‘©. S. “Sl. Äoffmann im perfönlidjen unb brieflichen S3erfebr’
(als 9Srn. 41—45 beS I. 93anbeS unb 9Srn. 1—3, 20 f beS II.; erfepienen
1912 beim Verleger biefer Scprift); fte merben naep ben Geifenjaplen biefeS
©rudeS jitiert, unb jmar ift bei ben Briefen an ioippel ber I., bei ben
anberen ber II. S3anb gemeint. Hnfere “SluSjüge barauS ftetlen nicht me<pa--
nifd)e 3nhaltSangaben bar, fonbern bemühen ftep, bie Sexte pfpcpologifcp auS=
jubeuten — wobei baS öom “Srieffcpreiber oerfepwiegene ober ber*
hüllte bisweilen mistiger ftpien als baS offen gefagte. 3n jtt>ei Fällen
(6. 64 f) ift ber S3ud)--‘Slbbrucf oerbeffert.
') ©ie tüiebevfjolten ‘Slnfpielungen be£ Qegteg auf ^ o t e n ergeben bie gntftepung
bafetbft; im übrigen f. u. G. 65 3- 13 f unb 6. 66 3- 3—5.
392
[ 10 ]
©er erffe 53anb oon Hi$igS 53iographie, bie man übrigens nach
jeher 53enuhung höher f<hät)en lernt, mirb (ohne 93anbjabl) nach ben Seiten«
3 «blen ber einzigen felbftänbigen Ausgabe (Berlin 1823) gittert.
53eigegeben höben mir bem 51uffat$e eine 5lnficht beS ^ lo cf er
©omeS unb brei Seiten beS 'MiScellaneen 5 *53u<heS, nämlich je
eine aus bem fritifcben 5luffa$ öom Sommer 1803, auS ben erften STagebud)« r
5 luf 3 ei<hnungen oorn Herbff 1803, auS bem größeren Singfpielfragmenf
oom Jrühjahr 1804; aus biefem höben mir ffaff einer batbetifcben Sjene
lieber eine humoriftifche auSgemählt, um ben £uftf)?ielbicbter Hoffmann
oon 1803/04 t>or 5lugen ju führen. ©aS ^locfer 53ilb mieS mir ber ©ireffor '
beS 5?aifer*Jriebrich ! MufeumS 3 U ^ofen, ber ^unfthiftorifer ^>rof. Dr. £ubmig
^aemmerer, freunblichft nach; ber 93eft^er, ber um biepolnifche ®efcf)i<$te
oielfach oerbiente 3 uffi 3 rat 5lleyanber $rauShar in 5Barfd)au, batte bie f
©üfe, mir eine fitchtbrucfnacbbilbung 3 ur Verfügung 3 U ftellen. Reiben Herren
fage ich meinen ergebenften ©anf unb barf baS ftcberlicb auch im tarnen ber j
£efer tun, beren grofje SDlebraabl fo menig mie ber Herausgeber bisher eine
93orffeltung oon biefer ebrmürbigen, aber oerfaltenen Stabt gehabt haben mirb. r
3m einseinen ergänst mirb ber oorliegenbe 5luffat* burcb bie beiben
erften Mitteilungen, bie ich im Herbft 1903 über baS ‘MiSceHatteen^uch 1
gegeben habe: Nachträgliches su ©. 51. Hoff mann’ (genaue 53e=
fchreibung beS 53ucheS, im '©uphorion’ 53b. X [Heft 3] S. 589-592) unb
'3mei unoollenbete Singf>iele oon ®. 51. Hoffmann 5 (3:ejfe f
beS Nenegafen 5 unb ber “Jauftina 5 , in ber “Mufif 5 3g. HI [Heft 1]
S. 27—40; biefe ‘publtfation auch feparat). ©ie amüfante “Jeu er S*
brunff 5 famf ber jugehörigen 3ei<hnung fyatte ich im Märs 1909 mit anberen
ineditis meinem Jreunbe OSborn für Norb unb Süb’ gegeben; nach beffen >
5lbgang erfchienen bie Stücfe 5lnfang 3uni 1910 (bie ‘ JeuerSbrunff auf ben
Seiten 351—353) in einem unquaüftjierbaren 5lbbrucf, oon bem ich feine
^orreffur 3 U ©ejtchfe erhalten. 1
5Benn bie Nachfrage nach bem oorliegenben Heft ein genügenbeS 3ntereffe <
erfennen läfjt, möchte ich einem 9?eubru<f bie §eyte ber streifen ^eriobe,
fomeit fie erhalten jtnb, beigeben; baS 'Schreiben eines ^loffer©eiftli<hen 5
märe babei in ber erften Jaffung mit 3 Uteilen unb bie 5inberungen ber 9?ein*
fchrift unten anjumerfen.
HattS t>on Müller.
[ 11 ]
393
I. 93iS $um gebructr 1802,
1, ®ic 9?cminifäctt5c« be« Sagebucbä au« ben 90er Sagten,
Qlm bäuftgffen f^ielt ba« jurn ^eit tu ^!ömg«berg geführte Sagebucb
natürlich auf ^öuig«berger ©rlebniffe unb Besiegungen an. “2lu« feiner
©elunbanerjeit erwähnt Äoffmann (Oft. 8) bie Ceftüre non ©ramer«
‘©eutfeßem < 2llctbiabe«’, ber 1790/91 in brei Bänben in Sßßeifjenfel« erfreuen
unb nach bem Hrteüe ber “2111g. ©. Bibtiotbef (109, 150 f) „ber in ber §at
redjt f>üf>fct> gearbeiteten ^itelfupfer unwert" war. ©a« ©itelfupfer be«
I. Banbe« (unb ein ähnliche« ^rauenporträt) bat Äoffmann, wie wir erfahren,
bamat« ju fopieren üerfud)t- ‘Bon guten Scbriftftellern, bie er in $öuig«--
berg (jufammen mit Äippel) gelefen, erwähnt ba« Sagebud) ©bafefpeare
(in BMelanb« £iberfebung: Oft. 1), 6 t er ne (Oft. 8) unb 9?ouffeau
C5ebr. 13); enblid) werben wir an feine mecbanifcb--pbb1tfalifcben Spielereien
an ber Äanb tton BHegleb« "Biagie’ erinnert (Oft. 2). — Bon ben $önig«-
berger Berwanbten werben öfter« ber önfel Otto B3ilbelm ©oerffer
(Oft. 1, 8, ^ebr. 8, 13) unb bie ^ante ©opbie (3an. 1, 4, 5, 11, 18)
erwähnt, beibe in bem Sinne, baj? leiber pon ihnen nicht« ju erben war. —
Bon fonftigen Befannten nennt ba« Tagebuch ben beften <3teunb 'Sbeobov
uon Äippel (Oft. 2, 5, 92oo. 9, <5ebr. 9/ 16—20), bie inswifdjen oerftorbene
©eliebte *5rau Saft unb beren nunmehr bevangewachfene Tochter Amalie
05ebr. 13) 1 ), ferner (Sehr. 14) einige mütterliche greunbinnen anfeheinenb au«
J ) 3n Berichtigung be« ‘aiuffatje« »on 1908 feien hier bie ©rünbe angebeutet, bie
Stoffntamt 1796 beftimmten, feine Baferftabt unb überbauet feine Sieimat au »erlaffen.
3n bem alten ‘Sluffah (S. 9, 3- 3) ift Stoffntamt« Entfchluß in Berbinbung gebracht
mit bem im SOlärj erfolgten plöhltchen 'Sobe feiner Butter. 3n <2Birflici)leit ift
aber bie enbgiittige Sntfcheibung feßon im Februar erfolgt; fie bat nicht« mit ber
SOtutfer au tun, fonbern ift au«fcblteßlicb burd) ba« Berhältni« aur Staff beftimmt
Worben. ®a Stippel in feinen Erinnerungen »on ben entfeheibenben Ereigniffen fdtweigf
unb in feinen Briefabfchriften bie wichtigften Stellen geftrid)en hat, fo finb bie Sinjel«
beiten »erfcbleiert; au« bem, wa« Stippel in ben Briefen ftehen gelaffen bat, laffen bie
Staupfaüge ftch aber mit »oller Sicherheit erlernten.
Olm 5. 3anuar forberte Stippel tn einem febr beglichen Briefe Stoffmann auf,
enbltd) ben ©ebanfen au«auführen, mit bem Stoffntamt fcfton im Februar ». 3- gefpielt
hatte (S. 60), nämlich au ihm nach Blartenwerber ju lommen unb „ba« große 'Sleft
mit einem Keinen au »ertaufchen. Weil biefe« wärmer fei"; er. Stippet, habe bereit«
ein Simnter für Stoffmann refer»ieren laffen (»gl. S. 82, 83 unten, 85 unten).
’Slrn 10. antwortet Stoffmann in einem »eraweifelten ‘Briefe (82—85), bie ©eliebte
fei eine »erheiratete 3 rau unb er fühle fleh ihrer ©egenliebe nur fo lange ftcher, wie
er mit ihr an einem Orte wohne: „QGßäre fie frei, fo eilte ich 3« ©it"; fo aber
f butte er ftd) nicht entfließen, fte ju »ertaffen.
„Einige 5age nachher" hatte er auf einer Gehonte einen heftigen Auftritt, ben
394
I. ViS gum Sebruar 1802.
[12]
bem benachbarten CeSgewangfcben ‘Jräuteinftift (f. 1908 G. 253 3. 81).
£eSgenxmgg felbft bitten offenbar Äofftnann als Kinb gelegentlich in ben
Serien auf ihr ®ut Kuftften bei <ipreufnfcb=©hlau mitgenommen (baS bei
■SoffmannS ^öeggang aus Königsberg noch im 93eft^e ber Familie mar),
©er Sbemann ber 05ebr. 11 ermähnten)^rau 011 e cb, © e o r g mit93ornamen,
mar in bemfelben 3abre 1795, in bem Soffntann ‘JluSfultator mürbe, als
polntfcHutberif<§er Pfarrer in Königsberg angeftellt morben; er £>atte bann
1798 einen polmfd)en ‘Ktnberfreunb’ berauSgegeben, ju bem and) ÄoffmannS
ßebrer SöannoWSfi beigefteuerf butte*). 93on einem 33efucbe bei < 2BannomSti,
ber erff 1812 gefforben iff, berietet baS Tagebuch nichts.
©te ©rlebntffe im .Saufe beS ^atemOnfelS ju ® log au haben mir
1908 bargeftellf. kluger an ibn (Oft. 1, 8) unb feinen Gobn (Oft. 2) 2 ) er»
innern im 5:agebu<f) an bie ©logauer ^eriobe bie rübrenbe ©pifobe beS
entlaffenen geftungSgefangenen (Oft. 8) unb namentlich bie ©teilen
über SoffmannS greunb 3obann Samuel Sampe, ben er im ^uguft
1797 na<f) beS 93etferS “Jöeggang aus ©logau -Stapeln gegenüber (154) ben
er fpäfer mit bem 3öorfe „Stierfgene" begegnet; er bat ihn Sippel am 23. „in ein paar
Kraffgügen" gefdjilbert, Snppel bat baS „gange ©ernälbe" aber geftrid)en (86 oben; 96).
Öffentlich tonnte er nach biefem SreigniS nicht mehr mit ber ©eltebfen oertebren.
Qlber, fo führt er in bem genannten 93rief oom 23. Sanuar mit bem Selbftgefübl beS am
gebenben Son 3uan auS, wenn bie §üre gugefd>loffen fei, fo fteige man eben gum «Jenfter
hinein: „freiticb fann man ben ibalS bteeben, aber was ift ein &ats gegen baS, waS
man brinnen fanb!" (86). „Vermutblicb", fährt er nach biefer »ielfagenben Qlttbeufung
etwaS Keinlauter fort, „wirb’S nod) unangenehme Auftritte fetjen," [hier bat bann übippel
wieber einige 3eilen geftricben] „unb ich fliehe in bie Sinne meines Singigen". Er¬
miß alfo nach Nlarienwerber.
?lm fotgenben §age, bem 24. 3anuar, bittet er ben (Jreunb febon um genauere
Nachrichten über baS T^erfonat ber Regierung in Nlarienwerber (89).
21m 25. wirb er noch einmal febwantenb, naebbem bie ©eliebte ihm ihren Vefud)
angefünbigf. Sr wünfebt eine ©algenfrift; aber „über furg ober lang, fpäteftenS binnen
einem 3ahr," tomme er nach Nlarienwerber (93).
Schon in ben näcbften 5agen jeboeb geigten fid) bie anfangs befürd)teten „ernft-
hafteten folgen" jenes NenfonfreS, über bie Soffmann erft am 22. Februar be*
ridjfet (96; bie £>auptfad)e wieber bon Äippel geftricben).
& off mann hielt eS infolgebeffen für angegeigt, Königsberg bemnäcbft gu »erlaffen.
Slnb gwar erflärte er am Mittwoch bem 3. (ober 10.?) Februar feinen Verwanbfen, er
wollte „fcblecbterbingS nach Nlarienwerber". „®aS würbe mit", fährt er in bem
gifierten Briefe »orn °2. fort, „nicht gugeftanben — ich fd>lug ©logau oor — baS
war beffer. ©en §ag barauf [4. ober 11.] würbe beSwegen gefebrieben, unb
geftern [21.J erhielt ich bie ‘Antwort — baß man mich mit offnen Ernten empfangen
würbe, baß fd;on alles mit bem bortigen Vräjtbenfen abgemacht".
'2lUerbingS würbe eS Einfang 3uni, bis Äoffmann abfuhr, unb in bem Verhältnis
gut Saft gab eS bis bahin noch manche Erregungen unb Vbtühlungen.
0 S. SohanneS Sembribfi, ©ie polnifd;en Neformirten unb Hnifarier in
Vreußen: Qllfpreuß. NlonatSfcbriff XXX (1893), S. 88.
*) Über ihn höbe ich auf ©runb meines oorigen ‘iluffatjeS oon »erfd)iebenen Seiten
neues erfahren. 3d) gebenfe, bie Nachrichten über biefen liebenSwürbigen Verwanbten
AoffmannS bemnäcbft für bie Vofftfcbe 3eitung ober beten Sonntagsbeilage gufammen-
gufteßen.
1. 9teminifaenaen auS ben 90er Sehren.
395
[13]
einzigen nannte, „ber eg pier ber SO^ü^e n>ert ftnbet, ft<±> mir anju-
fcbmiegen" (Oft. 3, 3an. 1, 10) 1 )- Bon ber ©ouftne, bie mir a. a. O.
mit iooffmanng Braut Niinna ©. ibenttfijievt pabett, ift im Tagebuch nicpt
bie Nebe.
Bon ©logau aug mar Äoffmann im Gommer 1798 burcp bag fc^leftfd^=
böpmifcpe ©ebirge nach ©cegben gefahren; non Berlin aug patte er, über
‘pofgbam—©effau—Seipsig, im ‘Stüpiapr 1800 in iöippelg Begleitung ben
Befucp ©regbeng mieberpolt. Seitbem nerjeprte ihn, ben Norboffbeutfdpen,
ber non Bleff- unb Gübbeutfcplanb noch nicptg gefepen, eine unauglöfcblicpe
Gepnfucpt nad) biefem „©ben", biefen „parabieftfdpen ©efilben" (Oft. 8 —
öieUeic^t auch Oft. 17, 3an. 5; an feine greube über bie Gchäpe ber ©reg--
bener ©allerie [an &ippel 6. 164, 169] erinnert bie ©agebudbnotij 'Jebr. 13,
an bie mufifalifchen ©enüffe Oft. 2).
3n Berlin arbeitete iöoffmann am ^ammergericpt unter bem <5* ei*
perrn &art non Gcpleinip (1751—1807, im 3uffisbienff feit jirfa 1774,
feit 1784 ‘präfibent beg 3nftruftiongfenatg beg Sl’ammergericpfg, feit 1805
bann ^räfibent beg Oberappetlationgfenafg). Äipig rüpmt biefem „eine
gemiffe ©enialität unb feftene ©utmütigfeit" nad) (215); bie ^onbuitenliffe
für 1800 nennt ipn „fennfnigreicp, fäpig, eifrig, aber jum 6piel geneigt".
Äippel, beffen junge ^rau eine G cp m eff er non Gdjleinipeng jmeiter ^rau mar,
batte bem Qreunbe gleich mit feinem erften Briefe nad) Berlin eine ©mp*
feblung an ben ^räfibenten gefanbt (167 f, 172). — -Sooffmanng Obeim
gehörte in Berlin nicht nur bem höchsten ©ericptgpofe ber Monarchie, bem
©ebeimen Obertribunal, an, fonbern auch ber 1781 errichteten ©efep*
fommiffion. 3n feinem gefelligen ioaufe fab er ohne 3meifel bie erften
3uriften ber Neftbenj bei fid), bie fo auch ber OReffe fennen lernte. Bon
folgen hoben Beamten ermähnt bag Tagebuch ben befannten ^abinettgrat
Sari •Jriebrid) Bepme (aug ^öniggberg in ber Neumarf, 1765—1838:
Oft. 17), ben ©rofjfanjler non BMnerg ©naben -Soeinricp 3uliug
non ©olbbeef unb Netnparf (aug Gtenbal, 1733—1818: Oft. 16) unb
brei non beffen Bortragenben Olafen: ben ©ebeimen Obertribunalgrat ©e*
beimen' Oberjuftigrat Otto Nafpanael Baumgarten (aug Berlin,
1745—1802: <5ebr. 13), beffen Nachfolger non gleichem ‘Slmf unb gleichem
$itel 3opann ©ietrieb gode (geb. um 1751 ju ©lene: Oft. 2) fomie
ben ^ammergericptSrat (feit Februar 1804 ©ebeimen 3uftijrat) Submig
non Gdpmeftau (geb. um 1765 ju NJagbeburg: Oft. 1).— Sieber alg an
biefe ffrengen NMnner benff unfer ^agebucpfüprer im ©fil freilich jurücf an
bie beiben ^ünfflerinnen (Oft. 2), bereu ©efang ipn in ben Berliner ^raept*
auffüprungen non Nigpinig Opern (nielleicpt auch in ©lucfg ‘3ppigenia in
^aurig’) pingeriffen patte: NJaria ‘Janfoägi geb. Niarcpetfi (aug
Neapel, geb. um 1765, feit 1792 an ber italienifcpen Oper) unb Ntargaretpe
*) Über biefen 3ugenbfreunb SoffntannS, ber ipm aeitmeilig minbeftenS ebenfo
nabe ftanb wie Aippel, wnb über brei gleichfalls muftfalifcpe QBetannte ber SOßarfcpauer
^eriobe »erbe icp gelegentlich in ber ‘Tlufif“ berieten.
396
I. ‘Si« aunt Februar 1802.
N
ßouife Schief geb. ioamel (au« SSftains, 1773—1809, feit 1794 gleichseitig
am Opernhau« unb am 92ationalfheater, nach ©erber nächft betr SOJara bie
grß^c Sängerin ber 3eit).
2* Berhättniffe unb ©reigniffe in ^ofen bi« jnm Äarneoat 1802*
Über bie Sfanbalaffäre, bie Ä off mann au« ^ofen Vertrieb, huf ftd) trofj
alle« Suchen« im Staat«ar<i>io nicht« gefunben. 3mmerhin ergibt eine
genauere Betrachtung oon .Sitjig« Bericht unb namentlich oon ben SOiit*
teilungen oon Äoffmann« ^ofener Äau«genoffen unb Kollegen 3oh ann
ßubrnig Sd) wars (geb. su Äalberffabt 1759, feit jirfa 1781 im 3uftijbienft:
©oebefe 2 V 447, VII 273) einige bi«per nicht beachtete 3ufammenhänge.
Aoffmann oerftchert i>ippeln im ‘Jrüpiahr 1803 — fchon .Siffig weift in
einer 92ofe au«brücflich auf biefe Brtefftelle hi« —v bah «tan ihn mit „teuf*
lifcher ©ef<hi<f lichf eit . . . jurn Söerfseug einer au«gebachten 9>?a<he"
gemacht habe. “211« Sauptpelfer an bem ftarfen gaftnachtöfcherse nennt
Stfjtg Soffmann« fpäteren Schwager [genauer: ben Schwager oon Soffmann«
fpäterer •jrau], ben ©. 9*. ©.; wie ftch au« bem §:eftament oon Soffmann«
•jrau (93riefwechfel S. 747) ergibt, ift biefe ^Ibtürjung „@riminal9?ath
©ottwalb" ju lefen. 3n ber Bat hatte biefer 9)2ann allen 21nla|, mit
feinem Renommee in °Pofen unjufrieben $u fein unb au« bem Verborgenen
fein SOftifchen su fühlen; wenn alfo Soffmann« Bereicherung nicht eine Hoffe
21u«rebe ift, fo haben wir wohl in biefem ©ottwalb ben „gefehlten Teufel"
ju fehen, bem Soffmann ftch nur allju bereitwillig oerfchrieben hatte. 3u-
nächft möchten wir be«halb jur ©rgänjung unb Berichtigung früherer 9Jiit--
teilungen angeben, wa« ftch — oornehmlich in Staat«hanbbüchern unb
Elften — über ‘SOftchalina« Schwager gefunben hat
©ottwalb hatte ftch offenbar gleich bei ber Ottupafion °Pofen« 1793 bort
al« 9Recht«anwalf („3uftij!ommiffar") niebergelaffen unb al«balb l ) eine Tochter
be« bi«herigen 3)?agiftrat«fefretär« Michael Bohrer geheiratet; er war bann
SCRitglieb be« ^riminalfolleg« mit bem Sitel ^riminalrat geworben 2 ). Hm
1800 legte er feine ^lnWalt«prayi« nieber unb würbe unter Beibehaltung be«
Si$e« im ^rintinalfolleg ©rfter 3nquifttor (Hnterfu<hung«ri<hter) für bie
Greife ‘pofen, Schroba, hoffen unb Obornif 8 ).
©ur<h biefe ioeirat waren Bohrer« brei Töchter in Berlehr mit ber
preuhifchen Beamtenfchaft gefommen. Schwärs gibt S. 307 an, bah feine
’) Seine Tochter SÜltcöalina war (nach £>itjig S. 306) Einfang 1807 etwa 12 3apre
alt, alfo 1794/95 geboren.
2 ) ©a« gefhah häufig, feitbem bie < 21b»ofaten unter Satmer 93eamtenct>arafter
erhalten hatten; ich erinnere an Äoffmann« 93ater. ®a bie SOtififtänbe au« biefer
^rafi« mit ber 3eit unerträglich würben, fprad) fjriebrid) <2öithelm III. am 9. Februar
1804 in einer J?abinett«orbre ben QBunfcb au«, bie 3uftistommiffare allgemein wieber au«
ben S?riminalfoHegien ju entfernen.
8 ) 3m Staat«hanbbudh auf 1799 erfdheinf er jum lebten ‘üOlale al« Suftijtommiffar,
im 3ahrgang 1801 jum erften 9JMe al« Snquifttor. Sein Vorgänger ©uberian war
bafiit Suftiatommiffar unb Siofor geworben.
2. 3n Wen big 8«m Äarneoal 1802.
397
[15]
'Stau unb feine Schwägerin mit einer ber brei Schweftern — wobl ber grau
©ottwalb — „in freunbfchaftltchem Umgang ftanben", unb bie eine ber beiben
jüngeren, bie bübfcbe ^Ricbalina 1 ), war, wie Äoffmann am 20. ’&uguff
1814 an £ippel fchreibt (244), bem ^ofener 9?egterungSraf ©htiffoph
Seopolb ©iebericbg (geb. 1772 ju Ormont, feit jirfa 1792 im |>reuf»'
fct)en 3uftiäbienft, 1816 geabelt, 1839 in ©barlottenburg gefforben alg < 2Bitf-
lieber ©ebeimer Oberjuffijrat unb SCRifglieb beg Staatgratg) „non ^inbfg-
beinen an befannt". Aoffmann fab bag etwa swanjigjäbrige Räbchen
jweifellog häufig bei Schwarjeng unb bei ©ottwalbg.
‘Salb follte ftcb geigen, baf) ©ottwalb bem oerantwortunggooUen neuen
‘Slmte moralifch nicht im entfernteften gewachfen war. Schon 1800 tarnen,
wie ber ©rofjfangler unterm 6. 3anuar 1801 bem Könige berietet, gegen
ihn „bebenfliche ©emmgiationen ein, wegen beren türglicb eine febr genaue
Recherche bem 9?egierunggfwäftbio aufgetragen worben". 1801 würbe, nach
©olbbeclg näcbftem — febr miiben — Bericht oom 25. 3anuar 1802, biefe
llnterfud)ung gegen ©ottwalb „babin beenbigt, bah ihm beffen nicht gang
oorfchriftgmäfngeg Verfahren oerwiefen unb er unter ftrenge ‘QXufftd^t ge¬
nommen" würbe, ©ottwalb war alfo biegmal noch mit einem blauen ’&uge
baoongefoturnen; er war aber gu leichtftnnig, um biefe unoerbiente Schonung
gu würbigen, unb bachfe im ©egenteil baran, feinen Angebern einen Streich
gu fpielen.
9tun bmfehte im ‘Söinfer 1801/02 eine allgemeine ©rregung unter ben
jüngeren Beamten unb ben Anwälten in ^ofen. 3m Saufe beg 3abreg 1801
batte einer ber beliebtesten Anwälte, ber frühere ^ammergerichtgrat grieb-
rich ‘SHtb^lm 5?übbe 2 ), 3uftigfommiffar unb 9?otar, ftcb bag Sehen
genommen, weil er wegen ‘Seleibigung beg ^ajorg o on Sdtmibfecf gu brei
SCRonafen Heftung oerurteilt worben war; alle 3ioilbeamfen unb bie iöono-
rationen ber Stabt Ratten bemonftratio an ber 93eerbigung teilgenommen
(Scbwarg 308—310). $urg barauf batte gunt Unglücf einer ber ffarrffen
Vertreter beg ancien rggime, ‘Jöübetm oon 3«ftrow (1758—1830), ber
bie lebten fünf 3abre (1796—1801) alg öberff bem ^ilitärfabinett oor-
’) ©ah bieg — im ©egenfatje au meinet Einnahme oon 1908 — bet Rufname tft,
ergibt ft<h> aug Soffmanng Seiratganaetge, aug einer inawifeben aufgefaudjten oott-
ftänbigen Hnterfcbriff oon iöoffmanng grau oom 27. gebruar 1822 unb aug ber oon
Äerrn Sbuarb Stetig in 23reglau aufgefunbenen unb mir freunbticbft mitgeteitten
Tobeganaeige ber QBittoe. Soffmann felbft nennt SOlicbalina in allen Tagebüchern
nur „bie grau" ober „meine grau" (hier Oft. 1 unb 3an. 5). 3u foreeben tft ber polntfcbe
9lame: 'SJlifalina.
2 ) ®ie QSornamen hat mir ber Ätftorifer beg S?ammergertcbfg, £>err ©eheimer Suftia-
rat Dr. griebrich S) oltje, am 16. Slpril 1909 gütigftfür biefen 21 uff ab mitgeteitt unb babei
folgenbe weiteren ©afen gegeben: ^ühbe war offenbar ein ©oijm beg berliner 2lrcbi-
btafong an 6t. 9tifolai unb 'Diarien Sobann Srnft Mhbe unb ein jüngerer 23ruber beg
‘Wtorg Ehriftian Srnft &ühhe an ber Gobh'enfirche au 23erlin. ©r fam alg 9leferenbar
ang Äammergericbt unb gehörte bemfelben oon 1774—1782 alg 9taf an; 1779 nahm er
an ber Slnterfudjung gegen bie 9täte teil, bie — nach ber Slnftcbt beg Äönigg au Unrecht —
bie Ätage beg 'DlüUerg Slrnolb abgewiefen hatten, unb febloh ftch bem freifpreebenben
©utaebten an.
398
[16]
seftanben |»affe utib bag oollfie Vertrauen beg Königs befaß*), alg ©eneralmaior
bag in ^ofen licgenbe (39.) 3nfanterieregiment erhalten, beffen bigheriger
©hef, ber ©eneralmajor ©aniel 9^oe oon ©roufaa, oerabfchiebet worben
war 2 ), ©er neue &err hatte bon feinen 93ällen alle bürgerlichen aug--
gefchloffen, bie nid>t ben 9^algchara!ter befaßen, bon 3 ufti 5 beamten alfo außer
ben “Slffefforen ufw. auch alle Qlnwälte mit ihren grauen, ©te biöf)er homogene
beutfd)e ©efeöfchaft ^ofeng mar burch biefe Vorgänge in am ei £ager
gehalten, unb wenn ©ottwalb feinem ^>tri»aten ünmute £uft machen wollte,
brauchte er nicht lange nad) bunbeSgenoffen &u fucßen.
3n$befonbere mar eg ihm ein leichfeg, ben ‘Slffeffor Äoffmann für feine
3Mäne ju gewinnen, ©iefer ftellte in monatelanger Arbeit jahlretche farbige,
burch enffpredhenbe ünterfdhriften fommentierte ^artfafuren auf ben ©eneral
unb beffen ©ünffltnge, barunter auch Sdbnttbfecf, her; ju ^aftnachf foUten
bie — mitelg ©urchaeicßnen am Qenfter berbielfältigten — ‘Blätter unter bie
£eute gebracht werben.
©ie große 9?eboufe nahm am Sonntag bern 28. Februar ihren Einfang
unb ging mit angemeffenen ©rholunggpaufen über Montag ben 1. Mars big jum
©iengfag bem 2. Mars Mitternacht weiter. < 2öie ber Streif unter bem Schule
beg ^oüjeibireftorg brebow an ben brei ^Ibenben auggeführt würbe, iff aug
ioihigg unb Schwarjeng berichten befannt unb fann hier übergangen werben,
ba Schwarjeng ©rjähtung mit ber befchreibung oon elf ber oerteilten &ari--
faturen feit 1854 (in Äageng ©efchictjfe beg $h c aferg in ‘•Preußen, S. 729 f)
mehrfach benuht unb 1894 oon ©Hinger wörtlich wieber abgebrucft iff 8 ).
] ) gnbe 1806 ernannte Friebticb QCBitbelm III. 3affrow an ÄaugwißenS Stelle jum
gjltnifter ber auswärtigen Ungelegen beiten; fpäter war ber ©eneral ©efanbter in
München unb erhielt als falber 1823 ben Schwarten Qlbler-Orben; bie lebten Sabre
feines EebenS war er ©ouoerneur beS SürftentumS Pleufchäfel: f. ‘Polen 21. ©. 93gr. 44,
721/23 unb bie bort ntebr ober weniger ausführlich silierten abfälligen Urteile oon
Schamborft, 23lücber, 23ohen (unb $reitf<h!e).
2 ) 3aftrowS Familienname tft in ber Soffmann-Citeratur meines SBiffenS suerft
1894 oon EUinger genannt worben. Schwärs nennt ibn nicht, fagt aber richtig, ber
©eneral fei bem “pofener Regiment oorgefeßt worben, ©a ©rifebach (S. XXI) auS
bem frifebgebaefenen ©eneralmajor gleich einen fommanbierenben ©eneral (3eile 21) mit
bem (präbifat ®EjeUenj (3eile 25) mäht, wobet er offenbar an baS ©eneralfommanbo beS
heutigen Fünften 2IrmeetorpS benft, unb ba SUinger ihm neuerbingS barin gefolgt ift,
fo barf hier wohl baran erinnert werben, bah eS in ber guten alten 3eit oor Sena unb
^rilftf in Preußen Weber ©ioiftonen noch gar 21rmeeforpS gab; bie einzelnen QBaffen-
gattungen waren oielmebr im Feieben oöäig gefonbert. (®ie Snfanterie war in breisehn
Snfanferie-Snipettionen eingefeilt, oon benen bie Süboreußifche — beftebenb auS gansen
SWei 9?egimentem unb einem ©renabierbataißon — bem ©eneralleufnant Sßilhelm oon
©raeoenih [1730—1809] unterteilt War.) ©agegen befaß bis 1806 jebeS Oreußtfche
Regiment neben bem $ommanbeur einen Ebef (Snbaber) mit ©eneratSrang, nach
bem eS benannt würbe. ©aS “pofener Regiment, baS bis babtn „Regiment oon Eroufas"
geheißen batte, hieß Wbt alfo „Regiment oon 3aftrow"; als folcbeS würbe eS 1806 nach
ben Schlägen bei Sena unb < 3KagÖeburg aufgelöft. ©aß ber bisherige Ebef fogleich
anberweit Q3erwenbung fanb, ift in ber oorigen SRofe berichtet.
8 ) künftig wirb man Schwabens fämtliche UKitteilungen über Soffmann im
III. 23anbe meiner eingangs silierten Sammlung fmben.
[17]
399
Aoffmcmn t>at in ^ofen gasreiche Regierungen angelnüpft, bie feinen
$ob übetbauern füllten. ©a$ gilt nid>t nur non feiner 'Stau unb beren
3ugenbbefanntem ©ieberid>3: bon ben gmölf Rerliner 3uriffen, bie gu Äoff--
mannö ©rabftein besteuerten, fannte ihn bie Äälfte, nämlich Qöilcfe, Erahnter,
©imbeef, Äerr, RWger unb §obt, bon P>ofen her. Aber ba$ p io cf er
Sagebucf; fpricbf faum bon biefen 3eugen ber jüngften Rergangenbeif.
9Rif Sdjmarg febeint iooffmann nicht forrefponbiert gu buben, ©agegen
möchte ich in bem Atbrecbf, bon bem iooffmann (9frb. 9) einen Rrief erhält,
einen Pofeiter Bottegen feben. An ft<h fönnte auch ber ^ammergericbtSraf
©aniet Cubmtg Wibrecht gemeint fein, ber (um 1765 in Rerlin geboren) bann
1805 Rorfragenber 9?at unb fpäter ^abineftSrat mürbe; mabrfcheinlidh
banbeit eg ftd) jeboch um ©arl ‘Jriebrid) Albrecbf (geb. um 1774 in
PotSbam), ber um 1796 in ben 3uftigbienft getreten, um bie 3abregmenbe
1799/1800 gum befolbeten ‘tlXffeffor in Pofen unb bann am 29. 3cmuar 1801
gum 9frgierunggraf bafelbff ernannt mar, aber, mie mir noch) feben merben,
halb Pofen mieber berlteß. Ron ben in Pofen gurüdgebliebenen Kollegen
forrefponbierte mit iooffmann anfebeinenb nur ber „gute Reeltb", unb auch)
biefer mobl nur in einer beffimmten Angelegenheit oon bull* amtlichem unb
halb böcbft privatem ©barafter (Oft. 6,15). ftriebridh Reelifi (um 1776
in ber Altmarf geboren unb um 1797 in ben 3uftigbienft getreten) mar gu
iöoffmanng 3eit ein „betriebfamer unb tätiger Affeffor" in Pofen gemefen,
batte als folcper feit Anfang 1801 ©ebalt begogen unb mar ingmifch)en, am
6. April 1803, gum 9?ate an ber Regierung aufgerüeft; 1805 marb er bann
^ammergerichf^rat, unb iooffmann fanb ihn alg folgen 1807 in Rerlin
mieber, alterbingg ohne 'Jreube an ihm gu erleben J ). — 3an- 14 unb 20 feben
mir iooffmann in $orrefponbeng mit bem rührigen Pofener Rucbbänbler
3obann Umbrich $übn aug Ceipgig (1776—1847), beffen Perfonalien
unlängff feftgeffellt ftnb 2 ); banach batte ber SOfann im September 1801 im
iöaufe 9fr. 291 (in ber RreSlauer Straße, nabe am £or) eine Rucbbanbtung
mit fieibbibliotbef unb 3eitf<h>riften--2efegirfel eröffnet Ron ben Rückern,
bie iooffmann oermutlich bureb ^übn fennen gelernt bat, ermähnt er — als
Rtftarbeifer am ‘greimütbigen’ natürlich) mißbilligenb—AHlbelm Schlegels
©brenpforte für ^obebue CJebr. 9). (©inen gleichgültigen Refud) auS Pofen
bezeichnet 9fr b. 10.) — iooffmannS angenebmfte ©rinnerung auS biefer
Periobe ift ähnlich) mie für bie ©logauer 3eif eine 9?eife, bie ihn aus bem
9frfte entführt bat: biegmal bie 'Jab** nad) ‘Rerlin, bie er gu RJeib 5
nachten 1800 gemacht batte (3an. 4; bergl. in bem Äefte oon 1908 S. 13
oben mit 9frte).
’) Q3gl. 93rieft»ecbfet 78/79; bie GfeHe geigt auch eine Abneigung gegen bie oben
genannten anberen pofener ^oßegen Sintbecf unb Aerr.
2 ) 93on AanS ^nubfen in ben Aiftorifcben SOlonat&Mättem für bie ^rooinj
‘Pofen »om 3uli/2luguft 1911 (93b. XII, <3.- 101-106).
400
[18]
3. Die Gtabt ptocf uttb bie im Sagebucp ermähnten Sftitglieber ber |
piocfer Regierung bis ©nbe 1801.
©leiepzeitig mit Pofen mar 1793 bei ber zweiten Teilung Polens burep l
ben $raftat oon ©robno bie alte Gtabt ^MocI an Preufjen gefallen; fte mar f
mit Pofen, ©nefen, ^alifcp, Petrifau unb anberen ju einer Prornnz 6üb= 1
preu^en gefcplagen, unb jmar §« bem Departement Petrifau. !
piocf liegt am regten 9©eicpfelufer inmitten einer frueptbaren ©egenb, t
aber auf einer ffeilen, faft mafferlofen 91npöpe. < 333ir paben eine Gcpilberung
beS OrfeS non bem (1798 geabelten; 9$egierung$bireftor 91. ©. t>. Äolfcpe ju
93ialpftof, bie im 3apre 1799 abgefafjt iff 1 ); bie Gtabt patte bamalS fcfyon
feit fec^ö Sauren unter preufjifcper 93ermalfung geffanben unb bereits ein
anbereS 91uSfepen gemonnen als unter ber anS $:ürfifcpe grenjenben 9J?i§mirt=
fepaft, bie im 18. 3aprpunberf in ber 9Sepublif Polen geperrfept patte.
3mmerpin mar ber Ort für mefteuropäifepe begriffe noch traurig genug.
93on ben 389 Käufern, bie ibolfcpe säplt, maren nur 27 auS Gteinen gebaut, [
mäprenb bie übrigen auS ioolz beffanben. 93on biefen 362 Äolzpäufern
Ratten mieberum nur 20 ein 3iegelbacp; ber 9?eft mar mit Gcpinbeln ober
Gtrop gebedft. ,,©S mirb", fepreibt .öolfcpe, „hier ffarf gebauet unb eine f
befonbere 93orffabt für Deutfcpe, oorzüglicp für Offizianten, ganz
oon mafftben Käufern naep einem beftimmten ‘plane angelegt, unb eS fommen
non 3eit zu 3eit mehrere ioäufer pinzu". — 902an lebte erffaunücp billig in
ber ©egenb: ein 93erliner Gdpeffel (=55 Cif er) loggen foffete nad) Äolfcpe >
bur<$fdjnittlicp 12—16 gute ©rofepen, ein Pfunb gleifcp 9—12 Pfennige, 1
ein ioupn unb ein Pfunb 93utter je 2—3 gute ©rofd)en. Dafür gab eS
aber feine gabrifen im ganzen Canbe; ©ifentoaren, Smcp, ßeinen mußten 1
importiert merben. 9lud) .Solz mar fpezielt in piocf ferner unb nur zu ’
relatiö pokern Preife zu erpalten.
3n ber Gtabt lag baS 17. < 3üift(ierbataillon, beffen ©pef ber ©eneralmajor
3opann öon.SinricpS auS Samburg (1756—1834) mar; bie gelbprebigerfteHe f
mürbe 1803 einem öanGcpeoen übertragen (f 1807, Porträt unb ©parafteriftif
3an. 15!). — Die 3i»ilbeoölferung ber Gtabt beffanb 1799 auS 1847 ©priffen,
bie meift < 2Id£erbau trieben, unb 731 3uben, in beren Sänben faft ber ganze
Sanbet lag; beS Deutfdjen maren in ber 9?eget nur bie tepteren mä<ptig, >
ba bie erfteren feinen ©runb patten, eine zweite moberne Gpracpe zu erlernen.
<5ür bie gebilbeten Polen mürbe baS preufjifcpe ßanbreept inS £ateinifcpe
überfept (für baS 93olf auSzugSmeife inS Polnifcpe); für alle amtlicpen
Gdpriftffüdfe unb DrucEfacpen (Elften, ©efeppublifationen unb bergleicpen) mar ►
für bie bier Probinzen beS fouoeränen Königreichs Preußen (baS befanntlicp
fo menig zum 9?eicpe gepörte mie z- 'S- Ungarn) opneptn feit 1798 bie
lateinifepe Gcprift eingefüprt 2 ). 3n midptigen Punften, z- *53. für bie ^
J ) ßrfepienen 1800 bei SOlaurer tn Berlin in einer 33efcpreibung beS bamaligen
SReu-Oftyreupen (fiepe unten), bie iprerfeitS ben erften < 23ctnb einer breibänbigen
‘©eograbpie unb Statiftit »on gßeft*, 6iib- unb 91eu-Offbreußen 5 bilbet.
? ) StaatSarcpt» R 7c, 12c 1; nod) 1800 fo; 1803 niepf rnepr: ebenba 12d. f
401
[19]
gefeßticße Erbfolge, blieb freiticß bag polnifcße 9?ecßf maßgebenb, in bag bie
breu^ifcben 9?icßfer ftcß wohl ober übet einguar beiten Raiten. gür bie geiff*
ließen 93ebürfniffe ber ptocfer &afßottfen forgten nicßt weniger atg elf
Kirchen, oon benen ber ©om unb bie Pfarrfircße ffattticße ©ebäube tnit hoben
türmen finb; gum ©omfapifet gäßtten außer bem ‘Jürftbifcßof unb bem <2öeih*
bifdjof (beibeg polnißßen ©rafen) neun weitere Prälaten, gweiunbgwangig
Canonici unb ßeben doabjuforen. Sieben ^ireßen gehörten gu 5? t ö ft e rn,
bie oon ber preußifeßen Regierung gu ihrem Unterhalt bie ioätfte beg 9?ein-
ertrageg ihrer (fonßggierten) früheren 93eßßungen erhielten- Aoffmann ermähnt
(Oft. 2) »on biefen S?löffern bag ber ^orbertinerinnen, b. h- ber ©eßmeffern
beg 1119 oom hl- Norbert (geff. 1134 atg ©rgbifcßof »on ^agbeburg) ge*
grünbeten Prämonffratenferorbeng. 93efanntlicß waren bie ^(öfter
biefeg Orbeng in ben erffen anberthatb 3ahrhunberfen ihreg 93effeheng — mit
9?efpeft gu fagen — recht fibele ©efängniffe, inbem trüber unb ©eßmeffern
unter einem ©aeße wohnten unb nur bureß eine Stauer getrennt waren, bie
ftcß nicht immer a(g Äinbernig bewährte. 3n ptoef war bag nun nicht mehr
ber <5alt, aber immerhin würben bie 38 bortigen Tonnen nicht oon einer
‘vübtifßn, fonbern bon einem Prälaten ihreg Orbeng behütet Honny soit
qui mal y pense. —
1795 ergab ftcß bie ^otwenbigfeit, bie ptocfer £anbf<ßaft bon petrifau
toggulöfen unb ein eigeneg ©eparfement baraug gu bitben. ©ie Kammer,
b. ß. bie ^erwattunggbehörbe, hielt ißre ©jungen borläuftg in bem
bifeßöftießen ©eßtoffe ab, ba ber 'Jürftbifcßof bon ptoef, ©raf Onupßrtug
bon ©gembef, eg oorgog, in Puttuff gu reftbieren; bie Regierung, atfo bie
oberffe 3ufftgbeßörbe beg ©eparfementg, tagte einftweüen außerhalb ber
Prooing, in §ßorn.
1796 würbe bie britfe Teilung Poteng auggefüßrf; Preußen erlieft
2öarfcßau unb im korben bag £anb öffließ beg Kiemen big gur ©reng*
tinie j^owno--©robno. *2Barfcßau warb bie Äauptftabt ©übpreußeng unb
erhielt fogteuß eine Kammer unb eine Regierung, ber ptoef getfweilig unter*
ftetlf würbe. 3n ben norböftlichen ©efitben, bie man 9}eu*0 ff preußen
benamffe, faßen unter anberen aeßtgig abtige ©ufgbeftßerfamilten m o ham*
ntebantfeßer 9?etigion unb tatarifeßer Äerfunft; bag ©faatgßanbbucß
führte feitbem unter ben „©eiftlüßen, ©cßut-, Seminarien* unb ©tiftgfaeßen"
ber preußifeßen Monarchie gewiffenßaft sub 9?r. VI bie „Sftaßontebanifcße
ober 'Sarfartfcße ©eiffließfeif" auf. 9J?an ßeßt, Preußeng ©ntwidtung ten*
bierfe entfliehen in berfetben öffließen Dichtung, in ber ftcß feit mehreren
©enerafionen Öfterreich bewegt: bie leifenben Stftänner baeßten gteieß ^rtebrieß
bem ©roßen an nießtg weniger atg einen „beutfeßen 93eruf" ißreg ©taateg.
©a bag ‘Söarfcßauer ©eparfement fuß feßr halb atg gu groß erwieg,
würbe ptoef mit gu 9teu»Offpreußen gefeßtagen. ©iefe Prooing
enthielt fortan alteg £anb reeßfg oon < 23ßei(ßfel unb 93ug unb umftammerte
in ber 'Jorm einer anmutig gebogenen 9Burff Oft-- unb ©übpreußen. ©ie
ptoefer 3«ftigbehörbe, bie naeß wie oor in ^ßorn bomigitierte,
würbe im 3uni 1797 wieber unabhängig oon Söarfcßau. 93erwattungg--
402
[20]
gefäicfytlid) fyotyft intereffant tff baS Reglement jur Regelung ber ^ompefenj
oon Kammer unb „Regierung" in RemOffpreußen, baS am 3. SEftärj 1797
— im ©eburfSmonat beS nachmaligen erffen beutfhen ^aiferS — auf 93er=
antaffung be« SD^inifferö für < 2Ut= unb Reu--Offpreußen Srei h errn *5 rieb *
ri<^> Seopolb oon Schroetter (1743—1815) erlaffen mürbe: eS trennt jum
erften RWe rabifal Vermattung unb 3uftig, weit fhärfer at« in allen älteren
^roöinsen mit Cfinfc^lu# oon Sübpreußen. ©S gab in Reu--Oftpreußen nicht
nur feine $ammer*3uffisbeputafionen unb ©omänen = 3uftt8ämter, mie fte
in allen anberen ^rooinjen beffanben, fonbern auch feine 3uftij - SO? a g i ff r a f e
unb ^atrimonialgerichte: unter ben „Regierungen" inSptocf unb Vialpffof
ffanben lebiglich Preisgerichte — ein ‘prinjip, baS meine« VMjfenS
mit Reu-Offpreußen für bie Rionarchie mieber oöllig Oerloren gegangen
unb erft nah 1848 mieber jur ©elfung gefommen ift. ©ie Satarenprooinj
‘preußenS mar fomit oermaltung«te<hnifd) am meifeffen fortgefd>ritten.
*2In bie Spitze ber „Regierung beS 'plocfer ©epartemenfS, jeht ju Shorn",
trat ber bisherige ‘Präftbenf beS PommeraienfollegS ju ©anjig, ©arl
Sriebrih oon Veper (geb. um 1751 ju Äalberftabt, im StaatSbienft feit
girfa 1772). 3n ber Ponbuitenlifte für 1800 mirb er als guter Organisator,
al« fleißiger unb gefchidter Arbeiter gerühmt; er oerfrage fic£) aber nicht mit
ber Kammer unb merbe auch „megen gebieterifhen VeneßmenS oom ©ollegio
nicht geliebt", „meShalb bie mehrfte OD^itgtieber fehr bringenb um ihre
SranSlocation gebeten fyabm unb jum Seil noch bitten". (3n iooffmannS
Sagebuh tritt Veper an bret bejeichnenben Stellen auf: Oft. 6 [„baS dulce
praesidium"], 16 [irontfh als Vertrauensmann in Punffbingen] unb 3an. 10
[„ber große Vär"]).
Obgleich bie Überfteblung beS Obergeri<htS nadh ‘plocf noch in meitem
'Selbe ftanb, lief fich (hon jeßt, 1797, ein unternehmenber R?ann hier
als Shtmalf nieber: ber frühere PriegS* unb ©omänenraf ioadebed
(San. 15).
3m 3ahre 1799 mürbe ber bisherige ÄammergerichtSrat Qluguft Stieb--
rieh Reihenberg (geb. um 1760 gu Vraunf<hmeig, im 3uffijbienff feit
jirfa 1780) nach §h°rn öerfe^t. ©er unoerheiratete R?ann mar 3uriff oon
Veruf unb 9ftuftfer aus Reigung, ohne in einer biefer beiben Rid>tungen
fich irgenbmie auSjuseichnen. 3n allen fechS Ponbuitentiffen über bie 3ahre
1800—1805 merben ihm guter RBitte unb Vereitmilligfeit, Steiß unb „untabel-
hafter SebenSmanbel" nahflerüßmf, aber ebenfo regelmäßig „fehr mäßige
Säßiflf eiten unb Penntniffe" feftgeffellt. ©afür fonnte Ä off mann, ber ihn
moßl fchon in Verlin fennen gelernt hatte, ft<h fpäter in Plocf mit ihm
menigffenS über Vertin unb über mußfalifcße ©egenffänbe unterhalten, menn
er auch ben geliebten Sreunb Äampe in ihm nicht entfernt erfetjt fanb,
(Oft. 3 bringt Äoffmann ihm baS Plaoier in Orbnung unb fpielt ihm feine
neue Rieffe oor; am nächften Sage hört er oon ihm Verliner ’&nefboten
über Socatetü unb bie R?ara [beren ganjeS Sehen freilich eine Pette oon
^nefboten mar], über alte unb tteue Pomponiften; abermals brei Sage fpäter
merben bei Reichenberg Quartette gefpielt. Rah ©rünbung ber bifhof*
[21] 403
nertilgenben „9?effource" fcbeint -fe off mann ben fotiben '•ölann nur noch an
briffem Orte getroffen z« buben: 3un. 15.)
3 m folgenben 3 af>re, 1800, trafen als Slffefforen in bie Regierung ein
ber tugenbfame <3riebricb ©uff an SDiaafj (geb. um 1775 zu imlberffabf,
alfo ein ßanbSmamt 93et)erS) unb (im 9lonember) ber trinffefte ßange
(3an. 1, 6 , 10) 1 ). 3n bemfelben 3ubre lief) ftcb ber frühere ^riegSrat
n. 93acbmann (aus ber 1749 non ‘Stiebricb bem ©rojjen geabelten cleotffben
Familie) als 3 uftiz?ommiffar in ^born nieber; gleichzeitig mürbe er als
<5iSlal befebäftigt (3an. 6 , 10).
illm 10 . 3 uni 1801 trat 3 obunn < 5 erbinanb Äiltebranbt (geb.
um 1777 5 U ©umbinnen, im 3 uftijbienft feit jirfa 1796) bei ber ^Regierung
als 9 lat ein. ©r mar bis babin 9lffeffor am Äofgeriet ju 3nfferburg
gemefen, mo ÄoffmannS 93ater oor nier 3a(>ren geftorben mar; Einfang 1801
mar ihm auSnabmSmeife eine 93efotbung oon 400 Malern juertannt morben.
.©r mirb in ben ^onbuitenliften ffetS als fenntniSreicl), gefcfjicft unb fleißig
gerühmt; für 1803 beif# eS, er leiffe „auch bei ben ^affengefebäften nüblicbe
©Menffe". (©r ffanb bann iöoffmann als CanbSmann unb 9IlterSgenoffe
relatin am näcbffen: Oft. 2 , 4, 3un. 1, 3, 10, 18; auch Äoffmann mufjfe
ÄitfebranbtS finanzielle Begabung ju frühen: 3an. 18!) — 3m felben
3abre traf Söilbelm £ubmig 93 erg aus ber SEftittelmarf (geb. um 1775),
ber ftd) febon norber in 5^alifc£> „als brauchbarer Arbeiter gezeigt" baffe, als
91ffeffor bem Kollegium bei (3an. 9).
“ 211 S 9?enbant ber Salarienfaffe fungierte f<hon in ^b^rn ein gemiffer
Webber (9?on. 10 ). —
3m Äerbff 1801 mar in *ipiocf felber baS ©Renffgebäube für bie beiben
Oberbebörben fertig gemorben unb „bureb 9luffübrung mehrerer ©ebäube
bafelbft für hinlängliche ^Bohnungen ber Offizianten geforgt", mie ©olbbeef
unb Schroetter ein 3abr barauf, unterm 15. 9^oöember 1802, bem Könige
berieten. 3m Öftober fonnfe bie °piocfer ^Regierung alfo enblicb 9Göeftpreufjen
neriaffen unb in ihren eigenen 93ezirf überftebeln. „mitten, ©ffelten
unb Ütenjtlien ber Regierung unb baS ODRobiliar ber Offizianten" mürben zu
Schiff bie SBeichfel aufmärfS nach ^loc! gebraut.
^urz nad) bem ©inzuge in baS neue ioeim mürbe bie Regierung bur<h
einige Herren non auSmärtS nerftärft. 93om 3nfferburger ioofgeriebt, baS
fchon ioiltebranbt entfanbt butte, fam je^f ber 9*at 3obunn ^riebricb
5?irchbeim (geb. um 1767 zu ^üffrin, im ©)ienff feit etma 1789), ber in
allen Berichten als fenntniSreid) unb grünblid), gefehlt unb fleißig gef<f>ilbert
mirb. (Äoffmann ermähnt ihn nur 3an. 1; feine ^rau fcheint aber aud) mit
$tr<ä>beimS ^rau nerfebrt zu buben: f. 3an. 5.) 911S Slffeffor trat gleich*
*) <2Burbe bann 27. Sanuar 1803 nebft grnei anberen ‘Slffefforen oon ©olbbeef junt
9?at in ^loct »orgefcblagen, ba bie bortige Regierung tro§ »ieler Slrbcit nur auS elf
Otäten befiele; ba$ patent trntrbe am 28. Februar Dom Könige »oßaogen.
93ermutlicb ift biefer £ange ibenttfeh mit einem Äeinricl) ftriebricb £ange auS
ber ^urmart (geb. um 1777), ber in ben ^onbuitenliften al$ 9tat mit ber £lnciennetät
»om 23. 3anuar 1803 erfebeint
404
[ 22 ]
Seifig §&eobor Äeinric^ ^riebrid) ein, ber im felben 3af>re mie Äoff-
mönn, 1776, als 6o£n eine« ^Ipof^eferö ju Königsberg in ber Heumar! ge--
boren unb jum 2Bein&änbler beffimmf gemefen war, feit 1793 aber bie Rechte
ffubierf ^jatfe unb um 1797 in ben GfaatSbienff getreten mar 1 J.
*) Soff mann nennt ihn anfällig im Tagebuche nicht; mar jeboch nach
ftihigii Verftcherung (263 f Pilote) ber einzige, beffen Soffmamt miinbtich bei gelegent-
ti^en Düctblicfen auf bie T>locfer ^eriobe „mit einiger SluSaeichnmig ermähnte".
^riebrici) mürbe erft nach SoffmannS Weggang au$ ^ptocf, am 25. Wlai 1804, alS
9?at bafelbft angefteltf; bie Äonbuitentifte für 1805 rühmt feine „ooraügtichen Fähig-
feiten". Dach ber '•Muflöfung ber preufjtfchen Vermattung in <¥>oten begab er ftch mie
Soffmann nach ‘Sertin; im Viai 1808 fanb er biefen bort „troftloS im Thiergarten",
errief feine »erameifelfe Sage, „unb fetbft in Verlegenheit theitte er hoch fein festes ©elb
mit mir", mie Soff mann banfbar Sigeln berichtet (229 oben).
9?ach ben VefreiungSfriegen lebte Friebricf) eine 3eit lang at« ßiterat unb Vorlefer
in Verlin unb Vßien; er muhte nach Äi^igS hübfeher Formulierung (a. a. O.) „burch
feine pauSbacfenen fathrifchen ©griffen ftch in einem gemiffen greife eine Tlrt liferarifcper
Deputation au ermerben", mar jeboch „im Umgänge öiet angenehmer mie als ‘Jlutor".
1817 fiebelfe er nadh Samburg über unb ftürate ftch bort am 12. ©eaember 1819 in bie
glbe. - Vgl. Zeichner 2lCg. ©. Viogr. VIII (1878) 66f unb (im biographifchen
fchtechferl) ©oebefe 2 VI (1898) 391 unb VIII (1905) 129 unten.
[23]
405
II. SlnfteEung unb Sjeiraf: Februar bis 3uli 1802,
Ä off mann batte in ben 3 apren 1800 unb 1801 bei ber ^ofener Regierung
Sur 3uftiebenl)eit feiner Q3orgefepten gearbeitet, ©er ^räjtbenf ftellfe um
bie 3 abregmenbe 1801/02 bem ©rofjlansler oor, ba§ bie Arbeit beg öber--
gerieptg ftd> noch immer oermebre unb ba§ babei bie 3abl ber Elffefforen
bereite auf neun angemaepfen fei; er ffellte anheim, bag Kollegium burep
(Ernennung non 5 mei neuen 9?äten p oerffärfen, unb fd^lug bafür bie beiben
älteffen Elffefforen, barunfer Äoffmann, oor.
©er Sberfonalbejernent — eg mar noep E3aumgarten, turj oor feinem
^obe — fcplofj ftd) bem 93orfcplage beg °pofener ^räfibenten an, unb am
Sonntage bem 21. Februar unterseiepnete ber Gpef ber 3uftisoermaltung, ber
offenbar trop feineg ^ofentreujertumg fein ©egner ber Sonntaggarbeit mar, ben
^atententmurf. ©ag Scpriftftüd r ) beginnt in üblicher < 333eife mit ben Eöorten:
EBir griebriep EBilpelnt non ©otteg ©naben &önig non ^reufjen pp.
£pun funb unb fügen hiermit p miffen: bafj c 2 Bir ben bigperigen
Q^egierunggElffeffor ©rnff ^peobor Eöilpelm Äoffmann megen feiner oor
ber 3 mmebiat©pminationg<Iommiffiott bemiefenen ©efcpitflicpfeit unb
feineg bigberigen Eöoploerpalteng pm 9?atp bep ber Sübpreufjiftpen
^Regierung p ^ofen ernannt unb angenommen paben.
©arauf merben bie Obliegenheiten beg fünftigen 9?ateg aufgejäplt, unb am
Scpluffe peifjt eg:
©abtngegen . . . foll er, ber 9?egierungg9Rafp Äoffmann, . . . eine
jäprlicpe 93efolbung oon Elcptpunbert ^paler 00 m l ten SSRaerj biefeg
3apreg an geregnet aug ber Salarien&affe ber Sübpreufjifcpen Regierung
ju 'pofen s« genießen paben. . .
Berlin ben 21 ten Februar 1802.
©otbbecf.
©er ©ntmurf blieb im EOftnifferium liegen, um bemnäcbft mit neuen Ein¬
trägen bem Kabinett etngereiept s u werben.
3 n "Plocf ftanb eine S3afans beoor. ©er 9*egierunggrat 93ietefifcp ba--
felbft, ber 1799 in ^porn alg Elffeffor eingetreten mar, follte nach ^ofen
oerfept merben, unb ERaaf) alg ber ältefte ^locter Elffeffor foHte in bie er»
lebigte Stelle einrüefen. ©olbbetf unterfeprieb am näcpften Sonntag — eg
mar berfelbe Sonntag oor ^aftnaept, an beffen Elbenb in ^ofen bie
feit Monaten präparierte E3ombe plapte — ben ^atententmurf; biefer ent»
fpriept genau bem für & off mann aufgefepten, nur bafj ftatt ber Sübpreufjifcpen
J ) ©ic 9?etnfcprift Rep. 89, Vol. 60 L; ba$ ^onjept, unteraeitpnet »on ©olbbect
unb ‘Baumgarfen, tu R 7 c, 12 a.
406
[24]
Regierung zu ‘pofett bie ^eu-Oftpreufjifcpe zu ^locl genannt iff. — Am
felben Sage fafite ©olb&ecf feine 93orfcptäge an ben ^önig
Zufammen unb legte bie < 33eftattunggenttoürfe jur Q3ollzwpung bei.
©olbhetfg Sammel-Antrag ging attg Kabinett — eg iff befannt, bap bet
fcpücpterne ^önig mit feinem feiner ‘äfttntffer perfönticp oerfeprte — unb blieb
Dorf junäcbft einige AJocpen lang mit anberen ©tnläufett liegen.
Snzwifcpen mar £>err non 3 aftrow nicht rnüfiig: 5) off mann unb feine
^reunbe hatten ipn, wie jener elf Süftonafe fpäter fleinlauf ioippeltt Pefennt,
„nur für ju unfdpäblidp" gepalten, ©er 9?egimentg<pef befcp Werte ftcp utt»
oerzüglicp bireft beim Könige unb befcpulbigfe ber Säterfcpaft brei SRicpter,
bie neben ben bienftlicpen 3 ntereffen auc^ folcpe für anbere ©inge an ben
Sag gelegt patten, nämlkp bie 9?egierunggräte 6 cp mar 5 unb Albrecp t
fomie ben Affeffor Ä off mann 1 ). ©r erreichte bag Opr ber SO^ajeftät früper
alg ber ©ropfanjler, unb biefer erpiett ben 93efepl, fogleicp eine £lnferfucpurtg
einjuleifen; bei bem entfcpiebenen ßeugnen ber 93efcpulbigten oermocpte er
jebocp nicpt bag ©eringfte zu ermitteln. ($ 11 $ im Äerbft beg 3 apreg
bann Scpmarjeng refolute ©attin iprem Spanne oon ^ofen nacp ^aberborn
folgte, liep fte ftcp [um ben 1 . ^oöember] auf ber ©urcpreife in Berlin beim
©ropfangler melben; eg gelang ipr, ipren Süftann oon bem 'Serbadpt ber 9£ftit=
fcpulb ju befreien. „Se. ©fcellenj wollte aber oon ipr bie eigentlichen
später erfahren; jebodp liep er ipre ©ntfcpulbigung, bapfteftcp alg Frauen¬
zimmer nicpt berufen füple, bie ©enunctanftn ju macpett, gelten" 2 ).) 9todplkp
ein 3apr fpäter tat fiep Äoffmann Äippeln gegenüber efwag Darauf zugute,
bap ipm feine ^itfdpulb nidpt pabe nacpgewiefen werben fönnen 3 ).
Aber offenbar war fcpon oor < 23eenbigung beg 93erfapreng bem gefränften
©eneral zuliebe befcploffen worben, bie brei öerbäcptigen SRicpter bei nätpffer
©elegenpeit aug ^ofen zu oerfepen. Alg nun gegen ©nbe ^ärz (am 22 .
ober, nach anberer Angabe, am 27.) ‘Sepme enbtidp bazu fam, bem Könige
©olbbedfg 93orfdpläge 00 m 28. Februar zu unterbreiten, ergab ft dp gleicp bie
©elegenpeit, einen ber brei abzufcpieben. Äipig, ber über bie ganze An¬
gelegenheit oorzüglicp unterrichtet ift 4 ), berichtet 6 . 240: „Aofftnanng patent
alg 9?atp bei ber Regierung zu °Pofen ... lag eben zur Hnterfcprift oor; eg
) <23gt. pievau unb jum ‘jjolgenben Sdpmara 316.
*) Samara 324; bie 3eit nacp S. 325, monacp grau ©orig am 8 . 9lo»ember tn
^aberborn anfam.
*) S. 196/97. — ©iefe $aftif, bie ber Bäbagoge aug ‘©flicpt unb 9teigung befämpft,
bie ber Äiftorüer aber acpfetjuctenb alg für alle Smtgfett (»om Sünbenfalt big 5 um
QBeltgericpt, tpeologifcp ju reben) allgemein perrfcpenb anertennen mup, ift für Äoffmann
felbftoerftänblicp. Sie ift bei ipm nicht, tute gUinger in feiner 'Beurteilung ber S?narr>
f>anti- < 2 Ingelegenpeit annimmt, ein Symptom für trantpafte Scpmäcpe, fonbern umgefeprt
ein Betoeig ber ßebengfäpigteif, eine 9'tuperung be« Selbfterpaltunggtriebeg ober tote
man biefe untantifdpe 9legung nennen will.
*) ©ie beiben Säpe »9Jlan lonnte nicpt lange über ben 3eicpner ber Earicafuren in
3toeifel fepn. 9tur ein 9Menfcp in ^ofen rnupfe fo au treffen, unb biefer eine mar
Soffmann" geben mopl ben ©ebanfengang 3 «ftromg richtig mieber, pnb aber, mie
mir gefepen paben, nicpt im Sinne einer faftifcpen Überführung Äoffmanns au beuten.
407
[25]
war bie ©elegenpeit ba, eg mit bem etnegnach^lozfalg 93a fp
beftimmf en $lffefforg ju oerWecpfeln, biefe würbe bereitwillig
ergriffen". 3n ber $at würbe Soffmann — wie f>ier abermalg in 33e--
rid)figutig meinet älteren 2luffapeg beroorzupeben iff — 9?at an ber cf er
Regierung mit ber SInciennetät oom 21. Februar 1802, unb 9D£aaß würbe
9iat in ^>ofen mit ber Qlnciennefät »om 28. Soff mann wirb baß Kofent
mit bem unerwarteten Veffimmunggorf etwa in ber 3eit nom 15. bi« 20. Vprit
erhalten haben*), unb man fann fiel) bie Verzweiflung heg 'SÄanneg öor*
ffellen, ber ben ftänbigen, tägigen Umgang mit ber Ü’unff, mit bem ©eifte
brauste wie nichts fonft auf 'oer SBelt. 3Bar ihm bie Verfemung oon Verlin
nach 'pofen fepon a(g Verbannung erfepienen (an Sippet 6. 179), fo hatte
er boep im £aufe ber 3eit ft<f> fürö erffe bamit abgefunben: ber regelmäßige
Verfepr mit bem tüchtigen unb geiffreicben ©pepaar Schwarz 2 ) gab ihm 31m
regung, ©arl ©öbbelin hatte in ^ofen ein Singfpiet oon ihm aufgeführt, bei
bem Vucppänbler Äüpn hatte er regelmäßig bie neueften 3ourna(e aug Verlin
unb Leipzig lefen unb fiep fo wenigffeng im griJbften auf bem laufenben halten
fönnen. Sicherlich hatte er Einfang 1802 ^enntnig genommen non ber feier¬
lichen ©röffnung beg neuen (Sangpangftben) Scpaufpielbaufeg auf bem ©en-
barmenmarit — beleihen Saufeg, in bem 1816 feine Unbine bie Söter ent--
ZÜrfen follfe. 9lie hatte er bie Soff nun g aufgegeben, nach Verlin jurütf--
Zufepren (noch im Stüpjapr 1803 malte er Sippein aug, wie er feine 5?inber
in Vialen unb SEftufif unterrichten werbe, wenn fte fünftig in Verlin ju=
fammenlebten: S. 192). Seht ging eg ffatt beffen in einen Ort, ber ipm
gegen bag Ofener Fegefeuer wie bie SöHe erfepeinen mußte. Soffmann
überwarf fiep in biefem furchtbaren ^rüpiapr mit allem, wag ipn umgab —
unb öorjüglUp mit fiep felbft, wie er brei Vierteljahre fpäter Sippein
fepreibt (185).
3rau Scpwarz, bie fiep fepon im Serbff 1800 beg jungen 3lffefforg bei
einer fieberJranfpeit mütterlich angenommen patte (180), rebete gemeinfam mit
ihrer Scpwefter bem fech^unbjwanzigjährigen 9?egierunggrate ju, ©ottwalbg
Schwägerin SOttcpatina, beren bunfelblaue Vugen unter bunfelbraunen Vrauen
ipm eg längft angetan patten, in bie wilbe ^olafei hinter ber VJeicpfel mit*
junepmen. ©ine ©eutfepe pätte ft<h ber ©jpebition in ben fernen Offen
fcpwerlid) angefcploffen — bie 9licpter, über beren Umzug oon $potn nach
‘plocf wir berichtet paben, waren fämtUcp unverheiratet. ©)ie junge
bagegen, bie ebenfo päugli^ wie pübfcp war, fonnte im fremben £anbe oor*
J ) ©ctg 9teftript, bag ihn bann 1804 aug Btoct erlöfte, war aud) gut brei 'JBochen
unterwegg: fiepe unten.
s ) Gcpwarjeng zweite Srau ®orig geb. ®. (au3 ©arbegpeim bei ©fterwieef am
Äarj: 6cpw. 228) rejenfierte in Bofett nicht nur SRomane, wie aug Soffmanng ^ofener
Brief an Äippel (180) befannt geworben ift, fonbern oerfaßte bort auch felbft biev
Romane, bie ber ©atte bann in Bremen bei einem Berlegev unterbrachte: Scpw. 347/48.
352/53. — ©oebefe 1 unb 3 fennen nur Scpwargeng erfte 'Jrau Sophie geb.‘Beeter (geb.
in Äurtanb 1754, 9teifebegleiterin ber €tifa non ber 9tecfe 1784-1786, »ermäplf 1787,
geftorben fepon 1789).
408
[ 26 ]
trefflich für bte täglichen Vebürfniffe forgen unb mar immerhin — im ©egenfah
5 . V. ju SöernerS britter grau — beS ©eutfchen fomeit mächtig, um jtch
mit iboffmann oerftänbigen ju fönnen. — iö off mann muh ficf) fclmell entfchloffen
haben, biefem mütterlichen 9?ate ju folgen: j ebenfalls regnet er feine ©he
non ber 3 etf an, in ber baS oerhängniSoolle ©rnennungSpatenf eintraf 1 ).
Vorläufig ging er im SO^ai, mohl allein, nac^ ‘ploct, um eine SOBohnung
ju fud>en unb einjurid)ten. ©ie erfte ©tngabe ber 'plocler Regierung an
ben König, bie non Äoffmann mit unterfchrieben iff, batiert nom 30. SOiai;
fte ift jug(eid) baS erfte 3eugniS für feine SDfttmirlung an bem 9ttefen=
KonfurSprojefj beS ßatifunbienbeftfjerS 2lnton non 6 ierafomSft, in
bem ibm fpäter baS ©ejernat jufiel (3an. 4. 6 ).
©ah iboffmann bann pflichtfchutbig ©nbe 3uli nach P>ofen jurücffehrte
unb ftcp am 26. nom c Priefter Martin ibantufch in ber Kirche beS „auf ber
< 2öicfe“ gelegenen KarmeliterflofterS ad corpus Christi latholifcf) trauen lieh,
ift f<^»ort 1908 berietet; non ben beiben Sraujeugen gehörte 'peter Sobolemsfi
{ebenfalls jur greunbfchaft ber Vraut, ber anbere aber, ben baS Kirchenbuch
Sheobor 'Sott nennt, ift ohne 3 meifel fein anberer als ber Suftijfommiffav
Sheobor Sobt, ben mir oben unter ben 'pofener greunben iboffmannS
aufgeführt hoben. — 3n ber Gübpreuhifchen 3eitung nom 31. b. °0l. melbete
Äoffmann feinen gteunbett „feine am 26. 3 uli 1802 mit ber ©emoifelle
3Jttchalina Bohrer oolljogene eheliche Verbinbung".
©he mir jeboch bem jungen 'paare in bie Verbannung folgen, motlen
mir uns noc^ fchnell über baS Schicffal ber 3 urücfgebliebenen nergemiffern.
Vei Sdhmager ©ottmalb frustete bie „ftrenge Slufftcht" nichts. 1802
mürbe er, tote ©olbbecf unterm 14. 3anuar 1803 bem Könige berietet, „non
neuem . . . jur Veranfmortung gejogen . . . megen Vernadjläfftgung feiner
©ienffpflichfen unb Veruntreuungen, meShalb er jum *21 rreff gebracht
marb, jeboch ©elegenheit gefunben hot ju entfliehen, baher er burdh bie
öffentlichen Vläfter norgelaben"; ber ßanbreuter Koniecfp, ber ihn fahrläfjtg
hatte enfmtfChen laffen, fah bamalS feiner Veftrafung bafür entgegen. 1803
ift bann ©ottmalb, nach ©olbbecfS nächffjährigem Vericpfe, „megen ©ienff»
oernachläfftgungen unb ilnterfchlagung öffentlicher ©elber caffirt,
aller ferneren Remter für unfähig erflärt, jum ©rfatj ber ge=
ma<hfe[n] ©efecte mit 2000 rth unb im HnnermögenSfall ju 4jähriger fonff
aber nur ju 2jähriger VeftungSftrafe oerurtheilt rnorben. ©aS ©r=
fennfnih hot inbeffen bis i$t nicht ooUftrecft merben fönnen, meit er entminen
ift." — V3aS aus ©ottmalb bann gemorben iff, ift unbefannt unb auch recht
gleichgültig; über bie ferneren 6 <hicffale feiner beiben Söchter berichten mir
unten ( 6 . 49, mit 92ofe).
Von ben beiben oerbächtigen 9?egierungSräfen oerlieh Schmarj, mie
mir noch fehen merben, ein holbeS 3ahr nach iboffmann P>ofen.
*) Slm 25. 3anuar 1803 fchrctbt er Sippeln, er fei feit brei 93terteljaf)ren »er-
heiratet ( 6 . 187; in '3Buflicf)leit würbe erft am folgenben §age baS 3 weite 'Vierteljahr
feit ber Trauung 00 U). 3nt f eiben 'S riefe berichtet er (G. 188), feine 3rau ft r i cf e ein
^inbermühhen: fte erwartete alfo bamalS baS erfte Sfinb.
[27]
409
©ett Regierung graf Qltbr ec^t hoffte ber ^räftbent für ^ofen ju er»
Ralfen, inbern er im ioerbff 1802 bem ©roßfanjler benotete, < 21Ibredj>t fei
„gefeßieft unb f^afig" unb öerfprecbe „febr brauchbar ju merben, jumat er
ftd) audj> i$t mehrerer Älugpeif unb Solibität in feinem befragen
außer bem ©oll eg io befleißigt", “über ©olbbetf burffe ihn bod) an»
fc&einenb mit bem grimmen 3affrott> nicht an einem Orte laffen: Wibrecht
mürbe um bie 3abregtoenbe an bie Regierung §u ‘-ölagbeburg oerfebt.
‘Sltg eine Strafe bat er bag gewiß nicht empfunben.
410
[28]
III. erfte Sluguft 1802 M$3ulil803.
#ber mentge ^crioben oon & offmannö Geben feit 1789 finb mir fo
mangelhaft unterrichtet mie über fein erfteg (S^eja^r. £lm fo genauer ntüffen
mir bie menigen 3cugniffe aug biefer 3cit betrachten.
9?acb ben 9?egiffern beg Suff isbepartemenf g, bie bem 9lutobafe'
oon 1835 entgangen ßnb, bat Äoffmann jmölf $age nad) ber ioochjeit, am
7. 91uguff (anfcbeinenb oon ^ofen aug), unb bann mieber am 27. ein ©efucß
(unbefannfen 3nbalfg) an ben ©roßfanjler gerichtet, Slnferm 14. September
mürbe — nicht Äoffmann, fonbern ber ^locfer Sljfeffor 93erg jum 9?e=
gierunggraf in 9Barfdjau ernannt; bag patent mürbe am 19. oom Kabinett
an ben ©roßfanster abgefchicft, unb gleichseitig erging an biefen eine
5?abinetfgorbre „megen 93erforgmtg [!] beg 9?egierunggratbg Äoffmann aug [!]
^locf". SWebr ergibt bag 9}eraeicbntg ber 9luggänge aug bem
Kabinett nicht: mar mit ber erbetenen „93erforgung" efma eine 93erfe$ung
gemeint, fo ift bie Qlntmort beg ^önigg abfd)Iägig gemefen.
Äoffmann biß bie 3äbne jufammen unb arbeitete mie ein §ier, ohne nach
recbfg unb Itnfg su feben (fpäter, unterm 3. Offober 1803, oergleicbf er ftch
im Tagebuch mit einem ^ferbe, im 93rief an ioippel mit einem 'pacfefel);
gegen 3abregf<hluß gab ibm ber ffrenge ‘Seher, mie ©olbbecf bann bem
Könige berichtet, „bag 3eugnifj eineg fehl” gebilbeten unb oorjüglich
brauchbaren ©efchäftgmanneg, ber burch feine Arbeiten unb burch
feinen anffänbigen ffillen Gebengmanbel ungetbeilten Seifatl fi<h
ermirbt".
§*ob ber allgemeinen ©nfrüffung, bie bie Aufhebung feiner Sertobung
mit ber ©ouftne SDftnna in 93erlitt beroorgerufen batte (alleg oermünfchte ibn
bamalg unb fchalt ibn ben §reulofen, mie Äoffmann fpäter an ünppel
f«hreibf: S. 191), mar Äoffmann halb mieber in ^orrefponbenj mit bem
Onfel unb bem Setter gefommen. ©er regelmäßige ©egenffanb feiner 93riefe
mar ber 9öunf<h, aug ^piocf erlöff ju merben. Äoffmann btfrfte um fo eher
barauf hoffen, alg gerabe 1802/03 eine große 91njabl neuer 9?ichferftellen ge--
fchaffen mürbe. 3m 9?o»ember 1802 fprach befannflich bie lebte 99eichö°
bepufafion bem Könige oon Preußen für bie an ‘Jranfreich abgetretenen
linfgrbeinifchen ©ebiefe eine 9?eibe oon geiftlidben Stiftern (ioilbegbeim,
^aberborn, einen großen §eil beg Süftünfferlanbeg, ©rfurt u. a.) unb freien
Sfäbfen (9^orbbaufen, ©oglar u. a.) su: bag 9lreal beg ©efamtftaateg oer--
größerfe ficb baburch nach Slbjug ber oertorenen 93eftbungen um 192 Quabrat*
meilen. ©ie neuen ©ebiete maren fd)on im ooraug befebt morben; Seht»arg
mar bereifg um ben 1. öffober 1802 nach ioilbegbeim gefanbf, um bann 1803
beftnifio in c pabetborn angeffellt ju merben, unb bie 93erliner Sermanbten
[29] 411
Äoffmanng machten auch biefem 9Iugft<hf, oon ber 93ergröherung beg Staafg-
gebieteg su profitieren 1 ).
®a jeboch ber öheim big ©nbe 1802 nichfg auggertchfef [Kitte, fo fern«
Äoffmann feit Neujahr 1803 barauf, wirffamere ‘Jürfprache ju gewinnen.
3n erffer ßinie badete er babei an ben $ammergeri<htg--
^räfibenten Sdjleinih, ber mit bem allmächtigen ^abineftg-
rat 93epme befreunbet war. < 33öie wir fafjen, hatte ioippel 1798 ben
‘Jreunb bem oerfdjwägerfen ^räfibenfen empfohlen, unb biefer hatte [ich ba-
malg freunblich beg 9?eferenbarg angenommen. Aoffmann war alfo an ficf>
in ber £age, feinem früheren 93orgefegten bireft p fchreiben; lieber wollte
er aber erft &> i p p e 1 um 9?at fragen unb ftch bann womöglich ber *33er=
mittlung begfelben bebienen.
9^un war Äippel, wie 1908 berichtet worben iff, Soff mann un--
begreifltcherweife bie Antwort fdjulbig geblieben auf einen tief erregten 93rief
Dom 3anuar 1802. & off mann war im £aufe beg 3ahreg an bem fjreunbe,
ber ihm ungerührt allen ^roft unb 3ufpru<h Derfagte, irre geworben, pmal
er ftd) bie $ühte Dergegenwärtigte, mit ber Äippel ihn fcf>on Dorher, im Spät--
herbft 1801 in ©anjig, behanbelf hotte (Dgl. an Atppel S. 189). öffenbar
fürchtete er auch, bah bie ©ntfrembung bei Äippel geffeigert fei burch bie
Nachricht, bah er, &offmann, bie geiftig unb gefeltfchaftlich hochffehenbe 93raut
oerlaffen unb bafür bie ungebilbete Tochter eineg polnifchen Schreiberg ge¬
heiratet höbe, beren Schwager, mit bem er ficE> angefreunbet, gleich barauf
infam fafftert unb ju Heftung Derurfeilt war. — 9Bie bem auch war, er
muhte oerfuchen, ben 'Jreunb jurüctperobem unb ihn für ben gegenwärtigen
3we<f su intereffteren.
9llg auch on Äoffmanng 27. ©eburfgtag, bem 25. 8 ) 3anuar 1803, fein
©ruh beg 93ergehticf>en eintraf, fchrieb Äoffmann ihm einen längeren, offenbar
feit langem forgfältig erwogenen 93ricf (185—188), ber alg ein SSReifterwerf
erfcheint, wenn man ihn alg Mittel sum 3we cf betrachtet. ®ie ©mpftnbungen,
bie er sum Qlugbruff bringt, fönnen Döllig echt fein, aber fte ftnb bewuht
bem praftifchen Siele bienftbar gemalt — wie überhaupt ber 93rief Dom
3anuar 1802, ben ioippel bamalg feiner Antwort unb fpäter nicht ber 93er-
öffentlichung gewürbigt hot, offenbar ber letjterein naiDe 93rief Äoffmanng
an ben 3ugenbfreunb gewefen iff.
jöoffmann erinnert ben greunb sunächft in wunberooll geholtener 9lrt
an bie erfte unb innigfte 3cit tfneg brieflichen 93erfehrg, an bie mit 93efuchen
abwechfelnbe ^orrefponbens swifchen 91rnau unb ^öntggberg in ben brei
93ierfeljahren 1794/95, in benen bie 93riefe beg einen ffreunbeg Don benen
beg anberen fautn su unterfcheiben waren: „aber fonnfen auch swep SCRenfchen
gleicher empfinben alg wir?" 3m ©egenfatje basu fei leiber ihr letjteg
’) 3m Sonuar 1803 fchreibt er in bem gleich 8« erwähnenben Briefe an Sippet, S. 187:
„Bon ‘Berlin aug tröffet man mich fepr — ich foU in eine neue beuffche ^Proninj
oerfeht werben, welches benn nur mein Qßunfch ift, an beffen (Erfüllung ich ober fefw
zweifle."
2 ) Soff mann feierte irriger Qßeife eine 3eit lang ben 25. ftatt beg 24. alg ©eburfgtag.
412
[30]
3ufammenfein nicht hcwmonifch »erlaufen; ber 3hnigmug, ben er in ©anjig
jur Schau getragen, erftäre ftd) aug ben inneren Kämpfen, bie er bamatg
habe augfeebten, aug ber ©rregmtg, bie er höbe betäuben müffen. 9Sun büfje
er bie Früchte feinet ©algenhumorg burch bie Verbannung „an einen Ort,
wo jebe ^reube erftirbt, wo ich tebenbig begraben bin". — VMe mit einem
°pau!enfd)lag fällt bann bie 'Slnfünbigung ein, ba& er Äiippet im 9ftai auf
beffen weftpreufjifchem ©ute befugen roolle: üielteid)t fäme Sippel ihm auf
falbem VJege in Shorn entgegen? — 3m S?on»erfationgton wirb barauf
nebenbei berietet, man fei injwtfchen 9*egierunggrat unb ©bemann geworben.
Von bem „tragif^en ©nbe" ber „^weiten £tebegeptfobe" in Soffmanng £ebett
habe Sippel »ietleidjt fd)on augVertin gehört?? (hierauf anfeheinenb eine
»on Sippel g eff rieh ette nähere ‘Slugführung biefeg ^unfteg.) 3e$t lebe er
wie ein heiliger, ber Vufje tue. 9lur eineg, heifjt eg jet*t wieber mit wohl- -
berechnetem ‘pafhog, fc^ü^e ihn »or Verjweiflung: ein fehr liebeg, liebeg
VJeib »erfüfje il;m alle Vitterfeiten unb ftärfe feinen ©eiff, bab er bie 3entner-
laff ber ©egenwart tragen unb noch Kräfte für bie 3ufunft behalten fönne. —
librigeng möge ftch, helfet eg wieber in leichterem Son, Sippel big jur
3ufammenfunft überlegen, ob Schleinif* nicht »eranlafet werben fönne, bei
Vehme ein gufeg V3ort für bie Verfemung einjulegen? 3nbeffen eile bag
nicht- — ©arauf wieber ein herjlicher “Slppelt an bie alte 'tyreunbfehaft unb
bie Vefcfewörmtg um balbigfte “Slntwort ,,bep bem iSlnbenfen unferer herr*
liehen 3ugenbjeit in ^öniggberg".
9Sact)bem Soff mann fo ing Vrieffcfereiben hwetngefomtnen, wanbte er
fi<h gegen feine urfprüngliche 2lbft<hf auch gleich an Schleinif* (»gl. an
Sippel S. 191). ©r rebete ftch in eine Vöärnte hinein, bie ihn ba<ju »er--
führte, mit einiger ©reiffigfeit bem ^räftbenten gleich einen Vrief an Vepme
jur gefälligen VJeitergabe mitjufenben.
t 2Birfli<h fam jef*t aug £eiffenau eine freunbf«haftliche, wenn auch int 'Sone
wohl noch etwag jurücfhaltenbe ‘Slnfwort. Sippel--‘21nfonio fprach fchonenb
»on Soffmanng „Originalität", bie einen ‘Jernffehenben leicht abftobe, bie er,
Sippel, ftch ja aber aug Soffmanng einfamer ^inbheit p erftären »ermöge;
er werbe ftch atfo gern bei Schleimt* für ihn »evwenben, unb jwar fchon in
ber nächften 3eit münblich- Soff mann erfuhr, bah Schletnib, ber im 9Seben-
amte föniglieber ^ommiffar bei ber weftpreufeifchen rifterfchaftlichen 5^rebif=
affojiation war, gerabe in Vßeftpreufeen weilte!
Seine Übereilung bem ^öräftbenten gegenüber fiel ihm nun fcpwer aufg
Serj. ©r geftanb fte Sippein fogteich (in bem unbatierten Vriefe S. 189—193)
ein unb bat ben 'Jreunb bringenb, „bie Sache fo »iel wie möglich ing ©eleife
ju bringen". Söffentlich werbe Schleimt* hoch „ein paar VSorte" für ihn an
Vepme fchreiben unb benen Soffmanng eigenen Vrief beilegen; anbernfallg
müffe er, Soffmann, ftch bo<h noch einmal bireft an Vepme wenben, benn
„noch ftnb Stellen in ben neuen ^rooinjen »acant, unb ich bin entfchloffen,
alleg ju thun, um mich nur aug bem ©jil, weicheg mein Selb ft jerftöhtt,
fortjufchaffen". Veper, ber „alg ein eigner harter ‘üftann" befannt fei, fei
fehr jufrieben mit ihm unb höbe bem ©rofefanjler in bem Sinne berichtet. —
413
[31]
©ie$ ber praftifche ©ehalt beö gmeifen Briefe«, ©er Nahmen ift momöglich
noch fräftiger unb feiner burchgearbeitet als in bem »origen, unb bie &unft
beS 95rieffc^reiberö mirft auch hier um fo. gmingenber, als ihr Material mahreS
©efühl tff. Äoffmann mirft jetjt, mo er auf BMberhall regnen barf, bem
Sreunbe fein „unertlärlicheS Stiltfchmeigen" mäbrenb beö gangen »origen
3ahreS »or: fein Schmeigen auf einen Brief, ber ihm „ein gerrißneS £erg,
bie unauSfprechliche Sehnfuchf in baS ^fpl ber greunbfchaft gu fließen in
jeber Seile geigen mußte". ©r fchilbert, mie er an ihm gegmeifelt, er
gefteht ihm, baß ber »orige ‘Brief, ben .er in unerträglicher Spannung ge¬
trieben, baS Ultimatum gemefen: er jauchgt, baß feine fchma<f>e Äoffnung
hoch nicht getrogen. 9}un ruft er ihm gärtlich bie erften 3ahre ihrer greunb*
fd)aft gurüd. — ©ann mirb, offenbar in ©rmiberung auf gemäßigte Bor»
haltungen Äippelä, noch einmal ber S^arifaturenftreid) entfchulbigt unb bie
©ntlobung gerechtfertigt ©arauf befpricht Äoffmann bie praftifhen fragen,
mie oben berichtet. 3um Schluß fchilbert er feine fleine *5rau mögüchft am
mutig unb läßt fie Äippeln forbiat gleich einen ^uß fenben, mäbrenb er feiner*
feifS ioippelö ©emahlin gemeffen einen ioanbfuß auörichtef; ffatt »on einer
»orübergepenben 3ufammen!unft in Bteffpreußen träumt er jettf »on einem
bauernben 3ufammenleben in Berlin!
$ür baS nächffe halbe 3ahr ift ein ©ebanfenauStaufch gmifeßen ben
greunben nicht überliefert. —
SÖaS iooffmannS außeramttiche Befchäfttgungen im erften ©he-
fahr betrifft, fo gab er ft<h um Neujahr 1803, n>ie er Äippeln gegenüber be-
hauptet (S. 188), „mieber mit litterarifeßen Arbeiten ab". Ob biefeAngabe
nicht „»erfrüht" ift, fönnen mir nicht nachprüfen; baß jebenfallS »or September
1803 nichts »on Äoffmann gebrudf morben ift, ergibt mit Sicherheit ber
Sagebucbeintrag Off. 26.
Ohne3meifel hat ft<h Ä off mann aber in ben anberen fünften betätigt. ’&IS
mufifalifcße Ausbeute biefer 3eit nennt er Anfang '■Huguft 1803 (Bfm. 5)
neben &la»ierfonafen*) 9fteffen unb Befpernfür ^löfter, bie mit Bei¬
fall aufgenommen feien; »ier 3ahre fpafer (Bfm. 43) nennt er fpegiell eine
„OO^effe für 2 Soprane, 2 Btoltnen unb Orgel (für ein Korber*
tiner9}onnen©loffer in fohlen gefegt)" — alfo für baS uns fchon befannte
^lofter ber 38 ^locfer ‘^prämonffratenferinnen.
Bon 3ei<hnungen, bie in °piocf entftanben ftnb (unb minbeftenS teil»
meife aus bem erften ©befaßr ftammen), ermäbntöibig S. 247 brei ©attungen:
1. Porträts »on 'Sreunben;
2. j^arifafuren: eine ba»on, baS ^locfer ^ublifutn im Schlamme
’) ‘Sruhn meint (Sreißafen II 3, S. 74 unten), baß baS in ÄoffmannS Nachlaß be-
ftnbliche &eft mit ben beiben Sonaten in F-molI unb F-dur tieCeichf fchon au$ ^locf
ftamme, unb gHinger folgt ihm (1894: S. 29 unten, 31,196) mit größere« ßnffcf>iebent)eit
bar'n; ich glaube baS fchon barum nicht, rneil Soff mann 1807 (an ber gleich 8« jitierenben
Stelle biefe Stüde noch nicht nennt. Seine ‘ftufftellung, baß auch bie Spmphonie in
Es-dur au3 <3Mocf ftamme (a. a. O. S. 29 unten, S. 30 oben biS 31 oben, S. 196), fcheint
GHtnger neuerbingS aufgegeben au haben.
414
[32]
ber ©emeinheit, betreibt ioihig a. a. O. in einer 9?ote ausführlich
(miebergegeben in ©rifebachS ©inleitung S. XXVI);
3. „oor allem aber unternahm er hier ein mit ebenfooiel 93e^arrtic^>Ieit
afö @lü<f angeführtes SBerE, non bem noch einzelne Bläffer öorliegen,
bie burch bie ungemeine SauberEeif ihrer QiuSführung bie höchffe <23e--
tounberung erregen: nämlich bie genauere Nachzeichnung mit ber $eber
aüer bamalS beEannt geworbenen etrurifchen 93afengemälbe aus
ber Äamiltonfcben Sammlung".
3n ber $af fanb fich 1822 in ÄoffmannS Nachlaß eine ganze Neihe ber
ju 3. genannten Kopien; Äi$ig$ Scbwiegerfohn Rugier hat fte, mie alle in
ben 30er 3ahren noch in <oi$igS <23efth befinblichen 3eichnungen unb Aquarelle
ÄoffmannS, fauber aufgezogen, unb fte beftnben ftch heute mit ben übrigen in
guten Äänben.
[33]
415
IV. 3)ie ßeftüte be£ ‘S^eimüf^igen’ «nb i^re ??rüd)fe:
Sluguft unb 6ebtember 1803.
3n ber 9Dftffe beg 3ahreg 1803 hälfe iooffmann anfcheinenb ben 93etter ober
einen anberen berliner Q3efannien gebeten, ihm gemtffe <33üdE>er ju fenben;
bie Senbung traf in ben erften $agen beg Öluguff ein, unb ju Soffmanng
angenehmer .Üf>errafd)ung mar ben gemünfchfen ‘Sänben auch eine grofie ^ln-
aabl-feefte beigelegt, bie bte bi^^cr erfchienenen Sfüde beg “Jreimülhigen’
unb auch foldje ber '3eitung für bie elegante Qöelt’ (jebenfatlö
monatgmeife jufammengeheftet) enthielten*).
30er |lch 1803 über fd)öne ßilerafur unb Theater ftänbig auf bem
laufenben hallen mollfe, mar auf biefe beiben ‘Bläffer angemiefen; bag Stutt¬
garter “SKorgenblatt’ unb bie ©regbner ‘Slbenbseitung’ maren noch nicht am
3ournalhimmel aufgegangen, gefchmeige benn ©ubifjeng ‘©efeUfchafter’. 33eibe
3citfct>riffen maren noch jung: bie romantiferfreunblicbe ‘3eifung für bie
elegante 3Belt’ hatte ber berliner $arl Sh agier 1801 in ßeipjig ing £eben
gerufen unb leitete fie big ju feinem ^obe am 19. 3anuar 1805; als Organ
gegen bie romanfifche Schule, aber auch gegen bie „gräsifierenbe" 9?id)tung
©oetheg unb Schillerg, hatte bann ju Neujahr 1803 $ oh ebne in ber Stabt
Sftcolaig ben ‘greimüfhigen’ gegrünbet, um fich jcboch fchon nad) einem 3ahre
’) 3n bem gleich 8u befprechenben Qluffah »on 'SJlitte Ql u g u ft banft 5) off matt n
einem gaeunbe in ber joaupfftabt, bag heifjt in Q3ertin, bafür, bafj er ihm bie beftellfen
03(10)er fo halb überfanbt unb bie „Pielen bunten Äefte" »ohne meitere Q3efteUung mit-
gefchicft" habe; er habe bte c 3eitung f. b. et. OB eit 1 unb ben "Jreimtttbtgen 1 »mit Pietern
Vergnügen gelefen“. Samit ftimmt oödig überein, mag Soff mann am 28. Februar 1804
Äippetn fchretbt (6. 200 unten): er habe bag Qireigaugfchreiben beg ‘greimüfhigen’ „erft
acht QBochen por SERichael ganj aufäUig" getefen, Sa 9Jdchaelg §ag belannttich
ber 29. September ift, märe bag ber 4. Qiuguft: erft um biefe 3eit atfo hat&offmann
ben ‘ffreimüthigen’ Pont 3. Sanuar au ©eftchte befommen. Sa nach nehme ich mit
Q3eftimmtheif an, bafj bie imGingange begQluffaheg ermähnte'Serliner
Q3üd>erfenbung mit ber unermarteten 3ournalaugabe ber Qßirflichteit
entfpricht, aumal fie alle 3üge eineg aufätligen mirtlichen Greigniffeg trägt.
Ser „^jreunb in ber Sauptftabt" mirb in jenem Qluffahe 3:beobor genannt, mie
1818 ff ber mufifalifche unter ben Serapiong-Q3rübern unb 1820 ber QSerliner Qlbreffat
beg amciten ber ‘Q3riefe aug ben 03ergen>. ’SJlan hat eg alg felbftPerftänblich be-
aeichnet, bafj unter bem Sheobor oon 1803 5>ippel ju o erft eben fei; id) halte bag im
Gegenteil für Pöllig auggefchloffen. Grfteng lebte Äippel barnalg fo menig mie
Äoffmann in einer Äauptftabt, fonbetn arbeitete alg Süammeraffeffor in bem tleinen
OKarienmerber unb mar felbft ber Qlnregung bringenb bebürftig (S. 194 unten); jmeiteng
mar fcippel belanntlid) oöllig unmuftfalifd), unb Äoffntann fcheint ihm baher ben Qluf-
fatj gar nidjt mitgeteilt a« haben.
416
[ 34 ]
öott bet 9?ebaftion mieber äurücfjujtehen y ). 3mmerhin brachte auch biefeS
üblere bet beiben UnterhaltungShlätter gelegentlich (menn auch feh r feiten)
‘Beiträge öon einigem BJert, fo in ber Kummer uom 4. SOlärj 1803 HuberS
frühe BJürbigung üon ^leiftenS ©eniuS (anläßlich beS ©rfdheittenS ber Familie
Schroffenftein’) unb in ber fotgenben Kummer eine ©jene auS BkrnerS ‘Söhnen
beS ^hale^ 5 . 3ebenfaUS iff eS auch ohne baS begreiflich, bap ber geiffig aus¬
gehungerte iooffmann biefe fchalen Süchte ber „©leganj" unb ber „Bilbung"
ohne befonbere Prüfung oerfd)lang unb ihnen in ber erffen ^reube mehr ©e*
•fchtnacf abgemann als billig.
2lber nicht nur theoretifch fd)ienen ihm bie bunten Hefte etmaS ju bringen.
Hoffntann hotte bie ©elegenheif, ftcf) burch eine Äeirat ju rangieren, nicht
benu^t; er hotte feine ^Plocfer BJohnung anfcheinenb auf ^rebit möbliert
(oielleidht htnsen bamit jene ©efuct>e um „Berforgung" jufammen, bie
Hoffmann im Buguff 1802 eingereicht hotte) unb mochte auch Don ber luftigen,
aber unbefolbeten ^ofener 3eit her noch Schulben hoben, bie allgemach recht
brücfenb mürben. Schon aus bem ©runbe muhte er münfchen, mp Optionen
unb Schriften bei Berlegern unterjubringen. 3mei Bufforberungen itfi “Srei-
müthigen’ machten ihm Hoffnung barauf.
©letch im erffen Stücf, oom 3. 3anuar, fchrieben Herausgeber unb Ber--
leger einen °PreiS öon 100 Friedrichs d’or (= 1500 SSftar!) aus für baS
befte ßuftfpiel, baS bis Michaelis b. 3. bei ihnen einlaufen merbe. ^otjebue
*) ©ie ©efchichte »on $§ot*ebueS unb MertelS Stättern ift in ber 2. Auflage »on
©oebefeS ©runbrig gans fatfch bargefteHt, auch — wie fo häufig — in fünften, tt>o bie
1. Auflage (unb bie 2lUg. ©. Siographie, hier im Qlrt. Wertet) fcgon baS Nichtige patte.
3u einer umfaffenben Sicptigfteliung ift hier nicht ber Ort; erlaubt möge eS aber fein,
bie übauptbafen für bie 3apre 1803/04 herauf epen:
1. Montag ben 3. Sanuar 1803 begann baS Srfcheinen »on ÄotjebueS Statt
‘©et 3reimüthige, ober Serlinifcpe 3eitung für gebitbete, un-
befangene ßefer’. @S fam bei 3opann ©aniel Ganber »iermal
wöchentlich herauf, nämlich MontagS, ©tenStagS, ©onnerStagS unb 'JreifagS.
2. Slnterm 1. Mai 1803 jeigte ©arlieb 901erfei an, bag er bie bisher »on ihm
herausgegebenen ‘Briefe an ein ^rauenjimmer’ mit bem 4. Äefte beS III. 3apr-
gangS fcpliegen, bafür aber bei foeinricp 'Jrötich eine neue 3eitfchrift heraus-
geben werbe unter bem 'Sitel ‘Srnft unb Gdherg, ein flnterhaltungSblatf
literarifchen unb artiftifchen SnpaltS für bie gebilbefe Cefewelt 1 . 3m 3uni unb
3uli werbe wöchentlich ein halber 'Sogen 4° [jufammen 8 91ummernl, Sluguft bis
©ejember b. 3- würben wöchentlich swei halbe Sogen [jufammen 40 Hummern]
erfcheinen. SOBirflicp famen bie angefünbigfen 48 Gtücfe in ber 3eit »om 4. 3uni
bis jum 14. ©ejember heraus; ben geplanten Sintertitel hatte Wertet fcptieglich
forfgelaffen.
3. 3m Äerbft famen beibe ÄerauSgeber unb beibe Serleger bapin überein, bag »on
9teujapr ab nur noch bie Merfelfcpe 3eitfcbrift bei beffen altem Serleger
Frölich erfcheinen folle. Slm iebocp GanberS Abonnenten mit ju gewinnen, foßfe
baS Statt »om 3anuar 1804 ab ben ©oppeltitet ‘©er 'tfreimüfpige, ober Srnft
unb Gehers’ tragen unb &opebue pro forma als Mitherausgeber jeichnen. Go
gefchah eS. 3« ber stummer »om 24. 3anuar 1804 teilte Äopebue bann ben
fiefern mit, bag er fleh an ber 9tebaff ion nicht mehr beteilige unb bem-
entfprecpenb feine etwaigen Seiträge fünftig mit feinem Flamen seiepnen werbe.
417
[ 35 ]
»erbe mit 3ui$iehung 3fflanbg unb anberer Sadwerffänbiger ben E^reig er¬
teilen, fofern eineg ber eingefanbten Stüde begfelben würbig fei. „3)ie
'Eftanuffripfe werben franfirt an bie Berlaggbuchhanblung gefenbet, unb
jwar ohne Eiahmen, felbft nid^t einmal mit berfiegeiten 3etteln,
bie ben Nahmen enthielten"; lebiglid) bie Äinjufügung einer ©ebife falle
jebe Arbeit ihrem Elutor ftchern. - ferner geigte im 8. Blaff beg Elnseigerg,
bag bem Stüd born 3. 3unt beigegeben tt>ar, ber ERuftfberleger ioang
©eorg Sftaegeli in 3üri<h eine periobifche Sammlung bon Planier*
ftüden unter bem §itel ‘Repertoire des Clavecinistes’ an, bon ber bereifg
fünf ioefte erfchienen feien; er werbe barin alte unb neue ^ompoftfionen
bringen unb eröffne ,,ju bem ©nbe für alle fähigen unb würbigen Zünftler
biefeö nehmlichen <5acheg eine &oncurrenj". ©r habe feit geraumer 3eit mit
bieien trefflichen Zünftlern über bag Unternehmen forrefponbierf unb mannig¬
faltige 'Beweife beg Beifallg unb ber Teilnahme erhalten; fo habe Beethoben
fchon Beiträge gefanbt unb ber Elbt Bögler foldi>e jugefagt. „Ellle anberen
J^labierfomponiffen, an bie meine befonbere ©inlabung bisher noch nicht gelangen
fonnte, labe ich hiermit ein, mit mir in ^orrefponbenj ju treten unb mir ihre
Beiträge einpfenben, wenn fte ftdj getrauen, mit ben genannten Zünftlern
ju concurriren. 3<h werbe nichts berwerfen ohne Einführung meiner ©rünbe
unb, wag id> aufnehme, angemeffen honoriren. Bieine ioaupfanforberungen
fefje ich hier fürjlich feft: ©g iff mir junächff um $labier--Solog in großem
Stpl, bon großem Umfang, in mannigfaltigen ElbWeichungen bon
ber gewöhnlichen Sonaten-^orm ju thun . . . Eöer in ben fünften
beg ©ontrapunftg feine ©ewanbtheit beftfjf unb nicht zugleich ^tabier-B i r t u o f e
iff, wirb hieb faum efwag ^ahmhafteg teiffen fönnen."
Äoffmann befchlofj nichfg ©eringereg, alg gleich beiben Elufforbermtgen
ju entfprechen, bie ihm ber 3ufatl ing Äaug getragen, ©r fah eine ‘Periobe
literarischer unb muftfalifcher ‘probuftibität bor ftch unb legte, um ein Elrchtb
für feine ©rjeugniffe ju fd>affen, eine bide $labbe an mit bem falligraphierten
seifet
Miscellaneen
die litterarische und künstlerische
Laufbahn betreffend.
Angefangen im Exil und zwar im August
1803.
©röffnet wirb bag Buch burc£> bag ^onjept eineg Briefeg an 9?aegeli:
am 9. Eluguff fanbte Aoffmann biefem unter bem tarnen ©iufeppo ©ori
in Eöarfchau eine 'Janfafie, bie feiner Elnftcht nach „bie in ber oben
erwähnten Elnjeige aufgeftellten Bebingniffe" erfülle; bie Elrbeit fei nämlich
„ein bon ber gewöhnlichen Sonaten©aftung abweichenbeg nach ben Regeln beg
hoppelten ©ontrapunfteg gearbeiteteg ©labierffüd bon größerem Umfange",
©r hoffe, Beifall gu ftnben unb ju Weiterer Mitarbeit aufgeforbert ju
werben (S. 6). ©)ie Elntwort unb bag etwaige Äonorar follfe SRaegeli an
ben ^Referenbar ©)oerffer in Berlin jur Eßeiterbeförberung an ihn.
418 [ 36 ]
bett Signor ©ori in Sffiarfchau, fenben. Q3etmuflid) benuhte Hoffmann ben
gefälligen 93erwanbten auch als Vermittler bei ber Hinfenbung.
Über eine £uftfpieltbee backte er nach, um fcpeß(id) „unter mehreren
planen, bie ihm vorfchwebten, ben einfachen" ju wählen (an $o$ebue, S. 8).
(Ehe er ben aber ausführte, las er in ben verführerifchen Heften aus Berlin
unb Leipzig weiter. 9Bie ©üinger in feinem ausgezeichneten Kommentar zu
HoffmannS ‘Schreiben eines ^loftergeiftlichen’ zeigt, oerfolgte io off mann
befonberS ben ^arnpf ber Meinungen über bie beiben im < 3Ritteta(fer fpielenben
Schaufpiele mit (Eh<Wen, bie foeben erfchienen waren: Schülers c 93rauf non
SSftefftna’ unb ^otjebueS ‘Hufftten vor Vaumburg 5 . ©erfelbe Eluge ^ritiEer,
ber im ‘SRärz im ftreimüthigen 5?leiffenS (Erftling angezeigt, hatte unterm
25. 3uti ebenba Schillers (Experiment bet aller Hochachtung abgelehnt. Hoff--
mann, ber baS 3uliheft vielleicht noch sar nicht Eannte, Eam zu bem gleiten
(Ergebnis, unb zwar unter bem ganz felbffänbigen @eft<ht3punEte, baf* bie
(Ehöre ber eilten nicht z u erneuern feien ohne bie 9ftuftE ber eilten, beren
Kenntnis hoch unwieberbringlich verloren. (Er fetjte feine Meinung als einen
Beitrag zu ber allgemeinen ©iSEuffton auf, unb zwar, wie beEannt, fehr
glücklich eingeEleibet als baS Schreiben etneS $1 off ergetfflichen, ber
Eaum ahnt, um was eS ftch hanbelt. ©aS Konzept folgt in ben ‘SftiScellaneen’
auf ben 93rief an 9?aegeli unb ftammt banach auS ber 3eit zwifchen bem
9. unb bem 19. < 2luguff. SS ift anfcheinenb in einem 3uge niebergefchrieben
unb einige 3eit barauf, Vermutlich unmittelbar vor ober währenb ber 9lein--
fchrtft, burchEorrigiert. ©aS ift zum §eil fehr flüchtig gefdjehen; bie in ber
9Reinfchrift oorzunehmenben (ober bereits vorgenommenen?) Anbetungen ftnb
öfters nur burch Streichungen ober auch burch Stichworte am 9?anbe am
gebeutet. ©aS im beftniftoen ^eyt breimal oorEommenbe 9Bort Sftelopoüa
Z- 93., baS urfprünglich im Konzept fehlte, ift nur einmal (an ber zweiten
Stelle) an ben 9?anb gefegt, unb zwar in pilflofer Schreibung (erff ‘SKelopaiia,
bann veränbert in 9CRe(opaeüa); vielleicht hatte Hoffmann ftd) erff bei Reichen*
berg 9*atS erholt. Statt „§:ragöbie" heifjt eS im Konzept überall „Trauer»
fpiel"; biefe Anbetung Eann man a tlenfalls ^ohebue zufchreiben, währenb
alle anberen offenbar von Hoffmann felbft bei ber 9?einf<hrift vorgenommen
ftnb. 93iS gegen Schlufj finb bie Anbetungen nur ftiliffifcher 9lrt, unb bie
alten Raffungen (mit (Einfchlufj eines geftrichenen unwichtigen SatjeS) taffen
ftch verftänbiger 90Beife nur als gufjnoten zu einer frtttfchen 9luSgabe geben.
(Erheblich umgearbeitet ift nur ber Schlufjabfatj beS SejteS (vor bem 2lbf<hiebS*
gruft, mit bem, entgegen bem ©rucE, ein neuer Slbfatj beginnt); wir fehen
ihn (buchffabentreu, aber frei interpungiert) in ber Raffung beS Konzeptes
her, ohne bie Streichungen zu berüdftchfigen, bie Hoffmann bei ber 9?ein--
fchrift barin vorgenommen hat:
Hat man nur erff ben Einfang mit ber nofirfett ©eflamation
gemacht, fo wirb fich baS weitere fd)on geben; ohne 5?lang3nffrumente
wirb alles nur ein ©eplappere fepn. ©en ©on (EartoS unb bie
Hufftten vor Naumburg, welches ein fchöneS StücE fepn mag, weil
419
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[ 37 ]
421
ftc ftd) darüber fo [freiten x ), wirb man mit ber Tibia dextra — unb bag
ßuftfpiel, weicheg auf Michael biefeö 3ahreg ben im grepfmüthigen]
auggeffejten] ^reig gewinnt, mit ber tibia serrana begleiten.
■Jim 19. 2luguff fanbte Hoff mann bie 9?einfd)rift mit ber abgefürjten
pfeubonpnten Bezeichnung ®. ©. in 9©. [f. o. im Brief an 92aegeti I] an
6anber: er glaube, „mit nicht ganz mißlungener 3ronie bag Überfepen eineg
wichtigen Hmftanbeg bep bem Sinfühten beg griecßifchen ©borg auf unfrer Bühne
gerügt" p haben. Sr empfiehlt fiep bem B3ohlü>ollen beg Herrn oon ^ofjebue
(ben er bei ber 9?einf<hrift glücJlich zweimal in ben Scplußabfab gebracht)
unb bittet, ihr. eoentuell im greimüthigen ju weiteren tritifcf>en Beiträgen
aufzuforbern.
<S)ann ging eg mit allen Kräften an bag ßuftfpiel, für bag hunbert
©olbftücfe winffen.
©ag ©tücf glieberte fiep itt brei *21 Ite, oon benen ber erfte minbeffeng
acht ©jenen hatte. S)a biefe Arbeit bag (relatioe) Hauptwerf oon Hoffmanng
zweiter ©cpriftffellerperiobe ift, fo mag eg erlaubt fein, etwag länger bei ihr
ju oerweilen, ©en 3nhalt unb Sharalter beg Cuftfpielg fennen wir einiger¬
maßen aug ^opebueg Beurteilung oom Februar 1804. Hoffmanng nicht
immer nach Berbienft gewürbigter Biograph Äihig hat, wie Hoffmanng
elften gebrucften Sluffap, fo auch biefe erfte öffentliche 9?ejenfion eineg Hoff-
mannfehen Verleg wieber aufgefunben unb fte in ber 92ote S. 267 f ihrem
Hauptinhalte nach reprobujiert; wir geftatten ung jeboep aug ganz ben gleichen
©rünben, wie wir fte eingangg für bie B^iebergäbe beg Sagebucpg angeführt
haben, auch biefen ^eyt ju wieberholen, zumal bie ^enbenj beg Stücfeg unb
infolgebeffen Hoffmanng ganjeg bamaligeg Berhältnig zur ^unff neuerbingg
unfereg Sracpteng oöllig oerfannt, ja gerabeju auf ben $opf geftellt worben
ift. B5ir bringen aug ^opebueg Beriet, auf ben wir im 3. ©tücf beg
VI. ‘Slbfcpnittg noch juriteffommen, hier bie ©teilen, bie über ben ©ang ber
HanMung unb über (Einzelheiten orientieren (©perrung unb 'ilbfapbilbung be-
hanbeln wir frei):
BMlmfen, Buchhalter bei einem reichen i?aufmanne, beffen Tochter
er liebt, ift feiner faufmännifepen Beftimmung mübe (opngeacptef er
bie entfehiebenfte Einlage baflir hat), will ffcp unb feine grau
fünftig blog alg ©iepter nähren, unb um ju beweifen, baß er babei
[finanziellI] beffer fahren werbe, hat er ein ßuftfpiel gefchrieben unb
folcpeg bem grepmütpigen eingefanbt, überzeugt, baß eg ben auggefepten
^reis erhalten werbe.
©er alte Kaufmann aber, ber ihn, alg ben ©ohn eineg oerftorbenen
greunbeg, wie fein ^inb liebt, hat etwag baoon gemerft, bag ©tücf oon
] ) S?opebue, Oer nie an Schüchternheit gelitten, hatte im greimütpigen oom 12. StJiai
einen anonymen, aller QBahrfcheinlichfeit nach »on ihm felber perrüprenben ülrtifel ge¬
bracht mit ber Überfcprift „Ser bahnte th«t oiel jur Sähe". Sarin ftnbet fiep ber
Seufjer: „ < 2Bir möchten ... für unfer ßeben gern hören, mag man fagen mürbe, menn
bie £>uf fiten unfer ©ötpe’g, unb: <28 a£ mir bringen! unter ^opebue’g tarnen
erfepienen märe?"
422
[38]
bet aurücfgehohlt, eg fehlest gefunben, ^>at auf bet Stelle felbji
ein beffereg gefchrieben, unb trägt am (Enbe ben ‘preig würflich
bauen;
babureb bewirft er Qöilmfen’g 9?ücffebr aug ben poeftfd>en ©efilben
in bie profaifcf>e 9?echenffube, unb jum (Erfah siebt er ihm Sluguffen.
lieber bie offenbar allju breit angeführten (Ep if oben unb Nebenfiguren
berietet 5?otjebue an 3 tuet Stellen feineg llrfbeilg:
[1] Unter ben ^ebenperfonen iff ber junge ungefdjlachte‘i&nglomane
ber neuffe unb leiber wahrffe d^araffer. Schabe, ba§ er nur ffijjivt
werben fonnte.
[2] ©ie nur 3 U bebeutenbe 9?olle ber alten 3ungfer ift nicht allein ganj
abgenutzt, fonbem auch äufjerft übertrieben, unb wirb am (Enbe gar
efelhaff.
[3] gaff bag nemliche gilt bem ©ichter Serlo. ©er Spafj mit bem
Srauerfpiel ift oiel ju Weit auggebebnf, unb bie ewig lange Scene,
wo biefeg ^rauerfbiel brobirt wirb, oerfehlt ihre ‘JBürfung faftganj.
Mehrere 3üge (j. (E. ber, wo ber alte Äanblunggbiener ftch fo
gräflich fürstet, feine 9?olle ju fbielen, weil er barin erntorbet werben
fall) ftnb allju übertrieben unb faum in ber eigentlichen 0 f f e oer*eiblicb.
SOftt biefen Angaben über bag 9?anfenwerf beg Stücfeg müffen wir ung
befd^eiben. -Über bie Äaupfbcrfon — ba eg ftch um eine ^omßbie bonbeit,
bci§f bag: ben ad absurdum geführten Darren — ift aber noch einigeg ju
jagen. Äotjebue betont an fünf Stellen feineg fnabben ‘Slugjugeg, bah
< 2 öilmfen nach Aoffmanng ‘v’lbftchf ein miferabler ©ichter, aber ein oortreff--
licher Kaufmann ift, b. b- baf feine wirtliche Neigung unb Begabung nicht
auf bie $unft, fonbem auf ben (Erwerb gerichtet ift. ©er bigberige 93ud)=
haltet will ftch auggefprochenermajjen nur beghalb auf bie Äerffellung oon
^heaterftüden oerlegen, weil nach feiner “Slnftcht babei mehr ju oerbienen
ift alg im QBarenhanbel — einer $Jnftcf)t, bie, eine berbe ^h ca terfauft ooraug-
fetjt, auch heute noch (ober: heute erft recht) mancher feilt, ©er Schwieger-
oater hätte allem $lnfcheine nach burchaug nichts gegen bie 93erwirfli<hung
biefer Spefulation, wenn jte nur möglich wäre; er zweifelt jebod) lebhaft
baran, bag ber junge SSftann über biefe jtchere £anb beg ^heaterffribenten
Oerfüge, unb er beweiff ihm bann bureb bie £at, baj? er felber immer noch
eher ein Suftfpiel juftanbebringt. ©ie 9ftoral beg Stücfeg ift alfo: Scbufter,
bleib bei beinern Seiften [nicht, weil ber Seiften bag höchffe ift, fonbern weil
bu nur jum Schuftet gefchaffen biff]. ©er fomöbienfd>reibenbe SOBilmfen
[oielleicht auch fein ©egenftücf, ber tragöbienfehreibenbe Serlo] ift ber
^rofothh ber bichfenben ©ilettanten, bie Äoffmann befonberg
gegen (Enbe feiner britten ‘periobe mit ingrimmiger Vorliebe
fchuf. < 2 öährenb aber oon biefen Äoffmannfchen ©ichterlingen ber 5?afer
^urr big an fein Sebengenbe weiter bichtef (unb bagfelbe ift ju befürchten
oon bem „jungen hoffnunggoolten Sieufenant", ber Äreiglern ben erften Offt
eineg ^rauerfpielg oerfe$t, wie oon bem „jungen eitlen ©ichter", ben Ottmar
423
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f/.^0^zSx: ^i^ 7 “
$cu 5 et>ud)-(Sintrag »otn 2. Oftober 1803.
425
[ 39 ]
in ber äff&etifcfyen Seegefellfchaft parobiert), mirb ber Q3ud$a!ter VMlmfen
oon feinem‘SBahne geteilt mie ber baronijterte Kaufmann V enjamin
Sümmert (in ber‘Vrautmahl’) unb ber 6tubent Slmanbug non 9Sebel*
ffern (in ber ‘^ßniggbraut 5 ). 9Sun fommt ja im mirflichen £eben eine fotc^e
Leitung eineg ^oetafterg faum oor, unb in ber ^at muh iooffmann in
allen brei fällen ein ‘SBunber gegeben laffen. Qlmanbug n>irb burch einen
Spatenfchlag auf ben 5?opf sur 9?aifon gebraut; Venfch befommt eine
3auberfeile, bie ihn ablenft; VMlmfeng Schmiegeroafer, ber alte nüchterne
Kaufmann, fct>üttelt plötzlich ein ßuftfpiel aug bem Sirmel, bag oon ben erffen
Vertretern beg ‘Jacheg mit bem greife gefrönt mirb. Vegreiftich ift eg,
bah — mie mir noch b&ren merben — ber in feiner .öanbmerfgehre gefränfte
^otjebue befonberg lebhaft gegen biefe leichtfertige ßöfung proteffierfe, bie in
ber §;at jeigt, bah Äoffmann bamalg bie ^oefte ebenfomenig ernft nahm mie
bie 9DSuftf. —
©erabe eine 3öoche oor 90^id>aelig fonnte bag SOSanuffript ttod^ abgefanbt
merben. Äoffmann fügte ein artigeg ViUett an ^otjebue bei, bag ber Sile
megen nur teilmeife im ^onjept niebergefchrieben unb erft nach ber Slbfenbung
im c< 3ftigcellaneen’=Vu<i> aug bem Stopfe ergänzt ift. Sr bittet 5?ot*ebue,
in jebem ^alte ein Slrteil über fein „SQSachmerf" abjugeben, ba er „fdjon
feit mehreren 3ahren in einer Sinöbe oon bem Alumne ber &ritif meg=
gebannt'' fei unb „über ftch felbft ju feiner Quaal in oöltiger Hngemih*
heit" lebe.
3n ben nädjften acht Sagen bürfte & off mann [ich oormiegenb mit ber
Vollenbung ber Vafenjeichnungen befd)äftigt hoben.
Über fein gefchäffigeg Silettieren in allen fünften fchreibt er Einfang
öftober fehr liebengmürbig an ioippet (195): wenn ber Sienft eg erlaube,
bann mürben bie ‘Sitten „in bie SSebenfammer gemorfen, unb bann jeichne,
fomponire unb bid)te ich wie’g fomt — frepli<h alleg nur f<$le<hf, aber befto
mehr Vergnügen macht mir’g, benn eg ift ein pf^>d>ologxfcf>eg Phänomen,
bah bie fchlechten Zünftler unb Sichter fleh am allermehrften über ihre 3J?ih*
gebürten freuen".
“Sllg Ceftüre in biefen Sagen nennt bag Tagebuch eine Viographie
Saoonarolag (Oft. 2). ferner muh im September (mahrfcheinlict) Snbe
September) ein Vrief Äippelg in ^locf eingetroffen fein, aug bem
Äoffmann erfuhr, bah Schleimt* mieber in Vkffpreuhen meile (196, 9?acf>’
fchrift) unb injmifchen in Verlin marm für ihn eingetreten fei (193).
‘Slm SEftichaelgtage, bem 29., mar 5) off mann nach feiner Slufjeichnung
(Oft. 1) „ooll Vergnügen über bie erlangte Freiheit"; morauf ftdh bas
begeht, mirb rtid>t beutlich (mögti(i>ermeife auf bie oon Äippel erregte
Aoffnung auf Verfemung). Sr befchloh, oom 1. ab regelmähig Sagebucf
ju führen, unb beftimmte eine hintere Partie beg "rOSigcellaneen’=VuchS ale
Stelle bafür.
426
[40]
V. öftofcet* bi$ ©eaembcr 1803»
1 » Vom 1, Oktober bi« jum 17* Sliobember*
©ie <Mf, bie nur aroeimal toöd&enflidh, nämlich oc£>^ unb
Sonnabenb«, in ‘ploc? einlief, braute £ off mann am Sonnabenb bem
1. Oftober einen 93ricf mit fchmarjem Siegel au« ‘Berlin: ber Vetter melbete
ben §ob feine« Vater«. Sr feiffc bei ber ©elegenhett noch mit, baf)
ber Vortragenbe unb &ammergeri<hf«--9?af ». Schmetfau ftirjlich mit ibm über
Äoffmann« Verbannung gebrochen unb babei oiel Hoffnung auf eine balbige
Verfemung gemacht habe 1 ).
3m ßaufe be« 3Tage« braute Aoffmann ba« letjte Vafengemälbe ju
Rapier; abenb« fing er feinem Verfaß getreu ba« Tagebuch an. * 2 luf ein
Vlatf be« t 9fti«ceHaneen > 'Vu<he« (e« ift ba« oorle$te be« 8 . Vogen«; ba«
barauf folgenbe ift oot&er ober gleich barauf herau«geriffen) fatligrapbierte
er bie 3nitialen be« V3orte« §age*Vu<h:
unb begann auf bem erffen Vlatt be« 9. Vogen« 2 ):
"Den 1 Oktober 1803.
üorgeftern fafjte i<h ben <Entjd)lufj, enbltdj einmal)!, rote idjs mir fdjon fo
lange oorgenommen hatte, roirklid) ein regulaires (Tagebuch 3 U halten, unb fegte
ben {Termin 3 um Anfängen auf heute an. — (Eigentlich bad)t’ ich ^edjt jooialijd)
anfangen 3 U können ooll Dergniigen über bie erhaltene 5tet)heit, ber Umftanb
baf; heute ber erfte ift toar mir Hebenfadfe — aber ber f<hroar 3 gefiegelte Brief
aus Berlin enthielt bie Hadjricht, bafj ber (Dnkel in ber Kad)t oom 24 auf ben
25 ten Septbr an ber £ungen(Ent 3 ünbung geftorben ift — Die Chränen finb mir
nicht ausgebrochen — auch f)ab’ ich nicht gefd)rien oor Strecken unb Schmer,
aber bas Bilb bes DTamtes, ben icf) ehrte unb liebte, ftel)t mir immertoährenb
>) <£gb. Oft. 1 SKitte; ebenfo an Äippet Oft 3 (193 unten).
*0 <2Üir bringen bte $agebu<hffeiren bud&ftabengefreu; in ber Snterpunftion
haben mir in biefem 93orabbrucf bisweilen etwa« nachgebolfen.
427
[ 41 ]
oor Augen — es oerläjjt mid) nicE}t — Den gan 3 en tEag ift mein 3nnres im
Aufruhr geroefen — meine Heroen jinb [o gekannt, baft td) über jebes kleine
®eraü[d) 3 ujommenfaf)re —
3d) habe übrigens bas legte Da[en®emäf)Ibe mit Anftrengung ge 3 eid)net —
es i[t gerätsen.
®uter ®ott, roarum muhte gerabe ber Onkel in B[erlin] fterben, roarum
nid)t lieber__*)
3n ooriger IDodje klopfte ttadfts einmal)! etroas an bie tO)üre — meine
5rau behauptet, ber Onkel ifabe Abftbieb genommen — beute bin td) geneigt,
fo etroas 3 U glauben unb mich mit allen Schwärmern hinter fjamlets Ausfprud) z )
3 U ftecken. — ITTeine Sad)e [djeint übrigens gut 3 U ftehn, ba Sdjmettau 3 U meiner
Derfe^ung oiel Hoffnung gegeben hat! —
H)ie lange ift mir fd)on Hoffnung gegeben! — 3d) [ehe heute alles burd)
ben !Erauer5Ior — Des Onkels Oob h ß t mid) gan 3 oerftimt — ein [d)led)ter
Anfang — bod) non oüm sic erit — ITTeine $rau ift 3 U Bette gegangen, unb
mid) roanbelt eine Kinberfurdjt an im oeben 3immer — Das nenn id) jd)wad)
jepn — 3d) roün[d)te, es wäre [djon ItTorgen — liegt nur erft eine Had)t
3 wi|d)en ei[nem] [old)en 3 n 3 ibentpunkt unb ber 5 ort[ehung bes Carmens um
Hichts — ber elenben $ar 3 e, aus ber benn hoch alles men[d)lid)e Treiben unb
Chun bejteht, [0 gewinnt bie An[id)t ber Dinge wieber ein günftigeres (Eolorit —
3d) wette, bah bie folgenbe Seite beffer klingen wirb —
IDenig $reube hatte ber alte Htann bod) im £eben — er hat fid) offenbar
3 U Cobe referirt — bas war bie Belohnung für langjährige Dienfte 8 ) — 0 —
bas 3 u[ti 3 fad| hat ein[e] gan 3 faule (Einrichtung: je älter man wirb, befto
mehr Arbeit — red)t (Eulenjpiegelmähig — IDenns angeht, werb’ id) bod) nod)
®on 3 ertmei[ter ober_
*2lm folgenben Sage, Sonntag, befugte Äoffmann (wohl mit feiner
<3rau) bie Kirche ber 9lorbertinerinnen unb begab fid) oon ba jum Kollegen
unb £ant>3mann Äiltebranbt, bem er unter bem Siegel ber Q3erfd)Wiegenheit
bie neuen < 33erfet)ung$hoffmmgen anoertraute; nachmittags unb abenbS war
er ju Saufe. (£r berichtet auf bem nächften Platte beS SagebuchS barüber:
Den 2 ‘ Oktober.
fjeute Dormittag hörte id) bei) ben HorbertinerTIonnen eine ITTeffc — bie
TTTufik war brillant ge[e 3 t — jie heulten aber wie bie Uhus — bas Incarnatus
*) Sortierung f. unterm 8 ., 6 . 45 3- 18—201
*) Aud) in bem 'Brief an Sippel »om 3. b. SSR. wirb Spatefpeare befanntUcp btei*
mal jitterf: 193, 194, 195.
3 )3u $obe gearbeitet paffe Sopann Eubwig ©oerffer ftep wopl gerabe nicht-
gr mag alS SOtttglieb ber ©efepfommiffton ?ücf)tigeä geteiftef unb aud) für bas ©epeime
Obertribunal qualitatiö auäreicpenb gearbeitet haben, aber quantitatiö probujierte er
hier weniger alö irgenb einer feiner Kollegen. 3 n ber SÜonbuitenlifte für 1800 wirb
er .grünblich aber langfam" genannt, in ber für 1801 „recht grünblicp aber bei alter
Application langfam"; im Safere 1800 pat er 120 ^Relationen geliefert (1801: 121), wäprenb
3 . B- 5?oenen auf 351 (379), Eamprecpt auf 318(411) unb Sorban auf 319(319) tarn, biefe
9täfe alfo im ©urepfdmiff bie breifaepe Anjapl bewältigten.
J
428
[ 42 ]
aus O. moll roar fehr gut gcfc 3 t — Die Itonne fang nur einigermaßen jo,
baf) man baraus blug roerben honte, unb es roirhte fd)on geroaltfam auf mid).
tDas roerbe id) empfinben, roenn id) bie $d)ib, bie ITtarhetti — roenn idj roieber
eine TTTeffe in Dresben hören roerbe! — es roirb nid)t 3 um Aushalten feqn,
id) roerbe roeinen roie ein Kinb! — ITTittags bei) Ijiltebranbt — oiel non ber
Derfeßung gefprodjen— er affidjirt es fetjr geheim 3 U Ratten! — HacEjmittags
bem (Eufin unb Soeben einen be unb roehmütf)igen Brief gefdjrieben — ben
gan 3 en Abenb Iäppifdjer IDctfe in IDieglebs ‘ITtagie’ gelefen unb mir oor=
genommen, einmal)l roenn bie gute 3eit ba feqn roirb, 3 U Hut} unb 5rommen
aller Derftänbigen, bie id) bei) mir fefje, ein Automat an 3 ufertigen! — Quod
deus bene vertat! — IDas nefjme id) mir alles oor! —
3ßte am Sage oorher fügt ber geroiffenhafte Sagebudjführer [neue
‘Befen lehren gut!] eine allgemeine ‘Beobachtung hinju:
Hod) ein guter ©ebanhe! — mit meinen mufibalifd)en 3been gel)t$ mir
[o roie mit Saoonarola’s bes BTärtqrers 3 U 5l° rcn 3» öeffen ©efd)id)te id) in
biefen Sagen las, (Eingebungen: — (Erft fd)roirrts mir roilb im Kopfe herum —
bann fange id) an 3 U faften unb 3 U beten b. I). id) feße mid) ans Klaoier, brüdte
bie Augen 3 U, enthalte mid) aller profanen 3been unb rid|te meinen Seift auf
bie mufihalifdjen (Erfdjeinungen in ben oier EDänben meines Ejirns — halb
fteht bie 3bee klar ba — id) faffe unb fdjreibe fie auf roie Saoonarola feine
PropI)e 3 et)hungen — ©bs nur artbere (Eomponiften aud) fo mad)en mögen? —
aber bas erfährt ein Königl. Prf). RegierungsKatf) in piocft nid)t! —
3d) bin hoch nod) fehr oerftimt_ _
*2ln ben 9Ranb fe$t er, unterffridjen, bie Mahnung
3d) muß roafjrhaftig an Efippel fdjreiben!
$urj barauf hat er baS auSgeführt (nach £>ippelS < 2lbf<hrift ift ber
Brief 00 m 3. batiert; baS Sagebuch fagt unter biefent Sage nichts barüber,
unterm 5. ift bafür nachträglich ber Sah eingef«hoben „ioippeln hab’ ich
furj unb launigt gefchrieben"). 3n bem Briefe (193—196) banft Äoffmann
bem ‘Jreunbe für beffert gürfprache bei Sdjleinih; er fchreibt beffen Ber*
roenbung bie burch Schmeffau bem Better eröffnete ‘SluSftcht ju unb bittet
ben Sreunb, ihn bem ^räftbenten, roenn ber noch ba fei, fehr ju empfehlen,
(fr berichtet ben Sob beS OnfelS, roieberpolt feinen 2öunfch, Äippel noch
oor ber Berfehung ju befuchen, unb erinnert an ben alten ‘pdan ber ifalte-
nifchen 9?eife. Seine &inber (nach benen Äippel vielleicht gefragt hatte an¬
läßlich beS oon Äoffmann im 3anuar ermähnten 5?inbermiih<henS) habe er
nod) „alle in petto", (fr roanble in ‘plocf „in einem Sumpf unter nieberm
©orngeftraüch, roeId)eS mir bie güße .rounb rijt. .. Bklch eine 'ülnftrengung
eS loffet, in biefem Sumpfe nicht totaliter ju oerjinfen, fannff ®u <5)ir
benfen!" (®abei erinnern roir unS ber bereits ermähnten ^arifatur auf baS
^locfer ^ublilum.) (fS folgt bie fchon zitierte ffeptifche Stelle über Äoff-
mannS vielfältige Betätigung in bilbenber 5?unft, SKufif unb ^oefte; befonberS
glüefen ihm, roie er oerftchert, „feit einiger 3eit" reimlofe 3amben, auch
Sonette unb anbere gereimte ©ebichte: oon feinem ßufffpiel fchreibt
[ 43 ] 429
er ieboS {ein ‘JBort, offenbar um ioippel fpäter mit bem Ergebnis
ju überrafd>en.
93om 3. unb 4. öftober, Sftottfag unb «Dienstag, berichtet ba$ §agebuS:
Den 3‘ (Oktober.
— (Ein erbärmlitber Cag in jeber IjinfiSt — Bor* unb ITaSmittag bis
3 ef)n Uljr gearbeitet tote ein Pferb — geroüf)It in [taubtgten Akten. Die Arbeit
ift je 3 t in ber 5Iutf) begriffen, unb es roär’ ein gan 3 eigner tEreffer, toenn miS
fe 3 t ein DerfetjungsRefkript mit einem Hu* aus biefer 5 * U S 3 ögc! — Itad)=
mittags mar iS eine Stunbe bet) Heisenberg, 30 g ii)tn Saiten aufs Klaoier
unb fpielte if)m bie neue Rteffe oor — es mül i'tjm niSt 3 U £eibe, 60 S tfjat
er ent 3 Ü*t als iS il)m bas Benedictus fpielte —
IDann merbe iS DiS mieberfe^en mit Deinem blaffen ©efiSte — mit Deinem
innigen ffiefiit)! DiS mieber fpielen Ijören ©uter f)[ampe]! —
Beqm {jimmel iS bin fo abgefpannt fo profaifS gemorben burS bie oer=
fluSten Akten — iS könte l)eut keinen IDal 3 er fetjen! —
3S noS etmas Hoten fSreiben unb ban 3 U Bette gelten — 3S be=
merke bafj bas ICagebuS immer kür 3 er mirb — gan 3 einfSrumpfen in ein
HiSts [oll es niSt! —
D. 4 tcn ©ktober.
Bormittag eine reSt Iangmeilige Seffion roie gemö^nliS — HaSmittag
bet) tjiltebranb, [obann mit biefem bis Abenbs 10 Uljr bet) Keyenberg — Diel
t>on ÄTufik gefproSen. — tftara — Soccatelli ber Biolinift fpielte in Berlin,
int Jafjr 1720 ungefähr, in Augufts Anmefenfyeit. — Der König St^hriS]
E 0 [ilf)elm] I [Sickte if)m bafür burS Hiet [?] 3 $[riebriSsb’or] J ). IDerbe iS benn
') ©er Saß ift nachträglich eingefeßoben unb, n>ie ber Schluß beö »origen, feßmet
lesbar; bie Hamen ber beiben Könige hat £>err ^arl ^ßeobor »on Schön ju
Sßarloffenburg [jeßt auf ‘Slumberg bei ©umbinnen] entziffert ©erfelbe greunb hat keß
gütigft ber Arbeit unterzogen, bie Slnetbote in bem (regiftertofen) 'Suche über 'ftriebrieß
Wilhelm I. S?önig »on [!] ‘Preußen* aufzufueßen, ba3 ein getoiffer 'jriebrich 'Jßilhetm
Paulig in 'Jrantfurt an ber Ober 1888 »om Sfanbpunfte beei eßriffließen SlnferofftzierS
au3 gefeßrieben unb im Selbftoerlage ßerauögegebeu hat. S$ ßeißt barin (S. 135 f ber
Zweiten Auflage »on 1889):
©er SÜönig ©uguft »on Polen befanb fleh mehrfach zum ‘Sefucß bei Sriebricß
^Büßetm in Berlin. 3u feinem ©efotge gehörte auch ber berühmte ©eigen-
fpieler ßoeateüi. 3n ©egentoart feinet ©afteö hörte ftriebrieß ©MIß eint einft biefen
Äünftler. ©er leßtere hatte fieß mit einem foftbaren, blaufamtnen Hocf belleibet,
trug an ben Ringern ©riHantringe unb an ber Seife einen ©egen, ©er Äönig
fanb biefe Reibung für einen ©iolinfpieler läcßerlicß unb fagte: „©iefer $erl fteßt
ja t»ie ein Äriegörat au3." ©ennoeß fcßidfe er ißm am näcßften ?age für fein
©eigenfpiel 20 'Sßaler. ßoeateüi aber fanb bieö für fo voenig, baß er ben Sieber¬
bringer bamit fogleid) befcßenlte. ©ieä ärgerte ben Äönig, unb er teilte feinem
©afte, ßluguft, bie Slnperfcßämtßeit beö ÄünftlerS mit. „Sr ift zu feßr »ertoöhnt,*
entfcßulbigte ißn Qluguft, „benn man gibt ißm meift Hinge, Slßren, Sabotieren unb
anbere ©olbfacßen." — „So, fo," emiberfe ber ^önig, „baö müffen toir bag näcßfte
©Hai beffer maeßen." «Salb fpielte ßocateUi zum zweiten ©Hai. fttiebrieß ©Jilßelm
hatte »orßer eine feßtoere golbene ©ofe mit ©ulaten gefüllt zu fteß gefteeft. Hacß bem
Soncert übergab er fte bem ©eigenfpieler mit ben ©Sorten: „3ßr feib fo fptenbib, baß
430
[44]
ttod) jemals eine äd)t mufikalijdje £aufbaf)it beginnen? — IDenn id) fo oon
all Öen alten unb neuen Componiften f)öre, fällt mir öenn bod) bas ‘Anch’ io
son pittore 1 ein! —
Ejimmel weld) magere {Lage oerleb’ id) jc 3 t — Dod) ©ebulb — Balb wirb
bie tTtorgenrötf)e anbredjen.
Mittwoch ben 5. Oftober braute bie erfe^nte ‘poft wieberum „nichts —
— nichts!"
©omtergfag fieijjt e$:
Den 6* (Oktober
Das DTerktöürbigfte bes magern (Tages ift bafo circa 40 Volumina Acta
ad informat[ionem] bes fjerrrt Decernenten, wie bas dulce praesidium fid)
3 ierlid) ausbrückt, ein[pa 3 iert finb.
def.i ysrsv BeXitt 'aß i% yeaxgtsßev isvd eive ^/evyvLiaiitov weyev deg FXh/t
deg Mada/,1 WnvoyeX avg ITwgveg lluniXXevCoXXeyium ßeiyeXeyt — IDas bas
nur für einen (Effekt fjaben roirb —
flud) tjab’ id) eine (Tarrikatur „bas Riefenkinb" ge 3 eid)ttet mit IfübJdjen
©efidftern! —
töann werben meine £eiben fid) wenben! Jagte Frederic le grand auf
bem Sdfladjtfelbe; id) H. le petit jag’ es, wenn id) mid) ergebe aus ben
ftaubigten Akten!
tDamt wirb mein Sdfidtfal entjd)ieben werben!
(®ie ‘Shtgelegen&eit ber SEKabame 3ßunfd)el wirb nur nod> einmal er¬
wähnt, beim Eintreffen oon 93eelil)en$ Antwort am 15. — aud) f)ier in
griecf)ifct)er 6d)tiff, um nid)t bie Eiferfud)t ber jungen ©affin ju erregen.)
ES folgen ein SefftonSfag (Freitag) unb ein ^offtag (6onnabenb):
Den 7 Oktober
Dormittags in einer Sejjion oegetirt — flbenbs Ouartett bet) Heidjenberg —
f)r. oon piwnicki, ein ange^enber fluscultator unb wie er oon Jid) JelbJt er=
3 äl)U t)atte großer DioIonOellift, liejj Jid) hören ober es würbe ii)m oielmebr
etwas auf ben 3afjn gefüllt, wöbet) er benn nun I)öd)ft erbärmlich beftanb —
(Ein elenbes Quabro oon pieqel, unb konte nid)t aus ber Stelle — Radier
ich mir biegmal bag §rinfgelb für mein ©efd>enf felbft »erbienen möchte." Slber
fiocateHi befielt biegmal bag Srinlgelb, inbem er erwiberte: „Siefeg ©efebent aug
ber Aanb eineg Äönigg bat ju »iel ©ewidjt, alg baß icb mid) baoon trennen
fönnte.“
©anacb hätte ßocatelti alfo bag erfte SOtal nid)t 3, fonbern 4 griebricbgb’or = 60 9Jtarf
erhalten unb jurüefgegeben.
Stach ©erber (I 812 f) unb Schilling (IV 431) ift ‘pietro ßocatelli in 'Bergamo
geboren, unb jtoar erft am Anfänge beg 18. Sabvhunbertg; bie ©efd>id)te wirb ftd) alfo,
wenn überhaupt, erft um 1730 jugetragen haben, ßocatelli lerfitc bei bem berühmten
Goretti (ben Äoffmann in Äreiglerg ßeiben, im Steinernen Äerjen, im Baton oon B.
nennt), reifte oiele Sabre lang alg ©eigenoirtuofe in Stalien unb ©euffchlanb, grant-
reich unb Snglanb umher, lieg fleh ©nbe ber 50er 3ahre in Slmfterbam nieber unb ftarb
bort 1764.
431
[ 45 ]
würben einige Quabros oon tjapbn gemalt — erbärmlich, wie gewöhnlich
alle KTufick f)i er in liefern abfdjeuligen Hefte unter aller (Eritick ift, aber ber
himmlijcf)e originelle (Bang ber Harmonie ent 3 Ückte mich bo<h — J?[cn?bn] mürbe
unbefchreiblich groß fepn in ber 3nftrumentaltTTufik, wenn er bas ©änbeln
ließe — HUe biefe ©änbelepen in feinen Quartetts oerun 3 ieren bas ( 5 an 3 e —
Die Meinen ITtenuetti welche er gewöhnlich Scherzo Allegro übertreibt finb
fehr pikant burä} originelle Ausweichungen — oft finb fie auch nichts weniger
als S<her 30 s ro. 3 . B.
— !ta<hhe r probirten mir bie Itteffe ex G. d. es ging f<hled)t — Die $uge
ex E. b. wollte burchaus nicht gehen! — Ejimmel es geht nichts hier! —
Den 8 tcn (Oktober!
• IDieber ein poftlEag unb wieber getäufcht in meinen (Erwartungen! — (Es
ift mir 3 umeilen fo, als würb’ ich einen rechten harten abweifenben (Eabinets=
Brief erhalten unb barauf einen gewaltfamen (Entfdjluß faffen! — EDorinn
wirb biefer hefteten ? — 3<h mag niemanben ben TCob wünfchen, aber warum
mußte ber ©nkei in Bferlin] 3 U früh für 5amilie unb $reunbe fterben, unb
ber ältere Bruber — einfam — oerlaffen, ein fjageftol 3 an beffen Dafepn nichts
hängt, ber in keinem $ad)e etwas leiftet ber fid) ennupirt fo wie er ITTorgens
auffteht bis er punkto neun Uf) r flbenbs wieber fdjlafen geht — warum mußte
biefer leben bleiben? — IDäre er geftorben, fo ßätt ich *h n roahrf^einlich be=
erbt, unb oielleicht hätte ich äenn nicht [!] ben Iprifdfen (Traum bes wirkfamen
frepen Künftler=£ebens realifiren können. 3ch hätte bas unerträgliche Jod) ab=
gefchüttelt unb wäre nach meinem (Eben ge 3 ogen! — TDann werbe id) wieber in
ben parabififdfen (Befilben wanbeln! — töann werbe ich Dresben wieberfehen! —
3ch bin heute fo oerftimmt, fo oerbrüßlidj, baß mir nichts gelingen will! —
3<h war fo lange nicht mit Arbeiten überhaüft unb konte oiel für bie Kunft
thun, bas war ber einige Dor 3 ug bes (Ejils — fluch bas hat 163 t aufgehört! —
Aus Unmuth hat» i<h Nachmittags einen Roman oon (Tramer burchblättert,
„ber oerworfene 3 ulius" benahmfet. Rah beliebter Rtanier finb über febern
Kapitel Derje — unter anbern (Tap. 18 (Df. 2 .
Kur 3 toie ber (Eitel
Set} biefes Kapitel
Denn — {0 fdjofele Sahen
EDer toirb jih u>as braus mähen!
Kann man fid) etwas „fchofeleres" benken als biefe Derfe! — Das gan 3 e (Be=
fdjreibfel ift wirklich unter aller (Eritik — Nichts ift lächerlicher, als wenn
Jd)Ie<hte Sdjriftfteller eine weife NTiene annehmen unb ben NTentor fpielen. fjerr
(Tframer] hat es in biefem feinem IRachwerke bis 3 um (Ekel getßan — hinter
manchem (Tapitel komt eine förmliche XTußanmenbung mit „flllfo unb bes=
wegen"! — 3n ber Dorrebe fagt er, baß er noch oieles in feinem Sd)teibtif<he
liegen habe 3 um üerbrauchen, was auch wohl erft nad| feinem Cobe 3 U (Tage
432
[46]
befördert werben würbe — (Bott behüte unb bewahre uns für bie (Eramerfdjen
Posthumi! — 3d) war in Secunba als id) ben ‘beutfdjen fllcibiabes’ las —
ba machte bas Ding eine gewaltige IDirftung auf mid) — id) hielt ben Der»
faffer für bas erfte ©enie unter ber Sonne, unb Stoe^eln, ber, wie id) glaube,
bie ©itelKupfer ge 3 eidjnet fjat, für einen 3 weiten Raphael — Die Rtfa mit
bem fdjelmifdj aufgehobenem Singer »or bem RTunbe 1 ) war mir nehmlidj bas
3beal weiblicher Schönheit, unb ich fu<hte öas RTeifterftücfc (fo wie nod) früher
einen elenben englifdjen Kupferftid) ber bie (Eloifa oorftellte) mit flnftrengung
aller meiner Kräfte 3 U copiren — es gelang aber nid)t! —
fjätte i(h bod) nur erft Radjridjten aus ber Sdjwei 3 2 ) — 3ft Raegeli bereit
bie Santafie ftcdjen 3 U laffen, fo ijt oiel für meine mufibalifdje Saufbahn ge*
flehen. — 3dj quäle mid) mit einer 3bee 3 um XErio für $ortepiano Dioüne
unb (Eello 3 ) — RTeines Bebünftens nad) werb* ich in biefem ©enre etwas
leiften — Ijapbn foll mein Rteifter feqn — fo wie in ber DokalRtufid* fjänbel
unb RTo 3 art —
3et] fdjüejje mit bem Stofjfeufser, ber meine tägliche Sitanet) ift:
IDann werbe id) meine $rer)heit erhalten! —
Als id) nod) in ©logau war, hörte id) einft einen ruffifd)en RTajor — pole
oon ©eburt —, ber eines Duells wegen auf ber $eftung fa&, am (Tage als
bie Arreft3eit abgelaufen war unb ihm ber (Eommenb[ant] bie 5ret)f)eit an*
gebünbigt hatte» ausrufen:
Ah je suis libre!
Der Ausbruch feiner Stimme ging mir burd) bie Seele, ich feilte fein ©nt*
3 ücben — ich ba<hte an 3orib — an ben gefangenen Staar — an bie Baftille! —
© — id) bin gefangen — ich hin in Banben! — IDann fd)lägt ber (Erlöfung
Stunbe!
©ie erffen fechS §:age ber nächften 'SBoche bringen nichts 9fterfwürbigeS.
Am 6 onnabenb bem 15. erhielt Äoffmann mit ber ^oft jwar „wieber nichts
in eigenen Angelegenheiten", wohl aber ben gewünfehten 'Sefcheib Pon
< 23eelih:
Jeq ayXay ’at ytfwiqya — deq Vareq ’az öeq Peyieqavy die FXayi
devavty'eqr avd die Peyieqavy 00XX die Uvzeqaayavy veqcpäyz ’aßev — eg iax
ewayiedev daaC ois ’ieq ßXeißz —
Gratulor toto ex animo
©ie 9Xücfblicfe auf ben Sonntag unb SOZonfag lauten:
’) 'Sitetfupfer aum 1. Sanbe.
2 ) 'Stuf bie Genbung »om 9. ‘Zluguft.
T ) 9Bie ber Srief an Äüftnel öom 27. Oftober 1807 (Srieftoecbfel 43) ergibt, hatte
Äoffmann bamat3 noch fein ?rio fomponiert. Srft in 'Samberg, im ’&uguft 1809, ent-
ftanb ein §rio in E-dur für bie genannten brei Snftrumente, ba$ Srupn befonberö
fchäbte (f- im smeiten Anhang jum Srieftvecbfel 6. 699 3- 6 ». u., 700 3 . 3 ». u, 702
3- 8 unb 709 OÖXttfe); eg roar bisher »erfcholten, ift aber fürjtid) bei £. ©. Soerner in
fieipjig aufgetaucht.
[ 47 ]
433
Den 16 Oktober
— U)ann werb’ id) mel)r als bas ewige tobte (Einerlei) fjier wieberl|olen
bürfen — Die Kinbergruppe f)ab’ id) fertig componirt — Ob icf) toof)! 3 um
ITtat)Ier ober 3 um RTufiker geboten würbe? — 3d) muß bie $rage bem
Präfibenten Bfeqer] uorlegen ober mid) bet) bem ®ro^Kan 3 ler barnaä) er*
kunbigen: bie roerbens roiffen! — 3n Beckers (Erholungen fanb itf) ein
mufikalifdjes ©ebid)t Siäfobion — ber ©ebanke ftieg mir auf es 3 U componiren
unb 3 um ©ratorio 3 U machen. — „Alles was ©bem fjat lobe ben Ejerrn" foll
eine tüchtige $uge abgeben.
Amen es gef<het)e allfo!
Den 17 Oktober.
©earbeitet ben gan 3 en ©ag! — © roeh i — id) roerbe immer mehr 3 um
RegierungsHath — IDer hätte bas gebad)t oor bret) 3af)ren — Die Ittufe
entflieht — ber Aktenftaub macht bie Ausficht finfter unb trübe! —
Das ©agebud) roirb merkwürbig, weil es ben Beweis ber Ungeheuern
©rbärmlid)keit ift, in bie ich hier oerfinke — EOo finb meine öorfähe hin! —
roo meine fd)önen plane für bie Kunft? —
Allmädjtiger Bfepme] — bitte für mid)! — hebe mid) weg aus biefem
3ammertf)al in bas parabies an ben Ufern ber (Eibe — ober laß mich ben
Rhein, wie ItTofen bas gelobte £anb, aus ber 5erne fehen!
folgen weitere „dies tristes et miserabiles“. ©ie Eliten geigen uns,
mit welchen primitioen 9?ecf>tSproblemen bie ^locfer Regierung ftch ihre
^bpfe äerbrach- Unterm 19. Oftober (wohl auf ©runb ber Sipung oom
©ienStag bem 18.) fragte bie Regierung mit & off mann beim ©roßfanjler
an, ob wirtlich eine Butter berechtigt fei, ihren großjährigen 6ohn
ohne alte* richterliche Verfahren gur Befferung feiner lieberlichen ßebenSart
in eine ^orreftionSanft alt gu-bringen; ©olbbedf oemeinte baS unter
©egenjeichnung $ocfe$ am 31. Unterm 25. (©ienStag) wirb angefragt, ob
ber jübifche Krüger 3afob Baruch bas ihm geffohlene ©elb gurücf*
erhalten foll, trotjbem eg bereits gur Verpflegung beS 3nfulpafen oerwenbet
fei; ©olbbecf bejahte baS unterm 18. SRooember.
Mittwoch ben 26. Oftober brachte bie 3>off — gwar immer noch feinen
93rief, aber baS Jöeft beS '^reimüthigen 5 mit ÄoffmannS Beitrag, ©er junge
■Slutor fc^reibt inS Tagebuch:
D. 26.
Ulid) 3 um erften mahl gebruckt gefeljen im ‘ 5 ret)mütf)igen’ — habe bas
Blatt 3wan3igmahl mit füfcen liebeoollen Blicken ber Daterfreube angekuckt_
frohe Afpecten 3 ur litterarifd)en taufbahn! — 3 ^ 3 ! muk was fehr wifeiqes
gemacht werben! 9
unb oorne ins Buch, an ben 9*anb beS BrieffongeptS oom 19. Stuguft, ben
ganj aftenmäßig auSgeführfen Bermerf:
©ingerückt im ‘5reimütf)igen’ am 9 September 1803.
D. 26. ©et: 1803. 5 «
434 [ 48 ]
‘JBieberum aber folgen „lauter dies tristes": „icp bleib ftpen — bin ver--
geffen!" flagt unfer ©ulber unb geiepnet fiep ein grofje# ©rablreuj.
Mittmod) ben 9. November fam ein ©Treiben von ^llbrecpt (f. o.), unb
Äoffmann felber, bem bie Scpulben anfepeinenb über ben ju warfen
bropfen, fanbte an biefem §dge ^mei Briefe über ©elbangelegenbeiten ab:
er bat ioippel, ibrn 100 <5riebricp#b’or = 1500 Marf su leiben, unb einen
©rafen v. eine S<pulb von 100 Malern nieberjufcplagen. — 3m übrigen
bringt er gute 93orfäpe ju Rapier:
Den 9 Hoventber
Itun roill icp aber auef) gemijj pier täglicp roas hinein fc^reiben — (Es i[t
mir jo als läge ber Keim irgenö eines großen entfdpeibenben (Entjcplujjes in
mir — nur einige Sonnenjtraplen, unb er mürbe peroorjcpiejjen 3 ur
üppigen Pflanße mit — golbnen Blütpen? — Beim ffimmel, meine Untpätig*
beit roirb mich verberben — Don morgen an roill i<p mi<p regen unb bemegen —
©er folgenbe £ag verjeiepnef aber nur eine „Staat#93ifite", bie ber 93au=
infpeftor c 2 öernile au# ^ofen jufammen mit bem 9?enbanten depper bem
Äerrn 9 Regierung#rat abgeffattet pat.
Mittmocp ben 16. bringt bie ^off au# Berlin eine Senbung be# 93etfer# i
mit 9}aegeli# motivierter Ablehnung ber Sonate. 93on ben *
brei ^robuften be# Äocpfommer# patte ba# mufifatifepe alfo fein ©lüd ge=
pabt, ba# fritifepe mar angenommen, ba# ©efepid be# bramatifepen mar noep
in ber Scpmebe.
•21m ©onner#tag ben 17. fepreibt Äoffmann:
(Eigentlich pätt icp vom ITeujaprslEage anfangen jollen, icp glaub es märe
bejjer gegangen! —
£jr. Itaegeli pal mir gejagt, moran icp bin — Sonberbar genug, baff id| t
an bemjelben lEage, an meldjem i(p von ber tttiferabilität meiner (Eompojitionen
überäeugt mar, ben ITTutp patte, ein Hnbante 3 U jepen! —
3e3t mill icp ein Bud| maepen! ^
2. 93ont 18. November bi# gum 31. ©ejentber.
* 2 lu# biefem ^uepe mürbe ebenfomenig efrna# mte au# anberen im £age--
bud) angefünbigten Arbeiten, ‘iiber bie pier angebeutete negative ‘Slbficpt, }
ba# ^agebuep bi# 92eujapr rupen ju laffen, mürbe au#gefüprt. < 5 ür ben 9?eft
be# 3apre# 1803 ftnb mir alfo auf anbere Quellen angemiefen, bie un# niept
geftatten, bie Sreigniffe auf ben §:ag ju fixieren.
3 unäcpff fepeint kaegeli# “ilblepnung Äoffmann veranlagt ju paben, ftep '
näper mit ber §:peorie ber Mujtf ju befepäftigen (vergt. bie feieriiep
ffilijterte Mitteilung an Äippel S. 197j. 93ermutlicp ermuep# barau# bie
Sfijje ju einem Sluffape über Sonaten, au# ber Äipig S. 246 „einige y
3been" mitteilt, ©ann fepte er mit frifepem Mute eine neue Sonate, in
As-dur (f. unten sub 3an. 1 unb 5!;.
Äippel# 21 ntmort auf Äoffmann# Anliegen fc^eint noep im November
gefommen ju fein: fte lautete für ben Moment ablepnenb, bod) ff eilte ber t
1
435
[ 49 ]
Jremtb ben gewünfchfen betrag für ©nbe Februar in < 2luöfic^t- £off»
mann braute alfo „fo viel wie möglich für ben Moment" feine 9lngelegen--
h eiten in Orbnung (an iMppel 196) unb fchrteb, nachbem bag erledigt, am
10. ©ejember an Äippel. ©ie merfwürbigfte ©teile beg Driefel ift bie, an
ber Äoffmann Malerei unb Sftufif in ihrer 93ebeutung für ihn einanber
gegenüberftetlf (197): jene, bie Malerei, fei „ein 93efuv", unb wenn er feiner
ßeibenfehaft für fte „nur im minbeffen" nachhinge, fönnte fie ihn „wie ein
griecf)ifdf>eS 'Jener unauglöfchltch von innen h eräug vermehren"; bie SOiufif fei
hingegen mehr „ein Theater©omterwetfer", ber feuerfpeienbe 93erg eineg ‘ppro-
techniferg: „man fann ftd) mit ihr ohne ©efahr vertrauter machen; barum
habe ich fte. ju meiner ©efährtin unb ^röfterin erliefet auf biefem hornigen,
fteinigen ^fab!" Selbft wenn biefeg Urteil nich>t ganj ernft ju nehmen fein
follte, fo geigt eg hoch, bah Äoffmann in ^Mocl von ber romantifchen ^uftf*
lehre, bte er fpäter fo gewaltig verlünben follte, noch ebenfotoeif entfernt tvar
mie von ber romantifchen ©ichtung; er ftanb noch ba, wo fein 9llterg=
genoffe $iecf geftanben hatte, ehe 95kcfenroberg ©efpräche unb 3afob 93öhmeg
93ücher ihn umwanbelten. 3m übrigen llagt Äoffmann, bah bie berliner
©rohen, 93ehme, Schleinih unb Jode, ftch augfehwiegen, unb fragt, ob
©cbletnib nicht wenigffeng inppeln mifgeteilt habe, „in wie fern ftch 93ehme
meinen 9öünf<hen geneigt gezeigt hat'': Aippel folle ihm fagen, ob ber „93er--
fehunggplan total gefdjeitert ober ob npcf) einige Hoffnung ba ift".
9lber wäbrenb Ä off mann bag fchrieb, bereitete ftch feine ©rtöfung fchon
vor. ©er ftrenge ^räftbenf 93eper hatte ihn wteberum bem 90?iniffer gegen--
über gelobt: ber junge 9?at verbiene „wegen feiner ©efchidlichleit, [feineg] Jleifjeg
unb gegenwärtig Wegen feineg ftillen, anftänbigen Cebengwanbelg bag vortheil-
hafteffe 3eugnih"- 93epme bürfte fi<h nun enblich für ihn intereffterf haben,
©in fünf 3ahre älterer ßanbgmann Äoffmanng, ©arl Theodor von Uflangfi,
ber im Sommer 1798 9?at an ber Regierung gu 9ößarf<hau geworben unb
ftch bort nicht befonberg auggejeidjnet hatte, war im Äerbft 1803 „auf fein
91nfu<hen bimittiert" worben, unb man fcheint nun im ©ejember vertraulich
bei Äoffmann angefragt gu haben, ob er mit ber ©teile btefeg 9?icbferg
gufrieben fein würbe (vergl. unten sub San. 1). Ä off mann willigte mit
Jreuben ein. 9Bte wir fehen werben, war er feiner Sache gang fieser unb
bemühte ftch fchon am 9. 3anuar um eine 90ßohnung in 9Ba*f<hau, obwohl
ber ©rofjlangler felbft bie 93erfehung erff ©nbe 3anuar beantragte.
3n berfelben 3eit fcheint Äoffmanng Äaugftanb ftch vermehrt gu haben,
©a SQlichalinen bie erhofften eigenen Binder einstweilen verfagt blieben, fo
nahm fie bie ältere ber beiben Töchter ihrer unglücklichen Schweffer gu ftch,
bie neunjährige SOtfichalinaßoffwalb/bie vermutlich ihr ^atenlinb war*).
*) ©aS „höchft liebenswürdige $tnb" (fiifjig 136) fiedelte dann mit den c PfIegeelfern
nah QBarfhau über und blieb auch bei ihnen, nachdem ÄoffmannS eine Tochter geboren
war. Einfang 1807 begleitete fte die 5ante und die Heine ßouftne nach Sofen jurüct
jur ©rohmutter, bei ber fie wohl auch ihre 9CQutfer und Schwefter Wiederfand, und blieb
bort, als Söoffmann im Sommer 1808 feine Jrau nah 'Samberg abhotte. — Um die
Seit ber SefreiungStriege heiratete fte einen ‘Slffeffor von fie ff Jhcfi. 3nt Sommer
436
[ 50 ]
©nblich ift ctug bett festen 2Bocf)en be« 3ahre« 1803 noch ju beriefen,
bat iöoffmann« Sante Sophie 3)oerffer im 59. CebenSjahre ihrem trüber
3ohann Cubnrig imSiobenacbfolgfe; wie im joerbff auf bie ©ett>ith«t ber
Q3erfebung, fo hoffte unfer greunb nunmehr bi« 9Kifte 3anuar bon ^ofttag
ju ^offtag auf bie 9}adjricht, bat bie jungfräuliche Sanfe ihn al« ihren
Siebling jum SJntoerfalerben eingefetjt hätte.
1816 befugte fie mit einem Töchter eben ihre c Pflegeeitern in 'Berlin, fo baß & offmann
„an feiner ©rofjonfelfcbaft gar nicht ameifein tonnte" (an Äippei 6. 263). Balb barauf
warb ber ©bemann Sanbrat in ©nefen unb gegen 1820 bann in ©eutfcb-Oftroroo
für ben $rei£ Qlbetnau). ©ort nahm fie 1823 ihre injmifcben »ermitmete ^ante bei fid) auf.
Seit Sftitfe ber 30er Sabre lebte biefe bann biö a« ihrem $obe 1859 mit ihrer
anberen Stiebte aufammen, ber unnerebelicbten SJtatbilbe ©ottmatb. ©iefe mar
ihre iöaubterbin, Sftidjalina »on Eetfabcfa erhielt ein 2egat.
S3gl. Äoffmannö Briefmecbfel <5. 739—757.
[ 51 ]
437
VI. 3<Mttar hi$ 3Jlär§ 1804.
1* 3« (grtoartung ber (Srbfcßaft.
©ie erften smansig ^age beS neuen 3al)teS führte 5) off mann regelmäßig
33 uch über (grtebteö unb 0 iitt)ferlebteö; mir laffen biefe Einträge unoerfürst
folgen unb begnügen unS bamit, ein halbes ©ußenb furser Fußnoten attsufügen.
©ie 93eseid)nung beS SGBocßentageS haben mir »orgefeßt
1 . beim 6 onntag;
2. beim ©ienSfag unb Freitag: hier »erfammelten ftd) bie SDfttglieber
beS ObergeridjtS — anfeßeinenb immer unter QSeperS ftrengem
93orftße — beS Vormittags bei ben eilten im Äotlegiengebäube als
„9Uuoffpreußifeße 9legierung" unb beS Nachmittags beim
„Vifcßoff" an einem profaneren Orte als „JMocfer 9?effource";
3. beim 9ftittmoch unb öonnabenb als ben beiben 35 oft tagen.
[Sonntag] Den l ten 3anuar 1804.
Die (Oktober unb HonemberStücke bes nun feit bem 17* Hooember redjt
fanft rußenben (Eagebud)S maren bloße Präliminarien — non fyeute an mirb
regulair Buch gehalten über bie Begebenheiten bes Sehens, bie bunte IDelt
innerhalb ber tDänbe bes <Bef)irnKaftens mit ihren (Ereignißen mit ein»
geregnet. —
3met) für mid) roidßige Dinge geben fest halb meinem 3 U einfad|en Seben
einen neuen Schmung — bie mir angebotene Derjeßung nad) tDarJdjau, meldje
id) angenommen habe, unb ber XEob ber alten (Tante in Königsberg, ber mid)
üielleidjt 3 um »ermögenben tftann gemalt hat — XDie mirb nun alles merben? —
Oie mett merbe id) mit meinen meitjd)td)tigen planen für bas Künßlerleben
tn biefem Jahre kommen? — Rampen hob’ id) 3 um Heuen Jahr bie Sonate
aus As dur ge[d)i<kt! —
[121m 9tanbe:]
Kircßheim, fjiltebranbt unb Sange maren h^** — “Drei) HTänner, bereit in
ben feurigen (Dfen bes (Trinkgelags auf ber Hebute gehoben 3 U merben! —
3d) follte mit! — (Bott behüte unb bemahre! — meine SalamanberHatur hat
ein (Enbe! —
D. 2 Januar
— (Ermartungsooll — Hbgemattet — entkräftet — (Träge — 3beenarm —
Angenehme Husfidjt in ein Bouboir »oll flktenßöße bie man burd)le|en muß.
438
[ 52 ]
[Dienstag] D. 3 Januar
Seffion! — 3n p[lock] würben meine ©agebüd)er libri tristes et miserabiles
werben — 3 cf) unterhielt meinen guten CoIIegen £j[iltebranbt] mit einer ge»
wiffen Sdfabenfreube oon meiner Keife nacf) Schafhaufen 1 ), unb nod) in biefer
Anwanblung oon Sdjabenfreube unter 3 eid)nete id) mid) 3 U einer piocker
Keffource! — © wef)! —
[RTittwod)] Den 4 Januar
— Der Sierakowskifdje ©oncurs ift burdjgelefen, bas (Berüft 3 um S^uer»
werk welches id) künftgen 5 rei)tag abbrennen will ift fertig! — 3d) bacf)te
heute gewifj Briefe aus Kfönigsberg] 3 U erhalten — Alle meine plane hängen
fa oon biefen nad)rid)tett ab — es ift unangenehm fo in ber (Erroartung 3 U
hängen —
IDahrhaftig, hak’ id) erft bies Schlaraffenleben hinter mir, fo foll bie wahre
©hätig&eit losgehen! — Arm an (Ereigniffen, arm an 3been — Klein ©agebud)
ift bürre unb öbe roie ber IDeg oon pofen nad) Berlin, aber hat man erft bie
©e'nsbarmes©f)ürme im Auge, fo toinbet man fid) leicht burd) bie Dornen, bie
noch h^ unb her aufhalten — hängen will id) nichts baran Iaffen —
3 e 3 t hob’ ich nichts angelegentlicheres für heute 3 U tl)un als ben Befud)
ber (Entbinberin ber Seenwelt ab 3 uwarten.
Den 5 Januar
Das nenn’ id) bas RegierungsRathswefen mit (Eifer treiben! — 6 Relationen
gemacht — Dorträge — bekretirt — aber bie angenehme — was fag’ id) an»
genehme — bie herrliche — bie f)immlifd)e perfpektioe in bas (Eben an ber
(Elbe unb am Rhein ift’s, bie mid) mit Kraft ftählt —
Kleine 5 rau mit ber ®. 2 ) ift bei) ber Kirdfheim gewefen — 3<h habe
Schotten 8 ) bie Sonate aus bem As dur gefdfidtt — ob fie ihm wohl behagen
wirb! — Uebermorgen müffen Rad)ri<hten aus Königsberg] entgehen hoff id)!
[$reitag] Den 6 Januar [Ejeilige brei Könige].
KTorgens Seffion — Sierakowski oorgetragen. Don 4 bis 10 in ber neuen
Reffourse — mit Bad)tnann unb £ange gebifchofft — Ungeheure <Befpanntf)eit
bes Abenbs — Alle Heroen ejcitirt oon bem gewür 3 ten Eöein — Anwanblung
oon ©obesAhnbungen — DoppeIt®änger —
[Sonnabenb] Den 7 Januar.
RTit unbehaglichem (Befühl ftanb id) h eu te auf, bie $olge bes geftrigen
Raufdjes — ich mufj nun einmahl ftrenge Diät halten, um meine Kränklichkeit
*) bie toofjl oon bem ©elbe ber oermeinÜicf>en ©rbfanfe gemalt toerben foUte.
33gt. oben ben QBunfch oont 17. Oltober unb unten bie gang ät>ntid;e Äoffnung 00 m
5. 3anuar, fotoie bie merftoiirbige ©feile in iöoffmannS fingiertem *33rief au« Sirfchberg
an bie grau oon S3. in Berlin (93rieftoed>fet 353): „ba gebuchten 6ie ber fdjönen 9tbetn-
gegenben unb mußten alle 'Silber ber herrlichen 3eif, bie ich bort oerlebte, in frifcher
glähenber garbenheUe oor mir auffteigen au tafFen."
2 ) 3« einem (hier nicht mitgeteilten) Einträge 00 m 11. Olfober heißt eS: „©egen
, 2lbenb öberrafchte unö bie ©."
3 ) ©emeint ift jebenfallö ber SOtainger ^totenftecher unb (feit 1780) Äof-'OTuftfhänbler
Sernharb Schott (t 1817), ber 'Safer ber S3rüber iMnbreaS (1781—1840) unb 3ohamt
Sofef (1782—1855), bie als 'S- Schotte Söhne ben Verlag au einem ber größten feiner
©attung machten.
439
[ 53 ]
gan3 lojj 3U werben — Had)mittag ben ‘danbibe’ gelefett — bie Itorm eines
guten Rom[an]s *) — ber pl)iIo[opf)ifd}e burdjgefüßrte Saß ocrftccfit fid) hinter
bem öorfyange ooll darribaturen — bie X0iir3c ijt ber UTenfcfyen Albernfjeit,
im lebhaften dolorit bargeftellt — Hbenbs an ber RTeffe gefdjrieben — 3d) bin
aufgelegt 3um (Eompontren — folgenben Saß erfanb id)
[Sonntag] Den 8‘ Januar
— (Bearbeitet ben gan3en TTtorgen — miferabler dag!
D. 9 3an:
Dito — an Berg 2 ) nad) ED[arfd)au] gefdjrieben wegen ber Eöofptung.
[Dienstag] Den 10 3an:
Sejfion — flbenbs in ber Reffour3e — mit Badjmann unb l)iltebranbt
dawiar gegeben unb mit £ange Btfc^off getrunben — es war fefyr Iädjerlid),
als (Befeße uorge[d)lagen würben — Der große Bär wünfdjte bies unb bas
mit einer ITTiene unb einem flc3ent, ber es leidet madjt bem EDorte XDiinfcßen
bie red)te Deutung 3U geben: „3cß bin ber große Bär, unb wer meine rauße
daßen nidjt füllen will, fliege meine Befehle aus3urtd)ten" — 3n ber [d)laf=
Iofen Had)t befd^äfftigte id) mid) mit lauter (Bebanben an bie Retje —
fdjlummerte id) ein, [o träumte td) oon Rampen — IDär id) nur erft aus bem
oerbamten £od)e —
[Rtittmod)] Den ll ten 3anuar.
— Rud) Ijeute beine ttad)rid)ten aus Königsberg]! — Das Ding fängt
mir an uerbäd)tig 3U werben — es mad)t mid) unruhig; bas nenn’ id) einen
3u[tanb ber Spannung! — 3n 4 EDodjen, £)off’ id), muß alles ent[d)ieben [epn;
länger wär’s aud) nid)t aus3ut)alten! — Die <Bejd)äffte — bas Alltagsleben
ebelt mir mit jebem dage mefyr an! —
Den 12 3an.
— fllltäglidjer dag!
[Srettag] Den 13 3an:
— flbenbs in ber Reffour3e — 3U Diel Bifdjoff getrunben! —
[21m Stanbe]
[Sonnabenb] Den 14* 3<*n:
Dies tristis et miserabilis —
Brief oom Bud)l)änbler Küfjn erhalten.
’) Sie ßefung btefeä Sßorteä iff febr unftefjer.
2 ) ben fd>on 1802 auS ^loct »erfe^ten 9tegienmg$tat.
440
[54]
[Sonntag] Den 15 3art:
mittags bet) bem K[riegs]R[atfj] Ijabebeb gegeffen mit Heisenberg unb
einem rotf)en toot)lgenät)rten Pfäfflein — Jelöprebiger oan SSeoen | [(^roebtft^e
Rationaipt)ifiognomie —
circiter |at) er [o aus toie folget —
Das 3beal ber ©lauljeit! —oiel gejalbabert über Kunft unb Kunftfinn — ©ott
toas für DutjenötlTenfSen! — Könn[en] fie 3 ur Rotl) paftell©cmäb)lbe oon ®el=
ftü&en unterfSeiben jo finb ftc Kenner —
Den 16 3an:
— ©earbeitet — Hbenbs bie Mfjne 36ee gefaxt, eine Kreu 3 ©rIeuStung
unb bie $d)Iad)t bet) Hbufeir in l)a&ertfSem $tt)l transparent aus 3 ufüf)ren —
erft muf) icf) Relationen fc^mtcben! —
[Dienstag] Den 17 Jan:
Dies miserabilis
[RTittiDOdE)] D. 18 Jan:
Das lEeftament ift gekommen! — tticf)ts, gar niSts! — Alle piäne ge=
fSeitert — es muf} toas großes ausgefütjrt toerben J — iS reife naS K[önigs=
berg] — 100 rtt) oon tfiltebrant — flbenbs in ber Heffour 3 e Urlaub genommen!
D. 19 Jan:
— ©earbeitet —
[$reitag] D. 20 Jan:
— ReifeHnftalten — an Küf)n gefSrieben: er foll Roten oerlegen! —
2 . 3um testen SOlale in Königsberg.
'ülm 21. frü^ fu&r iooffmann ab unb getaugte naS brei ootlen Sagen,
in ber SDftffernaSt jtotfSen bem 23. unb bem 24 v auS bem neuen Offpreußen
in bie Äauptftabt beS alten. O^ne 3meifet ließ er jtS an feinem ©eburtS--
tage oon bem oereinfamten Ontel Otto einen erfjebliSen befrag tn bar fSenfen,
oerfäumte aber niSt fiS 8« ätimliSen 3toe(fen noS einmal bei <Jramb Aippel
in Erinnerung ju bringen (f. u., 3an. 9). 3m übrigen befuSte ber aus ber
‘SBüfte £eimgefc[>rte fleißig baS §beater.
Ilm an ben fünftlerifSen ©arbiefungen Königsbergs ©efallen ju finben,
brauSte man feineStoegS aus ‘plocf ju fommen. SSaufpiel unb OD^ufrt
ftanben tn ber Äauptffabt “SlltpreußenS gerabe in biefem 3at)rjebnt (unb
fpejielt toieberum in ben 3af)ren 1802—1806) in iprer pöSffen ^Iüte, toie
] ) ©öS beißt Per Ontet Ötto muß um einen größeren befrag (eöent auS
bem ^aStaffe ber Meinte) erteidjterf »erben!
441
[55]
Sageng ©efcfticftte beg $:heaterg in freuten jeigt 1 ). greilieft lieft bag
Sfteatergebäube faft alleg ju münfeften übrig, ©ag alte Saug, in bem
Soffmann bie erffen ( 23üftneneinbrü<fe erftalten ftatte, mar am 27. Oftober
1797 abgebrannt (Sagen 504); an berfetben Stelle mar 1799/1800 ein O^eu-
bau erriefttet. 0er ©ntmurf, ber oon feinem ©eringeren alg grieb rieft
©itlft ffammte, mar bureft ben Unternehmer erbärmlich oerftunjt (Sagen
606—609). 93acjfo feftreibt barüber (zitiert öon Sagen 661 Sftote): „©ag
parterre ift oft für bie Stenge ber3ufcftauer zu flein; [eg] mirb noeft bureft
Pfaffen, auf melcften bie Sogen ruften, befefttänft. ©ie Stimme ber Scftau-
fpieler ift an oerfeftiebenen Orten nur feftmaeft ju ftören, unb bag ©anje ift
ber 3ugluft feftr auggefeftt". 3n biefem unzulänglichem 9Raume mirften aber
auggezeieftnefe Zünftler. ©ie ©treffion ftatte am 30. SKai 1802 auf ©runb
ererbten Prmilegg ber früftere Scftaufpieler unb Scftaufpielbitftter ^arl
Steinberg, ber Softn ber ©aroline Scftudft, übernommen (geb. Q3reglau
1757, anfänglidft fatftolifefter 'Sfteologe: Sagen 487—491). ©r „ermarb fteft
bureft pflichttreue, unermüblicfte ^ätigfeit unb meiglicft geregelte ©efeftäftg»
füftrung in einem bureftaug geräufcftlofen ( 2ßirfen ben ©auf beg Publifttmg
unb feiner Kollegen ... ©r ift forfmäftrenb bemüftt,. bag Perfanal ju oer»
beffern ... ©g mirb nicht in ber ©arberobe gefparf, bie nicht meniger
gefcftmaefootl alg foftbar im Saufe beg ©ireftorg Säle einnaftm unb oon
bureftreifenben Scftaufpielern regelmäftig in ^lugenfcftein genommen mürbe,
©rofte Opern unb grofte ’Srauerfpiele mürben in ^öniggberg fo früft alg auf
ben oorneftmffen 93üftnen gegeben" (Sagen 662 f). ©ag Orcfteffer mürbe
feit 1803 üon •Jriebricft “2lb am Silier geleitet (1768—1812, Softn 3oftann
’&bamg, beg ^egrünberg beg beutfdften Singfpielg unb ber ©emanbftaug--
fonjerte); 1807 mürbe an ein beutfcft--ruffifefteg 93laft barüber berichtet (zitiert bei
Sagen 610 9}ote): „Unfer Ortftefter ift feit einigen Saftren mit 9Recftt oor=
jüglicft ju nennen, inbem Silier mit rüftmlicftem 93eftreben eg fo oiet alg
möglidft ju fteben trachtet, ©r macht meftrere Proben hinter einanber, giebt
ben Scftaufpielerinnen felbff Unterricht unb ftält unter ben Puffern ftrenge
Orbnung. 93on ben SOfttgliebern beg Orcftefferg jeieftnen fieft oorjüglicft
§:ftieme alg 93ioliniff, Sinbenberg alg <gagottiff unb ©rün alg ^lötift
üor allen übrigen aug". Unb mag bie barftellenben Zünftler betrifft, fo mar
nadft Sageng $lugbru<f (S. 612 f) „bag £fteafer beinafte [gang] oon ßeuten
Zufammengefeftt, bie eineg ni<$t gemöftnlicften SOJaafteg »on Äemtfniffen fteft
rüftmen fonnten unb an Poefie unb ©eleftrfamfeit ein innigeg 3ntereffe
naftmen, bie nidftf [nur] bag 3talienifcfte lernten, meil bieg bie Sänger
braueftten, fonbern bie [aueft] bag Spanifcfte, bag Sateinifcfte unb [bag]
©rieeftifefte eifrigft trieben. Sie gaben Sprachunterricht unb hielten miffen*
fcftaftlicfte 93orträge. 3mei oon iftnen mürben ©octoren. Elfter bie Sorbern,
bie fte fteft auf bem tfteatralifcften '[falbe braeften, maren meftr alg ‘Meg iftr Stolz".
’) Königsberg 1854; für unS fommen befonberS bie Setten 606—680 in befracht
®a baS überaus reiefttjattige 93ucft eines 9legifterS entbehrt unb baS 3nftattSt>erieicftnig
äußerft funtmarifeft ift, haben mir im (falgenben ju ben zitierten Stellen jebeSmal bie
Seitenzahl angegeben.
442
[56]
©ie redete Sanb beS ©irefforS, ein oortrefflicher Sd)aufpieler unb ju--
gleicf) guter Sänger, war 91nton Schwärt* (geb. 1766 ju 9?ifolSburg in
Mähren, eigentlich cperegrinuS non unb ju Segnenberg genannt ©uy; auf
ber 93ühne 1788—1828, baoon in Königsberg jirfa 1792—1799, 1800—1802,
1803—1806, 1808-1810, 1813). Soffmann hatte ihn SCRitfe ber neunziger
3ahre als 9lyur gehört unb als Karl Siftoor gefehen (an Sippel S. 77 3- 7
unb S. 91 9Ü?itfe). 998egen ber beflagenSwerten fpäteren Schidfale beS auS-
gejeichneten Cannes »erweifen wir auf SagenS ©arftellung S. 613—623.
95on ben Künftlern, bie Soffmann jefjf erft fennen lernte, interefftert unS
hier in erfter Cinie 993eifj (1777 in Strasburg geboren, eigentlich ©reis);
er war ebenfo gebilbef wie begabt unb füllte froh eines Sprachfehlers ben
^lat* oorflüglich aus, ben er feit 1802 an ber KönigSberger 93ühne inne-
hatte. „911S Sänger unb Schaufpieler waren Sch warh unb 993eif) in 93iel-
feifigfeit unb Originalität einanber gleich, unb ba ihr Streben nirgenb an
einem fünfte jufammenftiefj, fo ergänjten fie fich in tnerfwürbiger 993eife.
3ener fang bie erften 93af)=, 9GBeifj bie erften Tenorpartien, jener oergegen--
wärtigte beutfehe 93ieberfeit, biefer franjöftfche ^oliteffe, unb beibe trafen
nur barin überein, bafj eine grofje 3ahl oon Sollen nicht beffer gefpielt werben
tonnten als »on ihnen" (Sagen 631/32). Seit 1808 betätigte 993eifj ft<h auch
als Singfpielfompontff. 911S 1813 bem KönigSberger Theater ber
Untergang brohte, ergriff 99Beifj ober oielmehr ©reis baS Stubium ber
SOlebijin, würbe bann 9?egimenfSarst am 9?hein unb ffarb in 93erlin (Sagen
634/35). — ferner iff hier Kühne ju nennen (1778—1854, aus Giülanb;
eigentlid 3ohann 9?einholb Gens, 9?effe beS ©ichterS, suerff rufftf^er
Offtjier); er war erft öor einigen 993od)en an bie KönigSberger 93ühne
gefommen unb gefiel Wohl in erfter Ginie ben ©amen burd) „fein feines, in
ben höhern ©efeltfchaftSfreifen gebilbefeS 93enehmen, feine förperliche ©e-
wanbtheit unb eine heroifd) fd)öne ©effalt" (anonpmeS 3ifaf bei Sagen 624).
Seine fpäfere 9Ö8irffamfeit lag meiftenS (1808-1810 unb 1814—1839) in
Samburg; feit 1823 bearbeitete er eine 9£eibe englifcher unb frans öftfd) er
©ramen unb ©rjählungen für bie beutfehe 93üpne (oergl. ©oebefe III 970). —
©inige 3ahre älter als 9E8eif) unb Kühne unb ohne ihre 93ilbung war ©rnter
(1773 in 93erlin geboren, suerff 93ombarbier); er hatte ftd) juerft 1801 in
Königsberg in einem Konzert hören laffen unb wirfte bann »on 1802—1815
an ber Oper, feine „unoerwüffltche fchöne Tenorftimme" tarn aber im Konjerf--
faal beffer jur ©eltung, benn „bie tleine, unbehülfliche ©effalt wollte ftd) nicht
ju notbürftiger 93eWeglichteit, bie unangenehme Sprache fich nicht ju leib¬
licher ©eclamation oerffehn" (Sagen 635). — 93on ben ©amen ftanben
(neben ben Schweftern 99ßolfd>owSfi, bie, feit 1794 in Königsberg, ftch in-
jwifchen mit ben Schaufpielern Schwärt) refp. Gans »erheiratet haften) feit
1803 »orübergehenb bie Schweffern c Philibpine unbSenriette 93effel
im 93orbergrunb beS SntereffeS, wenn auch in erfter Ginie ihrer glänjenben
Toiletten wegen; fie waren oom 93erliner 9^ationattheater gefommen unb
»erliefen fd)on 1806 wieber Königsberg (Sagen 653 f).
3n ber 3eit bis jum 6. Februar hörte Soffmann »on biefem ©nfemble
443
[57]
brei befannte Singfpiele refp. Schaufpiele mit ©efang: bctt fpätcr öfter« öon
ihm birigierten 'alten Sleberali--unb*9tirgenb«’ be« ooltstümlicben
^Diener« ( 2öettäet Mütter, ©itterSborf« ‘9? otbe$ Käppchen’ unb 3ftebul«
'Folie’ (in ÄerflotS’ Verbeutfchung '3e toller ie b eff er’); ferner be*
luffigfe er fi<h am ‘®on 9^anubo be ©olibrabo«’, ben Kotjebue im
iöerbft 1802 frei nach Äolberg »erfaßt hotte, mit VBeih in ber Titelrolle
(.Sagen 633 oben). 3toifd>en biefer leichten QBare fab Soffmann bie c 9?äuber’:
aber ffatt Schwärt) fpielte jetjt ber junge Kühne ben Karl 9J?oor, ffatt ber
£ang=9BolfchowS!i gab Senriette 93 c ffe I bie ‘Slmalia (Sagen 652, 654
oben); bie ©ebichte, bie in ber Sarfungfchen Seitung 1 ) bom 6., 13. unb
16. Februar ftd) anläfjUd) biefer £eiftung über ben frönen Schoufpieler
ergojfen, werben fchwerlich nach Soffmann« Sergen gewefen fein. 3ulet$t in
biefen Tagen fab Soffmann bie 'Piccolomini’ unb c< 2Ballenffein«
'S ob’ (er Jannte ohne Stage beibe Stüde febon bon Verlin ber; bort waren
fte fd>on in ber erften Sälfte be« 3ahre« 1799 aufgefübrt, nach Königsberg
aber erft jettf borgebrungen — freilich immer noch ein 3abr früher al« nach
Hamburg). ‘Sin beiben *2lbenben fpielte Sdjwarh ben VMenffein (Sagen
620 oben); bie Thella würbe bon pj^iltppine 93effet gegeben, wie ein
unbefcbreiblicb elenbe« ©ebicbf eine« Anbeter« in ber Sarfungfchen 3eitung
bom 13. Februar geigt.
VMe jeber, ber gelegentlich Tagebuch führt, mit 93ebauern wahrnimmt,
fommt man gerabe bann am wenigften gum Schreiben, wenn e« ft<h am meiffen
lohnen würbe. So fiel e« auch unferm <3teunbe e rft am 6. Februar abenb«
ein, bah er ba« graue “2RiSceHaneen’=Vuch gwar mitgenommen, aber nicht
benutzt hotte- So gut e« ging, trug er bie ©rlebniffe ber lebten ftebgehn
Tage nach unb fügte ben Vorfah hiogu:
— IDill etwas für bie elegante 3eit[ung] fdjretben! übers Cheater in
Königsberg]!
3n ber Tat erfchien in ber '3eifung für bie elegante 9öetf bom 25. Februar
unb 1. SOJärg ein bortrefflich gefchriebener Sluffat) ‘©inige Vemerlungen
über Königsberg’, ber in bereingelfen $lu«brüden an Soffmann erinnert
(„Qlbttung be« höheren SepnS" 205/06; „erglomifch" 206,u; wenn e« gum
Schluß bei ft, bah in ben Kongerfen unter ben Tönen Sapbn« unb SCRogart«
TabafSwolfen qualmen unb ba« ©eflirre bon VJhtftmorfen erflingt, fo benft
man an bie ©efellfchaft bei 9R ober lein in Kreisler« £eiben); gleichwohl
glaube ich nicht, bah Soffmann ber $lutor iff, gumal ber ‘üluffatj eine fehr
intime Vertrautheit mit ben KönigSberger Verhältniffen feit 1800 ertennen täht
^eben ben Theateraufführungen waren, wie bie eben gitierte Stelle geigt,
in Königsberg auch Konjerte gu büren, ©a« Sauptberbienft baran hotte
’) königlich ^Preufjifche StaatS-kriegeS* unb 3rieben$-3eitungen. 3m Vertag ber
Sarfungfchen Sof-'Suchbrucferei [unb wie bie beiben alten 'berliner 3eitungen fpäter
einfach nach bem Vertage genannt]. ®a« »on mir benutze Sj:emplar gehörte früher
bem Collegium Fridericianum ju Königsberg unb befinbet ftch jefjt in ber königlichen
unb ilni»erfitäf$- < Sibliofbel bafelbft (Signatur S 93).
444
[58]
ber ^otgbamer 3oßann Ftiebrid) Seinrid) 9?iel (1774—1845), ein
Spüler Fafcßeng, ber 1798 aug 95ertin nad) $öniggberg getommen war unb
bort eine Singfd)ule errietet batte, beten 9U?ifgIieber nnb trennte ftd) feit
1804 regelmäßig öffentlich probugierten (Shilling 743 f, Sagen 590 f). ©a=
neben peranffalteten auch 9rd)effermifglieber 5?ongerte; fo erfd)ien in bet
Sarfungfcf>en 3eifuttg öom 30. 3anuar unb oom 2. Februar folgenbe
3DZufif--‘2lngeige.
©ienftag ben 7ten Februar c. werben mit ein großeg ©oncert auf bem
^neipböffcben 3unferßofe geben, in melden [f] außer mefjretn anbern
9ttuftfffütfen ber beffen Steiftet, auch bie muftfaltfcbe Gcptlberung einer
^Bataille aufgefüßrt wirb. 93 Ulet g gu 2 fl. jtnb bei ung unb bem SDSuftfug
Serrn Streber gu paben. ©ag 9Säbere wirb eine befonbere ‘Singeige be»
fannt machen. ^ßime. ßinbenberg.
Soffmann ging ßin, ohne befriebigt gu werben; er notiert am ‘Slbenb:
Den 7 ten
lEl)ieme unb Sinbenberg gaben ein (Eongert — id) bin ba gewefen! —
Die Simphonie oon 3ofepl) f)apbn roar feurig, bod) oermißte id) ben burd)=
geführten (Eßaradtter, ber bie anbern 3 um oollenbeten ITteifterftüdi mad)t
ITtabam Dorn, eine soidisante Dillettantin*), ennupirte mid) mit einer
$ 3 ene aus ‘XTTaria Stuart’ — Oheü — oom 3umfteeg 2 ) —
Sinbenberg patte ßd) nergriffen — er bließ ftatt bes 5agotts ben Kamm! —
(Emter fang bie Arie bes Hrbace aus ‘3bomeneo’! —
— Die Arie ift wof)I eigentlid) ein fatprifdjer hieb oom feelgen ITTo 3 art auf
bie (Eaftraten unb il)re SingttTanier — er pats nur ironice gemeint, bas
nterben aber mawpe Herren nid)t! flbenbs ging id) mit XDeiß unb Sd)toar 3
3 U häufe — ITtan bönt’ bies für ein Bonmot galten — bie £eute Reißen aber
wirklich f o! —
‘Söenn eg fiep, wie man wopl annepmen barf, um bie beiben Scpaufpieler
banbeit, fo hießen btefe „tnirflidh" allerbingg ©teig unb ©uy, aber ber
luftige 3ufall bleibt boep b eff eben, benn ©reig batte feinen ^ünfflernamen
gmeifellog nicht alg ©egenftüd gu Scpwarß, fonbern alg 99eimwort gu feinem
Familiennamen gewählt
Offenbar batte Soffmann ftd) mit bem mufitalifd) grünblicp gebilbefen
‘Sßeiß befreunbet; wir begegnen biefem noch unterm 8. unb unterm 14. b. 9K.
3unäcbff beißt eg:
’) wobt Schwiegertochter beg angefebenett Kaufmanns &. ff. ©ow, beffen fcetbe
Söhne „teibenfepafttidje ffreunbe beg 'Sbeaterg unb ber l 3Kußt waren" (Sagen 733).
2 ) Scfntlerg gRiffcpüter «nb ffreunb Sobann 9tubotf 3umffeeg (1760-1802) bat
befanntticb gaptreiepe ‘SaUaben, Spöre, Monologe lt. a., Pefonberg oon ScpiUer, für
ben ©efang tamponiert
[59]
445
Den 8 “"
Dies ordin[arius] — tDeif) oergeblich erwartet — !T[acf)]tTt[tttags] Spa 3 ter*
gang — Abenbs mit bem (Dübel eine 5lafd)e Cipari ausgeftodjen nnb guter
Dinge gewefen —
•21m 9. unb 10- tarn Kottebue wiebet auf bem Beater su 2ßorte. 3tn
‘©rafen 23enjomSfp’ fpielte abermals baS vielgeliebte junge 'paar, baS Äoff-
mann in ben Räubern 1 gefel>en: Kühne gab ben Stepanof C&agen 624)
unb Äenriette 23effel bie 2lfanaSja (ebenba 654). 2ßäl)renb iooffmann
biefeS Stütf bamalS noch fchätjte unb gegen Spiegels ‘©fwenpforfe unb
Triumphbogen für ben Theater^räfibenten von Kotjebue’ in S<hut) nahm,
mar ihm bie ‘Sonnenjungfrau’, nach ber er früher anfeheinenb bie ge=
liebte grau Äatt in ©ora umbenannt hatte, in§wif<hen Verleibet worben. ©r
berietet über bie nächffen vier Tage:
D. 9.
— (Einen |et)nlicl) von fjippel erwarteten Brief erhielt td) nachmittags unb
antwortete auf ber Stelle, bajj ich &en 15 len b. ITT. abreifen würbe — Alles
geht glüMdj! —
Abenbs ben ‘©rafen Beniowsbi’ gefehn — ’s war bie Parobie von
Schlegel — wenigftens machtens bie Sdjaufpieler ba 3 u — UTeine ©alle über
bas geift= unb h er 3^°f e ober vielmehr bopfloje Spiel hab’ ich ausgelaffen in
ber ©arribatur: le coeur palpite! — tDill ein ©ollectaneenBud) 3 u 3eid)nungen
anleg en!
D. 10*
— TDie gewöhnlich — Abenbs bie ‘Sonnenjungfrau’ gefehen! — was thut
man nicht ber £angenweile wegen! —
D. 11 *
Dito. — ffirojjer Ennui. — fi<h mit ber prebigerin ©liech ben gan 3 en
nachmittag unb Abenb herumfd)lagen 3 U müffen! — es war 3 um ©ollAergern! —
[Sonntag] D. 12*
Den gan 3 en ©ag im SchlafRocb 3 U E)aufe 3 ugebrad)t — gebifdjofft mittag
unb Abenb!
21m Montag ben 13. brachte bie £>artungf<he 3eitung an ber Spitje beS
23lafteS bie ernffe Reibung:
Königsberg, vom 12. Februar.
.öeute Mittags um 11 Uhr ftarb hier an völliger ©ntlräftung im
80ffen 3ahr feines 2llterS Stntnanuel Kant. Seine 93erbienfte um bie
9Tevifxon ber fpeculativen c philofophie fennt unb ehrt bie 2Belf. 2öaS
ihn fonft auSjeichnefe, Treue, 3BohtWollen, 9Ie<htf<haffenheit, Umgänglich»
fett — biefer 23erluft fann nur an unferm Orte ganj empfunben werben,
wo alfo auch baS 2lnbenfen beS 23erfforbnen am ehrenvollften unb bauer--
hafteften ftd) erhalten wirb.
2lber unfer Snbivibuatiff nahm von ber Trauerlunbe leine 3Totis.
Sein Tagebuch ift leine fiolalchronil, fonbern eine ©efchichte feines 3nneren,
unb barin hatte Kant leine Stelle, gür ihn brachte ber 13. ganj anbere ©r-
innerungen; er fchreibt am 2lbenb:
446
[ 60 ]
D. 13*
— (Ein kleiner Dorfall! — nein kein kleiner Dorfall — ein ÖEreignig —
wid)tig für Kopf unb £)er 3 gebt Öen heutigen (Tag über feine triften altern
Brüöer heraus — (Ein junges blügenbes Ktäbdjen, fd)ön wie Correggios Klagba*
Iena — gewadjfen wie öie ©ra 3 ien öer Angelika Kaufman, ftanö Itadjmittags
oor mir! — es war KTaldjen fjatt — Sie gatte öer Ktutter ©ra 3 ie — öas
3öeal meiner Kinbifdjen 5aniaften oon öem Dormagls meiner Inamorata
ftanö oor mir — eine füge unbekante IDegmutg ergriff midj — fie blickte
mid) megrmagls beöeutenö an — gewig war id) igr nidjt minöer nterkwürbig,
als fie mir — Die Ktamfell Kink öie jüngere introöucirte fie — öer (Dnkel
fprad) unenblid) lange oon einem Begräbnig — oergebens rang id} öarnacf),
öem ©efpräd) eine interreffante IDenöung 3 U geben — öas aufgeblügte RTäbcgen
wollt’ id) mit meinen ©eiftesArmen umranken — id) wollt fie unmerklid) in
öie magifcge Kreife meiner 3magination 3 iegen — einige empgatifcge Augen*
blicke gätten mid) fdjaölos gehalten für öas geifttöötenöe (Einerlei) öer oorigen
K)od)e — aber es ging nid)t — öie Kink oerbarb alles mit igrern bletjernen
tDefen — mit igrer £angweiligkeit —
3dj lefe Rouffeaus ‘Bekenntniffe’ oielleidjt 3 um 30 tcn magl — id) finöe midj
igm in manchem ägnlidj — Audj mir oerwirren fid) öie ffiebanken wenn es
öarauf ankomt, (Befühle in EDorte 3 U faffen! — idj bin fonöerbar bewegt! —
Der ©obten fei) f)ier ein KTonument gefe 3 t! — es ift lebenöiger wie fonft öie
Castra doloris 3 u fepn pflegen, öa ftatt öes marmornen ©obesengels auf jenen
l)ier eine Iebenöige ®ra 3 ie öie IjauptRoIIe fpielt —
Das ©ompliment 3 um Hbfd)ie 6 e war t)ö<^ft abgefdjmakt — id) wollte 3 U
oiel fagen — bet) gehöriger Kluge reöe id) wie oft aud) im ©raume am
fd)önften — id) madje aud) wol)l 3mpromptus, aber alles wie gefagt mit
Kluge! -
IDarum gälte idj nicgt Bud) über meine wigige (Einfälle wie öer feelige
©egeimRatg Baumgarten? — Könte fie öenn bet) guter ©elegengeit mit (Effect
anbringen — Doltaire mad)te es nid)t beffer — er foll aud) mehrere un*
oerbraudjte (Einfälle nad)gelaffen gaben! — Koftbarer Itadjlag — unfdjä 3 bares
Cegat für einen fcgönen ©eift! —
3 n fpäteren 3 agren gat Äoffmann ju öer Scgilberung 9!ftalcgen$ (im
jweiten 6 age) öie 9?anbnote gefegt
Sie ift geftorben.
3um 14., an öem man in fatgolifcgen Örten, j. 93. in ^ofen, fröglidj
bte gaffnacgt feierte, gatte 9liel ein ^onjerf feiner 6 djüler unb greunbe an*
gefünbigt; ber ‘gretmütgige 5 gatte fcgon am 10 , 3 anuar mitgeteilt, bafj man
bie dgöre ju 9?actne§ ‘Slfgalia’*) gören würbe. 9lm 93ormitfag btefeö £ageg
oerabfcgiebefe & off mann ft cg oon alten 93efannten; am 91b enb befugte er
bann mit bem neuen 'Jreunbe 9Q3eig ba$ Eiebgaberfonaert:
J ) ©iefe Sböre waren finbe beß 18. 3a(>rt)unbert3 »on brei namhaften Zünftlern
gefegt: 1785 »on 'Jrangoiä Sofepf) ©offec (1733—1829) unb oon S?irnberger£ 3rcunb
Sopann Slbrafwm ^efer Scgulj (1747-1800), 1791 »on bem 9lbte ©eorg 3ofePb Vogler
(1749-1814).
[ 61 ]
447
Den 14‘
üormittag üifite gemalt — fonberbarer EDeife bet) beiben altert RTammas
Stürmer — Pfeifer — Samtlie i>on Cesgetoang. Seßtere gab guten UTalaga unb
erhielt bafür — „(Erinnerungen aus ben S 3 enen ber Kinbpeit in (Eufitten'M! —
flbenbs mit IDeifs im (Eoncert — Rief fpielte eine langweilige Sonate —
’s mar 3 um (Einfdjlafen — Hadder bie (Epöre aus ‘fltpalia’: SingeRftabemie —
Königsbergs Blumenflur — allerliebfte IRäbdjen — brep barunter mit ejcellenten
Stimmen — mir fconts nid)t gehen wie Rouffeau im (Eonferoatorio in Denebig! x ) —
Die eine fjiefj Rtamfell Bremer
SOiit biefer Keinen Kritif fd)tiefjen bie längeren ‘Slufeeicpnungen biefeö
^agebuepeg, Pon bem Cframpfleurb a. a. ö. fagt: Hoffmann est tout entier
dans ces quelques pages intimes, ecrites par lui, et qu’il ne pensait guere
devoir etre un jour ä la publicite.
“Jim näcpften borgen »erlief) er Königsberg.
©enau sehn 3abre fpäter erging »on bort aus ber 9?uf an Äoffmann,
als SullerS Nachfolger bie Kapellmeifterffelle &u übernehmen. Unterm
22. Februar 1814 fepreibt Swffntann in baS ßeipjiger Tagebuch:
eg mirb mir bie vKuftfOHrefforStelle in Königsberg angetragen, bie
id) aber niept anjunebmen befeptoffen.
3n ber ^at waren feit SteinbergS §obe bie 93erbältntffe beS $$«<>***$ &u
unfteper, als bafj iöoffmann baraufpin bie Stelle bei Seconba |>ätte aufgeben
bürfen. ‘Slber auch naepbem biefer, Pier SSage barauf, ihm gänzlich unerwartet
gelünbigt batte, empfanb & off mann offenbar niept ben < 2öunfcp, nach König S--
berg aurüdautepren. “2lm 24. SSftärj febreibt er an Kunj (bem er baS 3er'
WütfniS mit Seconba oerpeimlicpte): „Unter anbern ift mir auep bie SÖZufif--
©ireftorStelle in Königsberg angetragen worben, wofür icp, f o U t e i cp [au cp]
an ßeipjig noep weniger gefeffelt fepn, pour jamais gebanft habe."
(S. 204.)
3* Ntttfreife über Seiftenau.
'21m < 2lfcpermittwocp, bem 15. Februar, reifte Aoffmann morgens V 2 IO llpr
aus Königsberg ab. ©r fuhr mit ^oft-- ober SOftetpferben ben ganzen §ag
unb ben größeren £eil ber Nacpt burep halb Oftpreufien bis nach ‘preujHfdp*
NZarJ (jwifepen Saalfelb unb ©priffburg) furj »or ber sproPinaialgrenje.
Snerper batte ber treue Suppet ibm auS feiner im Kreife ©rauben^ belegenen
Äerrfdpaft ^ferbe entgegengefepidt," bie ben Neifenben bann non Ve4 llpr
na<ptS bis 1 Hpr mittags nad) ©rofj- Sei ff enau brachten. (<£>aS @ut
liegt in ber Luftlinie 160 Kilometer t>on Königsberg entfernt.)
2luf ber 1 23eftpung SnppelS »erlebten bie beiben 3ugenbfreunbe nun aufjer
bem Neft beS ©onnerSfageS »ier Polle feböne §:age. ©ie ©arlepnSangetegen*
beit würbe offenbar fogleid) erlebigt. ©)afj man ber 3apreSaeit wegen mebr
im Äaufe als braunen war, war Äoffmann ft cp er lieb nicht unangenehm, ©r
fepeint ein pübfcpeS Portrait feiner ^rau, »ietleicpf eine oon ihm felbft ge-
x ) »0 er betanntltcp nad) bem ©enufj etneS herrlichen ShorgefangeS bueep ben Qln-
blief ber häßlichen Gängerinnen auS allen Simmein geftürat würbe.
448
[ 62 ]
matte Miniatur, auf bie 9Reife mitgenommen unb fo SORicpalina bem ^reünbe
menigffenS in effigie oorgeftellt ju paben (»gl. an Äippet 200 oben). iMppel
feinerfeits jeigte eingepenb bie Kunftfammlungen feineö OheirnS, bie be-
ftimmungSgemäfj auf baS ‘Jibeifommifj gebracht n>aren; Äoffmann befielt
befonberS Äanbjeid)nungen oon ^erugino unb 9Raphael im ©ebäcptniS (f.
ebenba). ©iefe !offbaren ^Reliquien faxten in beiben ^reunben aufs neue
bie Sepnfucpt an, baS ßanb 9RaphaeIS enblich mit eigenen *2lugen zu fcpauen,
unb ber alte ^lan ber großen 9Reife fpann fiep jept, mie ioippel 1823
berichtet (27 f), „big z u ben tleinffen ORebenfcpattirungen auS. ©er eine
glaubte, alle lanbroirtbfchaftlicben Einrichtungen auf feiner Seftpung binnen
zmep 3apren ju Enbe gebracht au haben, ber anbere hoffte btS bahin fein
Erbtheil ju erheben, beffen Unfall ihm in Königsberg gemifj fehlen [? ?]. ©er
9öeg follte über 6 <htefien, ‘Sßien, Senebig auf 9Rom unb 9Reapel
gehen, ber 9Rütfmeg burch bie Eombarbep, bie Scpmeip auf ^ariS.
©er Frühling beS 3apreg 1807 follte ben ‘Jreunben fchon auf romanifchem
93oben feine Slüten entgegenffreuen." 3 ur 3 nformation fepeint Äippel bem
greunbe SeumeS ‘Sucp über feinen ‘Spaziergang [oon ©rimma] nach
SprafuS im 3apre 1802’ empfohlen ju hoben, baS 1803 in Sraunfcpmeig
erfepienen mar. ‘Rlucp auf literarifcpe ^läne erftreeften fi<h bie Sefprechungen
ber greunbe: Äoffmann oerfprach eine ^rofaerzäplung ‘©er 9Riefe
©argantua’ ju uerfaffen, an ber fiep anfepeinenb Äippel beteiligen mollfe.
'Slm ©ienftag bem 21 . Februar früh fagten bie < 3 : reunbe fiep auf brei
3 apre Cebemopl — eS follte länger als neun 3 apre bauern, bis fte ftep [am
26. Slpril 1813, in ©reSben] mieberfapenl — ©ieSmal maren „nur" 107 km
ßuftlinie ju bemältigen, genau jmei ©rittel beS oorigeti ^BegeS, mag fiep mit
guten ^ferben an einem $age maepen lief?. Äippel gab bem ‘greunbe aber¬
mals ein eigenes ©efpann bis jur ^roöinjiatgrenze, bieSmal bis Strasburg,
unb eine Empfehlung an einen bortigen Steuerbeamten, ©iefer nahm fiep
beS 9Reifenben, ber etma um bie SORittagSftunbe bort anfam, bienftfertig au;
er gab ipm jmei gute ^ferbe unb einen brauen Fuhrmann mit bis Sierpce,
baS faft genau in ber ‘SJRitfe jmifchen Strasburg unb ‘plocf liegt. ©aS
Sierpcer ^ofthauS mürbe um V 26 Hpr erteilt, unb Äoffmann fuhr nun mit
ber ^off meiter. „‘■üOReine ^rau", berietet er iöippeln einige ^age barauf
fepr anfchaulicp (199/200), „mollte eben ben rechten <5u§ bem linfen, ber fchon
im ‘Sette ftanb, naepziepen, alS ich «m IOV 2 Slpr in bie Stube trat."
4* ©ie lepten ‘Söocpen in ^locf: baS Ergebnis beS ^reiSauSfchreibenS
unb neue ttterarifdpe ^länc.
‘SÖährettb ÄoffmannS ©Reife mar feine Serfepung nach < 2öarfcpau, über
bie er inoffiziell ja fchon im ©ejember unterrichtet morben mar, formell ein-
geleitet. 93ier 3:age nach ÄoffmannS *2lnfunft in Königsberg, am 27. 3anuar,
patte ©olbbeef ben König gebeten, an Stelle beS „angefueptermafjen feiner
©ienfte entlaffenen ORegierungSrafpS oon HflanSft" ben 9RegierungSrat iöoff-
mann ju ‘plocl zu ernennen, „melier biefe 93erfepung münfept unb feitpero
fein < 2 lmf untabelpaft unb zur völligen 3ufriebenpeit feiner 93orgefepfen oer-
449
[63]
waltet pat: wegpalb bag entworfene Sranglocafiong--9?efcript jur OWerpöpff--
gefätligen 03ollaiepung beiliegt". Unb an bem frönen Sage, an bem Äoffmann
Äippel wieberfap, am 16. Februar, patte ‘Jriebricp OSßilpelm III. bie (Er¬
nennung genehmigt unb bag 9?effript oolljogen. Mit ber 3uffellung an
Äoffmann patte eg freilich noch gute OÖßege.
93ei ber Qfcicffepr pat Aoffmann Seumeg 03ucp oorgefunben unb fogleicp
getefen.
©en beginn beg ‘©argantua 5 oerfepob er noep um einige Sage; am
27. Februar (an iöippel 200) entwarf er aber im groben einen Singfpiel*
teyt, ber (naep ©Hinget 93emerfung) ffoffliep auf Moaartg c 93elmonte unb
©onftanje’ unb ©alierig ‘Ol^ur’, formell (befonberg in ben Qlrien) auf ©oetpeg
Singfpiete aurü cf weift. 3n ber 91acpt barauf, am 28. 'Jebruar norm Morgen¬
grauen, lieh er fiep einige Melobiett bap burep ben ^opf gepn.
3tt benfelben 'Sagen, ©nbe Februar, erfupr iooffmann ben Olugfalt
beg ^reiöauöfihreiben«. ©ag Urteil (überfeprieben: t( 2ln bag 'ipublifum
oon 3flanb [sic] unb $opebue’, aber naep Olnftcpt ber 3eitgenoffen »on
S^opebue allein formuliert) war um ben 10. Februar oeröffentlicpt in No. VI
beg wöcpentlicp erfepeinenben ‘£iferarifcpen unb artiftifepen Olnaeigerg. Ollg
Beilage jum 'jrepmütpigen ober ©rnji unb Scperj'. ©g wirb barin mit-
geteilt, bah oieraepn £uftfpiele eingereiept feien, oon benen fiep brei oerfpätet
aber auep fonff ben 93ebingungen niept entfproepen päffen. 03on ben reept-
jeitig eingelaufenen elf feien feepg Oöüig talentlog; unter ben fünf bigfufablen
werben 9fr. 4 (.foarlefing < 2öiebergeburf, ein Spiet luftiger 3nfrife in brei
mitten) unb 9fr. 10 befonberg peroorgepoben. 03on biefer peifjt eg 1 ):
Unter allen Mitbewerbern pat ber 03erfaffer biefeg £uftfpielg (ben oon
9fr. 4 etwa auggenommen) bie meifte Einlage aum £uftfpiel*
biepter. 3toar iff fein ^lan niept bebeutenb unb feine ©paraftere ftnb
Weber neu noep ganj glüeflip gewäplt; aber feine Olnftcpt, feine formen,
ftnb rneiff waprpaft fomifep. . .. ©er ©iatog ift leiept, bie Sprache rein,
ber OfBip niept fremb, unb würllicp glaubten wir big jum
aepten Oluftritt beg erften Olctg bem greife’ ben ^reig
juerfennen au müffen. Olber — bag Stücf pat meprere grofje
Kepler. ... Olm mihlungenften ift wopl bie ©ntwicfelung, wo ein alter
Kaufmann, ber in feinem £eben fein ©iepter war, auf einmal ein
£uftfpiel fepreibt, wetepeg ben 9preig baoon trägt. ... Ob
wir nun gleich auep biefem Stücfe ben 9Preig oerfagen
müffen, fo a^eifeln wir boep niept, bah einen 93erteger finbe
unb gebrueft jeben £efer überaeugen werbe, bah bag publicum oon beffen
03erfaffer waprfcpeiniicp noch öiet ©u.teg a« erwarten pat.
Olm Scptuh beg ©anaen oerjtcpert ^opebue:
Oöenn bie fämtlicpen Äerren 03erfaffer, wie wir poffen [!], ipre £uft-
*) Sie Stellen beg Urteils, bie über ben Snpatt beS EuftfpielS orientieren (wenn
Äofjebue fte auep mit jur ^egrttnbung feiner fintfepeibung anfüprt), paben wir im
IV. “Jlbfcpnitt mitgeteilt. 3m ftolgenben befepränfen wir unS atfo auf bie rein be*
urteitenben Partien, <Die Sperrung ift frei bepanbelt.
450
[64]
fpiele brutfen taffen, fo rnirl) tag publilum befennen muffen, . . . baff
eg . . . unmöglich mar ©inem biefer biergehn Stüde ben *preig 3 m
juerfennen. . . . teiber muffen mir fürg erffe bie Hoffnung aufgeben,
bafj hoch enbtict) einmal ein ©enie für eine ©affung ermaßen merbe,
beren unfere gräciftrfe 93ühne je$t fo fehr bebürftig ift 1 ).
Sagu fefjf SCRerfelg Verleger bie 9Sanbnofe:
Sämmfliche Q3erfaffer merben erfudjt, ihre SOZanufcripte in ber
£yrölichfci>en 93u<hhanblung alliier mieber abforbern gu laffen.
3m Saufe beg 28. gebruarg fc^rieb Äoffmann an i>ippel. ©r berietet
über bie 9?üdfahrf unb bie .öeimlehr (eine Stelle barüber haben mir bereifg
gifiert): grau unb c Pflegetö<hter<hen habe er gefunb borgefunben, bie erftere
fei bem Portrait (bag Äippel öielleicf)t für etmag gefcbmeichelt erachtet hatte) 2 )
„ähnlicher alg je". 3m übrigen fcfyilbert ber 93rief lebhaft bie mallenbe
©ärung, in bie fein ©eift burcp bie lang entbehrte < 21 ugfpra<he mit einem
greunbe öerfeßt ift: „auf mich hat unfer < 23ebfammenfepn biegmahl mit be--
fonbrer energifcher &raft gemirft; ich fühle mich emporgehoben über bie
steinigt eiten, bie mich hier umgeben — eine bunte 9Gßelt boll magifcher ©r*
fcheinungett flimmert unb flacEerf um mich her — eg ift alg müffe ft<h halb
mag grofjeg ereignen — irgenb ein .^unft'probuft müffe aug bem ©haog herbor--
gehen I — ob bag nun ein 93uch — eine Oper — ein ©emählbe fepn mirb —
quod diis placebit“. Nunmehr beutet er, „um bem Singe näher gu fommen",
gmei größere'plane an, einen liferarif<h--muftfalifchen unb einen literarifcl)--
Jünftlerifchen, für bie er ben 'tjreunb gu interefjteren fucht unb an benen biefer,
mie in alten 3 eiten, bireft ober inbireft teilnehmen foll. QBir analpfteren im
golgenben biefe ‘Slugführungen, ba in Äippelg Slbfchrift, ber unfer ’&bbrud
hier atlgu treu gefolgt ift, burch berfehtte Slbfaljbilbung bie ©igpofttion böllig
unfenntlich gemorben ift.
3unächff hanbelt eg ft<h um bie am §age gubor aufgetaudjte 3bee eineg
fomifchen Singfpielg. Äoffmann hofft, hier auch textlich „ein giemltch
brolligeg ‘Sing" gu liefern, ba ber "Jreimüthige’ ihm entfcbiebene Anlage gum
Suftfpielbichter gugeftanben habe. ©rff bei biefer ©elegenheit geffeht
Äoffmann Aippeln („unter anberm", mit föftlid) gefpietfer ©leichgültigfeif
unb < 23laftertheit 8 )) feine SDtftbemerbung um ben Suftfpielpreig (unb beren
‘) 3u biefem Stoßfeufaer Koßebueg fei eine ORanbnote geftattef: 3« bem 3apre
beg “^reigaugfchreibeng, 1803, patte ber tüvgtid; »on Äuber tm "greimüfpigen’ gelobte
Q3etfaffer ber ‘Familie 6cbroffenftein’ nad) 'pfnetg Bericht biefem brei Svenen beg
‘3 erbrochenen Ärugeg’ bitfierf; unb fünf Vierteljahre nacpbem Soff mann jum teßten
gjlate Königsberg »ertaffen, im 93?ai 1805, fam Kl ei ft auf amanaig Monate bortpin unb
»oltenbete bafelbft bag größte Cuftfpiel ber beutfcpen giteratur. ßg ift ein munberlicper
3ufaü, baß gerabe im'greimütbigen 5 bie beiben großenSRomantiter jum erften 93lale
gemürbigt morben ftnb, unb amar nach unreifen ßrftlinggarbeiten, mäprenb bann ©oetpe
bie l 30ieiftermerle beiber talt abgelepnt hat.
ä ) ßg lann ftcf) aber bei bem Portrait auch um bag < 23itbnig einer an beren
q5erfon panbeln, bag Aippel befaß unb bag aufäHig 'rKicpalinen ähnelte. Äippel p«t
leiber ben Schluß beg Saßeg mieber geftriehen.
8 ) Statt „oerfaffen" fagt er, um ja nicht feierlich au merben, in einem ‘ilbfeimitt
»on »ier Säßen „in alter ßil gufammenfehmieren", „in aller ßil aufammenfehreiben" unb
nach ©elegenpeit aufammenfehmeißen".
[65] 451
©rgebnig) ein! Aippel, tyeifjf eg am Schluß, muffe ben Sejt begutachten,
ehe er ihn einer Bühne einreiche.
©er streife ^lan, für ben Aippelg ‘•Uttfwirfung in wefentlich größerem
Umfange geheifcht wirb, ffelit eine ©Weiterung ber in £eiffenau befprochenett
©argantua=3bee bar. ©offmann oerfprichf, mit bem “liefen ©argantua 5
ansufangen, fobatb bag Berfehunggreftript eingetaufen fei; er fchlägt aber
nunmehr Aippeln oor, gemeinfam mit ihm noch einige anbere wi$tge
*2luffähe su fchreiben. Aoffmann will bann eine 9?eihe fatirifcher
3etchnungen basu anferfigen, für bie bielteicht auch Aippel ihm ©infälle
liefern fönne. ©ag ©anse, ber c 9?iefe ©argantua’, bie fonffigen QXuffä^e
unb bie (in Tupfer s« ffechenben) 3eichnungen, folle bann atg Safchettb ucß
für 1805 heraugfommen. ©inen gut jahlenben Verleger werbe Aippel «>ohl
fennen. „©ag Safchenbucbformat allein", fchreibt Aoffmattn, begeiffere ihn
fchon su „allerlei ffurrilen 3been".
3wei 'Sage nachbem A off mann Aiteln en passant über bag ©rgebnig
beg ^reigaugfchreibeng berichtet, fchrieb er an ben neuen Verleger beg ‘^rei=
tnüthigen 5 (refp. an ben alten »on c ©rnff unb Sehers’), ber ftch, wie wir
gefehen haben, erboten hatte, ben ‘Bewerbern auf Verlangen ihre 93^anuffripfe
surüclsugeben x )- ©a ^ofjebue unb 3fflanb, fchrieb er, feinem StücS einen
Verleger in ^ugficht geffellt hätten, fo begebe er ftch auf bie Suche nach
einem folgen unb fange bei Frölich an; er biete biefem bag ^Ranuffript für
ben schufen Seil beg auggefetjfen ^reifeg (alfo 10 griebrichSb’or = 150 SO^ar!)
an. ©ie ‘preigrkhter hätten s*»ar feiner ©mpfinbung nach mancheg über-
fepen, wag er su feinen ©unffen geltenb machen fönrte; er fei jeboch anbrer-
feifg gefonnen, „noch öor bem ©ruef burch manche ‘jinberung bem Sabel
beg *2lreopagg ba, wo er gerecht ift, Sü begegnen". < 3Gßie im Borjahre
Sanbern gegenüber bleibt er auch hier anonpm 2 ).
©rei Sage barauf, am Sonntag Oculi, fchreibt Aoffmann einem ^ u f i f-
»erleger: er fctjicJf an 'Sftaegeli, ber »iertpalb Monate üorher bie ^labierfanfafie
abgelehnt hatte, mit einem überaug artigen Begleitbrief (S. 12) für bag Repertoire
0 ©er Q3rief ift im ^onjept »orn 1. gebrfuar] datiert ©a aber S?oßebueg Urteil,
»on bem ber^rief auggebt, erft um ben 10. Februar erfeßien (nämlich im aweiten ber
»ier $ebruarftücfe beg Olnjeigerg), fo ift offenbar ber 1. 9Jiät8 gemeint: Äoffmann bat
— woju wohl ieber neigt, ber häufig ©afen 8« fchreiben bat — am Anfänge beg neuen
'Sftonafg »erfebentlicb noch ben 9tamen beg alten gefebrieben. ©ie ©atierung auf S. 11
meiner 93riefauggabe ift in Ort unb 3eit bana<h 8« berichtigen.
a ) “211g äußere 2lbreffe für bie iJlntwort gibt Äoffmann biegmal nicht ben berliner
‘Setter an, fonbern einen 9tegierunggrat in ocf]: wenn ich recht Icfc, &rn. 93.
©iefer ‘Sucßftabe fönnte nur ben Oftyreußen fiubwig Qluguft 'Jerbinanb 93 oß be*
aeiebnen, ber, um 1755 geboren, um 1774 in ben Staatgbienft getreten, Suftiaburgemeifter
8U Stolaenberg im Greife Äeiligenbetl unb 1797 9?egierunggrat au §born geworben
war; er war 1801 mit ben übrigen 9Kitgliebern beg Qbergericbtg nah “©locf gelommen
(Wie Qteicßenberg ohne Familie, aber mit eigenen Döbeln) unb Wirb in ben Süonbuiten-
liften ftetg alg fleißig, orbentlicß, grünblicb unb oon mufterbaffer Rührung beacicbnet.
®a eine »rioate 93eaiebung biefeg Kollegen unb ßanbgmanng au Äoffmann ficb nur aug
biefer ^onaept-SZlbbreoiafur erfcßließen läßt, fo haben wir ihn abitcßtlicb oben in 13 nicht
genannt.
452
[ 66 ]
des Clavecinistes eine Sonate — oieUeicht biefelbe (in As dur), bie am
5. 3anuar an Schott gefanbt unb oon biefem moht nicht angenommen mar 1 ).
3n benfelben Tagen, um ben 1. SDtörj herum, braute iöoffmann eine ber
„ffurrtlen 3been" ju Rapier, auf bie ihn bag Tafchenformat beg geplanten
Safirenbuchg gebracht hatte: ‘©ie l 3 : euergbrunff. ©in ©ofen@emählbe oon
9?embranb’, eine froh beg Keinen gormateg forgfältig angeführte 93leiftift*
jeichnung mit einer größeren Teyfbeigabe, bie bag angebliche alte 93ilb in
ßichfenbergg 9lrt behaglich pfpchologifch augbeufef.
9lm 10. SOtörä traf enblid) bag am 16. Februar oolljogene 93erfehungg-
reffript ein. Äoffmann malte ftch an, mie er „imiöain non ßajffi unb in
ben breiten Alleen beg Sächftfchen ©arteng" ftch 3 U grofjen Werfen begeiftern
merbe (an Äippet 205). 3m Vorgefühl biefeg ©lüefeg begann er noch in
"Plocf bie oorläuftge 9?einfchriff beg Singfpielg im t 90 , ligcellaneen’"93uch; er be¬
titelte bag auf jmei 9lfte berechnete Stüd ‘©er Renegat 1 . Selber bie
9deberfchriff, auf bereu Titelblatt ftc^ bie ©aten „SKärj 1804" unb „22 90?ärg"
finben, bricht in ber 5. Sjene mit ber erften 3cile eineg öuarfeffg ab; oon
ber SERuft? fdE>eint feine 9?ote gefdhrieben ju fein.
Ob ein ametteg Singfpielfragment, c $auffina’, noch in bie ^locfer
3eit jurüdgepf, iff ungemifj; man mirb eg big auf meifereg annehmen bürfen,
ba iooffmann, mie mir gleich feh«n merben, in 9ößarf<hau sunächft feine ^JCRufje
für fünftferifche Arbeiten fanb.
93on O^aegeli fam, mie eine betrübte 9?anbbemerfung jum 93rieffonjept
oom 4. SSftärj ung jeigt, biegmat überhaupt feine 9lntmort. Ob Erblich
menigfteng bag 90£anuffript beg ßuftfpielg jurücfgefanbt hat, ift nicht befannt.
3m 9lpril bürften iooffmanng nach 9öarfdpau umgejogen fein, ©ort ift
& off mann bann trop aller guten 93orfä$e im erften halben 3ahre ju feinem
größeren 9öerf gefommen: bie Slrbeit in 3mil- unb ^riminalprojeffen hinberte
bie 91ugführung ber beiben im Februar gefaxten ^läne; ober, mie Äoffmann
anfchautich an Äippel fchreibt (205/06), ber 9?iefe ©argantua lag erfcplagen
unter achfunbjmanjtg 93ünben Äonfurgaften, unb ber Renegat ächzte unter
ben Elften für brei Totfchlaggprojeffe. Hnferbeg ging bem jungen Zünftler
ein neueg ßeben auf im Umgänge mit SSJluftlern unb SQfaijtffreunben mie 'Srans
9lbam SOiorgenroth unb 'griebriep 9Bilhelm SOiogqua, mit ©ichtern unb
'Steunben ber ©ichtfunft mie 3a<hariag 9Berner, Äeinrich ßoeff unb ©buarb
3his; unb alg er im ©ejember 1804 ein Singfpiel fomponierte, ba hunbelte
eg fich meber um ben 'Renegaten 1 noch um bie ‘^auftina’, fonbern um
©lerneng 93renfanog duftige 93?uf?fanten’.
©te Pltitoort bittet er an ben SR[egierung$rat 93©fc in ^locf ?] au abreffieren.
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bet: erften ©jene be§ Renegaten’.
455
[Zwei Sammlungen Hoffmannscher Erzählungen]
E. T. A. Hoffmann. ‘Phantastische Geschichten.’ Ausgewählt von
Mira Antonia D e u t s ch. Eingeleitet von Ferruccio B u s o n i. Mit einem bio¬
graphischen Nachwort von Georg G o y e r t. Illustriert von Ernst Stern.
(München, Georg Müller.) - ‘Das Grausen’. Unheimliche Geschichten von
E. T. A. Hoffmann. Herausgegeben von Theodor Albert Ritter v. R i b a. Mit
Bildern von Helmuth Stockmann. (Berlin, Borngräber.)
Die Borngräbersche Auswahl bietet sechs Erzählungen: zwei aus den
‘Phantasiestücken’, drei aus den ‘Nachtstücken’ und — sehr überflüssigerweise
— eine aus den ‘Serapionsbrüdern’, die Hoffmann selbst als schlechte Wieder¬
holung einer (hier gleichfalls gebrachten) älteren Arbeit charakterisiert hat.
Immerhin ist die Sammlung unter einem bestimmten Gesichtspunkt aus¬
gewählt und gewinnt so an Einheitlichkeit, was sie an Vielseitigkeit einbüßt;
zu protestieren ist weniger gegen die klare, wenn auch einseitige Absicht der
Zusammenstellung, als gegen den kolportagehaften Titel und die den Dichter
kompromittierende Behauptung auf dem Umschläge, daß der Band „Das Beste
aus den Werken“ Hoffmanns enthalte. Die besten seiner Schriften sind nach
Hoffmanns eigener Schätzung, der man nur beistimmen kann, nicht diese
Gruselgeschichten, sondern einerseits die mystisch-symbolischen Märchen,
andererseits die Bekenntnisdichtungen, wie die Biographie Kreislers. Die Illu¬
strationen sind belanglos; sie suchen Preetorius mit Beardsley zu vereinigen,
kommen aber über einen matten Akademismus ä la Bayros nicht hinaus.
Die Georg Müllersche, um die Hälfte umfangreichere Auswahl bringt 14
meist kürzere Erzählungen, darunter zwei kleine gute (‘Don Juan’ und
‘Haimatochare’) und neben Mittelgut mehrere von den allerschlechtesten; ein
Prinzip der Auswahl ist so wenig zu erkennen wie eins der Anordnung (auf
den ‘Don Juan’ von 1812 folgen unmittelbar die ‘Räuber’ von 1821). Das
biographische Nachwort ist wertlos (es wird zweimal versichert, Hoffmann sei
„Theaterdirektor“ in Bamberg gewesen; die beiden entscheidenden inneren
Erlebnisse Hoffmanns, die glückliche Liebe zu Frau Hatt und die unglückliche
zu Julie Mark, sind Herrn Goyert unbekannt geblieben); dagegen sind Sterns
Illustrationen, wenn nicht mit Liebe, doch mit Geist und Schmiß gemacht,
und Busonis Bemerkungen über Hoffmanns Technik sind so, wie man sie von
diesem feinen und gründlichen Kenner Hoffmanns erwartet.
Hans v. Müller.
457
ZWEI EXKURSE ZUM RITTER GLUCK’
Quelle idee Hoffmann se fait-il de la folie? D’oü vient-elle? Et n’a-t-elle
point une valeur plus haute que celle que lui accorde l’opinion populaire?
Serapion declare ä ceux qui veulent le convertir ä la raison qu’il mene depuis
de longues annees une vie tranquille et contemplative, en paix avec Dieu et
avec la nature; le monde exterieur lui est ferme, le monde de l’äme ne s’en
epanouit que plus magnifiquement sous ses yeux: car la folie est un moyen de
connaissance spirituelle . . . Folie, Sympathie, reve, somnambulisme, ce sont
aux yeux des theoriciens du temps autant de termes presque equivalents,
exprimant au point de vue metaphysique et mystique un mode de conscience
plus directe de la realite cachee, une relation immediate avec l’au-delä . . . „II
est caracteristique, dit Euphemie dans les ‘Elixirs’, que souvent des alienes,
comme s’ils etaient en rapport plus etroit avec l’Esprit, et bien que sous
l’impulsion d’un principe spirituel etranger, penetrent ce qui est cache au fond
de nous, et l’expriment en accords etranges“ (Grisebach II, 64). Mais pour
Hoffmann c’est de l’au-delä que les alienes tiennent cette faculte de divination,
c’est de la Puissance superieure qui dispose ä son gre de la force spirituelle dont
nous ne sommes ici-bas que les depositaires et non les possesseurs (VI, 23); c’est
son caprice qui nous envoie la folie; mais eile reserve ä ses victimes de soulever le
voile d’Isis.
Paul Sucher.
Im Jahre 1808 erschien in den Schlußbänden der ersten Cottaschen Gesamt¬
ausgabe von Goethes Werken u.a. der vollständige Text des ersten ‘Faust’-Teiles,
und darin von bisher ungedruckten Stücken Faustens zweites Selbstgespräch (mit
dem Selbstmordversuch), der Osterspaziergang und der darauf folgende dritte
Monolog (mit Mephistopheles als fahrendem Schüler), Valentins Tod, die Wal¬
purgisnacht und die drei letzten, schon in der Sturm-und-Drang-Zeit konzipierten
Szenen, insbesondere der schauerliche Abschluß bei der wahnsinnigen Kindes¬
mörderin im Kerker.
Im selben Jahre zeigte Goethes junger Rivale Kleist im ‘Phöbus’ eine Schatz¬
kammer von Herrlichkeiten: die ‘Marquise von O. ’ und Proben aus dem ‘Käthchen
von Heilbronn', dem ‘Zerbrochenen Krug’, dem ‘Robert Guiskard’, der ‘Penthe¬
silea’, dem ‘Kohlhaas’.
In diesem großen Jahre der deutschen Romantik - denn auch die neuen ‘Faust’-
Szenen sind durchweg romantischen Charakters; klassisch sind von den zwölf hier
genannten Texten wohl nur der Osterspaziergang und der Kohlhaas - gab ferner
Friedrich Schlegel sein Buch ‘Von Sprache und Weisheit der Inder’ heraus, aus dem
die europäische Philosophie und Sprachwissenschaft, die seit zweitausend Jahren
nach Griechenland geblickt hatten, von höherer Warte aus weiter nach Osten
schauen lernten. Der Benediktiner Thaddeus Anselm Rixner veröffentlichte — als
deutsche Übersetzung der 1801 —02 von Anquetil-Duperron in lateinischer Sprache
458
mitgeteilten Upanischads — den ‘Versuch einer neuen Darstellung der uralten Indi¬
schen All-Eins-Lehre’. Und schließlich erschienen 1808 G.H. Schuberts ‘Ansichten
von der Nachtseite der Naturwissenschaften’.
Dieses Jahr war es, in dem Hoffmann, im dreiunddreißigsten Lebensjahre, den
‘Ritter Gluck’ schrieb, seine erste romantische Erzählung (und die früheste größere
literarische Arbeit von ihm, die auf uns gekommen ist). Ältere und neuere Deu¬
tungen des schwer zu fassenden Werkes legen wir im ersten Exkurse dar; über
Hoffmanns Vorlage und über einen zweiten Plan ähnlicher Art berichten wir im
zweiten Exkurs.
Hoffmann sandte das Manuskript am 12. Januar 1809 an Friedrich Rochlitz, der
den Anstoß zur Erfindung gegeben hatte, und bat ihn mit versteckter aber umso
wirksamerer Schmeichelei (s. den zweiten Exkurs) um Aufnahme des Werkchens in
die Allgemeine Musikalische Zeitung. Der Redakteur mochte die Arbeit seines Lesers
nicht ablehnen, wenn er ihr auch einige Zähne ausbrechen zu sollen glaubte. So
zurechtgemacht erschien der ‘Ritter Gluck’ am 15. Februar.
459
ERSTER EXKURS
PERSÖNLICHKEIT UND VORSTELLUNGEN DES UNBEKANNTEN
I. Die Persönlichkeit
Wir führen im folgenden zunächst die bisher vorgebrachten Deutungen 1 vor und
schalten in der Regel die sich zunächst aufdrängenden Einwendungen gleich ein.
Dann legen wir unsere eigene Auffassung dar und begründen sie im Zusammen¬
hang. Wiederholungen lassen sich dabei nicht vermeiden; doch hoffen wir Verzei¬
hung dafür zu erlangen, da die neue Auffassung des Stückes hier zum ersten Male
ausführlich dargelegt wird.
Der Unbekannte gilt
1) für Gluck selbst, u. z.
a) für den noch normal lebenden Gluck (so bei Contessa und Menzel),
b) für den nicht gestorbenen, sondern infolge eines Fluches nach Art des
ewigen Juden ewig weiterlebenden Gluck (so die eigene Meinung des Hel¬
den und die des v. Klg. in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung),
c) für den aus dem Jenseits auf die Erde zurückgekehrten Geist des 1787
verstorbenen Gluck (so Wildenbruch, Wolzogen, Grisebach, Ellinger);
2) für eine nur in der Phantasie des Erzählers existierende Halluzination, der
objektiv keinerlei Realität entspricht (so Klinke);
3) für einen gut 50jährigen, also um 1755 geborenen Mann, der die fixe Idee hat
Gluck zu sein (so mit dem Verf. selber Pniower und Cerny).
1 a. Der unbekannte ist der noch normal lebende Gluck.
Contessa, ‘An den Herrn Kammergerichtsrath Hofmann [sic] in Berlin’ (Rheini¬
sches Taschenbuch für das Jahr 1820 [Darmstadt, Heyer & Leske] S. 184 f): „Ich
habe mir auch in diesen Fantasiestücken sonst viele wunderliche Dinge gefallen
lassen, wie z.B. den Ritter Gluck, mit dem Sie unter den Zelten in Berlin gesessen
haben wollen, obgleich die ganze Welt weiß, daß dieser Mann bereits Anno 1787
den I5ten November in Wien verstorben ist; denn hier, merkte ich wohl, lag eine
satyrische Absicht versteckt“.
1. Ellinger befindet sich im Irrtum, wenn er in seiner Ausgabe der Werke Hoffmanns (1. Aufl.
Bd. 15, S. 148) die von ihm vertretene Gespenstertheorie (s. unter 1 c) für „die bisher all¬
gemein geltende Auffassung“ hält. Wie wir zeigen, bestanden daneben zwei verwandte Auf¬
fassungen (s. unter 1 a und b) und eine völlig abweichende (s. unter 2).
460
Contessa nimmt also — vermutlich im Scherze — an, daß Hoffmann den Leser
mittels eines groben Anachronismus mystifizieren will. Einen Scherz von genau
dieser Art hat Hoffmann in der Tat wenige Tage nach der Absendung des ‘Ritters
Gluck’ in Bamberg zu Papier gebracht und wohl bei Gelegenheit seinen Berliner
Freunden zum besten gegeben. Er erzählt dort, wie ein aus Spanien stammender
Knabe unter Förderung Friedrichs des Großen herangebildet wird und es wirklich
zum Justizbürgermeister von Stargard bringt, dann aber in seine Heimat zurück¬
kehrt und sich dort als Dramatiker auszeichnet; ganz zum Schluß ergibt sich, daß
dieser Wunderknabe — Calderön ist, (der doch bekanntlich bei Friedrichs Geburt
schon über 30 Jahre lang tot war). Es ist nicht ganz unmöglich, daß Hoffmann im
Januar 1809 diese Schnurre als eine Art Parodie zu seinem Gluck konzipiert hat;
beim Gluck selbst ist an etwas ähnliches natürlich nicht zu denken, da es hier
offenbar auf alles andere als auf einen Witz abgesehen ist.
Wolfgang Menzel, ‘Deutsche Dichtung von der ältesten bis auf die neueste Zeit’
(Stuttgart, Krabbe) Bd. 3 (1859), S. 360: „Der Enthusiast trifft im Berliner Thier¬
garten mit einem alten Herrn zusammen und spricht mit ihm über Musik, trifft ihn
wieder im [!] Theater bei der schlechten Aufführung der Gluck’schen Armide und
wird von ihm in sein Haus mitgenommen. Hier spielt derselbe die Armide selbst
aufs genialste dem Enthusiasten vor und giebt sich ihm dann als der Ritter Gluck
zu erkennen“.
— Menzel scheint anzunehmen, daß Gluck damals in Berlin wohnte. Maassen
weist in Bd. 1 seiner Hoffmann-Ausgabe S. 481 daraufhin, daß Gluck bekanntlich
schon 1787, u. z. in Wien, gestorben war. S. XV sagt er Note 2: „Daß Hoffmann in
Gluck nicht den Komponisten selbst geschildert hat, braucht kaum betont zu
werden.“ Aber wen oder was Hoffmann tatsächlich geschildert hat, wird mit kei¬
nem Worte erörtert.
1 b. Der Unbekannte ist der nach Art des ewigen Juden weiterlebende Gluck.
1807 hatte der Unbekannte geschildert, wie er qualvolle Jahre im Reiche der
Träume verlebt habe. 1808 erzählt er seinem Gast, danach habe er die ‘Armida’
geschrieben. Das sei von einer höheren Macht als Indiskretion angesehen, „und eine
eiskalte Hand faßte in dies glühende Herz. Es brach nicht ; da wurde ich verdammt,
zu wandeln unter den Unheiligen wie ein abgeschiedener Geist - gestaltlos, damit
mich niemand kenne“.
Der Unbekannte erklärt also ausdrücklich, er, Gluck, sei nicht gestorben, aber -
ganz wie Ahasver — verdammt, wie ein abgeschiedener Geist unter den Menschen
zu leben. In der Tat hat Hoffmann einen derartigen Fall später in der ‘Brautwahl’
dargestellt. Der Goldschmidt Leonhard ist hier, wie aus seiner Rede an Albertine
im 6. Kapitel hervorgeht, tatsächlich der weiterlebende Leonhard Tumhäuser aus
dem 16. Jahrhundert, wie Manasse der weiterlebende Lippold ist. So hat nun der
Rezensent der ‘Jeanischen Allgemeinen Literatur-Zeitung’ (er unterschreibt sich v.
Klg. 1 ) im Dezember 1815 auch den Helden unserer Geschichte aufgefaßt. „Gluck
ist zum Schicksal des ewigen Juden verdammt . . . Die Gestalt dieses Gestaltlosen
1. Es handelt sich, wie neuerdings festgestellt wurde, um den Historiker Karl Ludwig v. Wolt-
mann (1770-1817), der 1795-97 als a.o. Philosophieprofessor in Jena gewirkt hatte, dann
als Diplomat tätig war und seit 1813 in Prag lebte. [F.S.]
461
[oder soll dies bloß hier heißen: seiner wahren Gestalt beraubten? ] malt der Ver¬
fasser übrigens mit genauen Zügen aus, und wir geben seine Schilderung als eine
Probe von seinem Unvermögen, trotz aller Genauigkeit des individuellsten Details
das innere Wesen [Glucks!!] aus der äußeren Erscheinung hervortreten zu lassen.
[Folgt die Schilderung, die der Enthusiast von dem Sonderling in Webers Garten
Unter den Zelten gibt: Fantasiestücke 1 I 14 f.]. Wer hat Glucks Musik, wer von
seiner Art gehört, und findet diese Vorstellung des großen Meisters nicht höchst
lächerlichl Aber die Beschreibung seines Behabens : seine schwülstigen phantasti¬
schen Reden; sein Euphon, der klingt und nicht klingt; die Art wie er sich be¬
nimmt, als einige Bierfiedler die von ihm geforderte Ouvertüre der Iphigenie aus¬
führen — bilden einen noch lächerlicheren Kontrast so mit Gluck selbst als sogar
mit dieser [a. a. O. geschilderten] Figur, worin ihn [Gluck] freilich niemand auf
Erden erkennen wird“.
- Wir können nicht umhin, diese Beobachtungen weit gewissenhafter zu finden
als die in den letzten dreißig Jahren gemachten, auf Grund derer immer wieder
versichert wird, Gluck sei in der Schilderung des „Sonderlings“ frappant getroffen
und man wundere sich daher gar nicht, wenn dieser zum Schluß sich als Gluck
vorstelle. Es liegt hier ein interessanter Fall von Massensuggestion infolge einer
vorgefaßten Ansicht vor. Hoffmann wollte den Leser durch Häufung extremster
Wunderlichkeiten spannen und eine ganz unerwartete Lösung vorbereiten; aber bei
den Lesern, die die Überzeugung mitbringen, daß Gluck gemeint sei und daß der
historische Gluck sich auch wohl ungefähr so benommen und ausgedrückt habe,
hat er seinen Zweck auf das verzweifeltste verfehlt.
Nein, der gestrenge Herr v. Klg. hat durchaus Recht, daß der Unbekannte bei
aller Würde mehr eine Parodie auf Gluck als ein Abbild desselben ist. Unrecht hat
er nur mit der Voraussetzung, die er mit den modernen-Lesern teilt, daß Hoffmann
ein Abbild Glucks habe geben wollen. Kurz vor der ‘Brautwahl’, in der der durch
einen übernatürlichen Eingriff weiterlebende Turnhäuser und sein Gegenspieler auf-
treten, ist die Erzählung von dem Grafen von P. aus M[ünchen] geschrieben, der
sich für den heiligen Serapion hält. Dieser, nicht Turnhäuser und Lippold, ist das
Gegenstück zu unserm Helden. Wie Lippold auf dem Neumarkt zu Berlin gevierteilt
ist, so erlitt der heilige Serapion „unter dem Kaiser Decius das grausamste Mär¬
tyrerthum. Man trennte bekanntlich die Junkturen der Glieder und stürzte ihn
dann vom hohen Felsen herab.“ Als man dies aber dem Grafen von P. vorhält,
erwidert er: „Die Allmacht Gottes hat mich mein Märtyrerthum glücklich überstehen
lassen . . . Ein heftiger Kopfschmerz und ebenso heftiges Ziehen in den Gliedern -
nur das allein erinnert mich noch zuweilen an die überstandenen Qualen.“ Eine
entsprechende Wahnvorstellung hat der Held unserer Geschichte. Doch ehe wir das
ausführen, wenden wir uns den Deutungen unserer älteren Zeitgenossen zu.
1 c. Der Unbekannte ist der Geist des 1787 verstorbenen Gluck.
— Es liegt auf der Hand, daß diese Auffassung nur erträglich ist, wenn man sich,
wie Hans von Wolzogen, auf die Schlußszene beschränkt, oder wenn man, wie der
Dramatiker Wildenbruch, kühn aus den beiden Teilen, die 1807 und 1808 spielen
und durch mehrere Monate getrennt sind, einen dritten macht, der an einem
Abend des Jahres 1809 spielt.
Ein solches einmaliges Gastspiel, das Glucks Geist in Berlin absolviert, um sich
ein für alle Mal mit seinem Verehrer, dem Erzähler, auszusprechen, könnte man
462
sich allenfalls gefallen lassen. Auch Ellinger läßt in seiner Biographie Hoffmanns
von 1894 (S. 81 f.) die Geschichte (die, wie Ellinger wußte, im Februar 1809
erschienen ist) sich innerhalb weniger Tage des Herbstes 1809 abspielen.
Wolzogen, Bayreuther Blätter, April/Mai 1895, S. 13 (wiederholt ca. 1906 in der
Deutschen Bibliothek Bd. 63, S. 23/34): Jene wunderbare Erscheinung des längst
gestorbenen Gluck“ . . . „wie unmittelbar lebendig und wahrhaftig erscheint uns
der Meister der ‘Alceste’ hier im geheimnisvollen Abenddunkel an seinem Klavier,
sodaß eben dadurch seine nur noch gespenstische Existenz . . . über alle Maaßen
geisterhaft, nämlich völlig dichterisch-phantastisch wird!“
Grisebach (1899) XXXVIII: „Das Hineinragen einer fantastischen . . . Geister¬
welt in das Alltägliche . . . ist. . . dargestellt.“
Wildenbruch (1901): „sind Sie je bei den Zelten vorbeigegangen, ohne daß Ihnen
die sonderbare Erzählung eingefallen wäre, wie dort, im Jahre 1809, mitten unter
dem Berliner Kaffeepublikum der bereits 1787 verstorbene »Ritter von Gluck«
erscheint , sich über die schlechte Musik ärgert und [von den Zelten aus!] mit dem
Erzähler tief in der Nacht[!] nach Haus geht, um ihm, in dem er einen Geistes¬
verwandten erkennt, auf einsamer Stube seine Armida vorzuspielen? “
Ellinger (1912) Bd. 15, S. 148: „man hat. . . anzunehmen, daß es der zur Erde
[u. z. ausgerechnet nach Berlin!] zurückkehrende Gluck selbst ist, der dem Dichter
erscheint“.
Die Hypothese wirkt absurd, wenn man Hoffmanns Erzählung aufmerksam liest:
man erfährt dann, daß der Unbekannte eine feste Wohnung mit eigenen Möbeln in
Berlin innehat und erst im Herbst 1807, dann im Winter 1808 mit dem Erzähler
zusammentrifft. So viele Umstände wird sich doch der verehrungsbedürftigste Geist
nicht um einen Adepten machen.
2. Der Unbekannte ist gar nicht vorhanden,
sondern existiert nur in der krankhaften Phantasie des Erzählers.
Den Übergang von der vorigen Deutung zu der jetzt zu behandelnden bieten
Darstellungen unserer Geschichte, die zweideutig bald von „Geist“, bald von
„Vision“ reden. So heißt es im Juni 1815 in der Besprechung der ersten drei Bände
der ‘Fantasiestücke’, die in der Höllischen ‘Allgemeinen Literatur-Zeitung’ er¬
schien: „Der Verfasser läßt seinen [Glucks] abgeschiedenen Geist, der indes mehr
der Geist seiner eignen Phantasie ist, in dem Geräusch von Berlin erscheinen.
Vision und Wirklichkeit sind hier sehr kühn in Eins verschmolzen.“
Während z. B. Ellinger dem gegenüber unzweideutig den „Alten“ für den durch¬
aus wirklichen, „zur Erde zurückkehrenden“ Geist Glucks deklariert, hat sich auch
ein Ausleger gefunden, der mit gleicher Entschiedenheit umgekehrt den „Alten“
für ein Phantom erklärt, eine Halluzination, eine Ausgeburt der Phantasie des Er¬
zählers. Um zu diesem Ziele zu gelangen, mußte der Kritiker allerdings die äußeren
Vorgänge der sechs Szenen, die von Hoffmann mit bewunderungswürdiger, ja
schlechtweg klassischer Klarheit und Anschaulichkeit dargestellt sind, in einer
Weise verwirren und vergewaltigen, gegen die Wildenbruchs Bearbeitung ein harm¬
loses Unternehmen ist.
Dr. med. Otto Klinke, Oberarzt an der Irrenanstalt zu Brieg, führt 1903 in seiner
Schrift ‘E.T.A. Hoffmanns Leben und Werke. Vom Standpunkt eines Irrenarztes’
(Braunschweig, Sattler) S. 67 f. aus:
463
Der Erzähler „ist ein nervöser, zerstreuter Mensch, der mitten im Konzert nichts
hört “ [ — so fängt die Inhaltsangabe an. In Wirklichkeit ist der Erzähler ein völlig
normaler Mensch, dem die Biermusik fatal ist und der deshalb möglichst weit ab
von ihr Platz nimmt. Doch hören wir weiter:]
„und von den vielen, im Sonntagsstaat herumlaufenden Spaziergängern und
Zuhörern niemand beachtet, sondern seinen Phantasieen nachhängt und grübelt.
Da wecken einzelne, schlecht ausgeführte Oktavengänge der Kapelle seine Auf¬
merksamkeit, und ob er nun durch den Inhalt oder die Rhythmen des vorgeführ¬
ten Tonstückes selbst an Gluck erinnert wird oder ob der Ingrimm über die
schlechte Musik ihn gerade den genialen Reformator der Oper herbeisehnen läßt
- genug, der Gedanke an Gluck verläßt ihn nicht mehr[!], und in Klang und Bild
verfolgt er ihn wie zwangsmäßig. Erst glaubt er nun, eine Weile darauf[!!], einen
gleich-denkenden und -fühlenden Musikverständigen in seiner Nähe sitzen zu
sehen [darum begrüßen sich die Herren wohl zunächst mit Verwünschungen]
und unterhält sich mit ihm, wobei er, gewissermaßen in illusorischer Umdeu¬
tung, das in der Erinnerung noch ganz unbestimmt geschaute Bild Glucks auf
den Unbekannten überträgt und in allgemeinen Zügen andeutet, bis es seiner
Phantasie[!] wieder entschwindet; dann rennt er [einige Monate lang] voller
Unruhe dem Unbekannten nach, immer dabei an Gluck denkend, und glaubt ihn
auch schließlich in der Nähe des Opernhauses abermals zu sehen. Durch die
Nähe des Theaters finden die schon wachgerufenen Vorstellungen über Musik
und Gluck weitere Nahrung und bleiben so übermächtig bei ihm, daß er noch
nach Tagen [nach was für Tagen denn? 1 nicht davon loskommen kann. Die
Phantasie [Klinkes] hat unterdessen lebhaft weitergearbeitet: die Gestalt Glucks
wird immer deutlicher, wie mit Maleraugen, konzipiert und herausgearbeitet; der
Inhalt der Oper Armida, mit der er sich beschäftigt, erweitert sich beim Erklin¬
gen in der Erinnerung[!] zu neuen, gewaltigen Klang-Kombinationen, und nun
tritt ihm, aus dem Dunkel des Zimmers [wohl von Hoffmanns Zimmer? oder
von welchem? ? ], Gluck in vollem Kostüm entgegen.“
- Eine Bemerkung pro domo sei hier gestattet. Wer diese unqualifizierbare
Wiedergabe von Hoffmanns Szenen gelesen hat, der wird hoffentlich zugeben, daß
recht viele Leser — denn Herr Klinke, der 239 Seiten über Hoffmann geschrieben
hat, ist doch wahrscheinlich nicht dessen schlechtester Leser — die anscheinend so
plumpen Behelfe, die wir in unseren Überschriften [zu den einzelnen Szenen des
‘Ritters Gluck’, 1 nämlich I.Im Tiergarten, an einem Oktobersonntag 1807: Im
Garten von Webers ‘Zelt’ — In Webers Gastzimmer ~ Beim Brandenburger Tor;
II. In der Stadt, am 19. Februar 1808: Am Opernhause - Unterwegs - In der
Wohnung des Unbekannten] geben, insbesondere die Hinweise auf Zeit und Ort,
bitter nötig haben.
Also der Irrenarzt Klinke hätte von seinem „Standpunkt“ aus den reisenden
Enthusiasten am Kragen genommen und zur Kaltwasserbehandlung an seinen
Kollegen in der Charite abgeliefert. Gott schütze uns alle vor solchen Diagnosti¬
kern. Denn Herr Klinke hätte es damit unseres Erachtens so getroffen wie der
Zahnarzt, der den gesunden Zahn ausreißt und den kranken daneben stehen läßt:
wir glauben ja auch, daß Wahnvorstellungen in unsere Geschichte hineinspielen, wir
finden sie aber nicht im geringsten bei dem Enthusiasten, sondern bei dem Un¬
bekannten.
1. in der erst 1921 erschienenen Ausgabe der ‘Zwölf Berlinischen Geschichten aus den Jahren
1551-1816. Erzählt von E.T.A. Hoffmann’. [F.S.]
JL
464
3. Der Unbekannte ist ein gut fünfzigjähriger Mann,
der sich einbildet Gluck zu sein.
Die richtige Deutung des Ganzen bricht sich erst im 20. Jahrhundert Bahn,
nachdem zu Neujahr 1903 Hoffmanns Begleitbrief an Rochlitz veröffentlicht
wurde, aus dem sichergibt, daß der Held der Geschichte ein Geisteskranker ist
(s.u. im zweiten Exkurs). Öffentlich vorgetragen ist die Anschauung, zu der ich
mich seit der Auffindung jenes Briefes im Oktober 1901 bekenne, meines
Wissens bis jetzt fünfmal: 1907 von Otto Pniower in den ‘Brandenburgia’
(wiederholt 1912 in der Sammlung ‘Dichtung und Dichter’), 1908 von mir in
den ‘Süddeutschen Monatsheften’ (wiederholt in dem Sonderdruck ‘Hoffmann
und Härtel’ S. 20 f.), 1909 von Carl Schaeffer (‘Die Bedeutung des Musikali¬
schen und Akustischen in E.T.A. Hoffmanns literarischem Schaffen’ S. 108,
137/38, 144), 1912 von Johann Cerny in der Einleitung zu seiner Auswahl von
Hoffmanns ‘Kunstnovellen’ 1 und 1913 von mir in einem kurzen Vortrage in der
Gesellschaft für deutsche Literatur zu Berlin. Cerny ist zugleich der erste, der es
versucht hat, die mystischen Reden des Unbekannten zu erläutern, teilweise mit
großem Glück.
Wir führen im folgenden die Indizien dafür auf, daß der „Alte“
a) nichts mit Glucks Person zu tun hat,
b) ein realer Mensch ist,
c) nervös überreizt ist und
d) an Krampferscheinungen sowie
e) an Halluzinationen leidet.
a) Der Unbekannte ist weder Gluck selbst noch Glucks Geist
noch vom Erzähler als Gluck imaginiert.
Das folgt schon äußerlich aus den Ort- und Zeitangaben. Dem Verfasser als
einem der genauesten Kenner Glucks (und fleißigem Benutzer von Gerbers Ton¬
künstler-Lexikon) war es selbstverständlich nicht nur bekannt, sondern auch jeder¬
zeit gegenwärtig, daß Gluck vor zwanzig Jahren im Alter von dreiundsiebzig Jahren
gestorben war, daß er vorher im Alter von dreiundsechzig Jahren die ‘Armide’ ge¬
schaffen hatte und daß er in Mailand, Wien und Paris, aber nicht in Berlin gewirkt
hatte. Läßt er jetzt in Berlin einen Mann auftreten, der etwas über fünfzig Jahre alt
ist, so ergibt sich daraus, daß weder der Komponist der ‘Armide’ noch dessen Geist
gemeint sein kann.
Bestätigt wird das auf Schritt und Tritt durch das durchweg absonderliche Ver¬
halten des Mannes, das, wie Herr v. Klg. bereits 1815 überzeugend ausgeführt hat,
1. Cerny nimmt an, daß Hoffmann in diesem Falle (wie in dem des wahnsinnigen Malers im
‘Artushof) die fixe Idee des Mannes daraus ableitet, daß der Geist Glucks (resp. Berk-
lingers) von dem Innern seines Verehrers Besitz ergriffen und jede Erinnerung an die eigene
Persönlichkeit daraus verdrängt hat, daß also ein Fall von Besessenheit vorliegt. Diese Deu¬
tung vermittelt in interessanter Weise zwischen der spiritistischen Auslegung und unserer
empirisch-psychiatrischen.
465
überall im auffallendsten Kontrast zu dem Wesen des historischen Gluck steht. Auf
einzelne Punkte gehen wir weiter unten unter c)-e) ein; auf die wilden Phantasien
über die furchtbaren Angsterlebnisse im Reich der Träume vor der Komponisten¬
tätigkeit und über die spätere Verdammung infolge dieser Tätigkeit weisen wir hier
nur kurz hin.
So bezeichnet auch Rochlitz in seiner Rezension der ‘Fantasiestücke’ (in der
Allg. Musikalischen Zeitung vom 17. August 1814) den „keck und sicher gezeich¬
neten Helden dieser Geschichte“ als „neuen Gluck“ im Gegensatz zum „alten,
echten Meister“.
b) Der Unbekannte ist ein realer Mensch —
weder ein Gespenst noch eine Wahnvorstellung des (völlig normalen!) Erzählers.
Belege: Hoffmann war allerdings, von dem „vermaledeiten Orchester“ entfernt, in
Träumerei versunken und hatte es infolgedessen übersehen , daß ein Mann sich an
seinen Tisch gesetzt hatte. Ein ohrenzerreißendes Musikstück bringt ihn aber un¬
sanft zurück in die Wirklichkeit , und das erste, was er in dieser Wirklichkeit be¬
merkt, ist eben sein Nachbar. Zunächst nimmt er diesen mit dem Gehör wahr: der
Mann verwünscht nämlich temperamentvoll sein Pech, „schon wieder“ an einen
Oktavenjäger geraten zu sein. Daraufhin wendet Hoffmann ihm di e Augen zu und
hat Gelegenheit, ihn sich in Ruhe genau zu betrachten; denn der Unbekannte
ignoriert ihn völlig und präpariert „mit sichtbarem Wohlgefallen“ seinen Schnupf¬
tabak.
Mit diesem menschlich-bürgerlichen Idyll vergleiche man Ellingers Beschwörung
von Glucks „zur Erde zurückgekehrten“ Geist und Klinkes Theorie, wonach der
angeblich nervöse Erzähler so heftig an den „genialen Reformator der Oper“
denkt, daß er ihn vor sich sieht. Schnupftabakpräparierend vor sich sieht.
Nicht ungern läßt der „Alte“, wie der zwanzig Jahre jüngere Hoffmann ihn kurz
nennt, sich vom Erzähler zum Burgunder einladen. Nach der darauf folgenden
nervösen Anstrengung durch das fingierte Dirigieren der Ouvertüre stürzt er das
volle Glas mit Einem Zuge hinunter. Nach der zweiten Erregung, die ihm im
Zimmer der mystische Vortrag über das Reich der Träume bereitet, leert er schnell
ein zweites (oder drittes) Glas, das der Erzähler ihm eingeschenkt. Hierauf werden
seine Reden noch rätselhafter; schließlich springt er auf und eilt davon. Eine
Viertelstunde danach zur Rede gestellt, entschuldigt er seine Flucht damit, es sei
ihm zu heiß geworden; einige Monate später wiederholt er: „ich habe Wein getrun¬
ken — habe mich erhitzt — ... ich habe viel ausgestanden“.
Wo gäbe es in der alten oder neuen Literatur ein Gespenst, das Burgunder trinkt,
aber nicht vertragen kann?
Beim Wiedersehn 1808 lädt der Alte den Erzähler in seine bescheidene Woh¬
nung ein, die in einer Querstraße der südlichen Friedrichsstraße im Obergeschoß
eines unansehnlichen Hauses belegen ist. An der Haustüre muß der Mann erst
„ziemlich lange“ klopfen, ehe man ihm öffnet.
Haben Gespenster das wirklich nötig?
Dann wird der Unbekannte als rechtmäßiger Mieter erkannt und unbeanstandet
eingelassen. (NB. Wie mag sich Klinke diese Szene denken? Träumt der Erzähler
das Ganze an seinem Schreibtisch oder in seinem Bette? Oder „rennt“ er seiner
Halluzination auch in jene Querstraße nach und die Treppe hinauf? ) Der Alte
führt den Erzähler in sein verwahrlostes, altmodisch möbliertes Wohnzimmer. Er
holt eine Kerze aus dem Schlafzimmer.
Seit wann muß ein Gespenst sich das Licht erst von seinem Nachttisch holen?
Nachher begibt er sich mit derselben Kerze wieder zurück ins Schlafzimmer und
macht dort eine Viertelstunde lang Toilette, um sich mit AnstanjJj/orstellen zu
können, während Hoffmann im Finstern warten muß.
Seit wann ziehn Gespenster sich zur Toilette zurück?
c) Der Unbekannte ist ein nervös überreizter Mensch,
bei dem heftige Erregungen und tiefe Erschöpfungszustände abwechseln;
also das Gegenteil eines verklärten Geistes oder einer halluzinierten Idealgestalt.
Belege: Die oben erwähnten Anstrengungen bei Reproduktion der beiden Ouver¬
türen und bei den beiden Mitteilungen über das Reich der Träume. Nach jeder der
beiden Ouvertüren fällt er erschöpft mit geschlossenen Augen in sich zusammen
(was ganz gewiß weder einem Geist noch gar einem Idealphantom passieren wür¬
de); nach dem ersten der beiden Vorträge in Webers Gastzimmer muß er sich
längere Zeit sammeln, um seiner Erregung Herr zu werden; nach dem zweiten
endlich läuft er hinaus, da er es in der Hitze, in die Sprechen und Trinken ihn
gebracht, nicht mehr im Zimmer aushält.
Kann man sich etwas Menschlicheres denken? Tut man dem Künstler Hoffmann
nicht das allerschwerste Unrecht, wenn man alle diese feinen, sorgfältig gezeich¬
neten Striche verwischt und nun dekretiert: „ Man hat anzunehmen, daß hier ein
verklärter Geist redet“?
d) Die Erschöpfungszustände, in die der Unbekannte mehrmals verfällt,
leiten uns über zu den eigentlich krankhaften Erscheinungen.
Hoffmann schildert auch diese mit der höchsten Sorgfalt, und es wird für einen
Kenner der psychiatrischen Literatur von 1800 leicht sein, seine Quellen — soweit
sie nicht in mündlichen Mitteilungen Koreffs und anderer Fachleute bestanden —
nachzuweisen.
Äußerlich verrät sich der Zustand des Unbekannten durch zweimal eintretende
Starre des Blickes und durch öfter auftretende Muskelkrämpfe in den Wangen:
Als der Erzähler, noch bevor er den Alten bemerkt, die Oktavengänge ver¬
wünscht, richtet der Mann starr seinen Blick auf ihn, um die Augen dann wieder
niederzuschlagen. Das sonderbare [sonderbar bei Hoffmann = wunderlich mit der
Nebenbedeutung von unheimlich ] Muskelspiel in den eingefallenen Wangen bringt
ein skurriles [fast = narrenhaftes] Lächeln hervor, das sich aufzulehnen scheint
gegen die Melancholie auf der Stirn.
Später, beim imaginären Dirigieren, zehrt erst das Feuer, mit dem eine innere
Wut den wilden Blick entflammt hatte, das Lächeln mehr und mehr weg, das noch
um den halbgeöffneten Mund schwebte; dann kehrt das Muskelspiel auf den
467
Wangen wieder, der Schmerz löst sich in Wollust auf, die alle Fibern ergreift und
krampfhaft erschüttert.
Als in der Wohnung des Unbekannten der Erzähler den Alten erstaunt fragt, ob
er Glucks sämtliche Werke besitze, antwortet der Alte nicht, „aber zum krampf¬
haften Lächeln verzog sich der Mund, und das Muskelspiel in den eingefallenen
Backen verzerrte im Augenblick das Gesicht zur schauerlichen Maske. Starr den
düstern Blick auf mich gerichtet, ergriff er eins der Bücher“.
e) Der Unbekannte hat ferner wiederholt ganz bestimmte,
deutlich gekennzeichnete Halluzinationen. Über die akustischen sprechen
wir im folgenden zweiten Exkurs. Optische treten zweimal auf:
Während er an einem Gartentische sitzt und weit entfernt davon fünf oder sechs
elende Musikanten aufspielen, glaubt er an einem Flügel zu sitzen und von dort aus
das Opernorchester von Berlin, Wien oder Paris zu dirigieren. Das wird uns genau
geschildert. Am Schluß erklärt er: „Ich bin mit der Aufführung[!] zufrieden. Das
Orchester hielt sich brav.“
In seiner Wohnung glaubt er die Musik, die er spielt, von den Notenblättern
abzulesen , obwohl diese unbeschrieben sind. Er ermahnt den Besucher, die Blätter
ja zur rechten Zeit umzuwenden, damit das Spiel nicht unterbrochen werde! Der
andere tut ihm mit der Folgsamkeit eines gewissenhaften Irrenwärters den Gefal¬
len, indem er die Blicke des Spielenden verfolgt. Dann schlägt der Unbekannte
mehrere Blätter hastig um und singt vom leeren Papier Armidens Schlußszene ab.
Mit erbarmungsloserer Deutlichkeit kann man die Halluzination eines Para¬
noikers wohl nicht darstellen. Wen diese Szene nicht in der Tiefe erschüttert, der
sollte die Hände von Hoffmann lassen.
Aber unser Klinke erklärt den Erzähler für verrückt — und er glaubt, Hoffmann
damit ein Kompliment zu machen . . .
II. Der ‘Euphon’
1. Ein Blumenstrauß bisheriger Deutungen.
Ellinger, Biographie S. 178: „Wenn der Ritter Gluck von seinem schaffenden und
genießenden musikalischen Vermögen spricht, so wird dieses zu einer geheimnis¬
vollen musikalischen Seele, einem gewissermaßen von der Persönlichkeit, der es
angehört, unabhängigen lebendigen Wesen, dem sogar ein Name gegeben wird: der
Euphon.“
Klinke, S. 69: Der Euphon ist ,„die Fähigkeit der Musikerseele, sich Klänge bis zu
fast sinnlicher Deutlichkeit vorzustellen“.
Derselbe S. 70 f gegen die eben zitierte Definition Ellingers: „das [wie Ellinger es
nennt] »schaffende und genießende Vermögen« eben jenen Euphon, werden wir
468
medizinisch besser als den Inbegriff aller jener Klangvorstellungen, die das Musiker¬
hirn in sich aufgenommen hat, als sein musikalisches Gedächtnis, als seinen Schatz
musikalischer Erinnerungen und Phantasievorstellungen bezeichnen, wodurch [!]
ihm, bei einer in diesemf!] Gehirnteil vor sich gehenden Erregung, wie sie spontan
sowohl, als durch musikalische Eindrücke der Außenwelt veranlaßt sein kann, die
verschiedensten^] Melodieen und Klänge in oft neuen Kombinationen repro¬
duziert und manchmal vor seinem inneren Ohr bis zu sinnlicher Deutlichkeit ge¬
bracht werden, die das Individuum, wie es bei allen wirklichen oder halluzinierten
Sinneserregungen geschieht, nach außen verlegt, meinethalben, wie Ellinger sagt,
als ein unabhängiges lebendes Wesen empfindet.“
(Nachdem ich dem Leser den Klinke als Epitomator und Diagnostiker vor¬
geführt, wollte ich ihn der Vollständigkeit wegen doch auch noch beim Definieren
und beim Periodenbau zeigen).
Schaeffer, S. 138 (unter Berufung auf Klinke): ,,die Gesamtheit musikalischer
Erinnerungsvorstellungen und musikalischer Ideen“. „Es ist anzunehmen, daß des
Dichters eigene musikalische Erfahrungen den Schilderungen des Ritters Gluck von
dem jenseitigen[? ] Reiche der Träume und vom Euphon ... zu Grunde liegen.“
Ellinger, Bd. 15 der Ausgabe von Hoffmanns Werken, S. 149: „die schaffende und
reproduzierende Kraft des Musikers“.
Cerny, Kunstnovellen, S. 9 letzte Note: „der personifizierte Geist des musikali¬
schen Wohllauts, entsprechend dem »versteckten innem Poeten«, von dem Hoff-
mann ... so häufig redet.“
Grisebach und Maassen ignorieren klüglich das Problem.
Im übrigen ist, wie man sieht, so ziemlich auf alles geraten, was mit Musik
zusammenhängt: auf Wohllaut, Schaffenskraft, Vorstellungsvermögen, Gedächtnis
und Genuß. Gründe sind, soviel ich sehe, nicht für eine einzige dieser fünf Deutun¬
gen angegeben.
2. Die pathologische Erklärung.
Betrachten wir den Zusammenhang, in dem der Begriff auftritt.
Der Unbekannte eilt nach dem ihn tief erregenden Bericht, den er in Webers
Zimmer beim Burgunder von seinen Angst- und Glücks-Erlebnissen im „Reich der
Träume“ gegeben, ins Freie, weil „der Euphon“ ihn quält. Er berichtet zweimal
darüber:
a) eine Viertelstunde später beim Brandenburger Tor:
„Es wurde zu heiß, und der Euphon fing an zu klingen.“
,Jch verstehe Sie nicht!“ . . .
„Hören Sie denn nichts?!“
,JSlein.“
Es ist vorüber!“
b) einige Monate später, in der Friedrichsstraße:
„wir sprachen viel — ich habe Wein getrunken — habe mich erhitzt - nachher
klang der Euphon zwey Tage hindurch — ich habe viel ausgestanden — es ist
vorüber!“
469
Es ergibt sich aus diesen beiden Stellen,
1. daß — was allgemein zugegeben ist — das Klingen des „Euphons“ eine rein
subjektive Erscheinung ist, von der der Unterredner nichts wahrnimmt;
2. daß diese Erscheinung dem Kranken unangenehm ist (er läuft ins Freie, wie
sie eintritt; er hat viel auszustehen dabei);
3. daß sie durch Aufregung beim Sprechen und den Genuß starken Weines her¬
vorgerufen wird;
4. daß der Unterredner, der in der Auffassung mit Hoffmann identisch ist, das
Wort Euphon nicht kennt und sich bei den Äußerungen des Kranken nichts
denken kann.
Offenbar handelt es sich also um einen zunächst physiologischen Vorgang, ein
unangenehmes heftiges Ohrenklingen (man kann an den beiden zitierten Stellen in
diesem Sinne „das Ohr“ für „den Euphon“ einsetzen) oder Ohrensausen, das den
Kranken bei Erregung und Erhitzung befällt. Der Kranke ist allerdings — wenn
auch anscheinend nur vorübergehend - geneigt, diesen Klang als eine von außen
kommende Stimme zu deuten; denn er wundert sich, daß der andere ihn nicht
auch hört. Wie Maupassants Kranker seine Zwangsvorstellung den Horla nennt,
nennt unser Kranker die seinige euphemistisch den Euphon.
Für Hoffmann selbst hat dieser wahnschaffene „Euphon“ so wenig eine Realität
wie die Wunderdinge, die der Kranke erst im „Reich der Träume“ (Szene in Webers
Gastzimmer) und dann nach der Komposition der ‘Armida’ (Szene in der Wohnung
des Unbekannten) erlebt haben will.
Schwieriger zu erklären ist das Auftreten des „Euphons“ in dem zweiten Zu¬
sammenhänge, beim Anhören großer Opern. Der Unbekannte hatte sich, wie er am
Brandenburger Tor berichtet, zum Anhören des ‘Don Juan’ durch Fasten berei¬
tet 1 , weil seiner Erfahrung nach „der Euphon von diesen Massen 2 viel zu sehr
bewegt wird und unrein anspricht “. Das kann wohl nur heißen, daß „das Ohr“ des
Sprechenden, d.h. sein reizbares Gehör, von der Fülle der Orchesterklänge verwirrt
und überwältigt wird, so daß er nicht zum Genuß reiner Melodien kommt: er
trainiert sich deswegen dafür durch Fasten, vermeidet also vorher Wein- und
Fleischgenuß, um seine Nerven möglichst widerstandsfähig zu halten.
III. Ergebnis: Lebensweise und Vorstellungen des Helden
Der Pseudogluck ist ein Musiker, der in Berlin lebt als einsamer, menschen¬
scheuer Junggesell. Er ist Mitte der 50er Jahre geboren, steht also im Alter zwi¬
schen Reichardt und Zelter. Er haust innerhalb eines geerbten prächtigen Mobiliars,
an dem er nichts ändert: ganz wie später der Sonderling Peregrinus Tyß in
1. 1813: „durch Fasten und Gebet“ - vielleicht aus einer etwas veränderten Auffassung her¬
aus hinzugesetzt.
2. Der gleiche Ausdruck bezüglich der ‘Undine’ in Hoffmanns Brief an Adolph Wagner vom 25.
November 1817.
470
Frankfurt zwischen dem elterlichen Hausrat. Er lebt und webt in Gluckschen
Ideen. In Ermangelung von dessen Partituren hat er sich ein Ries Notenpapier in
Prachtbände binden und die Titel von Glucks Werken in Gold auf die Rücken¬
schilder setzen lassen. Er glaubt, daß diese Bände Glucks Werke enthalten, und
bildet sich schließlich ein, daß er selber Gluck ist. Seitdem trägt er sich auch wie
Gluck, wenn er Sonntags ausgeht oder ausnahmsweise Gäste empfängt. Da er je¬
doch (als Rest einer „Hemmung“) das dunkle Gefühl hat, er dürfe sich nicht öffent¬
lich als Gluck zu erkennen geben, so trägt er einen modernen weiten Überrock über
dieser Maskeradentracht, wenn er incognito auf den Straßen wandelt.
Im übrigen ergibt sich sein „System“ d.h. der Inbegriff der bei ihm fest geworde¬
nen Wahnvorstellungen aus den beiden Vorträgen, die er dem Erzähler über sein
Leben macht: vor der Komposition der ‘Armida’ weilt er Jahre lang im „Reich
der Träume“ und hat dort furchtbare Angstvorstellungen, die von wenigen seligen
Momenten unterbrochen sind; nach der ‘Armida’ bestraft eine überirdische Macht
ihn für seinen Verrat dadurch, unerkannt und von Zeit zu Zeit von dem Euphon
gequält unter den Menschen zu leben. Der Pseudogluck selbst glaubt das alles Wort
für Wort, insbesondere sind für ihn die Jahre der Angst und die Augenblicke der
Seligkeit im Reich der Träume, die Persönlichkeiten der geharnischten Ritter
Grundton und Quinte und des sanften Jünglings Terz, das Auge, die Orgel und die
Sonnenblume ebensolche Realitäten wie in der jetzigen Phase der Krankheit der
Klang des Euphons; und daß ihn in Berlin keine Seele als den berühmten Gluck
erkennt, kann der Unglückliche sich nur als Wirkung eines bösen Zaubers erklären.
Aber Hoffmann ist weit entfernt davon, uns eine dieser Vorstellungen sugge¬
rieren zu wollen. Wir sollen zwischen den sachlichen Bemerkungen des Helden (die
ja leider zum Teil von Rochlitz beseitigt sind) und den erschütternden Offenbarun¬
gen seiner Kunst ausgesprochene Wahnreden hören und sie als Wahnreden bewer¬
ten. Freilich überläßt es Hoffmann dem geneigten Leser, hinter diesen Reden etwas
Tiefes zu ahnen und sie, so gut ein jeder es vermag, als Symbole zu nehmen:
welcher Romantiker und welcher Musiker wäre nicht glücklich bei der Vorstellung,
die Imagination des Zuhörers oder der Zuhörerin mitarbeiten zu lassen? Wer will,
mag ja auch die letzten Lieder Ophelias und Gretchens deuten oder, um der Sache
noch einen Schritt weiter auf den Leib zu rücken, die letzten Gedichte Hölderlins
und die Gemälde William Blakes. In der Tat könnte man sich die Erlebnisse des
Pseudogluck von diesem dargestellt denken oder von einem aus den Fugen gegan¬
genen Philipp Otto Runge.
471
ZWEITER EXKURS:
EINE PATHOLOGISCHE FIGUR BEI ROCHLITZ
ALS PROTOTYP VON HOFFMANNS WAHNSINNIGEN MUSIKERN
Als Hoffmann am 10. Mai 1808 dem Musikkenner Rochlitz seine Trois Canzo-
nettes sandte und über seine Bamberger Pläne berichtet, versäumte er nicht, dem
Dichter Rochlitz zu huldigen: er sprach die Hoffnung aus, daß ihm dieser später,
wenn er, Hoffmann, seinen Künstlerruf begründet habe, ein von ihm gedichtetes
Singspiel anvertrauen möchte. „Wie sehr würde ich mich beeifem, meine Musik
einem Texte, der sich gewiß so sehr von den gewöhnlichen Machwerken auszeich¬
nen würde, an die schöne Musik verschwendet wurde, anzugleichen.“ Zur Probe legt
er ein kleines — natürlich Rochlitzisches — Lied bei, „dessen Melodie ich so, wie sie
gesezt ist, gleich bey dem Lesen der höchst interressanten Verse dachte“.
Als er jetzt am 12. Januar 1809 das Manuskript seiner ersten romantischen
Erzählung an Rochlitz sandte zur Aufnahme in die Allgemeine Musikalische Zei¬
tung, erklärte er freilich zunächst, daß ihr „eine’ wirkliche Begebenheit in Berlin 1 zum
Grunde liege“, fügte dann aber hinzu, daß er „ähnliche Sachen ehemals in oben
erwähnter Zeitung wirklich gefunden zB die höchst interressanten Nachrichten
von einem Wahnsinnigen, der auf eine wunderbare Art auf dem Clavier zu fanta-
siren pflegte.“ Man beachte das Kompliment „höchst interessant“, das sich bei
unserem Briefschreiber unwillkürlich einstellt, wenn er von einem Werke des
Adressaten spricht. In der Tat war es Hoffmann wohlbekannt, daß die Studie ‘Der
Besuch im Irrenhause’, auf die er hier anspielt 1 2 , von Rochlitz herrührte, denn
dieser hatte sowohl den Beginn der Erzählung (in No. 39 der Allgemeinen Musikali¬
schen Zeitung vom 27. Juni 1804) als auch deren Schluß (in No. 42 vom 28. Juli)
mit seinem Namen unterzeichnet und die Studie 1807 an der Spitze seiner ‘Kleinen
Romane und Erzählungen’ 3 wiederholt.
Der Erzähler belauscht im Irrenhause zu W. durch eine halb offene Tür einen
Geisteskranken, den er Karl nennt. Dieser „schlug einige einzelne leise Töne, und
dann Akkorde an ... Er griff nun mit beyden Händen voll und ließ die Akkorde
schneller auf einander folgen . . . Endlich kam einige Verbindung in sein Spiel; es
wurde zugleich immer heftiger, und er bewies auch eine ungemeine Fertigkeit . . .
Dies alles gab nun eine höchst seltsame Musik . . . Von eigentlich kunstmäßiger
Ausführung kann dabey keine Rede seyn; [doch] . . . wurde sein Spiel sehr be-
1. nicht, wie Schaeffer S. 137 und Cerny S. III es interpretieren, ein Berliner Erlebnis Hoff-
manns.
2. Wie ich nachträgüch sehe, hat schon A. Sakheim (‘E.T.A. Hoffmann. Studien zu seiner
Persönlichkeit und seinen Werken’, Leipzig 1908, S. 198) die Erzählung erwähnt, ohne aber
dabei an den ‘Ritter Gluck’ zu denken. Es ist ihm dabei gegangen wie öfter, daß er den Wald
gefunden aber die Bäume nicht gesehen hat.
3. Drei Bände 8°, bei Darnmann in Züllichau. (Der zweibändige Leipziger Nachdruck von 1808
enthält diese Erzählung nicht!)
472
stimmt und äußerst eindringlich . . . Dies war seine festgehaltene Figur [in der
Erzählung folgen hier Noten], immer gleichmäßig gesteigert im Tempo, in der
Kraft und Nachdrücklichkeit des Vortrags, und in der Menge und Schärfe der
Dissonanzen. Endlich wurde er verworrener und schien dann zu ermatten. Er ging
in ein Andante über, das immer wehmüthiger wurde . . . Wenn mich jener rasche
Satz wunderlich gereizt hatte und dieser langsame sanft bewegte: so ergriff mich
das allmählige Wiedererwachen jener wilden Begeisterung und Kraft, die sich nun
in das allerseltsamste Allegro ergossen, noch weit inniger, und es überlief mich
endlich ein grauenvoller Schauder . . . “
in der Folge verkehrt der Erzähler mit dem Kranken. Er berichtet über seine
weiteren Beobachtungen:
„Unverkennbar . . . äußerte sich auch sein Stolz. Dieser unterstützte seine Ver¬
achtung aller Musik Anderer und aller gangbaren musikalischen Formen . . . Wenn
er sich nicht, Andere belehrend, in seinem Lieblingsthema verlohr, sprach er selten,
wenig und ungern
„Er lebte ganz und einzig in der Musik . . . “
„So oft man ihm Papier gab, schrieb er. Klagen über seine frühen Leiden, Be¬
schwerden über seine jetzige Einkerkerung — weit öfter aber Herzensergießungen
über seine Kunst, nach den Ansichten derselben, aus welchen er sichern System,
seine fixe Idee gebildet hatte: dies waren die Gegenstände, über welche er schrieb.“
,.Sprechen mochte er über seine Ansichten der Kunst selten — wahrscheinlich
weil man ihn verlacht, verschüchtert hatte; sprach er aber einmal darüber, so ge¬
schähe das Stunden lang, mit größter Heftigkeit, und ohne daß er etwas anders
hervorgebracht hätte, als immer wiederkehrende, wenig zusammenhängende, aber
oft äußerst künstliche Variationen über seine Lieblingsidee. Ich will ihn diese aus
einem seiner Briefe . . . selbst darlegen lassen . . . “
Rochlitz erzählt nun zunächst Karls Geschichte und bemerkt zum Schluß: „Er
hat seine herrschenden Ideen und Lieblingsvorstellungen öfters mündlich und auch
schriftlich erklärt.“ Als Probe folgt dann der angekündigte Brief, der an Friedrich
Wilhelm II. adressiert ist.
Unter Verwendung zahlreicher Bibelzitate wird darin ausgeführt, daß die Musik
die Sprache der besseren Welt sei, die heilige Rede des himmlischen Lebens; ein
Akkord (oder, wie Karl sich ausdrückt, ein Ton „in seiner Verbindung mit den
dazugehörigen Wohllauten“) sage dem Herzen mehr „von Gott und göttlichen
Dingen, denn alle Worte vermögen.“ Gott wolle alle zu sich ziehen, und das werde
„geschehen in jener Welt, durch dieselbige Sprache der Töne, welche die Rede der
Engel ist und aller seliger Geister.“ Der König solle aber dafür sorgen, daß die
Menschen schon hier darauf hingewiesen werden; wie die Kinder sprechen lernen,
so sollen sie auch „gelehrt werden, [in der Musik] Gottes Ruf zu vernehmen“. Ein
Akkord (umschrieben wie oben) deute auf alles hin, „was über den irdischen Sinn
hinausgehe und von Menschen erkannt und heilig gehalten werden mag.“
„So deutet Grundton, Terz und Quinte, welche drey und doch nur Eins sind, au/
den dreyeinigen Gott, den wir anbeten. Und wie wir den ersten Ton nicht hören
können, ohne daß wir jene zwey leise mitvernähmen; so kann niemand sein Herz
zum Vater erheben, ohne auch den Sohn und Geist zu verehren. .. . Aber die Terz,
welche auf den Sohn deutet, kann in zweyerley Gestalt vernommen werden und
473
lautet in beiden wohl: so hat Gottes Sohn eine zweyfache Natur. Erniedrigest du
die Terz, welches auch seinen Stand der Erniedrigung anzeigt, so wird der Zusam¬
menklang weicher und du siehest ihn, wie er Mitleiden hat mit unserer Schwach¬
heit; so wie auch deren Erhöhung auf seine Erhöhung hindeutet, wo nun alles
mächtig und herrlich hinausgeführet wird“.
Soviel über das musikalische Abbild der Gottheit. Es folgt die Welt und ihr
Verhältnis zu Gott:
„Gott war sich von Ewigkeit selbst genug und bedurfte keines Wesens außer ihm:
so ist es auch mit jedem vollkommenen Zusammenklang.“
„Aber nach seiner Gnade wollte er andere Wesen sehen, denen er wohlthun
könnte, die von ihm aus- und zu ihm zurückgingen, und, wenn sie schon ihm fremd
wären, dennoch sich an ihn anschließen und mit ihm Eins werden könnten: das ist
nun das Geheimnis des kleinen Septimenakkords.“
„Dieser soll zurückgehen und sich neigen, nämlich gegen den, von welchem er
entsprungen ist;
oder auch, er soll ausgedehnet werden und vermittelst der großen Septime
(dieses schneidenden Intervalls, das auf das Leiden und schmerzliche Ringen des
Menschen im Erdenleben hinweiset,) übergehen in die vollkommenste Ueberein-
stimmung, in die Oktav:
diese aber ist das Abbild, und wie [= quasi] die kleinere Wiederholung des
Grundtons und beschließt nun alles in sich, und deutet auf die Welt, aus welcher
endlich alles Böse verdränget, die ganz übereinstimmend, und die ebenfalls ein
Abbild und gleichsam eine Wiederholung ist des Schöpfers selbst und von seinem
Geiste belebt, und die mit ihm alles umfasset und vollendet“. -
„Ueber dieses sein System“ konnte Karl stundenlang mit größter Heftigkeit
sprechen, „zwar ohne allen logischen Zusammenhang, aber hin und wieder in über¬
raschenden und scharfsinnigen, zuweilen wahrhaft glänzenden Kombinationen.“
In der Buchausgabe seiner psychiatrischen Studie sagt Rochlitz am Schluß der
Vorbemerkung:
„Ich erwarte von meiner Erzählung nichts, als was man von jeder Erzählung
erwartet: daß sie einige Aufmerksamkeit errege und während des Lesens nicht
unangenehm beschäftige. Greift sie tiefer, läßt sie etwas zurück im Kopf und
Herzen, wohl gar etwas Bedeutendes: desto besser! Ihr, lieben Leser, sollt dann
dies nicht mir verdanken: ich verdank’ es euch - denn dazu mußtet ihr ja doch das
Beste mitbringen, und ich veranlaßte euch nur, es anzuwenden. — “
Allerdings hatte Rochlitz wohl selbst nicht erwartet, daß der von ihm ausge¬
streute wunderliche Same so schnell keimen und so reiche Frucht bringen würde
wie es auf Hoffmanns Acker der Fall war.
Hoffmann entkleidete seiner Anschauung entsprechend das allegorisch-mysti¬
sche System Karls des spezifisch christlichen Charakters; und um die Figur des
Kranken individueller und damit zugleich interessanter und anschaulicher zu gestal¬
ten, gab er ihm die fixe Idee, mit einem großen Künstler der Vergangenheit iden¬
tisch zu sein.
Man mag im Sinne des Serapionsbruders Ottmar Hoffmanns „närrischen Hang
zur Narrheit“, seine „wahnsinnige Lust am Wahnsinn“ entschieden ablehnen und
mag es mit Goethe bedauern, daß „solche Verirrungen als bedeutend fördernde
Neuigkeiten gesunden Gemüthern eingeimpft“ werden; aber kein überhaupt für
Poesie Empfänglicher wird sich der Wirkung dieser eindringlichen Vorführung
völlig entziehen können. Es ist bekannt, wie sinnverwirrend gerade die mystischen
Reden des „Ritters Gluck“ auf den jungen Wagner gewirkt haben 1 . In der Tat hat
Hoffmann in diesen Reden Wahnsinn und Tiefsinn mit höchster Kunst gemischt.
Wenn der Unbekannte sagt, er wandle im volkreichen Berlin wie ein abgeschiedener
Geist im öden Raume: so hören wir gleichzeitig den Kranken, der nicht mehr
normal mit Menschen verkehren kann, der instinktiv die Schranke fühlt, die ihn
von den Gesunden trennt - und andrerseits den tiefen Geist, den das Treiben der
Menge anekelt — in dem Sinne, wie Hamann (Schriften 2, 100) sich einen Prediger
nennt, dem das Publikum eine Wüste ist. Zu dieser eben wegen ihrer Unheimlich¬
keit seltsam anziehenden Mischung des Hauptcharakters kommt die minutiöse
Sorgfalt in der Durcharbeitung, wie sie Hoffmann nur noch selten wieder auf¬
gewendet hat, um unserem Stück einen hohen Rang zu sichern. Unter den in Berlin
spielenden Erzählungen Hoffmanns steht der ‘Ritter Gluck’ sicherlich obenan.
Einige Jahre später kam Hoffmann noch einmal auf den Kunstgriff zurück,
mystische Kunstanschauungen mit mehrdeutiger Symbolik vorzutragen und dabei
die Kritik dadurch zu entwaffnen, daß er den Verkünder dieser Lehren als zeit¬
weise wahnsinnig hinstellte. Es handelte sich um eine größere Reihe von Aufsätzen
mit einer romanhaften Einleitung. Am 28. April 1812 schrieb er dem damaligen
Verlagsbuchhändler Hitzig, den er drei Jahre vorher auf den ‘Ritter Gluck’ auf¬
merksam gemacht hatte:
— Dann beschäftigt mich ein sonderbares musikalisches Werk, in welchem
ich meine Ansichten der Musik und vorzüglich der innern Struktur der Ton¬
stücke aussprechen will. Um jeder anscheinenden Excentrizität Platz und
Raum zu gönnen sind es Aufsätze von einem wahnsinnigen Musiker in lichten
Stunden geschrieben; ich behalte mir vor Ihnen künftig mehr darüber zu sagen
und vorzuschlagen.
Wir haben hier also eine neue Weiterbildung von Rochlitzens Karl: während der
Pseudogluck seine mystisch-allegorischen Vorstellungen nur mündlich formuliert,
setzt der neue Musiker die seinigen schriftlich auf. - Es ist hier nicht der Ort, den
neuen Plan weiter zu verfolgen; es mag genügen, daß die Idee zu dem Werk am 8.
Februar 1812 gefaßt wurde (zu einer Zeit, wo Hoffmann selbst zeitweilig fürch¬
tete, über einer unglücklichen Liebe den Verstand zu verlieren) und daß sie ihn bis
in seine letzte Krankheit begleitet hat. Vollendet sind nur zwei Teile des einleiten¬
den Romans.
1. Wenn ein Fanatiker des bon sens wie Walter Scott vor derartigen Stellen in Hoffmanns
Schriften gequält ausruft: „Wir müssen uns von diesen Rasereien lossagen, wenn wir nicht
selbst toll werden wollen“ und wenn der alte Goethe diese Kritik lebhaft billigt, so ist das
begreiflich; vollkommen unbegreiflich ist es aber, wie jemand glauben kann, Hoffmann habe
dem Ritter Christoph Willibald von Gluck diese autobiographischen Mitteilungen in den
Mund legen wollen.
DER LEGATIONSRATH KREISLER UND
DIE RÄTHIN BENZON IN DER RESIDENZ 1807/08
475
Schon 1810 hatte Hoffmann sein alter ego Johannes Kreisler seine musikali¬
schen Leiden aufzeichnen lassen; es war aber nichts Pathologisches darin. In¬
zwischen galt es für ihn außer dem Unmut über Verständnislosigkeit und Zurück¬
setzung, dem er 1810 Luft gemacht, schwere Herzenskämpfe zu bestehen, und
Anfang Februar 1812 hatte er, wie sein Tagebuch zeigt, ernstlich gefürchtet, über
dieser Leidenschaft den Verstand zu verlieren. Julchen Mark (in den Tagebüchern
„Ktch“ = Käthchen von Heilbronn) war in der Nacht auf den 1. Februar krank ge¬
worden; am 1. und 2. hatte Hoffmann der Mutter Besuche gemacht, unterm 3.
heißt es: „Sonderbare romaneske zärtliche Stimmung Rücksichts Ktch — sie krän¬
kelt, gemeinschaftliche TodesGedanken, sonderbare Blicke in die Tiefe des Her¬
zens! - Wohl manches muß sich entwickeln — mit Furcht seh’ ich [dem] entgegen
und doch ist diese Furcht wohlthätig.“ Unterm 4.: „Nachklang der gestrigen Stim¬
mung tief im Gemüthe - Wahlverwandschaft? “ Unterm 5.: „gearbeitet — in einer
wahrhaft fürchterlichen Stimmung — Ktch bis zum Wahnsinn zum höchsten Wahn¬
sinn . . . Betrachtungen über das Selbst — dem der Untergang droht — es ist etwas
ungewöhnliches noch nicht erlebtes.“ Dann schlägt die Erregung in blutige Ironie
um; unterm 7. heißt es: „Sehr komische Stimmung - Ironie über mich selbst -
ungefähr wie im Shakespeare wo die Menschen um ihr offnes Grab tanzen“, und
am 8. noch gefaßter: „Ziemlich heitere Stimmung — Betrachtungen über mich
selbst - beständige Gedanken (Kth) können zur fixen Idee sich verdichten! —
Musikalischer Roman."
Offenbar ist an diesem Tage, dem 8. Februar 1812, Hoffmann die Idee zu dem I
neuen Werk gekommen. Johannes Kreisler, 1810 wie Hoffmann ein verärgerter,
aber normaler Musiklehrer, verfällt jetzt dem Wahnsinn infolge unglücklicher Liebe |
zu einer Schülerin; aber in lichten Stunden vermag er die tiefsten Geheimnisse der ,
Musik aufzuschließen, die dem gewöhnlichen Verstände unerkennbar bleiben.
Zwei bis drei Monate später machte Hoffmann, wie schon im zweiten Exkurs
zum ‘Ritter Gluck’ (am Schluß) bemerkt, dem Verleger Hitzig Aussicht auf das
geplante Werk; 1812—1818 war es Kunz in Bamberg zugedacht, 1819 wurde es
aber schließlich doch Hitzigs Nachfolger Dümmler gegeben. Hoffmann hatte sich
inzwischen entschlossen, den Aufzeichnungen des wahnsinnigen Kreisler eine lange
Biographie desselben voranzuschicken. (Näheres in Hoffmanns Briefen an Kunz
vom 28. September 1814, an Fouque vom 14. Mai 1815 und an Kunz vom 24. Mai
1815.)
Im Jahre 1819 wurde das erste Drittel dieser ‘Biographie des Kapellmeisters
Johannes Kreisler’ in zehn Fragmenten niedergeschrieben (Fragment 1-5 vermut¬
lich vor Hoffmanns Reise nach Schlesien, von Mitte Mai bis Mitte Juni; Fragment
6—10 nach der Rückkehr, vom September bis zum November); es erschien im
Dezember desselben Jahres zusammen mit den ersten beiden Abschnitten der
‘Lebens-Ansichten des Katers Murr’.
476
Wir bringen im Folgenden als Nr. 1 ein Stück aus dem sechsten Fragment und als
Nr. 2 eins aus dem fünf Jahre später spielenden vierten Fragment, da beide auf
Hoffmanns Berliner Zeit von 1807/08 zu weisen scheinen.
Hoffmann verlor sein Amt als Regierungsrat in Warschau um den 1. Dezember
1806 und wurde sechs Monate später, Anfang Juni 1807, aufgefordert, „entweder
eine UnterwerfungsAkte, die einen HuldigungsEid enthielt, zu unterschreiben oder
W. binnen 8 Tagen zu verlassen. Daß jeder rechtliche Mann das leztere wählte,
kannst Du Dir leicht denken“ schreibt er am 20. Oktober 1807 an Hippel. Insofern
stimmt Stück 1 (man vergleiche den dortigen „entweder-oder“-Satz mit dieser Brief¬
stelle) zu Hoffmanns Warschauer Erlebnissen, und bei der Räthin Benzon könnte
man etwa an die Warschauer Freundin denken, der Hoffmann die Partitur seiner
‘Lustigen Musikanten’ zurückgelassen hat. Anderes spricht aber dafür, daß Hoff¬
mann an den nun folgenden Aufenthalt in Berlin denkt, der von Mitte Juni 1807
bis Mitte Juni 1808 dauerte. Dazu stimmt „die tolle Ausgelassenheit“ seines Trei¬
bens, die er sich vorwirft und die „zweideutige“ Umgebung, der die Benzon ihm
entzogen habe. Hippel bezeugt 1822, daß dies Berliner Strohwitwerjahr auf Hoff¬
manns Gemüt „nachtheilig eingewirkt“ habe: „Er lernte, seine Sache auf nichts
stellen, nur von einem Tage auf den andern leben, sich selbst durch Luftschlösser
täuschen und [sich] großem Leichtsinn ergeben“; ja, Hippel sucht in dieser Periode
(und der Posener Zeit 1800—1802 1 ) auch „den Keim zu der schnellen Auflösung
seines Körpers, die für seine Jahre und für die in ihm wohnende seltene Lebens¬
kraft viel zu frühe ihn der Welt entriß.“
Wir hielten uns also für berechtigt, neben dem ‘Ritter Gluck’ auch diese Stellen
aus der ‘Biographie Kreislers’ den Berlinischen Geschichten zuzuweisen, schon um
Hoffmanns großartige Selbstdarstellung 2 zu vervollständigen. — Die Äußerungen
über den ‘Don Juan’ und die ‘Armida’ haben wir der Parallele zum ‘Ritter Gluck’
wegen mit aufgenommen.
Im sechsten Fragment der Biographie Kreislers will der fingierte Verfasser er¬
zählen,
wie Johannes Kreisler den wohlerworbnen Posten eines Legationsrathes ver¬
lor, und gewissermaßen aus der Residenz verwiesen wurde.
Er beschränkt sich dann auf die Mitteilung,
daß bald, nachdem Kreisler in die Stelle seines verstorbenen Oheims getreten,
und Legationsrath geworden, ehe man sich’s versah, ein gewaltiger gekrönter
Coloß den Fürsten in der Residenz heimsuchte, und ihn als seinen besten
1. also nicht, wie die landläufige oberflächliche Ansicht es tut, in der Lebensweise der späteren
Berliner Jahre 1816-1821.
2. Die Angaben über pathologische Stimmungen beruhen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht
auf Erlebtem, sondern sind lediglich bedingt durch den oben dargelegten Plan der Biogra¬
phie Kreislers, wonach der Held dem Wahnsinn verfallen sollte.
477
Freund so innig und herzlich in seine eiserne Arme schloß, daß der Fürst
darüber den besten Theil seines Lebensathems verlor. Der Gewaltige hatte in
seinem Thun und Wesen etwas ganz unwiderstehliches, und so kam es, daß
seine Wünsche befriedigt werden mußten, sollte auch, wie es wirklich geschah,
darüber alles in Noth und Verwirrung gerathen.
Manche fanden die Freundschaft des Gewaltigen etwas verfänglich, wollten
sich wohl gar dagegen auflehnen, geriethen aber selbst darüber in das verfäng¬
liche Dilemma, entweder die Vortrefflichkeit jener Freundschaft anzuerken¬
nen, oder außerhalb Landes einen andern Standpunkt zu suchen, um viel¬
leicht den Gewaltigen im richtigeren Licht zu erblicken.
Kreisler befand sich unter diesen.
Trotz seines diplomatischen Charakters hatte Kreisler geziemliche Un¬
schuld konservirt, und eben deshalb gab es Augenblicke, in denen er nicht
wußte, wozu sich entschließen.
Eben in einem solchen Augenblick erkundigte er sich bei einer hübschen
Frau in tiefer Trauer [der etwa dreißigjährigen Witwe eines kürzlich verstor¬
benen Rathes Benzon], was sie überhaupt von Legationsräthen halte?
Sie erwiederte vieles in zierlichen artigen Worten, am Ende kam aber so viel
heraus, daß sie von einem Legationsrafh gar nicht viel halten könne, sobald er
sich auf enthusiastische Weise mit der Kunst beschäftige, ohne sich ihr ganz
zuzuwenden.
„Vortrefflichste der Wittwen, sprach darauf Kreisler, ich reiße aus!“
Als er bereits Reisestiefeln angezogen und mit dem Hut in der Hand sich
empfehlen wollte, nicht ohne Rührung und gehörigen Abschiedsschmerz,
steckte ihm die Wittwe den Ruf zur CapellmeisterStelle bei dem Gro߬
herzog ... in die Tasche.
2 .
Fünf Tahrp. darauf ^ih i-JCiftislftii, ^jWohl an dreißig Jahre alt“, diese Stelle auf,
nachdem eine Audienz beim Großherzog ihm endgültig gezeigt hat, daß für seine
höheren musikalischen Bestrebungen am Hofe kein Platz sei. Er begibt sich nach
dem Städtchen Sieghartsweiler, in das ein väterlicher Freund ihn eingeladen, und
trifft dort seine Gönnerin, die jetzt in der „Mitte der dreißiger Jahre“ steht,
wieder.
Beide tauschen, wie das vierte Fragment zeigt, Erinnerungen an die gemeinsam
in der Residenz verlebte Zeit aus. Die Benzon versichert ihm, er sei ihr „bei kurzer
Bekanntschaft so werth geworden“.
Kreisler erwidert u. a.:
Sie erwähnten gütig, daß meine Bekanntschaft Ihnen werth geworden, i
mußten mir dabei nicht jene verhängnißvollen Tage der Verwirrung, der all- 1
gemeinen Noth, einfallen, in denen uns das Schicksal zusammen führte? Sie \
fanden mich damals hin und her schwankend, unfähig einen Entschluß zu ,
fassen, zerrissen im innersten Gemüth. Sie nahmen mich auf mit freundlicher
478
Gesinnung, und indem Sie, mir den klaren wolkenlosen Himmel einer ruhigen
in sich abgeschlossenen Weiblichkeit aufthuend, mich zu trösten gedachten,
tadelten und verziehen Sie zugleich die tolle Ausgelassenheit meines Treibens,
welches Sie [irrtümlich! x ] durch den Drang der Umstände herbeigeführter
trostloser Verzweiflung zuschrieben. Sie entzogen mich einer Umgebung, die
ich selbst für zweideutig anerkennen mußte, Ihr Haus wurde das friedliche
freundliche Asyl, in dem ich, Ihren stillen Schmerz ehrend, den meinigen
vergaß. Ihre Gespräche voll Heiterkeit und Milde wirkten, wohlthuende
Arzney, ohne daß Sie meine Krankheit kannten. Nicht die bedrohlichen
Ereignisse die meine Stellung im Leben vernichten konnten, waren es, die so
feindlich auf mich wirkten. Längst hatte ich gewünscht, Verhältnisse auf¬
zugeben, die mich drückten und ängstigten, und nicht zürnen konnte ich auf
das Schicksal, welches das bewirkte, was auszuführen ich selbst so lange nicht
Muth und Kraft genug gehabt hatte. Nein! — Als ich mich frei fühlte, da
erfaßte mich jene unbeschreibliche Unruhe, die, seit meinen frühen Jugend¬
jahren, so oft mich mit mir selbst entzweit hat. Nicht die Sehnsucht ist es,
die, wie jener tiefe Dichter so herrlich sagt 1 2 , aus dem höheren Leben ent¬
sprungen, „ewig währt, weil sie ewig nicht erfüllt wird, weder getäuscht noch
hintergangen, sondern nur nicht erfüllt, damit sie nicht sterbe“; nein — ein
wüstes wahnsinniges Verlangen bricht oft hervor nach einem Etwas, das ich in
rastlosem Treiben außer mir selbst suche, da es doch in meinem eignen Innern
verborgen, [als] ein dunkles Geheimniß, ein wirrer räthselhafter Traum von
einem Paradies der höchsten Befriedigung, das selbst der Traum nicht zu
nennen, nur zu ahnen vermag, und diese Ahnung ängstigt mich mit den
Quaalen des Tantalus. Dies Gefühl bemeisterte sich schon, als ich noch ein
Kind, meiner oft so plötzlich, daß ich mitten aus dem frohsten Spiel mit
meinen Cameraden davon lief in den Wald, auf den Berg, dort mich nieder¬
warf auf die Erde und trostlos weinte und schluchzte, unerachtet ich eben der
tollste ausgelassenste von allen gewesen. Später lernte ich mich selbst mehr
bekämpfen, aber nicht auszusprechen vermag ich die Marter meines Zustan¬
des, wenn in der heitersten Umgebung gemüthlicher wohlwollender Freunde,
bei irgend einem Kunstgenuß, ja selbst in den Momenten, wenn meine Eitel¬
keit in Anspruch genommen wurde auf diese jene Weise, ja! wenn mir dann
plötzlich alles elend, nichtig, farblos, todt erschien, und ich mich versetzt
fühlte in eine trostlose Einöde. Nur einen Engel des Lichts giebt es, der Macht
hat über den bösen Dämon. Es ist der Geist der Tonkunst, der oft aus mir
selbst sich siegreich erhebt, und vor dessen mächtiger Stimme alle Schmerzen
irdischer Bedrängniß verstummen. —
Die Räthin Benzon ihrerseits erinnert sich an Beobachtungen, die sie mit Besorg¬
nis an dem jüngeren Freunde gemacht hat, wenn beide — wohl noch bei Lebzeiten
des Rathes Benzon — in der Residenz gemeinsam Oper oder Konzertsaal besuch¬
ten:
Immer habe ich geglaubt, daß die Musik auf Sie zu stark, mithin verderb¬
lich wirke; denn indem bei der Aufführung irgend eines vortrefflichen Werks
Ihr ganzes Wesen durchdrungen schien, veränderten sich alle Züge Ihres Ge-
1. In Wirklichkeit hatte die Ausgelassenheit pathologischen Charakter, s. u.
2. Tieck im ‘Phantasus’ 11812, S. 33 (Ellinger).
479
sichts. Sie erblaßten, Sie waren keines Wortes mächtig, Sie hatten nur Seufzer
und Thränen, und fielen dann her mit dem bittersten Spott, mit tief verlet¬
zendem Hohn, über jeden, der auch nur ein Wort über das Werk des Meisters
sagen wollte. —
Damit schließen die Reminiszenzen aus der Residenz. Wir führen nur noch an,
daß Kreisler der beunruhigten Freundin ironisch erwidert, das sei
nun alles anders geworden. Sie glauben gar nicht, Verehrte, was ich an dem
Groherzoglichen Hofe artig und gescheut geworden bin. Ich kann mit der
größten Seelenruhe und Gemüthlichkeit zum ‘Don Juan’ und zur ‘Armida’
den Takt schlagen, ... ja, ich kann es geduldig anhören, wenn der kunst¬
verständige Kammer- und Spektakelherr 1 mir weitläuftig demonstrirt, daß
Mozart und Beethoven den Teufel was von Gesang verstünden, und daß Rossi¬
ni, Pucitta und wie die Männerchen alle heißen mögen, sich ä la hauteur aller
Opernmusik geschwungen. —
1. Directeur des spectacles = Intendant (Ellinger).
[l] [‘Hoffmanns Erzählungen’] 481
Paul Jules Barbier batte, 22jäljrig, 1X47 im Ttjeätre
Fran^ais fein Glück gemacht mit zwei Poetenftücken: „Der
Dichter" unb „Der Schatten ITIoliäres". 3roei Jahre barauf
brachte er Anbr6 Ctjenier auf bie Bühne unb befchloß bann
als fjelben eines pierten Dramas biefer Brt einen beutfchen
Dichter zu wählen.
Für bie Dichter unb bas Publikum Frankreichs war in ben
brei Jahrzehnten pon 1830-1X60 bie beutfche Citeratur nicht
wie baheim burdj Goethe unb Schiller, fonbern burch Goethe
unb IJoffmann pertreten. Gerarb be TTerDal, einer ber erften
Überfeßer bes „Fauft", war zugleich einer ber leibenfdjaftlichften
Derehrer Hoffmanns; Theobore Touffenel, ber 1X29 ben „IDi!=
heim Jlleifter" überfeßt hatte, ließ im nädjften Jahre fjoffmanns
Hauptwerke folgen; George Sanb unb Bluffet, Balzac, 6autier
unb Baubelaire konnten fidj nicht genug tun in Busbrücken ber
Bewunberung für le conteur berlinois. So lag es in ber Tat
nahe, baß Barbier fjoffmann zum Helben feines beutfchen
Poetenbramas machte.
Gr pereinigte fiel] zu biefem 3wecke mit bem fechs Jahre
älteren Dramatiker michel Carre, ber, in ber beutfchen Cite=
ratur gut bewanbert, fchon por fieben Jahren „Cuthers Jugenb"
in einem Bkt bargeftellt unb foeben, 1X50, „Fauft unb TIlar=
garetlje" in brei Akten auf bie Bühne gebracht hatte.
• Beibe Autoren befdjloffen, bie tragifdjen Ciebeserlebniffe
pon brei jungen Künftlern aus ebenfopielen Erzählungen
IJoffmanns herauszugreifen unb fie als eigene Grlebniffe
482 [2]
boffmanns zu geben. Sie nahmen aus bem „Sanbmann"
bie Ciebe bes Dieters natljanael zu bem Automaten Oümpia;
aus ber Erzählung Dom Rate Krespel bie Ciebe bes jungen
Tüufikers B . . . zu ber kranken Sängerin Antonie; aus ben
„Abenteuern ber Siloefternactjt" bie Ciebe bes ITlalers
Erasmus Spikljer zu ber italienifcben Kurtifane öiulietta. Cs
roar ihnen rooljlbekannt, baß (joffmann felbft, roie fein Grabftein
auf bem Kirchhof norm Qallefctjen Tore nod) beute ktinbet,
fid) ausgezeichnet bat „als Dichter, als Tonkünftler,
als TTIaler".
ferner befchioffen fie, hoffmann in einem Kreife oon
3edjem auf biefe brei Erlebniffe Ijinroeifen zu laffen unb ein
letztes Erlebnis in ber Art ber brei früheren anzufügen, für
biefen Teil Derroanbten bie Bearbeiter in freier Weife lüotipe
aus Qoffmanns nooeile „Don Juan" unb aus feinem TITärcben
„Klein 3adjes"; als Dorbilb für bie Darftellung oon IJoffmanns
eigener Perfon rdjroebte ihnen hier unoerkennbar beffen
Cieblingshelb Johannes Kreisler por, ber es liebt, ben tiefen
Gram, ber ihm am herzen nagt, unter cynifchen Späßen zu
Derbergen, unb ber fcbließlidj „bur<t> eine ganz phantaftifche
Ciebe zu einer Sängerin auf bie l)öä )\te Spiße bes Wabnfinns
getrieben'' roirb. Die brei alten Erlebniffe Fjofßnanns roerben
nicht Don ihm erzählt, fonbern - eine große tedjnifche Kühn*
heit — als Einlagen birekt auf ber Bühne porgefüßrt.
Die Uraufführung bes Sdjaufpiels, bas teils in Profa, teils
in Derfen gefdjrieben roar, fanb am 21. Alärz 1851 im OMon
ftatt. Insbefonbere im Giulietta=Akt batten Dekorateur unb
[3] 483
TTIafd)inift geroetteifert, ben 3auber ber italicnifctjen £iebesnad)t
zur Geltung zu bringen. - Im felben Jahre erfd)ien bas Drama
aud) im Bud)l)anbei.
Bei ber Bearbeitung für Offenbad) l)at Barbier ben 6ang
ber fjanblung im roefentlid)en beibehalten; in ber Regel roirb
jebod) Giulietta an zweiter, Antonie an britter Stelle gefpielt,
ba bas am tiefften gehenbe Erlebnis beffer an ben Sd)lup ge=
fept roirb. —
So roillkürlid) Barbier unb Carre mit ben Einzelheiten ber
doh il)nen bearbeiteten Stoffe oerfal)ren finb, fo fe!)r ift es iijnen
gelungen, bie Grunbftimmung gerabe ber fjauptroerke bes
beugen Did)ters feftzupalten unb roirkungsooll Dorzufül)ren.
Diefe Stimmung ift bie tiefe Repgnation bes romantifchen
Dichters, ber pd) klar ift, baff fein Reid) nid)t Don biefer IDelt
ift, bap er alle Süpe bes Cebens zu fd)ilbem l)at, aber nid)t an
itjr teiil)aben barf. Die Geliebte foll bem Künftler - fjoffmann
roirb nid)t mübe es zu forbern - bas unerreichbare Ibeal fein;
bie Sei)nfud)t foll ihm bie füpeften Tüelobieen, bie Ijerriictjften
Bilber, bie tieffte Dichtung entlocken, aber er barf bie Geliebte
nicht greifen mit irbifchen fjänben. Dergipt er pd), roill er ge*
niepen roie anbere TTIenfchen, fo ftirbt bie Ciebe, ober bie Kunft
ftirbt. Der 3ufal! roill, bap fjoffmann gerabe in ben Gr=
Zählungen, bie Barbier unb Carnf oorzugsroeife ftofflid) benupt
haben, nid)t biefe fdjroermütige Cel)re oorträgt; aber feine
fonftigc Probuktion ift erfüllt baoon: roir erinnern bie Freunbe
bes Dichters nur an bie malernooelle „Der flrtushof" unb bie
Ulupkcmopelle „Die Fermate". Beibe ftammen aus bemfelben
Jahre roie bie „Abenteuer ber SilDeftemacht" unb ber „Sanb=
mann": biefes Jahr ift aber bas Jahr 1315 , bas erfte im neun=
zehnten Jahrljunbert, bas f^offmann ganz roieber in Berlin
oerlebte; unb roenn bas Königliche Opernhaus jefjt bie IJanblung
biefer beiben Erzählungen oorführt, fo feiert es bamit bas
fiunbertjal)rs»Jubiläum ihrer Entftehung.
ln biefem Sinne geben mir am Schluß bie Unterhaltung bes
Stubenten (Tatbanael mit bem Automaten Dlimpia nach hoff»
manns erfter üieberfdjrift aus bem IIopember1S15 roieber;
bie fjanbfctjrift befinbet fidj im Befihe ber Stabt Berlin unb in
Perroahrung bes Alärkifctjen mufeums, beffen Ceitung bie Re»
probuktion freunblichft geftattete. IDie in ber Oper fdjlägt hier
bas Entfetjliche ins 6rotesk=Satirifdje um; mir fehen, roie hoff»
manns graupgfte Erfinbungen nicht IJerr über ihn rourben,
fonbern roie er ftets bie 3ügel ber tjanblung in ben fjänben
behielt.
möchte bie Aufführung bes Königlichen Opemhaufes bazu
beitragen, ben größten Erzähler Berlins, beffen Schriften
zeitroeife im Auslanbe beffer geroürbigt rourben als baheim,
ben Bewohnern unb ben Befudjern ber Refibenz roieber näher»
zubringen!
£*£. £7ft
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«M/U ■6Msfryfc H*nS? 7^7*^rrrS £ty£/nS ^ /frjf
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t6+ ^s^y%fi^it-Hfyz*yfc&&
✓ >4/ +*^- cJrnS
LXVIII
©ie £agebflcb<t
HI. &ie Zagebü$er in bet Setborgen&eit
non f)i$ig4 tobe 1849 bi$ ju J?ßrfcbn«r$
lobe 1902.
Sacb £i(}ig« Xobe 1849 tarnen bei ber rein mecba«
nifcpen Teilung feine« Socblaffe« £offmann« ®<breifx
falenber in ben 95 eflp feine« ©ohne« griebricb $ijig
Cbe« flrcbiteften), bie fünf von Jpipig barau« betau«»
geriffenen Xurcbfebufbldtter in ben feine« Schwieger*
fobne« Saeper (be« ©eobdten).
SDa« 9 fti«te(laneen«Q 3 u<b war, nach unbekannten
Smifchenßabien (f. u.), 1889 in 3 ofepb Äürfebner«
©eflg. 2>er ©gentümer lieg bamaU auf ®. 153 be«
147. Sanbe« feine« ©ammelmerfe« ‘Deutfcbe National«
iiteratur’* eine ©eite au« bent <|)locfer Xagebucbe faf*
ffmilieren — wunberlicberweife »mei ©ntrdge, bie ftbon
bei £ipig faß ohne jebe Äürjung »u ßnben waren —;
baf jene« Xagebucb in bem $ti«ce(faneen«$ucbe
ßebt, verriet autb Jtfirfcbner mit feinem SBorte.
Sacbbem im Oftober 1899 ©rifebacb« ^offmann-.Siu««
gäbe erfibienen unb i<b eine SBocbe barauf au« bem
9 tieQfcbe> 9 rcbiv au«gef<bieben mar, begann icb, fpßematifcb
bie in tyrivatbeflp ju oermutenben Urfunben $u $off«
mann« £eben »u fucben. OTan geßatte mir, hier in
analoger 2Beife, wie e« in ber 8u«gabe be« Sriefmecbfel«
gegeben iß, Aber meine Semflbungen unb bie gleich«
»eiligen anberer, foweit ße ben Xageböebern galten,
für» in annalißifcber gorm ju beliebten; nur fo fann icb
* Sgl. über biefen curiofen ©anb Sriefwecbfel 730 f
9 tote 3.
486
[LXIX]
t>ie einander wiberfprechenben Slnfünbigungen unb fon*
ffigen Mitteilungen rechtfertigen, bie ich feit 1901 betreffs
ber Tagebücher habe bmcfen (affen, nur fo ca auch per*
ffänblidj machen, baß meine Cluellenfammlung (eiber in
swei ipublifationen uerfebiebenen gormatea jerriffen iff.
©ie großen Raufen in ber Arbeit waren, wie fchon in
ber Einleitung ju ben QSriefen angebeutet, hßchff unfrei*
williger 2irt.
1900,
am 19. Sanuar, bat ich Äürfchner brieflich, mir bie
wiffenfchaftliche Q 5 enußung bea «piocfer Tagebuches ju
geffatten. Äürfchner »erfchob baa in feiner Antwort »om
24. Januar bia jur 33eenbigung einer größeren Arbeit
unb wieberholte biea, übrigens in feßr freunblicßer
gorm, unterm e. gebruar. 21 m 6. 3uni uerfprach er
abermals auf baa beffimmteffe, baa Q5ucß „fobalb ala
möglich berauöjufuchen" unb mir leißweife $u über*
fenben; „@ie fönnen bann", fuhr er fort, „ben 3n*
halt benußen, wie ©ie wollen. 3$ glaube faum,
baß er befonberö wefentlich für 3hre 2frbeit
fein wirb. 3<h habe baa 93ucb feinerjeit »on bem
befannten Meper* Soljn in Berlin erhalten, ben ©ie
ja wohl als einen ber heroorragenbffen Slutograpßen*
fammler fennen. Er hatte bie SiebenSwürbigfeit, mir
baa (Buch feinerjeit ju feßenfen, wofür ich »hm noch
heute uerbunben bin."* Sluch unterm 4. 3uli würbe
* Meper Eohn fchrieb mir, auf eine gelegentliche 2 ln<
frage, am 17. Mai 1901 aus granffurt: „©ie Slffare
mit jfürfeßner iff mir ganj nebelhaft unb muß fchon
wenigffenS 10—15 3ahre jurücfliegen. Näheres fpä*
487
[LXX]
baö 83erfprecben aufrecht erbalten. — 3n aßen «Briefen
i|i immer nur non bem „£offmannfcben ©agebueb"
ober bem ,,«Bucb" bie $ebe, auct> hier wirb nie juge*
geben, bafj eö lieb um baö nielfeitige 5üliöceßaneen«i8ucb
banbeit.
SEBeiter börte icb non Äürfcbner nichts. ©a icb non
feinem intimfien 3ugenbfreunbe erfuhr, bo§ ju feinen
£ebjeiten nichts non feinen ©neben ju erbalten fein
toerbe, erfparte icb mir weitere «Bitten refp. grinne*
rungen. ©agegen fragte im ffliärj beS folgenben 3abreS,
1901,
Siicbarb ©cbaufal (bamais noch ©tattbaltereMSon*
cipifl in feiner mäbrifeben Jpeimat) bei Sürfcbner wegen
beö «piocfer ©agebuebs an, ohne non meinen «Bemühungen
ju wijfen. ©er ©cba$büter auf bem Jpoben Jpainfleine
„ob gifenacb" fpeifie biefen neuen «Bewerber mit ben
SBorten ab, „bas fleine ©agebueb non Jpoffmann"
„bürfteficb faum jurföeröffentfiebung eignen";
immerbin fonne er, Äürfcbner, „ja bie grage einmal für
fpäter in (Erwägung jieben". «Bon bem mir niermal
ter mfinblicb" 5iacb feiner «Kücffebr febrieb er am
ij. 3 uli bejiimmter: „£err *]3rofefTor tfürfebner febeint
flcb mit bem ©agebueb ipoffmannS }u irren, icb b«be
es foniel i<b weifj nie befeffen." 8HS icb >bn furj
barauf befugte, um feine beiben frönen jpojfmann*
«Briefe ju foflationieren, wieberbolte er basfelbe münb*
lieb mit bem Sufaß, er wiffe wirflicb nicht, wie er
baju fommen folle Äürfcbnern etwas ju febenfen.
«Bielleicbt liegt alfo auf ÄürfcbnerS ©eite eine 83er*
wecbflung nor.
488 [LXXI]
gegebenen 93erfpred)en war ebenfo wenig bie 9?ebe wie
»on bem fonftigen 3nbalt beS 9ft:SceHaneen*BucbeS.
3 n&wifcben war ich, int Sanuar 1901 , »or bie rechte
©ebtniebe gefommen, nämlich ju Sriebrieb £il}igs
©obn (Jbuarb jpt'big (bem ©ebirnpbpfiologen) in jpalle;
aber es fotlte noeb lange bauern, bis leb bie wichtigen
©tücfe feines ©ebatjes ju ©eflcbte erhielt. Sei einem
iweiten Befucbe, im SJlai, würbe mir auf einem Tifcb
eine grojje tüiafte bebrueften unb betriebenen qjapiereö
als #i#igS <ftad)lajj »orgelegt, unb icb batte aßen Sfnlaß,
micb wegen biefer gunbe glücflicb jit preifen. Xro$bem
icb jeboeb jebes Blatt umwanbte, fanb icb weber bas
©liScellaneewBucb mit ben ©ingfpielen, noch eins ber
fpäteren Tagebücher, noeb baS 9lotaten*Bu<b aus #off*
manns lebten £ebenSjabren, noeb auch nur ein einjelneS
Blatt aus einem biefer Bücher. £)ie JDreSbner
IWemoiren, bie #ii}ig ja febon auSreicbenb publiiiert
batte, waren baS einjige Siutobiograpbifebe, was mir per
Slugen fam.
9iun batte £ißig in ben 30 er 3 ab«n bem ©ammler
£>orow (bei Ctberfenbung jenes Blattes aus bem 2HiS*
ceßaneemBucb) mitgeteilt, bafi er brei »olle SOionate
baju »erwanbt babe, ganje Berge ber pifanteflen »er«
traulichen SDiitteilungen aus einem Beitraum »on fafl
»ierjig Sabren nach genauer ©urcbflcbt bem geuer ju
übergeben; »on ben Tagebüchern J£> offmannS aber batte
er, wie febon erwähnt, gefagt, bajt fle baS BefenntniS aller
©cbwacben JpoffmannS enthielten, £>ie Befürchtung lag
alfo nabe, bafi #i$ig biefe Bücher, wenn nicht febon 1823
gleich nach erfolgter Benutzung, boeb in ben 30 er 3«bren
489
[LXXII]
vernietet b^e. 2inX>rerfettä blieb noch bie Hoffnung,
bafj er, tote baß <JMocfer Tagebuch, auch bie anberen
2 ttanuffriptbücber jpoffmannß an 2iebbaber »erfebenft
babe: benn er formte, töie er bemfelben ©orotö febreibt,
nicht (eii^t einem Autograpbenfammfer, ber freb an ibn
roanbte, abfdjlagen, wonach fein §erj begehrte. C 3 n ber
Tat ftnb offenbar auf biefem 2 Bege bie befannten Briefe
öon tpücfler, Beetboöen unb Deblenfcbläger auß jrroff«
mannß fftacblafi oerfebmunben.) €ß befianb alfo bie
Außficbt, wenigjtenß bie ‘SJlißceflaneen' unb baß fftotaten*
buch in ^rioatbefiß ju ftnbcn. gür äße gafle forberte
icb im 3 uni in ber ‘granffurter Bettung’ bie ©gen«
tümer Jpoffmannfcber Autograpben auf, mir ibre ©cbätje
für eine geplante ®efamtaußgabe öon jrroffmannß
Tagebüchern unb Briefen jur Verfügung jufteßen.
3 n einem ipripatbrucf »om i. 3uli fünbigte ich bann
genauer eine ©ammlung ber Quellen ju Jpoff mannß
Biographie in jwei Abteilungen an: bie erfie foßte
JpoffmannßTagebücber, „foweit erregbar", unb feinen
Briefwecbfel, baneben feine literarifeben Entwürfe
(befonberß bie auß ben ‘SOtißceflaneen’ unb bem totalen»
buch) unb feine Segnungen enthalten, ber jroeite im
wefentlicben bie Erinnerungen anberet an £offmann
fotöie Aften über fpoffmann.
3 nfolge eineß gütigen £inweifeß beß Dr. SBilbelm
Pfeiffer in granffurt fanb ich bann
1902,
am 2j.3anuar, in 2 eipjig bei einer Tochter Baeperß
(ber SEBitwe beß Satiniflen SRibbecf) einen weiteren Teil
490 [LXXIII]
oott £i$ig$ 9 la<hlaff; onfcfceinent) befanb f!ct> barin l>er
SK eff t>on Jpoffmannö 9 lacblaff mit alleiniger 21u8nabme
ber Segnungen, bie auf bie£inie Äugler*£epfe über«
gegangen waren. 33 on £offmanna Sagebücbern famen
aber nur feie fünf berauögeriffenen Q3tätter ju
Sage, beren Sejrt #ii}ig abgebrueft batte.
©iefe traurigen SHeffe wirften auf mich wie ©en. 37,
33 — 3 ? 3 ofepbS blutiger SKocf auf 3 afob: ich war nun«
mehr feff überjeugt bauen, baff #iijig bie Sucher felbff,
beren gegen ich in jpänben hielt, vernichtet habe; unb
ich benfe, jeher anbere wäre e$ an meiner ©teile auch ge»
wefen. 2llö ich baber im ©ommer be$ 3abre$ im
‘Supborion’ über bie Hofimanniana in 9 lacblaff
berichtete, fugte ich in bem Slbfcbnitt über bie Sage* unb
©ntwurfbücber: baö «piocfer Sagebucb fei angeblich
in Äürfcbnerö Qjefffc-, wo bie ‘SPtiöcellaneen’ unb bac
Wotatenbuch feien, wiffe ich nicht; bie Sagebücher
ber Sohre 1809—18 x? feien »on £igig biö auf
fünf Blatter vernichtet.
£>ie geplante einheitliche ©ammlung aller Quellen
iu£offmann$iBiograpbie würbe jegt notgebrungen
rebuciert auf Jpoffmannö Q 5 riefwechfel unb bie ©rim
nerungen an Jpoffmann, mit anberen ©orten: auf bie
Urfunben für Hoffmannö fchriftlichen unb ntünb*
liehen öerfebr mit anberen; Jpigigö Wuöjüge auö ben
Sagebüchern foflten alö fleiner Anhang bem Q 3 riefmecbfel
beigegeben werben. 3 n biefem befebränften Umfange
würbe bie geplante Quellenfammlung fchon in ber ‘ 3 nfef
»om gebruar 1902 angefunbigt.
Slm 29. 3 uli 1902 ffarb Äürfcbner infolge eine« Um
glücfsfaßes. 25a jebob feine gamiliennerhäftnifie mir
niefct befannt waren, fonnte ib nic^tö unternehmen, um
baS qilocfer Sagebub jur fßublifation ju erhalten.
— 25iefen Q3eribt über hie 3ahre 1900—1902 lege
ib befonbers hen ijarmlofen ©emütern ans £erj, hie
fleh gehabt haben, bafl ich nur jujugreifen brauchte, um
aße flehen Xageböcher Jpojfmanns in her Jpanb ju haben.
£)a£ allmähliche ShBieberauftauchen
bet Sageböchcr unb bie ?0?iffeilungen
barau$ in hen fahren 1903—1914.
1. £>ie Erwerbung be$ $?iftellaneen* 23 uche$
unb bie erjle Slnfünbigung einer felhfMnbigen
9 lu$gahe ber Sagebücher,
1903,
(£nbe SD?at, erfuhr ich in SBeimar t>on Sari ©bübbe*
fopf, ba§ ÄfirfbnerS ©ammlungen flb noch im 23eflfc
»on heffen 2Bitwe befänben, &ajj aber SDerhanblungen
über ihre Sßeräufjerung fbwebten; Sluguft ©auer in Iprag
habe hie Q5eflänhe geprüft, unh fle würben PorauSflbt*
lieh an hie Äbniglibe töibliothel ju Berlin übergehn.
3b wanhte mib nunmehr wegen bes 'ptoefer Sagebubö
fofort an hie SGBitwe, erhielt jehob eine auffbiebenhe
Antwort. 25ann fragte ib bei ©auer felbfl an, her mir
liebenSwürbigerweife poftwenbenb unterm i*. 3nni ant*
wertete. Srfl aus hiefem Briefe erfuhr ib, bafl
has pon Äürfbner feit hen abtjiger fahren ober länger
492 [LXXV]
fefretierte hoffmanrnSOtanuffript feineawega nur ein
Sa ge tuet) barjtefle, fonbern bajj tä flct> tatfächlicb um
bie ‘SRiacellaneen’, einen üftapbanb non etwa jwei«
bunbert ©eiten mit bramatiföem unb fonfiigem Inhalt
banble. 2Bie bie SEBitmc mir nunmehr unterm 22.3uni
mitteifte, hatte (Erich ©cbmibt it>r am 21. SDtai por*
gefchlagen, baa #offntannfcbe 3 Wanuffript (famt ben
9 lacbläfFen beö SOJaferö Sföüller unb bea ginafreontifera
© 5 ^) ber £ 5 niglicfcen Q 3 ibliothef ju Q 3 erlin anaubieten.
Sa ich mich jeboch bereit erflörte, baa Q 3 ucb unbefeben
ju bem pom (Sifenacfter Sajrator feftgefeftten greife |u
erwerben, fo erhielt ich ed am 28. $uni. (Sie Äönig»
licfte SSibliotbef ftat bann befanntlich auch für bie anberen
non (Erich ©cbmibt iftr empfohlenen SOtanuffripte nicht
bie Sajrpreife gejaftit, unb bie Sachen flnb bann bei
Q 3 oerner in 2 eipjig roefentlicb teurer perfteigert worben.)
3$ betrieb nunmehr im ©eptember baa SOianuffript
für ©auera ‘Suphorion’ unb gab gleichseitig bie beiben
©ingfpielfragmente an bie ‘SWuftf.
1904,
ginfang bea Sahrea, erganste ich auf gilfreb SRofen*
bauma SBunfeft bie bewunberungawürbige jjoffmamt*
^Bibliographie, bie biefer 1902 für@oebefea ‘©runb*
rif jur ©efchichte ber beutfehen Sichtung’ im
SWanuffript angefertigt hatte. 23 on ben iJJublifationen,
bie ich Porbereitete, sitierte ich abfichtlich nur ben elften
unb ben sweiten Q3anb ber Sammlung ‘£. S. gi. $) off«
mann im perfonlichen unb brieflichen «öerfeftr’; jener
(‘hoffmann unb Nippel’) war bamaia fchon im Safte
[LXXVI] 493
fertig, tiefer (feer fonftige SSriefwecfefel) foHte fogleich in
Angriff genommen werfeen unfe gleicbjeitig mit feem er|ten
QSanfee erfcfeeinen. SSBäbrenfe feer Äorreftur, im Slpril,
teilte ich SRofenbaum privatim mit, feaf icfe nach feiefen
beifeen QSänfeen jundcfeft feas qjfocfer Xagebucfe beraub
jugeben gefeäctte unfe feiefem vollflänbigen Xejrte f»ute
de mieux jrpigigs 2(u8jüge aus feen fpäteren Xageböchern
unfe feem Wotatenbuch beigeben würbe. Wtein neuer
greunb unfe ©önner erfaßte mich barauffein unterm
24. Slpril, bei feer £>urcfeficbt feer legten gähnen „eine
Wachriebt hiervon als Wr. 97' einjufcbalten". 34 ) wifeer»
(ianfe feiefer liebenswürbigcn Slufforberung nicht unfe
fönfeigte fea8 jpeft an unter feem refignierenfeen Xitel:
„2lu8 Jpoffmanns Entwurf» unfe Xagebücfeevn:
disjecti membra poetae".
<£in|hveilen genügte ich feie Xagebucb'-Slufjeicgnungen
be$ Wti$cellaneen»iBucbe$ jur SDervollflänbigung meiner
Ausgabe von £offmann8 Q3riefmed)fel im ^weiten *8anfee
ber„ 93 erfehr 8 "»£>ofumente: jwifcfeen feen bekannten Q3rief»
terten (feie j. X. gleichfalls aus feem W?i8cellaneen»i8ucbe
gewonnen waren) wurfeen auf feen ©eiten 9f, 48 f unfe
ji feie textlich unbekannten, aber von £ojfmann erwähn»
ten Q3riefe aus feen 3^hten 1803/04 unfe 1808 ver»
jeichnet.
2.£)ie aiufftnbuitg von ferei ©cbreibfalenfeecn
unfe feie 2lnfcmge fee$ Pot liegen feen £>rucfe&
SBie fees näheren im Vorwort jum Q3riefwecfefel @.xxx
berichtet ift, fanfe unfe verijtjierte ich 9 . November 1904
feie Xagebücfeer feer ferei 3abre 1812, 1813 unfe i8iy in
494 [LXXVII]
ber Äifle, bie Ebuarb §ißig an bal SDfärfifcbe WJufeum
t>cr ©tabt Q 3 erlin gef«nt>t batte.
£>ie Einträge pon Niai Dil ©ejember 1813 unb pon
3anuar bil War* 1815 benußte ich noch porSlblauf bei
3abre8 jur «DerooHdänbigung unb Erläuterung bei QSrief*
mechfell, beffert 2>rucf erd bis jum SIprif 1813 porge*
febritten mar-
3n einem tyripatbruef für ben feebden Q3ibfiopbilentag
am 18. ®ejember jeigte ich einen 93 anb „Xagebücber"
all ©eitendücf $11 ber breibänbigen ©ammlung ber
„ 93 erfebrl"» 2 )ofumente an.
1905
berichtete ich im ‘Eupborion’ — bielmal ganj für j —
über bie neuen gunbe. 3iucf> Nofenbaum fonnte am
©chfuffe bei vm. ‘©runbrih’^anbel, in ben Nachträgen,
noch darauf hintpeiferi.
JDie ©eiten 109—216 bei ‘OSrieftuechfell’ mit ben Er#
läuterungen aul bem Sagebuch »on 1813 perteilte ich in
©onberabjügen all «Pripatbntcf für ben flebenten 93iblio*
philentag am 12. Nopember.
1906,
gegen Enbe bei 3ab«l, gab ich all erde sufammen*
bängenbe «probe ber Sagebuchaufjeichnungen brei SBocben
aul bem erden üuartal 18x2 an bie SKebaftion ber ba#
mall in Entdebung begriffenen ‘Dpale’; de eröffnten
1907
bal erde £eft ber 3eitfchrift. £eiber batte el bie SXe*
baftion für überflüfdg gehalten, mich eine Äorreftur lefen
[LXXVIII] 495
$u raffen; baßer finb, pon flcincren geifern abgefeßn, bie
ipaupttcife beö Eintrages pom 2*. 3onuar in falfcßer
Steißenfolge gebrucft.
3 m gebruar besfelben 3a^>rcs teilte mir 9 )iajr SDoigt
mit, bafj er bie Partituren ber Aurora’ unb beö ‘©auf
in SBürjburg gefunden habe. gür Den Q 5 eri<ht über tiefe
f<t> 5 ne Sntbecfung, ben er in ber golge auffeßte, (teilte
ich jufammen, was ich in ben Tagebüchern non 1812
unb 1813 (oor beren enbgültiger gntjifferung!) an
©teilen über bie ‘ 5 Iurora’ ffnben fonnte; ber Stuf*
faß erfeßien am 6 . ©eptember (f. u. @. 313 oben). Die
£i|te ber ‘2lurora’«@tellen i(t nunmehr nach ®. 319 f
beö Porliegenben 33 u<heö jit perpolldänbigen.
Stma gleichieitig publijierte Sari ©eorg pon
SQtaaffen ben erden Q 5 anb feiner Hoffmann* 2 lu$»
gäbe, in bem bie brei Tagebücher auf ©runb meiner
SDtitteilungen benußt jlnb: bad oon 1812 nach bem eben
genannten Drurf in ben ‘Opalen’, baö pon 1813 nach
bem ©onberabjug auö bem ‘SSriefroechfel’ für ben QSiblio«
pßilentag pon 1905 unb baö pon i8iy nach ölten Äorref«
turbogen beö ‘öriefroechfels’, bie ber rührige Herausgeber
fleh ohne mein SBiflen ju perfeßaffen gemußt hotte. 34)
gedotte mir, jur Srgänjung pon SQtaajfenö feßöner SluS«
gäbe feine brei Quellen hier au nennen, ba SEJtaajfen
felber bas perfäumt hot — nicht in bofer Slbftcßt, fonbern
rneil er baö batbige Srfcßeinen meiner beiben SluSgaben
erwartete.
Äurj nach biefer Überrafcßung berichtete ich för bie
‘©übbeutfeßen PtonatShefte’ über HoftmannS Q3e*
jießungen ju 93reitfopf & Hörtel; einen Teil beS $luf*
496 [LXXIX]
faßeä bübete Die Sufammenflellung aller Tagebucheinträge
#offmannS über feine Slrbeiten für Jpärtel unb über
feinen perfbnlichen ©erfehr mit btcfern unb
SRochliß.
3 « berfelben Seit fagte ich auf bas Stangen eines
berliner ©erlegerS tiefem bie ©ucßauSgabe ber Tage«
büch er ju, obgleich ich bamit lieber bis jum Srfcßeinen
ber ©riefe gewartet hatte; am 18. Sejember würbe ber
©ertrag in ber vorn ©erleger aufgefeßten gajfung unter*
fchrieben, leiber ohne baß ich einen gewiegten 3uri|ten ju
SKate gejogen hatte.
1908
erfchien im Sanuarßeft ber ‘©übbeutfcßen Monatshefte’
©. S9—61 ber erwähnte SluSjug aus ben Tagebüchern
betr. bie ©ejießungen ju Jpärtel unb Stocßliß (wieberholt
in bem ipripatbrucf ‘^offmann unb Jpärtel’ ©. 46—48).
3 n ben folgenben Monaten «»feierte ich flüchtig bie
Mafchinenabfchriften ber brei Tagebücher, bie bie be*
währte Äopiftin Sräufein Slife Teichmann in ©erlin in
ben 3aßren 1906/07 für mich angefertigt hatte, unb be«
mühte mich, bie uneittaiffert gebliebenen ©teilen einju«
fchalten; »on ben Tagebüchern ber 3 «h« 1809, 1811 unb
1814 tonnte ich natürlich als gücfenbüjjer nur bas geben,
was Jjißig wörtlich ober frei baraus mitteilt.
@be ich biefes vorläufige Manuffript befiniti» burcß«
gefehn unb inSbefonbere ehe ich irgenbwelche ©or«
fchriften für ben ©eßer über bie »erfcbiebenenScßrift«
grabe, bie Slnorbnung bes ©aßes u. bgl. eingetragen
hatte, übergab ich es am 7. Sluguft bem erwähnten ©er«
[LXXX] 497
leger auf einige Soge jur Berechnung beö Umfanges,
bamit banach baS Rapier bedeut unb mit bem ©atcfer
perbanbelt werben fänne. ©er in phifologifchen ©ingen
gänjlich unerfahrene ©efchäftsmann gab jebod) troß meines
lebhaften ©nfpruchS bas fonjeptartige Blanuffript am
ii. Sluguft an bie ©rucferei, bie aisbalb ben ©aß be*
gann unb unaufhaltfam fortfeßte. Äaum im Beflße bes
Blanuffripts, teilte ber Berleger mir auch offen feine
Slbficht mit: baS Buch folltc fcßnell auSgebrucft werben,
aber nicht um (wie münbiich »erabrebet war) ju SEBeiß*
nagten in ben jpanbel ju fommen, fonbern um feiner«
feitS aiS ©rucfuorlage für einen anberen Swecf ju
bienen, ©er Verleger perbanbelte nämlich, wie ich mit
Sntfeßett erfuhr, fchon mif Pier SRebaftionen pnn popu«
lären Seitfchriften, unb bie meijlbietenbe fottte ben ge«
famten ©ept $um lieferungsweifen Slbbrucf er«
halten; bie Buchausgabe felbff aber follte bis auf weiteres
auf Saget bleiben, ©amit ich nicht in bie Sage fäme,
biefen «plan ju burchfreujen, erhielt ich bas Btanuffript
nicht jur Sertigjleflung jurücf.
9 lach bem SBortlaut bes BerlagSpertrageS, beffen Äon*
fequenjen ich mir nicht mit bem unbebingt notwenbigen
Btijjtrauen flar gemacht hatte, hätte ich biefe 5 luSfchla<h*
tung faum perhinbern fbnnen. ©aju waren mir aber
bo<h JpoffmannS Befenntniffe ju ehrwürbig unb meine
neunjährigen Bemühungen barum ju fauer geworben.
3 ch jog es alfo, troßbem feit Erwerbung bes SWiSceüaneen«
Buches meine BermogenSlage fidt? erheblich Perfchlechtert
hatte, Por, meinSRecht an ber Arbeit jurücfjufaufen;
leiber ging bas nicht billiger als für bas Bier fache bes
498 [LXXXI]
Honorars, baö id) für baS crflc Saufenb vereinbart unb
bereits vorfebußweife erhalten batte.
Snjwifcben waren bie Sagebücher von 1803/04 unb
»on 1812 bereits in gähnen gefegt.
1909,
am 4. 3 anuar, faufte icb meine Arbeit $u ben febon an«
gebeuteten SBebingungen surücf.
Sunäcbft batte icb nun bei ber Äorreftnr ber bereits
gefegten «Partien nacbjubolen, was im SDtonuffript ju »er«
merfen mir verwehrt worben war. Sie «ejeiebnung ber
Äalenbertdge würbe in bie jeßige gorm, berSeytber
©urcbfchußblätter in bie jeßige Slnorbnung gebracht;
bie Stieben Y unh »urben gefebnitten unb gegoffen,
feblenbe 3 nterpunftion bureb I ober einen großen
Swifcbenraum bejeiebnet. — Sie ©aßbreite bes §aupt«
tejrtes mußte freilich bleiben (icb batte bas gormat vier«
ieiebt etwas breiter genommen, ben Originalen ent«
fprecbenb *); ebenfo verblieb es babei, baß ber erfte Slbfaß
jebes Eintrags eingerüeft war, was icb nicht beab«
fiebtigt batte, ba baS jebeSmalige 2 ocb unter bem SDto«
natstage baS ©aßbilb unruhig macht. Sine SÜnberung
wäre aber nach erfolgtem ©aße ju foflfpielig geworben.
gerner würbe jeßt (unb noch einmal 1913: f. u.) ber
£eyt SBucbßabe für Q 3 ucb(labe unb Seichen für Seichen
mit bem Original verglichen.
* infolge bes «einen ©aßfpiegets bat leiber befonbers
bie angebängte 2 i(le von JpoffmannS Arbeiten (auch
biefe mmber wichtige Sinleitung mit ihren jurn Seil
etwas lang geratenen «Koten unb baS SnbaltSverjeicb«
niS) febr an Überfichtlicbfeit verloren.
[LXXXII] 499
2 >aS Tagebuch von 1813 fonnte ich noct> vor bem
©aße in Der glücflich jurücferworbenen ©rucfvorlage
tejrtlich unb faßtecbnifcb burcbforrigieren, ebenfo bie
SDreSbner SDtemoiren von 1813. £>ann gab ich bie
jDriginaltagebücher von 1812, 1813 unb xsiy, bie ich
fo fange in SDerwahrung gehabt hatte, ans SDWrfifc&e
SRufeum jurücf.
SDic jweifelbaften ©teilen bes «piocfer Tagebuches
habe ich fämtlich, bie ber fpäteren Tagebücher aller*
bingS nur jum ffeinen Teile jperrn Äarl Theobor
von @cb 5 n in SharfOttenburg vorfegen fännen, ber
burch bie jahrelange 33 efchäftigung mit bem hanbfchrift«
liehen Wachlajfe feines berühmten UrgroßoheimS ein
aujjerorbentliches ©efehief in ber ©ntjifferung von Jpanb*
fchriften jener Seit erlangt hatte; ich habe ihm unter
anberm bie 2 efung ber beiben ÄSnigSnamen s oben
ju verbanfen. Seiber ging #err von ©djon ju früh
für mich nach ßftpreufien jurücf, um bie 93 erwaltung
beS väterlichen ©uteS ju übernehmen.
3 . Sie 2lufftnbung ber brei anberett Schreib;
falenber unb bie feitbem erfolgten
aSeröffcntlicbungen.
©h« ich jeboch auch noch baS Tagebuch von 1815
faßfertig machte unb bie gähnen umbrechen ließ, ver*
fuchte ich es noch einmal, auch bie Jahrgänge 1809,
1811 unb 18 u ju ftnben: benn wenn bie Tagebücher
von 1812, 1813 unb isiy im Jahre 1901 bem 93eflßer
verborgen geblieben waren, fo fonnte er 1904 bei ber
500 [LXXXIII]
ßberfenbung feiner ©cbdge auch jene anberen brei no4>
fiberfeben gaben.
fchrieb affo »ierjehn Sage nach jenem SRücffauf
an bie SBitwe bes injwifcben »erworbenen (Jbuarb #igig,
Seopolb Slanfes liebenswürbige 35 ruberSto 4 ?ter, unb er*
hielt eine Slntwort unterm 21. 3 anuar. £>aS «Bitrett
nahm mir jwar faft alle Hoffnung, noch etwas $u
ffnben, biej) mkg aber auf bas freunblichWe willfommen
für ben galt, baß icb na4) a4)t 3abren no4) ein brittes
Wal f4>ägefucgenb nach £alle färne. tlnb ba ntuf i4)
nun freilich fagen, bafi bas (Schief fat mich für ben
grofjen Sflrger ber legten fed>ö SPlonate in aufjerorbent*
lieber SBeife entf 4 >äbigte. Sltn 2. gebruar fanb i 4 ) in
£alle bie gefu4)ten Tagebücher alle brei; itnb, wie im
jweiten 35 anbe biefer 'Publifation be§ näheren ju be<
richten ift, fanb jich iu guterlegt im folgenben SDlonat
an einer anberen ©teile auch noch bas 9 Wotatenbud>
aus £ojfmannS legten £ebenSjahren.
©iefed lieb ich gleich fegen, um es bann feinem «8e*
figer jurüefgeben ju fönnen; mit ber €nt&ifferung (unb
bem ©ag) ber neu gefunbenen Tagebücher ließ ich
mir Seit, um, t»ie ich bis (£nbe 1907 gewollt, er(t
ben ‘ 55 rieft»echfer ju beenben unb jufammen mit bem
£ippe(*Q 3 anbe herauSjubringen. ?lu 4 > entfcblojj ich mich,
um weitere IjJrioritätSfireitigfeiten unmöglich ju machen,
meinem WitteilungSbrange nunmehr Sugel anjulegen unb
bie neuen gunbe nur in ber ©ucgauSgabe ber Tage*
bü4)er ju publijieren, auch »or greunb unb geinb ein|t*
weilen gänjlich barüber ju fchweigen.
dagegen lieb i4>
[LXXXIV]
501
19 Io
für bie ©eneralperfammlung beä Seipsiger SBiblio«
Philen «Slbenbs am 28. ©iai eine längere <SteUc bes
Tagebuchs Pon 1813 pon bem feit Slnfang 1909 in
Sahnen ftehenben @age abjiehn, als 3 weite jufatnmen*
hängenbe Q 3 rot>e aus ben Tagebüchern.
1911
erfchien bie „pfpchographifche SnbiPibualanalpfe" ipoff^
mannö »on «Paul ©largis, materiell bei weitem bie
leichtfertig^ längere Arbeit, bie |e über jpoffmann ju*
fammengefchrieben i|t (faft jeber @<uj enthält entweber
einen 3 rrtum ober eine ^Banalität), unb formell in
ihren 222 ©eiten bie erbarmungSroürbigffe SluSgeburt
impotenter «pebanterie, bie ich überhaupt in ber ganjen
gelehrten £iteratur fenne.
©iargis h«t für biefe Slrbeit Slnfang 1909 bie Original«
tagebücher pon 1812, 1813 unb 1815 im ©iärfifchen
©lufeum burchgefehn; er hat ihnen aber fcblechterbingS
nichts irgenb nennenswertes ju entnehmen permocht
(als befonbere ©lerfwürbigfeit bucht er, baß jpoffmann
öfters bei Siegenwetter fchfecbter £aune war).
«Dafür hat er aber £>inge hineingelefen, bie nicht barin
Itebn; einen befonberS effatanten Sali ber 2 lrt, ben ©iargis
fchon an jwei Orten mit Triumph ins Treffen geführt,
muß ich tro# meiner Slbneigung gegen alle unfrucht*
bare fJJolemif auSbrücflich erwähnen, ba ich mich nur
fo por bemSJerbachte fcpüfcen fann, par respect
pour les mceurs Tagebuchflellen unterbrücft
ju haben.
502 [LXXXV]
Stuf @.21 feineö Buches nennt SCHargiS „eine gereifte
SDtobame granje, bie uns in bem Tagebuch con 1812
ein paarmal begegnet unb [jrear] in einer SBeife, baß
man ju ber Vermutung fornmen fann, £. batte fleh bei
biefer cielleicht fäuflichen iperfon für feine unbefrie«
bigte £iebe au Sufi« SDlarc entfchäbigt." Bon
SPtargiS felbft (ober oon einem fritifchen Äorreftor? ber
ganje @a& macht ben ©nbrucf, als fei eine anfänglich
itmerftcbtiicbe Behauptung nachträglich in Saeifel ge«
jogen) i(l alierbings ein 2luSrufungs« unb ein grage«
aeichen in Älammern baaugefe&t; auf @. 194 »erben
bann aber in einer Slnmerfung fern angebliche Belege
Sitiert: „Tagebuch »on 1812 unter bem a.ßv., 5./VIIL
[unb] 29./VHI.", alfo unterm 8. Slpril, y. unb 29. Slugufh
3« ber ‘Seitfchrift für Bücherfreunbe’ com 3uni 1911
— ich reeiß nicht, ob »or ober nach ber Brofchüre —
fchreibt SDlargiS (@. 91) ganj in betnfelben @inne:
„3« Bamberg entbrannte er .... in leibenfchaftlichfter
£iebe au einem jungen Räbchen, ber 3ulia feiner (£raäb«
lungen ... Sugleich flanb er in Bamberg mit einer
gereiften Biabame granae in Berbinbung, bie, reie aus
feinen Tagebüchern herooraugeben fcheint, basgeuerau
jtitlen berufen rear, welches 3ulia entaünbet
hatte." 2)iefeS gaftum ifi einö ber 3nbijien, aus benen
es für ©largis (reie er auf berfelben @eite, weiter unten,
fagt) „febr reahrfcheinlich" reirb, baß Jpoffmann ber Slutor
einer pornographifcben @<hreibübung ifi, bie ben finblicb
lallenben Titel führt „@chreefier ©lonifa erjählt unb er«
fährt" (man benfe fleh bie im felben Saht erfchienenen
€lijriere bes Teufels’ unter bem Titel „Bruber ©tebar«
[LXXXVI] 503
bu« erjaljlt uni) erfährt") unb Neffen fünßterifcbe Xecb*
nif auf berfelben ipöfje fletjt wie tiefer Xitel unb wie
bie »iffenfctaftUcfje Xecbnif be« SCftargi«.
5 Rit feiner SMame gränje ßel)t e« nämlich noch einen
©rab winbiger al« mit bem arebwariu« ginbborß, bem
Äonreftor Kaufmann unb bem SRegißrator #eerbranb,
bie nacb ßftargifen« Überjeugung (3f< f- 55fr. @. 88)
bißorifebe 2>re«bener QSefannte jjoffmann«
flnb. £>iefe brei giguren fommen, wenn auch feine«',
weg« in £offmann« geben, boeb in feiner Sichtung »or.
aber eine SCRabame gränje finbefl bu, geliebter gefer,
weber an einer ber brei »on SCRargi« jitierten
Xagebucbßellen noch fonß irgenbwo in £off*
mann« Xagebücbern ober «Briefen ober
©ebriften: biefegußmaib ejrißiert lebiglicb inberbureb
bie geftüre ber SWonica^cbwarte Überreifen «pt>antafte
be« £errn Sföargiö *.
* SEBie e« fleb pfpcbologifcb erflärt, baß Sttargi« biefeö
©efcbbpf feiner fppantafle gerabe gränje benennt, ba»
nacb wollten wir al« einen ga<bmann eigentiieb ben
ßJrofeffor ber «Pfpcbologie Söilliam ©tern in Q3re«'.
lau fragen, ber ba« Stfacbwerf feine« ©cbüler« SDJargi«
berau«gegeben unb mitbin im wefentlicben gebilligt
bat. auch hofften wir auf biefem SBege »ielleicbt ju
erfahren, warum SCRargi« biefe« ©efpenß gerabe unter
ben brei S)aten be« 8« april, be« s< unb be« 29. auguß
erbiieft bat.
Ijnjmifcben haben wir jwar für bie jweite grage
burebau« feineantwort, für bie erße aber bie 2R5g*
lieb feit einer foleben gefunben.
«Dom 8. bi« jum n. SD?at 1812, aber weber por*
her noch nachher, iß ipoffmann täglich (im ganjen
504
[LXXXVII]
1912
erfc^ien SllingerS Jpoffmann*2(uSgabe, bie Jpoff*
nwnnS Sejrte in reinfier ©cflaft bietet unb Deren ©•*
fechsmal) an verriebenen örten, Darunter auch
im £aufe Der grau Stare, mit Dem befannten
«iolinvirtuofen unD Ä'omponiften gerbinanb gränjl
(1770—1833) aufammen, Der 1806-1827 Stuftt*
Direftor (D. h- Dirigent Der fönigficben Jpoffapelie) in
2Ji finden unb ca. 1807—1824 titgleicb ©ireftor Der
Deutfcpen £>per Dafelbft mar. £S ijt nicht ganj «uS*
gefcbloffen, Daß Stargis Diefen angefehenen Stann unter
Der oben angeDeuteten übermütigen literarifchen
©uggejiion in eine „vielleicht fäufftcbe" Stabame
gränje umgefcbaffen bot.
p Um fleh fiar au machen, welcher ©rab non Urteile*
fähigfeit au Diefem quae pro quo gehört, lefe man Die
©ntrage über Die vier läge Durch (©. 129O. greitag
Den 8.Stai fommt gränjl aus München herüber, um
in «amberg ein Äonjert au geben, ©onnabenb SDor*
mittag befpreeben Die Starcfchen ©amen, Stutter unb
Xochter, bas nähere mit ihm, jpoflfmann unb ©itt*
maier. 21m Stontag finbet Vormittage Die «probe,
nachmittags baS Äongert patt; Mulchen fingt „höchft
vortrefflich", fo baf Jpoffmann in verliebter SKaferei
alles hätte „ermorben fßnnen, ivaS fleh ihr näherte".
Slbenbs verabfepieDet gränjl {ich von Den Sperren in
Der Stofe’. Stargis macht Daraus: abenbs tvurbe
Dann Das geuer gefüllt, nselches Oulia entjünbet hatte,
©enn wenn er nicht Diefen Eintrag vom 11. Stai
meint, bann weih ich »irflicb nicht, auf was er feine
werte £ppotbefe au ftüijen gebenft: unterm 8. SfprÜ,
5. unb 29.2fugufl vermag Der fühnfte Äcnjeftor feine
SOinDame gränje au entbecfeit.
Sebem außer Stargifen wirb es einleuchten, Daß
[LXXXVIII] 505
läuterungen einen unüt>erfet>barcn «Reichtum non größten¬
teils neuen ©injelerfenntniffen in einer fpartanifcpen
Änappbeit nortragen, bie für 9Raajfen unb mich ein
unerreichbares SDorbilb bleibt *. 2Bie t>ic Anleitungen ju
©ittmaier als ber erfte SDiolinift unb ©irigent in
Bamberg unb £offmann als ber erfte bortige ©efang*
lehrer unb Äomponift mufifalifcben gremben gegen*
über foiufagen bie Honneurs ber ©tabt machten, ohne
beSbalb gleich mit ihnen in ©efcblecbtsoerfebr au
treten; es finbet {ich eine ganje «Reihe »on Belegen
bafür. ©aS Tagebuch non 1811 ftanb SOiargifen nicht
jur Verfügung — jum ©lücf, wie man wohl fagen
barf. 9)?an erwäge, was fonft feine ©achfenntnis
unb (Phantafie auS ber „93efanntfchaft" mit „SCRaria
»on 2Beber" vom 3. SRära ober gar aus ber „{ehr
angenehmen" Slbenbunterhaltung mit biefer ftJerfönlich*
feit am fofgenben Sage gemacht hätte! ©s ift nicht
auSjubenfen.
* SBäprenb für bie 2eijhtng beS Herausgebers fein
2ob hoch genug ift — in meiner 23efprechung in ben
‘©renaboten’ vom 26. gebruar 1913 hübe ich aus
SRaumrücffichten nur bas SBichtigfte beffen hernorheben
tonnen, was fte oor ©rifebac^S Arbeit »oraus h«t —
hat fleh ber Söerfag leiber nicht auf bie entfpreebenbe
Höhe gefteut, befonbers inbem er bie Beifügung jeg*
lieber 2lrt von SKegifter abgelehnt f>at. ©s liegt auf
ber baft ©Uingers enorme SlrbeitSleißung
namentlich in ber «ftaebweifung ber non Jpoffmann
benufeten ©chriften für bie SBiffenfchaft erft bann
völlig erfchloffen wäre, wenn ein SRegifter biefe
©chriften unb bie ©teilen, in benen £offmann fie
benußt, »eraeichnete. Slber nicht nur ein Derartiger
«Nachweis für gorfcher fehlt, fonbern auch ein
mittel, baS beiaufügen bie primitivfte SRücfftcht auf
506 [LXXXIX]
eiitielnen Q 3 änben uni) bie anmerfungen benußt aucf>
böS »orangeflellte £ebenöbilb mehrfach bie Sagebücber non
1812 unb 1813; a bringt neben einer 9leihe glücflicher
Einjeljitate inöbefonbere bie £tcb«@teHen non 1812
in einer auöwahf, bie.einen erheblichen gortfcßritt gegen
^)ißig§ SufammenfleHung bebeutet, SSBeniger auögenußt
flnb bie Säten über £offmannö muftfalifcbe unb pcetifcfce
arbeiten, wie ein 93 ergleich mit ben angaben unferer
2i(le für 1812/13 jeigt.
3m $?ai be <3 feiben 3ahreö fonnte ich gelegentlich
eine« Weubrucfo beö 93 ogenö 14 beö ‘SBriefwec^fgrr bie
£auptbaten beö Sagebuch« »on 1814 in bie 9loten ber
©eiten 211 f, 21*, 219f einffigen.
iebeit £efer erbeifcht batte, nämlich einSSerjeichniö
ber in ber2ht$gabe enthaltenen Sraablungen
£offmannö. 933 er j. 93 . nicht auöwenbig weiß, bajj
bie 9 lo»eHe ‘©pieiergiüif im britten Q3anbe ber ‘©e«
rapion&SBruber’ fleht, ber muh bie 3nhaltS»erjeicb*
niffe aller Q 5 änbe banach burchfehn; unb wer gar ein«
seine öberfchriftlofe Partien aus ben »ielfeitigen ©e«
fprächen ber ©erapionö« 93 rüber fucbt, etwa bie anef«
boten »on ber £oge sum eierlegenben Jpahn unb »on
SDoeteriS ©chulfreunb ober bie Erörterungen öber
©omnambuliömuö unb öber ‘jtarlö «Derfuche unb
£inbernifTe’, ber muß unter Umftänben ben £ejrt aller
»ier Q 3 änbe ber ‘©erapion&sSrftber’ burchblättern.
Stefe übel angebrachte ©parfamfeit beö SDerlageö ift
ohne gaeifel ber Jpauptgrunb bafür, bah ©rifebachö
unoergteichlich »iel weniger befriebigenbe auögabe troß«
bem »on »ielen »orgejogen wirb; benn ein mangel*
hafteö SRegifter wie baö »on ©rifebach auögearbeitete
ifl immer noch weit beffer afö gar feinö.
507
[XC]
3m 3«ni würbe ber Vertrag über bie »orliegenbe
giuögabe mit bem jeßigen Verleger berfelben abgefcbloffeit,
ber fcbon im 1909 nach bem SHürffauf be3
93erlagärecbteö fleh beöwegen an mich gewenbet batte
unb jeßt im «Begriffe (lanb, bie erflen beiben 35änbe ber
„93 e rf e b r ö" < Dofumente berau^ubringen.
Sachtem biefe um ben 1. Sluguft erfdjienen waren,
lieferte icb in ben folgenben SBocben bie brei 1909 8«*
funbenen Tagebücher in faßfertigem TOanuffript ab (für
1809 unb X811 hatte icb wieber eine Teicbmannfcbe
SKafcbinenabfcbrift »on 1909 jugrunbe gelegt, ba$ Tage«
buch »on 1814. aber feiner Unüberftcbtlicbfeit wegen felbft
fopiert). 3m September würbe alle« gefeßt; icb war
aber leiber genötigt, biefe gabnen bann ein 3<*br I^ng
unerlebigt liegen ju laffen.
1913.
3m ^weiten Ouartal be$ folgenben 3ab«$ entwarf
icb für bie "Deutfcbe SRunbfcbau’ einen «Beriet über
$>offmann$ leßte SOJonate in <Pofen unb feinen Slufent*
halt in ipiocf; alle irgenb wichtigen Stellen be§ ftJlocfer
Tagebuch^ würben eingefcbaltet, alö britte jufammen»
bängenbe Testprobe £offmannfcber Tagebücher.
©leicbjeitig würbe ber Slbbrucf biefeö Tagebuchs in
ber »orliegenben Sluägabe für brueffertig erflärt.
(Erft im September fam icb bann baju, bie Tage*
bücber »on 1809 unb 1811 in ben gabnen au forrigieren
unb babei noch einmal genau mit ben Originalen au
Dergleichen.
3m iDejember begann ber erwähnte biograpbifebe Sluf»
508
[XCI]
faß in ber ‘©eutfchen gtunbfchau’ ju erfcheinen, im
leßtcn noc^ non 3uliu$ SRobcnberg herauögegebenen
Solang;
i9H
im Sanuar folgte bie jroeite Raffte mit bem QJfocfer
Sagebucb, bem einjigen, baö bisher einem größeren Sefer-
freife norgefegt iß.
SSon <5nbe Januar biö Anfang Sföärj würben bie
2agebßcher non 2822, 1813 unb 1814 in ben Sahnen
non 2908, 1909 unb 1912 noch einmal auf baö pein«
fichße mit ben Driginalen nerglichen unb Sftitte SJtärt
enbficb auch baä Sagebuch non 181$ faßfertig gemacht.
21m 10. Sföai würben bie beiben leßten non ben
18 93ogen, bie bie Sagebflcher enthaften, brucffertig
erffärt,
«Don ben brei 2tufgaben, £offmann$ Sagebücber ju
finben, ihren SEBortlaut su entjiffern unb ihren
fachlichen Sn&aft tu analpfleren unb )u erläutern,
war fomit bie erße im Saufe non neun Sabre« unb bie
jroeite im £aufe non eff Sahwn erfebigt — bie erße
näaig unb bie jweite, wie ich hoffe, im wefentlichen be«
friebigenb. SBenn baö aber ber Saß iß, fo habe ich
es in erßer 2inie ber außerordentlichen Sangmut ju banfen,
mit ber bie Seiler bed ‘SSKärfifchen Niufeumd’ ber ©tabt
93erlin, iperr fJJrofeffor SÄubolf föu^holj unb fein
Nachfolger Jperr «profeffor £>r. Ötto «pniower, mich
jahrelang bie brei Sagebücber non 2822, 1823 unb 2815
wie mein ©gentum haben benußen laffen.
Juni/Juli 1914
[ 2 ]
509
beit Materialien
5« einer
33ioc$rapl)ie (£. 5/21. Sjoffmamtö.
®rei Arbeiten ^offmannS
aus ben erften SlegterungSjah^n griebridj QöilheltnS III.
92ebft anberen Mitteilungen aus Äoffmannö £eben
unb einem ©efamf*3n|>allöt)erjei(^ni^ ber oerioanbten c Pttblifalionen be$ SSerfaffevS.
93on
#an$ ron Füller.
München unb Berlin 1918 bei ©eorg Müller.
511
[3]
®rei $irf>eifen $offmann^
«u$ ben crftett 9tegterungss}aE)ren
$riebric& SBilljelmS III.
9Zebft anberen Mitteilungen aus SoffmannS £eben,
inäbefonbere über feine Bejtebuttgen &um 'Berliner ‘S&eater unter Sfflanb
unb feine 'S'reunbfcfyaft mit bem ftf)leftfd)en Mufiter 3ob<tnneg Äampe,
unb einem ©efamt--3n^alfö»et:geicl;mö
ber nermanbten ^ublifationen be$ 93erfaffev^.
Bon
$)cm$ fcort Mütter.
Münzen unb Berlin 1918 bei ©eorg Müller.
[4]
513
3m lebten Viertel beg 3abreS 1915 iff ein 5eil biefer “2luöfü^rungen
oerfafct unb oon ber ^iererfcben £ofbu<hbru<ferei Stephan ©eibel & (Io. in
‘illtenburg für bic ‘©eutfebe 9*unbfcbau’ gebrutft. ©et Sluffctfj ersten bort
ju Neujahr im Umfange oon 29 Seiten.
3m erffen Viertel beS 3abreS 1916 mürbe biefe ^ibpanblung auf mehr
al$ ba$ ©oppelte ermeiterf; auierbem mürbe ipr baS ©efamt'3nbalt$»eräeicb>
nil S. 64—76 beigegeben, ©er Sab erfolgte in berfelben ©rutferei unter
teilmeifer 93ermenbung be$ c 9?unbfcbau’=SabeS; ber ©ruef mürbe auä äußeren
©rünben üerfdjoben.
3m Stübiabr 1917 ift bann bie Schrift noch einmal burebgefeben unb
um bie ©ffurfe S. 77—80 öermebrt. ©er ©ruef be$ ©anjen erfolgte im
Siuguff 1917 in 180 oom 93erfaffer numerierten ©jemplaren.
©yemplar Sfr. - 3 £-
J( ' i/. .
►
t
M
515
Dem ©reifen
(Beorg oon I}ül|en=l)aefeler
©etter alOntenöanten 6er Königlid)en Sdjaufpiele
[7]
517
CEto. (Ejcellertä
fabelt 3f)re alte 3uneigung für ben Poeten Berlins riif)mlid)ft betätigt in ber
rounberoollen Darbietung oon 3 U ^ CS Barbiers Ijoffmann = Drama,
jenem fdjönen Zeugnis ber Dankbarkeit eines ga^en Dolkes, bem EDerke, bem
ber fterbenbe ©ffenbad] feine ftärkften 3auber geliehen Ijat in füßen Klängen
ber £iebe roie in grauftg--teuflifd)en lEönen.
(Eid. (Ejcellen 3 I}aben bann 3f)r Unterere für Ejoffmann aufs neue bar*
getan, inbem Sie midj auf Öen oöllig unbekannten 3ugenbbrief §off =
manns an 3fflanb tjinroiefen. IDir erfahren aus biefem Scfjriftftück 3 um
erften ItTalc oon einem Sittgfpiel, bas ^offmann 1799 in Berlin gebidjtet
unb komponiert l)at; ber Brief felbft [teilt ben erften ber oielen üerfudje £joff=
manns bar, auf ber fyiefigen Bühne 3 U <5ct)ör 3 U kommen — ein Beftreben,
bas freilich erft bann (Erfolg fjaben konnte, als ein halbes Menfd)enalter fpäter
in ber perfon bes ©rafen Karl oon Brül)I ein oertoanbter Seift 3 ur
£eitung ber Königlichen Sdjaufpiele berufen toorbeit roar.
Diefer Brief an 3fflanb ijt in ben Mittelpunkt ber oor*
Iiegenben Arbeit geftellt. Daoor unb banad) toerben 3 toei Kantaten
behanbelt, an benen ber junge fjoffmann gleichfalls — bas eine Mal als
Dekorationsmaler, bas anbre ITtal als Komponift — feine keimenben Sweater*
latente beroährt Ijat.
Anhangsroeife roerben bie Be 3 iel)ungen unb üerhältniffe öargeftellt, bie
öurch biefe brei Arbeiten angebahnt roaren. ^offmanns 5 rcuTl bfchaft mit bem
Komponiften ber einen Kantate — eins ber fdpnften menfchlidjen üerhältniffe
bes fchroer 3 ugänglid|en Mannes — toirb bis 3 um 3 a h rc 1819 oerfolgt. Dor*
her roerben bie Unannehmlichkeiten oorgeführt, bie bie Aufführung ber anberen
Kantate 3 ur $olge hatte. Da 3 toifdien enblid) roirb ge 3 eigt, roie Ijoffmann fid)
fernerhin oergeblid) bemühte, bei 3fflanb 3ntereffe 3 U erroedsen, unb toie er
bann 1808 in ber Kritik bes Berliner ©h ea * crs 3 U bem großen Sdjriftfteller
rourbe, als ber er nod) heute lebt; im Anfdjluffe an biefe Darlegungen roirb
S. 58 bie fegensreidje IDirkfamkeit bes Srafen oon Brüßl, beffen (Ernennung
Ijoffmann mit ber f)öd)ften 5reube begrüßt I)at, mit ©eidjmanns IDorten kur 3
d)arakierifiert.
(Eto. (Ejcellen 3 eigne id} bie Arbeit 3 U als ihrem Anreger unb als bem
roürbigen Hachfolger Brühls.
Berlin W 30, Moß*Straße 31,
im Mär 3 1916.
Der Derfaffer.
[ 9 ]
519
£iberfid)t
Seife
Beraeicpniffe: 1) ber abgebtudfen Tej:tc, 2) bet nachgewiefenen ©elegenheit«-
Kompofitioneu Äantpe«. 3) bet abgefürst cifierten Schriften.10
Borbemerlungen.11
I. [fpesieß su biefer Bbbattblung]. 11
II. [allgemeine].11
1. Äofftnamt« Vornamen.. . . 12
2. iaoffmann« Titel.13
3. ©ie 'Pertoben oon Soffmann« 'Probuttion.14
©rei Arbeiten Soffutann« au« ben etften 9tegierung«j;abtett
ftriebrtcb <2Bilbelm« III.16
I. ©er Tempel be« B«fulap. ©eloration für eine Kantaten • Bufführung
(©logau 1798). 16
II. ©ie Ma«te. Singfpiel in btei Bufsügen (Berlin 1799). 28
III. ©ie Kantate aut $eier be« neuen 3ahrhunbcrt« (<Pofen 1800). 32
Bnhang.40
1. ©ie folgen be« 'Pofener $efte«: 1801-1802 . 40
2. Erinnerung an Sarnpe in 'ptocl 1803/04 . 42
3. Bemühungen bei Sfflanb oon <2Barfd)au au«: 1804—1807 . 43
4. £> off mann unb ba« Berliner Beater 1807/08: btei Karritaturen; bie etfte
9?esenfton.45
5. Bliebet in ©logau, Sommer 1808: fünf &bmnen, ‘Witter ©lud'.48
6. Soffmann« Bamberger Anfänge 1808/09 . 52
7. Eiterartfcher Kampf gegen Sfflanb feit 1813.57
8. £etjte Besiegungen su Sampe.59
Beigabe: ©efatnt-3ttbalt«öcrseichni« bet mistigeren ^ublifationen be« Bet»
faffer« sn 5jofftnamt« £eben (Srfchienene« unb ©eplanfe«).64
Erfte Reifte: Äoffmann« Besiepungen (Briefwechfel unb Umgang) ... 64
A. Äoffmann im perfönlidjen unb brieflichen Bertehr: I—III.64
B. Bu« ben Materialien su einer Biografie Äoffmann«: [a] unb I—V . . 68
C. [£>offmann« Besiegungen su (6) einseinen 'Perfonen unb su (3) sufamnten-
gehörigen paaren: Titel unb Sinmeife].69
Sweite 9?eipe: Äoffmann« Tagebücher unb Ergänsungen basu.71
A. Soffmann« Tagebücher unb literarifche Entwürfe :1I. II.71
B. Fragmente einer Biographie Soffmann«, s ur Srgänsung feiner Tage¬
bücher: I—IV.73
©ritte 9teipe: 3ufammenfaffenbe«.74
A. ©efamtregifter.74
B. Bu«»ahl. 74
Srgansungöfchrift sur erften Beibe: Sutiu« Sbuarb Äipig unb bie Seinigen
bi« 1814: Buch I—III.74
Bier Esturfe [1917 nadbgetragenj.77
1. Bloh« Molinarb (su S. 17).77
2. ©ie Statuten ber 'pofener Pteffource unb Äoffmann« ^arobie barauf (su S. 32) 77
3. £>ampe« 'Jeftfpiel für Eocceji (su S- 42).78
4. 3u Äampe« ^eftfpiel für Erbmann«borf: Ernft ©önd) (su S. 60).80
520
[ 10 ]
93eraeidjntffe:
1) bet abgebrucften §:ejte:
1798 ©arl 953 1 11; e 1 nt 9?enfcf), “Jeftfpiel ^ur ©enefung be« $ötttg« 24
1799 Brief Aoffmann« an Sfflanb.29
1800 3o§ann £ubt»ig Sdjtoara, ©antate sur “Jeier be« neuen
3af>rl;unberf«.34
1809 Brief Aoffmann« an A<t»tpe.55
1819 Brief Aoffmann« an A«mpe.62
2) ber nad&getoiefenen ©eCegettf>eit«*Äompofttionen Aompe«:
Ort:
3af>r:
Qlnlafj:
$e?t«
bitter:
©logau
1798
©enefung be« 5?öntg«
9?enf<3i>
f.o.
„
1802
3ubiläum be« ^räfibenfen t>. ©occefi
^lümtcfe
79
Ciegntfj
(1809/16)
9lütffe&r be« ^räftbenten n. ©rb*
tnannSborf
©öndE)
60
Oppeln
(1816/23)
©urcfyretfe be« itronprinjen
?
61
3) ber abgefürgt citierten Schriften:
“iDiit bcm „ecfteu (gtneiten, batten) Aeft btefer ‘Sftiffeüungen" ift ba« cntfpred)enbe Aeft
„21u« beit 9Ü?aferialien <ju einet Biographie Aoffmann«" gemeint: f. u. 6. 69.
Betlinifcf>e @efd>icfrten = ®. 21. Aoffmann« Berlinifcbe ©efcf)icbten: f. 6. 3
be« Slmfcljlag«.
Brieftnec&fel == Aoffmann« Briefmecbfel (mit 2lu«nal)me bet Briefe an Aippel):
f. u. 6. 65—67.
“Jragm. I — Fragmente einer Biographie ©. 21. Aoffmann«, ötiief I: f. u.
6. 73.
Aärtel = Aoffmann unb Aärtel: f. u. 6. 70.
Aippel = Aoffmann unb Aippel: f. u. 6. 64/65.
Ai$ig == 21u« Aoffmann« £eben unb 9?acbla£. Aerauögegeben t>on bem 23er-
faffer be« £e&en«=21brifje« “Jrtebricf) £ubmig 3ac&arta« 2öerner« [b. i. 3utiu«
©buarb Aifüg]. 2 ^eile. “Berlin, ©ümmler, 1823.
Aoffmann nach ben Berichten feiner Belannfen: f. u. <5. 67/68.
Äarl 3ußu« Aoffmann: f. u. 6. 16 unter b.
^roninaialblätfer: f. u. 6. 16 unter a.
©ebtoatj = ©enltoürbtgfeifen au« bem £eben eine« ®efcbäff«manne«, ®icpter«
unb Aumoriffen. Aerau«gegeben non 3[ol;ann] £[ubh>ig] ©eptoara. 3tnei
[burebpaginterfe] 216tf)eilungen. £eipgig, xoHntann, 1828.
“Sagebiidjer — (?. 'S. 21. Aoffmann« Sagebüdjer unb literarifcpe ©nftoürfe, Banb 1:
f. u. 6. 71 f.
[ 11 ]
521
QSotrbemerfmtöen.
I.
sat)lreicf)en 'Berfudje ÄoffmannS auf bem ©ebiete ber Inlbettbett
&unff, bcr Mufti unb bcr (Dichtung, bie bis jum Frühjahr 1796 in ÄönigS-
bcrg cntffanbcn, finb mehr ober weniger befannt aus ben eitumbsmanjig
(meiftenS langen) Briefen auS biefer 3ett, bie iöippet auSsugSmeife milgefeilt
bat 1 )- 3n ben folgenben fed)S 3abren, bie Soff mann öor ber befind wen
(Hnffelluttg im 3uftisbienft (unb öor ber ©rünbung eines eigenen ÄauSffanbeS)
in ©logau, ‘Berlin unb ^ofen »erlebte, werben feine brieflichen Mit¬
teilungen an icuppel immer fpärlid)er an 3abl unb immer jurüdhaltenber im
3nbalt. (£rft Einfang 1803 fetjt wieber eine regere &orrefponben& mit bem
Steunbe ein, bie alSbalb burd> anbermeitige Briefe unb burd) Tagebuch*
aufäeidjnungen ergänzt wirb; unb 1804 lernt iö i^i g 5) off mann lennen, um
ibn binfort — im ©egenfat) fiu Äippcl — nie mehr ganj auS ben “Jlugen ju
oertieren. ‘Bei biefem Stanbe ber Überlieferung getoinnen auch minber mistige
Ceiftungen ÄoffmannS auS jener bunllen 3ttufd>enjeit oon 1796 bis 1802, oon
benen mir burd) oereinjelte 3eugniffe S?unbe erbalten, an 3ntereffe für bie
$reunbe beS merfwürbigen Mannes. 3n biefem Sinne berieten mir im
folgenben über je eine Arbeit ÄoffmannS auS ben genannten brei Stationen
feines SunggefellentumS unb geben bamif ein Seifenffüd ju ben Angaben
über JooffmannS iberjenSleben mäbrenb berfelben 3af>re 1796—1802, bie
baS britte iöeft biefer Mitteilungen bilben. Übrigens bat, mie man feben mirb,
jebe ber brei Arbeiten ben jungen Äoffmann in eine — menn aud) red>t lofe —
Begebung sum preufjifd)en ^önigSbaufe gebraut, beffen ^efttage feine lebten
'Bübnenmerte oerberrlicbt ha&en 2 ).
*) 6. Äiooet ®. 41—113 unb (Gegiftet) S. 332—336.
g ) 'Setanntlid) erfefcien ber "Safftlo" im Opernbaufe aur öierten fiunbertjabr,
feier be« Sobenjollernbaufe« (am 22. Oftober 1815), bie ‘Slnbinc’ im Schau-
fpielbaufe am 46. ©eburfSfage be« Äönig« (bem 3. Qluguft 1816). ‘dl« erfter
bat ber Freiherr Sari »on ßebebur 1861 in bem auSgejetcbneten Äoffmann-drtitel
feine« '^onffinftler-ßejiconS Berlin« 5 biefe beiben ®aten mitgeteilt; atoei Sabre barauf
beftätigte fle ©ingelftebt au« ^eicbmann« ßiterarifebem 9tad)lafj unb 1886 bann aber-
mal« bie 3abrbunbertftatiftit ber ‘königlichen ^beater in Berlin’ oon G. Scbäffer unb
G. Äartmann. 9htr oorübergebenb finb fie bann toieber in 93ergeffenbeit geraten (©rife-
bacb gab 1899 für beibe duffübrungen falfcbe SRonate an, unb anbere finb ibm für bie
ünbine> barin gefolgt).
522
[ 12 ]
II.
93ei biefer ©elegenhetf feien ein für aUemal brei fragen erlebigt, bie in
jebem “Sluffahe über einen größeren ‘Slbfdhnitt »on iöoffmannS £eben eine
9?olle fpieten: jmei äußerliche unb eine wefentfidje.
1 . £>offmann$ Vornamen.
Äoffmann nennt ftch Hg 1808 ©ruft ^ßeobor, feit 1809
Srnft^heobor^mabeuö. 'Jßenn er ben jmeifen tarnen abtürjt, fcßreibt
er niemals „Sth-" 1 )-
a) ©er 9?ame ©ruft ^ßeobor erfcheittf fo noch auf bem »on Schreiber*
hanb auf ben c §ranf ber £lnfferblid)teit 5 gefegten $£itel z ) (bie ^ompofitton
ift am 23. 3anuar 1808 angefangen 3 ), am 27. Februar beSfelben 3ahreS ab*
gefchttff 4 )); abgefürjt mit ©♦ 3ult 1807 unter bem Portrait beö ©hepaarä
3hig 4a ) unb auf bem gestochenen 5itel ber ‘Trois Canzonettes’ 6 ), bie “Ein¬
fang SO^ai 1808 erfchienen finb 6 ) (ebenfo nennen ihn noch nach feinem 'Sobe
Souque 7 ) unb Rugier 8 )).
b) ©er 9^ame ©rnft $heoHr SlmabeuS erfcheint, u. 3 . in ber^lb*
türjung ©. *&♦, juerft auf ben etgenhänbigen Titeln beS Miserere 9 ) »on
1809 10 ) unb beS ‘prologg l< 2 öieberfehn!’ n ) aug bem 9}o»ember begfelben
3ahreS 12 ). iöoffmann |>at ft<h alfo jmif<hen 3lprit 1808 unb 9Zo»ember 1809
’) Gntfprechcnb türjt iboffmannS gleid> au evmähnenber ßanbSmann SChmibt feinen
am eiten Sornamen ppili»» ftetS mit einem bloßen P. ob, maS bie heutige Sitte nur
für ‘Paul, Peter u. bgl. aulaffen mürbe. ©iefe Initialen follen eben nicht mie bie römi¬
schen feftenQlbbreoioturen C., Cn. ufm. einen beftimmtenSornamen ertennenlaffen,
fonbern ben ^lutor »on ben »ielen onberen Autoren, bie gleichfalls Äoffmann ober
Schmibt heißen, unterfcheiben. I 2luch Ghrifto»h Ptartin CSBielanb Schreibt fleh obgetürat
immer nur „6. ‘30t. Qöielonb", obgleich G. heute nur Garl u. bgl. bebeuten tönnte. ©ie
leiber fehr häufige Schreibung „S. 'Sh- 31. Äoffmonn" ift ebenfo anachroniftifch mie „©.
3uliuS Gaefar" ober, auf einem Buchtitel, „Ghr. Plart. QBielanb".
*) S. <©ie PtufU 5 3g. I (1902) S. 1665 sub II 5.
3 ) Tagebücher 33.
4 ) Sriefmechfel S. 48.
4 “) gjlaaffen Sb. 2, 8 u S. IX.
*) S. ‘©ie Ptufif’ a. a. 9. S. 1659 sub 2.
®) Äoffmann an 9tod)lih: Sriefmechfel S- 49.
*) in SrobhagS Supplement au SeimerS Äoffmann-SuSgabe (Stuttgart 1839) Sb. 5
S. 217.
8 ) in ber (Eingabe an Sriebrich QBilhelm IV. »om 13. ©eaember 1846 (Sriefmechfel
S. 713) unb ber Slttlage boau (ebenba S. 716).
B ) S. ‘©ie Ptufif 5 a. a. 0. S. 1665 sub 15; bie bort au II 1 unb 4 amtierten Titel
finb nachträglich »on frember Sanb auf bie Partituren gefefct.
10 ) ©ie ©aten f. Tagebücher 311/12: eine Tlbfchrift ift amifchen bem 18. 0O2ära unb
bem 27. Plai angefertigt, eine anbere »om 27. 9lo»ember bis a«m 23. ©eaember.
u ) e. Sriefmechfel 735 unter 1).
12 ) S. Tagebücher 318.
12
[ 13 ] 523
Rtojartg Soroamen ungeeignet— »ermutig bei ber ‘ilnfunft in ‘Sam*
berg am 1. September 1808.
c) Son feinem britten Taufnamen (u. j., n>enn auggefchrieben, in ber
Schreibung QBillhelm) bat & off mann nur in ganj oereinjetten fällen 1 )
©ebraucb gemalt. Sbenfo haben feine Sefannten 3. 2 . Sdbmarj, 3- c f>.
Sdbmibt unb jahlreittye anbere 3eitgenoffen fiep niemals ipreg britten 'Sauf*
narneng 2 ) bebient, fo menig mie bag ^eufe üblich iff. ©g iff eine übel an*
gebraute ^ebanterie, biefe oon ihren Srägem oerftänbigertoeife ignorierten
überzähligen tarnen immer mitjunennen: eg fagt hoch auch fein Rienfch aug
Aodpacptung oor bem Saufbucpe Aeinse ftatt Aeinfe, Raimann ftatt Raimunb,
Aammerling ftatt Aamerling ober ^etri ^ettenfeier Rofiegger ftatt ^eter
Rofegger.
2. Aoffmanng Sitet.
Solange Aoffmann überhaupt im preufrifcpen Staatgbienft mar, mar er
augnahmglog an Obergericpten angeffellt, nienialg an Hntergericpten
ober in ber allgemeinen Sermaltung.
©ie preu^ifd)en Obergericpfe führten big 1808 noch ihre alten bauten
non ber 3eit h er , in ber fte auch mit Sermaltungggefchäften befaßt maren;
in ben meiften ^rooinjen biefjen fte Regierungen 3 ), in Schleften Ober*
amt gregierungen. Rur bag Obergericht für bie $urmarf hieb befanntUch
bag ^ammergericht. 3nfolgebeffen erhielt Aoffmann alg Obergeri^tg*
Seamter hintereinanber folgenbe Sitel:
1795 September 29 *) Regierungg--‘2lugfultator,
1796 Rütte Oberamfgregierungg=$lugfultator,
1798 3uni 5 ) Oberamtgregierungg-Refevenbar,
1798 September ^ammergerid)fg*Referenbar,
1800 RKärj 27 6 ) Regierungg-Slffeffor,
1802 Februar 21 7 ) Regierunggrat (oon ©ejember 1806 big Slpril 1816
hat biefer Sitel bei ihm nur noch „hiftorifchen"
©harafter),
1816 Rtai 1 ^ammergerichtgrat
') 1808 auf bem $itel ber ‘Sammlung grotesker ©eftalten’, 1815 tn ber ( 2Bibmung
ber ‘ßlifiere’ an Sippel, 1822 im ^effament.
2 J 3n ben beibett genannten fällen ©eorg refp. Samuel.
s ) ©ie 03er»alt ungäbel)örben piefjen bagegen oon 1723—1808 S?rieg$* unb
©omainen-Sommern.
*) £>i$ig I 29 9Rote.
6 ) 30. 3unl fchreibt Soffmann an Sippel, er fei „erft oor 3 QBochen" [alfo um ben
10. 3uni] „münblicp ejaminirt unb* fei ,bapev erft ie$tin£ 9leferenbariat eingefchritten".
*) St$ig I 217 gilitte.
’) ^ragtu. I 23 unten unb 25 oben.
3. ©ie ^erioben oon HoffmannS ‘probuftion.
©ie brei burcp lange Raufen ooneinanber getrennten ^erioben non
HoffmannS ©cpriftftellerei pabe icp für einen fünftigen Herausgeber
non HoffmannS ©griffen im C 93riefmecpfeß S. 677 f cparafterifiert.
©er 93iograpp pat jcbocp HoffmannS ^robuftion als ©anjeS au be«
trauten. ©S ergibt ft cp bann eine faft ununterbrochene 9?eipe non 9ßerlen
aus ben 27Ve Sauren, bie jmifcpett bem bteibänbigen 9?otnan ‘©ornaro’ (9ln*
fang 1795 0) unb ben ‘Fragmenten ‘©er Feinb’ unb c ©te ©enefung 5 (3uni
1822) liegen. (93on ben 93erfu<pett, bie Hoffmamt nor bem 20. 3apre ju
Rapier gebracht, fepen mir pier ab.) ©iefer 3 eitraum nun jerfällt ber ©attung
unb Qualität ber 9öerfe nacp in brei ‘•ilbfcpnitte, bereu jeber runb neun
3abre umfaßt:
a) bis jum Früpjapr 1804 fcpmanft HoffmannS ^robuftion ftänbig
jmifcpen Malerei, 9J?ujtl, Vornan, literarifcber Gfijje unb ßuftfpiel. 93 e=
fonberS im letjten Halbjahr biefeS 91bfcpnittS, in ben lebten fecpS Monaten in
‘plocf, ift ipnt felber biefeS jiellofe Hin»unb»per beutlicp bemufjf; mir nermeifen
auf bie 93rief-- unb 'Sugebucpffellen, bie Fragt». i aufammengeffellt finb, bef.
<ö. 39 („bann 5 e i d) n e, tomponive unb bicpte icp mie’S lomt — freplicp alles
nur fcplecpt"), 47 oben („ob icb mobl jum Gabler ober jum Huftier ge»
bobren mürbe?"), 49 oben (HoffmannS eigentliche ßetbenfepaff gilt ber
Malerei; eben barum mibmet er fiep ber SDZuftf, um ftc£> niept ob lüg au
oerlieren) unb 64 QTJitfe („ob baS nun ein 93ucp — eine Oper — ein @e»
ntäblbe fepn mirb— quod düs placebit").
b) ©nbe 1804 2 ) fomponiert Hoffmann in 9öarfd)au 93rentanoS duftige
SDRufilant en’: non biefent 9ßßerfe an rechnet er noch 1809 feine
„beffere c Periobe" 3 ). ©ementfprecpenb befepräntt er ftep nunmepr auf 9Sftuftf
unb (feit ‘Sftärj 1808 4 )) Sftufttfcpriffff ellerei: an ßuftfpiele unb Romane
mirb nid^t mepr gebaepf, ©emälbe merben, in Form »on ©eforationen ober
‘Porträts, nur auf ©runb fefter Aufträge ober bei beffimmfen Slnläffen ge-
fepaffen. ©agegen entftepen in biefetn Seitabfcpnitt, naep ben ‘ßuffigen
SÖZujtfanten’:
(1) im 3apre 1805 bie QO^uftf au 9ßernerS ^reuj an ber Off fee’, bie neue
Faffung ber in ‘ploct angelegten QO^effc unb ber * ©anonicuS non SOiailanb 1 ;
(2) in ben fecpS Sapren 1807—1812, um nur bie mieptigffen Arbeiten
jeber ©attung ju nennen, bie breiaftigen Opern ‘Scpärpe unb 93lume’ 5 )
’) Äippel 64.
а ) iotppel 209; »gl. unten S. 43.
3 ) G. u. S. 55 unten.
4 ) G. u. G. 47 unten.
б ) 60 nennt »offmann bie Oper faft immer; auf ber ‘Partitur fiept betanntlicp
'Siebe unb ©fetfuepf. G. u. 6 . 45 f.
[15]
525
unb Aurora’ fomie ba$ erfolgreiche 90Mobram ‘©irna 5 ; bte fünften
&pmnen unb ^anjonetfen, bic & off mann geraffen; baö Äarfenquintetf,
ba$ Miserere unb ba$ Trio; bte grunblegenben äfthetifchen < 2luöführungen
über ©lud unb über bte 3nftrumentalmufif bei £apbn, SSttojart unb
Q3eet{)ooen J ); enblich in engem 3ufammenhange mit biefem 3beenfreife
bie brei ntuftfalifchen Stählungen bitter ©lud’, ‘Ärei$ter$ £eiben’
unb l ©on 3uan’, für bie mancher alles Vergeben mürbe, ma$ Äoffmann
fpäter gefdhrieben.
c) ©aft Äoffmamt ftrf) bann im Februar 1813 non ber 9ftuftf ab-- unb
ber ©rjä^ttnö 3 umanbte, iff in ber ©inleitung ju ben Tagebüchern 6 . XXXII
bargetan unb in ber öorliegenben (Schrift 0. 57 furj mieberholt. SOföt bem
‘^erganja 3 unb bem c 90^agnefifeur 5 beginnt baS letzte ©rittet non ÄoffmannS
©efamtprobuftion. S$ b«t faft auSfcbliefjlich literarifd>en ©h^rafter: bie
‘Hnbine’, bie ftüdmeife 2 ) in brei furjen Raufen ber poetifchen ^robultion
niebergefchrieben mirb, iff bie einzige größere S?ompofttton biefeö 21bfchnittS,
auch bie 3XuftffchriftfteUerei tritt nach jmei 3 ahren öötUg jurüd.
l ) 6. je# £Hinger in ber Cvinleitung su ber erften Iritifchen 5Iu$gabe von
ÄoffmannS mufifalifcben ©Triften (= ÄoffmannS Werten 53b. 13/14) S. 9.
12. 18. 21 oben.
*) Tagebücher 323 f.
526
[ 16 ]
I. ©er ©erntet be$
©eforattott für eine ^antaten^ufführung.
(©logau 1798.)
Borbemerfung.
Über ben S?omponiften ber in 9Sebe ftebenben Kantate, Stampe, unb über ben
Sejtbicpter, 9 ?enfcp, tönnen n>ir jept toefentlicp beffer unb au«fübrticper berieten öl«
tu ber erften Raffung biefer Sdprift.
1) ^ür Stampe feböpfen wir au« 3 tuet fcplefffcpen Quellen erften SRange«, auf bie
ber »erbiente ©efcpicpt«fcpreiber ber (Stabt ©logau Sterr Suliu« Blafcple teil« in
feinem QBerte (©logau, Steßmann, 1913), teil« in lieben«tt>ürbiger prioater Srgänjung
ber bortigen Eingaben pingetttiefen pat:
a) ben pon Streit unb 3immertnann in Bre«lau berau«gegebenen 'Scplefifcpen
^ 00 ^ 310 ^ 1 ^ 6 ^ — fpejieU für bie piev folgenbe 'Betreibung ber S?antaten-
auffttprung »on 1798 bem Blärabeft be« Sabre«, ba« einen — ton in ber erften
Raffung biefer Scpriff benupten — authentifepen Beriet über bie „Seher ber
QBiebergenefung ^riebridb BHllpelm be« ©ritten au ©ro« ©logau*
bringt;
b) bem biograppifepen Sammeltoerl '©ie Sonlünftler Schießen«’, ba« ber Qppelner
Gporbirelfor unb ©efanglebrer S?a rl Suliu« Stoffmann 1 ) in mehrjähriger Arbeit
»erfaßt unb 1830 auf eigene Soften (in $?ommiffton bei Slberpola in Bre«lau) perau«-
gegeben bat ©er Berfaffer ift naep feiner eigenen Eingabe (a. a. Q. S. 214) am
16. Februar 1801 au 9?atibor geboren at« Sopn be« bortigen tatpolifepen Kantor«
unb < 3SJhtftllebrer« Sranj Stoffmann au« Eeobfcpüp (1767—1823). Bermutlicp bat er in
Oppeln noep mit Stampe perfönlicp »er!eprt; jebenfall« tennt er genau beffen Nachlaß.
Befonber« für ben Eiegniper Qlbfcpnitt »on Stampe« £eben ift er ein au«*
geaeiepneter ©et»äpr«mann; auep ber Bericht über Stampe« Sugenb tnaept einen
burepau« juoerläfftgen ©inbrud 2 ). ORicpt gana gilt ba« »on bem ©togauer $lbfcpnitt:
ber Biograph folgt hier aum Seil ungenauer Srabition (er hält Stoffmann für ben
Berfaffer ber »on Stampe fomponierten Kantate!), aum Seil ift er erflcptlicp »on
Stißig« Biographie Stoffmann« abhängig, bie er auep einmal (6.165 unten) au«brücf*
licp attiert; befonber« gilt ba« »on bem angeblichen „gefeKfcpaftticpen 3 irfel", ben
Stolbein, Suliu« »on Boß unb Blotinari aufammen mit Stoffmann unb Stampe
gebilbet paben foHen. QBtr haben in unferem Bericht biefe Stellen ignoriert.
1 ) <21uf bem Sitelblatt fepreibt er fiep fiarl Suliu« Qlbotpb, boep ift ba« Bor-
wort St 3- Stoffmann unterfdprieben, unb in bem Rlrfifel übet feinen Bater (S. 214) nennt
er ffcp Äarl Suliu«.
2 ) ©er Slrtifel über Stampe in Sdpilling« Slnioerfal*£epiton ber Son*
tun ft, bem noch bie erfte Raffung biefer Schrift gefolgt t»ar, iff lebigtiep ein < 2lu«aug
au« S?arl Suliu« Stoffmann« ©arfteUung. Stampe« Rufname 3opanne« ift barin mit
3 oh- abgelürat unb nidpt al« Rufname getennaeiepnet, fo baß man feifbem, ntenn überhaupt,
nur »on einem 3oh«nn Samuel Stampe gefprodpen hat; bie Sntftepung feiner Oper, bie
au« ber glüdHicpen Eiegniper 3eit (1809/16) ftammt, ift in bie fterile Oppelner Beriobe
(1816/23) »erlegt
[17] 527
2) ©er ©idjter ber Kantate »on 1798, Olenfcp, ift im Sufammenpange mit feinem
©önner unb 9legimetitM)ef, bem ©eneral »on ©reoenih, ju betrauten.
fyür beibe gibt ber nie genug ju prctfenbe Älafftfer ber beutfcf>en 93iöüogvapt)ie
unb ©elehrtengefcbicpte, 3 opann ©eorg Teufel, bie Sauptbaten unb geigt, wo ba#
non ibm Übergangene au finben ift. 93or allem f>at Teufel bie nier Steiften non
©renenib (un£ intereffiert ^>tev nur eine) unb ben Vornan non SRenfd), bie fämtlid)
anonym erfd)ienen Waren, ihren 93erfaffern augeteilt, fo baf) wir fte unS nur (non ber
königlichen 93ibltoff)el ju 93erlin) ju beftellen brauchten. CSobann jeigt Teufel, baff
©reneniy unb 9?enfd> erft in Spanbau unb bann in ©togau pfammen in ©arnifon
ffanben: fte höben alfo ohne 3weifei auch aufjerbienftüd) mit einanber oerlehrt. 'jür
©reneniy fpeaiell weift Teufel bann eine fehr eingehenbe 93iograyhie nach, bie wir nur
aufaufeptagen brauchten: fte fteht wieber in ben Scblefifcpen ^rooinaiatblättern
(93anb 52, 6. 43-59: Suti 1810). ftür Stenfcp enblicp gibt Teufel an, baf) er 1798 non
©logau nach 91eufala gelommen ift: auf eine Anfrage beim bortigen Pfarramt teilte
£>err Superinfenbent 93ronifch, ber Siftoriograpp ber Stabt SReufala, in lieben#-
würbigfter 9Beife umgehenb au# ben Sphovalalten 9ienf<pen# 93ornamen, ©eburWjahr,
Gtubiengang unb 9lmt#aeif in 91eufala mit.
3m 3tmi 1796 ftebelte ber eiternlog geworbene Äoffmann befanntlich aug
bem ioaufe feineg Onfelg Otto Wilhelm ©oerffer in 5?öniggberg in bog
feineg Onfelg 3ohann £ubwig ©oerffer in ©roh-©logau über. 2Bie er om
18. 3uli ioippeln berichtet, perweilte er in SERarienwerber jwei Stmtben; „in
Pofen", fü^t er fort, „muhte ich mich ber Poft, nicht meiner SCRübigfeit
Wegen pon Sonnabenb früh big -UZonfag fpät um 6 Uhr" — Pom 11. big jum
13.3uni — „aufholten, ©a lebte ich in einem Portreflichen iootel [am c 9ttnge 5 l,
bep 3Cftabam Speichert, recht luftig. Mittwoch b. 15. 3uniug früh 6 Hpr
ftanb ich gegen Stirn mit meinem Onfel". 3n einer 9?a<hf<hrift Pom
20 . 3uli heiht eg: „©ben fehre ich aug ber Sefuifer^irche jurücf — fte wirb
neu gewählt, unb ich habe ben eyjentrifchen ©infall ju helfen — bag wirb mit
wahrf<heinli<h iuriftifcher Settg übel genommen werben!"
©g ift befannt, bah Ä off mann biefe Anteilnahme am Augmalen ber
Kirche jwanjig 3ahre fpäter bargeftellt hnt in bem „9Za<htftü<f" c ©ie 3efuiter*
firche tn ©.’. Äier beffreicht ein ehemaliger ßanbfchaftg» unb Äiftorienmaler
bie ^alfwänbe ber Kirche fo, ba§ fte wie gelber SEftarmor erfreuten, unb
befommf eg fertig, in eine „halbrunbe 931enbe", alfo eine palbfreigförmige 93er*
tiefung, einen fcheinbar herporfpringenben Altar ju malen, ©er ©r*
Wähler leiftet ihm bei biefem 5?unftftücf Äanblangerbienfte, aber perfchweigt ihm
nicht, „bah 3hr §u etwag befferem taugt, alg &r<henwänbe mit 3CRarmorfäulen
ju bemalen: Ar<hiteftur»SEftalerei bleibt hoch immer etwag untergeorbneteg".
Hm bie 3ahregwenbe 1796/97 perpollfommnete Aoffmann fiep im Umgänge
mit bem SOftniaturporträtiften Alopg SEftolinarp, ber ftch brei 9EKonate lang
in ©logau aufhielt 1 ), im porträtieren; er gefiel ft«h in bem ©ebanfen, ftch
*) S. Soffmann# Scpilberung feineg Umgang# mit ihm Sippe! 137 f. ©en tarnen
hat Sipig ergänjt (Soffmann wollte ihn 1803 al# ©eefnamen wählen: f. ebenba 187f). —
fgtT ©inige ©aten über ihn im ©stur# 1 (S. 77).
528
[ 18 ]
fünftig gan& ber Maleret ju ergeben. 3m ‘Slpril 1797 bittet er Aippel im
•Jatle einer Keinen ©rbfepaff um ein ^läpchen für ibn unb feinen $if<$:
„ich tnibmefe mich aKenfall« ber SÜKahleteb, bie ich bielteicht burdh bie
Hebung eine« 3 ahr« ju einiger SMfommenheit bringen fönnte, unb flöge
jumeilen au« mit biefem Talent in bie QBelt unb lehrte bann mieber jurücf
in ba« Slfpl ©einer 'jreunbfdjöft!" 3 m Sluguff fdjreibt er: „92ocf) giebt e«
Stunben, bie ich in glücKidjer 93ergeffenhett meiner mibrigen 93erhältntffe ber
Äunff mibme, unb hier merbe ich »olle *33efriebigung ermarfen fönnen, mentt
ftcb meine QBerte felbft belohnen unb ich im (Befühl eine« ©rabe« ber 93oll-
fommenheit fte merbe achten tönnen. ©er 9ftufif merbe i<h entfagen muffen...
borgen mirb mein Glarner fortgefchaft". 3m felben Briefe mönfdht er ftch au«
ber öom ©eheimrat non Aippel bem Neffen hinterlaffenen ©emälbegalerie „bie
“2htbacht’ non ber §b e erbufd) jum fopiren". *211« man bann im Februar 1798
in ©logau einen 902aler für eine ganj ähnliche Aufgabe brauchte, mie fte bei
Aoffmann« 'SInfunft in ber 3efuitenlird)e norgelegen hatte, griff er gern ju'),
um fo lieber, al« er hier Aanb in Aanb mit einem ^reunbe arbeiten fonnfe.
3m felben 3ahre mie Aoffmann mar nämlich ber Süftuftfer 3ohanne«
Aarnpe nach ©logau üerfepf morben.
Sohanne« Samuel Aarnpe mar am 11. 92ooember 1770in bem Äirch*
borfe ßujine (norbmefflid) non öl« unb norböftlid) non ^re«lau) geboren.
Seine 3ugenb bi« sur < 23efanntfd>aft mit Aoffmann iff non einem jüngeren
‘Jreunbe Aarnpe« fo fdjön gefchilbert, baß mir nicht« 95effere« tun fönnen, al«
beffen ‘SBorte hier unneränbert herfehen. Sie ftnb in Oppeln niebergefchrieben
SU ber 3eit, al« Aippel borf al« 9?egierung«präftbent lebte; unb mer beffen
Slufseichnungen über Aoffmann fennt, mirb an fte erinnert merben burch biefe
©arfteUung, bie gleichfall« Siebe unb ©h re *&iefung mit einem feinen pfpcho»
Iogif<hen Platte nereinigt. ©« heißt ba non bem jungen Aarnpe:
Sein QSafer mar Örganift unb Schullehrer bei ber bortigen enangeltfchen
©emeinbe. ©r unterrichtete ihn in ben erften ^Eßiffenfhaften unb in ber 3ftuftf,
unb muß ein tüchtiger Schulmann unb Sftuftfer gemefen fepn, ba er froh bem
Aufenthalte auf bem Canbe immer mehrere < penponnäre, Söhne begüterter ©Item,
in feinem Aaufe hatte.
Sein Sohn Sopanne« hatte non feiner 5?inbheit an eine entfhiebene
Neigung jur SÖ^uftf. Sein größter QDSunfch beftanb barin, einft eine Organiften-
ftelle su erhalten, unb groß mar feine ^reube, al« er eine lange 3eit bie Stelle
eine« oerfforbenen Organiften in einem benachbarten ©orfe nertreten burfte. Hnb
ba« thaf nun ber kleine sur allgemeinen 3ufriebenheif.
3u feiner meitem 2lu«bübung mürbe er nah *33 re «lau gebraht. Gr
*) 6« iß betannt, baß Äoffmann auch im Frühjahr 1806 in QBarfhau feinen SOlann
ßeCte, at« e« gali, ben burh 3euer befhäbigfen ehemal« •äftnifselfhen ^ataft al« £>eim
ber goiußlalifhen ©efeHfhaff au« 3 ugeftalten, unb baß er 1811 unb 1812 in Samberg für
feinen ©önner 9Karcu«, für ba« Äaftno unb für ba« Theater in gleicher Dichtung tätig
mar. Sei ber Schließung »on Äoffmann« lünftterifhem Nachlaß, bie über fürs ober
lang erfolgen mirb, mirb baoon im Sufammenhange su reben fein.
529
[19]
faßte ben öffentlichen Unterricht in ber ©f. Biaria=Biagbatenen--©cbule genießen,
aßetn eine anhaltenbe ^ränflichfeit fcpränffe ihn nidht nur gröfjfenfheilS auf
‘prioatffunben ein, bie er erhielt, fonbetn er muffte fogar auf ärjflicheS An-
rathen 1786 Breslau oerlaffen.
©S gefchah «ttf bem feften Borfah, fohalb als möglich aurüdsuf ehren, um
ben unterbrochenen Unterricht mieber fortjufetjen; allein bieS gelang ihm nicht.
Vielmehr fam er felbft in ben 'Jaß, mit 16 3ahren Unterricht erteilen ju
ntüffen. QBährcnb feinet Aufenthalte in BreSlau hafte er ben Umgang mit
tüchtigen Tüftlern, namentlich mit ©rganiffen gefucht, hafte fleißig geübt unb
feine freien 6funben bem ©tubium ber ^ompofition gemibmet. <5rüb oon bem
fettnen ©lücf begleitet, immer oon fehr guten unb achfungSmerfben 9D?enf<hen
auS aßen ©tänben bemerlt ju merben, mies eS ihn in baS -JoauS beS ^ammer-
herrn 3iemtehfh, in bie ©egenb oon Sarnomih. ©a ihm bie Unfer-
meifung ber einzigen Tochter beS JoaufeS in ber B?uftl unb ©eograpfne nicht
hinlängliche Befchäftigung gemährte, inbem für bie übrigen QGßiffenfchaften eine
©ouoernante engagirt mar, fo lehrte er jmei polnifchen Knaben bie beutfehe
Sprache unb beutfeh fchreiben, unb lernte bagegen oon ihnen bie in jener
©egenb auSfchliefjlich herrfchenbe polnifche Sprache. ©a bie Sochfer oom -Saufe
unter feiner ßeifung fchneUe "Jorffchriffe ma<hfe, unb er ftch burch feine Be¬
mühungen bie 3ufriebenheit unb bie ßiebe ber ©Item ermarb, fo oerlebte er
unter mancherlei Beränberungcn, bie geeignet ftnb, baS ©emüth oor ben jugenb-
liehen fchäblidpen ©inbrüden abjuteiten unb bem ernffern Bachbenfen entgegen
ju führen, in biefer Familie feeps glücfltche 3ahre.
©er Sob beS ^ammerherrn üeranlafffe bie hinterlaffene QBiftme, um ein
anfehnliche« Kapital ju retten, ©üter mit ©ifenhüffenterten ju laufen, unb
ba Sampe bie ©orrefponbence ber Beftperin übernahm, fo erlangte er baburch
nicht nur bie genauere ^ennfnifj oon bem technifchen Betriebe, fonbern auch
manche nützliche ©rfahrungen in ber ©elonomie. 3m 3. 1792 ftarb auch bie
5§ammerherrin; bie Bilbmtg ber Tochter mar oollenbef, unb er fühlte jum
erftenmale bie Bothmenbigfeif, ftch in eine felbffffänbige £age ju fe$en. ©ich
ber BRuftf auSfchtiefjenb ju mibmen, ju Biojart nach ASien ju reifen, mar fein
ttäcpffer ©ebanfe. Aßein bie Bähe unb ber Sinflufj eines Cannes oon feltnen
Äennfniffen unb eben fo großer SerjenSgüfe — eS mar ber 'prebiger beS Orts,
BamenS p o h l, beffen 3ößner in feiner Beife butep ©chleften gebenlt — oer-
änberte feine Blahl, unb oermochfe ihn, ftch her Acdfe- unb 3oßparfhte ju mibmen.
Sampe bat nun um eine Anfteßung, unb erhielt fte, inbem er als ^anjlei-
©upemumerariuS bei bem Accife- unb 3oßrafh BJaperhöffer in Sarno-
mii angefteßt mürbe, ©einer bamaligen ©emüthsffimmung mären bie ©ienff-
befchäfttgungen aufjer ber Äanjlet [toelche?] oößig heterogen; allein in -Joinftchf ber
©eifteSlultur oertebfe er hier bie 3eif ber hohen Schule. 3n täglichem Umgänge
eines meifen, mit ben menfchlichen Beigungen fehr oertrauten BianneS, ber ihn
überaus liebte, lernte er bas Streben unb Sreiben ber Bienfchen, unb ihre Batur
auS beftimmfem ©eftchfSpuntfen mürbigen, ingleichen baS Buch oon ben ‘pflichten,
unb mürbe juerff mit ftch felbft einig. BZit ©ifer marf er ftch jept auf bie
©rlemung beS AccifebienfteS. ©ie SFolge bicfeS beharrlichen 'JleifjeS maren
feine aßmätich erfolgenben Beförberungett unb bie Anfteßung als Begiftrator
bet ber lönigl. 3oß=©irehion in ©togau (1796).
©in reger ©eift, gepaart mit richtigem Berffanbe, bricht überaß Bahn, ift
überaß einhetmifch, mirlt unb fchafft. Sampe’S 3nnere mar rein muftlalifch;
mo er lebte, fcpuf er Sarmonie unb oerbanb, mohin ihn auch baS ©cpidfal
530 [ 20 ]
geffcüf patte, aße«, wa« ihn umgab unb bcn (Sinn für bä« Schöne mit ißm
feilte, au einem bem ^unffleben gemeinten Vereine.
Äier galten nur eine etwa« fpätere Stelle be« Sluffape« ein, bie aeitlid)
wopt hierher gehört:
Um biefe 3eit errichtete Joampe ein Singinftitut, a u welchem jeher, ber
Einlage unb £uft aur weitern '2lu«bilbung tjaffe, freien 3ufrift erhielt. 93?if
melier ©ewiffenbaftigfeit unb £iebe, bie nie ermübete, er ftef) bem opne aße«
eigennüpige 3ntereffe gefepaffenen 3nf£itufe wibmete, barüber fprict)f fiep ein
Referent in ben Scplef. ‘^rooinaialbl. 1 ) alfo au«:
„QBenn e« nicht geleugnet Werben fann, bafj ber Sinn für Schönheit mit
bem Sinne für Moralität fepr eng »erfepwiffert ift, fo erftreefen [ich Joampe’«
93erbienfte nicht nur auf unfre Unterhaltung, fonbern er hot ftch einen gröfetn,
herrlichen < 2Birfung«frei« eröffnet. 3h« belohne fein innre« 'SeWuptfepn, unb
unb manche« fchöne (Befühl in ber banfbaten 'Stuft!"
93orher hotte unfer ©ewähr«mann berichtet:
Sein geiffige« Xiebergetoicht über bie gewöhnlichen < 20 l cenfchen, feine au«
einem reichen Sorrafh gefammelter unb »ielfeitiger Äennfniffe gewonnenen 2ln«
ficpten über 5?un[t unb über bie jebem “rORenfchen inwohnenben Anlagen jur
Äunftfertigfeif, fein ftet« richtige« Hrtpcil, ba« oft an einem aart »erWunbenben,
aber bennoch anaiehenben Sarfa«men 2 ) oorbeiglitf, babei feine heitere ©efeßig*
feit unb ©utmüthigleit malten ihn a«m fiiebling ber feinen < 2ßelt in ©logau.
©er burch feine mufüalifchen 9?omane, Wie burep feine Scptcffale berühmt ge*
worbene ©. S. <3®. itoffmann befanb ftch au berfelben 3eit al« 9leferenbariu« 3 )
bei ber Öberamr«regierung bafelbff. ©r, ber in feinem ilmgange eben fo ge*
wählt war, al« er nur bem oerwanbten ©eifte gern begegnete 4 ), fchlop fiep halb
an ihn. 'Seibe glühten für bie $unff; beibe hatten ihren hetzen 9®unfcp, ftch
ihr gana a u wibmen, gebrängt »on äußern QSerpältniffen aufgeben müffen; beibe
fuchten ©rpolmtg unb bie £öfungen ber 9?ätpfel be« £eben« in ihr. Sßäprenb
aber Äoffmann in bem Kampfe mit aß ben unbeftimmten, ungeorbneten unb
eben be«palb fchWer au beherrfchenben ©efühlen eine« awanaigjäprigen 3üng*
ling«, in bem heftigen Kampfe awifepen hoffen unb ©ntfagen, awifchen ©enu§
unb ©ntbehrung, balb mit bem £eben aerfaßenb unb balb fiep mit ihm wieber
au«föhnenb bie '3Renfchen um ihn unb ftch felbft nicht recht begriff, wäbrenb
er bie gefeßige "Jröplicpfeif floh unb in ber ©infamfeit bie SRupe fuepte, bie er
nimmer fanb — ba wirfte Joampe’« ruhige« mit bem £eben befreundete« ©emüth
Wohltätig auf feine Umgebungen ein.
Äoffmann fcplofi fiep um fo enger bem neuen Steunbe an, al« i5tppel feit
feiner Verlobung am 5. Qlpril 1797 faum mehr baju fam, an Äoffmann au
fepreiben. ©twa um biefe Seit, im Frühjahr 1797, oerabrebeten bie ©logauer
>) ®ie barauf fotgenbe Steßenangabe beruht auf einer 93erwechflmtg.
*) ®afi» »on Sarfa«nt.
3 ) 3unä<hft al« 5lu«fultator: f. o. 6. 13.
4 ) l 30tan mag in biefen <2öorten eine feine Söulbigung für ben ^Präftbenfen ». £>ipp el
fehen, bem ber Q3erfaffer fein für bie ©efcpichte ber ‘jöluftl tn Schielten grunblegenbe«
QSßert gWetfello« augefanbt ober überreicht hat- Sie fchöne jept fotgenbe Gharafteriftit
be« jungen Äoffmann beruht auf beffen ©logauer Briefen an Äippet, bie Ättjig einige
Sabre »orper »eröffentlicpf patte.
531
[ 21 ]
greunbe eine ‘Sufjwanberung nach SampeS geliebtem SreSlau, baS Soffntamt
noch nicht tannte; wie Soff mann jeboch am 23. ‘Slpril flagt, würbe nic^tö
barauS: anfeheinenb hatte ber Onfel ihm bie Reife nicht bewilligt 1 ). 3m
Sommer war Sampe abermals in SreSlau; Soffntamt, ber öor bem 33rud)e
mit ber Satt ftanb, holte niemanben, bem er fid) anoertrauen fonnte: „Um
7 Uhr", fdhreibt er am 29. ‘Sluguft abenbS um gehn an Sippel, „tief ich
heute im fünften Serbff&benbe h^ow unb fuchfe Erholung — ©in unaus¬
sprechlich^ ©efiihl ber £eere treibt mich umher, unb in jebem fallenben ‘Statte
fah ich meine geworbenen Steuben — Sarnpe 2 ), ber einzige ber hier eS ber
9Jiiihe werth ftnbet ftd> mir angufd>ntiegen, ift in SreSlau — id> bin alfo
jetjt gang allein — was ift man elenb ohne ein theilnehmenbeS 5)erg".
Anfang 1798 — furg nach bem (am 16. Rooember 1797 erfolgten) Re¬
gierungsantritt beS jungen Königs — ergab ftch nun für beibe greunbe, ben
27 jährigen Rluftfer unb ben 22 jährigen Realer, eine ©elegenheit, gemeinfam
ihre 5?unff gu geigen.
5?arl < 5riebrich stöben berichtet in feiner c £ebenS- unb RegterwtgS-
gefdhichte 'Sriebrich RBilhelmS DI.* («Berlin, <piahn, 1840) S. 69: „©egen
©nbe beS 3anuar befam ber ^önig bie RZafem unb brachte bie oier lebten
Rächte beS RlonatS [ehr unruhig gu. Sie Riafem traten inbeffen gut heraus,
unb er litt nur bebeutenb an ben klugen, welche oerbuntelt unb gef<hwä<ht
waren, ©egen ©nbe beS 'JebruarS war bie ^ranfheit aber befeitigt, unb an
mehreren Orten würben ‘Jefte gur 'Seiet feiner Rßiebergenefung oeranffaltet."
3u biefen Orten gehörte auch ©logau.
©aS 3nfanterieregiment, bie Kriegs» unb ©omänenfammer, ber ©pef
ber Stabtoerwaltung unb einige Magnaten auS ber Hmgegenb befchloffen,
ftch g« beteiligen, ©en ‘plan entwarf ber Sauptntann Rotharbt oon bem
genannten Regiment, baS gwei ©id)ter befafj in feinem ©pef nnb in feinem
‘Jelbprebiger. Seibe möchten wir bem £efer furg oorffellen.
^riebrich “Sluguff oon ©reoenip war am 21.'•Hpril 1730 gu RBefel
als Sohn eines bortigen RegimentSlommanbeurS unb einer ootnehtnen
SoUänberin geboren unb 1745 nach ber Schlacht bei Sopenfriebberg Offtgier
geworben, ©r fannte unb fchäpte bie frangöftfhe fiiteratur, aber auch £eibnig
unb Söolf, Salier unb Sageborn, ^leift unb ©ellert, Hg unb Ramler; mit
0 »3<h glaube ©ir gefebrieben ju haben, ba§ ich mit einem guten 3reunbe auf
8 §age eine Sußreife nach *25reSlau mähen wollte — biefe 9teife ift jetjt ber ©egen-
ftanb ber bitterften Äräntung ..." ©a$ golgenbe hat Äippel geftrichen, unb &i$ig hat
bann bie ganje Stelle (wie auch alle SagebucbfteUen über Äamhe — benn um biefen
hanbelt e$ fleh jebenfaUS) fortgelaffen.
4 ) Äibhel bringt wie bei faft allen Flamen nur ben Slnfangöbuchftaben; £>ibig (1198)
ergänzt ba$ Ä. ftiUfchmeigenb in Äolbein! Ob biefer überhaupt gufammen mit Soffmann
in ©logau gewefen ift, ift ungetoijj (er felbft berietet jebenfaUS tein QBort barüber);
fein einjiger bortiger ffreunb ift er fidjerlich nie getoefen.
Äleiff taufchte er im Sßinter 1758/59 poetifcpe 90?anuffripte jur Prüfung
au«. Sein eigene« jöauptprobuft mar ein Epo« c 93rennu« 3 in fecp« ©e-
fängen, ba« er 1781 al« Sftajor brucfen lief); e« erfc^ien in 93re«lau mit lieben
blattgrofjen Tupfern unb einer fepr gelehrten Einleitung „©efchidpte ber Erobe¬
rung 9?om« burcp 93rennu«". Sn biefer mirb (in Übereinftimmung mit ber
bamal« in ^reufjen perrfchenben ^Inftcpf, bie auf ber frö^Ud^cn ©leicpfepung
ber feltifcpen Senönes mit ben germanifdjen Semnones beruhte) bargetan, baü
93rennu« nicht nur ein beutfcper, fonbern fpejiell ein branbenburgifdjer
gürft gemefen fei, alfo ein Vorgänger ber preufjifcpen Könige; mie benn auch bie
93emopnet 93ranbenburg« ju allen 3citen 93vennen genannt toorben feien.—
1785 mürbe ©reoenip ^ommanbeur be« Regiment« be« ^ringen joeinricp
oon ^reu^en in Spanbau unb avancierte al« folcper 1787 jum Oberften.
3n Spanbau lernte er ben ©ouoernement«prebiger Earl 9331 Ipeint
9?enfcp lennen. Diefer mar 1763 in Ei«leben geboren, patte in Ceipjig
unb namentlich in Äalte ftubierf unb pter 1786 einen 93anb oon 351 Oftao--
feiten veröffentlicht: '^arl ©utman in Äatle. ^eitt Vornan; fonbern < 2Bapr-
peit im SCßobelleibe 1 . Da« 93ucp entpält palb autobiograppifcpe, leprpafte
Darlegungen in Briefen vom 16. 3uli 1783 bi« jum 12. November 1785, näm¬
lich au« ber3eit, bie ber &elb al« Stubiofu« ber ^peologie inÄalle oerbringt 1 ).
Den Äauptinpalt bilben, fomeit icp fepe, bie ©efcpicpte, bie 93orjüge unb bie
Stängel be« SBaifenpaufe«. &ie unb ba ftnb 93erfe eingeftreut, bie nicpt
beffer ftnb al« bie fte umgebenbe ^rofa. Der Oberft oon ©reoenip, ber
Sänger be« c 93rennu«\ fcpeint jebocp für ben jungen 93ruber in *2lpoU 3ntereffe
gefaxt ju paben.
Einftmeilen bracpte ba« ©efcpicf beibe au«einanber, ba ©reoenip 1792
al« ©eneralmajor Epef eine« 93apreutper Regiment« mürbe unb halb barauf
bie 9ln«badp-93apreutpifd>e Snfpetfion erpielt. 911« jebocp 1795 eine neue
3nfpeltion für Sübpreujjen unb ein neue« Regiment mit ber ©arnifon ©rojj»
©logau erricptet unb beibe ©reoenip anoertraut mürben 2 ), fdpeint biefer
bafür geforgt ju paben, bafj 99enfcp mieber in feine 9*äpe lam: e« iff rnopl
fein 3ufall, bafj biefer gleich bei ber ©rünbung be« Regiment« al« gelb»
prebiger in bemfelben angeftellf mürbe.
3ept alfo mürbe 9?enfcp aufgeforbert, ber allgemeinen greube über bie
’) 'ZU« Borbilber bienten offenbar bie afabemifchen Briefromane be« prebiger«
So bann Btartin Btiller, bie in je jtoei Bänben in Ulm erfcpienen mären: ber
‘Briefmechfel breper SItabemifcher Freunbe 1 (1776 f, »ermebrte Auflage 1778 f) unb ber
‘Briefmechfel jmifchen einem Bater unb feinem Sohne auf ber Slfabemie’ (1785).
B ) Über bie füboreufjifcbe Snfpeftion f. Fragm. I 16 Bote 2; ber Borname
be« ©eneral« tft bort au berichtigen (bie Schreibung be« Familiennamen« fchmantf
aroifcpen ©täöenib unb ©reoenib, Bleufel unb ber Befrolog in ben ‘proöinjialblättern
haben bie lebte re Schreibung). Über ba« Regiment o. ©reoenibf- oorläufig £>eft II
biefer Btitteilungen S. 1 mit Bote 1.
[ 23 ] 533
©enefung beg Äönigg Augbrud ju geben, ©ie ^ompofttion fiel iöcmtpe,
bie ©eloration iboffmann ju.
ABir fönnen eg ung nicht Perfagen, ben furjen §:e 5 f beg <5efffpielg ab*
aubrutfen, ba er bie rübrenbe Aöeltfrembbeit beg porjenaifeben ©eutfeben unb
bie i?ünftli<hfeit ber ibm aufgepfropften Gilbung unübertrefflicb jur Au¬
fhaltung bringt. Ohne bie leifeffe Ahnung Pon ben ©rforberniffen ber inneren
ober gar ber äußeren Politif »erlangte ber Bürger Pon feinem 'rUJonarcben
fhtechterbingg nichtg, atg baß er menfhenfreunblicb unb tugenbbaft fei; an
bem Vorgänger batte man nichtg »ermißt alg eben bie ©ugenben beg Familien»
paterg. Unb ebenfo ebarafteriffifeb toie biefe ^enbena beg geftfpielg iff feine
©infleibung. ©aß bie Preußen abioechfelnb 'Srennugföbne unb trennen
genannt toerben, iff nach bem Vorgänge beg 9?egimentg<hef$ beinab fetbft-
perffänblid). ©ber fann eine anbere ‘2XnIeibc bei ber Antife befremben. ©er
93erfaffer, ber boef) pon Amtg tpegen bie chrift li<h e ©ottbeit ju perfünben
bat, läßt ftcb als ©iebfer pon 9RamIerg ^ufe begeiftem unb bantt bem ju-
ftänbigen ilaffifcben ©ott für bie Aßieberberffetlung feineg atlerböcbften
•Serrn. Unfer ffteunb, ber ©eforationgmaler, batte alfo nicht eine Kapelle
5 U malen, fonbern bag Snnere eineg 'iÜgfulapfempetg, unb bie ganje
burcblaucbtige, böhseborene, bocE)tt>obl 9 eborene unb wobtgeborene ©efeUfcbaft,
bie bag Stücf auffübrte, mußte fi<h alg Ägfulap^Priefterfcbaft magfieren
unb gerieren: mobureb bag bitterernft gemeinte patriotifebe <5eff in unferen
Augen einen Stieb ing $arneoaliftifcbc erhält.
Schon am 20. Februar — alfo tatfäcblicb noch mitten in ber 3eit ber
SSKagfenbälle — fanb, mie bie ‘Prooinaialblätter’ berichten l ), bie Aufführung
im 9?eboutenfaale ftatt.
3m Äintergrunbe beffeiben h>ar eine ©ecoration angebracht, bie bag
3nnere eineg bem Aegfulap gemeinen jonifhen ©empelg »orfteHfe. 3n ber
‘SJtifte ber balbrunben Aßanb beffelben ftanb bie 93ilbfäule biefeg ©otteg mit
feinen gewöhnlichen Äennjeichen, bem Stabe, bem -Sahne unb ber Schlange.
Außer ben ASanbpfeilem, bie bag ©eftrnfe trugen, toar ber Tempel mit ‘Sag»
reliefg, bie jttnfcben ben 'Pfeilern tbeilg antife Opfer, tbeilg bie Apotbeofe beg
Aegculapg oor ff eilten, unb mit bronjirten Figuren über ben bepben Seiten-
tbüren becorirt 2 ). An ben piatfonb beg Saalg febtoß ßcß eine rotbe ©rapperie,
bie erft bag ganje oerbedtt au haben unb jept btnaufgeaogen au fepn fchien.
93or ber < 23ilbfäule beg Aegculapg ftanb ein einfacher Piarmoralfar, mit einem
'Jeffon non bem biefem ©otte heiligen £orbeerlaube geaierf 3 ).
*) 93b. 27, S. 260/66. Snterpunttion unb Abfapbitbung, gefperrte unb fette Schrift
fowie bie Einteilung in Pier Stummem ftnb pon ung eingefübrt heaiehunggtoeife mobifi-
aiert; <20Überholungen Pon 93erfen haben mir nur angebeutet.
*) Ähnlich faßte Äoffmann 1806 in ‘Jßarfchau bag 93ihliofbefaimmer mit [gemaltenl]
„Saufreliefg in 93ronge" ein: Sipig I 297 ©litte.
3 ) ©iefer Altar war — im ©egenfape a« ber bahtnter befinblichen „93itbfäule" —
nicht gemalt, fonbern breibimenfional oorhanben, wenn auch ber „©tarmor" jebenfaßg
burch Soffmanng ©infei hergeftetlf toar.
534
[ 24 ]
3n bem gangen 9Reboutenfaale, fo gasreich unb gebrängf auch biefen 2lbenb
bie QSerfammlung toar, ^errft^te bie fe^>erlid>fte ©tille, al$ gegen 7 Ilbr eine
SKenge griedjifcber ^riefter unb ^riefterinnen, oon einem Joerolb
(melier ber &r[ieg3--] unb ©om[ainen]9Ratb ior. ©raf o. ©anbreegfp mar) ge«
führt, in ben ©aal paartoeife gog, ba$ hinter ber ©ecorafion befinblicbc
Or ehe ft er ba3 [!] erfte ©w ber ©pfergefänge als SJRarfdj fpietfe unb bamit
fo lange fort fuhr, big fämmfltcbe ^riefter unb ^riefterinnen ftcb oor bem SUtare
in einen JÖalbgirfel geffellt Ratten , toorauf benn bie ©höre in bie SORelobie
einftimmten :
( 1 )
©bo* ber trieft er:
hinauf gum heiligen SUfare!
3um ßebenSfcböpfer 2le$culap
-öinauf, 93oruffiaI — ©ie Sabre
©er ©rbe febübt fein ©ötterftab.
6bor ber ‘priefterinnen:
hinauf gu “phbbug grofjem ©ohne
begleit’ unö, frobeg 93aferlanb!
Ilm beine ©tim beß ßorbeerg 5$cone,
©en frommen QBeibraucb in ber Joanb.
*33et)be Sbbre |toieberbolen bie erfte ©tropbe].
( 2 )
©er ©ber'priefter (.fcr. o. 93ibtbum auf 3iefern) hielt bann mit [bem]
?lu«bru(J toabrer ^reube ba$ ©anf gebet;
Aör’ auf beinern ©ternentbrone, bbre,
^enfebenretfer ‘Slegculap!
•Jreubetrunfen greifen unfre (Sbbre
©ich, ber Sb«! ©enefung gab.
ftriebridb, ben mir mit ©nfgüden nennen
©cbon at$ 3üngling ffarfer ‘SCRann,
Sollte Qlfropoö ben 'Jaben trennen,
©en bie ©ebtoeffer löfflicb fpamt.
6 cbneH oerbüUten boebgefbürmte fetter
Unfern ©onnenftrabl bem ‘Slid,
Unb mir bangten — faben ohne 9Retter
traurig in bie SZacbt gurüd.
Sleöculap! ba toarb oon beinern ©tabe
Unfern dürften Äaupf berührt:
©r genaS! — -Seil ©irl ©u b«ft bem ©rabe
©eine febönfte 93eut’ entführt.
®r trat nun näher gum Altäre unb opferte:
©ir fep biefe ©dwale bingegoffen,
©ie ©ber'priefferin (bie regierenbe ’Jürftin oon ©arolatb):
©ir ber Weihrauch aufgeftreut!
[25]
535
93epbe, fiep au beit ‘prieftero unb ‘priefter innen menbenb:
Opfert eure ioerjen ipm, ©enoffen,
©er bie fierjen eucp erfreut.
©ämtlicpe ‘priefter unb Priefferinnen gingen unter einem pierju gefegten
SOJarfcp, im CSeftc^f bie ^reubc, in ber Orbnung um ben Elitär unb goffen
ipre Opferfcpaalen aus.
(3)
9tacp 93eenbiguttg beS Opfer« traten 5 tu e i trieft er unb a h>ei
trieft er innen oor bcn 9teScutap unb fangen, »om Orcpeffer unterftüpf,
bas 9lriofo:
Äör’ auf ©einem ©fernentprone, piJre,
gürftenretfer 9leSculap!
Saucpjenb, jaucpjenb preifen unfre Gpöre
©icp, ber ipm ©enefung gab.
93 e p b e G p ß r c ftimmten bann in bie lepfen 3eilen beS §e£te«
3 aucpjenb, jaucpjenb tc.
ein.
(4)
92un menbeten ftcp bepbe Priefter unb [bepbe] Priefterinnen
ju ben übrigen mit bem 9[öecpfetgefange:
3 ubet! fteiget über unfre ©ppäre!
Sönet peü oon Pot ju 'pol!
©ajj ber ©omte taufcpenb Opr eucp pöre
£aut oerfünben ‘jriebricpS 9Bopt!
91 Ue [mieberpolen baS lepte ©ifticpon].
OberPriefter:
93rennuSfi3pne, fennet feine ®renae[I]
(Eurer ^reube! — ®r genaS!
Ober'priefterin:
Preufjentßcpter! eitet! minbet Oranje!
^epert Zeigen! — (Er genas!
91 Ile [mieberpolen bie oier 3eiten].
(Einer:
9 öer fagt eucp non taufenb jungen dürften
(Einen, ber 3pm gteiep regiert?
Nationen, bie naep greppeit bürften,
Reiben unS non 3 pm gefüprt.
9t(te [mieberpolen baS lepte ©iftiepon].
(Einer:
9luf ber 3eiten ungeftümen SOteere
©teuert (Er »oll Äraff bapin;
9iicpf ber £üfte, ni(pt ber ©cpmeicpler Äeere
beugen ©einen popen ©inn.
536
[ 26 ]
21 Ile [toieberholen ba« leite ©iff hon].
©iner:
©raffe gBaßrßeif, unbeholfne SOiilbe
Seifen if>n ben lebten ‘pfab,
3eigen in be« großen ©nfel« "Silbe,
QBa« 6ein großer 2lßne fbaf.
211 le [roie oben],
gtner:
^Beleben Äönig, SCGifmelt! lannft bu nennen,
©er ficb felbff ©efeie feßrieb?
©er, mie "Jcie brich feinen freuen Srennen,
Puffer jebem Sürger blieb?
211 le [toie oben].
Siner:
2öer crioog auf feinem golbnen Sbcone
2lucb be« 23effler« ®ut unb Sluf?
<5riebricbl "Sriebricb! ©eine Jöerrherfrone
3ff ber "Jceiheif äebfer J5uf.
21 Ile [mie oben].
einer:
Bebe, lebe beuffeber 9?effor! freue
©h ber Äerjen eigenfbuml
Unb Souifen«, ©einer ©inen Sreue
Säcble ©ir ©liftum I
211 le [h>ie oben].
*
©er einbruef einer fo feierlichen, mif aller bem eblen 3mecfe angemeffenen
2ölirbe fo glücllich unb gehmadooü angeführten Äanblung läßt fh nicht be=
feßreiben. 2lGe 2lnmefenbe toaren oon "5reube äußerft gerührt unb befeelf unb
überließen ftcb bem beglücEenben ©efühl, Preußen ju fein.
©te Opfergefänge fmb oon bem &rn. "Jetbprebiger 9*entfch [sic]
o. ©räoeniihen Regiment«, bie SOlufif baju iff oon bem 2lccife-- unb 3oG=
birection«9legiftrator &rn. Äampe; ber Oberamf^regierung^eferenbariu« J )
Är. fioffmann iff ber Serferfiger ber ©ecoraffon ...
*
[©« folgt bann (6. 266 f.) ber Sejt eine« ©ebichte« au« ber <5eber eine«
firn. o. "Jini, „melcbe« bei biefem "Jefte au«gegeben mürbe" unb, jum «Schluß,
alpbabefifdße Siffen ber 29 Jöerren unb ber 20 ©amen, bie aufgefrefen maren.
©ie ©arffeGer be« Jöerolb«, be« Öberprieffer« unb ber Oberpriefferin ftnb hon
genannt. 2U« ‘prieffer traten ferner auf ber "Jürff oon ©arolath, ber ©raf
oon Sftaphauß, fiebjehn ©ubalternofßciere be« Regiment« o. ©reoenii (Joaupf»
mann o. ©apeGer unb fechaehn Sieufenanf«), feep« meifere Seamte ber Ärieg«--
unb ©omatnen-^ammer (brei 9?äte, ein 9?eferenbar, jmei ©etrefäre), ber ©tabt-
*) Verfrüht': f. o. S. 13.
537
[ 27 ]
birector Äol^c*) unb Äatnpc. ©ie Beamten ber öbetatnfSregierung, alfo auch
io off mann, toirften bagegen nicht mit im Gf>or, ebenfo toettig ber Q3afer ber
gangen 3bee, ber Äauptmann Sftotharbf, unb ber ©ichter beS ^efteS. XInter
ben auftretenben ©amen wirb jeboef) „‘SttamfeU ©brfer" genannt, bie Tochter
be$ OberamtSregierungSratS ©oerffet, iooffmannS (Souftne unb 'Braut.]
günf Sage nach ber Aufführung, am 25. Februar 1798, fchrieb iooff--
rnatm an iöipbel, ber ihm nach überlangem Stillfchmeigen ein 93iÜet gefchidt
hatte. <£$ tff ein 3eichen auffallenber 9?eife beS 3meiunbjmansigiährigen,
bafj er in biefem Briefe mit feinem < 2öorte ber ©elegenheitSarbeit gebenft 1 2 ), auf
bie mir nur beö^alb eingegangen jtnb, ba fte immerhin eine ber erften bffent*
licken 'Betätigungen eines oon £ off mann noch oft genügten Talentes mar.
1 ) 93orher Stabtbireftor in 'Bunjlau; 1789 3n>ei(er Stabtbireftor C^oliaeibireftor)
in ©logau, 1794 Srfter Stabtbireftor; 1798 erhielt er ben Gharafter al£ ÄriegSrat: f.
9t© berf ‘Bernbt, Sortfefjung ber ©efchichte ber Stabt ©rofc-©logau (©logau 1882)
S. 197.
2 ) ©ie ^riegö- unb ©omänenfammer au ©logau wirb nicht oerfäumt haben, in
ihrem monatlichen Bericht an ben Äönig bie Seiet ju fchilbern; leiber finb — nach freunb-
lidher < 20titteilung beS jtoeiten ©ireftcrS ber StaatSarchioe, Serrn ©eheimen SlvchioratS
Dr. Baißeu — bie ©logauer Berichte biefeS 3ahre$ oerlorengegangen, ©er ©ichter
ber Kantate erhielt noch im felben Sabre baS Pfarramt an ber < 23etbau$-©emeinbe ju
9teufals an ber Ober. Sr hat biefe Stelle bann bis ju feiner ^enftonierung Snbe 1832
befleibet. 1842 foll er noch am £eben getoefen fein. — Sein ©bnner ©reöenib erhielt im
SDtai 1806 als ©eneval ber Snfanterie ben < 2lbfchteb unb ftarb 1809.
II. Sie
Singfpiel in brei ‘2lufzügen.
(Berlin 1799.)
Äurj beoor iö off mann (am 26. ‘■iluguff 1798) mit ber Familie feinet
Onfefä ©logau enbgültig »erlieft, um nad) Berlin überzuftebeln, mailte er
eine 9?eife nach ©reiben unb fab mit Stauern ber ‘ilnbacht bie italienifdjen
©etnälbe in ber borfigen ©alerie. „©$ iff febr zu bebauern," fepreibt iMljig,
„baf? bie non ©reiben auS an eine feiner doufmen getriebenen ‘Briefe, bie
ju feinen intereffanteften 3ugenberzeugniffen gebärt höben fallen, niept erbalten
worben ftnb" l ). ©ie Briefe an Äippel au« bem ‘Sluguft unb Oftober be¬
zeugen immerbin lebhaft ben ©inbruef, ben bie StReiffer ber 9?enaiffance auf
ben etnftgen ©ilettanten malten; in einem ^tem mit ihnen nennt er freilid)
auch ben mobernen Batfoni. „Bep alle bem", fährt er reftgnierf fort,
„fab icp benn nun freilich halb, baf) ich gar ni<$tS fann — 3cp ^>at>e
bie ^nrben weggeworfen unb zeichne Gfubien wie ein Anfänger, ba§ iff
mein dntfcplufa"
3n ber Sat febeint Äoffmamt in ber näcpften 3eit bie Palette beifeite
gelegt z« höben; e$ gefebiebt wopl au$ 9*ü<ffi<ht öuf ünppel, ber fiep für
Malerei, aber nidbt für SOZufif intereffterte, wenn er in ben Briefen an biefen
auch weiterhin mehr non bilbenber j^unft alö non SCRuftf fpri^t: hätten
wir feine 3ugenbbriefe an ioampe, fo würben wir ficberli<h
ein ganz anbereS Bilb feiner 3nfereffen unb feiner Be¬
mühungen erhalten. 3ept ftnb wir auf zufällig auftauchenbe ©efdjäftg-
briefe angewiefen, wenn wir uns über feine muftfalifche c Probuftion unter¬
richten wollen.
‘ülus zweien folcher Briefe erfehen wir, bajj £ off mann im SO'lärz 1799
ein Singfpiel in brei Elften, l ©ie ‘jEKaSfe 5 , beenbet hat, beffen $ejt unb
OSTiufxf non ihm berühren, unb bah ct bann feepg Cieber für Planier unb
©itarre fontponierf hat.
<3Bährenb er über bie Berwertung be$ SingfpielS noch int ungewiffen
war, bot er bie £ieher im September Breiffopf & Äärtel an 2 ), ©einer
*) Sie Bemicbtung Oer hier erwähnten 'Briefe h«äen h)ir in Sbeft III Oiefer Bttt*
teilungen S. 14 oben ju erftären »erfuept
2 ) Sen Brief, ben Äerr Dr. £ubtoig Botfmann mir «uö bem ‘2lrd)ft>e ber 3irntc
Brettfopf & £>ärtel mttgeteilf hat, f. Äärtel 6. 17 f.
539
[29]
iugenblif en Zerfahrenheit muh man eg sugute Ratten, menn er bem Briefe
nur eine, nof baju „gur Erfparung beg ‘porfog eng abgeffriebene" Arie
bettegte, unb jmar eine ber fünften »on ben fefg: n>enn bie Verleger fif
baraufhin jum Berlage »erpfliffeten, fo erbiete er fif, „ihnen binnen 8 Sagen
nach erhaltener 9?afrift bag forreeft unb fauber abgeffriebene SUZanuffript
jujufenben", unb er „glaube gemifj billig ju fepn", tt>enn er „bafür nur ein
Honorar non 10 Gtüd »oümif tige [!] Stibr: b’or [= 168,30 9DZart] unb nach
gefchehenem ©rud 30 Eyemplare »erlange". Natürlich fanbte Äärfel bie
^robearie poftmenbenb jurüd
9Zun »erfufte unfer Komponiff, mit bem Singfpiel in bie ÖffentlicEjfeit
ju fommen. Er muhte eg burf&ufehen, bah bie Partitur im ©ejentber ber
Königin Cuife »orgelegt mürbe; er erhielt fie um bie 3abregmenbe aug bem
Kabinett jurüdf, unb in bem Begleitff reiben iff ihm offenbar bebeutet morben,
er habe ftch megen einer Aufführung (nidht an 3fjre SEJZajeftät prmatim,
fonbern) an bie bafür suftänbige Behörbe, nämlich bie ©ireftton beg 9Zational-
theaterg ju menben. £offmann mar Optimiff genug, in biefem Abminfen
ein Kompliment unb eine augbrüeflif e Aufforberung ju fehen, unb tat, mie ihm
feiner Anftft nach gepeihen mar. Aber audh je|t erfpart er ftch, nicht be¬
lehrt burf ben SDZiherfolg in Ceipjig, bie Arbeit einer Abfdhrift »ott Seyt
unb Partitur; er fenbet 3fflanb unbegreiflichermeife nur benSejt, unb
ämar bag alte 9??anuffript aug bem SOZärj, bag niff menig Streifungen unb
3ufähe aufmieg unb überbieg ff on mehrfaf naf augmärtg »erff ieft mar —
juerft gemih naf ©logau an 'jreunb ihampe. 3mmerhin hat er aug ber Er¬
fahrung mit Äärtel fo »iel gelernt, bah er biegmal auf ein ioonorar »erjiftet.
©er Begleitbrief, ber nof heute im Arfi»e ber Königlifen Sfaufpiele
SU Berlin liegt, lautet folgenbermahen:
EDohlSebohrner fjerr!
3nfonbers §of 3U üfrenber fjerr Direktor!
CEt» tDohl©ebof)ren erhalten in ber Hnlage ben Gejt eines Singfpiels,
melfes if ffon im DTär3 ». 3- »ollenbet hatte. tTTeine $reunbe urfeilten
bamahls 3ieinltf günftig »on bem töerke unb meinten, bah es ber öffentlif en
Dorfteilung mopl merf märe, allein »on manf er Bebenklif keit 3urü<kgeff reckt
roagte if beshalb keinen Derfuf. Dor kur3er 3eit erhielten 3h ro ntafeftät
bie regierenbe Königin bie »ollftänbige Partitur, unb »or menig Gagen hatten
fie bie ©nabe mif ausbrücklif aufforbern 3U Iaffen (Ero tDohI©ebohren bie
Dorftellung bes Singfpiels »or3ufflagen. 5ern »on jebem (Eigenbünkel, fern
oon jeber Dorliebe für mein XDerck roage if bafjer (Ern IDohI©ebohren »or
ber fjanb blofj 3U bitten, ben Gejt burf3ufehen unb mir bann 3U fagen, ob,
roenn er mit einer guten BTufick »ereinigt märe, bas Singfpiel einer Dorftellung
540
[30]
auf bem fjtefigen Cf|cater wert!) feqtt mürbe. Sollte bies ber Soll fetjn, |o bin
id), ba id) bas ©etoiefjt meiner ©bfkurität in ber mufikalifchen IDelt nur 3 U
fel)r fühle, bereit, meine Partitur einer gemiffenhaften Beurteilung 3 U unter=
roerfen, unb erroarte beshalb nur <Ero IDol)l©ebohren Befehle. Shtb bann
künftig (Ew IDohKBebohren 3 ur Annahme bes XDercfes geneigt, fo übergebe id)
innerhalb] einer non (Eto IDoE)I©ebof)ren 3 U beftimmenben 3eit bem ©h^ter
eine korrekte faubere Abfd)rifft bes Cejtes unb ber Partitur, wöbet) es fid)
non felbft uerfteEjt, baß id) bafür nid)t auf ben kleinften Dortheil rechne.
3d) fpredje 3 U (Ew EDol)I©ebohren als 3 U einem ITTanne, ber fd)on }o oft
bie innigften ©efüf)Ie bes tDohlrooIlensf!] in mir erregte, ber mit ä^tem
wahren Sinn für bie Kunft nid)t allein ben Rahmen, melden ein oft 3 U=
fälliger Huf 3 U gangbarer lRün 3 e prägt, ad)tet, fonbern aud) bem, ber bas
EDageftück bes erften Debüts, ofjne welches nod; kein Künftler für bie IDelt
geboten [ 1 ] rourbe, beginnen toill, freunblid) bie fjanb bietet 1 ), unb barum
bitte id) (Em IDol)l©ebol)ren mit bem unbegrän 3 ten 3utrauen, welches mid) alle
Umwege oeradjten ließ, mid) nidjt in bie erbärmliche Klaffe Kunft pfufdjenber
Dilettanten 3 U feßen, toeldje man, of)ne fid) auf ben IDertl) ober Unmertf) itjrer
Probukte ein 3 ulaffen, unbebingt abroeijet, unb meinem EDerche — mir felbft
einige Aufmerkfamkeit 3 U fdjenken. (Ero tDot)I©ebohren hoffe ich bann nod)
3 U über 3 eugen, baß uneradjtet aller Aufforderung nur eine gewiffenhaffte
kritifdje üergleid)ung meiner (Eompofition mit ben IDerken großer BTeifter mid)
beftimmen konte, einen Derfud), mid) als (Eomponift bekannt 3 U machen, 3 U
wagen. Uberhaüfte Dienft®efd)äffte nerhinberten mich mein tlTanufkript nod)
etnmahl ab 3 ufd)reiben, (Ero tDol)l©ebof)ren erhalten es baher t>or ber f)anb
meiftentheils [!] mit ben fichtbaren Spuren ber Seile unb ber Reifen, bie es 3 U
auswärtigen krittfdfen $reunben machte, welkes ich gütigft 3 U ner 3 et)hen bitte.
Don (Ero EOohl®ebof)ren hängt es nun allein ab, mir fd)riftli<h 3 u antworten
ober 3 U beftimmen, wenn 2 ) ich f° glücklich fepn kan bie Bekantfchafft eines
tttannes 3 U machen 3 ), ben ich f<h on längft innig nerehre. Snftänbigft bitte id)
0 ©enau bie gleiche gwedCofe captatio benevolentiae wenbet Soffmann 1803 im
erften Brief an 9tägeti unb 1807 im erften ‘Brief an $üpnel an: f. Briefwecbfet 6 . 6
oben unb <3. 42 gegen Snbe.
*) 60 bei Äoffmann faft immer ftatt wann.
*0 ©iefe BrieffteUe wiberlegt enbgüttig bie oon mir fcf)on 1907, in ber Borbemer-
Jung gu Äeft 1/11 biefer Mitteilungen, ftart angegweifelte Behauptung Äolbeing (©eutfebeg
Büpnenwefen [BMen, ©erolb, 1853], 0. 26 oben), er habe [1798] burcf) ben 9tef er enbar
Äoffmann Sfflanb, ‘Jled unb Bernparb ‘Jlnfelm BJeber lennengelernt unb fei bann
burdp biefe für bie Berliner Bühne gewonnen worben, ©aß er biefer jeboep „faft anbert-
halb Sapre" unter bem Flamen ^ontano angepört pat ( 0 . 26 Mitte big 0. 28 oben), )
wirb beftätigt burcf) 0 cp äff erg unb Äartmanng 0 tatiftif 0 . 211 ; banaep ift ein 0 d)au-
fpieler <jontano oon 1798 big 1799 „minbefteng ein 3<tpr engagirt gewefen". *21n feiner
‘Jreunbfdjaft mit bem 9?eferenbar Soffmann ift alfo auch nicht gu gweifetn.
541
[ 31 ]
übrigens (Ein EDohKBebofjren, meinen Rahmen oor ber fjanb gan 3 3 U »er*
fdjm eigen, unb Ijabe bie (Ehre mit ber ausge 3 eid)netften Ejodjadjtung 3 U jegn
<Ero EDoI)I(Bebof)ren
Berlin gan 3 gehorfamfter "Diener
Den 4 Januar 1800 Der Kammer(5eriä)tsKeferenbarius Ijoffmann
rooI)ttf)aft in ber £eip 3 igcr Strafe in No 66
ber) bem (Bel): OberCribunalsRath Doerffer.
93ier QBochen fpäter melbete Äoffmann fttf) jur münbUchen 6 taat$=
Prüfung, unb (fnbe StRärj würbe er als Slffeffor an bie Regierung in ^ofen
oerfe^t. 2 US 3 fflanb, minber pünfttich benn Äärtel, ftch baju entflog, ba$
^Uianuffript surüdjufenben, mar Aoffmann nicht mehr in Berlin ju ftnben:
„Sie SSftaSfe, Oper in 3 SU“, mürbe einftmeilen „ad acta gelegt, ba ber 93er*
faffer nicht mehr in loco iff", mie e$ in einer Jtotij auf Äoffmanng 93rief heifct.
III. ©ie Kantate aut? geter be3 neuen 3<*!)t?ljtttt&ettf$
(<£ofen 1800).
Hoffmantt 509 in ^ofen befanntlid) in bag fcböne Haug, bag ber berliner
Hofbucbbrudfer ©cor 9 3 afob ©ecler bor furjem erbaut batte unb in bem
er unter anberem bie Sübpreußifcße 3 citung berff eilen ließ; eg lag an
ben unlängft oor bem Breglauer $ore nad) bem Puffer ber berliner „fiinben"
angelegten BMlbelmgftraße, einer acht 9?ufen breiten ^lllee, in beren
SOZitte ßd) eine mit 'Bäumen eingefaßte ^romenabe befanb, mäbrenb an
jeber Seite gabrmeg unb gußweg liefen.
Slnfer ^reunb moßnte borf jufammen mit bem Kriegs- unb ©omänenrat
^Ifcßenborn, bem er anfdjeinenb nicht näßergetreten ift, unb bem 9Ze«
gierunggrat Scbwar§, ber 1797 üerfd)iebcne lofale SDZißftänbe feßr wi$ig
perßfliert batte in feinem ‘Softem einer unoernünftigen ^oliceh’ x )- Sdjmara
bat ben jüngeren Kollegen gmetfellog fofort eingefüßrt in bie c 9Zeffour ce’,
einen $lub, ben bie Honoratioren ber Stabt unb mehrere 93Zitglieber beg tanb*
fäffigen *21bclg f<bon im 3apre ber Olfupation 'pofeng, 1793, gegrünbet
patten unb bem alle Offnere unb Staatgbeamfen beg Orteg angebörten. ©ie
OSRifglieber unb ihre ©amen fpeiften jeben ©onnergfag unb Sonntag gemeinfam
ju Qlbenb; ferner tonnte man täglich non 3 W)x ab ßd) in ben ^lubräumen ju
5?onoerfation, Billarb* unb fonftigem Spiel einfinben. 3eben BMnter mürben
jmblf Bälle oeranftaltet, Äon&erfe unb anbere Bergnügungen toecbfelten bamit
ab 2 ). <5ür bie Sommermonate mar ber ^lugfcße ©arten gemietet 8 ).
3m öftober beabßcbtigten Schwärs unb Hoffmann, gemeinfam „eine febr
mi^ige Operette" ju oerfaffen 4 ); ftatt beffen oerfertigten fie im SRooember eine
ernftpaffe Kantate jur Begrüßung beg neuen Sabrbunbertg 5 ). ©er $e$t
J ) Sie < 33egiebungen tiefer Satire auf ^ofen ftnb 1895 »on ‘Slbolf SBarfcbauer unb
1908 »on 9?obgero ^riimerö bargelegt: '3eitfcbrift ber iötfforifcben ©efeUfcbaft für bie
^rooina <Men> (^ofen, bei Solomica in Äomtniffton, 1886 ff.) 10, 380/82 refp. 23, 120/22.
2 ) 8^“ Öber bag Statut ber SReffource unb feine ^»arobierung bureb
Äoffmann f. gffurg 2 (S. 77f).
3 ) Sdbmarj 297 unten unb 299 SJUtfe.
4 ) ©rief an Äippel 00 m 6. Oftober: Ätppel 180.
5 ) SOtan begann bamalg mit 1, 2, 3 au jäblen unb mit 100 bag Sunbert ju fcbltefjen.
S)iefe ©ewobnbett bat ftcb in ber tatbolifcben S?ircbe noch erbalten, ebenfo in ber ‘Siblio*
grapbic, wo ,,3abrgang 1" unb „Kummer 1" ober „‘Sanb 1" unb „5beff 1" immer noch
ben Einfang einer Oteibe begeirfjrtet; auch in ben Sfabtoermaltungen Werben bie Säufer
noch fo geaäblt- ®»e oberften 9leicbg* unb Staatöbebörben betrauten bagegen neuer*
bingg bag jeweilige Sabr 9lr. 99 atg bag lebte »om Äunbert; fie beginnen ihre 3äblung
mit 9lult, ging, 3wei. 3um ©fücf bat ftcb aber m unferen 5agen infofern ein ©egen*
543
[ 33 ]
ift off ertbar für bie 9Rttglieber ber 9?effource unb fonftige <5reunbe
beg Stcpferg bei beffen .foaugwirt Setfer gebrueft worben, unb ber Sah
iff bann gleich benutzt für ben ^Ibbrucf in ber Sübpreufjifchen 3eitung: fo
erflärf eg ft cp, ba§ bie Sichtung 1)kv, ganj abffechenb oom fonftigen $e£f, in
großer Antiqua (auch in altertümlicherer Schreibung*)) erfepeint. Sa fte ‘Sluguff
Sauer bei feiner Sammlung ber ‘beutfehen Sä!ularbichtungen an ber 3ßenbe
beg 18./19. 3abrhunbertg’ entgangen iff, fo glauben mir fte herfepen ju bürfen,
jumal nicht nur ber Onginalbrucf beg 'Sepfeg, fonbern auch bie ‘Sübpreupifche
3eitung’ fcpwerlid) ben QBeg in eine öffentliche 93ibliotpef gefunben hat.
Ser häufige < 2Öechfel ber Strophen in Stimmung, Metrum unb 9?eim*
binbung läfjt erlernten, ba§ Äoffmann oor einer erheblich fcpwierigeren
Aufgabe ffanb, als fte brei 3apre oorher fein $reunb ibampe ju bewältigen
hafte. Saß °poem beg ©logauer 'Jelbprebigerg ift einheitlich auf Sanf unb
greube geffimmt unb froh ber äußeren ©lieberung burch fbrnbolifcpe Äanb=
lungett rein Iprifcpen ©harafterg. Scpwarjeng Kantate bagegen ift in
ihrem ioauptteil algallegorifchegSrama angelegt, in bem eigentlich wohl
bie Feigheit, bie S Öffnung, ber 9^eib u. ä. Figuren hätten auftreten
follen; bap eg bei Qlnbeufungen oerblieben ift, mag man teilg ber ©ile ber
ÄerffeUung, teilg ber nicht augreichenben Begabung (ober ©ewiffenhaftigfeit)
beg 93erfafferg jufchreiben 2 ). — ‘•iluf biefen phtlofophtfcpen ^eil beg Quafi»
Srarnag folgt eine Äulbigung oor bem Äerrfcherpaare mit bem
ioinwetg auf bie oor punberf 3al;ren erfolgte ©rpebung ber Spnaffie jum
!önigli<hen Orange, bem Sanf an ben ©rofjen $urfürffen, ber biefen ^ufftieg
ermöglicht fyatte, unb ber unoer weiblichen ‘Slnfpielung auf QSrennug oon
^ranbenburg. — ©ans jurn Schluß tritt ber ©eniug beg 19. Sapr*
hunbertg in ^erfon auf unb wirb oon bem bereifg anwefenben ©eniug
^reufjeng mit einem ^uffe begrübt.
Ser gegt lautet 3 ): _
gewicht gefunben, atg man bie OB o tf) e mit ihrem zweiten Sage beginnt unb mit bem erften
ber folgenben <2Bo<he f cöliepf, inbem man ben SJtonb alg ben »ornehmften, bie 6onne alg
ben aHerleijten unb gleichgültigsten Planeten betrachtet. — (Stopfeuf*er eineg Spronologen.)
‘) beb unb Seegen (im Seitunggtept bagegen: bei unb Segen). Schwär* war gleich
alt mit Schiller, unb ber Seher feiner Kantate hatte offenbar feine Schreibung refpeftiert,
wag 3eitunggfei}er nicht ju tun pflegen.
2 ) Sluf bie gleichen llrfachen mag man eg »erteilen, wenn gegen Schlup beg ©anjen
wieberpott unbetonte furje ©nbunggfilben atg Keimträger erfepetnen: Äulbgöt-tin: Köni¬
gin; Säfu-lum : Seer fie um; unb, befonberg fcpeuplid), ©eni-ug : 'Jriebeng-SCup. Sonft
barf man Scpwarzeng Steimfähigteit wohl alg guten ®urd)(d)nitt bezeichnen.
®) ©ie Snterpunftion bepanbeln wir frei, in ber Schreibung folgen wir aber bem
©ruef (cf unb t> finb hier, ebenfo Wie im ftrafturfah beg eigentlichen 3eitunggfefteg,
»erbannt unb »or totalen burch t£ unb **, »or ^onfonanten burch t unb * erfetjt; ’Hü>;
wirb nah ber SJtobe ber 70er 3apre burch $teog Wiebergegeben; ber ©eneti» wirb hier,
bei Sirennug unb bei Gpronog nicht bezeichnet), ©ie Anfänge ber 3eilen mit gleichen
Steinten haben wir untereinanbergefeht
544
[ 34 ]
(Eanfate
jur ‘Jeier beS neuen Sabrbunberts
in ber 9ieffoutce gu °)>ofen aufgefübrt
am <2Ibenb beS 31. ©ecem&erS 1800.
1. ©bor.
Singet SbronoS iöngffem Sobnc,
©et tn feinet Strablen*f?tone
■Salb ein neues Seicb beginnt!
fMtlicb muß baS Sabr öottenben
flnb bet legte $ag ft<f> enben,
©effen legte Sfunbe rinnt.
2. ©bor.
QBilltommen *) bem Greife,
©et banfbar unb n>eife
©eS SebenS genießt!
©ir tauften bie Saiten,
©ir tollen bie Söne,
©ie jauebgenb begleiten r
®aS £ieb bet S?am5ne.
9 fet» unS gegrüßt!
SRecitati».
'Salb febwebf er ber, bet bolbe (SeniuS
®eS jungen SäfulumS; unb mit
empfangen jubelnb ihn, als wfirS gewiß,
©aß et, beS ©lütteS güHborn in bet Sanb,
'lOMf Seegen unb ©enuß unS überftröbmt.
0 traut ibm nid§>11 ©r ift ja ebronoS Sopn,
flnb feinet filtern 'Stüber Süffen ftnb
£lnS aus ber grauen Sorgeit S?unbe längft
flnb leibet aus ©rfabrung audb befannt.
2lrie.
Sieb, auS ©bronoS firne rinnen
Sepbe, Sdbmerg unb Seeligfeit!
©iefe fcbmeidbelt toobl ben Sinnen,
©odb fte »ecbfelt mit bem Geib.
©Zic^tS gu fürchten, nichts erwarten,
Gebret unS beS 'Jßeifen Gieb;
©arum pflült im GebenS-©arten
3ebeS Slümcben, wo eS blttbt
*) b- ®u, ber ©eniuS beS neungebnten SabrbunbertS, bift witlfommen.
cboralmüßig.
So wecbfelfe »on 21nbeginn
©ie ffteube mtt ber Trauer;
So wecßfeln £i<f>t uttb Snnftemiß;
Hnb nur ba« eine bleibt gewiß:
(?« ift hier nidf>t« oon ©auer.
©uett.
21. 23alb ift auf faoten-reid^en fluten
©e« Seegen« ^üßborn au«geleert.
23. 23alb finb oerfilgf beö Seegen« Spuren,
©ie Schnitter weggefebeuebt oom ScbWerbt.
21. ©er ©eniu« ber 3eif jerftöbcet
23erjäbrter QSorurtbette SXacbt
23. ®r löfdbt bie Rattel au« — e« lehret
3urüt be« 2lberglaubett« Sftacbt
21. [unb] 23. 0 feelig, wem im 9?ofengtattae,
Selbft beb ber Soren Söecbfelfanse
©ie 3ulunff froh entgegen lacht
9lecitatio.
®a« ift ba« Qöerl ber bolben 3auberin,
©er Sofnung, bie be« £eben« füße« 23ilb
ün« fcbmeicbelnb nur mit bellen hinten mablt,
2Benn gleich im grauen Sintergrunbe fchon,
Scbwara wie bie 92acbt, ein Hngewitter brobt
2lrie.
2ßeb’! 3cb febe Scbwerbter blinfen
Unb bie ©rbe warme« 23luf
©er erwürgten 23ürger trinfen.
Scblbffer unb ‘pattäfte finlen
23or be« 23olie« toller 2öutb-
2Bebe! ^eft unb Stürme Wütben
Heber ba« »erbeerfe £anb.
3m ©emacb be« S^barifen
Seb’ i<b l 3Rol<b unb Hnle brüten,
flnb bie Saaten frißt ber 23ranb.
©bo*-
Sorcbt! ©a« war be« SKeibe« Stimme,
©er mit innerlichem ©rimme [1]
3n bie frobe Sulunft ftebf,
©ie un$ fchon entgegen blübt-
5 46
[36]
Solo.
Sfteiti, auf QBartha« reifen Fluren
®t>rof)t fctn eitler £orbeer mehr,
£htb 'Bellona« raube Spuren
Seften Salme, feegen«*fdritter,
ffrofjfttm täfelt au« ben Säften,
2lu« ^alläften ftrablt Da« ©lüf;
9*«r um lange Sauer bitten
Sie ‘Semohner ba« ©efefjir.
Sbor.
3»t>eifelt niefjt! auf 'Srennu« throne
Sijf ein $önig, tuerfb ber Ä’rone
So toie ^Preufjen« Sulbgöffin,
Sie geliebte Königin!
Solo.
Seinem throne« Säulen fteben
9fun ein »olle« Säfulum.
^eft gegränbef auf ^robhäen,
Störst fein 3einbe«-Seer fte um.
Hefter noch in ft<$ gegränbef
Surrt) be« «ölte« Seralichfeit,
Sie gleich ®bheu fte umminbet,
Grossen fie bem Sturm 1 ) ber 3cit.
*)
Solo.
3br oerebrfen Veteranen,
Sieger einff bei 'JebrbeKin,
Snfel feegnen eur ( 33emüi)n.
Steigt herauf, ihr tf)euren Spanen!
Sehet um öermorfd)fe Jahnen
Sure« Stad&ruhm« franse btäbn!
Sbor.
ftriebrid) SBilhetm auf bem throne:
SSetche Sofnung, heer unb licht!
Singt nun Shrono« jüngftem Sohne
=£Rit ber frohften 3ut>erftchtl
T ) ®er Srucf bat Strom; trohl 53erfehen be« Seher«: Samara fchreibt jerftöhren,
ftröhmen, hätte alfo Sfrobnt gefchrieben.
*) &ier iff üieHeichf eine Slntmort be« Shore« au«gefatten.
[ 37 ]
547
Stecitati».
fit fommt, er fommtl in Offen rött)ef fcfwn
©er Simmel fid^ jum (fünften unfrer 5age,
flnb fyettex wirb ber Sofnung fchötier Strahl,
©a§ nun mit if)m bie golbne 3eif beginnt.
< 2lrte.
Geh gegrüßt! auf Sleol Schwingen
©oibgetofter Sohn bet Seit!
^rieben — Stieben wirb er bringen,
Snben aller 93etter Streit.
Sreunbltcb tt>ie bie SOtorgenrötbe
Cäcbelf uni fein Angefldjf;
Eieblicb wie ber ^on bet Stöfhe
klingt bie 9Rebe, wenn er fpriebt
Gebet! ‘preufcenl ©enütl
3ft mit ipm im fchönften 93unbe,
©enn mit feinem bolben ‘SRunbe
9teicf>t et ipm ben Sriebenl-Äufj.
©er eigentlichen Kantate folgte ein‘Gchlufjgefang’ nad^ 3ohn ‘Sulll
Gelobte „God save the king“, eine Abwanblung bei oor fteben 3abren auf
^riebrifb AJilhelnt ben 3toeiten gebichteten c< 23 erlin er 93olflgefangel 5 „j5eil
©ir int Giegerfranj" (ber befanntlicb feinerfeitl toieber bie Abwanblung einel
‘ßiebel für ben bänifd)en Slnterthan’ war, bal 1790 ein Flensburger
^anbibat ber Geologie »erfaßt £>atte). Aßir bürfen fykv biefen international'
nationalen Annef um fo eher übergeben, all ber ^omponift ber Kantate nicht!
bamit §u tun hatte.
©ie Aufführung fanb in bemfelben ©afthofe am 9?inge ftatt, ben io off-
matt n fcf)on oor oierthalb 3ahren gelobt batte x ). ©ie erfte Kummer ber Güb*
preu§ifcf)en 3eifung, bie im neuen 3ahrhunbert (am 3. 3anuar) erfebien, braute
aufjer bem Sejt ber Kantate folgenben 93eric^t über bal Feft:
93on ber grofett 9Reffourcen--@efellfcbaft, bie feit ihrer ©jiftenj ihre reine
93aterlanbllicbe fchon öfter bewieft, Würbe ber Aöechfel bei 3ahrhunberfl nicht
weniger feierlich begangen, ©ie meiften ©lieber biefer ©efellfchaft hatten jtch
am Abenb bei 31ften ©ejentberl mit ihren grauen unb Ambern in bem
Gpeicherffchen Saufe oerfammelt unb wohnten bet Aufführung ber weiter unten
folgenben, oon bem 9Regierwtglrath Gchwarj gebiebtefen, oon bem 9Regierungl=
Affeffor iooffmann aber in wunberfchöne Mufti gefegten Kantate, »on blofen
Mufifliebhabern gegeben, bei. ABer fühlte ftef) in biefer Gtunbe ungufrieben,
unglüflitf) ? <2ßer nahm nicht ben herjlichften Antheil an biefem Scffe? ©I
würbe mit einem 33aU unb einem freunbfchaftltchen Abenbbrobte gefchloffen.
©er £lebergang inl neue Gälulum nach Mitternacht mufjte unter freien Menfchen
>) S. o. S. 17 Mitte.
548
[ 38 ]
nicht fatt gefeiert Serben; auch gefefjahe eg nicht, felbft bei bem Bemufjtfepn,
bajj 9?iemanb aug ber ©efeHfchaft noch fo eine Vlacfyt erleben mürbe. ©er
'Ball bauerte big gegen 3 Uhr Borgens.
Unter ber Begleitung ameier Biifglieber ber ©efeHfchaft fammelte Stau
3uftijfommiffariug grüfon unb grau ^ammerfelrefair Bergmann bei Slug*
Teilung ber fchönen ©tropfe aug Boffeng fiiebern 1 ):
Blit herzlichem Erbarmen
Beicht ©itre Äanb ben Slrmen,
B3eg Bolfg unb ©laubeng fte auch fetjn;
Sßir ftnb nic^t mehr, nicht minber,
6inb aHc ©ofteg Minber
Unb foUen ung mie Brüber freutt,
eine $oHelte für bie Slrmen, bie 62 Bthlr. 16 g@r. [— 188,42 ‘SJZatf] be*
trug unb bie ihrer Beftimmung sufolge »ermenbef merben foll.
Bei biefer löblichen Sammlung ift eg letber nicht fo ibpHifch augegangen,
mie man nach bem Bericht ber 3eitung annehmen möchte- ©ag eine ber
borf genannten beiben 9CTlifglieber ber Beffourcen=©efellfchaft, bie bie ein*
fammelnben ©amen begleiteten, mar ber 3ufttafommijfar (= 9\echfganmalt)
unb Botar $ühhe, ber unter gviebrttf) bem ©rofjen bem ^ammergericht
an gehört unb ftdj bamalg in ber unfeligen SIngelegenheit beg Biüllerg Slrnolb
alg aufrechter Btonn bemährt hafte 2 )- er glaubte, jettf auch in einer außer¬
gerichtlichen Slngelegenheit mit feinem Urteile nicht jurüdfhalten ju follen unb
befchmor burch eine überflüfftge Siußerung großeg Unheil auf ftch unb inbiveft
auch auf anbere herab.
Samara f<hilbert 1828 ben Bertauf beg Slbenbg folgenbermaßen 3 ):
©er Borabenb beg neuen 3ahrhunberfg mürbe in ber zahlreichen Beffourcen*
©efeHfchaft burch ein glanjenbeg geff gefeiert. Bach Slufführung ber »on mtr
gebichfefen unb »on Aoffmann in Biuftf gefegten Kantate fanb eine Slbenbtafcl
ftatt, melche bie gefdjmarfoollfte unb am ßhönften belorirte mar, ber ich jcmalg
beigemohnf habe, ©ie Sluffätje maren jmei ber Batur mit hö<hffer ©reue
nachgebilbete Berge, mooon ber eine geuer, ber anbere SBaffer fpie. $urj
nach aufgehobener ©afel nahm ber &unmergerichtgrath ^ühje bie fchönfte grau
ber ©efeHfchaft am Slrm, legte felbft »ier griebrichgb’ov [= 67,32 ©CSarf] auf
einen ©eiler unb machte bamif einen .Umgang, um für bie Sirmen ju fammeln.
Sllg er an ben SEftajor »on S[chmibfec]f !am, einen reichen aber geizigen
“SDRann, ber belannflich auf 'pfänber lieh, fuchte biefer aug aHen Nähten brei
Böhm (Silbergrofchen) aufammen, bie er auflcgte. ßühae bat Bameng ber
Sinnen um eine 3ulage, unb ba ber <3ftajor »erßeherte, baß er nicht mehr bei
|tch habe, bot er bemfeiben feinen Beutel an, um nach Belieben baraug a«
nehmen, ©er Sftajor ermiberfe »etbrießlich, baß er ihm nichts a« befehlen habe;
x ) Slucß biefer im 6aal »erteilte Settel mar bei ©eefer gebrueft, unb ©ecter hat
bann ben Ga$ in ben beg SlrtitelS eingefchoben, fo bah auch biefe fed&g 3eilen bort in
Slnfiqua erfcheinen.
*) Bäbereg über ihn gragtn. I 15, Bote 2.
*) 6. 308/09.
[ 39 ]
549
herauf 5?üb§e beim ( 3Beggebn siemlid; lauf fagte: „®rei ( 23i%n — ba# iff ja
bunb#»ötfifcb für einen königlich c £>reujjtfd)en Majori"
Rach $ifd>e [?] fe^fe bet Rlajor Rübsen barüber jur Rebe, itnb biefer
mochte in ber Jöibe be# ©efpräcb# feinen ©egner mit feinem bicfen 93aucbe
etwa# unfanft berühren.
£nerau# mürbe eine Realinjurie gebilbet . . .
©tnftweilen würbe ber ©ruef ber Kantate fleißig oerteilt. ©te Kriegs-
unb ©omänenlammer fanbte einen ‘Slbjug an ben 5?önig jufammen mit ihrem
9Sftonat#&erid)t J ); biefem war folgenbe Rotij eingefügt:
©ine ©efeUfcbaff, bie au# ben Offerieren be# Regiment# o. 3aftrotr>,
einigen fübpreuß. ©beiteufen unb ben Ofjicianfen ©w. ^öniglicbefn] ‘-Rajeffäf
biefigen ©oflegien beftebt unb ficb lange bur<b reinen c Patrioti#mu# au#gejeicbnet
bat, feierte geftern ben935ecbfel be# 3abrbunberf# bureb bie beiliegenbe ©anfate. RMr
nehmen un# bie ©rlaubnifj, folcbc ©to. ^öniglicbefn] RJajeftät al# einen 95emeih ber
aufriebtigften l 2lnbänglicbfeif an l 2lHerbb^ftbiefelben untertbänigft ju überreichen.
©er ©iebter felbft fanbte ben ©eft — ja, wenn ihn 1828 feine ©r--
innerung nicht getäufcht hat, fogar bie Partitur ber Äoffmannfcben 9Ruftf —
ber barin al« „^reufjen« £>ulbgöttin" gefeierten Königin ßuife 2 ) unb erhielt
ein ©anff^reiben bafür 3 ).
') 93gt. oben S. 27, Rote 2. ©iefer Bericht liegt im Röntgt, ©ebeimen Staat#-
arebio unter ben Actis be# Kabinett# S?önig ^riebrid) SBilbetm# 111-, unb jrnar in ber
Rtappe „3eitung#beri(bte ber Ärieg#- unb ®omainen-^ammer ju ^ofen 1800—1805" auf
Rep. 89 unter Rr. 149 B.
s ) Seiber ift, nach freunblicber Riitteilung ber Äerren Dr. Schuftet unb Dr. Krieger,
Schmarren# Senbung Weber im £>au#arcbiö noch in ber &au#bibliott)e! au ftnben.
s ) ©r benu^te biefe# fpätec aur fiegitimation auf einer Sufjreife, um Stnblicf in bie
5effung#antagen oon Silberberg a« erhalten: Sdjwara S. 306/07.
550
[ 40 ]
Slttfjtms*
*20» möchten nun nod) über bie folgen ber oben gefchilberten Vorgänge
unb über bie ^orffe^ung ber bafelbft erwähnten ‘Sejiebungen im neunjebnten
3abrbunberf berichten: tngbefonbere alfo über bie 3ufpit)ung ber Q3erbältniffe
in ^ofen, über ÄoffmannS 'Seaiehungen aum ‘berliner Theater unter
3fflanb unb über feinen weiteren 93erlehr mit iöampe.
Stoch in biefen Partien ift bie »orliegenbe Raffung ber Schrift erheblich »er-'
mehrt, namentlich ift JooffmannS £eben unb Schaffen in ben Monaten Sötära 1808
big Slprit 1809 unb Sampeg QBirfen öom Februar 1808 big jumRlai 1816 ganj
neu bargeftellt. Nefonberg wißtommen wirb Soffmanng ^reunben ber Nürnberger
Nrief an iöampe fein (f. (5. 55—57).
1, ©ie folgen beS ^ofener SfefteS: 1801—1802.
Snjwifchen nahm in °Pofen bag Verhängnis feigen Sauf. < 333ie ©chwara
weiter berichtet 1 ), würbe
ber gute ^!üf>se benunciirt, baß er einer hohen SKilitärperfon an einem öffent¬
lichen Orte eine Realinjurie augefügt habe. Rach gefchloffener llnterfuchung
Würbe ber Regierung ju ^ofen bie Slbfaffung beg Gcrfenntniffeg aufgetragen,
unb bag Kollegium tonnte nicht gelinber alg breimonatliche geftunggftrafe er*
fennen, ungeachtet eg alg Slugenaeuge ben Hergang ber 6ache wohl au würbigen
wußte. ©ag (frfennfniß Würbe oom 3uftia = SÖlintfter [o. ©olbbect] beftätigf
unb publicirt. i?ühae aber [war] barüber fo erbittert, baß (ungeachtet alle feine
'Jreunbe jtch erboten, ihm wechfelgweife auf ber Heftung ©efellfchaft au leiften,
unb ihn baburch a« beruhigen fuchfen) er fich inberSöartaerfäuffe, nach*
bem er auoor an ben 3uftia--9ftimfter einen Vrtef ooll ber bifterften Rortoürfe
unb 3njurien abgefanbt hatte. Sille Riifglteber ber brei Kollegien unb fämmtliche
Äonoratioren ber ©fabt folgten bei ber 93eerbigung feiner £eiche, unb ber
Rlajor oon ©[chmibfecf] gerieth barüber in ein folcheg Rerhälfniß, bah er
feinen Slbfcßieb nehmen unb ^ofen »ertaffen muhte.
3n ber $at ffeht in ber Ranglifte für 1803 auf ©eite 58: „SRaj[orJ
o. ©chmibfecf erhielt 1802 ben nach]gebuchten] Slbfchteb." ©ie lebenbigen
©chilberungen beS faff ftebaigjährigen ©chwarj Werben mithin burch bie jeit*
genöfftfehe Literatur glänjenb beftätigt, wag man nicht non Dielen berer fagen
fann, bie über Äoffmann auS eigener < 2öahrnehmung berichtet haben.
Schon furj ttor ber 3ahrhunbertwenbe 2 ) war bag oafant geworbene
^ofener Regiment bem bisherigen oortragenben ©eneralabjutanten Oberffen
*) S. 309/10.
2 ) Rieht erft 1801, wie ich, burd) eine cbronologifche Nerfcßiebung bei Sdjwarj
»erführt, noch in ffragm. I angegeben. < 2Bie wir fahen, heißt bag Regiment fchon in
bem Reujabrgbericbt ber Äriegg- unb ©omänenfaromer nach Saftrow.
551
[ 41 ]
BBilbelm von 3affrom »erliefen, ber bementfprechenb am 11. 3anuar 1801
jurn ©eneratmajor avancierte. ©r braute befanntlich in ber golge burd)
gefeUfd>aftticheg llngefchid bie burd) ben *5all ^ü^e bereite verbitterten
Ölnmälfe unb jüngeren 'Beamten vollenbg in Sarnifd), fo bafj auf ber großen
'Jaftnachtgreboute vom 28. Februar big jum 2. Sftärj 1802 ber lange vor*
bereitete Badjeaft gegen Militär unb ‘übel auggeführf mürbe.
Beuerbingg ift einem befchränffen Greife ber Beriet vorgelegt, ben bie
‘SübpreufHfchen Sinterhaltungen 5 vom 29. < 3Bat 1802 über ben
*pofener Karneval biefeg 3ahreg gebracht haben; mir behalfen ung vor, fpäter
in einer etmaigen ©efamtbarffellung von Äoffmanng £eben in 'Pofen aug»
führlicher barauf zurüdjufommen. ©g merben bort mehrere tagten auf*
geführt, bie bamalg auf getreten maren; nachbem jtvei burchreifenbe italienifcbe
Birtuofen unb ein reifenber Ürjt betrieben ftnb, hetfjt eg meiter:
Boch ein anber 'paar erfdjien in ben lebten Garnevalgfagen als reifenbe
Bilbcrhänbler ober Zahler — biefe hatten eine Sammlung Bilber aug ber
fcanbaleufen Ghronit ber 'pofenfdjen 3nmohnec verfertigt unb theilten in Garifatur*
©emälben jebem, beug betraf, feinen eigenen £ebengmanbel in bem toohlgetroffenen
©emälbe mit. Biele tooHten bieg [ehr hönifch finben, unb manche fchtouren, an bem
Berfertiger biefer fonft mohlgerathenen unb getvifj mit vieler Blühe verfertigten
©emälbe Bache zu nehmen, ba er nicht unenfbeeft geblieben tvar.
3n Böirflichfeit maren, mie mir aug Sdhmarjeng Beriet 1 ) miffen, bie
„Bilberhänbler" flug genug, barauf zu achten, „ba| feiner feine eigene ^arri*
fatur erhielt". — Schmatz, ber [ich offenbar eine größere ünjaht von ben
Blättern aufgehoben hatte, betreibt 1828 ihrer elf. Sing interefftert hier
nur bag fechfte 2 ) bavon, ba eg auf bie unfetige Bacht smifthen ben 3ahr*
hunberten jurüdmeift, bie biefeg Slnheil geboren hatte:
®er Blajor von S[chmibfed], bem man ben Sob beg beliebten Äfiihhe]
jurechnete, mar alg 3ube mit einem Bart, in ber Uniform beg Begtmentg unb
mit einem Sporn am linfen Stiefel gezeichnet. Bor ihm ftanb ber biefe ^[ühhe],
ihn mit feinem Bauche Berührenb, unb fagte: „Place ä un honet’homme!“
— Befanntlich erhielt Äoffmann barauf im üpril 1802 ftaft ber ihm
(nicht nur jugebaebten, fonbern auch bereits jugefchriebenen) Batgftelle in
'pofen eine in 'plocf; unb Schmatz, ber alg Berfaffer beg ‘Spftemg einer
unvernünftigen 'Police^ 5 unb alg naher Befannter Äoffmanng ber Blitfchulb
bringenb verbächtig tvar, mürbe um ben 1. Oftober nach Äilbegheim, halb
barauf nach 'paberborn verfemt 3 ).
0 S. 314 Sölitte.
*) e. 313 oben.
3 ) 1821 gab er (alg ©treltor beg Eanb* unb Stabtgericptg in Salle) bem Beferen bar
‘■dbolf Bernparb 99larE einen GmVfet)lunggf>rief an Spffmann mit: f. Blarreng (Er¬
innerungen (Berlin, 3ante, 1865) Bb. i, <3. (110 f. 146 Blttte.) 179. — Gin fonftiger Ber-
lehr amifd)en ihm unb Soffmann nach 1802 ift mir nicht befannt.
552
[ 42 ]
2. (Erinnerung an .Satnpe in ^locf 1803/04.
93ertnutli<p pat iooffmann big 1809 bauernb mit iöampe forrefponbiert;
teiber iff non biefen Briefen bigper nur einer bet lebten befannt geworben 1 ).
1801 pat Äampe ftcperlicp berietet über bie Sluffüprung non ‘Sftojartg
Requiem, bie — jmeifellog auf feine 33eranlaffung — am 20. 9CRärj in ber
enangelifcpen ^ircpe ftattgefunben patte 2 ), mäprenb Äoffmann bem greunbe
miffeilen tonnte, bat feine eigene ^ompojition non ©oetpeg ‘Sdpers, £ift unb
9?acpe’ mieberpolt non Sari ©öbbeling Gruppe im ©eiglerfcpen ©arten ju
^ofen aufgefüprt fei. — 1802 tonnte ioampe bem greunbe non ber Sluf-
füprung einer ©elegenpeitgarbeit in ber Slrt ber non 1798 3 ) beriepten.'
1803 feufjt Äoffmann in ^locf am 3. Oftober in bem nor jmei 5agen
begonnenen 3Tagebucp: „Sin erbärmlicper 5ag in jeber iöinftept — 93or unb
^Radpmitfag big jepn Xlpr gearbeitet u>ie ein ^ferb — gemüplt in ffaubigten
Sitten. . - . ^aepmittagg mar icp eine Gtunbe bep 9?eicpenberg, jog ipm
Saiten aufg Plattier unb fpielte ipm bie neue SOieffe nor — eg tritt ipm
niept ju £eibe, boep tpat er entjücft alg icp ipm bag Benedictus fpielte —
Sßann merbe icp ©i(p mieberfepen mit ©einem blaffen ©e =
fiepte — mit ©einem innigen ©efüpl ©icp rnieber fpielen
pören, ©uter -fofampe 4 )]! —"
©nbe ©e^ember fenbef er iöatnpen feine 9?eujaprgn>ünf<pe unb legt etne
neu gefepaffene Sonate in Slbfcprift bei 5 ), i^urj norper mar ipm unter ber
ioanb eine 9?atgftette in Söarfcpau angeboten, bie er angenommen patte; unb
ber $ob ber unoerpeirafefen Sante Soppie ©oerffer in $öniggberg patte
ipm Slugftcpf auf eine ©rbfepaft gemaepf, non ber er nor Slntritt ber neuen
Stelle eine grofje 9?eife ju maepen gebaepte. ©r träumte banon, an ben
9?pein ju fapren unb bann bag geliebte ©regben pm briften 'Sftale auf«
jufuepen 6 ); non ba fottte eg über ©logau naep SBarfcpau gepn. Scpon
am 9. 3anuar bemüpte er fiep um eine Söopnung in Sßarfcpau; in ber feplaf*
*) ©er Verbleib oon Sampeg 91acplafj ift noep niept ermittelt, ©ie beiben betannteften
lebenben ©eleprten beg 91ameng, ber Mmft- unb Ciferarpiftorifer §peoborS>. in91ürn*
berfl unb ber Äiftorifer Äarlib. in joeibelberg, finb ©nfel beg Qlrateg Sriebricp ßubwig
£>ampe in Bremen unb niept mit unferem Gcplefter »ermanbf.
2 ) ‘•proninsialblätter 33, 413 f (21pril 1801): „®g gefiel im ©anjen ntept, unb bag
fafi allgemeine Ürfpeil mar. man pabe bie SDlupf niept oerftanben. flnfer Öpr ift au
fepr an bie leieptrerftänblicpe, tänbelnbe Operettenmuftf gemöpnf, um bag feierliche grpabne
gleidp au faffen.“
8 ) mr 9l'ä bereg f. ©Elurg 3 (6. 78-80).
*) ©iefe grgänjung beg 91 ameng ift um fo fteperer, alg naep ber Qlngabe non
Äampeg l 33iograppen „beffen feelenöoKeg Marie rfpiet allgemein enfaücffe" (f. u. G. 48
901ifte); in ber Qat preift 1809 ein 3upörer „bie pimmlifepen $öne, trelcpe bie Q3irtuoft-
tät unferg Äantpe ben Gaifen entlocfte": f. u. G. 54 oben.
B ) ^agebuep nom 1. Sanuar 1804: Sagebüeper G. 19 = gtagm. I 51.
®) Sagebucp »om 3. unb 5.Sanuar: ^agebikper G. 20f. = Sragm. 152 mit 9?ote 1!
553
[ 43 ]
lofen 9?ad)t oom 10. jutn 11. „befchäfftigte ich mich mit lauter ©ebanten an
bie 9?eife — fchluntmerte i<h ein, fo träumte ich öon ioampen —
^Bär ich nur erff auS bem »erbamten £o<heI"
$lber erft jmei 90ionafe fpäter, am 10. Sftärj, traf baS 9?eftript ein;
bie iooffnung auf bie ©rbfehaft mar insmifchen ju ^Baffer gemorben 1 ), unb
Äoffmann hat ftcherlich bie gahft nach BSarfchau auf bem bireften BJege
an ber SBeichfel entlang gemacht-
3* Bemühungen bei 3fflanb non SBarfchau auS: 1804—1807,
3n Bktrfchau traf Äoffmann — bie SBelf iff fleht — 3ad)ariaS
BJerner mieber, feinen ^önigSberger io auSgenoffen unb Sohn feines spaten.
©er jmeite $eil non 'SBernerS erffem ©rama, ben 'Söhnen beS
mar im ©ruef. Sobalb ^Berner ben 'Sitelbogen erhalten hatte, fanbte er am
4. Sluguff ein ©jemplar beS ©anjen an 3fflanb; im Begleitbrief 2 ) fünbigte
er ein jmeiteS ^rauerfptel an, baS bie (Eroberung unb ©h*ifrtanifterung
'preu^enS behanbeln follte: jmei non ben geplanten fünf Sitten feien
fertig. — ©tma gleichseitig mufj auch Äoffmann an 3fflanb gefchrieben haben,
um jtch nach feinem Singfpiel non 1799 ju ertunbigen.
SIm 25. September antmortete 3fflanb ermutigenb an SBerner 3 ),
mährenb er am 27. feinen Sefretär ^aulp anmieS, .Soff mann S Singfpief
„aufjufuchen unb höflich su remittiren".
Äoffmann tomponierte nunmehr im ©ejember Brentanos 'fiuftige SD^uft-
tanten’. 9^adhbem er bamit fertig, nerfpradj er SBernern auf beffen SBunfch,
Ouoerture, 3mifchenalfSmufti unb (£fyi>ve für beffen c Preu§enbratna su fom-
ponieren. SB er n er melbete 3fflanb am 10.9J2ärä 1805, baS '$reuj an ber
Oft fee’, mie er baS £rauerfpiel benannt hatte, fei injmifchen in jmei Steile
jerlegt; ber erfte fei im $onjept fertig unb merbe bis jum 1. SDSai in 3fflanbS
ioänben fein, ©ie SOcuftt baju liefere „etmaS fpäter" ein 3ugenbfreunb
SßernerS, ber „fic^ in Berlin unb ©reiben [I] für bie &unff auSgebilbet
unb ... fiöh bereits im Opern* unb Kirchen*Stple fehr glücfftch oerfucht"
habe, ben er aber burd)auS nicht nennen bürfc 4 ).
Obgleich im SIpril bie Aufführung ber c £uftigen 9ftuftfanten’ im SBar-
fchauer beutfehen Theater ftattfanb, beeilte ftch Soffmann, bie Arbeit für
9 Tagebuch »om 18. Sanuar: „®a£ 'Seftament ift getommen: 9ttcbt$, gar nichts!
l 2Ule ‘pläne gefcheitert!"
2 ) Stehe ‘ < 23rieftt>e<hfet Hafftfcher ©ichter unb Schriftfteßer mit ber töniglichen &of*
theateroermattung in Berlin 5 (112 Stummem) == 3*oeite$ 'Such (®-195—346) oon Sohamt
Valentin ^eichmamtS fitterarif ehern 9tachlctB,herauSgegeben »on Sxans ©ingelftebt (Stutt¬
gart, Sotta, 1863). ©iefer Srtef S. 291/94.
3 ) Siehe ( 3öernerS Srief »oni 9. Ottoher am Einfang: ^eichmann 294 unten.
*) §ei<hmann 302/03. ©ie Stelle wirb fünffig »oüftänbig miebergegeben in bem
Sammelbanbe 'Soffmann nach ben Berichten feiner Setannfen’, wie bereits im erften
Seft beS < 33riefwe<hfetS S. XXIII unten angelünbigt ift.
554
[ 44 ]
ABemer gu erlebigen, bomif ftc mögtichft halb nach bem 5e$t in Verlin ein=
gcreid>{ »erben tonne. „ABerner", fcf>rei bt er fünf Monate fpäter an Sippel x ),
„ift unerträglich ängftlich, lag mir immer auf bem Salfe unb quälte mich, bafi
i<h 3;ag unb Stacht arbeiten mufjte um gu einem bestimmten Termin fertig
ju »erben. *211« bie Partitur benn nun gum Abfenben fertig lag, fc^rieb
3fflanb einen langen langen 93rief an AB[erner], beffen turger 3nl)alf »ar,
baS Stütf fep für jebe Aufführung gu ^oloffal. (Aß[emer] hotte
nehmlid) fchon früher ben erften ^hetl • •. auf Anbringen 3fflanb£, ber bie
3eit nid^t erwarten tonnte, nach *23[erlin] jur Aufführung gefdjictt.)"
Aoffmann hat Anfang 1821 im oierten ^eilc ber ‘Serapion^Vrüber’
mit ingrimmigem ioumor (unb in einer ©iceroä »ürbigen ^eriobe) 3fflanb$
Verlegenheit bei Kenntnisnahme be£ 9D}anuftriptS auSgemalt 2 ):
er hatte Vertrauen gefaxt, unb nun ben!e man ihn ftch mit bem erhaltenen
Aßanuflript beS ‘KreugeS an ber öfffee 5 in ber Joanb I —
3fflanb, bem bie Srauerfpiele Schillers (bie [ich bamalS froh alles
ABiberftrebenS hauptfächlich burch ben großen gleä Vafm gebrochen hatten)
eigentlich in tieffter Seele ein ©raüel »aren,
Sfflanb, ber (burffe er eS auch nicht »agen, mit [einer inner[ten
Meinung offen heroorgutreten, ohne Befürchten gu müffen, oon jener fcharfen
©eibel, bie er fchon gefühlt, noch härter getroffen gu »erben, hoch) irgenb»o
brüden lieh, Srauerfptele mit großen gerichtlichen Alten unb einer groben
c Perfonengahl »ären baS Verberbnib ber Später (— beS gu bebeutenben, fch»er
gu erfch»ingenben Koftenauf»anbeS »egen, fegte er g»ar hingu, aber er bachte
bo<h: „dixi et salvavi“ —)
3 f f l a n b, ber gar gu gern feinen ©eheimenräthen, feinen Selretarien u. f. ».
ben nach feiner Art gugefchnitfenen tragifchen Kothurn angegogen hätte —
Sfflanb tieft
baS ‘Kreug an ber Oftfec 5 in bem Sinn, bab eS ein für bie
berliner Vühne auSbrücflich gefchriebeneS Srauerfpiel fep, baß
er in Sgenen [sic] fehen, unb in bem er felbft nichts »eniger fpielen foll,
als ben © eift beS oon ben heibntfehen ^reuben erfchlagenen VifchoffS Abalbert
(ber als Sitterfpielmann [ehr haüfg über bie Vühne giehf, mit oielcn, gum
^heil erbaulichen, gum §heil mpfttfehen 9teben gar nicht larg ift, unb über
beffen .öaupt, fo oft ber 92ame ©hriftuS auSgefprochen »irb, eine heUe flamme
auflobert unb toieber oerf<h»inbet) —
baS ‘Kreug an ber Oftfee’, ein ©tücf, beffen 9?omantif ftch nur gu
off in$ Abenteuerliche, in gefchmacflofe Vigarrerie oerirrt, beffen fgenifche ©in«
richfung »irllich (»ie eß bei ben gigantifchen ©Köpfungen ©halfpearS oft
nur ben Schein hat) allen unbeftegbaren Vebingniffen ber 93ühnen--®ar--
ftellungen fpottetl —
©erabegu oer»erfen, unartig abfprechen, alles für foüeS oer»trrteS 3eug
erllären, »te man eß fonft »ohl ben diis minorum gentium geboten, baS burfte
man nicht. — ©hren — loben — ja, bis an ben -Simmel erheben unb bann
*) Sippe! 212 unten.
2 ) S. 243 SOtitte bis 245 unten. QBtr haben unS geftattet, burch An»enbung oon
Abfähen, ^arenthefen unb Sperrungen ben in feiner Art gtängenben Sah überftchtlichev
gu mache«.
[45] 555
mtf (tefffcr Betrübnifj erflärcn, bajj bie fcpmacpen 'Sbeaferbrcttcr ben 9?iefenbau
nicpf ju fragen oermöcpfen, barauf fam eS an.
®er Brief, ben Sfflanb bem ©iepfer fcbrteb unb beffen Sfruftur nach jener
befannten < 2Biberfprucbg-- < 3 : orm ber Sfaliener: „ben parlato, ma“ eingerichtet,
foH ein clafftfcpe« ‘SEßeiftermerf ber §peafer-©iptomafif gemefen fepn. 9ßicbt au«
bem Snncren be« Sfücf« beraub patte ber ©ireffor btc SlnmiJglicpfeit ber
Büpnett--3)arffellung bemonffrirt, fonbern pöflicper ( 3Beife nur ben ^ a f cp i n i ff e n
angeflagt, beffen 3auberet foid> enge S Optanten gefejf mären, baff er nicht ein¬
mal ßptiffu«= ( 5läimncpen in ber £uff aufleucpfen laffen tönne u. f. m.
9la<$bem auch biefe Hoffnung gefepeitert, begann Äoffmann einen tomifepen
©inafter ‘®ie ungebetenen ©äffe ober 0er ©anonicu« non Nat¬
ion b 5 (»on 9ßoprmann, nadp 2Uefanbre ©uoal 1 )) ju fomponierett, in ber au«*
gefproepenen 2lbftcpf, ibn „auf ba« berliner £peater ju bringen" 2 ). 21m 26.3uni
be« folgenben 3apre«, 1806, fanbte er bie Partitur an ben ‘Berliner Scpau*
fpieler Betpmamt unb bat biefen unb ‘Jöerner (ber inatoifepen Bkrfcpau »er--
iaffen patte), ba« Stücf Sfflanben ju empfehlen 3 ). — 9ßacpbem bie •Jranjofen
im 0ejember 1806 bie preufjifcpen Bepörben in 2öarfcpau aufgelöft patten,
folgte ber 2lffejfor ©buarb 3pig, ein greunb io off mann« unb ferner« (unb
fpäter, al« ^timinalrat Äipig, beiber Biograpp), biefem im SOßära 1807 naep
Berlin. ®r mu|te im naepffen ‘Sftonat, am 17. 21pril, Äoffmann mitteilen,
bafj ber ‘©anonicu« 5 abgelepnt fei 4 ).
4, £offmann unb ba« Berliner Speater 1807/08:
brei ^arrifaturen; bie erfte SRejenfton»
21m 18. 3uni traf auep & off mann, ber feine <5rau ju ipren Bermanbten
naep ^ofen gefepidt patte, in Berlin ein unb erfupr pier am 21. 3uli »on
3uliu« oon Bofj bie ©rünbe »on 3fflanb« 2lblepnung, bie teil« in bem
etwa« tafjioen Sujet be« Stejte«, teil« in einer anfälligen ^onfurrenj mit
bem beliebten ^omponiffen ©eorg 2lbrapam Scpneiber 5 ) lagen.
Bofj beutete jebodp an, ber ^apellmeiffer Bernparb 2lnfelm 2öeber
pabe für feine °Perfon ber ^ompofttion Ä off mann« ben Borjug gegeben;
Äoffmann erwartete nun 3öeber« 9?ütffunft »on einer 9?eife, um ipn für
eine neue, noep unoollenbete Oper ju intereffieren, beren ^eft er felber naep
©atberön« c S<pärpe unb Blume 5 bearbeitet patte 6 ).
3pig« fluge Sante Sara £e»p unb beren &au«freunb Slpben rieten
Äoffmann bringenb, fiep an 3fflanb birelt au menben. Äoffmann be*
J ) (Eigentlich QUejranbre 93incent ^ineuf bu 03at. S)a« Original mar 1797 er-
febienen unter bem §itet Le Souper imprevu, ou le Chanoine de Milan; comedie en
un acte, en prose (Paris, Barba, an V).
*) £>i»pet S. 210.
3 ) 93riefmecpfel 6. 16-19.
4 ) SJriefmecpfet <5. 25 oben.
B 1 Q3afer be« fpäteren befannten Scpaufpieter« unb Sofbeamten £oui« Gcpneiber.
6 ) ‘Sriefmecpfel 6. 36 f.
556
[46]
richtet bag 3ßig unb fügt hmsu 1 ): „Upben iff nun wopl freplich ber SEftann,
ber nie! btt) 3[fflanb] für mich tpun fönte, inbeffen habe id) leiber nieptg
oorrätpig, unb ich möchte faft, baß mir 3[fflanb] felbft aug bem reichen
Borrafp etwag oon fteinem Umfange (1 Aff) öorfrf)(üge um ben ©ebut ju
maepen." ^i^nlic^ peißt eg ein anbermal 2 ): „möglich ift eg, baß ich etwag
fürg pieftge Beater fomponire, wiewopl unwaprfdjeinlich". 3n ber ©at iff
niepfg baraug geworben. ioipig faßt 1823 3 ) biefe Bemühungen jufammen
mit ben Porten:
man gab fiep c 20^üf>e, eine Berbtnbung mit 3fflanb berbetjufubren, unb Äoffmann
erflärte fiep bereit, [ich »on tiefem Aufgaben ftellen ju (affen, um'feine Anlagen
jur bramatifcb=muftfalifcben Gompojition ju prüfen; eg mar niepfg ju erreichen,
obgleich Sfflanb’g befte 9reunbe fich in bet Sache thätig jeigten .. .
BJenn Äoffmann fpäter, im 9ftai 1808, eine münblicpe Äußerung 3fflanbg
an öippel wörtlich weitergibt 4 ), fo iff an&unehmen, baß er fte nur oom
Äörenfagen fannte; er huf wopl Sfflarib überhaupt nicht fennen gelernt.
dbeufo wenig gelang eg Äoffmann, B. *21. Bkberg 3ntereffe ju erweefen.
Bremer feprieb ihm um Neujahr 1808 aug Aßeimar 6 ): „wenn Sie meinem
9?atpe folgen wollen, fdpließen Sie Sich an ben braoen unb gemütpreichen
Aöeber"; alg er bann aber dnbe April wieber nach Berlin fam, muhte ihm
Aoffmann, nach feinem Berichte an Äippel“), erwibem, „an ben gernütp*
reichen ABeber folle er mich • • • fcplteßen, unb i<h wäre begierig, wie er bag
machen würbe." — 3n ber ^at fam ‘©ie Schärpe unb bie Blume 5 nicht
jur Aufführung, fo wenig Wie ‘ARagfe’, ‘kreuj 5 unb ‘danonteug 5 .
Äoffmann oermochte ftd) freilich auch feinerfeitg nicht mit Aßeberg
Ceiffungen ju befreunben, unb noch weniger mit gelegentlichen münblicpen
Äußerungen beg kapeUmeifferg über anbere, größere Aftuftfer: wir fommen
gegen dnbe beg näcpften Abfchnittg barauf jurüd.
*
©a eg -Soffmann nicht oergönnt war, alg ^onfünftler für bag Berliner
^peater ju arbeiten, fo oerwertete er feine anberen Talente ju Arbeiten über
bie Berliner Bühne. Aßäprenb ber Befeßung ber Äauptftabt burch bie
'Stanjofen oom ©ejember 1806 big jum ©ejember 1808 führte bag bigperige
königliche 92attonaltheater alg Societ€ dramatique et lyrique allemande de
S. M. le Roi im wefentlichen Singfpiele unb fomifepe BaUettg auf, fobaß
für ben krttifer nicht oiel ju erörtern war. Seine Urteile über bie gelegenf*
ließen Aufführungen älterer ABerfe, ingbefonbere bie oon ©lucfg Bphisenia
*) l 33riefwe<pfel 6. 33 unten.
2 ) «riefwecpfel 0. 35, 3- 16-18.
*) II 1/2.
*) Sippe! 6. 231.
5 ) ‘Sriefwecpfe! S. 48.
«) Sippe! 6. 226.
557
[47]
in Kauris 5 unb ‘äftojartg '©on 3uan’, ^>at Äoffmann, wie wir nodb fe^en
werben, wohl erff im Sommer in ©logau niebergefdbrieben 1 ); im SOcärj unb
Qt^rit befd^äftigte er ftd) in letzterer “Jornt mit jenen ©rfcbeinungen beg ?ageö.
Slm 11. ’jytäti gab man bag fdbon aug ber SO^itfe ber 90er Sabre
ffammenbe fomifcb--pantomimifdbe 93allett c ©ie£uftbarfeitenim9!öirtb3’
garten, ober: Sommerbelufügungen 5 non £aucberp mit SOtufif oon hinter;
am folgenben ^age würbe ba3 einaftige Singftnel "3)Mcb el Sing elo’ (?eyt
nach ©elrieu oon Äertlofg) mit 9Ruftl oon 9Sicolo 3fouarb gegeben;
am 16. erf<$ien jurn erften 9KaIe bag ^iftorifd£>=muftfatifdbe ©rama (“3Jtao*
bram) in brei “Sitten ‘Salontong litt heil 3 (nach bem ^ranjöftf^en frei
bearbeitet oon Sfegmaper) mit SOSuftt oon Slbrien Quaifain; am 17. gab
eg wieber baS genannte 93alletf oon SBinter. “Slm 6. Slpril würbe — fooiel
ich febe, bag einzige SCRol wäbrenb Äoffmanng ^weitem “Slufentbalt in 93ertin —
“jigaroS ochs eit 5 gegeben, am 9. erfcbten wieber bag befonberg begehrte
93allett oon “Söinter (jum 13. 9ftale feit ©Dritte September 1807).
Äoffmann benu$fe nun einerfeitg fein farrifaturiftifcbeg 3ei<hentalent, um
mit Stift unb “Söafferfarben beliebte 93übnenfünftler in groteöfen Sollen barju»
ffeüen. ®r geigte ben 93aüettfiguranten 93 e g f o alg unternebmenben Scf)neiber*
gefellen in 92ßinterg c £uff barfeiten 3 , &arl 9Bilbelm Hn&elmann alg ben
für dt) tfamen ^öagquin in 3fouarbg ‘90Zid)eI Slngelo’ unb ©ottfrieb (£b*ift-
©üntber ^afelitj a^S ben burnrnftol^en Dr. 93artolo in l ^igarog Äodbjeit’.
3ebeg 93latt ift nadb ber Spanier ber 3eit mit einer atlegorifcben 9Ranb-
einfaffung oerfeben, unb ein fur&er erläuternber £ejt ift beigegeben. &off=
mann wollte betanntlidb bie brei 93lätter alg erfteg Äeft einer größeren 9£eibe
bcrauggeben unb fyattt auch “Sitel unb Q3orwort fdbon brudtfertig b^geftellt,
fanb jebocb leinen Verleger 2 ).
SRit ber 9Sooität oom 16. 90Sär&, ‘Salomong llrfbeil 3 mit ber Sttuftf
oon Quaifain, befcbäftigte Äoffmann ftc£> ernftbafter. ©r fcbrieb über bicfeg
Stüdt unb wobl über bie ©aftung beg SDMobramg im allgemeinen für ein
Wiener 93latt, bie '3eifung für Sbeater, SEftujtf unb ^oefte 3 , bie 1806 —
bamatg unter bem §itel Wiener §b eafc *-'3eitung 3 — begrünbet war 3 ). “Slber
SOSitte beg 3abreg ging bag 93latf wieber ein 4 ), unb Äoffmdnng “Sluffah tarn
nicht mehr jum ©rucf.
») S. at»er 6. 49/50 91ote 7!
2 ) Sie brei Äarritaturen mit $e£t f. fünftig in ber unten 6. 73 unten ange-
lünbigfen 9>ublttation.
3 ) S. u. 6. 56 unten.
4 ) Sag ®semOUt ber QBienet Stabtbibliotbel bricht mit 91t. 47 ab, obgleich nach
einer £r Hütung in 91r. 42 jährlich 96, halbjährlich alfo 48 Stüde erfcheinen foßten; »on
91r. 38 an erfdjeinen bie Stüde bereits »erfoätet, fobafj 9lr. 47 frühefteng um ben
1. 3«ti geliefert ift. — 9lach gütiger Mitteilung »on Stöbert ft. Slmolb, ber mir unter
erfchwerenbften ^erhättniffen feine Silfe fchenlte, gebt auch ba£ g?emplar ber Äof-
bibliothct nicht weiter.
558
[48]
9lm 16. 9lpril einigte Äoffmann ft cp mit Äeinrtcp ©uno, bem ber ^peater*
entpujtaff ©raf 3uliug non ©oben bie Ceifung ber 93 amberg er 93tipne über¬
tragen paffe, über eine ^Infteüung alg 9S)?ufifbireftor bafelbft mit ©ienff-
antritt am 1. September, ©r fap eine glanjenbe ^ünftlerlaufbapn oor fiep.
„9GBie," fcprieb er ©nbe SOtoi glücflicp an iöippel, „menn eg peifjen wirb:
,93amberg, ben — iöeute mürbe eine Oper: bie Scpärpe unb bie 93lume,
aufgefüprt u. f. m.‘."
Scpon unterm 9. 3uni »erjeicpnet er 1 ) „3ubereifungen jur 9?eife": er
patte befcploffen, bie nocp übrige freie 3eit big ©nbe Sluguft in ©logau bei
<jreunb Äampe ju »erbringen, unb feine Stau follfe gleichfalls »on °Pofen
aug bapin fommen 2 ).
5* lieber in ©logau, Sommer 1808: fünf ijpmnen, bitter ©lucf\
Aampe patte ft cp injmifcpen sunt SDttttelpunft beg ©logauer SCKufttlebeng
gemacpf. Sein 93iograpp bericptet jufammenfaffenb über Äampeg 93er-
anftaltungen im erften 93ierteljapr 1808 unb im erffen 93ierfeljapr 1809:
3m 9Binter 1808 unb 1809 3 ), in jener unglücllicpen 3etf ber franjöfifcpen
3nbafion *), mo ber größte $:peil ber ©logauer nur auf fein Äaug befcpränlf
mar, errtcpfefe S>. mit Joülfe einiger Sütberer ^onjerfe, bie, um bie ^ranjofen
baoon augjufcpliefjen, mufifalifcpe XIebungen genannt mürben. Sin biefen
^onjerfen napmen aujjer ipm, beffen feelenoolleg ^laoierfpiel allgemein ent-
jücffe, unb mepreren burcp ipn gebilbefen Scpülerinnen ber 2lubifeur ©piern
unb [ber] $ammer-X?alfulafor 61 e i n s ), ein 'Paar braoe 93iolinfpieler aug ber
9?obemalb’fcpen Scpule 6 ), Slnfpeü.
Über ben Einfang biefer 93eranffaltungen im 3apre 1808 fcpreibt ein ©logauer
in einer $unbgebung, auf bie mir nocp jurütftommen:
3m ftebruar 1808 fcplojfen pieftge 'Steunbe unb greunbinnen ber ’tOiufif
unb beg ©efangeg einen herein ju einer tnuftlaltfcpen Slfabemie. 3ur ©ireftion
beg ©anjen mäplte man ben Aertn Slccig« unb 3oH-©ireftiong-9Regiftrator
Jöampe. 3ür einen mäßigen Beitrag ju ben unoermeiblicpen Soften mürbe
oor einer gefcplojfenen ©efeHfcpaft möcpenflicp ein ©oncert gegeben. Scpon im
erften 3apre bracpfen eg biefe Zünftler unter ber unermübefen, beleprenben
fieifung ipteg ©irectorg ju einer benterlengmerfpen 'Jertigfeit . . .
0 ^ageböcper S. 33.
*) Äippet 6. 235.
*) 3« unferer Vorlage ift »erfepentlicp „1807 unb 1808" gefegt. ®ie richtigen 3apre
ergeben ftcp aug bem folgenben 3itat unb beffen 3orffe$ung unb Schlup 6. 54 (oben
unb unten).
4 ) 3n ber Vorlage ift »erfehentlidj „Snoerfion" gefegt
B ) mar 1830 ^tegierunggfelretär in Siegnig; „einer ber eifrigften unb fcpätjbarften
©iteftanten in Sdpleften": 5?arl Suliug Äoffmann S. 302 oben.
®) ^arl Sofepp 9tobemalb, geb. au Seitfdp bei ©logau 1735, t 8« Gaffet 1809
alg ÄurfürfHicper ÄapeCmeifter; Schüler ftrana 'Benbag: Äarl 3utiug Äoffmann S. 367 f.
559
[49]
9teben bet ^ammermuftf pflegte iöampe auch fernerhin bie ^trchenmußf.
SBie im Sftärj 1801 9fto§art« Requiem, mürbe jept fürs tot .Soff mann«
•Slnfunft, am 2. 3uni 1808, auf Sarnpe« Berantaffung S apbn« Stopfung
in bet eoaugeltfchen Kirche aufgeführt 1 )-
*
Soffmann« gmeiter Aufenthalt in ©logau, bet gerabe in bie
‘SOttfte feiner gefamten ^robuftiongjeit fällt 2 ), gehört gu ben glücflichften
©pochen feinet £eben« unb aud) gu ben probuftiöffen — menn man fleine
Bieiftermerfe ebenfooiel gelten läßt mte große Arbeiten.
©te erfte Oper in brei ‘Sitten batte io off mann, u>ie mir gefeben
paben, 1799 gefcpaffen, bie lepte fomponierte er 1813/14; in ©logau tarn er
1808 gu fo umfangreichen Schöpfungen nicht, aber hier mürben in ben gehn
^ageit oorn 27. 3uni bi« gutn 6. 3uli fünf — fcpon in Berlin geplante 3 ) —
nierftimmigeÄpinnen öollenbef, barunter al« erffer ber ©por „Ave maris
stella", al« lepte« ba« fleine Stücf „O sanctissima“ 4 ). Soffmann ermähnt
betbe Arbeiten noch 1819 im erften £eil ber Biographie i^rei«ler« 3 ), unb bie
guletjt genannte pat ber hefte Kenner non Soff mann« SOSuflf mieberholt auf
ba« höchffc gepriefen 6 ).
Unb ma« bie 5?unft ber ©rgäplung betrifft, fo hatte Soffntann ben erften
Vornan in brei Bänben 1795 getrieben, ben lebten begann er 1819.
3n ©logau betätigte er fiep 1808 auch in biefer Dichtung mehr infenfto al«
ejrtenfm (um bie non ihm in ben 'Briefen au« ben Bergen 5 angemenbete Anti*
thefe gu mieberholen): hier bürfte im 3uli unb Auguft 7 ) ber “Witter ©tuet 5
0 q>ro»ingia!btätter 47, 539 (nah gütiger Mitteilung be« Serm < 33lafcpfe; ber < 8 anb
fehlt ber ^önigliepen ’23ibliotpef au Berlin).
*) S. o. S. 14 oben.
3 ) Stppel 0. 230. ®en bort ermähnten SpmnuS Salve Regina pat Soff mann in
ber 9teinfcprift hinter bie fünf in ©logau entftanbenen gefteUt
*) 'Seite Marienppmnen finb gunt erften unb lepten Male gebrueft in ber
Mufifbeitage gum StreiSlerbucp (ßeipgig, 3nfel-93ertag, 1903; 3 . 3t. »ergriffen).
5 ) Sbenba, 6 . 124 unb 296.
6 ) ©Hinget fcpreibf 1894 in feiner Siograppie Soffmann« 6 . 66/67: „Sie S?om-
pofition be« §e?fe« „O sanctissima“ greift un« in biefem ©por trop iprer ^ürge — fie
umfaßt nur gtoeiunbgwangig 'Safte — noep peute burep baö rupige ©apingleiten ber
fcplicpten, aber fepr garten Melobie unmittelbar ans Serg; unb wenn in ben lepten
haften bie Söffe mit ben ^Borten „Ora pro nobis“ bie Molltonart berüpren, mäprenb
bie Oberftimmen mieber in bie ©urfonarf gurttcfleifen, fo ift eS unS, al« ob ber tiefe
©eufger eines geängftigten unb gepreßten Sergen« fiep in bie finblicpe 3u»erficpt eine«
gläubigen ©emüteS auflöfte." 1912 fpriept ©Hinget in ber biograppifepen ©inleitung
feiner Soffmami*'2luSgabe auf S. XXXVI oon tiefen Spinnen Soffmann«, „oon benen
ber fleine ©por „O sanctissima“ toopl überhaupt ba« ©inbrucJSöollfte ift, n>a«
er auf mufitalifcpem ©ebiete gefepaffen pat."
*) Seiber beftpen mir pier fein äußere« 3eugniS für ben Monat ber ©ntftepung; an fiep
fommt bie gange 3eit öon Februar bi« ©egentber 1808 in Sefracpt, unb jebe
560
[50]
niebergefchmben fein, ben ©rtfebach mit 9?e<ht „als ein« ber ARetfferwerle
bet ABeltlifteratur" erflärt, eine Arbeit, bie Jooffmann „faum jemals übet-
troffen" hübe 1 ).
93efonberS in ber britten biefer fechS Svenen 2 ), bem ©efpräch beim
A3ranbenburget $ore, geht Äoffmamt fcharf ins ©ertdht mit ber
berliner Aftuftfpflege. Seine Ausführungen ffnb bie Antwort auf bie £ob-
hubeleien, mit benen ber ^apetlmeifter A3. A. Aß eher in ber Öffentlichfeif
überhäuft würbe.
A3on Aßeber als ^omboniften — er hatte noch fo S«t »>ie nichts
als folcher geleiffet — hatte bie 93offtfrf>e 3eifung unterm 3: Aftärs ge¬
trieben: „©arf man t>on ©inem ber ietjt lebenben ^onbidhter hoffen, bafj
er einff ein ^weiter ©lucf werben fönne, fo tff eS Aßeber; benn er
hat, wie jener unsterbliche Aftann, ©enie, tiefes ©efühl, Sfubium, 5?ritif"
ufw. — wir fetjen nur ben Anfang berV ©benfo gebriefen wirb er bort als
©irigenf ©lucffcher Obern: ber c 3bhtöenia in Kauris 5 (unterm 23. 3anuar)
unb beS ‘OrbheuS’ (unterm 28. Abril). Auch negatW unterftüljfe bie treffe
AßeberS Aftufffpolitif. ©a§ biefer c< 3igaroS i>o<hjeif in ber 3eif oon Aftitte
1807 bis Aftitte 1808 nur einmal fbielen lief), erwähnten wir bereits; ber
'©on 3uan’ würbe in berfelben 3eit fünfmal gegeben, ©egen bie Aftuftf
wagte man 1808 wohl öffentlich nichts mehrjufagen; bafür wirb WenigffenS
ber £eyt heftig getabett als inbejenf, langweilig unb „fernloS".
engere 3eitangabe beruht auf ©efüplSgrünben, bie »or bem unfcpeinbarften äußeren
3eugniS nicht ftanbhalfen würben.
Bebenft man bie Sorgfalt, mit ber baS Geriehen aufgebaut ift, unb bie nicht 8U
überbietenbe Anfchaulicpfeit, bie Ä off mann faum jemals wieber erreicht hat unb bie
unmöglich baS ßrgebniS eines glücflichen ?ageS ober auch nur einer SEÖoche fein fann,
fonbern eine wieberholte intenji»e.©urcbarbeitung bei »oller SRupe beS ©ernüteS »orauS-
fe$t — fo möchte man bie Arbeit Weber in bie 3eit ber 'Berliner Angft unb 9lot noch
in bie 'Periobe ber Bamberger finttäufchungen »erlegen, fonbern am liebften in bie
glücfltcpe, hoffnungsreiche 9tupepaufe in ©logau.
Auffallenb ift eS aHerbingS, bah Äoffmann in bem Brief an &e »om 2. Abril
1809 ben Abbrucf ber ©efpräcpe nicht erwähnt, währenb er fogar ben unmufilalifchen
Äihig am 25. <30?ai barauf hinweift (Briefwehfel S. 70 unten), ©urch bie Auffinbung
jenes Briefs an Äampe, inSbefonbere auch ber Nachricht über bie 9?ejeniton aus bem
’aJtära 1808, gewinnt eine anbere < 3RÖglichfeit erheblich an ©ewichf, bah nämlich Äoffmann
bie in ben ©efprächen niebergelegten ©ebanfen — fowohl bie mpftifch-fbmbolifchen ber
aweiten Saene wie bie [tageSfritifcpen ber britten — awifchen ‘jftära unb *30?ai in
Berlin apporiftifch au Rapier gebracht unb bann in Bamberg in ber unfrei¬
willigen 301uhe beS September fünftlerifch geformt hat- 3<h möchte heute (im 951ära
1916, bei ber ^orteffur biefer Schrift) biefe Äppotpefe ber oben auS ber erften Raffung
(»om 9lo»ember 1915) unoeränbert übernommenen »oraiehen.
x ) 1899 in ber ©inleitung au feiner Soffmonn-AuSgabe S. XXXVIII f.
2 ) Sie erfcpeinen in überficptlicber ^orm als »ierfeS Sfücf ber Berlinifcpen
©efehiepten. (Aßir folgen hier wie bort ber in flehten ftilijiifchcn ßinaelpeiten fepr
glüdtich oerbefferten Raffung »on 1813.)
[51]
561
AoffmannS Slnbefannter, ber nach feiner eigenen bitteren ©mpftnbung in
bem »olfreichen Berlin „wie ein abgefeßiebener ©eift 1 ) im öben Raunte
umherirrf" — biefer Xlnbefannte, ber wahrhaft im ©eifte ber großen SCReiffer
fühlt, fagt nun junäcßft t>on ben ‘Berliner $omponiffen:
über bem Schwaben oon „Mrnff", »on „Mmftfinn" unb WaS weiß ich —
tönnen fte nicht jum Schaffen fommen, nnb wirb ihnen einmal fo ju SEJlutße,
als wenn fte ein paar ©ebanfen ans Tageslicht befördern müßten, fo jeigt die
furchtbare Mite ihre weite (Entfernung non ber Sonne — eS ift lapplänbifche
Slrbeif.
£ießen fxc^ biefe ‘Sßorte allenfalls auch auf anbere beziehen, fo fonnte baS
folgenbe nur auf ben ©irtgenfen beS Opernorcfyeff erS gebeutet werben:
Sch hatte eS über mich gewonnen, einmal Wieder ins Theater ju gehen,
um meines jungen freundes Oper ju hören — wie h^ift fte gleich? — Aa,
bie gan je OB eit ift in biefer Oper! durch baS bunte ©ewüßl gepujter
SOlenfchen jießen bie ©eifter beS OrfuS — alles hat hier Stimme unb att--
mächtigen Mang — Teufel, ich mepne ja '© on SuanM 2lber nicht bie
Ouoertüre, welche prestissimo, ohne Sinn unb 93erftanb abgefprubelt würbe,
fonnt’ ich überfteben; unb ich hatte mich bereitet baju durch haften unb
©ebet . . .
©er ©rjähler gibt ju, „baß 9flojartS SQieifterwerfe größtenteils auf eine
laum erflärliehe <2öeife hier öernachläfftgt werben": beffo pietätootler
pflege man aber bod) ©lucfS 'BermädhtniS. ©er Unbetannte antwortet mit
tiefftcr ‘Bitterfeit:
'SJlepnen Sie? — 3<b woUfe einmal ‘Spßigeniö in SauriS* hören.
211S ich in Theater trete, höre ich, baß man bie Ouoertüre ber c 3 P h i 9 e n i a
in SluliS 5 fpielt. Am, benfe ich, cin3rrfhum: man giebf biefe c 3pßigenia’!
3 cp erftaune, als nun baS Andante eintritt, womit bie c 3phi9tuia in
Kauris 5 anfängt, unb ber Sturm folgt. 3wanjig 3ahre liegen da«
jwifeßen! ©te ganje QBirlung, bie ganje wohlberechnete ©jpofition beS
Srauerfpiels geht oerlohren. ©in ftilleS ‘301 eer — ein Sturm, bie ©riedßen
Werben ans ßanb geworfen, bie Oper ift ba! *2Bie, hat ber Mmponift bie
Ouoertüre ins ©elag hineingefchrieben, baß man fte Wie ein Srompeterftüdcßen
abblafen fann, wie unb wo man will?
©iefe Stellen, bie im Februar 1809 beim ©ruef ber ©efprädhc fteßen
blieben, laffen bie Schärfe ber Originalfaffung ahnen, bie 9?ochlih aus
Mnniöenj gegen < 2Beber unterbrüeft hat Sluf feinen £abel hatte Aoffmann
am 29. 3anuar 1809 geantwortet 2 ), er fei
x ) QBörtlich biefelbe Sßenbung in ber fehlten Sjene. ©iefer unmutige QJergleich
eine« Slnjeitgemäjjen hat ju bem ungeheuren sijlißoerftänbnis heigefragen, ben 9?ebner
für ein ©efpenft ju hatten. 3n ^Sirtticßfeit ift biefe 'Jßenbung (neben jahtreiepen anberen
Stellen) eins ber ftärfften Snbijien für baS ©egenteil; wie tann ein ©efpenft fagen:
„3cß tomme mir oor wie ein ©efpenft"?
2 ) Slacb einer Qlbfdt>rif£, bie 1908 mein Sreunb Äeinricß Böller für mich in Eonbon
gemacht hat. ©er ganje ‘Srief fünftig im oierfen &eff beS ^riefwecßfelS (f. u. S. 67).
geneigt, non jebetn Zünftler bag befte ju glauben, fobalb nicht bag ©egentbeil
beutlid) confftrt; 51 t bem gerügten Qlugfatl gegen 5ö[eber] lonte mich
baber auch nur ber tiefe QJerger aufregen, ben ich in 93[erlin] empfanb, trenn
ich bie beben S^eiftertrerle ßTOoaartg erft auf bem Reuter mißhanbeln fab
unb bann barüber fo gemein aburtbeilen beete alg mären eg Exercitia etneg
Qlnfängerg. —
Sfrtd) ^enntnignahme beg ©ruefeg fcfyrieb £ off mann am 15. < 2lprtl 3 ) reftgniert
bem allmächtigen 9^ebaffeur, bet t)kx nur aUjufebr ben redactor gefpielt ^atte:
SOftt bem, trag an bem 9?itfer ©lud gefdbebett ift, bin i 6) febr toohl au*
frieben, nur höbe icb ben alten 3 faliäner mit bem gelrümten Ringer fo mie
bie berliner ©goiften nicht ganj gern »ermißt, toiemoht icb mich gern
befebeibe, baß bie 3 üge beg ©emäßlbeg efmag au grell aufgefaßt fepn mosten.
©en alten 3faliener ßät 99odhlih big auf jebe Spur getilgt; am ebeffen ließe j
er jicb unter ber ^omparferte ber erffen ©jene unterbringen, ©ie berliner !
©griffen fönnen in ber streiten fomoßl tote in ber britten Sjene ermähnt |
(ober aufgetreten) fein; eg bonbeit ficb offenbar um 93. Ql. 903eber unb beffen ,
Qlnbang. * j
9}act)bem iooffmann etma jebn Qöochen in ©logau »erlebt hätte, mußte l
er aufbrechen. Seine 'grau mürbe »on ihren Qlngehörigen in ^ofen „förm* ]
lieh feftgehalten", unb er mußte erft bortbitt fahren, „um ße log au machen". i
I
6. 5)offmattttg 93autbet0er Qlnfänge 1808/09. >
^ünftlich am 1. September !am iooffmann in 93amberg an. Qlber
er fanb alleg gana anberg, alg er eg ftd) auggemalt hätte 2 ). 93or allen
©ingen mar noch gor lein £ofal für 93orftelIungen ba: ber neue Saat (in ,
bem geräumigen Äaufe ber Qßitme flauer, bag befannttich auch ben ©aftßof
Sur 9?ofe enthielt 8 )) mar noch im 93au. Unb ber ©ireftor ©uno mar, mie
ftch halb aeigte, meber Kenner, nodh Zünftler, noch auch nur ©efcbäftgmann.
©rft am 12. Oft ob er mürbe ber Saal mit einem ^eftfpiel eingemeiht 1
Olm 16. mürbe bag erffe Scßäufpiel barin gegeben, unb am 21 .*) birtgierte
iooffmann enbtieß sum erften 93?ale eine Oper, ©g foUte aber auch
bag lebte SOial fein I iooffmann mürbe »erantaßt, alg ©irigent aurüefautreten,
unb feine 5:ätigleit fürg Theater befcßränlte ftcE) fortan auf bie ^ompofttton 1
>) 'Sriefmechfet 6. 67.
2 ) 9tähereg tilnftig in bet unten 6. 73 unten angefünbigten ^ubttlation.
9 ) <£g ift bag Saug, in bem Soffmanng 9to»et(e 'Son 3uan’ fpielt („©». gjcellenj
wiffen »ietteicht nodh nicht, betfj biefeg Sotet mit bem Sweater »erbunben ift") unb in
bem ‘Sarbier unb Karre, bei einer neuen Aufführung beg ‘©on 3uan 5 , 'Soff*
manng grsäßlungen’ fpielen taffen (fte »erlegen eg mit einer Keinen Üngenauigfett nach
Nürnberg, in bie Stabt beg t( 2Keifterg SJtartin 5 ).
*) ©ie »on ßeift ermähnte Aufführung ber 'Atine 1 »om 26. ift bie ameitel
[53] 563
oon SOSärfchen, dpören, Balletg u. bgl. “Slugpilfgmufif, gegen ein fefteg ©epalt
oon 30 ©ulben monatlich-
9D2an begreift eg, trenn er ftd) nic£>t beeilte, feine “Steunbe oon biefen
dreigniffen in Kenntnis ju fepen; eg ift fcbwerlich ein 3ufall, bafj big»
bet nur ein Brief aug ber 3cit oom September big ©ejember 1808 befannt
geworben ift, unb ba§ biefer eine (oom 23. ©esember, an Nippel) in feiner
forcierten 3uoerft<htli<hfeit wie eine Selbffoerpöpnung wirft. “Sin iöampe
fcpeint 5) off mann nur ein atteg SEftanuffript — bie Ouoerture ju ben duftigen
SEftujitanten 5 — gefcptcft ju buben mit betn Berfprecpett, halb einen eingebenben
93eric^t folgen ju laffen.
3m neuen Sabre, am 10. 3anuar, begann Äoffmann mit Suff unb Siebe
ein Miserere ju lomponieren für ben drsperjog “Jerbinunb, ber bamalg
©roffpersog oon SCßürjburg (oorper unb nachher oon ^oglana) war; ©oben,
ber in “SBürsburg lebte unb ben Äoffmann am 7. befragt butte, rebete brieflich
ju. “SBäprenb er um 21. fleißig unb mit ©lücf buran urbeitete, erpielt er
oon duno — ber oom 9. big jum 30. feine Gruppe in doburg fpielen ttefj —
ben Auftrag, ein elenbeg ^opebuefcheg Shtgfpiel in oier “Sitten ( c ©ag ©e-
fpenft’, fpäter ‘©eobata’ genannt) ju tomponieren. dinftweilen fepte er
jebod) bie “Slrbeit am Miserere fort.
“21m 13. Februar erflärfe duno, er tönne ftc£> nicht bulten: einen §etl
beg ^erfonalg ntüffe er entluffen, bie anberen auf 75°/o iprer ©age fepen.
Äoffmann tat ftch nun nach einer anberweitigen Stellung um. dr erwog
einerfeitg bie drricptung einer Singfcpule in “Bamberg, anbrerfeitg wanbfe er
ftch nach augwärtg: er fcprieb nach ^rantfurt, an feinen alten “Jremtb “Stans
“Slnton SOSorgenrotb in ©regben 1 ) unb an anbere.
“Slm 1. SEftärs beenbete er bie erffe 92ieberf<hrift beg Miserere unb be*
gann gleich um folgenben Sage mit ber ^ompofttion beg ‘©efpenffeg’. “Slm
11. wuren alle oier “Sitte erlebigt, unb am 12. würbe bie Ouoerture begonnen.
*
So ftanben bie ©inge, alg Äoffmann am 14. SQSärj einen Brief oon
iöampe erhielt, iöampe warf Soff mann beffen langeg Schweigen oor; im
übrigen rühmte er, wie Soffmann befriebigt im Tagebuch Oermerft, „gans
ungemein bie Ooertura ber luftigen “SERufttanfen"; fcpltepch teilte er eine
beoorftepenbe “Sinberung feiner Sage mit.
Sampeg Befchcibenhcit fchcinf ipn oerptnbert ju buben, tnepr oon ftch
felbft ju berichten. BMr möchten eg für ipn tun, um s« seigen, wie fepr er
bie “Jreunbfchoft eineg Äoffmunn oerbiente.
3m 3anuar unb Februar 1809 patte er feine ^onserfe ober oielmepr bie
„tnuftfalifcpen Übungen" mit noch größerem ©lücf wieber uufgenommen. ©er
banfbare ©loguuer, ben wir fchon gitiert puben, rüpmf
») ©riefmecpfel 6. 64 f.
564
[54]
ben fcofcen ©enufj ..melcher mtg biefen < 2öinfcr mürbe. < 30^tt rühmlicher
'pröcifion unb »oHfommener Harmonie »ereinigfon fich bie Bemühungen bet
Schüler mit bett Slrbeifen einiget »oHenbefen Zünftler ju einem fchönen, genufj-
reichen ©anjen, um ung bie Meiftermerle eineg ©raun, 9J?ojarf, i5a»bn,
Beefh»»en u. f. to. hören ju laffen. Mit ©rabeg--Sftlte laufcE>fen mir auf
bie htmmlifchen $öne, melche bie Q3irtuoftfät unferg Aampe ben Saiten ent*
locfte; mie ffärfenb mirffe biefer geiftige ©enufj, trenn unfere Ohren, unb burch
fte unfere Seelen non ber friegerifchen Trommel »erffimntf maren. ©anlbar
»erltefjen mohl bie meiften ben Ort, mo man mödhenflidh hoch einmahl jmei
Stunben froh »erlebte.
3ngmifhen hoffe ioampe {th auch bienfftih ju einer höheren Stellung
qualifiziert Sein 'Biograph fchreibt:
Stuf feine ©ienft*©arriere hatte ber ©eheimerath ^rautöetter in ©logau,
ber ihn mit mahrhaft elterlicher Siebe an fich gezogen, entfehiebenen ©influfj.
©r beftimmte ihn, fiep zum großen ©jamen ju melben, unb »erfchafffe ihm auch
bie Berficherung beg bamaligen Minifferg -Joerrn »on Stein ©fcellenj, nach
gut abgelegter 'Prüfung ju einer Slffefforffelle beförberf zu merben — eine Soff»
nung, bie aber oereifelt merben mufjte, meif bie gro|e Menge ber ju jener
3eit hr oblog gemorbenen fübpreufjtfchen Offtjianten bei ber Befetjung oafanfer
*p offen ben Borzug erhielten.
©inmeilen gab eg feine Beförberung, aber eine Berfetjung. ©ie ge*
famte $riegg* unb ©omänenfammer ftebelfe aug ©logau nach Stegnih
über, n>o fte ftch befanntlich noch heute unter bem tarnen einer Regierung
beftnbef; ioampe ging mif. ©er ©logauer Berehrer, ben mir fchon jmeitnal
Zitiert haben, fanbfe int März 1809 ben "prooinjialblättern’ einen Nachruf
ein, ber noch in bem Äefte für benfetben Monat 1 ) unter ber Marfe ,,©anf*
bare ©rinnerung, aug ©rofj»©logau eingefanbf" erfhien. ©3
heifjt ba jum Schluß:
©ag allgemein mibrige ©efehief hat ung auch biefen Mann, ben eigene
liehen Stifter biefer ^effc, entzogen. ©r mirb unb fann eg nicht übel bemerfen,
rnenn 3hm hie» ein öffentlicher ©an! für feine, burchaug uneigennü^ige, »iele
Mühe folgt, mif bem beglichen Bömtfcpe oereinf, bafj eg 3hnt mohl gehe
unb mir 3hn recht halb mteber bei ung fehen unb hören mögen.
3m März 1809 _ch.
*
iöoffmann »erfepob bie < 2lntmort auf Äampeg Brief, big er vielleicht bocf>
etmag 'pofttioeg ju melben hätte. “21m 18. März beenbigte er enblich bie
&ofjebue*Ou»erture unb begann fogleih bie 9?einfchrift beg Miserere, mürbe
aber burh bie gefchäftlichen Sorgen mieber abgelenff. ©leih am 19. fam
Morgenrotpg Bntmort mit ber Mitteilung, bah ber Muftfbireftor Bierep 2 )
Breglau »erlaffe, um nah BMen ju gehen: Äoffmann foile fth alfo um bie
Breglauer Stelle bemühen. Bm überoähffen ©age fhrieb ioofftnann an
0 23b. 49, 6. 259/60.
*) ©oftlob Benebitt, 1772-1840.
565
[55]
93icre^>, an öftersenroth unb an ben ©rafen Soben, ben er fragte, ob er
öielleichf bei ©uno$ 3nfotoens bag Theater wieber übernehmen wolle. Sobenä
Antwort traf am 24. etn unb war oernetnenb; Gieret) ließ etnffwetlen nichts
oon ftd) hören.
3 n btefer Ungewißheit febrieb Äoffmann am 2 .'Slpril anioampe. 3)er
Q3rief, ben ÄampeS Biograph au$ befien Nachlaß mitteilt 1 ), tautet:
„ITlein liebfter theuerfter 5reunb! 3f)r lieber angenehmer Brief hat mir
keine Sünbe oorgerudtt, bie nidjt täglich mein ©ewiffen beängftigt hätte; allein
ber entfeßlid)e Strubel, in bem id) bis jeßt gelebt habe, hat mid) allen an*
genehmem Befcßäftigungen aus ber Unterhaltung mit meinen 5reunben ent*
riffen. Die längft bem ©he ater beoorfteheribe Kataftropße unb mit ihr bie
Abminiftration ber Bühne oon ben ©laubigem bes Ijerrn ©uno 2 ) ift nun ein*
getreten. ttad) einem mit £jrn. ©uno a ) non ben ITtitgliebem ber Bühne getroffenen
gerichtlichen Derein finb gegen ©arantie ber riickftänbigen ©agen fämmtlidje
Kontrakte ben 1 . April b. J. aufgehoben, unb es fteht nun bahin, ob mid)
bie £)erren Abminiftratoren unter oernünftigeren Bebingungen, als bie bis*
herigen waren, weiter engagiren werben, woran ich faft 3 weifle, ba bie aüßerfte
©infehränkung nöthig ift, unb man mid| bod) mit keiner gar 3 U kleinen ©age
abfpeifen kann. EDie unangenehm mir es oorsüglid) in ben jeßigeit kriegerifdjen
Seiten fetjrt würbe, meinen Stab wieber weiter 3 U feßen, können Sie fid) benken,
unb um fo fataler würbe es mir feqn, als mein jetziger Aufenthalt, Hückfiäjts
ber XDohlfeilheit unb l)öd)ft angenehmen Sage ferner mit einem beffern 3 U oer=
taufd)en fepn würbe, ©in mufikalifdjer $reunb in Bresben, ber meine Der*
hältniffe kennt, h°t mid) benachrichtigt, baß ber UTufikbirektor Bierei) in
Breslau aus feinem Kontrakte treten unb einem Hufe nad) EDien folgen würbe,
unb mir geraden, nad) Breslau 3 U gehen; fofort habe id) an Bieret) gefdjrieben,
wiewohl td) einen innern horreur für Breslau habe. 3l)nen wieber recht nahe
3 U fepn, wäre h er rlid); inbeffen glaube id) lauter Böfes oon bem ©rte —
©ßeurung — Abgefdjmacktes — ©igenfinn u. f. w. IDiffen Sie etwas Befferes,
fo wiberlegen Sie mid)l ich nehme gern Haifon an; wiffen Sie aber aud) nur
Sd)Ied)tes, fo oerfd)weigen Sie es nid)t, unb id) gebe bas gan 3 e Projekt, bis
jeßt nur nod) ©mbrijo, auf. Antwort oon Bierei) habe id) fo nod) nicht.
Daß 3l)nen meine (Duoerture fo wohl gefallen, freut mich gan 3 ungemein,
unb id) bin über 3 eugt, baß bas, was barauf folgt, nämlid) bie ©per oon
Brentano: DieluftigentTtufikanten red)t feßr 3ljren Beifall haben würbe,
wenigftens urtheilen bie Kenner in tDarfd)au red)t günftig baoon. 3d) batire
oon biefer Kompofition meine beffere Periobe, unb es ift mir nun nidjt ganj
recht, baß ich auch nicht ein Blatt mehr baoon befiße, fonbern baß oon Partitur
unb partljieen l)ö<hft wahrfd)einlid) polnifche ober fran 3 öfif<he Patronen gemacht
*) S. 163/65 SNote. Sr batiert ©n fälfcplich 00 m 2. Slprit 1808.
s ) 3n unferer Vorlage beibe 'SJtale »erlefen in 21tno.
566
[ 56 ]
tDoröctt finö 1 ), und id) glaube, baß in biefer 5 <>i™ meine ITtufik oon großem
(Effekt gemefett fetjn, unb fo 3 U fagen draftifd) auf bie Sußörer gemtrkt
haben roirb. 3n meiner bisherigen £age habe id? nid)t komponiren, fonbern
Rtufik fchmieren müffen — Cänje — ©efänge — (Ehöre — tTTärfd)e, mas
meiß id) alles, unb Sie können fidjs oorftellen, baß außer ber Praktik im
ITieberfcE)reiben, id) nichts babei lernen konnte, fonbern oielmehr Befferes Der*
fäumen mußte. So habe ich bie rcägeli’fdje Kompofition fdjändlid) liegen taffen ;
gan 3 toll ift es aber, baß id) ein Miserere für ben ©roßt)er 3 og non H)ür 3 =
bürg, welches ein gutes IDerk geworden fepn mürbe, unb mir außer guten
Ruf, toenigftens 25 Carotin eingetragen hätte, liegen Iaffen mußte, um ein
Ballet 3 U machen, bas feiner elenben Rnorönung roegen nur einen Rbenb über*
lebte 2 ), tjabe ich uor Rbgang bes Briefes nod) Seit, fo lege ich ih ncn etroas
Dom Miserere, bas id) nun, aber 3 U fpäi (nad) ©ftern) Dotlenöet habe, bei.
£iegniß ftelte id) mir angenehmer unb freundlicher oor, als ©togau, unb
id) münfdje 3 f)nen 3 « biefer Deränderung, bie 3 t)rem gan 3 en Chun unb Creiben
einen roof)lthätigen Stoß geben wirb, h^Iid) ©Kick. IDarum in alter IDelt
fchreiben Sie nid)ts auf? Cs kommt nur auf einen Cntfdjluß an, unb Sie
uerfünbigen fid) mit 3I)rer Unthätigkeit an ber mufikalifdjen IDelt. Ueber bie
3bee, über einen gegebenen Cejt 3 U fantafiren, hätte ich oiet — Diel 3 U fagen ;
es mürbe mid) h^ut 3 U meit führen. XDotten Sie mir aber einen (Befallen er*
3 eigen, fo unterrichten Sie mich aber oon bem ©ange 3hrer 3beeit, unb fd)reiben
Sie mir bie Ruffäße auf, es jolt mir Stoff geben, mich aber biefe Rrt ITtufik
gan 3 breit aus 3 ulaffen. Können Sie einmal ben Jahrgang 1807—8 etma bie
3 unius= ober Jatiusftücke ber nun in Sott rut)enben ©h ea t er 3 e itung erhafchen,
fo lefen Sie hoch meinen Ruffaß über bas IlTetobram: Satomons Urtheil, unb
fdjreiben Sie mir, ob Sie meiner ITCetnung finb.
IDünfchen Sie mir, befter Jj. ein rußiges Brob unter einem heitern tjimmel
*) Sum ©lücf war baö ©efcpict ber Oper ein gana anbered, unb inöbefonbere pat
ftcp sejeigt, baß bie ^ranjofen bag <28erl pöper au fcpäpen mußten alg Soffmann fid)
pat träumen taffen. Anfang 1828 erhielt <bi$ig bie »ollftänbige 'Partitur mit ben au$-
gefcpriebenen Stimmen „burcp eine ^reunbin Soffmannd in Polen, ber er fie, ald er
. . . bieg Sanb »erließ, sur Slufbewaprung übergeben patte, jugefenbet" (f. Priefwecpfet
690). Sipfg empfapl bie Oper, bie PJoUanf fepr günftig beurteilt patte, bamatd öffent¬
lich 8«» Aufführung unb muß fie bann au biefem 3tt>ed aug ber i>anb gegeben haben;
baper ftnb 1847 nur bie Orcpefterftimmen an bie königliche PibliotpeJ getommen (f. Prief-
ioecpfel 717 unter 8 unb 722 unter 1). ®ie Partitur felbft würbe in ben 80er Sapren
»on 2eo Eiepmanndfopn in Perlitt auögeboten. ®ag 3ntereffe für Soffmann war bamalg
in ©eutfeptanb gänalicp erlofcpen (f. Priefwecpfel 730/32 Stofen 3 unb 4), in ^ronfreitp
aber neu belebt burcp Offenbacpg SJteifterwerf; fo erwarb bie audgeaeiepnet geleitete
Pibliotpel beg Parifer konferoatoriumö bag <2Berf, bag in ©eutfcplanb niemanb
haben wollte.
2 ) 3n QBirflicpleit bag ‘©efpenft 1 , bem eg niept beffer ging, wie pier »on bem
Paüet gefagt wirb: f. näcpfte Seite.
567
[57]
als Künftlcr, unb Siß fprcdjen bas aus, wohin mich immer Crteb unb Iteigung
3 iel)n. £eben Sie frot), glüeftlid), unb jeqn Sie ein fleißiger Kunjtjünger. Be=
ftrafen Sie mid) nidjt burd) Stillj^roeigen, fonbern ^reiben Sie mir halb, auch
wegen Breslau, einer Hngelegenfyeit, welche etwas preffirt. (Ewig unueränbert
3^r
Ijoffmann.
©ann febeint bie ^otrefponbens eingefcblafen ju fein, wie eS ber
mit 5>ippel bereits gefaben mar unb ber mit Sißig im fotgenben 9D?onat
paffierte. Q3iel Angenehmes hätte Soffmann in ber §at nicht ju berieten
gehabt: SSKorgenrotbS Reibung non 93ierepS 9lüdtritt betätigte ft<h nic^t
(93ierep blieb im ©egenteil bis jutn ©esember 1828 in feiner Breslauer
Stellung!), baS unfelige '©efpenff fiel am 9. April »oüfommen burch, unb
eS blieb in Bamberg im wefentlicben alles beim alten. Seine Mitarbeit an
ber Allgemeinen < 30^ufttalifcE>en 3eitung aber, bie jetjt lebhaft einfeßte unb bie
uns ex post wichtiger erfebeint als feine praftifeben SSftuftfarbeiten, fab Soff-
mann noch lange 3eit als SRebenbefcbäffigung an, bie er am liebften gar
nicht ermähnte. —
7* £iterarifcher ^ampf gegen 3fflanb feit 1813,
©rft bie ‘Sefpre^ung, bie Soffmann am Abenb beS 15. Februar
1813 mit bem angebenben Qßerlagsbucbbänblet dar! 'Jriebricb $unj batte,
entflieh über bie ^robuftion feiner lebten neun CebenSjabre: er mürbe
Scbriftff eller. 3unä<bft febrieb er ffatt ber SOiufif jur ‘Hnbine 5 bie c 9l a d)
riebt non ben neueften Scbidfalen beS SunbeS ‘Sergansa 1 —
feine erffe md)tmufttatif<he Schrift feit bem Aßeggange aus °)Moc!. ©S ift
eine ^ampffchriff, an beren leibenfcbaftlicben Angriffen fachliche unb perfön*
liehe ©egnerfdbaft in gleicher ABeife unb ununferfebeibbar beteiligt ftnb; aller
©roll entläbt ft<h hier, ber ft<h feit 3abren in SoffmannS Seele angebäuft butte.
Unter ben Angegriffenen befinbet ft<h auch 3fflanb. ©egen Schluß beS
©efprächS (baS am 29. SCftäcj anfeheinenb fertig ju ^unj gebracht unb
auf beffett Aßunfch bann in ber erffen Sälfte beS April gemilbert worben ift)
entwickelt Qßergansa 1 ) bie <5orberungen, bie an einen ©ramatifer, fpejiell an
einen ßuftfpielbichter su ftellen feien: er folle Sippen auf bie 93übne ftellen,
nicht bie Porträts wirtlicher ^erfonen ober gar „aus einseinen 3ügen mehrerer
^ortraifS sufammengepinfelte ^erfonagen . . . S^urj, ber Schaufpielbicbter
muß nicht fowobl bie 3ttenfd)en als ben 9Renfcben tennen". 93ergansaS
3ubörer erkennt hierin ben ©runb, „warum bie Schau- unb Sufffptele eines
gewiffen ©ichterS, ber sugleich praftifcher Scbaufpieler ift, momentan fo hoch
x ) Santafleftücfe II (1814), S. 193 oben bi« 6. 200 oben, befonbetS <3. 195-198.
568
[ 58 ]
geartet unb fo balb oergeffen würben; baS gänzliche Vorübergeben
feiner ^eriobe fyat feine giftige bermafen gelähmt, bafj er fte nicht mehr
jum neuen *5iuge ju fchwütgen oermag". Verganja beftätigt baS: „(Er War [I]
einer ber (Eorhphäen jener langweiligen weinerlichen moralifirenben
Gefte, bie mit ihrem 3!hriinenwaffer j eben emporblihenben Junten ber wahren
^oefte auSjulßfd;>en ftrebten". 0er 3uhßrer Witt ihm „eine gewiffe tebenS*
oolle 0arfteHung nicht abfpredjen" — „bie aber mehrentheitS in bem ge*
febraubten 0ialog ftch felbft wieber oernichtet", fügt Verganja eilig
hinju. —
91m 22. September 1814 ffarb 3fflanb, am 25. fanb bie Veerbigung
ffatt. (Einen §ag barauf tarn iooffmann — als hätte er nur barauf ge*
wartet — nach Berlin jurücf l ), um es nun nie mehr bauemb ju oerlaffen.
91m 28. s ) fdhreibf er bem Verleger ber ganfafteftücfe 3 ) nicht ohne (Erteilte*
rung: „0a§ 3flanb tobt unb begraben iff, wiffen Sie längft; ber ©raf
Vrübl, ein herrlicher, wahrhaft nach unferer 9Beife geftnnfer SOfonn,
wirb 3nfenbanf beS 3:heater^, unb biefem ffeht eine grofje 9?eoolution beoor,
an ber ich $h«l nehme, wenigftenS mittelbar." 3n ber §at brach nun, wie
VrühlS Vertrauter §ei<hmann fchreiben fonnte 4 ), „eine 3eit an, bie ftch ben
gefeierten Vühnenleifungen jener §age balb an bie Seite ffellen burfte.
(EalberonS 9öerfe ‘0er ffanbbaffe ‘prinj’, ‘0aS £eben ein bräunt’, ‘0er
9lrjf feiner (Ehre 5 , SftorefoS c 0onna 0iana’ würben juerff gegeben. ...
0er i^reiS ber Sh<*fefpeare’fchen 0ramen wirb burch ‘ioeinrid) IV.’
(1. u. 2, $betl), ‘^ßnig 3ohann’, ‘9?icharb’, c< 2öaS ihr wollt 5 , c £iff unb £iebe’,
‘VBeiber oon 9öinbfor’ u. f. w. erweitert. Arbeiten unferer beften 0ichter, als
©oethe, 3- Vßerner, io. o. ^leiff . . . würben auf baS 'tEreubtgffe be*
grüfjf. 0en Zeigen ber muftfalifchen ^efte eröffnete StftojartS c 3auber*
flöte’, ©lucf S ‘91lcefte’, ‘9lrmiba’unb c 3phtöcnia’, VeefhooenS c< 5tbelio’,
ÄoffmannS ‘Slnbine’ ... SO^if einem 9Borf: fein bramatifcheS ^robuff
oon entfehiebenem Vßerfhe, infofern eS nur irgenb barftellbar war, blieb bem
°Publtfum fremb". Vrübl fonnte, concedendis concessis, baS auSführen,
was Aolbein unb iooffmann in Vamberg oerfucht hatten. —
9?a<h 3fflanbS §obe hot iooffmann ftch «och öfters öffentlich über ihn auS=
gefproeben. 9Bie er ihn 1821 als ^heoferleifer bewertete, höben wir
») Tagebücher S. 265.
3 ) Stehe unfere < 2lnntetlungen junt fiebettten Stüd ber 93erlintfcben ©efeßiebten.
s ) l 23riefn>ecbfel S. 221. ©er inferejfante 'Srief, ber erfte, ben Soffmann nach feiner
„Seimteßr" nach'Berlin gefchrieben, tft 1913 öon ^riebrich Sollte im “Berliner katenber’
auf 1914 oorfrefftich erläutert unb 1915 «on ©berßarb Kleber im fünftigffen Seff
ber ‘Schriften beS BereinS für bie ©efehtebte Berlin#’(S. 449 f) in 3atfimile mitgeteitt.
4 ) 3n feinen ‘Sunbert 3ahren aus ber ©efchichte beS königlichen Theaters in
Berlin, 1740—1840’; in ©ingelftebtS bereits siliertem ©rud Oon TetchmannS Stacßlafj
auf S. 109.
569
[59]
bereif« gefeben. ©inige Achtung jotlf er t|mt, lote billig, at« ©chaufpieler;
aber auch fcier gebt eS nie ohne ©infchränlung ab. 3m ^rübjabr 1817 fpricbf
er in ben ‘5?unftoermanbfett’, feinem oierfen großen ©ialog (nach bern ‘©lucl’,
bem 1 'Berganja’, Siebter unb Gomponift’) at« „©er Braune" non ben SSKäb«
eben, bureb bie getoiffe ©chaufpieler ftcb einen momentanen Beifall ju oerfchaffeit
miffen l ): „2lcb! erlag boef) ein jüngft oerfforbener ©chaufpieler, ben bie B3elf,
menigften« in mancher Äinftc^f, als mabrbaft großen Zünftler anerlennen mufjte,
fo off jener ^borbeif. ®e« augenblidllicben Beifall«, ja be« lärmenbett $laf--
feben« halber opferte er ja oftmal« Wahrheit unb Äalfung." Bei ber oer-
mehrten Buchausgabe be« ©efptäcb« (unter bem $ifel ‘©ettfame £etben eine«
Theater--® ireftor«’) im Joerbft 1818 lieb 5 off mann biefe ©teile im toefentlicben
flehen unb nannte in ber ‘Jorffetjung — abermal« at« „©er Braune" — bie
(niebtig4omifcbe) £lrf, mie Poliere« ©eijiger „oon einem nicht längft oer-
fforbenen groben ©chaufpieler bargeffeßf nmrbe, eine ber feltfamften Berirrungen,
bie e« mohl geben mag", ©ern ffedt er 3fflanben ^lerf gegenüber, ben „einig
unoergeblicben .Sero« unferer Bühne" (mie ev ihn im ©ommer 1820 im briffen
Banbe ber ‘©erapionS-Brüber’ 2 ) nennt).
Ohne jeben Borbehalf aber »erbammf Äoffmamt 3fflanb« ©ramen. ©ie
oben jifierfe c Berganja’-©feHe tourbe bei ber Überarbeitung ber ‘'Jantafteffücfe’
im ©ommer 1818 lebiglich in« c Praeferitum überfe^f (fomeit nämlich ba« ^raefen«
überhaupt angemanbt mar in biefem höbnifeben Bericht über eine bei ßebjeifen
»erfaßene ©röbe). ^urj barauf nennt Äoffmann in ben febon jifierfen ‘£eiben
eine« £beafer--©trelfor«’ Sfflanb« l Äerbfffag 5 neben ^oiebue« c< 3Kenfcbettbajj
unb 9?eue’ at« 'protofpp eine« leeren ‘^PublilumftüdeS. 3m ©ommer 1820
»erhöhnt er — in bem gleichfalls febon jitierfen briffen Banbe ber ‘©erapionS--
Brüber’ 3 ) — Sfflanb« c 3äger’: er habe ba« ©tüd in einer Bearbeitung at«
©rjählung gelefen, unb babei fei ihm erff „bie mahrhafte poefifebe ßchmärmerei,
ba« tief gefühlte unb grobartig rührenbe" be« BßerfeS aufgegangen. 3m
3uni 1821 enblich läfjt er bem Selben ber ‘©eheimniffe’ ben freunbfcbafftichen
9?af erteilen 4 ), jur Beruhigung feiner Heroen oon ^räuterfuppe, gelochtem
9?inbfleifch unb fauren ©urlen ju leben unb £afontainifche Otomane, Sfflanbfdie
^omöbien unb Berfe oon ©amen ju tefen.
8, £e$fe Beziehungen ju Satnpe.
Blieb ftcb Aoffmann atfo treu im Saft gegen 3fflanb, fo blieb er ftcb
auch treu in ber 3uneigung für Santpe.
©tefer hatte — offenbar auf höheren BJunfch — tn £iegni$ barauf ber¬
ichtet, at« auöübenber Huftier aufzutreten, unb bafür ben SSftufifunter¬
richt übernommen, ber in biefer 3eit bei ber 9?eorganifation ber Witter*
afabemie bafelbft eingeführt tourbe. ®r erteilte ben Unterricht in jtoei
Stufen, u. j. biftorifcb (nach gorfel), äftbetifcp (nach <3uljer) unb
praltif<h (Äarmonie nach Vogler, SSompofition unb ©eneralbafj nad)
*) im ‘©ramaturgifeben Blochenblatt’ oom 3. < 3ttat.
*) 6. 320.
3 ) S. 485.
*) Berlinifther $af<ben-$?a(enber auf ba« ©emein-3ahr 1822, 6. 65.
570
[ 60 ]
Albrechtfberger); namentlich fucpte er feine Äörer im c Partiturenlefen ju üben
unb ihr Urteilfoermögen ju erweitern. 3iele, ©ang unb (Erfolg bef Unter»
ric^)tö ftnb oon Äampef Biographen auf ©runb authentifdjer Quellen ein-
gehenb bargeffcUf J ). 3n biefe 3eit gehen mopl auch bie 9^ieberf<hriffen jurücf,
bie biefer in iöampcf 9?a<hla§ gefehen hat; ef ftnb „einige Brouillonf über
mehrere theoretifbe 3weige, unb ein Auffafj über ben &laoier--$lnterrid>t:
‘Beiträge ju einer Sftefhobotogie für ben Bfufif-Hnterrichf,
infbefonbere jur ©rlernung bef ^laoierfpielenf".
Auch bienfflicf) mar ber Aufenthalt in Öegnih für ioampe fehr angenehm.
„3n jebem Berhältntffe", t>erficE>ert fein Biograph, „erfannte man in ihm
einen fbäiigen Arbeiter. Auch au£er feinen beffimmfen ©ienff arbeiten über»
nahm er noch befonberf non bem bamatigen (Ehef-^räftbenfen Äerrn oon
©rbmannfborf, ber ihm fehr wohl Wollte, Aufarbeitungen." Alf biefer
Borgefefjfe nach längerer Abwefenheit prüeffam, füllte ihm ju ©bren eine
Heine Qper c ©)ie 9?ücff el)r J aufgeführt werben; ben Sejt hatte ber 3eitungf»
oerleger ©rnft önd) öerfafjt, bie ^ompofttion mürbe oon Äampe beforgt.
3nbef mürbe auf ber Aufführung nichts ^
Balb nach feiner Berfetjung nach Siegnif) fchetnf ioampe ein Fräulein
5?ambtp geheiratet ju haben.
Anfang 1811 lernte er ben Äomponiffen Äeinridj ©arl ©bell
fennen, beffen ©efchic % baf unf ebenfatlf $arl 3uliuf Äoffmann aufführlid)
berietet 3 ), eine merfmürbige Ähnlichfeit mit bem Aampef, aber auch mit
bem Äoffmannf hat. ©eboren in Neuruppin am oorletjten Sage bef 3ahref
1775, alfo gleich alt mit Äoffmann, arbeitete er zugleich mit biefem (oon
1797—1801) im Borbereitungfbienfte am ^ammergerichf, um [ich bann Oöllig
ber Sonfunff ju mibmen. ^iachbem er aber jmei bif brei 3apre lang mit
©rfolg alf BJufifbireftor am Breflauer Sheater tätig gemefen, mar er im
Stühiabr 1804 mieber in ben Staatfbienft getreten, unb jwar alf Super»
numerar an ber $riegf» unb ©omänenfammer ju Breflau. ©rft im Qftober
1807 mürbe er alf mirflieber Sefrefär mit 295 Malern jährlich angeffellt unb
rücfte ©nbe 1810 junt efpebierenben Sefrefär mit 500 Salem auf. ^urj
barauf, Anfang 1811, fheint er nach ßiegnif* gereift ju fein unb borf Äampe
fennen gelernt ju haben. 9^o<b im felbett 3ahre heiratete er beffen Schwägerin
Btoria 5?amblp. 3n ben folgenben 3al;ren arbeitete er fleißig fomoht alf
^omponiff wie alf 9?ejenfent für bie Allgemeine 9D?ufifalif<he 3eitung;
1815/16 f<huf er eine grofje, boppelchörige 3fteffe.
So fühlten ftch bie beiben Schwäger glücfltch im ©ienfte ber Äunft bei
x ) a. o. O. G. 166 SKitte bif 171 unten.
2 ) *®ie Partitur befanb ft<h 1830im ‘Seft^e bef ßibrefttften. 9täh er ef über
biefen im g£lurf 4 (G. 80).
*) a o. Q. G. 73-87.
571
[ 61 ]
befSeibenen äußeren QSerhältniffen, wie Soffmann eg ft eh jur felben 3eit in
Lettin wünfSte 1 ). “2lber wie tiefer burdj tie gefürstete (Ernennung jurn
ÄammergeriStgraf am 1. 932ai 1816 Der £on!unft enbgültig entfrembet würbe,
fo erging eg in ben feiben Sagen aud) ben beiben ©Slcftem. 3m Srühfahr
1816 würbe eine befonbere 93erwalfunggbel)örbe für Öberfdjlefien errichtet
mit bem Sitje in Oppeln. “211g 9Zäte famen an bie neue Regierung jwei
SOZuftler, nämlich ioampe unb Shell, unb ein SSriftfteller: ber (Eruier
unb Shalefpeare-flherfeher Otto 93enba, bem ftef) algbalb (junäSff alg
Olffeffor) ber ©ramatiler unb 9ZooeUiff ^riebriS ^luguft oon Äepben
(a. b. io. Werften) beigefetlte.
SDZit trüben Ebnungen oerliefe Äampe ben Ort feiner beften Arbeit.
Schmer würbe ihm — fchreibt fern Biograph — bie Trennung ooit £ieg*
nt§. . . . begleitet oon ber el;renben ‘Slnerfemtung feiner 93erbienffe oon
Seiten ber ©ireltion ber 9Zitter--2lfabemie, fo wie auch beg Äohen SDlinifterii
beg Snnern, bag ihn in einem hulbreichen Schreiben, »om 3. OOZai 1816
bafirt, auffoberte, oon feinen Talenten unb Neigungen für bie ‘Seförberung
ber Sonlunft auch in feinen neuen SSerhältniffen ©ebcauch ju machen, reifte er
an ben Ort feiner 93eftimmung ab.
3n Oppeln traf Äarnpe, wie gefügt, mit Shell jufammen. ‘Slber beffen
Schwingen waren gebrochen. ©er Biograph beiber fagt in feinem Slrtilel
über Shell:
®ie SOZeffe war fein Schwanengefang. 92acb ihr hat er leine mufifalifche
Slrbeif, leine QZecenftoncn, leine theoretifchen “Sluffähe mehr geliefert. Sr hatte
fein mufilalifcheg 93aterlanb oerloren . . .
Ähnlich ftanb eg mit Äampe. Sr probujierte nur noch eine ©clegen-
heitgarbeif in ber Art ber 1798 unb 1802 geraffenen: „Aufeer einem Sc ft*
gefange, ber bei ber ©urdbreife beg ^ronprinjen burch Oppeln ejelufirt
würbe, hat ioampe feit 1816 nichts fomponirt", oerftdjert fein Biograph-
Vorher heifet eg:
... Wie Shell . .. fchien er jich in Oppeln in ntuftfalifchev iöinficbf nicht
ju gefallen. 3bre ©enüjfe bcfchränlten (ich auf gegenfeifige Unterhaltungen
über Theorie unb auf Heinere mufifalifche Aufführungen, bie in ihren < 2öoh=
nungen arrangirf [würben] unb woju nur wenigen 5?unftfreunben öppelng ber
Sutriff bewilligt Würbe. Aber auch biefe Wenigen erinnern fich noch heut
banlbar jener auggejeichnefen 'SDZuftfer, bie auf ben SDZufifjuftanb Oppelng unb
Oberfchlefieng oon bem wohthätigften Sinflufe hatten werben liJnnen.
Anfang 3uli 1819 fanbfe ber 9Zegierunggrat ioampe bem ^ammergerichtg*
rat Ä offmann einen ©rufe nach Berlin.
Äoffmann, ber fürs oor bem Antritt ber emsigen gröfeeren Serienreife
*) S. u. G. 74 oben unter „(IV).".
572 [ 62 ]
ftanb, bie er fid> alg ^ammergeridjtgraf geffattet pat, fcpitfte fogletcp, am
5. 3ult, „mit ber reitenben ‘poft" folgenbe < 2lnftt>ort *):
Sie mögen fidj toofjl Dorfteilen, mein geliebtefter S^eunb, roeldje innige
5reube es mir mad)te, nad) japre langem Scptoeigen enblid) einmal toieber
ettoas non 3pnen 3 U pören! — IDie oieles pake id) 3pnen 3 U [agen oon meinem
roirren £eben in Öen japren bis 1813, bas fid) enblid) in ein ruhiges unb id)
kann toopl [agen 3 ufriebenes aufgelöft pat! — IDie gern möd)t’ id) 3pnen
prahtifd) 3 eigen, roie id) in ber Kunft jtepe! — Docf) roie roeitlaüfiig unb mager
i[t bas Schreiben, otel be[[er mir fetjen unb [preßen uns Rüg’ 3 U Huge oon
DTunb 3 U DTunb: unb ba roill icp 3pnen nur gleid) lieber 40 IHeilen entgegen*
kommen, als I)ier mid) abquälen mit oerblafjten Bilbern, roie id) [ie 3l)nen
bod) nur mit einem [djnöben <5änfekiel aufftellen könnte! —
3d) treffe 3 toifd)en bem 15 u 20 3uiius beftimmt in IDarmbrunn ein,
unb nichts in ber XDelt barf Sie abpalten toenigftens auf einige Hage pin 3 u=
kommen. 3n ID[armbrunn] bleibe id) roopl bis 3 um 15‘Ruguft unb gepe bann
nod) auf 4 IDodfen nad) 5üwsberg unb oon ba oielleid)t nad) Prag.
Run 5 rc unb rütteln Sie Sid) auf, eilen Sie ben roieber 3 u[el)en, ber Sie
nie aus Sinn unb Ejer 3 gelaffen tjat, ber 3f)nen gan 3 unb gar treu geblieben
ift mit ooller Seele! ITTadjen Sie meine tjoffnung nicpt 3 U Scpanben! 3pret=
falben pake td) bie Reife nad) Scplefien ber Reife nad) bem Rl)ein oorge 3 ogen.
Ber
Berlin 3l)rigfte
B. 5 Julius 19 tjoffmann
9Jian »ergleicpe ben „icp fann toopl fagen jufrtebenen" £on beg 9?e*
ftgnierten mit bem Scplufjabfap beg jepn 3 apre oorper gefcprtebenen 93 riefeg!
Ob aus bem oon & off mann fo erfepnten SHeberfepn in Qöarmbrunn
ettoag getoorben ift, fönnen mir leiber nod) nicpt fagen. —
©rei 3 apre nacp ber 2 lbfenbung biefeg ©rufieg toar iooffmann nic^t
mepr am £eben. ©in 3apr barauf, am 9. 3uni 1823, ftarb Äampe an
einer ioalgentjünbung. ^lm 12. 9ftärj 1824 folgte ipm ©bell nacp, ber fcpon
feit $epn 3apren an ben ben folgen eineg Sturjeg gefränfelt patte.
3m bem felben 3apre 1824 erhielt ioipp e( bie ßeitung ber Regierung au
Oppeln. ‘Seim < 3öegjuge aug SSKarientoerber fanb er nocp eine ^nja^t ütoff*
mannfcper Sriefe, bie er oorper ioipig für beffen Siograppie beg Jreunbeg nicpt
! ) ©er Srief, im Seftpe beg Serrn 9ted>nungSrateg Äart ^riebricp in ‘©ofen,
mürbe mir am 13. Offober 1906 oon bem (inatotftpen in 'Samberg alö ©epeimer Sanität^
rat »erftorbenen) Dr.med. $atl Schönte götigft in2Ibfcprift mtfgefeilf — leiber einige
Sföonate au fpät für bie Aufnahme in ‘Soffmanng Sriefmecpfel’. ©rff biefe Sufenbmtg
bat mich 3» STCacpforfcpungen über Sampe »eranlaßt: um fo mepr bebaure id), bem liebeng-
toürbigen Seifer biefe Stubie nicpt mepr »erlegen au tbnnen.
573
[63]
^<rtfe mitfeilen fönnen, unb nocp oor Ablauf beg 3apreg fanbte et aug Oppeln
merse&n baoon in Slbfcprift an ben Biograppen; in bem Begleitbriefe flagt er:
„Äier giebt eg nur jwep geiftreicpe SCTCenfcpen: Benba, ben £lberfe^er
Spafefpeareg, unb ü. Äepben." Hnfere ^ennfnig non iooffmanng £eben unb
Qlrbeifen in ben 3apren 1796 big 1809 mürbe in einer gar nicht au ermeffenben
B^eife t> er tieft unb erweitert fein, wenn ber neue ^räftbenf ben 9?egie-
runggrat Äampe noch in Oppeln oorgefunben hätte; benn jtcperlicp pätte er
ipn öeranta^f, feinerfeit« Erinnerungen an ben gemeinfamen 3ugenbfreunb
aufaujeiepnen ober boep wenigffeng beffen Briefe mitjuteilen. So aber müffen
mir mit ber SKöglicpfeit reepnen, bafj big auf bie pier mitgeteilten jmei Briefe
aüeg oernieptet iff, mag ung non ber innigen Sreunbfcpaft ber beiben Scanner
unmittelbar pätte ^unbe geben fönnen.
574
[ 64 ]
‘Beigabe:
©efamt'3ttJjatt$&ergetdjni3
bei* Untätigeren ^ublifationen be$ Berfaffer«
gu ^offmattnS ßeben 1 ).
(ErfchieneneS unb ©eptanfeS,)
©ie ^ublifationen ber erften 9veihe 2 ) »erfolgen in ber 9^egel getniffe
Begebungen SoffmannS »on Anfang bis zu Enbe, geben alfo
£ängSf(^niffe burch fein £ehen;
bie ber zn>eiten 9^eibe bebonbeln bagegen einzelne gerieben »on
AoffmannS £eben in ihrer »ollen Breite, geben alfo Querfcbnitfe
burd) bie ganze <3ülle ber Betätigungen unb Begebungen ÄoffmannS in
bern betreffenben 3eitraum;
bie ber britten faffen beibe BeobadbtungStoeifen in einem ©efamt’
überblitf jufammen.
Erffe 9?eibc:
■öoffmannS Beziehungen (Brteftoechfel nnb Umgang)*
993ir »erjeicbnen hier
unter A bie ©efamfauSgahe ber lirlunben für JooffmannS Bertehr,
unter B bie ©arffeilungen »on mehreren Beziehungen ÄoffmannS,
unter C bie ©arftellungen »on Beziehungen fioffmamtS z u einzelnen
^erfonen ober paaren.
©ie SSreffproben au$ ber Sammlung ber BerlehrSbofumente [»on ben "Bier
‘JreunbeSbriefen’ (1902) bis zu ‘ÄoffmannS Enbe’ (1909)] finb in ber Begel
nicpf angeführt 8 ), obtoohl fte mit felbftänbigen Einführungen »erfehen finb; ebenfo-
menig finb blofje Aufzählungen unb Beitreibungen »on biographi*
fchem < 3Kaferial (Euphorion 1902. 03. 05) genannt.
A. E. S* A* ^offmann im perfönltchen unb brieflichen Berfehr. 6ein
Brieftnechfel unb bie Erinnerungen feiner Befannf en. 3nbteiBänben
mit Porträts, 3eid)nungen unb gaffmtileS. Berlin, ©ebrüber ‘paetel. (8°.)
I. i) off mann unb ©a$ ©enfmal einer greunbfdjaff. (LXII
+ 355 S-; ba»on S. 1—272 gebrucft 1903/04, ber 9Reft 1910 unb
1912.) “iOMt einer aHegoriften Malerei beS jungen 5) off mann unb
brei SaffimileS. 1912. [©eheftet 7,50 20Z.; in Äalbfranj 9,50 m;
gufammen mit Bb. II ioeft 1—3: 20 refp. 28 < 3ft.]
J ) ©ie Berbffentlitungen, bie SoffmannS SBetfe betreffen, »»erben im britfen
Banbe ber „Berlfntften ©eftitten" »erjeitnet toerben.
*) Sie finb hier nur barutn »orangefteltt, meil fie früher begonnen finb; mittiger
ftnb bie Strtffen ber anberen Beihe (bie ^agebüter unb unfere Ergänzungen bazu).
3 ) Bur ein anbermeit not nitt mieber abgebruetter Sejf unb zwei Beihen
»on Briefen an einzelne Slbreffaten finb in C (unter 3a, 5 unb 8) ermähnt.
[ 65 ]
575
enthält in ben «otfiüden u. a.:
(1) im 3nbalt«oerjeicbni« 92acbtoeifung ber fünf größeren Raufen, bie
ben Serfebr jtoifeben Jooffmamt unb .öippel unterbrochen haben;
(2) Jöibig« totebtigere Streichungen 1823 in löippet« Qluffab unb
in Jöoffmann« Briefen an Joippel;
(3) (Einleitung (ba« ©cbicffal oon Jooffmann« Briefen an Jöippel;
bie 3ufammenfebung ber »orliegenben Sammlung; (Einiget jur 6b«'
rafferiftif unb Setoertung ber Briefe unb Erinnerungen);
(4) , 2lbrifc oon ä i pp et« äußerem Sehen (in Oftpreufjen 1775/95;
in SCßeftpreufjen 1795—1810; oortragenber 9?at bei Joarbenberg
1811/14; rnieber in ber ‘prooinj);
atsf Scjt:
I. Stppel« grinnerungen an 5>offmamt (Sertoanbte unb ßebrer; Ent*
micllung be« Knaben; Verlebt be« ©cbüler« mit ioippel; letzte Schul¬
zeit ; erfte ©tubentenjeit; innerer Suftanb bei beginn ber Korrefponbenj
1794/95; annaliffifiber Slbrijj ber 3eit oon 1795—1804; Berlin
1807/08; Sterben unb Eeipzig 1813/14);
Ergänzungen baju au« Äippel« Briefen an -ötbig, au« Äippel«
Aanbefemplar non Äi^ig« ‘Sud; unb au« münblicper Überlieferung ber
Äinber Äippel«;
II. einunbftebaig «riefe 5joffatannS an Nippel mit Slnmerfungeu Nippel«
unb einem Effurfe über ioippcl« Semübungen in ber ^narrpanti*
£lngelegenbeit 1822;
III. Joippel« gürforge für bie ittx>e unb ba« Slnbenfen
Jo off mann« 1822—1841:
I. Joippel« ^orrefponbenj 1822/24 (26 c Pofffenbungen) /
II. Über fecb« 92acbfrag«* c publifationen üjippelfcber ‘prooenienz (ju
Jbi^ig« Kompilation oon 1823; 1825—1841;
als «eigaben:
(1) Ebarlotte9\eimann unb JöoffmannS lünftlerifcpeJoulbigung fürfie;
(2; 9?egiffer;
(3) Stammtafeln ber 92acblommen 3obann 3afob Soerffer« unb
Melchior Joippel«.
II. .SofftnannS Srieftoecbfel (mit ‘Sluänabme bev Stiefe an öippel).
(95i«bet brei Äefte = S- 1—772 [roobon bie erfte öälfte 1904/06,
bie zweite 1908/12 gebrüht iff] unb Sorftütfe.) 1912. [©ebeftet
15 90t; in brei öalbfranjbänben 21 99?.; sufammen mit Sb. I be-
jogen: f. bort.]
1. & e f t: Son ‘ipiocf bi« ßeipsig, 1803—1814. (LVIIG.+S. 1-216.)
9D?it jroei ©elbftporträt« unb einem ‘Jafftmile.
gntpält in ben «orftüden u. a.:
(1) 9*2a^n>eifung aller 1912 befannten Sriefe oon, an unb
über Jooffmamt au« ber 3eit oon Oftober 1794 bi« 90fttte September
1814, mit Qlngabe ber Seilagen ju jebetn Srief;
(2) Einleitung über 3toecf unb Einrichtung ber breibänbigen ©amm*
lung unb fpejieH biefe« zweiten Sanbe« (mit einer Eifte ber fünften
S riefe unb einer < 2Bürbigung be« Srieftoecbfel« al« Quelle für
bie ©efcbidbfe oon Jooffmamt« c Probuftion);
576
[ 66 ]
«I# $ejt: 91t«. 1—127 be« örieftoechfet« mit Jfugnoten be« Herau«*
gebet«; eingefpoltet (ober nicht mit gejohlt) finb ein öffentliche«
Stellengefuch Hoffmamt« unb ftehen Säuberungen über ihn
au« gleichjeitigen Briefen onberer.
2. Heft: «erlitt 1814-1822. (XXXIi 6 . + 6 . 217-524.) 9Kit
Henfel« Hoffmann*SPorträt, einem Selbftporträt Hoff mann« unb
je fünf fonftigen 3eichnungen unb galjtmile« (mit bret »eiteren
Selbftporträt«).
enthält in ben SSorffücfen n. a.:
(1) ^ortfehung ber im 1. Heft begonnenen Stachmeifung, für bie
3eif »ott Enbe September 1814 bi« Sutti 1822;
(2) ein »orlöufige« 9?egifter ber in ben Sftoten genannten Sperfonen
unb «Jette;
al« $ejtt 9trn. 128—289 be« < 23rieftoechfel« mit ^nfmoten be« Heran«,
gebet«; eingefchalfet (ober nicht mitgejählt) pnb bie brei ‘«riefe
ou« ben «ergen’, bie fingierten Entf<bulbigung«briefe
an <5ouque unb Sbman«li unb jablreicbe Säuberungen über
Hoffmann ou« gleichjeitigen «riefen anberer.
3. Heft: Anhänge betr. Hoffmann« S£ob unb «egräbni«, ben 9}ach*
lafj unb bie Hinterbliebenen. (XIX 6. + 6. 525—772.) SDZit
ber Säbbilbung be« echten, 1822 oon Hoffmann« greunben errichteten
©rabjtein«.
enthält aufjer einer eingehenben, auch bie nichtigeren 9?ofen berüd-
jtdhfigenben Überfichf unb einigen Utfunben, bie mit Hoffmann« ?ob
unb «egrabni« jufammenhängen (in«befonbere über bie Errichtung unb
bie 3erfförung be« ©rabftein«) al« Hauptbeftanbfeil auf 221 Seifen
ben jtoeifen Slnhong: ©et 9t ach tag unb bie Hinterbliebenen. ©iefe
©arffellung refp. llrfunbenfommlung ift folgenbermagen bi«poniert:
A. Erbberaicht ber «Jittoe 1822.
B. ®ie gerichtliche «erfteigerung be« materiellen 9tach*
laffe« jugunften ber ©läubiger 1822.
C ®ie gefchäftliche «ertoertung be« geiftigett Sftach*
laffe« burch Hifjig jugunften ber SJBiftoe 1822—1846:
1. ©ie «ertoerfung »on Hoffmann« Schriften 1822/39:
a) “publifation ber inedita 1822/23;
b) Sammlung ber jerftreut gebrudten Schriften 1823/25;
c) «erhanblungen über bie «eranffalfung »on ©efamt* unb
2lu«t»ahl*2lu«gaben 1826/39:
1. 9teimer« erfter Slnlauf ju einer ©efamtau«gabe unb
Higig« »ergebltche Hilfe (gegen ©under & Humblof)
3uli 1826.
2. Higig« Sprojeff einer billigen S2lu«mahl, 'Jrandh« «er*
fudh, e« au«juführen, unb 9?eimer« erbrüdenbe« ©egen*
unternehmen ber ®efamtau«gabe 1827;
3. Higtg« 2lu«t»ahl bei «robhag 1830/31;
4. «robhag=Heubel« Supplement jtt 9?eimer« ©efamtau«gabe
1837/39.
[ 67 ]
577
II. Berfucbe, bie ^ompofitionen ju oermerten 1822/46:
a) ©rmerbung unb Bermaltung ber ‘SKuftfalten burcp Jöipig
1822/46;
b) Übergang beg Nacblajjrefteg an ben Staat 1846/47.
III. 2luS bem £eben ber Söifme 1822/49 (in ^ofen, in
©eutfcb=9ftromo, toieber in ^ofen, in Breglu).
D. ©ie Söittoe nacfe Joipigg Tobe 1849—1859.
3n bie Slbfeilung C ftnb fünf Slbhanblungen eingefc^altef, rneil bamalg
leine Slugftcbf beftanb, fte anbertoeif in Buchform au oeröffentlicben.
6ie bebanbeln:
(E) 'Püdler unb Joelmine big jum Frühjahr 1834:
I. Rödler alg SunggefeH; Jo elmine in ber Berliner ©efellfcbaft;
II. Rödler alg Joarbenbergg ©cbmiegerfobn unb Joelmineng £ieb»
bubet;
III. Rödler unb Joetmine nach [Jooffmanng unb] Joarbenbergg Tobe.
(F) ^Sunjeng Slnfänge, Sommer 1834 big ‘Jtübiub* 1837:
I. J&injeng QBeibe am 6. 3uli 1834;
II. Äunjeng Supplemente im “pböni?’ non 1835;
III. ^unjeng Brofcbüre 1836;
IV. Äunjeng Slugeinanberfebung mit 3ulien 1837; neue Jo offmann-
briefe im “pbömj’ »on 1837.
(G) ©rei Sammlungen Jooffmannfcber Schriften aug ben
3abren 1840—1845:
1. Baubrpg ©efamtauggabe 1840/41;
2. ©ie ©efamtauggabe beg jüngeren Reimer 1844/45;
3. Slrtfmr SWueUerg ©rgänjungen 1844/45.
(H) ©jlurg über bie amedmäfjigffe Slnorbnung einer ©e-
famtauggabe oon Jooffmanng ©Triften.
(J) ©er mufilalifcbe 9S a l a ^ 1847—1912 (Beftpoeränberungen,
‘publilationen, Äonjertauffübrungen fomie alg Jöauptteil eine fritifcbe
£tfte ber btgbertgen Bezeichnungen unb Beurteilungen
beg mufifalifcben ©efamfnacblajfeg).
Big jurn ©rfdjetnen einer neuen Sluflage erfcheinen in gewiffen Slb
ftänben Nachträge: junädjff — etrna 1920 — in einem
4. Äeft (6. 773 ff.)
neue Briefe: an 3fflanb unb Joampe (nämlich bie brei im »orliegenben
Jöeft mitgeteilten), an Joärtel unb 9lo<hHb, an Joipig, ©ubip, Speper,
Gbumiffo, bie ©unife unb anbere —fomie bie ©aten ber in ben neu
gefunbenen Tagebüchern ermähnten Briefe oon unb an JÖoffntann.
III. -Soffmann nach ben Berichten feiner Befamtten (mit Sluönabme
Jbippelg). Bttt ben ^orträtg bet Berfaffer unb fritifchen 9^oten.
(©rfcfteint fpäter, »ielleicht in oter Lieferungen: I/II, III, IV, V.)
(Enthält bie btograpptfcben Nachrichten anberer über $ offmann in ber
Reihenfolge ihrer Slbfaffung, alfo
578
[ 68 ]
I. bie ju feinen Sebzeiten niebergef<hriebenen Mitteilungen
über feine ^Derfon, feine Erlebnijfe nnb feine QXbftc^ten*), 5 . 'S.:
Bochlih’ S^otijen über Jooffmann in SBarfchau (1805), feine Be¬
rufung nach Bamberg (1808) unb nach Sterben (1813);
bie Befprecbungen oon Aufführungen feiner Opern in Blarfchau,
Bamberg unb Berlin;
bie Scpilberungen Äoffmann« in feiner Berliner 3eit oon ‘Jrau
oon < 5 ouque, 2ltterbom, Oehlenfchläger, ^annp Sarnoto, Bom¬
bagen unb Äeine;
bie &>ntoau«züge feiner Berleger uub beren Bnlünbigungen in ben
allgemeinen unb in ihren eigenen Mefilatalogen;
II. bieBefrologe oon 1822 aufer bem iiippel« (bef. bie oon Gatel,
Spetter, Bochlih);
III. Äthig« Schrift ‘21 u« -öoffmann« ßeben unb Slachlafc’
in ber Raffung oon 1823, u. j. (nach einer Borbemerlmtg über bie
Borarbeifen unb bie Enfftehung be« BJerteS):
1 . ütoffmann« ßeben in jehn Qlbfchnitten (bie Äoffmannfcpen
§efte toerben toeggelaffen, aber Joitjig« 9?ofen ju ihnen toieber-
gegeben; bie fetunbären Partien toerben in fleinerer Schrift jtoci*
fpaltig gefegt: linf« -ÖihigS Raffung, recht« feine Borlage) unb
2. Äoffmann« Gparaiteriftif;
IV. ‘Jriebricp Gramer« Sluffatj in bem oon ihm rebigierten Sam*
melmerf l 3eitgenojfen 3 (1826), fotoeit er auf ungebrueften Quellen
(bef. auf Eingaben Stägemann«) beruht, bie gelegentlichen
Mitteilungen anberer (aufjer fpäteren BtifZeichnungen oon
f<hon genannten u. a. bie Erinnerungen oon 2 lleyi«, Bnfcbüh,
Gh^Zh Mutter unb Sohn, E>oroto, ^ouque, ©ubitj, Äol-
bein, ^lingemann, ^unz, Saun, £eo, £oeft, Spfer,
3ulie Marc, Marf, Bellftab, 3. t }5. Schniibt, Schübe,
Schtoarz, Baerft) unb &ihtg« eigene 9iacbträge;
V. einheitliche Begeften über Äippel« Erinnerungen in Bb. I unb bie
oorftehenben Berichte in Bb. III.
3ebe fachlich falfche Eingabe in II—IV toirb auf berfelben Seite in einer
Sufnote berichtigt.
B. 2lu$ ben Materialien j« einer Biographie 6. 21. ^offmann«.
3ebe« Stfi(f behanbelt in barftellenber gorm Äoffmann« Beziehungen z« Z&>ci
ober mehr ^erfonen, bie, ohne zueinattber in nahen Beziehungen zu ftehen.
Zufällig eftoa z« berfelben 3eit ober am felben Orte mit -Soff-
mann oerlehrt haben uub für beren gefonberte ©arfteHung ba« Material
nicht au«reicpfe.
211« erfter Auffah biefer 2lrt, aber noch ohne ben Sammeltitel, erfdhien:
[a.] 2lu« 5joffutann3 Berliner 3?eunbeSfreiS. Ein ©ebenfblatt jur
Bßteberiehr feine« SobeSfage« (25. 3uni 1822). (1 BI. + 9 6 . 12°.;
1901. [3n ber Einzelausgabe »ergriffen; f. bie Bemerfung zu C ( 1 ).]
’) 2luf bie bereit« in Bb. II abgebrudten Briefftellen über Äoffmann toirb
oertoiefen, bie borf noch feplenben toerben abgebrudt: alle«, toie gefagt, in einer chrono«
logifchen 3olge. ©runbfählich toeggelaffen toerben bie Beurteilungen oon
.öoffmannS im ®rud erfebieneuen QBerfen.
[ 69 ]
579
Behanbelf !urj Äoffmann« Bericht fcif 1814: (1) mit -Joifjig unb beffen
greunben, (2) mit beit Bkltmännern Eüfftoti uttb Bebeur, (3) mit
bett Zünftlern ©e Orient uttb 3ohamta (Suntf e, (4) mit bett ©enoffen
oon ber jüngeren fiiebertafel.
Seifbetn jtnb crfcpienen:
I. ©ie &Jnig«berger Burgfchute unb ihr 9?eftor BBannotoffi. (7 S.
4°.) 1907. [6. bie Bemerfung p 11.]
Berichtet über bie Blütezeit biefer Schule unter Grichton al« ^ommtffar
unb QBannotof!i al« Oleftor unb gibt 9lachri<bten über biefe beiben
unb über fttoblf Schüler Bkmtotoffi«.
II. .öoffmann, 3uliu« oon Bofj unb .gblbein in Berlin. (5 stoei*
fpaltige Seiten 4°.) 1907. [9jiit I pfammengeheftet. ®ie 17 noch öor*
hanbenen Spemplare jtnb für je 2,50 SOI. ootn Berfaffer p beziehen.]
Berichtet u. o. über -fooffmann« Berliner Berfehr mit ioolbein 1798/99,
mit Bofj 1807, mit beiben 1815.
III. 9lu« ipffntamt« ii>erdett«gef<h{cbte 1796—1802* (16 6.8°.) [1908].
[Beim Berfaffer liegen nod) 26 ©yemplare; ^ret« 3 SOI.]
Sc^ifberf ben £lu«gang oon . 6 offmannS £iebe pr ioatt, feinen 'Braut*
ftanb mit Blinna ©oerffet unb bie Borgefcpicbfc feiner Qtfyt mit
SÜlichalina Olo^rer.
IV. [©a« oorliegenbe £eft,
ba« pmr Bacpricbten über mehrere (meift nicht literarifche) Arbeiten
Äoffmamt« bringt, im mefenflieben jeboep »on feinen Beziehungen p
3ohanne« Joampe, pm Berliner Theater unter 3ffl<tnb unb pr ‘pofener
©efellfchaff panbelt.]
BJemt nicht neue 'Jmtbe anbere« näherlegen, fantt folgen:
V. £offmann« Bkrfcpauer ftreunbe £oeft unb SDlorgenroth*
©nthält u. a. fioeft’en« G harafteriftif Äoffmann«.
C. [5>offntann« Bedienungen p einzelnen c perfonen unb p pfamuten*
gehörigen paaren.]
‘Jolgettbe Befannte Jöoffmann« jtnb mit befonberer BerücEfichfigung tpre« Ber*
hältniffe« p ihm bargefteHt (teil« in felbftänbigen ^ublifationen, feil« in
größeren Partien anberer Schriften):
( 1 ) ©ie ^önig«berger ©efebmiffer »on Äoffmann« SOlufter, Otto unb
Sophie ©oerffer (i>offmann« ©rjieper feit 1778):
•Slu« ©♦ 21 « 5 offmann« gtegeljapren* SOlit einer ein*
leitenben Sftotij über Äoffmann« Sftacplafj. (7 S. 12 °.) 1901.
[3n ber ©injelau«gabe oergriffen.] (3m 3uli 1901 mit B a pfammen*
geheftet unter betn gemeinfamen Sifel ‘SReue« oon unb über
©♦ 31« ipffmann. Sein Berliner Berfehr, ba« Scpicffal feine«
Sftacplaffe« unb bie ©ntffepung ber joipigfepen Biographie . . .
Berlin 1901’, mit gemeinfamer Borbemerfung unb einem Hmfcplag,
auf bem pm erften SOZale bie Flamen oon Äoffmann«
580
[70]
(fitem, bie tarnen feiner mütterlichen ©rofjeltern,
fowieSllter unb Stanb be« *33 ater « beibeffen93erehe*
Hebung mitgeteilt würben. [9lo<h ftwei ©jemplare beim 93er»
faffer; ^reiö 5 90?.])
(2) Sheobor ©ottlieb non Sippel (mit Soffmamt belannt feit
1786): f. o. e. 64/65 unter AI.
(3) ©ottfrieb (£&riffoj>b Särtel unb beffen 9?ebafteur <5riebri<h
9?ochlifn
(a) 14 93riefe Soffmann«, u. ft.
2 an 9?o<hlifJ 1809,
12 an Särtel 1812:
im Slbfcbnitt B be« auf ber nädjften 6eite unter 5 angeführten
Sefte« au« bem 3ahre 1903; in AU wieberholt.
(b) 13 Briefe Soffmann« an Särtel au« ben Sauren 1809/11 unb
3 Entworfen Särtel«: im I. 'Seil,
(c) 19 93riefe Soffmann«, u. j.
12 an Särtel an« ben 3obren 1799, 1814 unb 1819,
7 an 9?od)Iitj au« ben Sohren 1809/15:
im II. Seil ber Schrift
Soffmann unb Särtel. 9leue Mitteilungen über ihren 93erlehr
in ben 3ohren 1799—1819 . . . eingehängt ift eine ©lud*
99ejenfton Soffmann«, beigelegt eine ßiffe oon 36 feiner Arbeiten
für 93reitfopf & Sättel. (XI + 68 6. gr. 8° 4- Sab eile in qu. 4 °.)
[1908. Stoch 112 ©yemplore beim Q3erfoffer; ^rei« 4 M.]
©et II. unb Sauptfeil biefer ^ublifation »erfolgt ben 3Wed, Soff«
mann« 93eifräge jur Slügemeinen Mujtlalifchen 3eitung feftftufteHen: e«
wirb barin einerfeit« bargeton, baff bi«her acht 9?ejenftonen ohne
©runb Soffmann jugefchtieben ftttb, anberfeif« wirb für acht anbere
feine Slufotfchaff erwiefen; infofern unb ihrer Seffbeigabe nach 9«*
hört bie 2Irbeit ju benen über Soffmann« SÜBerfe (f. 6. 64
Stote 1) unb ift hier nicht näher ju analpfteren. 3u ben Mitteln,
mit benen ber eben bargelegte 3wed erreicht Wirb, gehört jebodp eine
©arftellung »on Soffmann« gefamtem 93erl ehr mit ber Eeitung
ber 3eitf(hrift, bie unter 70 dummem auf ben Seiten 17—45
gegeben wirb, ©arin Werben auch bie onberweit bereif« »eröffentlichten
^Briefe Soffmann« an Särtel unb 9?o<hlih unb bie 17 Zotigen
ber SHlgemeinen Mufifalifchen 3eitung au« benSahren
1805/25, bie ju Soffmann in ^ejtehung ftehen, bem 3nholte
nach angebeutet.
©retfjig »on ben in biefer 'Jmblitation abgebrueften Briefen Soff«
mantt« tonnten in A II nicht mehr aufgenommen Werben.
(4) Suliu« ©buarb Sitjig:
(a) 1804—1814: f. u. & 76/77 unter II 3—III3.
(b) 1814-1822: f. o. 6. 68/69 unter Ba.
(c) Stad) Soff mann« Sobe: f. ©. S. 66/67 unter AII Seft 3.
581
[ 71 ]
(5) 'Jriebrich Speper (fett 1808):
(Die (Erinnerungen be$ Dr.med. <5riebri<h Speper an
Ä off mann = 3lbfchnitf A ( 6 . 5—9) beS ioefteS
3lu3 ©♦ T. ‘21. -öoffmanuS &apetlmeifferzeit. (26 S. gr. 8 °.)
1903. [Vergriffen, ©agegen liegen noch §roei 3lbjüge oom pro-
oiforifdjen Sape (au$ ber ‘Steuen ©eutfcpen 9?unbfd)au’ oom
3anuar 1903: 22 (Setten, ungepeftet') beim Verfaffer; fte jtnb für
3 p belieben.]
(findiger ®rucf ber in ^offmann« SobeSjapr niebergefcptiebenen Cr.
innetungett oon Sutten« Vetter.
( 6 ) 3 ulie SCftarc (fett 1808):
etne genealogifcpe ©arftellung ber meftoerjtoetgfen, mit Äoff-
mann mannigfach oerbunbcnen Familie 3ftarc -- 932arcu«*©peper liebe
ftcb oereinigen mit einem äberblicf über ihre 33 c ji ep un g en <ju
iooffmann feit beffen Weggang au« Vantbevg; an neuen
^ejten mären barin mitpteilen Aoffmann« Vrief an ©peper 1815,
ber Vricf ber ^rau VJarc an 3ulie 1818 unb 3nlien« großer Vrtef
an ©peper 1837 über ibr Verhältnis p iooffmann.
(7) iöermannSrafoon'-püdler (fpätcr gürft oon ‘pücf ler* VJuälau)
unb io eint ine fianjenborf (fpäter oon Vlüdjer) (fett 1816):
6 . 596—627 oon ‘ü>offmann3 Vrieftoechfel’; f. o. 6. 67 unter „(E)".
Vtfi befonberer Verüdficptigung oon Rüttler« mecbfelnbem Verhalten p
15ofmann unb p Ä’oreff; loelmine als Vorbtlb ber (Ebmine beS ‘öben
iöaufeS’. ©iefe ©teilen firtb ausführlich oeraeicpnet in ber Überficpt über
bas fieft, ©. XIII—XV.
( 8 ) ^ralotoäfp (feit 1817):
(E. T. 31* £ off mann U nb fein Eeihbibliofhelar. (12 S. 8°,
gebrudt in alter Schrift oon Otto oon Äolten in Verlin auf
(Büttenpapier oon 3- 3B. 3anber$.) 1904. [3ioch 14 (Exemplare
beim Verfaffer; ^rei« 3 Vi.]
(9) io off mann« Vßitloe: S. 539/42, 549/52 unb 738/57 oon ‘iooff-
mannö Vrieftoechfel’; f. o. S. 66/67 unter A II 3 u. j. bei A, C (Vor-
bemerfung unb III) unb D.
3toeite 9?eibe:
-Öoffmannö Tagebücher unb (Ergänzungen bap.
©ie (oergriffenen) Testproben oon 1907 (19. San. — 9. ^ebr. 1812) unb 1910
(19. SKai—25. 3unt 1813) ftnb nicht mit aufgefübrf.
A. (E. T* 31. -öoffmannä Tagebücher unb liferarifche (Enftoürfe. Vttt
(Erläuterungen unb ausführlichen Verseicpniffen. 3n jtoei Vänben. Verlin,
©ebrüber (Paetet. $ 1 . 8 °.
582
[ 72 ]
I. entpaltenb bie Tejte ber Tagebttdper unb ein SerjeicpntS ber bann
genannten 92Berfe ÄoffmannS. (CVII + 352 6., gebrutft 1908/15.)
1915. [©epeftet 10 90?., in Jöalbfrans 12 SO?.; auf Süffenpapier
(50 ©jemplare, nur geheftet) 20 93?.; auf 3apanpapier (geheftet, nur
7 ©jemplare im Äanbel) 40 90?.]
(Enthält als (Einleitung Ausführungen über
A. ©paraffer unb 3nhalf ber Tagebücher,
B. ©auer unb äußere gorm ber Aufzeichnungen,
C. ©cpicffale unb liferartfcpe Sermerfung ber Tagebücher;
als Test Tagebucpaufzeicpnungen
I. ans bem ®<J>reibf>ucfj für 1803/08 (bem c 9D?iSceHatteen’=Sucp): bef.
1803 Off. 1—17, 26, 9?o». 9, 10, 17; 1804 3an. 1—24, tfebr.
6 — 21 , 90?ärz 10 ; fünf Zotigen a. b. 3. 1808;
II. aus ben ecpreibfalenbetn für 1809 unb 1811/15: bef. 1809 3an.—
Anfg. 9?o»., 1811 San.—90?ärz unb 90?iffe 9Ü?ai, 1812 3an.—
1813 90?ärj, 1813 SRiffc April—3uni, ©nbe 3uli —1814 9D?itfc
3uli, Auguff— 9D?ttfe ©epf., 24. ©ept.— 4. Off., 1815 San.—
3. 9D?ärj;
als Beigaben:
(1) 3tt>ei Aufzeichnungen für ben Samberger ’JreunbeS-
freis:
I. ©ie folgen eines ©aufcpmanzeS [©rzäplung nach auf¬
gegebenen ©fiepmorfen];
II. ©rep »erpän gnijj »olle 90?onafpel [Fragment »on
90?emoiren über bie ©reSbner ©rlebttiffe feit 15. Auguff 1813,
unterm 29. Auguff beim Sefucp beS ©cplacptfelbeS abbreepenb];
(2) SerzeicpniS ber in ben Tagebücpern genannten &om-
pofitionen, ©(Triften unb 'Silber JooffmannS (mit
Jinferfucpungen über ipre ©ntftepungSjeit; bie ^ompoftfionen für
baS Theater jtnb (unter 37 Titeln) »otlffänbig aufgefuprt.]
II. erfdpeint fpäter.
©iefer Sanb fall enthalten:
(1) einen forttaufenben Äommentar ju ben Tagebüchern, befonberS ben
beiben jufammenpängenben 9?otatenmaffen t>on 1809 unb 1812/14
(teils aus fonftigen Aufzeichnungen Ä offmannS, teils aus Elften,
Theaterzetteln unb --3ournalen, 3eitungen, Abref büepern, ©täbte-
befepreibungen, 90?emoiren anberer u. bgl.);
( 2 ) eine fpftematifepe 3 ufa«tmenfaffung ber rein biograpbifepen fb. p.
niepf auf 9D3er!e JooffmannS bezüglichen) Eingaben ber Tagebücher,
nämlich folcpen über
(a) AoffmannS SerufSgefcpäfte: in c piocf unb bann mieber in
Serlin als 9?icpter; baztoifepen in Samberg als Tpeaterarepi-
teff (auep 9?ofenp<inbler unb ©änger), in ©reSben unb
ßeipaig als ©irigent,
(b) feinen perfönlicpen Umgang mit ©infcplufj beS 90?uftfunfemcpfS,
(c) feine 9?eifen,
[ 73 ]
583
(d) feine rejepti»e 'Säfigleit: ßeffüte unb Befuch non Aufführungen,
^onjerfen unb S?unftfammlungen,
(e) feine fiebengtoeife,
(f) feine ^ranlbeiten,
(g) feine Stimmungen, Alünfche unb 'Befürchtungen,
(h) feine religiöfen unb potififd^ert ©efinnungen;
(3) nicht auggefübrfc literariftyc Gnttoürfc unb (Efacrpte aug
ben 3ahren 1803/22, bef. ben gef amten 3ni>alt beg (t>on .öibig fo
genannten) „9?ofafenbuchg" »on 1819/22.
B. Fragmente einer Biographie ©. $. A. -öoffmannS , &ur (Ergänzung
feiner §agebü<her in freier $olge »orgelegt.
I. fiepte 'Monate in Pofeu nnb Aufenthalt in piocf, Anfang 1802
bis g^ärj 1804* (66 Seiten gr. 8°.) 'SDttt einer Abbilbung beS
Plocfer ©omeS unb brei gafftmileS. 3n 200 ©yemplaren ausgegeben.
'Berlin, ©ebriiber Paetel, 1914. [3 901]
enthält:
I . Big jum Februar 1802.
II. Anftellung unb Äeirat: 'Jebruor big 3uli 1802.
III. ©ag erffe (Ebejabr: Auguft 1802 big 3uli 1803.
IV. ®ie £eftüre beg ‘^reimütbigen’ unb ihre Früchte: Auguft unb Sep¬
tember 1803.
V. Olfobet big ©ejember 1803.
VI. 3anuar big “^ära 1804.
®te Abfcbnitfe V unb VI erläutern unb ergänzen bie ^agebuchaufjeicb*
nungen aug bem AMnterbalbfabr 1803/04 (bie ÄauptfteHen aug biefen
ftnb abgebrucEf, ba fte batnalg noch nicht »or lagen; ber (Eintrag »om
2. Oltober ift in ^alftmile mitgefeilt); befonberg bie ^bniggberget
(Einträge »on 1804 toerben aug lolalbifforifchen Quellen iüuffrierf. —
#ür bie (Erlebniffe in P1 o c i unb bie Borgefchicbte »on Äoffmanttg Straf-
»erfehung borthin ftnb aufjer ben fünf Briefen an iMppel unb ben fünf
©efchäffgbriefen aug ber 3eit bie einschlägigen Alten beg Suffiftbeparfe--
mentg unb beg ^abinetfg grtebrich AMlhelmg III. auggiebig benu^t. *5ür
bie fteben literarifchen Arbeiten »»erben bie Monate ber (Entftebung
feftgefteUf; ingbefonbere toirb nachgetoiefen, baf) bie fieftüre beg c< 5 rei-
müthigen 5 Anfang Auguft 1803 biefe »orübergehenbe 'probultioität
angeregt hat. ©er 3 nhalt beg fiuftfpielg toirb genauer ermittelt, alg
eg Ai^ig getan, unb feine ^enbenj neu gebeutet (aug jtoei ber anberen
Schriften toirb je eine Alanuflriptfeite in 'Jafftmile beigegeben).
2Benn nic^t neue 'Junbe anbere fiebengabfehnitfe — ettoa Pofen ober ASarfchau —
näberrüden, fönnfen gut Einrahmung unb (Ergänjung ber fpäteren Tagebuch-
aufjeichnungen folgen:
(II.) Bütte 1807 bis (Enbe 1808: Berlin — ©logau — Bamberg*
Biit Jooffmanng ©efuch »om 14. Auguft 1807 an ben 3uftiaminifter
unb ben ^önig, ben brei Berliner Schaufpieler-^arrilafuren
mit §Teff, einer “probe aug bem ‘Sranl ber £lnff erblicbleif’ unb
anberen Beilagen.
584
[ 74 ]
(III.) ©ie beiben 3apte 1810/11: Tbeufernrbeit unter Solbeiu.
'Tßäre tm 3ufamntenbang mW bcr Kommentierung ber Bamberger Tage¬
bücher t>on 1809 unb 1812/13 8« bearbeiten. Bielleichf erlaubt ber Befi^er
uon SoffmannS lünftlerifchem 9Ra<hlaj), ©eforationSffhsen beigugeben.
(IV.) ©ie erften bret Quartale be3 britten 51ufentpalt3 in Berlin,
Serbft 1814 bi3 3Mtte 1815*
Sätte bie menig befannte erfte berliner 3eit 8 U bepanbeln, in ber Soff*
mann als SRegierungSraf in partibus auf einen Gjpebientenpoften
in einem ‘iDRiniftectum hoffte unb auf bie Slufführung ber ‘Knbine’ martete,
in ber l 5 : ran8bfifcben S f r a fj e toolmfe unb feine 5lbenbe bei
< 3ÖRanberlee gubraepte, fäglidb mit Siptg unb Oepel, G|)amiffo
unb Gonteffa umging unb ben graten Teil feinet Briefe an gouque
unb Sippel richtete.
©ritte 9?eipe:
3ufammenfaffenbe3.
©ie beiben ^ier folgenben Publifationen mürben bie Itrfunbenfamm*
hingen (A) beiber 9Reipen jufammenfaffen: baS erfte Buch für bie Befiper
ber beiben Sammelmcrfe, baS gmeife für meitere Greife, benen SoffmannS £eben
mepr ein ©egenftanb ber Unterhaltung als beS StubiumS ift.
A. ©efamtregifter für Soffutanuä Tagebücher, feinen Briefmechfel unb
bie Berichte feiner Befannten.
*5ür jebe Perfon, bie in nähere Berührung mit Soffmann gefommen ift, toerben
bie Saupf=£ ebensbaten gegeben. Bon ben t»icbfigcren Familien (Boefeti*
©oerffer, 9Rol)tet--©ofttoaIb, 3pig--Sipig=Oepel, SDRarcuS.'SDRarc-Speper) tnerben
Stammtafeln beigegeben, mie baS für bie SippelS (unb auSsugStoeife für
bie ©oerfferS) febon im Sippel=Banbe gefepeben ift.
Bei jebem Korrefponbenten (aujjer -Sippe!) toerben bie non Soffmann
an ihn unb bie non ihm an Soffmann gerichteten 'Briefe tabcüarifcp öerjeiepnet
mit Eingabe über ben Berb leib bcr Originale unb über bie bisherigen
©rüde. Km biefe beiben Kolumnen 8« entlaffen, luerben »or bem 9Regiffet
alppabetifch aufgeführt
1) bie Titel ber Bücher unb 3eitfcpriften, tn benen Briefe non unb an Soff*
mann nach Sanbfcpriften »eröffentlicpf ftnb,
2 ) bie 9Ramen, Titel unb testen < 3Bopnorte ber mir befannten Perfonen,
bie Originalbriefe non Soffmann als Grben ber 5lbreffaten ober als Sammler
befeffen haben ober noch befipen.
B. ®* T* 51. Soffmann, non fi<h fclbft unb non feinen Befannten bar»
geftettt. ©ne cpronologifcp georbnete 51 u 3 m a p l aus feinen Tagebüchern,
feinem Briefmecpfel unb ben Berichten feiner Befannten über ipn, mit
Günfcpaltung autobiograpptfeper Stellen au3 feinen Schriften.
©rgängungSfcprift gur erften 9Reipe.
3nlin3 Sbuarb Sipiö nnb bie Seinigen bi3 1814* SORit gaplreicpen Porträts
unb 'gafftmileS- (3n Borbereitung für @eorg Füller in < 2ÖRüncpen.) 3er¬
füllt tn brei Bücher, beren Umfang noep nicht feftftept:
585
[ 75 ]
I. Borfahren, Bertoanbte, 3us«tb.
fa) ©ie ©rofimutfer, tbre f 2Borfabren unb ifrr ^rubet.l
1) ©er £lrgrofi»afer ©imcpa Tonern II. QBuIff („Tonern ©effau"):
erhält »on Friebrich Bßilhelm I. 1733 ein ibaupfprtoileg für Berlin unb
»on Friebrich bem ©rofjen ein Fabrifgrunbftüd; geft. 1756. ©eine Bob¬
fahren jtnb bi« tief in« Mittelalter hinein befannf; befonber« bemerten«--
toert ftnb fein £lrgrofj»ater ©im«ha ‘Bonent I. Bßulff (geft. 1697;
©emeinbeältefter ju Berlin unter bem ©rofien Äurfürften 1674), beffen
Hr-Jlrgrofjüater N. Mofe« ben 3frael 3ffer („Mofe« 3fferlc«" in
Ärafau, 1520—1572; ergänzte wefentlieh ben „©cpulchan ^Iruch" feine« Seit¬
genoffen 9t. Sofeph ^aro) unb »on beffen Bpnen »äterlicperfeit« 9t. 3frael
Marpurg ben pefachja („Mei ft er 3fferlein", geft. 1460) unb mittler*
licperfeit« 9t. ©alomo ben 3faa! („Bafchi", ju Srope« in ber ©hampagne,
1040—1105, grunblegcnber Bibel« unb Salmub^ommentator).
2) ©ie Urgroßmutter £ea < 3Qöulff (alias ©effau) geb. Bßatlich, geft.
1767. 3pr Bater 9t. 3faat Bßaltich (Dr. med. 1675, geft. 1716;
£lrjt unb ©emeinbeoorffcher ju ©effau) unb beffen Bater [?] 91. ©imon
Bßaltich (geft. 1730; gleichfall« ^Irjt unb feit 1689 al« Nachfolger feine«
Bater« ©rfter Borfteher ber ©emeinben ju ßoblenj, $rier unb Ilmgegenb).
3) ©ie ©rofmtuffer Mirjam 3 (Mg geb. Bßulff (alias ©effau, 1727—1788)
unb ihr Bruber 3faa! Benjamin BÖulff („©ifef ©effau", f 1802).
©iefer erhält 1765 »on Friebrich b. ©r. ein ©eneralpriöileg mit bem
Becpf chriftlicher 5?aufleufe; er beftpt brei ©eibettfabrüen (in Berlin, c Pof«*
bam unb Bernau) unb eine ^attunfabrif (in ©parlottenburg).
Ib) ©er ©rofi»oter, bie ©efepmifter be« 93ater« unb beren ffinber-1
4) ©er ©rofoater ©aniel [ben] 3 pig (eigentlicher Familienname 3afe;
geb. Berlin 1722): t»irb reich bureft bie Münalieferungen an Friebrich
b. ©r. jur Führung be« Siebenjährigen Kriege«; lauft refp. baut banaep
mehrere Käufer (bef. Burgftrafe 24) unb große ©ärten in Berlin, ferner
ba« ©ifenhüftemoert ju ©orge unb Boigf«felb, bie Ölmühle bei Berlin
unb bie fiopgerberei (ßebermanufaftur) bei ^5ot«bam; erwirbt fobann unter
Friebrich BBilpelm II. mehrere ßanbgüfer. Ober=£anbe«ältcfter für ganj
Preußen. ©rpälf »on Friebrich BBilpelm II. 1791 ein9?aturalifation«»
patent für bie gef amte Familie.
5) ©ie »ier Brüber be« Bater«, »ermählt mit ben »ier Pächtern ihre«
Mutterbruber« ©ife! ©effau, unb beren ^inber: namentlich Friebrich BJil«
heim« II. Obet'Joofbanlier unb Äofbaurat 3faaf ©aniel 3pig (1750—1806;
äuletjf technifcher £eiter be« ©eneral=©hauffeebau--©eparfement« für bie Äur*
mar! unb ‘pommern) unb beffen Sohn Morip 3onathan (gefallen 1813
al« freiwilliger Säger).
6 ) ©ie jepn ©cp toeftern be« Bater«, beren ©begatten unb 5?inber, befonber«
bie Berliner Familien ©alomon (Bartpolbp unb £ea Menbel«fopn),
Frieblänbcr (©a»ib unb Benoni) unb ©ppraitn (alias ©ber«?); bie
linberlofe ©ara £e»p (geftorben al« £epfe 1854) unb bie blinbe 9?ecpa
3 p i g; bie BBiener Familien »on£lrnftein («^ereira) unb »on©«fele«.
fc) ©Ifernbou« unb Suflenb.]
7) ©er Bater ©lia« ©aniel 3(Mg (geft. 1818, £eberfabrifanf unb ©tabtrat
in ^ot«bam) unb bie Mutter Mirjam („Marianne") geh. £eßmann.
586 [76]
8 ) 3faa! (Eliag 3big auf bem 3oacbimgtb«lfcben ©pntnafium unb itt ber
^aufmannglebre. Gerne Gcf>ft>cftem.
9) Sfaaf (Elia« auf ben Elnioerfifäten J5alle unb (Erlangen (Aerbft 1796
bis Oftern 1799); feine afabemifeben 'Jreunbe au^er Vatfbolbp (Varn»
i)agcn, angeblich auch Brentano unb ßubtotg QBielanb).
10) Daniel 3big3 $ob 21. 9ttai 1799. 'Saufe feineg (EnlelS 11. 21uguff
in ber Gfabtlircfje zu QBiffcnbcrg auf ben kanten Suliug (Ebuarb 3|ig.
H. 3m preufnfdjen 3uffizbienft 1799—1806.
1) VnfteHungSgefucb im Vuguft 1799. Regierung«*21 uSlultator in
V3arfcbau 1799—1801: Söfniocb unb V3emet.
2) ^ammergeriebtg» Veferenbar in Berlin 1801/04: 2luguft Qößilbelm
GcblegelS Vorlefungen; ber 9?orbffernbunb (mit Robert, Sberemin,
(Ebamiffo, &orejf, Reumann, Varnbagen) unb beffen erfter 2llmanacb mit
jeb« Beiträgen »on „(Ebuarb". &f um bie ©eliebte ((Eugenie Vleper
geb. Vardenftein); 14. 2lpril 1804 VeftaHung als 2lffeffor; 22. Sftai
Aeiraf.
3) VegierungS -- 21 f f e f f o r in 2B a r f cb a u 1804/06: erfteg ©begfiid; Verlebt
mit ^Berner, £oeft unb Aoffmann. Aufhebung ber preufjifcben Regierung
in 3Barfcbau Einfang ©egember 1806. VücKebr in bie Aeimaf Vtörg 1807.
HI. 211$ ‘Sucbbättbler. 3iebff einem lurjen Überblid über bie jtueite Aälfte
feineg £eben$ unb feine SRacbfommenfcbaft.
1) Cobnüberfeber; in ber £ebre bei Veimer; Verheiratung bcr Gdbtoeffer (Elife
2lbelaibe mit bem Vpofbeler Dr. phil. grang 2luguff Oebel; 9lnberung beg
‘JamiliennamenS.
2 ) Aiptg alg Verleger unb Gortimenter 1808/14. (<3ftit einem »oll*
ffänbigen Verzeichnis ber oon ibm »erlegten c 2Ber!e; bie Sitelfeifcn ber
tuiebtigeren _ [j. V. ‘Jouqueg ‘Gigurb 5 unb ‘3abreggeifen 5 , 21. V3. Gcblegelg
(Ealberon -- Überfebungen unb Äleiffg C 2lbenbblätfcr 5 ] toerben falfimiliert.)
Geine eigenen Gtael--£iberfebüngen.
3) 22. VJai 1814 Sob ber Qtau. Verlauf beg ©efebäffeg an ©ümmler unb
QBiebereintritt in ben 3uftijbienft alg & ) ammergericbtg»2lffeffor.
21nbänge:
a) Aitjtg alg VSitioer 1814—1849 (furggefafjfc 2lmtalen mit befonbercr
Verüdtftcbfigung ber Vibliograpbie).
b) AipigS ^inber, beren ©atten unb 97acbfommen: bie Familien A t p i g
(ber Slrcbifeft unb ber ^b^ftolog), Vaeper (ber ©eobäf unb beffen
5?inber: ber (Ebemifer unb bie ©affin beS ßafiniffen Vibbed) unb
Rugier (Stang unb beffen Äinber: Vernbarb, Aang unb ^5aul
Aepfeg erfte ©attin).
c) Aiptgg sub 1 genannter Gcptoager (f alg ©eneralmajor »on 6bei),
beffen Gbpne (bef. ber ©eneral ber 3nfanterie unb ber ©eograpb) unb
ber Gcpmiegerfopn (ber ‘pppftfer ©ooe) fotoie beren 9?acblommen.
[ 77 ]
587
33ie*
[1917.]
1 * WUoi)3 ‘aftoltuar^.
(3u 6.17.)
'Plolinarp ift Naglern nicpt befannt geworben. Jöoffmann fc£)Uberf fein WBefen
unb fein Wlufjere# Nippeln unterm 22. 3anuar 1797 1 ). ‘SÄolinarp &atte banacb
„bie mebrefte 3 eit feine# fieben# in 3 falien gelebt unb ficb »orjüglicb in 9Rom
jum Zünftler gebilbef". *33on ‘PJitte Offobec 1796 2 ) bi# WOiitte 3anuar 1797
lebte er in ©logau; Äoffmann fuebte feine WSelanntfcbaft unb »erlebte »on ©nbe
Oltober an „faft jeben Sag ein paar Wlbenbftunben in feiner ©efeßfebaft". 3m
Sommer 1797 woßte SCRolinatp nach Wßarmbrunn geben unb »on ba nach
Stalien 8 ).
3 n bem Sabrjebnt, in bem £ offmann ibn fennen lernte, porträtierte er beti
Scbrifffteßer©btiftian£ebered;>t.&ebne 4 ). ®a#W3ilbcbent»urbe 1800inWßien
»on Sternen# $obl (1754—1807) geflogen,umJoepne# „morgenlänbifcbemWDlär»
eben" Korane’ (Wittenburg unb ©rfttrf 1801) al# Sitelbilb »orgefept jn »»erben.
3n Äoffmann# Sobe#jabr fiebelfe WCRolinarp nach W3erlin über. 3n W3oicfe#
Wibrcffbucb bjm. < 3Bobnung#anjeiger auf bie 3abre 1823—1826 erfebeint er at#
Porträtmaler bafelbft (1823/24 WfJlobrenftrafje 25, 1825/26 ^ronenffraße 39; Äipig
bezeugt I 135 bie 3bentität biefe# Wfftaler# mit Jooffmann# ©logauer Sreunbe).
Wluf bem Wßiener Stieb unb in aßen »ier 3abrgängen bc# berliner Wlbteß--
buib# enbet ber 9latne mit einem p; biefe unitalienifdje Schreibung wirb alfo bie
be# Zünftler# fetbff gewefen fein.
2. ©te Statuten ber Pofener 9?effource unb ^offntann# Parobie barauf.
(3u S. 32.)
©in ©jemplar ber gebrueften 'Statuta ber 9?efourcen * ©efeßfebaft 5 liegt im
©ebeimen Staat#arcbi» ju W3erlin in ben Willen be# ©eneralbirecforium# 5 ).
3)ie 'Statuta 5 umfaffen außer ber ©inleitung jeßn ‘Paragraphen; e# b#t
im § 1: e# tann . . . lein wirtliche# 9[Ritgtiet> anber# at# nach »orgängigem
‘Saßotement baju auf- unb angenommen »erben . . .
im § 3: 93on ben monatlichen Wkpträgen werben ... bep 12 regulären 'Säßen
in ben 6 < 2ßinter-‘3)tonaten <3Jtufil unb 4bee beftritten . . .
*) Äippel 6. 137 f.
*) Äippel S. 131 glitte.
s ) Äippel 6. 140.
4 ) 1751—1821. Er gab unter bem wunberlicben Pfeubonpm Wlnton- < 2ßalt 1779
Ärieg#lieber unb 1780—1791 eine 9teipe »on Euftfpieten unb Erjählungen berau#; nach
achtjähriger Paufe in ber Probultion »erfaßte er bann um bie Saptbunbertwenbe eine
9?eibe orientalifterenber Seenmärchen in <2ßielanb# Sanier.
B ) 6übpreußifche Örtfcbaffen, Wir- 944, Sl. 192. Prömer# hat fie banacb in ber
6. 32 Wlote 1 zitierten 3eitfcbrift 3ö- 23, ®. 124/27 abgebructf; wir folgen biefem ®ruct.
588
[78]
§ 5. QBöc^enftt^ sweimal, be« ®onner«fage« unb Sonntag«, Wirb gewöhnlich
warm, bie Verfon 3 « 6 ©gr., foupirf, unb an bicfen Sagen wirb aud) »oraü glich
»or bie Unterhaltung ber ©amen geforgt werben.
3 n ben 6 < 2ßinter* < 3Konatben ift monathlid) ben erffen unb briften ®ien«tag
Vall . . .
§ 6 . 5ür bie 6 Sommer-Uftonatbe follen bie gefetlfd>aftlicben Verfamtnlungen
in einem naße beb ber Stabt gelegenen ©arten arrangirt [werben] . . .
§ 7. 3u biefen gefeUfcbaftticben Vergnügungen höben außer ben wirtlichen
l 3ftifgliebern beren grauen unb Äinber (mit Slu«fcbluß ber Söhne, fo älter al«
16 3 abrt «IS welche ftd) befonber« aufnebmen taffen mäßen) freien 3 utritt . . .
©amif »ergleicbe man bie 9 ?eminif 3 en 3 in Sheobor« ^weiter 'Slnfbracße an
feine brei ‘Sefucber, Serapionö^rtiber 1 (1819) ©. 8 unten bi« 6 . 11:
Srinnerft ©u ©ich wobt nod> ber 3eit, al« Wir [1800] ba« erfte SOSal bie 9?e-
ftbenj »erließen unb nach bem Keinen Stäbtcßen <£>*** sogen? — Qlnftanb unb Sitte
»erlangten e«, wir mußten un« fofort in ben ©lubb aufnebmen laffen, ben bie fo*
genannten Äonorafioren ber Stabt bitbeten. VJir erhielten ... bie Utacb riebt, baß
wir nach gefcbebener Stimmenfammlung wirtlicb al« ©diitgliebev be« ©lubb« auf*
genommen worben . . . [ 3 n ben mitgefanbten ©efeßen be« ©lubb« wirb beffimmt,]
baß bie grauen ber Uftitglieber jeben ©onner«fag unb Sonntag be« 9Ibenb« in bem
2 otat be« ©lubb« Sßee trinten, juv V3inter«seit aber fogar »ier* ober fed>«mal fanaen
burften. [®ie Sftnber werben nach hem 'Sitter unterfeßieben. 3m Sommer fpeift ber
©lubb im freien.] 1 )
3. i)ampe« fteftfpiel für ©occeji.
(3u S. 42.)
Äoffmann« obevfter Vorgefeijter in ©logau, ber Freiherr Gart £ubwig »on
Gocceji, Soßn be« ©roßfanjler«, war feßon 1752, mit 27 Sauren, »on 'Jriebricb
bem ©roßen jum 'präfibenfen ber 0ber»2lmf«regterung, be« 0ber«‘pupit(encoUeg«
unb be« 0ber*Gonfiftorium« ernannt worben. (Qßie im britfen Aeff biefer 9ö2if=
teilungen ©. 7 gefagt ift, war er in ber <5olge ein befonberer ©önner »on Söoff--
mann« Onlel 3oßann ßubwig ©oerffer.) 21m 14. September 1802 feierte er ba«
feltene geft be« 50 jährigen < präfibentenjubiläum«. ©ine eingeßenbe “23efcbreibung
ber ‘Jeierlichleiten 5 erfeßien furj barauf in ©logau 2 ). ©anaeß hatten bie Stänbe
’) ©ie Vlocfer 9teffource, an bie man auch benfen tönnte, fommt nicht in grage,
ba fte, wie ftoffmann« Sagebucß (S. 20 ) seist, erff am 3. 3 anuar 1804 unter &off*
mann« Uttitwirlung begrünbet worben ift unb offenbar nur SRänner juließ —
sumat faft gar teine Veamtenfrauen in 5ptocI waren (‘Jcagm. I 25 unten), ©ie °Ptocter
9teffource tagte ©ien«tag« unb Freitag«; Äoffmann nahm teil am 6 ., 10. unb 13. Sanuar
(»ieHeicbt auch nod) am 17. unb 20.) unb reifte bann am 21. nach S?önig«berg. ©rft in
ber 9tad)t »om 21 . auf ben 22 . Februar tarn er (über Eeiffenau) surücf, um bemnäcßft
nach VJarfcßau absugebn. (Unterm 10. Sanuar beißt e« freilich: ,,e« war feßr lächerlich,
al« ©efeße »orgefcßlagen würben", aber fiep erließ höt man nicht baran gebaut, biefe
„©efeße" bruefen au laffen.)
2 ) Sie umfaßt nicht Weniger al« 118 Seiten 8 °; S. 7—49 enthalten ben sufammen-
bängenben Verlebt, S. 51—118 Einlagen baau. 3cß benu$e ba« ©femplar be« Veöifton«*
unb ©affation«*&ofe« 3 U Verlin, ba« nach beffen Sluflöfung in bie Vibliotßef be« Kammer*
gerießt« getommen ift; ben Sinwei« barauf »erbante ich ber ©üte be« Jtammergericbt«*
rat« ©eßeimen Suftiarat« Dr. Sriebridß Äolße.
589
[79]
beS SmrftentumS ©togau, bie bic ^opcn ber 'Jeiet befinden, bic 'B'allerfcbe Gchau-
fpielergefeHßbaft l ), bic fonff nur im < 2Binter in ©logau fpielte, für ben 2lbcnb engagiert
unb fechälmnbert Perfonen, ©logauer unb ^rembe, ju ber Porffellung eingelaben.
‘SÖRan fpielte ben '©euffeßen ÄauSoafer 5 beS greiherrn non ©emmingen.
„®em 6füde felbft" — beißt eS in ber ^efchreibung’ — toarb ffatt beS
‘prologS eine auf bie 3ubelfeter 93egug ßabenbe 6jene oorangefdudf, beren 95er*
faffet ber bieftge Kriegs* unb ‘®omcunen--95afb Joerr piümtde 2 ) ift unb tooju oon
unferm beliebten 95trfuofen, bem Joerrn 95egiffrator .foampe, eine treflicße 'SJtufif lompo*
nirt loorben .. . 93eibeS, bezüglich bie feböne 'JCRuftf, machte ben glüdlicbften ©ffeef."
3n ber 19. ber 23 Einlagen jur 'Jeftfcbrift (6. 104/09) toirb ber $£ejt beS
p. ‘plitmide abgebrueff:
Sin Einfiebler opfert, tote jebeS 3abr, „ben Planen ber ooßenbeten guten
Plenfd&en" |!]. „Qlaufcbenbe PRufit hinter bem Beater oerfünbet eine große Sr-
febeinung. Pfträa" — tote eine lange 9Rote lebrt, eine Tochter ber §bemiS — „in
glänjenbe PSollen gebüßt, febtoebf berab", toeibt ben Sinfiebler aum Seber unb be¬
auftragt tbn, bem Subilar „tünft’ge greuben au oerfünben". „Sie ©öttin feßtoebt
unter fünfter PRufit in bie Sehe. Ser ©reiS, ber ftcb oon feinem Staunen nach unb
nach erholt bittet fte, feine 3unge au löfen, „,baß er’S merfe, baß beine < 3öeib»e
auf mir rubt‘ 9lfträa toirft ibtn ihren Schleier a«, toäbrenb ein ßichtftrabl auf ibn
berab fährt", unb oerfpridjt, feine Pßorfe au leiten. „Sie ©öttin oerfeßtoinbet. Sanfte
PRufß. Ser ©reis, oon feinem abermaligen Staunen tangfam aurücffommenb, fühlt
ftcb auf einmal begeiftert unb tritt feierlich <t«S Profceniutn oor." Sr propßeaeif
bem Präftbenten noch ein langes, glücflicbeS ßeben. „Ser Porßang fällt fcbnell. —
ßangfam oerbaßenbe fanffe PRufil hinter bemfetben beaeiebnef baS PBoblgefaßen ber
©ötter. Paufe, ehe baS Ortißefiter einfäßt"
9luf btefen grauen SancoaS batte Joampe bie 93lumen ber ‘PRufi! ju ftiden
®ie „93efcbreibung ber oon -Seron Sampe ju biefer 6jene lomponirfen ßCRufif"
(bie 20. Einlage ber 93rofcbüre, auf 6. 110 f — jtoeifelloS oon Sampe aufgefeßt)
unterrichtet uns über bie äußere ^orm, in ber bie troftlofe Aufgabe gelöft ift:
Sie PRufit aur Saene iourbe oon awei Orcbeftern, loooon einS, auS Pofaunen
unb [anberen] PlaS*3nffrumenten beffebenb, auf bem ^be^fer, baS atoeite aber, wie
geroöbnticb, im Parlet angebracht mar, nach fotgenber Einrichtung egecutirt.
1) Spielte baS parfet-Orchefter eine Ouoerfüre.
2) Por unb toäßrenb ber Srf<heinung ber Plfträa hörte man auf bem Theater
als Sinleittfng in bie Saene ooßftimmige Qlfforbe, bie am Schluffe fanft oerbaßten.
3) SaS Srftaunen beS ©reifes auf bie erfte Pinrebe ber Plfträa toar bureß einen
furaen contrapunftifcßen Saß oon 2 Slarinetten unb 2 SagottS beaeichnet, toelcßer,
um feine Peforgniß, ioaS nun mit ihm oorgeben foße, auSaubrüden, im *2lfforb ber
ioefentlicben Septime fteben blieb, unb
4) nach ber Pitte, ihm ein äufereS PRerfmal ber PSeibe a« geben, im PRomenf,
too er ben Schleier empfängt, oon beiben OrcßefterS [!j augleith aufgelöft iourbe.
5) Sie oon ber Plfträa bem ©reife beigelegte Äraff, in bie 3ufunft au feßen,
brürfen beibe OrchefterS burch eine ftarfe PRuftl concertirenb auS. Slfträa oerfchtoanb,
unb in ben leaten haften trat ber ©etoeibte ans Profcenium.
*) Pgt. ben Prieftoecßfel 380/81 mit Plote 5!
2 ) fließt au oerioechfeln mit bem Q:t)eaterbicE)ter Earl PRartin ptümiefe, ber ftc£>
toobl immerhin um einen ©rab gefeßiefter auS ber Qlffaire geaogen hätte.
590
6) Unmittelbar auf ben Scptufj feiner Prophezeiung folgte eine Scptufj-Sabenz
»on einer Slarinette, beren erfter, einige Tafte bauernber Ton »on Partien unb
Sago«« zweimal barmonifdp »erftärft würbe, unb hierauf fiel
7) Statt eine« Shore« eine Harmonie »on 2 Slarinetten unb 2 Fagott« ein,
welche »on einer Äarfe begleitet würbe.
4. 3 « 5>ampe$ ^yefffptel für ßrrbmannäborf: Gruft ©öuep.
(3u 6. 60.)
■Joampe« £iegniper £ibretfiff 3opamt Gern ft ©buch War am 11. 3uli 1780
Zu Stettin gehören al« Sohn eine« pöpeten Beamten gleichen tarnen«, her noch
im felhen 3ahve al« 9Ral an hie Oher=9Re(penfammer in Berlin »erfept würbe,
©er Sohn wuchs pier in ber Spanbauer Strafe x ) auf. Gr hefuchte wie ber gleich*
altrige 3pig (f. o. S. 76) ba« SoacpimStpalfcpe ©pmnafium unb bann bie Uni*
»erftfät ü>alle; zugleich mit 3ptg arbeitete er barauf at« 9Referenbar am Kammer*
gericht. 9Rad;bem er 1806 ba« StaatSejamen beftanben. Würbe er Slffeffor am
Äofgertcpt zu Vromberg. Valb barauf »erlor er aber wie 3pig (unb Äoffmann)
fein 2lmt baburth, bap bie Sranjofen in Polen wieber eine polnifcpe Verwaltung
einfepfen, unb wie 3ptg lehrte er zu feinen Eltern nach Verltn zurücl.
< 2ßährenb üjipig 1808 bann hi« «ne Vucppanblung begrünbete, begab fich
©önep im felben 3ahre wunberlicpcrweife wieber nach Polen: er übernahm bie
£eitung ber ©ederfepen Vucpbruderei in Pofen (in beren Jöaufe, wie oben [S. 32]
berichtet, 1800—1802 -feoffmatut unb Schwarz gewohnt hotten) unb bie Vebaftion
ber borf pergeftellfen 3eitung.
3m Joerbft 1810 lehrte ©önep jeboep wieber nach ©eutfcplanb zurücl; er laufte
bie .öof-Vucpbruderei zu £iegnip unb zog bortpin. Vermutlich pat er al« ehe¬
maliger Veamter Äampe halb lernten gelernt. Von Oftober 1810 bi« Gnbe 1811
gab er ein unterhalfenbe« < 2Bocpenblatt heraus, ben c 9lllgemeinen 9Rieberfcpleftfcpen
Slitzeiger’, »on Slnfang 1812 bi« zum 1. Slpril 1836 bann flott beffen eine poli--
tifepe Tageszeitung, ben ‘Gorrefponbenfen »on unb für Scpleften\ 1816 erwarb
er auep bie 9RegierungS* Vucpbruderei in 9ReicpenPacp. Seit 1817 brudte er, teil«
in £iegnip teil« in ^Reicpenbacp, auch einige eigene Kompilationen unb Überfepungen,
auf bie wir hier niepf näper eingepn, ba jte niept mepr in bie 3eif feine« Um¬
gang« mit -öampe fallen 2 ).
’) berliner Slbrefjlalenber auf 1781 ff.
2 ) ®ie publifationen bi« 1837 »erjeiepnet Kart ©abriel 91 owad im 2. &eft feine«
'Scplefifcpen ScprifffteUer-Cesiton«’ (VreSlau, Korn/ 1838) S. 19 f. Slucp bie »orftepenben
9lacpricpfen haben wir größtenteils au« biefer Quelle gefepöpff.
Stellt ©önep« 2eben«gang ipn mit Spig-Snpig jufammen, fo bie Sntwidtung feine«
Flamen« mit £>ipig« Schwager (f. o. S. 76). ©er Perliner Slbrefjlalenber fepreibt ben
Flamen ©önep, gelegentlich auep ©oenep. ©önep fetbft fepreibt fiep noep [1825 (im
©rudoemterf feine« ‘Scplefier-SSucpeS’, eine« »aterlänbifcpen ßefebuep« für bie Sugenb)
„S. ©oenep", Karl Suliu« Äoffmann nennt ipn 1830 ©önep. 1831 beginnt jeboep bie
ftortentwidlung: auf bem Titel be« »on ipm bearbeiteten 'Spion«’ (eine« ©rama« in
fünf Sitten naep Slncelof unb SOlajere«) fepreibt er fiep in einer fd>ücpternen 3wifcpenftufe
„£• ©’oenep"; 9Rowad gept 1838 — zweifellos auf ©önep« Veranlaffung — a. a. Q.
einen Scpritt weiter, inbem er ben 9Ramen ©’Qencp fepreibt; bie alppabefifcpen Kataloge
ber Königlichen Vibtiotpe! zu S3erlin haben bann bie lepte Konfequenz gezogen: fie führen
ipn al« „Qencp, 3opann Smftb’". <2Bie bei Qepet-Q’Spel-». Spei f dp winb et hier alfo ber
erffe ©uepftabe, wäprenb bei Spig-Siptg bie Sntwidtung ben umgeleprten Sßeg nimmt.
[69]
Harichs Hoffmann.
591
E llinger hat 1894 seinem ‘E.T. A. Hoffmann’ den Untertitel „Sein Leben und seine Werke"
gegeben. Wie dieses Buch — das erste, das seit Hitzigs Biographie von 1823 dem
Dichter gewidmet worden ist — behandelt auch die Schrift Harichs 1 neben Hoffmanns
Leben dessen Werke, u. z. in größter Ausführlichkeit; so ist dem Murr-Kreisler-Werk eine
zusammenhängende Darlegung von 64 Seiten (II 222—86, die Seite zu 39 Zeilen) gewidmet.
Die folgende Besprechung, die übrigens auf einer ersten Kenntnisnahme beruht und nicht den
Anspruch erhebt, in jedem Punkte endgültig zu sein, betrachtet beide Bestandteile gesondert.
Ferner ist vorauszuschicken, daß der Referent genötigt ist, sich wegen seines eigenen
Anteils an dem im Buche Vorgebrachten mit dem Autor auseinanderzusetzen. Er bittet es
also zu entschuldigen, daß er hier ausnahmsweise gegen den guten Brauch vielfach von sich
selber spricht und sich dabei, um nicht den Caesar zu mimen, der ersten Person Singularis bedient.
I. Hoffmanns Werke.
Harich, den Kurt Aram in der Täglichen Rundschau irrtümlich als Philologen gefeiert
hat, ist seinem inneren Wesen nach nicht ein Gelehrter: er hat von der Literatui*~'iibejJHoff-
mann außer einigen Mitteilungen Maassens ernsthaft nur meine Publikationen studiert, und
auch diese nur, soweit sie bis erschienen und 1918 noch zu kaufen waren. Er ist erst
recht kein Forscher: er hat nur solche Tatsachen gefunden, die sich bei aufmerksamem Lesen
— freilich einer in Deutschland überaus seltenen und nicht hoch genug zu rühmenden Tugend I —
von Hoffmanns Dichtungen aus diesen selbst ergeben. Aber er ist ein künstlerisch lebhaft
empfindender Mensch mit einem Temperament, das dem Hoffmanns immerhin verwandt
ist: und wenn es sich wie hier darum handelt, einen immer noch verkannten Dichter der
Gegenwart nahezubringen, ist künstlerisches Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, die eigene
Begeisterung auf den Leser zu übertragen, freilich unendlich viel wertvoller als Begabung für
historische Feststellungen.
Harich bekennt sich zu der Rangordnung von Hoffmanns Produktion, die ich im Jahre
1902 (im Februar in der ‘Insel’ und im November in der Einleitung zum Kreislerbuch) in
scharfem Gegensatz zu den beiden Hoffmannbiographen des 19. Jahrhunderts aufgestellt habe:
als Hauptwerke erscheinen darnach 1) die beiden frühen musikalischen Novellen 'Ritter Gluck’
und ‘Don Juan’, 2) die drei großen Märchen ‘Der goldne Topf’, 'Klein Zaches’ und ‘Prinzessin
Brambilla’, 3) die drei Romane 'Die Elixiere des Teufels’, ‘Fragmentarische Biographie des
Kapellmeisters Kreisler’ (unvollendet) und ‘Schnellpfeffers Flitterwochen vor der Hochzeit’ (kaum
begonnen). Harich analysiert und bespricht diese Dichtungen mit großer Hingebung und mehr¬
fach mit großem Glück, • so daß kein Freund Hoffmanns — den Referenten durchaus einge¬
schlossen — diese Ausführungen ohne Bereicherung lesen wird. Neben der Biographie Kreislers
kommen auch die Elixiere zu ihrem Recht, die ich infolge einer entschiedenen Vorliebe für
jene nie ohne Vorurteil habe lesen können; Harich weiß auch nach den glänzenden Ausführungen
in Paul Suchers klassischem Hoffmann-Werk von 1911 (das ihm anscheinend unbekannt ge¬
blieben ist) ausgezeichnete Bemerkungen über den Roman zu machen. Und den drei großen
Märchen .reiht er. mit Recht _ajs wartes .den, •Meister Hgh; .a m dem j^L .abgfiatofi.«ia.Affich-dig
Unausgeglichenheit der,stückweise entsta ndenen Teile , nicht ganz gerecht geworden war.
Auch die geringeren Werke Hoffmanns finden durchweg eine eingehende und in der Regel
zutreffende Beurteilung.
Freilich überschreitet Harich gelegentlich seine Kompetenz, indem er Anläufe zu historischer
und literarhistorischer Kombination nimmt. Für beides nur je zwei Beispiele: 1) Harich bezweifelt,
ohne einen Grund dafür auch nur anzudeuten, Hitzigs Zeugnis, daß die Sängerin Bettina, die
Heldin des ‘Sanctus’, eine ihm (Hitzig) befreundete Dilettantin war (Holtze hat sie 1910 identi¬
fiziert mit Betty Marcuse). 2) Er hält den modernen, von Kleist und Arnim als Jakobiner
verabscheuten Verwaltungsbeamten Hardenberg für das Modell des depossedierten Duodez¬
fürsten Irenaus, weil jener [gleich seinen Nachfolgern Bismarck und Bülow] ebenfalls mit den
I E. T. A. Hoffmann. Das Leben eines Künstlers, dargestellt Ton Walther Harich. 2 Bände. Berlin, Reifi [1920].
Lex.-8°. 290, 386 S., 7 Bl.
Jahren den Fürstentitel erlangt hat. 3) Harich führt mit besonderem Nachdruck an einer
ganzen Reihe von Stellen die innerlich und äußerlich gleich unmögliche Hypothese vor, daß
das Tragment aus dem Leben dreier Freunde’ (das im Herbst 1816 in Berlin aus einer auf
den Tag feststellbaren Beobachtung entstand) auf die Leipziger 'Scenen aus dem Leben zweier
Freunde’ zurückgehe: ein dritter Freund sei eben in Berlin hinzuerfunden 1 4) Er erklärt es
für „keineswegs ausgeschlossen", daß Kind (der Handlung und Titel des ‘Freischützen’ bekannt¬
lich dem Gespensterbuche seiner beiden nächsten Freunde Apel und Laun entnahm) erst
durch Hofifmanns Dichtungen zu seinem Text angeregt worden sei. Ein seiner Verantwort¬
lichkeit bewußter Forscher würde so unsubstantiierte Vermutungen zum mindesten nicht aus¬
sprechen, selbst wenn sie ihm einen Augenblick durch den Kopf gehen sollten.
Dagegen weiß Harich gut Bescheid in der Kunst und Musik von Hofifmanns Zeit und
versteht es vortrefflich, die Urteile des Dichters in ihrer Freiheit und ihrer Befangenheit zu
würdigen. Freilich macht er Ellingers auf sorgfältigster Prüfung beruhende Charakteristik des
Musikkritikers Hoflfmann (in Bd. 13 seiner ausgezeichneten Gesamtausgabe von Hofifmanns
Werken) keineswegs entbehrlich.
Im Ganzen ist Harich in seinen Ausführungen über Hofifmanns Werke ein Nachfolger,
wie ich ihn mir nur wünschen kann, indem er aus eigener Kraft ein stattliches Gebäude
errichtet, für das ich nur den Grundriß gezogen habe.
II. Hofifmanns Leben.
Der biographischen Arbeit im engeren Sinne, die immerhin, dem Untertitel des Werkes
entsprechend, den größeren Raum einnimmt, kann ich dagegen ein auch nur ähnliches Lob
nicht erteilen. Denn hier ist von einer eigenen Leistung kaum die Rede. Harich hat erstens
nicht eine einzige Tatsache selbständig ermittelt, zweitens hat er kaum einen von Hofifmanns
Bekannten neu geschaut, drittens hat er — und das scheint mir den Ausschlag zu geben —
den ganzen Aufbau von Hofifmanns Leben fertig von mir übernommen.
Für meine eingehend kommentierte Ausgabe von Hofifmanns Briefwechsel und den (leider
noch nicht kommentierten) Abdruck der Tagebücher spricht Harich seine Anerkennung in
einer Weise aus, die mich und auch ihn selbst auf das höchste ehrt. Aber was er sonst von
meinen Arbeiten übernommen hat, wird (trotz gelegentlicher Zitate für Einzelheiten) seinen
Lesern schwerlich auch nur entfernt klar werden 1 ; die eingangs genannte Rezension des klugen
und keineswegs voreingenommenen Kurt Aram beweist das. Ich muß also, so peinlich das
ist, hier persönlich meine Sache fuhren.
Die Skizze von Hofifmanns Entwicklung, die ich 1902 im Kreislerbuch gegeben hatte,
habe ich in der Folge im einzelnen berichtigt und näher ausgeführt in den Vor-, Zwischen-
und Nachbemerkungen zu Hofifmanns Briefwechsel (im Druck seit 1904, erschienen 1912);
ich verweise insbesondere auf die lange Note am Fuße der Seiten XLV/VII des ersten Heftes,
auf die drei dort zitierten Schmutztitel des zweiten Heftes und auf den Exkurs des dritten
Heftes „über die zweckmäßigste Anordnung einer Gesamtausgabe von Hofifmanns Schriften“
(S. 677—84), insbes. die Abschnitte 1 und 3 C. Das Bild, das auf diesen Seiten von der
Entwicklung des Dichters Hofifmann gegeben wird, kontrastiert auf das lebhafteste mit dem
1823 von Hitzig entworfenen und 1894 von Ellinger in allem wesentlichen übernommenen.
Harich copiert es Zug für Zug mit Einschluß der Schlagworte ‘Juliens Seelenbräutigam’ für
den Dichter der Jahre 1810—22 und 'Der Vizekopf’ (in Anlehnung an einen immerhin etwas
anders gemeinten Scherz Hofifmanns) für das produzierende Organ des Unterhaltungsschrift¬
stellers der Jahre 1818—22.
So hatte ich gewissermaßen das Fachwerk oder, m(t einem moderneren Bilde, die Eisen¬
konstruktion für eine Biographie des Dichters bereitgestellt. Harich hat diesen Rahmen mit
den gleichfalls fast ausnahmslos von mir aufgesuchten, gebrochenen und behauenen Werk¬
steinen ausgefüllt — wobei es freilich, wie es bei einer solchen Arbeit von zweiter Hand
natürlich ist, nicht ohne eine Anzahl von Lücken und Fehlgriffen abgeht, auf die im einzelnen
einzugehen hier nicht der Ort ist. Einige Wände und Erker konnte er aber bereits fix und
fertig aus meinen Beständen übernehmen, wie noch kurz zu zeigen ist:
Einerseits habe ich einzelne besonders schwer erkennbare Perioden von Hofifmanns Ent¬
wicklung in selbständigen Arbeiten erzählenden Charakters dargestellt — wiederum in schärf-
I Wenn Harich auch »eiten so weit geht, eine handgreifliche Anleihe ausdrücklich äbzuleugnen: s. II 197 Z. 16—14
v. u. und vgl. dazu die Ausführungen auf der zweiten Hälfte der folgenden Seite über das der 'Brautwahl'- Fabel
zugrundeliegende Jugenderlebnis Hoffmanns, die fast Satz für Satz aus meinem Nachwort zur 'Brautwahl' stammen.
593
[71]
stem Gegensatz zu den Meinungen des neunzehnten Jahrhunderts und mehr auf Grund von
z. T. gewagten Kombinationen als von aufgefundenen Dokumenten: so 1908 Hoffmanns Ver¬
hältnis zu der Cousine, die ich Minna Doerffer nenne, (Mitte 1796 bis Anfang 1802) und
1913 die letzten Monate seines Aufenthalts in Posen und das Leben in Plock mit seinen
nervösen Anläufen zu künstlerischer Produktion (Anfang 1802 bis März 1804). Harich annektiert
beide Schriften in der Weise, daß ganze Bogen seines Werkes reine Auszüge daraus dar¬
stellen; er nennt aber nur die eine, und auch diese nur als Quelle für eine einzelne, durch¬
aus nebensächliche Feststellung.
Andrerseits habe ich an verschiedenen Stellen die wichtigsten Bekannten Hoffmanns
charakterisiert, wie sie mir persönlich nach jahrelangem intimen geistigen Umgänge erscheinen:
ich nenne die beiden Hippel, Härtel und Rochlitz, Kunz und Pückler. Harich übernimmt diese
teils in Verehrung und Liebe, teils in Haß und Hohn, in jedem Falle sicherlich sehr subjektiv
gezeichneten Charakterbilder mit Haut und Haaren. (Allerdings nennt er in diesen Fällen
meist seine Quelle; ich möchte aber — freilich nicht für die Dummen — in dem Sinne des
Skeptikers Nietzsche erklären, daß dies meine Meinungen sind, zu denen nicht so leicht ein
anderer das Recht hat.) Wo dagegen Harich nicht ein fertiges Portrait vorfand, wie bei Hitzig
und Hampe, da wird auch sein Leser bei ihm keins finden.
Im ganzen kann ich dem Biographen Harich das Zeugnis ausstellen, daß er das Lebens¬
bild geliefert hat, das ich nach Vollendung der Tagebuchausgabe Ende 1914 geliefert haben
würde, wenn ich damals der Forschung Valet gesagt und mich auf das ruhigere Gebiet der
Darstellung zurückgezogen hätte. Ich habe es aber auch nach dem Druck der Tagebücher
trotz schwerer Bedrängnisse für meine Aufgabe gehalten, die eigentliche Forschertätigkeit,
wenn auch in beschränktem Umfange, fortzusetzen 1 — auf die Gefahr hin, daß andere unterdes
die Äpfel von den Bäumen pflückten, die ich seit 1901 gepflanzt hatte.
Schriftstellerisch ist Harichs Bearbeitung auch der biographischen Partien im ganzen vor¬
trefflich. Der Druck des Buches ist gut und der Einband auch der wohlfeileren Exemplare
geschmackvoll. Das Papier ist dünn (wenn auch fest und kaum durchscheinend), sodaß das
Werk sehr gut in Einen Band hätte gebracht werden können; das hätte den Preis ermäßigt
und die Benutzung erleichtert, zumal nur ein Inhaltsverzeichnis (am Anfang des Ganzen) und
ein Register (am Schluß) gegeben wird.
Alles in allem ein schönes Buch. Doch wird man begreifen, daß ich persönlich es nur
mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge genießen kann, ähnlich wie Goethe die elegante,
noch heute begehrte Berliner Gesamtausgabe seiner Schriften mit den schönen Kupfern Chodo-
wieckis — ohne daß ich mich mit Goethe oder Harich mit Himburg vergleichen will.
I Von den in den Jahren 1915—17 beendeten biographisch-literarhistorischen Arbeiten, die Harich nicht mehr
benutzt hat, sind bisher erschienen:
1) 1916 der Aufsatz ‘Murr und sein Herr 1818—2z' (19 S., in der für den Insel-Verlag veranstalteten Sonderausgabe
von Murrs ‘Lebens-Ansichten’),
2) 1918 die Schrift ‘Drei Arbeiten Hoffmanns aus den ersten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms III. Nebst anderen
Mitteilungen aus Hoffmanns Leben, insbesondere Uber seine Beziehungen zum Berliner Theater unter Iffland und
seine Freundschaft mit dem schlesischen Musiker Johannes Hampe’ (80 S. Gr.-8°, bei Georg Müller),
3) 1921 biographische und ästhetische Anmerkungen (90 S. Gr.-8°) 2u ‘ZwBlf Berlinischen Geschichten Hoffmanns aus
den Jahren 1551—i8r6' (ebenda).
[ 206 ]
595
HOFFMANNS ERSTE LIEBE
Nach den Urkunden dargestellt.
Ä Vorbemerkung
(s der jüngere Hippel nach Hoffmanns Tode Hitzig Material zur Biographie des Freundes sandte,
hatte er „aufs schonendste versucht", die Geschichte von dessen erster Liebe zu erzählen,
die den 18 — 20 jährigen „schnell und über seine Jahre hinaus" entwickelt hatte. Hitzig strich jedoch
alles, woraus sich ergeben konnte, daß es sich um eine Ehefrau und um physischen Liebesverkehr
handelte. Hippel quittierte darüber mit den Worten: „Daß Sie der Liebesgeschichte, die übrigens
auf Hoffmanns ganzes Leben von dem entschiedensten Einflüsse ge¬
wesen, die bessere Wendung gegeben, dank ich Ihnen herzlich. S i e mußten indessen von der
Wahrheit unterrichtet werden." — In sein Handexemplar von Hitzigs Buch trug Hippel als Namen
der Geliebten ,,M(ad), Hatt" ein/ Hippels Enkel Theodor Bach teilte diesen kurzen aber vielsagenden
Eintrag 1863 in der Biographie seines Großvaters mit.
Die Hauptquelle für das Verhältnis sind aber Hoffmanns Briefe an Hippel. Leider
kennen wir diese nur aus Hippels Auszügen für Hitzig, die alle kompromittierenden Stellen
durch lange Reihen von Gedankenstrichen ersetzen, alle Namen mit — — oder bestenfalls mit den
Anfangsbuchstaben angedeutet. Hitzig hat dann für den Druck auch dieses Material in der oben
angegebenen Weise weiter zusammengestrichen.
Hippels Briefauszüge und seine eigene Darstellung sind von mir 1901 in Hitzigs Nachlaß auf¬
gefunden und 1912 in dem Bande „Hoffmann und Hippel. Das Denkmal einer Freundschaft" veröffentlicht.
Auf S. XLI dieser Publikation habe ich Hippels Darstellung aus den Briefen Hoffmanns dahin ergänzt
bzw. berichtigt, daß Hoffmann die Heimatstadt und damit auch Ostpreußen verlassen hat wegen der
Folgen, die ein Mitte Januar 1796 durch sein Verhältnis zur Hatt veranlaßtes <sonst nicht näher be¬
kanntes) Renkontre gehabt hatte. Eingehender erwiesen habe ich diesen Zusammenhang 1914 in den
„Fragmenten einer Biographie Hoffmanns" St. 1 S. 11/12 Note.
Die äußeren Tatsachen, Namen und Daten sind erst in derZeit vom September 1918 bis
zum Mai 1919 ermittelt aus Königsberger öffentlichen Urkunden (Kirchenbüchern und Testamenten,
Grundakten, Besatzbüchern und Servis<-Steuer)-Anlagen> und periodischen Drucken (Adreßbüchern,
den „Gelehrten und Politischen Zeitungen", den „Staats-, Kriegs- und Friedens-Zeitungen", den
„Preußischen Provinzial-Blättern")/ diese Quellen sind zum größeren Teile von dem Kant- und Hamann-
Forscher ArthurWarda, zum kleineren Teile von mir selbst durchgesehen. Dabei ergaben sich
namentlich drei Tatsachen: 1 . Dora Hatt war fast ein Jahrzehnt älter als Hoffmann, 2 . sie hat jahre¬
lang mit ihm im selben Hause gewohnt, 3 . sie ist erst 1800 , zwei Jahre nach dem Bruch mit
Hoffmann, von Hatt geschieden worden. Hippel dagegen hatte geglaubt, Dora sei schon „etwa
1799 — 1800 " als Gattin des zweiten Mannes gestorben/ die ersten beiden Fakten hat er überhaupt
nicht gestreift.
Die Geliebte erscheint in Hoffmanns Briefen in der Regel als „s i e" oder als „die Inamorata",
ein- oder zweimal unter dem nom de guerre Cora (wie in „Hoffmann und Hippel" S. 338 angedeutet,
nach Marmontel-Kotzebues peruanischer Sonnenpriesterin, die dem Spanier Alonzo zuliebe ihr Keusch¬
heitsgelübde bricht). Wenn die Hoffmannbiographen seit Grisebach sie daraufhin Cora Hatt
nennen, so ist das eine ebenso unzulässige Mischung von Fiktion und Realität wie „Ottfried Wenzel
Dörffer" oder „Ottilie Herzlieb" oder „Diotima Gontard". Bürgerlich heißt sie Johanna Dorothea
Hatt, abgekürzt Dora Hatt/ ihr poetischer Name ist Cora ohne einen Familiennamen.
Über Nebenpersonen (wie Doras Stiefmutter, Doras zweiten Gatten und dessen Kinder) berichte
ich hier absichtlich nur andeutungsweise. Die Zitate sind in Schreibung und Interpunktion frei behandelt.
596
I.
[ 207 ]
Wie Ferdinand Josef Schneider in seiner Biographie des älteren Hippel ausführt, beginnt
die Königsberger chronique scandaleuse mit der Zeit der russischen Okkupation <Januar 1758
bis August 1762). In die „Heimstätte solidester Bürgerlichkeit" brach plötzlich „ein fremdes
Volk, das erst kürzlich mit der europäischen Kultur etwas vertrauter geworden war und
sein Barbarentum mit dem äußerlichen Glanz derselben eiligst übertüncht hatte. Das zeigten
vor allem die russischen Offiziere . . . Der Geist französischer Frivolität, der sich in die
einzelnen Gesellschaftsklassen unter der Maske mondäner Manieren unvermerkt eingeschlichen
hatte, brachte nach und nach auch in den vornehmem Familien Frauen und Mädchen er»
barmungslos zur Strecke. Der Umschwung war eben zu rasch erfolgt. Während ehedem
der Pietismus mit seiner asketischen Strenge gerade der Frau den Bewegungskreis aufs engste
Zuschnitt, machte die neue Gesellschaftsmora! die raffinierteste Entfaltung weiblicher Künste
zur Pflicht , . . Die böse Saat, die durch das verführende Beispiel im Gesellschaftsleben der
Hauptstadt immer weiter verstreut wurde, hat darin auch noch langhin verderbliche Früchte
hervorgebracht. Über ein Jahrzehnt noch bilden Ehebruchsaffären das ständige Thema des
Stadtklatsches wie der freundschaftlichen Korrespondenz", <A. a. O. S. 80. 82.)
Es ist in der Tat erstaunlich, wie leichtherzig man sich in jener Zeit in Königsberg
freite, sich scheiden ließ und von neuem heiratete.
Wohl in der Russenzeit hatte der Königsberger Tuchhändler Johann Friedrich Schlunck
<f 1794, Vorsteher des Altstädtischen St.»Georgen=Hospitals> eine Witwe Geritz geheiratet,
die mindestens doppelt so alt gewesen sein muß als er selbst. Vermutlich war sie recht
wohlhabend, doch hatte sie aus erster Ehe einen Sohn. Als sie 1765 ins 78. Lebensjahr
getreten war, ward er ihrer überdrüssig, zumal er ein noch vermögenderes junges Mädchen,
Dorothea Adelgunde Horn, kennen lernte. Im November des genannten Jahres ließ er sich
scheiden, im Februar des folgenden nahm er Dorothea Adelgunde zum Weibe. Von dieser
erhielt er eigene Kinder: am 22. Oktober 1766 Johanna Dorothea, 1768 Adelgunde
Friderica/ von ihrem Eingebrachten konnte er ein Haus in der Altstädtischen Langgasse
<die jetzige Nr. 22> und einen Speicher in der Vorstadt erwerben. 1775 starb die Frau,
und die zweite Tocher scheint ihr bald nachgefolgt zu sein.
Für die Zeit von 1775—1784 versagen einstweilen die zeitgenössischen Quellen. In
dieser Zeit verehelichte Schlunck sich zum dritten Male, mit einer Tochter des als Anhänger
Gottscheds bekannten Professors Flottwell, und seine Tochter Johanna Dorothea oder Dora
ward, wie der jüngere Hippel 1822 berichtet, „fast ein Kind, an den Gatten gefesselt, der
beinahe dreimal so viel Jahre zählte wie sie", nämlich den Weinhändler Johannes Hatt.
Immerhin wurde Gütertrennung vereinbart,- Dora blieb, was in der Folge nicht aus den Augen
zu lassen ist, die wohlhabende Tochter ihrer Mutter.
Im Dezember 1784 errichteten die Eheleute Hatt in ihrer Wohnung ein wechselseitiges
Testament. In dieser — leider nicht bekannten — Wohnung hat Dora wohl mehrere Kinder
geboren, darunter Ende der 80er Jahre eine Tochter Amalie, der wir ganz am Schluß
unseres Berichtes begegnen werden.
[208]
597
Etwas später sehen wir die „in Königsberg viel gekannte Frau" als Gast in dem
Dörfferschen Hause <jetzt Poststraße 13), in dem Hoffmann aufwuchs. Im Januar 1796 schreibt
dieser seinem Freunde Hippel: „Denke noch zurück an meinen Einsegnungstag, wie
ich mit Dir einsam im kleinen Stübchen saß, und sie trank Kaffee in der andern Stube!
Offenbar zum Narren hätte sich der Wundermann gemacht, der mir aus der Hand oder aus
dem Gehirnkasten nach L'hombre-Karten'gesagt hätte: ,Sie liebt Dich, Du wirst sie lieben!“
II.
Bald war Dora nicht nur Gast im Hause. 1792 zogen ihr Gatte, der jetzt ein Fünfziger
war, und sie, jetzt 26 Jahre alt, als Mieter ein. Hoffmann hatte soeben, zu Ostern, mit
sechzehn Jahren die Schule verlassen. Schon im folgenden Jahre kaufte Hatt allerdings ein
Doppelgrundstück in der Nähe <jetzt Junkerstraße 1 und Paradeplatz 11>, doch wurde die
Übergabe erst auf Ostern 1794 angesetzt, und solange ist das Ehepaar wohl im Dörffer-
sehen Hause geblieben. Das jüngste Kind, Caroline Wilhelmine, wurde <1794/95) schon
in der neuen Wohnung geboren.
Das erste Symptom einer Zerrüttung der Hattschen Ehe erscheint unterm Herbst 1793
in den Akten: die Eheleute lassen sich das vor neun Jahren errichtete Testament zurück¬
geben, um es durch ein Kodizill zu modifizieren.
Hoffmann hatte schon als Knabe von dreizehn bis vierzehn Jahren „auf einem alten
Flügel phantasierend oder eigne Kompositionen versuchend" Aufsehen erregt/ seine Musik¬
versuche „waren genial, kühn, aber oft: bizarr". Als Student verdiente er sich durch Musik¬
unterricht ein Taschengeld. Die „reizende" Hausfreundin, nun zur Hausgenossin geworden,
„voll Sinn und Gefühl für die Künste", suchte die Unterweisung des begabten Jungen, „und
aufs schnellste ergriff ein verzehrendes Feuer, angefacht durch die Ähnlichkeit der Neigungen
und die Heimlichkeit dieses Verhältnisses, zwei gleichgestimmte Herzen". Die 9 l /4 Jahr
ältere Frau „schenkte ihm ihre Gunst, und er ergab sich ihr mit der vollen Lebendigkeit
frisdher Jugend . . . Eine neue Welt war ihm aufgegangen, aber zugleich war er in ein
Meer geraten, dessen Wogen den Ankerlosen hin und her warfen. Er hatte ein Herz ge¬
wonnen, das er sein nennen und doch nicht besitzen durfte/ im täglichen Wiedersehen lag
das tägliche Scheiden, und mit der Fülle des Genusses mischte sich die Gewißheit des sichern
Verlustes. Mit dem Becher der höchsten Lust der Liebe wurden ihm ihre bittersten
Qualen beschieden."
Neben einer weiblichen Vertrauten, die die Liebenden einander näher brachte und die
sich anscheinend später zwischen sie gestellt hat, war Hippel eingeweiht in das Verhältnis.
Im August 1797 schreibt ihm Hoffmann aus Glogau: „Erinnerst Du Dich noch der ersten
Zeit jener Liebe, als Du mich wenig sahst und ich so stumm und verschlossen wurde —
als ich endlich Dir alles sagte und Du mich mit unendlicher Schonung auf das Auffallende
unseres Verhältnisses aufmerksam machtest?" Vielleicht auf dieselbe Unterredung bezieht
sich die Erinnerung aus dem September 1795: „Ewig werd ich an den einen Gang aus
Amau mit Dir denken. Du weißt, wie mein volles Herz da überfloß, wie ich Dir da so
alles klagte, was in meiner Brust nagte. Ach, das alles hat sich nicht geändert/ über das
alles seufze ich noch." Hoffmann dankt Hippel für seine Duldsamkeit: „Du bist vielleicht
598
[209]
der einzige, der nichts arges gegen midi im Sinne hatte und der midi keinen Narren heißt,
weil ich es wagte, gegen die Konvention zu lieben. Du allein beurteilst midi da mit
Schonung, wo andern der Verdammungssprudi so leicht wird."
Das „Auffallende", „gegen die Konvention" verstoßende dieser Liebe lag einmal darin,
daß die Geliebte in festen Händen war, zum andernmal darin, daß sie fast ein Jahrzehnt
älter war als der Liebhaber. Natürlich mußte Hoffmann beides immer wieder aufe neue
zum Bewußtsein kommen. Er denkt an beides, wenn er <April 1797> schreibt: „Ich werde
geliebt/ ich liebe/ aber ein Fluch derNatur liegt auf diesem Verhältnisse. Warum mußte
ich so spät geboren werden! . , . Warum war's mir nicht aufbehalten, zuerst das Herz auf¬
zufinden, das sich an meins schmiegte!" Audi geht es auf den Altersunterschied, wenn er
an der bereits zitierten Stelle schreibt, er würde an seinem Einsegnungstag den für verrückt
erklärt haben, der ihm geweissagt hätte, daß er einst die Dame lieben würde, die mit den
anderen Erwachsenen im Nebenzimmer Kaffee trank. Und eine Lieblingsbeschäftigung des
armen Jungen war es, sich auszumalen, wie die geliebte Frau wohl vor zehn, fünfzehn
Jahren als junges Mädchen ausgesehen habe.
Mehr noch fraß an seinem Herzen der Zwang, sein illegitimes Glück zu verstecken
und zu verleugnen. Im Herbst 1796 schreibt der Zwanzigjährige im Rückblick auf zwei,
drei Jahre süßer Qual: „Ich bin schon sehr glücklich gewesen, mein Theodor! Oft und
meistenteils war mein Glück verborgen dem Menschenpöbel: Konvention und die unglück¬
seligsten Verhältnisse brandmarkten es als unerlaubte Konterbande ... Ich entschlüpfte
ihnen auf Kosten meiner Ruhe, und eine gewisse Kindlichkeit in meinem Charakter,
ein Zutrauen zu allem, was mich umgab, ging verloren ... Ich Stürmischer wurde ge¬
zähmt durch die Heimlichkeit, in die sich alles hüllen mußte."
Wir sehen mit Hippel: „Er fühlte es tief, wie sehr dieses Mißverhältnis an seinen
edelsten Kräften zehre, und verdankt er dieser Zeit gleich die vertraute Bekanntschaft mit
den Tiefen des menschlichen Herzens, die wir in seinen Schriften wiederfinden, ... so brachte
doch das Bewußtsein dieser Lage, wenn er dazu gelangte, eine Zerrissenheit in seine Seele,
deren Wunden bis an seinen Tod noch kenntlich waren."
Um die Tragikomödie zu runden, sei nicht verschwiegen, daß der junge Liebhaber
nicht nur auf den Ehemann seines Idols eifersüchtig zu sein hatte. Das offenkundige
Unglück und die Schönheit der jungen Frau hatten auch die Herzen Dritter entflammt,
und solche waren es anscheinend, die Anfang 1795 und Anfang 1796 Hoffmann in ernstliche
Gefahr brachten.
III.
Die Briefe, die Hoffmann vom Oktober 1794 bis zum August 1797 an Hippel ge¬
richtet hat, geben ein unvergleichliches, nur durch Hippels Kürzungen beeinträchtigtes Bild
seines leidenschaftlichen Herzens, in dem beständig die Gestalten des Freundes und der Ge¬
liebten um die Oberhand ringen. Wir schreiten im folgenden an Hippels Hand den Leidens¬
weg dieser Liebe in seinen sieben Abschnitten ab, dankbar für das, was der Führer uns
zeigt — wenn er auch jedesmal da, wo wir näher hinsehen möchten, uns die andere Hand
vor die Augen hält. Wenn es erlaubt ist, Hippels anspruchslose Mitteilungen mit Schöpfungen
höchster Kunst zu vergleichen, so möchte ich sagen, daß unser diskreter Gewährsmann
599
[ 210 ]
ebenso verfahrt, wie es nach Lukäcs' klassischer Charakteristik der Lyriker Stefan George
tut: er zeigt „nur die Bereicherung der Seele, nicht aber des Reichtums Quellen/ . . .
nur die Marter der Trennungen, nicht aber, was es hieß miteinander zu gehen/ nur die
stürmischen Seligkeiten des großen Händereichens <Mai 1797!) . . .,• nur die süße
Melancholie des Gedenkens (Ende August 1797!)/ er beleuchtet Hoffmanns erstes großes
Erlebnis so, „daß nur das Spiel der Lichter und der Schatten uns ergötzt und nie ein
Umriß sichtbar wird im feurigen Helldunkel".
1. Die Liebe im Schatten der Freundschaft: Herbst 1794 bis Ostern 1795
Hippel hatte im Herbst 1794 sein Studium durch Ablegung des ersten Examens ab*
geschlossen und sich zur Erholung auf drei Vierteljahre zu seinem Vater begeben, der Pfarrer
zu Amau bei Königsberg war,- HofFmann bereitete sich unterdes zu seinem eignen Examen
vor. Von den zahlreichen Briefen, die er in diesen drei Vierteljahren nach Amau schrieb,
sind uns nur elf — und diese, wie gesagt, nur mit wesentlichen Streichungen — bekannt.
Die Empfindungen für die Hatt erscheinen darin temperiert/ es scheint, daß sie sich in der
Tat erst entwickeln. Die Sehnsucht nach dem Freunde dagegen steigert sich gerade in
dieser ersten Zeit der Trennung bis zum leidenschaftlichen Schmerze.
Von seinem Verhältnis zur Hatt plaudert Hoffmann Mitte Dezember 1794: „Alle
meine Damenbekanntschaften schränken sich auf ein paar Worte Gespräch ein — eine
ausgenommen"/ in den Weihnachtsferien werde er zu Hause bleiben „und höchstens meine
Inamorata sprechen .... Unter andern mal' ich jetzt auch für sie zum Weihnachtsangebinde
ein modernes Nähkörbchen" — bürgerlicher kann man seine Gefühle nicht äußern. In der
Tat gibt er zu: „Daß ich meine Inamorata so ganz mit all dem Gefühle liebe, dessen mein
Herz fähig wäre, daran zweifle ich sehr. Nichts wünsche ich aber weniger, als einen
Gegenstand zu finden, der diese schlummernden Gefühle weckt: das würde meine behagliche
Ruhe stören ... ich erschrecke schon, wenn ich nur an den Troß denke, der solch' einem
Gefühl auf den Fersen folgt: da kommen Seufzer, bange Sorgen, Unruhe, melancholische
Träume, Verzweiflung pp — ich meide daher alles, was so etwas involvieren könnte. In
jeder Empfindung für Cora zum Beispiel hab' ich gleich irgend eine komische Posse zur
Surdine, und die Saiten des Gefühls werden so gedämpft, daß man ihren Klang gamicht
hört." Entsprechend dieser Altklugheit hatte der Achtzehnjährige vorher die Forderung
aufgestellt: „Nie muß der Kopf dem Herzen schaden, nie muß aber auch das Herz mit dem
Kopfe davon laufen: das nenn' ich Bildung!" Wir werden sehen, wie lange diese
Schulweisheit vorhielt.
Bei einer Zusammenkunft in der ersten Hälfte des Februar 1795 sagte Hippel arglos dem
Freunde, daß er sich freue, zum Sommer als junger Beamter fortzugehen nach Marienwerder.
Diese Äußerung traf Hoffmann um so tiefer, als er damals fürchtete, auch die Geliebte zu verlieren.
Am 19. Februar klagt er: „Mich verläßt alles/ auch sie wird mich verlassen: bald naht
sich ein kritischer Zeitpunkt, der sie mir vielleicht auf immer entrückt. Ich glaubte durch Dich,
durch Deinen Umgang mancher Last mich zu entledigen, die mich zentnerschwer drückt/
aber das ist alles jetzt vorbei. Glaube mir, daß es lange nicht so schmerzhaft ist, alles zu
verlassen, wie von allen verlassen zu werden. Schlaf wohl!" Vier Tage darauf, am 23.,
600
[ 211 ]
malt er, ein echter Romantiker, im vollen Bewußtsein der Unmöglichkeit dem Freunde
ausführlich aus, wie herrlich es wäre, wenn sie den kommenden Sommer gemeinsam in Arnau
verbrächten. Dann kommen die Worte: „Ach Freund, daß wir nicht können wie wir
wollen ... O süße Wonnezeit des Rosenmonds! Für mich werden die Rosen nicht
blühen/ umsonst wehen mit leichten Fittigen Zephyre mir Deine balsamischen Düfte zu.
Einsam, ohne Freund, ohne Geliebte wird jede Stunde neuer Gram mein Herz durchbohren."
Aber den Freund wird er schmerzlicher vermissen als die Geliebte. Am Tage darauf, dem
24., schreibt er: „Wenn ich sage, daß Du mich mehr interessierst. Bester, daß Du mir mehr
am Herzen liegst als alles übrige in der Welt, daß ich alles aufopfern möchte um Dir zu
folgen .... dann sage ich Dir eine heilige . . . Wahrheit: wir sind für einander geboren."
Darauf malt er sich von neuem den imaginären Sommeraufenthalt in Arnau aus!
Ende Februar hatte Hoffmann nach Hippels Angabe „ein Renkontre mit einem Neben»
buhler", das ihn nicht nur in Gefahr brachte, die Geliebte zu verlieren. Am 28, berichtet
er dem Freunde : „Meine Inamorata werde ich vermutlich gamidht mehr oder doch wenigstens
sobald nicht sprechen <folgt der Anlaß, von Hippel gestrichen). Sollte ich . . . den . . .
Kabalen unterliegen, so habe ich Dich noch . . . Sollte gar mein Leben in Gefahr kommen,
so verlass' ich mich auf meinen Mut. . . Sollte ich endlich doch ein Opfer seiner . . . Bosheit
werden, so weine Deinem Freunde eine mitleidige Zähre und sei der Vollführer einiger
kleiner Anordnungen". Im selben Brief finden sich leidenschaftliche Beteurungen, daß er den
Freund der Geliebten weitaus vorziehe: „Du bist mir viel, mehr als alles Übrige in der
Welt. Wärmer noch schlägt mein Herz für Deine Freundschaft als für jene so unglückliche
Liebe — denn unglücklich ist sie auch auf alle Fälle. ... ich liebe Dich, ich bete Dich an.
Du bist der Einzige, der die innern Regungen meines Herzens versteht, dessen ganze Seele
sich so sanft der meinigen anschmiegt. . . . Mit Dir ziehe ich gern in eine Einöde: ich
verlange dann keinen mehr zu sehen, keinen zu hören als Dich. . . . Freund, innig geliebter,
ich sag's Dir feierlich und ernst: gern opfere ich die Geliebte und alles, wenn
ich Dich mir erhalten könnte. Wie gern folgt' ich Dir nach Marienwerder!
. . . Für Dich möcht' ich mit froher Miene mein ganzes scheinbares Glück aufopfern ....
Welche Seligkeit liegt in dem Gedanken, mit Dir vereint allen gewiß infamen <!> Verhältnissen
auf ewig entsagen zu können! Und Du glaubst einen Augenblick, sie könne mich zurück»
halten Dir zu folgen? O wie so unwürdig meiner innigen Freundschaft gegen Dich wäre
dies! Nein, selbst bei der glücklichsten, ungestörtesten Ruhe hätte s i e mich nie zurück-
gehalten." Der Brief schließt im zartesten Ranissimo: „Schlaf wohl, lieber, einziger, teurer
Freund! Süße Träume, reizende Bilder einer frohen Zukunft mögen Dich umgaukeln!
Geisterartig walle bei Dir vorüber der Genius Deiner Dir Lieben! Fühlst Du ein leises
Säuseln der Lüfte, ein leises Hin» und Herwehen, ein Flüstern gleich dem murmelnden
Geräusch eines fernen Baches, so ist's mein Genius, der Dich umschwebt — denn alle
Nacht bin ich bei Dir. Dich und sie, öfters noch Dich allein seh', hör' und fühl'ich
in langen Träumen. Schlaf wohl!"
Unterm 4. April teilt Hoffmann dem Freunde mit, daß er am gestrigen Karfreitag
in einem geistlichen Konzert, das „sehr voll geputzter Damen" war, „einige Worte mit ihr"
gesprochen habe.
[212] 601
2. Die Liebe stärker als die Freundschaft: Herbst 1795 bis Mitte Januar 1796
Auf diesen Brief läßt Hippel in seiner Handschrift von 1822 einen vom 22. September
folgen. „Eine Menge Briefe aus der Zwischenzeit", bemerkt er dazu, „sind nicht fürs
Publikum." In dieser Zwischenzeit hatte Hippel <im Juni) endgültig die ostpreußische Heimat
verlassen, um in Marienwerder den gerichtlichen Vorbereitungsdienst anzutreten, und Hoffmann
hatte <im Juli) seinerseits das erste Examen bestanden. Für den Vorbereitungsdienst
vereidigt wurde er erst Ende September,- er trat ihn nicht in Marienwerder an, sondern
in Königsberg — wir wissen nicht, ob freiwillig oder gezwungen.
■ Am 22. September schreibt Hoffmann an Hippel: „Die Wunden, welche schon fast
geheilt waren, sind durch neue Vorfälle wieder aufgerissen, und ich zweifle nicht länger an
ihrer Unheilbarkeit." Das folgende hat Hippel gestrichen. Wir lesen dann nur, der
Briefschreiber habe die Nachricht erhalten, „daß alles wieder beim alten wäre, daß alle Szenen
erneuert würden". Es folgen leidenschaftliche Klagen darüber, daß er sich nicht mit dem
einzigen Freunde darüber aussprechen könne. Aber „wenn das, was mich hier so gefesselt,
was den höchsten Lebensgenuß mir giebt, wenn idi das verlieren sollte, dann fliehe ich zu
Dir ... ich wohne, wenns möglich ist, dicht bei Dir oder doch wenigstens in einem
Hause mit Dir".
Unterm 26. Oktober heißt es dann ganz entgegengesetzt: „Ich wünsche, daß Du einst
ein Mädchen mit der ruhigen sanften Empfindung, die aber nie anders als nach ausgestandenen
Stürmen sich unsers Herzens bemeistert, so lieben magst wie ich meine Inamorata. Es ist
nicht das Toben einer wilden, alles verzehrenden Leidenschaft, es ist das sanftere Feuer
eines innigen Gefühls, welches mich an sie fesselt. Um dies alles nicht in meinen
Verhältnissen lächerlich zu finden, muß man sie ganz kennen, und auch nur Dir, Du Einziger,
der mich versteht, sage ich dies" <folgt eine Lücke). Wie ein späterer Brief <vom Februar
1796) ergibt, sah Hoffmann in dieser ruhigen Zeit die Geliebte regelmäßig an jedem Montag.
Am 19. Dezember schreibt er (anscheinend rein literarisch^hypothetisch im Anschluß
an ein Gedicht): „wenn ... die Geliebte, die mir alles war, mich hintergangen, mich vergessen
hätte, welch eine gute Gottheit würde mich dann vor Verzweiflung schützen?" Es folgt
ein von Hippel gestrichener Absatz. Am Abend, aus dem Theater zurückkommend, ergänzt
er den Brief durch einen Bericht, den Hippel wiederum gestrichen hat und dem eine vieL
deutige Ankündigung folgt: „Freund, wann werde ich mich endlich von all diesen bis zur
Nichtswürdigkeit kleinen Kabalen, von all den sonderbaren Verhältnissen losreißen und frei
und glücklich sein? . . . Wenn mir die Menschen den Kopf zu warm machen und ich dann
einen Geniestreich ins Große mache, so werden sie alle die Mäuler aufsperren
und mich mit der weisesten Schafsmiene für einen Narren erklären — woran ich mich aber
sehr wenig kehren werde" (der Rest ist wieder von Hippel gestrichen).
Jetzt hielt es Hippel an der Zeit, Hoffmann an seinen Brief vom 28. Februar zu
erinnern, oder wie er selbst es 1822 berichtet; „die Erkenntnis, daß er den sein Herz
zugleich lähmenden und anregenden Verhältnissen in Königsberg entrissen werden
müsse, entlockten dem Freunde ... die dringende Bitte, Königsberg zu verlassen und mit
ihm z sammen die Dienstbahn zu vollenden." Er schlug am 5. Januar 1796 Hoffmann
602
[213]
vor (wie dieser am 23. es wiedergibt), „das große Nest mit einem kleinen zu vertauschen,
weil dieses wärmer sei" und fügte hinzu, er, Hippel, habe bereits ein Zimmer (anscheinend
bei seiner eigenen Wirtin) für ihn reservieren lassen.
Aber um Hoffmanns Herz stand es jetzt anders als im Februar. Wie jener Brief
den Kulminationspunkt der leidenschaftlichen Freundschaft zu Hippel bedeutet, so kommen
wir jetzt zu dem heftigsten Ausbruch der ungfüddichen Liebe des jungen Menschen, dem
kein Fühlender sein Mitleid versagen wird. Ich muß um die Erlaubnis bitten, den Brief
zum größeren Teile herzusetzen, zumal der wichtigste Satz von Hitzig 1823 gestrichen und
erst 1912 von mir wieder hergestellt ist.
Sonntag, den 10. Januar 1796.
Vor drei Stunden habe ich Deinen Brief vom 5. Januar erhalten und schon
jetzt setze ich midi hin. Dir ihn mit unruhigem Herzen und von tausend quäl«
vollen Vorstellungen gemartert zu beantworten. Dein Plan in Rücksicht meines
Fortkommens hat midi gerührt, weil er mirs fühlen läßt, wie aufrichtig Deine
Freundschaft für mich ist. Mein Verhältnis mit — — ist dasselbe und vielleicht
enger als je: die Unannehmlichkeiten und Zänkereien haben eine gute Wendung
bekommen, nachdem eine gewisse Mittelsperson aufgehört hat, dumme Streiche
zu machen. Du hast alles in Anschlag gebracht, nur nicht, daß ich sie bis zum
Unsinn liebe und daß gerade das mein ganzes Unglück macht. — Du mußt midi
für den wankelmütigsten Menschen halten, wenn Du dies liest,- ich schäme midi
fast. Dir mehr von einer Sache zu schreiben, die midi zum Fangball der
heterogensten Launen macht, die midi vielleicht in Deinen Augen herabwürdigt
und lächerlich macht. Ich liebe sie und bin unglücklich, weil ich sie nicht besitzen
kann, weil in dem süßesten Genuß der Liebe ich qualvoll daran erinnert werde,
daß sie nicht mein ist — nicht mein sein kann. Sie, die ich über alles liebe,
ohne die für mich kein Glück blüht, keine Freude existieren kann, ist das Weib
eines andern — eines Menschen, der, ohne die Kostbarkeit zu genießen, die
er besitzt, sie nur ängstlich bewacht.
Da hast Du meine ganze Schwachheit. Ich weiß, daß Du, ohne midi
lächerlich zu finden, mich bemitleiden wirst: Du bist der einzige, dem ich die
Schwachheiten meines Herzens gern eröffne.
Unmöglich kann ichs verlangen, daß sie midi mit dem ausgelassenen
Grad von Schwärmerei lieben soll, die mir den Kopf verrückt: und auch das
quält midi. Und nun soll ich mich von diesem Gegenstände trennen — trennen
mit der vollkommenen Gewißheit, sie nie wiederzusehn? . . . Wäre sie frei,
so eilte ich zu Dir, denn alsdann hätt' ich den gewissen Zweck vor mir und
könnt' ihn erreichen/ aber jetzt! (Hier hat Hippel eine vermutlich wichtige
Stelle gestrichen. — Später fährt Hoffmann resigniert fort:)
Meine großen Pläne sind zu Ende . . . Mein Körper ist zu schwächlich,
um nicht mit der Seele mitzuleiden, und ich glaube gewiß, nicht dreißig Jahr
alt zu werden. Was dann nachher . . . geschieht, ist mir sehr gleichviel.
[214]
603
Also sei nur so gut, der Wirtin die Ausbietung der Stube zu erlauben:
idi werde nicht von hier mich entfernen, solange der Tod oder Sturm und
Braus mir nicht gewisse Leute aus dem Wege komplimentiert.
Meine Musik, mein Malen, meine Autorschaft — alles ist zum Teufel ge¬
gangen . . . Manchmal ist's mit mir ganz vorbei. . .
Bleibe Du in Marienwerder oder gehe nach Berlin,- werde alles — werde
viel mehr, als Du mit Deinen kühnsten Wünschen glaubst oder hoffst/ mich
laß hier in Königsberg mich verzehren: mit mir ist nichts anzufangen, das
siehst Du wohl. Ich kann nicht fort, ich will sie nicht verlassen, und sie
möcht' um mich vierundzwanzig Stunden weinen und mich dann vergessen —
ich sie nie! Ich bin schon zu allem verdorben — man hat mich um alles
geprellt, und auf eine sauersüße Art.
Lebe wohl, lieber Freund! Ich werde vielleicht so bald jetzt nicht schreiben/
nimm es nicht übel und verschone mich auch eine Zeitlang mit Briefen. Glaube,
daß ich Dich ewig, ewig schätzen und lieben werde! Lebe wohl, lieber, lieber
Freund!
Ewig bis an den Tod
Dein H.
ich bin krank, herzlich krank. Ein einziges Wesen könnte mein Arzt sein!
Vielleicht wird's wieder besser.
Montag <den 11. Januar) morgens.
Nimm doch nur nicht übel, daß ich so verworren geschrieben habe. Ich
hätte den Brief gar nicht abgeschickt, wenn's mir möglich wäre einen bessern
zu machen . . . Bester Freund, ich fühl' es, nur Du allein in der Welt verstehst
mich . . . Um mich her ist hier Eiskälte, . . . und ich brenne und werde von
meiner innern Glut verzehrt. Dein ganzer Plan macht mich unglücklich. Du
hast mir das Herz zerrissen! Überall seh' ich Unmöglichkeiten, und doch werd'
ich zu Dir hingezogen.
Ich erwarte bald einen Brief von Dir/ ich werd' auch bald wieder schreiben.
Leb' wohl, lieber Freund!
3. Vorbereitungen zur Trennung: Mitte Januar bis Mai 1796
In denselben Tagen hatte Hoffmann auf einer Redoute einen heftigen Auftritt, den
er später <s. u.) mit dem Worte ,Stierszene' bezeichnet. Er schildert ihn Sonnabend den
23, Januar dem Freunde und schließt mit den Worten: „Da hast Du in ein paar Kraft¬
zügen ein ganzes Gemälde — in ein paar Worten die Quintessenz des ganzen Un¬
glücks, welches mich quält . . . und mir Schlaf, Ruhe und Essen verleidet". Leider gönnt
uns Hippel nur dieses Nachwort/ das „Gemälde" selbst hat er gestrichen. Als Gegner
Hoffmanns haben wir uns auch in diesem Falle anscheinend nicht den Ehemann der
Geliebten zu denken, sondern einen Nebenbuhler, vielleicht einen Geheimen Rat M v
wenigstens sagt Hoffmann, sein Unglück peinige ihn „wie der G. R. M. die blasse C." <= Cora).
604
[215]
Wie dem auch sei, jedenfalls konnte Hoffimann nach diesem Vorfall nicht mehr
öffentlich zur Geliebten gehen: „aufgehoben ist aller Umgang zwischen ihr und mir",
schreibt er. Auf dem nächsten Blatte erklärt er das aber fröhlich für „eine Lüge" und
erläutert diesen verblüffenden Widerruf mit den Worten: „Dies wirst Du selbst bemerken,
wenn Du bedenkst, daß man, wenn's einem so recht am Herzen liegt, zum Fenster
hineinsteigt, wenn die Türe zugeschlossen ist. Freilich kann man den Hals brechen;
aber was ist ein Hals gegen das, was man drinnen fand!" Er setzte also heimlich
den Verkehr fort, der öffentlich abgebrochen war.
Immerhin nahm Hoffmann das Geschehene schwer genug, um seinen Fortgang aus
Königsberg nunmehr ernstlich ins Auge zu fassen. „Vermutlich", schreibt er, „wird's noch
unangenehme Auftritte setzen <hier hat dann Hippel wieder etwas gestrichen), und ich
fliehe in die Arme meines Einzigen"/ auch die Geliebte werde ihn nicht zurückhalten.
Am Abend des nächsten Tages <Sonntag den 24. Januar) schreibt er bestätigend, daß
sich „gewisse Pläne in meinem Kopfe immer fester setzen und ich mich sehr orientiere, in
Marienwerder meine eigendiche Karriere zu machen"/ er bittet Hippel um spezielle An¬
gaben über die Beamten und die Dienstverhältnisse in Westpreußen, da er vielleicht schon
im Laufe der nächsten drei Monate nach Marienwerder komme. Er sieht seinem Geburts¬
tag <der im Dörfferschen Hause wunderlicherweise erst am 25. Januar, statt am 24., ge¬
feiert wurde) mit Unmut entgegen: „Morgen wird man mich überraschen mit dem, was
mir von meinen Wünschen abgelauert wurde,- <Lücke: Angabe des Geschenkes, das
er von der Geliebten erwartet/) was hilft das, wenn sie selbst nicht da ist!"
Montag den 25. heißt es überraschend: „Sie kommt!" Eine Mittelsperson habe es
ihm angekündigt und erklärt, der Friede sei wiederhergestellt. „Wie der Sturm sich nun
wieder gelegt hat, welcher Genius öl in die Meereswogen gegossen hat, das weiß ich
nicht/ genug: sie kommt." Trotzdem bleibe es bei seinen Plänen, „und über kurz oder
lang, spätestens binnen einem Jahre komm' ich nach Marienwerder".
Als Nachschrift: „Sie hat diesen Brief gelesen, ist gerührt und bestellt tausend
Versicherungen wahrer Freundschaft an Dich."
Aber es hing nicht mehr von Hoffmanns eigenem Willen ab, ob er in Königsberg
blieb oder nicht. Am 22. Februar mußte er Hippein melden: „Die Stierszene auf der
Redoute, die ich Dir letzthin beschrieb, hat doch ernsthaftere Folgen gehabt, als ich
anfangs dachte" <das Folgende hat Hippel wieder gestrichen!). Hoffmann erklärte also
Anfang Februar seinen Verwandten <der Mutter und deren älterem Bruder), daß er
„schlechterdings nach Marienwerder wollte". Das wurde ihm abgeschlagen, offenbar da
man den heißblütigen Jüngling nicht ohne Aufsicht lassen wollte. So schlug er Glogau
vor, wo der jüngere Bruder seiner Mutter Rat am Obergericht war. Das wurde genehmigt,
und der Glogauer Onkel schrieb auf Anfrage, er werde den Neffen „mit offenen Armen
empfangen". Hoffmann ist einverstanden, zumal seine Hebe wieder herabgestimmt ist:
„Ein Glück, das meine Sinne und mein Herz mit niedlichen Gaukeleien amüsiert, kann
mich nicht mehr mit den diamantenen Banden fesseln, die es vor weniger Zeit um mich
schlug". Die Probe, auf die das Verhältnis gestellt wird, ist ihm ganz recht: „denn
welch eine Anhänglichkeit, welch eine Liebe wär' das, die in einer Entfernung von
605
[ 216 ]
78 Meilen erkaltete!" <Ein Zusatz ist wieder von Hippel gestrichen!) Freilich heißt es
dann gegen Schluß des Briefes: „Für eins nur ist mir bange, für die Verzweiflungsszenen
einer gewissen Person, wenn es heißen wird: ,Fort!' Wenigstens wird's mir eine fatale
Laune verursachen, die ich nicht so bald verlieren kann."
Am 13. März heißt es wieder im Fortissimo: „Mit-stehe ich in einem Ver»
hältnis, das mir Seligkeit und Wonne verursacht und mir Tod und Verderben droht, wenn
ich nicht männlich genug bin meinen Entschluß auszuführen".
Am 31. März dagegen minder bestimmt: „aufrichtig gesagt: wohl und weh wird
mir bei dem Gedanken an die Trennung von ihr" <Rest gestrichen!).
Am 23. April starb Hippels reicher Oheim. Der Neffe und Universalerbe kam zur
Beerdigung nach Königsberg, und bei dem Zusammentreffen der Freunde zeigte es sich,
daß beide nicht mehr so zusammenpaßten wie ehemals. Hippel war männlich geworden
und strebfe praktischer Betätigung zu, während Hoffmann weiter als Jüngling und Künstler
empfand. Hippel berichtet, daß Hoffmann verlangt habe, „der Freund, der unterdessen
unabhängig geworden, solle zu ihm zurückkehren. Dieser, dessen Geschick es anders
wollte, setzte der Heftigkeit der aufgeregten Leidenschaft Beharrlichkeit und Ruhe entgegen,
die Jener als Kälte aufnahm und mit Vorwürfen lohnte." Immerhin sind die Vorwürfe,
die Hoffmann in seinem Briefe vom 28. Mai ausspricht, so in dem MolLTon zarter Trauer
gehalten, daß Hippel unmöglich darüber zürnen konnte. Am Schluß heißt es: „Die
meinem Herzen teuer ist, grüßt Dich und gibt Dir einen Kuß des Friedens".
Einige Tage darauf verließ er die Heimat: „Der Abschied von ihr hatte mich so
butterweich gemacht, daß ich mich bald vor mir selber sehr prostituiert und geweint hätte/'
4. Die ersten traurigen Monate in Glogau: Juni bis Anfang Oktober 1796
Es ging jetzt, um das vorweg zu berichten, schnell bergab mit dem Wohlstand des
Hattschen Hauses. Hatt, der sich mit einem Johannes Kospoth assoziiert hatte, nahm im
Juli von einem Memeler Kauftnann zehntausend Gulden auf gegen eine zweite Hypothek
aufseine Grundstücke. Im September wurde dann — offenbar auf das berechtigte Verlangen
der Frau — das wechselseitige Testament von 1784, das 1793 bereits modifiziert war,
vollends zurückgezogen.
Am 15. Juni war Hoffmann in Glogau angekommen. In wunderlicher Vertrauens»
Seligkeit schüttete er dem Oheim, der vermutlich schon von Königsberg her informiert war,
sein Herz aus: „Dem Onkel", schreibt er api 18. Juli, „warf ich mich an den Hals mit
meinen Leiden. Sein Trost, sein Rat war eiskalt . . . Denke Dir, daß er mir sogar den
Rat gab, nie mehr zu schreiben, damit nicht meine Briefe ad acta kämen." Der Onkel
sah also einen Ehescheidungsprozeß voraus, und wir werden sehen, daß Hoffmann später
diesen Gedanken aufgegriffen hat.
Wenn Hoffmann auch die Geliebte verlassen hatte, so hatte die Liebe zu ihr ihn
doch in die Fremde begleitet. „Nimm an," schreibt er in dem eben zitierten Brief, „daß
ich mich mit Gewalt losriß von einem Wesen, das meine ganze Seele füllte, das mir alles
sein konnte! Ich opferte mich einem unglücklichen konventionellen Verhältnisse auf und
floh mit blutendem Herzen." Jeden Morgen quälte ihn „das Gefühl der unausfüllbaren
606
[217]
Leere, der Losgerissenheit von der Kette, die midi an Freude und Seligkeit band". Sein
Lebensmut, sein Geist erschlaffte in Glogau ,• erst am 16. September gab, wie er am Tage
darauf schreibt, ein Brief aus Königsberg ihn sich selbst wieder. Aus diesem Briefe ersah
er nämlich, daß Hippel und die Hatt im D<örfferschen?> Hause zusammen gegessen und
sich von ihm, Hoffmann, unterhalten hatten. „Das alles hat mich ausgesöhnt mit mir und
mit dem, was um midi ist."
Am 3. Oktober schreibt er Hippein, nicht als „Neuigkeitsbrief", sondern als fein»
gepinseltes Stimmungsbild, das er bei Gelegenheit einem eigentlichen Briefe beilegen wollte,
einen Hymnus auf ihre Freundschaft, der wie ein Abglanz des glühenden Briefes vom
28. Februar 1795 wirkt. Der Freund behauptet wieder den Vorrang vor der Geliebten:
„Wenn selbst jene entzückenden Bilder, jene Wonneträume, sie einst zu besitzen . . . nur
Bilder blieben . . . , so nagt das noch nicht die Blüten meiner Seligkeit weg: ich habe
Dich!" Und nachher: „Ja, mein Theodor, wenn alles für midi verloren ist, wenn sie
nicht für midi lebt, dann lande ich in Deinem Hafen." Aber gegen Schluß kommt die
Klage: „Nur einen einzigen Gedanken" — offenbar ist die Furcht vor der Untreue
der Geliebten gemeint — „reiße noch aus meiner Seele, und ich werde ganz glücklich sein —
können! Du merkst, worauf dies alles geht, um so mehr wenn ich hinzusetze, daß das
Dasein eines einzigen Menschen, dem ich 78 Meilen entfloh, meine schönsten Stunden um»
schafft in schmerzhafte. Eine krampfhafte Empfindung durchzuckt mein Inners, wenn ich
mir etwas kleines, ungeheures denke — Genug! schon verbittert mir der Gedanke daran die
Sabbathsaugenblicke, die ganz Dir gehörten."
5, In der Hoffnung auf Wiedersehn: Mitte Oktober 1796 bis April 1797
In der Folge arbeitete Hoffmann an einem Porträt der Geliebten. Am 22. Oktober
schreibt er: „Freilich hab' ich aus Königsberg ihr Gemälde erhalten. Getroffen ist sie und
schön gemalt/ das Gemälde ist aber in Nova Zembla gemacht: kein warmes Kolorit, kein
feuriger Blick führt's zum Herzen/ s i e ist's nicht, sie, die mich liebt. Ich arbeite an einer
Kopie, der meine glühende Phantasie Leben und Geist geben soll." Vielleicht ist dies
Porträt Vielleicht aber auch ein Selbstbildnis) gemeint, wenn Hoffmann dann am 22. Januar
1797 schreibt: „Wenn ich nur erst weiß, ob Du noch in Marienwerder bist oder schon
fort nach Königsberg . . . , so schicke ich Dir ein gewisses Porträt zu."
In diesem Januarbrief und stärker noch in einem vom 15. März 1797 klagt Hoffmann,
daß die „verzweifelte Resignation", zu der er in Glogau verurteilt sei, seinen Charakter
verdorben, ihn boshaft und schlecht gemacht habe. Als Gegengewicht bezeidinet er im
Januar Hippels Briefe: jedes Wort darin sei ihm heilig, jeder Blick, den er hineinwerfe,
ersticke die schlechten Gedanken/ im März nennt er die Geliebte als den guten Engel:
„Es gibt Augenblicke, wo ich an allem Gutem verzweifle, wo ich mich aufgelegt fühle,
allem entgegenzuarbeiten, was mit scheinbarem Glück prahlt: und dann, dann, wenn alles
aufwacht, Briefe aus Preußen mich wider meinen Willen an menschliche Wesen ketten —
Liebe kann einen Satan bekehren! — . . . dann wird die Eisrinde, die sich um mein
Herz legte, erwärmt, sie schwindet, und eine unbeschreibliche Wehmut wirft mich nieder."
[ 218 ]
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Gewiß, er macht anderen Mädchen den Hof, insbesondere einer hübschen M. Er
war neulich, schreibt er in dem zitierten Märzbrief, mit ihr allein zusammen, er war glücklich
und wollt's ihr sagen: da ertönte eine Melodie, sie erinnerte ihn an die Geliebte, der er Treue
gelobt, „und ein Fieberfrost kühlte die Glut, welche in mir aufgestiegen war.“
Schon im Oktober 1796 faßte der Glogauer Onkel den Plan, zu Ostern 1797 per¬
sönlich seinen Sohn auf die Königsberger Universität zu bringen und bei der Gelegenheit
auch den Neffen mitzunehmen. Am 22. Oktober schreibt Hoffmann: „Es ist fast ganz
gewiß, daß ich auf den März die Reise nach Königsberg mit dem Onkel antrete. Wir
werden uns Wiedersehn, ich werde Dich früher umarmen als sie!" Im Dezember erfahrt
er, daß Hippel selbst nach Königsberg fahren will. Er schreibt ihm am 11.: „Die Nach¬
richten, welche ich jetzt aus Königsberg erhalte, sind so sonderbar, so widersprechend, daß
sich mir nichts gewisses daraus abstrahieren läßt. Ich bekomme zwar auch Briefe von
ihr, diese sind aber nur schlechte Repräsentanten der Vergangenheit. — Du gehst
nach Königsberg, von Dir glaube ich mehr und gewissere Nachrichten zu erhalten, wie man
sich meiner erinnert. Diese Nachrichten sollen meine Reise nach Königsberg bestimmen!“
Am 22. Januar 1797: „Wenn wir uns Wiedersehen, ist meine Phantasie von neuen
Hoffnungen geschwängert: ich werde ausgelassen sein, denn dort find' ich sie wieder"
<Rest gestrichen!). Ganz anders am 15. März: „Aller Wahrscheinlichkeit nach sehen
wir uns künftigen Frühling nicht wieder. Der Onkel hat Hindernisse aufgefunden, oder
vielmehr: Hindernisse haben sich ihm entgegengestellt, welche die ganze intendierte Reise
vereiteln. Wenn Du nicht lebtest und mich noch liebtest, wär's mir gleich, denn sie in
Königsberg wiederzusehn erfüllt mich mit Entzücken, aber auch mit tötendem Schmerz!"
Vier Tage darauf zu dem versehentlich nicht abgesandten Brief die Nachschrift: „Nur noch
mit einigen Worten sag' ich Dir, daß die Reise nach Königsberg doch wahrscheinlich vor
sich gehen wird,- übrigens lebe ich jetzt in dieser Hoffnung glücklicher als sonst." Am
23. April wieder kleinlaut, wenn auch aus anderen Gründen: „Es bleibt mir nichts übrig,
als mich gewaltsam an Dein Herz zu drücken und so dem Sturme entgegenzugehen, der
meiner vielleicht wartet!"
6. Wiedersehn in Königsberg: Mai 1797
Hoffmann machte sich mit dem Onkel und dem Vetter Anfang Mai auf, begrüßte
unterwegs Hippel und berichtet ihm am 10. Mai aus Königsberg: „Laß Dir's mit zwei
Worten sagen, daß ich in Königsberg sie wiederfand, daß sie nur für mich lebt und daß
in diesem Wiedersehn alles um mich her versunken ist . . . daß ihr Wesen ins meine
verschmolzen ewig in mir leben wird."
Hippel berichtet 1822: „Die durch die Trennung eines Jahres kaum gedämpfte
Leidenschaft erwachte hier mit neuem Feuer. Sie erzeugte einen Plan, den Hoffmann mit
der gewöhnlichen Lebhaftigkeit seiner Phantasie ergriff und ausarbeitete. Er fand darin
eine Zukunft, von welcher er sich ein Paradies versprach. Der Plan umfaßte nichts
Geringeres als die Trennung der Geliebten von ihrem Unholde, wozu sogar seine
bürgerlichen Verhältnisse rechtsgültige Gründe dargeboten hätten."
Ober den Abschied berichtet Hoffmann am 27. Juni aus Glogau: ,.I<h bin in Königs¬
berg beim Abschied so weich geworden, daß ich weinte wie ein Kind. Die Rührung war
widernatürlich, meinem Charakter, meiner Art solche Gefühle zu äußern ganz entgegen,-
vielleicht mischte sich die Ahnung drein, welche midi marterte: ich glaube, sie nicht
wiederzusehn."
7. Neue Trennung und Bruch: Sommer und Herbst 1797
Hippel beantwortete diesen Brief am 11. Juli und versprach, in acht Tagen mehr zu
schreiben. Aber es wurde nichts daraus.
Hoffmann seinerseits schrieb in der erregten Stimmung, in die ihn der Aufenthalt in
Königsberg versetzt hatte, dem Freunde „fast jeden Posttag". Hippel teilt von diesen
Briefen nur den letzten längeren mit, der am 29. August geschrieben ist. Es heißt darin:
„In Königsberg ist man jetzt so konfus, daß ich die widersprechendsten Nachrichten erhalte,
und so wenige, daß man mich am Ende wohl ganz und gar vergessen würde, wenn nicht
noch eine Person zuweilen an mich dächte , . . Man muß geliebt haben — ein Weib, so
wie sie war und ist, um es glaublich zu finden, daß ich noch mit all der Schwärmerei der
ersten Liebe an ihr hänge, daß meine süßesten — ich muß sagen, meine tröstendsten Augen¬
blicke die sind, die ich bei ihrem Porträt in der Erinnerung an jene goldne Zeit zubringe!
Daß man uns trennen will, ... ist mir nichts Neues, wenn es auch von einer Vertrauten,
die uns einander näher brachte, inkonsequent gehandelt ist/ aber die Mittel, welche man
jetzt wählt, sind niedrig und erfüllen mich mit Indignation gegen die falsche Spielerin, die
jetzt mir meine Karten auf immer zuwerfen will" <das Folgende ist von Hippel ge¬
strichen!). Dann malt Hoffmann sich das Glück aus, das er im Umgänge mit Hippel und
mit der Geliebten genossen hat: „Nimm mir das ganze Andenken meines Daseins, nur
laß mir die Stunden, die ich mit Dir und mit ihr verlebte: ich werde glücklich von der
Vergangenheit träumen können, wenn mich die Gegenwart niederdrückt." <Hoffmann be¬
währt sich hier wie immer als der geborene Romantiker, für den es keine Gegenwart gibt:
früher berauschte er sich mit Entzücken an der Wonne der Zukunft, jetzt an der Süße
der Vergangenheit. Er kennt nicht den unmittelbaren Genuß, sondern nur die Sehn¬
sucht, sei es in der Form der Hoffnung oder der Erinnerung.) Abends um 10 fügt er
hinzu: „Um 7 Uhr lief ich heute im schönsten Herbstabende herum und suchte Erholung.
Ein unaussprechliches Gefühl der Leere treibt mich umher, und in jedem fallenden Blatte
sah ich meine gestorbenen Freuden." Qualis artifex! Zum Schluß schreibt er demütig:
„Du wirst mir gewiß die Wohltat erzeigen, mich nicht lange auf Antwort warten zu lassen:
seit fünf bis sechs Wochen habe ich nicht eine Zeile gesehn".
Aber Hippel schwieg weiter, volle sieben Monate lang. Ende Februar hatten
die Testamentsvollstrecker seines Oheims für ihn die Herrschaft Leistenau im Kreise
Graudenz erworben/ Anfang April hatte er selbst für sein Haus gesorgt, indem er bei
einer Gutsbesitzerin in der Nähe von Marienwerder um die Hand von deren Tochter
anhielt. Der neue Gesichtskreis, der Ve r kehr mit der Braut und deren Familie entfremdeten
ihn vollends dem Reiche der Kunst, der Sehnsucht und des Traumes, in dem Hoffmann
heimisch war. — Hoffmann versuchte vergeblich, von Hippels Vater Nachricht über den
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Freund zu erhalten, und er schrieb diesem selbst schließlich in einer verzweifelten Stimmung
„einige Zeilen, die mir nachher unendliche Vorwürfe kosteten".
Erst in der zweiten Hälfte des Februar 1798 bat Hippel in einem kurzen Briefe für
sein Stillschweigen um Entschuldigung. Nun antwortete Hoffmann am 25. Februar,- von
seinem Verhältnis zur Heimatstadt sagt er ganz kurz: „Mit der Welt in Königsberg habe
ich vollkommen abgerechnet. Außer den Schneesäulen der Verwandtschaft, von denen ich
zuweilen emballierte Flocken erhalte, höre ich von keinem Menschen etwas, mag auch nichts
hören: eine Reise nach Preußen würde nur bis Leistenau gehen."
Was in der Zeit von Ende August 1797 bis Ende Februar 1798 zwischen Hoffmann
und seiner Geliebten vorgegangen ist, wissen wir nicht, weil Hippel keinen Wert darauf
gelegt hat, es zu erfahren. Seinen Bericht über diese Episode in Hoffmanns Leben
schließt er 1822 mit den Worten: „Der Zufall vereitelte eine Vereinigung, in der
beide schwerlich das gehoffte Glück gefunden hätten."
IV.
Unterdes hatte die Firma Hatt ® Kospoth den Konkurs angemeldet. Im Dezember
1797 beauftrage Dora, die ja zum Glück in Gütertrennung lebte, einen Rechtsverständigen
mit dem Schutze ihres Vermögens. Im Januar 1799 wurden ihr die beiden Hattschen
Grundstücke in der Zwangsversteigerung für 30 100 Gulden zugeschlagen. Noch im selben
Jahre zahlte sie die zweite Hypothek nach Memel aus und 3000 Gulden von der ersten:
so rettete sie, wie Hippel am 4. Dezember 1822 sich Hitzig gegenüber brieflich ausdrüdct,
ihren Gatten, den „erbärmlichen Menschen", „mit Aufopferung ihres Vermögens von der
Strafe des betrüglichen Bankerotts".
Am 22. Februar 1800 wurde die unglückselige Ehe wirklich geschieden. Die Töchter
wurden der Frau zugesprochen, auch behielt diese den Rest ihres Vermögens, insbesondere
die beiden Häuser.
Am 3. Juli desselben Jahres 1800 ließ sie sich auswärts in der Stille trauen mit dem
mittellosen Carl Leopold Siebrandt, der in der von=der=Gröbenschen Stipendienanstalt
als deren Inspektor wohnte. Er war am 13. November 1776 in Darkehmen als siebentes
Kind des dortigen Pfarrers geboren, also noch zehn Monate jünger als Hoffmann und über
zehn Jahre jünger als seine nunmehrige Gattin,- am 31. März 1794 war er als stud. theol
in Königsberg immatrikuliert worden, war später aber zur Jurisprudenz übergegangen. Ob
und wieweit er unserer Heldin schon während ihrer ersten Ehe nähergetreten ist, läßt sich
nicht einmal vermuten,- denkbar ist es natürlich, daß Hoffmann sich um seinetwillen im
Herbst 1798 so schroff von der Geliebten abgewendet hat.
Vierzehn Tage nach der Hochzeit verlor Dora ihre jüngste Tochter Caroline
Wilhelmine Hatt, wie sie, zusammen mit Siebrandt als Stiefvater, anzeigt. 1801 schenkte
sie diesem einen Sohn. Der junge Ehemann bestand 1802 das Referendarexamen. Im
selben Jahre verkaufte das Ehepaar die beiden Grundstücke. Mjtte Januar 1803 gebar
Dora einen zweiten Sohn. Wie bei dem ersten Scheffners Gattin, so stand bei dem
zweiten eine Tochter Hamanns Gevatter: Frau Dora wußte also auch jetzt den Zusammen»
hang mit den Trägern des geistigen Lebens zu wahren. Aber schon drei Wochen nach
der letzten Niederkunft, am 5. Februar, starb sie, an der „Auszehrung" <?>/ am 11. wurde
sie im Schlunckschen Erbbegräbnis auf dem alten Kirchhofe beigesetzt.
Hoffmann lebte damals als Rat am Obergericht und junger Ehemann in Plock. Ein
Jahr darauf, vom 24. Januar bis zum 15. Februar 1804, weilte er zu Besuch im Dörffer-
sehen Hause in Königsberg, in dem er aufgewachsen und Dora nähergetreten war. Am
13. Februar schreibt er ins Tagebuch;
Ein kleiner Vorfall! — nein, kein kleiner Vorfall: ein Ereignis, wichtig für
Kopf und Herz, hebt den heutigen Tag über seine tristen ältern Brüder
heraus. Ein junges blühendes Mädchen, schön wie Correggios Magdalena, ge¬
wachsen wie die Grazien der Angelika Kauffmann, stand nachmittags vor mir.
Es war Malchen Hatt. Sie hatte der Mutter Grazie: das Ideal meiner
kindischen Phantasien von dem Vormals meiner Inamorata stand vor mir.
Eine süße unbekannte Wehmut ergriff mich. Sie blickte mich mehrmals be¬
deutend an,- gewiß war ich ihr nicht minder merkwürdig als sie mir . . .
Ich bin sonderbar bewegt. Der Toten sei hier ein Monument gesetzt!
Es ist lebendiger wie sonst die Castra doloris zu sein pflegen, da statt des
marmornen Todesengels auf jenen hier eine lebendige Grazie die Hauptrolle spielt.
611
HOFFMANN ALS „REGIERUNGSRAT“ UND ALS
„VERJAGTER OFFIZIANT“.
Mit zwei ungedruckten Eingaben.
Hoffmann trat im Mai 1802 mit einem Ratspatent vom 21. Februar sein Amt an
der neu-ostpreußischen Regierung zu Plock an. Er fuhr dann noch einmal nach
Posen zurück, um sich dort am 26. Juli trauen zu lassen. In dem Bericht, der wie
immer gegen Jahresschluß dem Großkanzler zur Vorlage an den König erstattet
wurde 1 , gab der strenge Präsident Carl Friedrich von Beyer Hoffmann „das Zeug¬
nis eines sehr gebildeten und vorzüglich brauchbaren Geschäftsmannes, der durch
seine Arbeiten und durch seinen anständigen, stillen Lebenswandel ungeteilten
Beifall sich erwirbt“. Hoffmann, der davon erfuhr, schrieb einige Monate darauf,
im Frühjahr 1803, an seinen Freund Hippel, „daß ich hier der fleißigste Arbeiter bin
und daß der als ein eigner, harter Mann bekannte Präsident Beyer mit mir sehr
zufrieden ist, welches mir dann auch die Gnade des Herrn Großkanzlers Exellenz
erworben hat“.
(Die Leser dieser Mitteilungen brauchen kaum daran erinnert zu werden, daß in
der Terminologie des friderizianischen Preußen „Geschäftsmann“ und „Offiziant“ =
Beamter, „Regierung“ = Obergericht eines Departements und „Großkanzler“ = diri¬
gierender Justizminister ist. Dieses Amt bekleidete damals Heinrich Julius
von Goldbeck und Reinhart.)
Auch Ende 1803 erteilte Beyer im Jahresbericht an Goldbeck Hoffmann „wegen
seiner Geschicklichkeit, [seines] Fleißes und . . . seines stillen, anständigen Lebens¬
wandels das vorteilhafteste Zeugnis“. Man muß sich dabei gegenwärtig halten, daß
Hoffmann mit allen Fasern seines Wesens an den Künsten hing. Am 16. Oktober
1803 hatte er nach dem glücklichen Entwurf einer schwierigen Zeichnung ins
Tagebuch geschrieben. „Ob ich wohl zum Maler oder zum Musiker gebo¬
ren wurde? Ich muß die Frage dem Präsidenten Beyer vorlegen oder mich bei dem
Großkanzler danach erkundigen: die Werdens wissen.“
Am 27. Januar 1804 schlug der eben genannte Großkanzler dem Könige vor, die
freigewordene Stelle eines Rates an der südpreußischen Regierung zu War¬
schau an Hoffmann zu geben, „welcher diese Versetzung wünscht und seithero
sein Amt untadelhaft und zur völligen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten verwaltet
hat“. Am 16. Februar vollzog der König das entsprechende Reskript, im März
wurde es Hoffmann zugestellt, und etwa im April ging dieser in die alte Hauptstadt
Polens ab.
1. Die Konduitenlisten des Justizdepartements für die Jahre 1802 bis 1805 befinden sich in
den Kabinettsakten Friedrich Wühelms III. (Repositur 89 des Geheimen Staatsarchivs), und
zwar in den beiden Bänden 71 J und K; ich habe sie Anfang 1909 ausgezogen und teilweise
bereits für das 1. Stück meiner ‘Fragmente einer Biographie Hoffmanns’ (Berlin, Gebr.
Paetel, 1914) benutzt.
Auch der Präsident der dortigen „Regierung“, Daniel Wilhelm von Meyer, hatte
nichts an Hoffmann auszusetzen, obgleich dessen Herz nach wie vor der Kunst,
nicht dem Amt gehörte. Ende 1804 berichtete Goldbeck dem Könige über Hoff¬
mann: „Das Praesidium ist mit seiner Aufführung zufrieden und giebt ihm das Zeug¬
nis des Fleißes und der Geschicklichkeit“; Ende 1805 bezeichnet er Hoffmann als
„anhaltend fleißig, geschickt und brauchbar“. In der Tat hielt Hoffmanns Dienst¬
führung auch einer unvermuteten Nachprüfung stand. Im September 1805 revi¬
dierte der Freiherr Karl Wilhelm von Schroetter die Gerichte der Ostprovinzen;
„mich kümmert das wenig“, schrieb Hoffmann an Hippel, „da ich keine Reste habe
und gehabt habe; ich muß ja wohl frisch von der Hand wegarbeiten, um nur die
Akten mit Partituren verwechseln zu können. Der Revisor hat ein gar grimmiges
Gesicht, scheint aber ein guter Mann zu sein“.
Ende 1806 sollte Goldbeck nicht mehr zu einem Bericht über die südpreußischen
Regierungen kommen. Am 14. Oktober war das preußische Heer bei Jena und
Auerstedt vernichtet, am 28. November besetzte Milhaud mit der Avantgarde der
Muratschen Reiterei Warschau; „nach wenigen Tagen“ — so berichtet Hitzig als
Augenzeuge in dem Buche ‘Aus Hoffmanns Leben und Nachlaß’ (1823) I 303 —
„löste Mathieu Favier, ordonnateur en chef des Muratschen Armeekorps, die Preu¬
ßische Regierung im Namen des Kaisers auf, und Wybicki, der mit Kosciuszko in
Paris gewesen, installierte in deren Stelle ein aus Polen gebildetes neues Ober¬
gericht.“
Die Mitglieder der aufgelösten „Regierung“ waren, wie Hitzig ebenda S. 304 an¬
gibt, „übereingekommen, die baren Kassenbestände, um sie nicht in die Hände des
Feindes fallen zu lassen, nach dem Verhältnisse der Gehälter auf so viele Monate,
als es zureichte, zu verteilen; dies deckte die Ausgaben für die nächste Zukunft“.
Gleichwohl mußte Hoffmann die erst vor kurzem bezogene schöne Wohnung in der
Krakauer Vorstadt räumen, da das Haus stark mit Einquartierung belegt wurde. Er
wohnte fortab in einer Dachkammer des Hauses der von ihm mitbegründeten Musi¬
kalischen Gesellschaft, und zwar die ersten Wochen zusammen mit seiner Frau,
seiner anderthalbjährigen Tochter Cecilia und der etwa zwölfjährigen Michalina
Gottwald, einer Nichte seiner Frau, die Hoffmanns schon in Plock zu sich genom¬
men hatten. Im Januar 1807 hatte er Gelegenheit, diese drei Angehörigen unter
sicherer (militärischer) Bedeckung zu seiner Schwiegermutter nach Posen zu
schicken. Sein oben genannter späterer Biograph, der damalige Assessor Itzig,
begab sich im März zu seinen Eltern nach Potsdam bzw. Berlin.
Hoffmann erkrankte lebensgefährlich; nach seiner Wiederherstellung im April
wünschte er gleichfalls nach Berlin überzusiedeln, um dort als Tonkünstler von
Beruf, insbesondere als Opernkomponist, zu leben. Itzig riet ihm mit Recht, das
nicht in dem notleidenden, von den Franzosen besetzten Berlin, sondern in Wien
zu versuchen; er sandte ihm warme Empfehlungsschreiben an die beiden Schwe¬
stern seines Vaters, die mit den dortigen Bankiers und Freiherren Nathan Adam
von Arnstein und Bernhard von Eskeles verheiratet waren. Hoffmann stimmte ihm
bei, mußte jedoch aus Mangel an Geldmitteln die Abreise verschieben. Im Juni
wurde er jedoch genötigt zu handeln. Er berichtet am 20. Oktober 1807 an Hippel
(der Brief ist erst 1912 nach einer Abschrift des Empfängers von mir veröffent¬
licht): „Daß gleich nach dem Einmarsch der Franzosen in Warschau die preußischen
Offizianten entsetzt wurden, ist Dir bekannt. Da indessen die Änderung der Um¬
stände damals wenigstens noch möglich war, blieb ich mit mehreren von meinen
Kollegen am Orte, bis man Anfang Junius uns aufforderte, entweder eine Unter-
613
werfungs-Akte, die einen Huldigungseid enthielt, zu unter¬
schreiben oder Warschau binnen acht Tagen zu verlassen. Daß jeder rechtliche
Mann das letztere wählte, kannst Du Dir leicht denken . . . nun ging ich . . ., da
man mir die Pässe nach Wien, wo ich mein Unterkommen zu finden
hoffte, schlechterdings verweigerte, nach Berlin.“ Er fuhr zusam¬
men mit seinem gleichaltrigen Kollegen Conrad Jacobi; beide trafen am 18. Juni in
Berlin ein.
Hoffmann bemühte sich nun in den nächsten Wochen vergeblich, die Komposi¬
tionen und Zeichnungen zu verwerten, die er aus Warschau mitgebracht hatte. So
mußte er versuchen, einen Vorschuß auf sein rückständiges Richtergehalt zu erlan¬
gen. Am 14. August richtete er an Goldbeck eine Eingabe, der er ein Immediat¬
gesuch an den König beilegte. Beide Stücke samt dem Konzept der Antwort liegen
in den Akten des Justizdepartements auf der Repositur 84 des Geheimen Staats¬
archivs in den >r Acta betr. die durch den Krieg bei der Regierung zu Warschau und
deren Departement brotlos gewordenen Offizianten... 1807/08“ (= XIII b : G
207); der Geheime Archivrat Dr. Paul Bailleu, damals Zweiter Direktor der
Preußischen Staatsarchive, machte mich an Hoffmanns 138. Geburtstage, dem 24.
Januar 1914, darauf aufmerksam.
Die Eingabe an Goldbeck lautet buchstäblich 1 ):
HochWürdiger HochGebohrner Freyherr!
Wirklicher Geheimer EtatsMinister, Ritter des Schwarzen AdlerOrdens,
Chef der Justiz und GroßKanzler!
Gnädiger Herr!
Gedrückt von einer Verlegenheit, die ich nie vorher kannte und die jezt bey-
nahe den höchsten Punkt erreicht hat, wage ich es, mich an Ew. Exellenz zu
wenden und um Hülfe anzuflehen. Unverschuldet habe ich Amt und Einkom¬
men verlohren und befinde mich in einer übleren Lage als die mehresten meiner
Collegen, da es mir an eignem Vermögen so wie an Verwandten, die mich unter¬
stützen könten, gänzlich fehlt und da es mir auch nicht möglich ist, jezt auf der
Stelle einen mich nährenden Erwerbszweig zu finden. Die unbedeutende Sum¬
me, welche ich aus dem Schiffbruche in Warschau rettete, ist aufgezehrt, ich
sehe dem drückendsten Mangel entgegen, und dies nöthigt mich, Ew. Exellenz
meine Noth zu klagen, ehe Se. Majestät der König über unsere Entschädigung
definitiv entschieden haben. Nur die vorlaüfige Anweisung einer geringen Sum¬
me von 100 rth, des dritten Theils meines bis zum Frieden rückständigen Gehal¬
tes, auf irgend einem Fond, an dem es nicht fehlt, ist es, warum ich Ew. Exel¬
lenz unterthänigst anzuflehen wage. Diese Summe würde mich vor Mangel schüt¬
zen und mich in den Stand setzen, die ferneren Dispositionen ruhig abwarten zu
können. Ew. Exellenz haben mir während meiner Dienstführung ein gnädiges
Wohlwollen bezeugt, und ich habe alle meine Kräfte angestrengt, mich dieses
Wohlwollens würdig zu erhalten; in dieser Hinsicht 2 hoffe ich, daß Ew. Exellenz
gewiß meine Bitte erhören und so einen treuen Diener des Staates dem gänz-
1. Wie man sieht, schrieb Hoffmann trotz seiner guten Sprachkenntnisse das Wort Exzellenz
konsequent falsch. Die Interpunktion habe ich an ein paar Stellen leicht retouchiert.
2. = in Hinblick darauf.
liehen ihm drohenden Untergange entreißen werden. Um so mehr glaube ich
auch, daß meiner unterhänigsten Bitte nachzugeben seyn würde, als in dem
schlimmsten Fall den südpreuß. Offizianten doch immer ihr rückständiges Ge¬
halt bis zum Frieden oder wenigstens ein Theil desselben ausgezahlt werden
würde. Indem ich eine offizielle Vorstellung, die meine Ew. Exellenz vorgetra¬
gene Bitte enthält, beyzulegen wage, ersterbe ich in tiefer Devotion.
Berlin, Ew. Exellenz
CharlottenStraße no 42. allerunterthänigst treugehorsamster
D. 14-August 1807. Der RegierungsRath Hoffmann
Das Immediatgesuch hat folgenden Wortlaut:
Aller Durchlauchtigster, GroßMächtigster König,
AllerGnädigster König und Herr!
Ew. Königl. Majestät werden gewiß mit landesväterlicher Huld auf diese oder
jene Art für Ihre treuen südpreußischen Offizianten, die unverschuldet Amt und
Einkommen verlohren, sorgen, und ich würde ruhig die Allerhöchsten Verfügun¬
gen darüber abwarten, wenn ich nicht, ganz ohne eignes Vermögen, ohne Ver¬
wandten, die mich unterstützen könten, nachdem ich mich bis jezt mit Mühe
von dem wenigen ersparten ernährt habe, dem drückendsten Mangel entgegen¬
sähe. Es ist daher nur die vörlaüfige Anweisung einer kleinen Summe von
100 rth, dem dritten Theil meines bis zum geschlossenen Frieden rückständigen
Gehalts, warum ich Ew. Königl. Majestät allerunterthänigst anzuflehen wage, um
so mich dem gänzlichen Verderben zu entreißen und in den Stand zu setzen, mit
froher Hoffnung dem entgegen zu sehen, was nun Ew. Königl. Majestät über
mein ferneres Schicksal zu beschließen allergnädigst geruhen werden.
In tiefster Devotion ersterbe ich:
Berlin Ew. Königlichen Majestät
CharlottenStraße No 42 Aller unterthänigst treu gehorsamster
D. 14* Aug: 1807. Der RegierungsRath Hoffmann
Goldbeck wies unterm 19. das Gesuch vorläufig ab. Hatte Hoffmann angedeutet,
daß es bei gutem Willen leicht sein würde, hundert Taler auf irgend einen Fonds, „a n
dem es nicht fehlt,“ anzuweisen, so erklärt der Großkanzler (in den
von mir im Nachstehenden gesperrten Worten) nachdrücklich diese Voraussetzung
für unzutreffend. Das Konzept seiner Antwort lautet:
Berlin, den 19— August 1807.
An
den Regierungs-Rath Hoffmann
allhier
Charlottenstraße No 42.
Dem pp wird auf die eingereichte Vorstellungen vom 14 — d. M. zur Reso¬
lution ertheilt: daß der Wunsch, der bedrängten Lage des Supplicanten zu Hülfe
zu kommen, vor der Hand um deswillen nicht erfüllt werden kann, weil es
jetzt noch zu der Anweisung der nachgesuchten Auszahlung von 100 rth
durchaus an Fonds fehlet. Es ist jedoch wegen der Unterstüt¬
zung und künftigen Versorgung der durch den Krieg vertriebenen Justiz-Bedien¬
ten unlängst Bericht erstattet, worauf die Allerhöchste Verfügung ohne Zweifel
615
nächstens erfolgen wird, und soll sodann der Inhalt derselben dem Supplicanten
unverzüglich bekannt gemacht werden. Sig. Berlin, den 19— August 1807
ad mand.
Goldbeck
Nach einer Randnotiz ist dieser Bescheid am 21. ins reine geschrieben.
Auch persönlich ist Hoffmann beim Großkanzler vorstellig geworden. Er berich¬
tet später, am 12. März 1815, Hippein darüber: „Auch nicht die mindeste Hoffnung
irgend einer Anstellung war vorhanden; überall fanden die veijagten Offizianten eine
unfreundliche Aufnahme, die mich wenigstens empörte. So z. B. sagte der Gro߬
kanzler Goldbeck zu mir: »Es ist mir unangenehm. Sie hier zu sehen. Sie hätten in
Warschau bleiben sollen« u.d.m.“
Die Dinge lagen eben, wie Hippel sie später in seinen ‘Beiträgen zur Charakte¬
ristik Friedrich Wilhelms III.’ (Bromberg 1841) S. 35 geschildert hat und wie wir
sie ähnlich jetzt wieder erleben: „Die Lage der Finanzen gebot . . . Beschränkung
der Milde und verlangte Maßregeln, die nur mit Härte durchzuführen waren und
das Herz des Königs zerreißen mußten, dessen Wille selbst da nicht überall helfen
konnte, wo Hülfe noth war. Die Abgaben, während des Krieges rückständig geblie¬
ben, mußten ungeachtet des Weherufes des Landes beigetrieben, das Heer - theils
auf Napoleons Gebot, theils aus eigner Not — mußte auf 42 000 Mann herabgesetzt
werden. Die Zahl derjenigen ausscheidenden Offiziere, die nicht freiwillig gingen,
ward durchs Loos bestimmt. Fast noch trostloser war die Lage der Beamten aus
Süd- und Neuostpreußen, die vertragsmäßig dem neuen Landesherm überwiesen
waren, von ihm aber nicht übernommen wurden. Die meisten waren, den neuen
polnischen Machthabern verhaßt, zur Auswanderung gezwungen; und Preußen
konnte sie nicht ernähren. . . Doch fanden die meisten von den 7000 brodlosen
Beamten, die sich als solche gemeldet hatten, bei irgend einem Verwandten oder
Freunde eine Zufluchtstätte . ..“
Fast zugleich mit Goldbecks Absage erhielt Hoffmann die schlimmsten Nach¬
richten von seiner Familie. Am 22. August schrieb er Itzig: „ich bin in einer Lage,
über die ich selbst erschrecke, und die heutigen Nachrichten aus Posen sind nicht
von der Art, mich zu trösten. Meine kleine Cecilia ist gestorben, und meine Frau ist
dem Tode nahe!“
Im September übernahm der Freiherr vom Stein die Leitung des
neuen Ministeriums, dem der oben genannte Schroetter als interimistischer Justiz¬
minister angehörte. Stein entnahm noch im Herbst zur Unterstützung „gehaltloser
Offizianten“ der Kasse der Porzellanmanufaktur tausend Taler 1 . Hoffmann scheint
jedoch einstweilen nichts von dieser Maßnahme erfahren zu haben. Er schrieb am
12. Dezember an Hippel: „Erfährst Du etwas näheres über die Absichten des Mini¬
ster Stein mit uns veijagten Offizianten, so schreib* es mir doch; vorzüglich
wünschte ich auch zu wissen, ob es wohl ratsam sein würde, sich an ihn oder an den
Kanzler Schroetter schriftlich zu wenden. Letzteren kennst Du ja persönlich; ich
zwar auch, doch nur flüchtig bei Gelegenheit der Justizrevision. Bekäme ich das
halbe Gehalt, so würde ich an irgend einem wohlfeilen Orte ganz der Kunst leben.“
1. Kolbe: Geschichte der Königlichen Porzellanmanufaktur zu Berlin (Berlin, Decker, 1863)
S. 211. Herr Geheimrat Holtze hat mich im März 1909 brieflich auf diese Stelle hingewie¬
sen.
Aber es war keine Rede von der Gewährung eines Wartegeldes oder auch nur von
einer Nachzahlung für einige Monate. Am 7. Mai 1808 schreibt Hoffmann verzwei¬
felt an Hippel: „Alles schlägt mir hier fehl. . . Seit fünf Tagen habe ich nichts
gegessen als Brot: so war es noch nie!“ Am 19. Mai bat er dann Stein um zwei¬
hundert Taler. Schon am folgenden Tage erhielt er wenigstens hundert, und so
waren, wie er ins Tagebuch schreibt, „alle Leiden für diesmal wieder geendet“. Und
wie ein Glück gern das andre nach sich zieht, so kamen nun am 9. Juni aus
Königsberg weitere hundert Taler und am 14. von dem Züricher Verleger Nägeli ein
Wechsel auf 48 % Speziestaler. So konnte Hoffmann Mitte Juni Berlin verlassen,
um seine Frau aus Posen abzuholen und außerhalb Preußens als Musikdirektor sein
Heil zu versuchen.
Erst am 26. September 1814 kehrte er, nachdem er dem Künstlertraum entsagt
hatte, in die preußische Hauptstadt zurück; er arbeitete sich — zunächst ohne
Gehalt — wieder ein am Kammergericht, an dem er bereits vom August 1798 bis
zum März 1800 als Referendar tätig gewesen war.
Noch einmal eröffnete sich ihm die Aussicht auf eine Entschädigung für die
verlorenen Dienstjahre. Am 10. Dezember 1814 schrieb er an seinen Leipziger
Gönner Gottfried Christoph Härtel: „Die Verfügung des Königs, nach der die aus
dem ehemaligen Südpreußen verjagten Offizianten die Hälfte ihres Gehalts aus¬
gezahlt bekommen, bringt mir über 3000 Taler ein; und ich habe nicht geringe
Lust, einen Teil dieses so ganz unverhofften Einkommens zu einer recht interessan¬
ten Reise zu verwenden, in welchem Fall ich dann auch das Vergnügen hätte, Sie
persönlich wiederzusehen.“ Aber am 12. März 1815 mußte er Hippein melden, die
Zahlung sei ihm „nach der Verfügung der Commission, die ich Dir abschriftlich
beilege, rund abgeschlagen worden . . . Ich will mich an den Staatskanzler [Fürsten
von Hardenberg] wenden, ihm kurz und bündig meine bestandenen Verhältnisse
auseinandersetzen und um Bewilligung des rückständigen Gehalts nach den auf¬
gestellten Grundsätzen bitten und bitte Dich recht herzlich, auf irgend eine Art . . .
mein Gesuch zu empfehlen.“ Im nächsten Briefe vom 28. April heißt es dann re¬
signiert: „Von Posttag zu Posttag habe ich gehofft, daß Du Dein gütiges Verspre¬
chen erfüllen und mir wegen meiner Entschädigungsangelegenheit eine Empfehlung
an den Staatskanzler schicken würdest, da dies aber bis jetzt nicht geschehen ist,
fürchte ich beinahe, daß Du vielleicht doch am Ende an dem glücklichen Erfolg
gezweifelt haben magst.“ Dabei ist es dann geblieben. Erst die feste Anstellung am
Kammergericht (nach der Anciennität von 1802) brachte Hoffmann mit dem 1.
Mai 1816 ein sicheres Einkommen. Und an diesem Tage erst legte er den seit zehn
Jahren veralteten Titel Regierungsrat ab.
617
CALLOT UND E.T.A. HOFFMANN
Callots Balli di sfessania. Herausgegeben von Viktor Manhei-
m e r. Potsdam, Kiepenheuer.
Diese Folge des großen lothringischen Radierers stellt bekanntlich auf 23 Blättern
je zwei sich lebhaft bewegende Gaukler in Faschingskostümen dar. Der jeweilige
Hintergrund wird durch eine Massenszene in kleinstem Maßstabe gebildet, von der
die Protagonisten sich wie Riesen abheben, obwohl selbst diese Figuren nur 4—6
cm hoch sind.
Der vorzüglichen Wiedergabe liegt ein Heft von 65 Seiten bei aus der Feder eines
der besten Kenner von Kultur und Kunst der Barockzeit. Viktor Manhei-
m e r , der Wiederentdecker des Lyrikers Andreas Gryphius, hat die schwieri¬
gen Fragen, die Callots ‘Balli’ stellen, mit geduldiger Beobachtung, eindringendem
Scharfsinn und ausgebreiteter Kenntnis gelöst und trägt die Ergebnisse seiner Be¬
mühung mit weltmännischer Grazie vor.
Seine Abhandlung betrachtet zunächst in sechs kurzen Abschnitten die Commedia
dell’arte im allgemeinen. Die sechs folgenden Abschnitte (Seite 13—50), das Kern¬
stück der Abhandlung, sprechen von den ‘Balli’ selbst. Zunächst war die Frage zu
entscheiden, woher Callot das Sujet hatte. Manheimer zeigt, daß drei Haupttypen
der Commedia dell’arte, Pantalon, der Dottore und Arlecchino, in unserer Folge
fehlen: diese Rollen waren zwar sonst in ganz Italien populär, aber nicht in
Neapel. Dagegen treten unzählige spezifisch neapolitanische Figuren bei Callot auf,
namentlich die verschiedenen Capitani (Hauptleute) und Pulcinella (das „Hähn¬
chen”). Und Benedetto Croce hat gezeigt, daß „Balli di sfessania” der Name eines
neapolitanischen Volkstanzes war. Also stammt das Sujet aus Neapel. In der Tat
hat nun Callot, der von 1609—1621 in Italien lebte, im August und September
1620 auf einem toskanischen Kriegsschiff eine Mittelmeerreise gemacht, und Man¬
heimer beweist indirekt durch historisch-politische Argumente, daß der Kapitän
des Schiffes auf der Rückfahrt in Neapel für mehrere Tage vor Anker gegangen ist.
Dort hat also Callot Ende September 1620 die ‘Balli’ entworfen. — In den noch
folgenden Abschnitten seiner Abhandlung würdigt Manheimer eingehend und
außerordentlich instruktiv die Blätter in künstlerischer Beziehung.
In einem Anhang bespricht der Herausgeber Hoffmanns Stellung zu Callot. Der
deutsche Romantiker wurde durch Callots pittoreske Sujets ebenso angezogen wie
durch die ironisch-karikierende Art der Behandlung. Im übrigen mißverstand er
den ihm zeitlich schon zu fern stehenden Barockkünstler. Er sah in die von diesem
dargestellte urwüchsig rohe Commedia delFarte die fast anderthalb Jahrhunderte
jüngere, zu einem geistreichen Märchenspiel stilisierte des Rokoko-Romantikers
Gozzi hinein: er erblickte in dem ironisch überlegenen Hofmann, dem grausam¬
kalten Beobachter Callot einen romantischen Phantasten oder gar einen gemütvol¬
len Humoristen. Diesem Irrtum dankt bekanntlich Hoffmanns Capriccio ‘Prinzessin
Brambilla’ sein Dasein; das Werk wurde — Manheimer hat den seltsamen Zufall
nicht bemerkt — im September 1820 abgeschlossen, also auf den Monat genau
zweihundert Jahre nach der Skizzierung der ‘Balli’. Aber so sehr es zu begreifen ist,
618
daß den Kenner Callots die Willkür stört, mit der in Hoffmanns Buch acht Blätter
der ‘Balli’ künstlerisch wiedergegeben und literarisch ausgedeutet werden, so leb¬
haft muß doch der Freund Hoffmanns die Dichtung wegen ihrer wundervollen,
stellenweise an den ‘Zarathustra’ gemahnenden Schönheiten in Schutz nehmen
gegen ein Urteil, das nur ihre unleugbaren und konstruktiven Mängel hervorhebt.
619
<oäntid) to eft
über
i£.XL2t<boffmann
15. ttugufi 1823
Acraupgegtben
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<o<me von tTIMcc
X) e r I e g t beiPauKöe^ly ittÄdln 1922
620
6er bie bie p^>tIofopl)tfcl>e Jacultdt
6er Albertus * Unix>erfttät $u Äbnigsberg
v*/ mir $ur bunbertjlen UOieberEe^r non ^>off=
mamts ZEobeetag ertniefen i>at, labert mir $aE)l*
reiche alte urt6 neuere $reunbe <33lücE geroünfd^t.
Um 6ie gütigen (ßbnner nicfyt mit einem fallen
IDanfe ab$ufytifen, fann id) auf eine Eieine
Erinnerungsgabe; eine bisher faft unbdanntt
<ü)avaUmftii <^offmanne 6urd) einen UOar*
flauer Sceun6 fdnen |M) mir bafür $u eignen,
3Dod) rodre 6iefer tDunfc^ bei 6er Ungunfl 6er
feiten roo^I ein XX)unfcf) geblieben, roenn nid)t
füngfi ein Jreunb meiner Arbeiten im 2^f>ein*
Ian6e fid) bereit erfldrt bdtte, 6en IDrucE $u über*
nehmen. 0o ge^e Coeftene Brief fynarn, 99
3af)re narfjbem er jum erftenUtalefragmentarifd)
gebrucEt ift, un6 bezeuge 6en $reunben meinen
DanE für ihre ttlitfreube
621
Dort emetfung’
1. Oie Bedeutung hee Aufenthalte in XParfchau
für <£>offmanne iEntwidluttg
offmann hatte ee ft<h noch int «oerbfl 1803 in piocf jur &fyzt ange*
V rechnet, an Bogebuee ‘Steimüthigem’ mitjuatbeiten, unb bec Berliner
Jtiteraturfreunb 3uliue iEbuarb <£>igig burfte fleh 1823 in feinem XPerte
‘Aue ^offmanne Äefeen unb Nachlaß’ etroae barauf 3 U gute tun, baß er
^offmamt fchon im ndchften 0ommer in XParfchau für bie Bmtßanfchammg
ber Aomatttiler gewonnen h«t* £t batte bem (Djtpreußen ben ‘Sezbino’
unb ben ‘0tcrnbalb’ feinee Berlinifchen JCanbemanne TLitd, bie Calberon*
Uberfegungen feinee Berliner Äehrere A. XP. 0<hlegel unb bie ‘JCufHgen
UTuflfanten’ feinee ioaUtfchen 0tubtengenoffen Brentano in bie <£>anb ge»
geben; ficherlich hatte er ihn auch tnft ben non lEtecf in Berlin l;erauegege*
benen 0 <hriften ber beiben jungnerflorbenen ptoteuattgelifien ber Aomantit,
XDadentobere unb ITonalie', belamtt gemacht. Unb wae bae Perwunber*
lichfle ffl: ee beburfte erfi 4>tgi08 Permtttluttg, um «ooffmann mit Sach «* 8
riae XPerner mfammenjuführen, obwohl boch beibe in Bbnigeberg fahrelang
unter einem ibache gewohnt hatten.
6igig hatte bereite in ber 'Seit feinee erflen Aufenthalte in XParfchau,
1799—1801, mit XPerner, ber bort an ber Perwaltungebehbrbe arbeitete,
freunbfchaftlich uertehrt IDann hatte er ben Porbereittmgebienfl in Berlin
ale Aeferenbar am Bammergericht fortgefegt; in biefer 3«t hbtte er
A. XP. ©siegele Porlefungen. Petmutltch nerfehrte er fchon bamale wie
mit gouqu6, XPilhftm Pfeumann, (Chamfffo unb anberen begabten jungen
Jteuten mit bem Bammergerichtereferenbar Heinrich XPilhelm Xoefl 2 , ber
3 wei 3ahre nor ihm, 1778, ale 0ohn einee (Sdrtnere, gleichfalle in Berlin
geboren unb wie <£>igig ein guter Benner ber franjbftfchen unb italienifchen
0prache unb Literatur war. 3tn <$>crbfl 1802 würbe ioeji nach Ablegung
bee großen tEpamene ale 3uflt3rat nach XParfchau uerfegt; unb ale 6igig
nach Ablegung ber glefchen Prüfung im 3uni 1804 ( 3 wei UTonate nach
^offmann) jum 3 weiten UTale nach XParfchau £am, fanb er bort XPerner
unb Jtoejl wieber unb machte beibe alebalb mit £offmann be£amtt.
1. meine Publicationen ftnö in ben Flöten unter folgenöen Ablesungen citiett:
Nippel = ^offmann unb Nippel. Dae Penlmal einer gteunbfhaft. (eßebtudt
grbßtenteile 1903/04.) Berlin 1912.
Bu> = ^offmanne Btiefwechfel (mit Auenahme ber Briefe an Nippel),
Berlin 1912.
3A6 = Pr ei Arbeiten <£>offmanns aus ben erflen Aegierungejahren gttebtih
XPilhelm 111. JTebjl anberen ttTitteilungen aue ^offmanne Xeben.
müneben 1918.
2. Die biograpbifch« n Daten über biefen entnehme ich bem ‘tXeuen Fletrolog
bee Deutfchen' 30.26 (XPeimat 1850), ben Xoefl im 102. feiner 280 längeren
Attüel über ICote bee 3 ah ree 1848 (0.425/27) behanbelt. (cßoebete gibt nur
einen unmöglichen Auejug baraue — man petgleiche unten 0eite 6 Flöte 2 —,
unb bie Allgemeine Deutfh« Biographie h«t Hoefl nicht ber Aufnahme ge*
wfirbigt.) Pie Aufführungen ber brei ungebruetten bramatffchen Arbeiten unb
bie XCitel ber profafchtiften h«t Jfoeft fclbfl »errechnet für Bonere ‘cßelehrtee
Berlin im 3«hre 1845’.
622
[4]
JCoefl roat, im (Segenfag jw <£>igig unb XPemer, Äennet ber iTtuflf.
0o bilbete et ben Übergang j« 6 er jtoeiten <S5ntppe r>on XParfcbauet »e*
fannten ^offmanne, bie flcb «ne einer großen 2 inja^I »on fcHufiffreunben
3 ufammenfegte; unter ihnen nahm 6 et ftaatlidje JSeibbauö^ortttoleur $tan j
2 £nton flTorgenrotb bie etfie, 6 er 21 b»o!at Äu^Imever ntd)t bie legte
0 teüe ein.
Diefe bef 6 en Breife beflimmten gemeinfam bie ^tdjtung für bae 04 >affen
^»offmanna in 6 en nöcbfien 3 <*b rctt: « würbe romantifcber Componifi.
Hx voUenbete in tParfcbau bie fd)on ln piocf begonnene ttleffe un 6 fcbuf
neben mehreren Bammetwerfen u.a. bie tfluftt ju 6 rei romanttfd)en Dramen:
1804 3 U »rentanoe ‘JCufHgen fTTufifartten’, 1805 ju XPernera ‘Äreuj an
6 et ©jifee’ un 6 1807 3 u 6 em non ihm jum (Dpemtept perarbeiteten
(talberonfdjen Jtufifpiel ‘Die ©cbätpe un 6 6 ie »lume\ 3m 5rü^ia^r 1805
nahm er entfcbeibenben 21 nteil an 6 er »egrünbung 6 et »on 120 Metren un 6
Damen gebiI 6 eten tfluflfaliftben (SefeUfdjaft; er würbe fogleid) in 6 en Por*
fianb gerodelt ala 0 ecretät un 6 »ibltotbecar 6 er < 0 efeHfd)aft for nie »egut*
achter 6 er tbeoretifcben Porträge. 0eit6em am3.21ugufil806 6 aa prächtige
neue 6 eim 6 er < 0 e[eHfd)aft eröffnet war, leitete er auch 6 ie Concerte, in
6 enen namentlich iTtorgenroth fid> ala (Seiger heruortat. Hach langer Um»
gewißheit glaubte »ooffmann fegt feine wahre »eftimmung gefunben 3 U
haben; »on 6 er Compofition 6 er ‘JtufÜgen UlufUanten’ an redptet er nod)
in »amberg fefne „beffere Periobe" 1 .
kleben 6 er WTuflf befestigte fyn in 6 en itTußefhmben nur 6 ie bilbenbe
Bun ft: er $eici)nete Caricaturen 2 unb (befonbeta im 0ommer 1805) Äanb?
fchaftaftubien 3 ; baneben beforgte er im 0 ommer 1806 bie ganje 3 ««en»»
auefiattung bea paiafiea 6 er ÜTufifalifc^en (Sefellfdjaft 4 .
Dagegen entfagte er unter bem überwältigenben £in 6 rud öer neuen
XPelt, bie 6 *gig ihm »ermittelt hatte, auf t>ier 3af)te jebem fdjriftftelle^
rifc^en H1)tgei$. Hx geftattete ftch nicht einmal mehr bie »erfchwiegene
0 eIbftbefpiegelung einea iEagebuchee, bie er in piocf auagiebig betrieben
batte, unb auch ala »rieffchteiber »erfiummte er auf 3 <*h c e hfnaue fafl
gä^ltct). 0 o finb wir gerabe für bie überaue wichtige XParfdjauer periobe,
alfo bie erfien 3 ahre bea Bomantif era £offmamt (ja, man barf fagen:
bie erfien 3ahte bee emfibaften Bünfllera) im XPefentlicben auf bie »e*
richte feiner »efannten angewiefen.
2. ^ eint i^ SL oefi: fein Perhältnia 3 u £offmann
unb feine eigenen Dichtungen
ff oeftena Charafter war na<b bem ‘Heuen Hefrolog’ „febr ebel unb fanft
^ unb 3 eicbnete ficb burd) eine befonbere, btaweilen 3 U große (Sutmütig*
feit aue". ^offmamt pertraute unbebingt bem „alten £oeft", wie er ben
3 t»ei 3 abre jüngeren in einem »rief an <oigig 3 drtlid) nenm, unb Jfoeft
1.3210.55 unten.
2. £ffcig 1 294 ITote un6 295 oben.
3. Rippet 0.209 oben unb unten.
4.6»gigl 296 unten bis 298 oben.
623
[5]
rechtfertigte bae burch felbglofe Vermittlung in manchen ptetaren 0 itua*
tionen, befonbere wofyl in (ßelbangelegenheiten 1 . Hz r»ar ilTitglieb 6 er
Berliner Äoge jum ffammenben 0tetn, unb feine lytifd)en (Schichte waten
grogenteile für Freimaurer begimmt. 0 te erfdjienen auger in ben JL ogen*
gefangbüdjent in »erffhiebenen anberen 0 ammeIroerfen aue ben 3 ahren
1808—22 2 ; für bae 3ahr 1815 gab Äoeft felbfi ein ‘3aJ?rbüd>lein beutfd)er
(Sebichte’ beraue. XVemt er noch 1842 brei Trilogien unter bem TLttel
‘(Seig unb Äeben echter ^umanitdt’ erfdjeinen lieg, fo jeigt fchon biefe
ttamtnQtbung, bag ber Verfaffet ein typifd)er maurerifd)er jEt^ifcr aue bem
18.3öhrhunbert, aber nicht ein gegaltenber dichter war.
3n XVarfdjau bic^tete J£oeg ein iTTelobrama "HnaJreon’, bae »on feinem
ehemaligen Kammergerichta'CoUegen Heinrich Carl )£beU in Breelau 3 com«
poniert unb 1807 bafelbg aufgeführt würbe. IDamt »erarbeitete er eine
tEpifobe aue Caffoe ‘Befreitem 3erufalem’ / bie Äiebe "Cancrebe ju ber
0aracenin Clorinbe, ju einem Äibretto 'C a n c r e b’. t£e gelang ihm aber ni<ht,
einen Componigen bafür 3 « gnben; aud) £offmann, für ben ein XVer! nicht
burch feinen 0 toff, fonbern burd) beffen 21 uffaffung romantifch würbe, lehnte
ben TLept ab.
Halbem Hnbc November 1806 XVarfchau »on ben Sran 3 ofen befegt
unb bie preugifchen Beerben aufgelbg tuaren, fanbte <£>offmann im 3anuar
1807 feine Angehörigen nach Pofen; um bie felbe 3eit fd)eint fcttotgenroth
geh nach 5)reeben geroenbet 3 U höben 4 . 3nt M &15 »erlieg £i$ig XVatfchau,
ale ^offmann geh »on einem £Ter»engeber nod) faum erholt hatte. ETad)
feiner 2 lbreife erlitt <ooffmann einen fdjweren Kücf fall s , bei bem Äoeg unb
Buhlmeyer ihn pgegten. 3m April »erlieg erg Euhlmeyer 6 , bann Äoeg
XVarfchau; biefer retge für ein grogee < 6 anbelehaue in einem »richtigen
»ermbgenered;tlid)en Aufträge nach Parte. £offmann melbete <£>itgg am
20 . April: „j£oeg wirb auf ber 'Keife nach Patt« nächgette in Berlin
eintreffen" 7 . 6 off mann felbg begab gd) im 3«Ü nach Berlin. Äoeff lehrte
3 t»ar im ^>erbg borthin 3 Utüd, würbe aber fofort »om Prin 3 en Jerbinanb
in 3 ugt 3 angelegenheiten bee 3 <>hanniterorbem> nach 0 omtettberg gefanbt
unb !am erg im Mai 180 9 nad) Berlin 3 urüd, ale ^offmann f<hon feit
brei Vierteljahren in Bamberg weilte.
1.25» 0.28 5.12/11 v. u.
2. näheres Alfteb Aofenbaum in cßoebetee ‘cßrunbriß 6er <0efchi<h te
6er 6eutfchen £>i<htung’, 2. 2fug., Sanb 6 (1898), 0.469.
3. geb. rieuruppin 1775, geg. Steelau 1824: h«tte um 6fe 3ahrbunbertwenbe erg
mit ^offmann, bann mit £oeg 3 ufammen im Uocbereitungebienß «m Kammer*
gericht gearbeitet; war feit 1811 eng befreunbet mit 6offmanne greun6 6ampe:
f. 3266 0- 60—62.
4. J£r blieb noch »olle geben 3at>re mit 6offmann in fceunbfchaftlichec Verbinbung,
bie anfdpeinenb eine Unpünltlidßeit 6offmanne in 6et Begleichung einer 0chul6
bae Verholtnte 3 ergirte: f. bie tCagebuch^inträge »om 11. unb 13. E>ec. 1813. —
UJorgenroth würbe 1810 ale Kammetmugfue in ber Kgl. ©ächgghen Kapelle
angegellt.
5. Sw 0.21.
6. j£r war 1823 ©iteltot bee Xanb* unb 0tabt*<0eri<hte in Stanbenburg, 1839
ptdgbent bee cDberlanbeegerichte 3« Sromberg.
7. Sw 0.23 5.9/10.
624
[ 6 ]
3« Berlin arbeitet e üoeft bis jum ^etbfi 1810 beim (0eneral*2Iubttoriat
unb ötit 0 tö 6 tgerirf)t. daneben bid)tete ec bae 0 tngfptcl ‘IDie Blpenhir*
ten', bae 6 er Bammergerichte*Bfireffor Jrtebrtd) tVollan? (ale fein erflee
IVerf 6 er 2fr t) componierte; ee erlebte im 5ebntar 1811 3 mei Bufführungen
im Berliner 0d)aufpielhaue. 3m felben 3<*hre erfchien in 6 er Bealfchul*
Buchhmtblung 3 « Berlin 'Clorinbe, eine Cragoebte in fünf Bften t>on
Meineid) £oefi', hinter beren neuem TEttel ^offmann, ale er tf;n im fcttefj*
fatalog erbliche, fogleid) einen alten Befannten erfamtte: „Unfer ^»einridj
Jtoeft", fchreibt er 6 igtg im 2 XpriI bee folgenben 3 ai)rce 1 , „hat alfo ein
JCtauerfpiel ebiert nameito '<£lormbe’, melchee gemiß nidjte anbere tft ale
bie <Dper 'Hancreb' mit Variationen, bie er in XVarfdjau machte unb bie
td) nicht componieren mochte, meil fle fd)led)t mar." — 3 n 3 t»ifd>en, im
<D!tober 1810, mar Xoe(l nach 0tettin oerfegt, »0 er 3 uerfi ale Bfieffor
am (Dberlanbeegerid)t befdjäftigt, bann aber ale Bat bei bem neu eim
gerichteten 0 tabt* unb ^anbelegericht bafelbft angeficHt mürbe.
Die Befreiungetriege brachten eine neue, entfeheibenbe XVenbmtg in
l oeflene JCeben: er nahm enbgültig von ber 3 ufÜ 3 2Cbfd?teb, um in bie <£> e e r e e *
oermaltung em 3 Utreten. Von feiner TEdttgfeit im Briege 3 U fprechen ijl Iner
nicht ber (Drt. flach bem Stfebenefchluß 1815 fam er nad) ÜTünfter unb
mürbe bei ber Errichtung ber borttgen 3ntenbantur ale Bat an berfelben
angefleHt. fTachbem er Europa oon tVarfchau bie Parie burchftreift hotte,
fchien ee ihm beflimmt 3 U fein, hier in ber ^auptflabt tVefifalene 3 ur Buhe
3 U tommen. 1819 mürbe Barl 3mmermann ale 5DfüifIone=Bubiteur nach
UTünfier oerfegt, unb halb oerbanb ben acht 3 ehn 3 «hrc jüngeren eine innige
Jreunbfchaft mit Äoeft. E>iefer oerfentte ftet? hier, in bem eigentlichen 0tamm*
lanbe ber beutfehen Elation, in beren Vor 3 eit; feit 1817 lehrte er an ber
Brigabefchule beutfehe 0pra<he unb <0efd)ichte. Unb hotte er feine bra«
matifche Ulufe bteher in bie $etne fchmeifen laffen, 00 m heiligen fianbe
über <0ried;enlanb bie 3 ur 0 chmei 3 , fo manbte er fleh fegt einem oater*
Iünbifchen, ja Iocalhiftorifchen 0toffe 3 U in feinem ^ouptmer!, bem „national
0chaufpiel" *3ohonn oon Äevben’. Ee mürbe 1824 in fcHünßer felbfl
aufgeführt unb 1825 fn IDüffelborf.
Bber auch biefe Periobe — ee mar moht bie beflc in JJoejlene Äeben —
nahm ein Enbe. Halbem 3 mrnermann fchon 1824 aue fltünfier in
feine ^eimatflabt iTtagbeburg 3 urüdge!ehrt mar, mürbe auch Jtoefl 1826
aue fünfter oerfegt, um in UTain 3 beim (ßouoernement über bie Bn«
gelegenheiten ber ^eereeoermalttmg 3 U referieren 2 unb baneben bie (f 5 ar*
nifonoermaltung 3 U leiten. Um 1830 oerfttchte er oergebltch, ale Bboocat
beim (Dberlanbeegericht nachUTünfier 3 urücl 3 utehren; bie nachgefuchte 0 teDe
mürbe ihm nicht bemiHigt. Erfi 1835 mürbe er aue UTain 3 erlbji, inbem er
3 «m oorttagenben Bat im Brf egemini jleriunt ernannt mürbe. 0o tehrte
er gegen 0chlufj feinee üebene mieber in feinen (Efebttrteort 3 urücf. 1842
1 . 2 © 0.78 3 . 4 — 9 .
2 .„um ale Beferent bee <0our>ernemente in Dermaltungeangelegenbeiten
bee £eeree IDienjle 3 U lefflen" heißt ee im Heuen Helcolog; <Sotbx.lt macht
bataue: »1826 mürbe er Beferenbat in Vermaltungeangelegenheiten bee
Beetee"!
625
[7]
nafym et Öen Abfd;ieb, um öie gcfchdftlid;e Rettung öer nieöerfchlefifchen
£ifenbal>n ju übernehmen, gab öiefe XCdtigfeit aber balö auf unö wiömete
ft<h ^infoct gdnjltd) literarifdjen Arbeiten.
Äoeft ifl öer Altefte einer Tteifye »on 0 d)rtftfteUern aus Öen ((öebutts*)
iahten 1778/88 — ich nenne Brentano unö üEicf)enöorff, Robert unö
0<hcfer, Parnhagen unö Börne — öie mehr oöer weniger cntfchieöen ale
IDidjtec unö Kunftfreunöe begannen unö ale politifdje oöer religiöfe Henbenp
f<f>riftflcHer enöetcn. (Anöere Altctsgenoffett, wie <Ch«tnifTo unö Uhlonö,
blieben 3 war öer Dichtung treu, aber ötefe nahm geraöe in Öen beften fpdteren
proöucten eine politifche oöer fociale fjdrbung an.) Hach öem Johann non
üevöen’ hat£oeft, abgefehen non Öen nur äußerlich öramattfchen <onmanit&ta*
trilogien non 1842, nichts E)fihterifches mehr neröffentlid)t; öagegen pnb*
lieferte er 1822 (ale TEraugott Psalter) ‘Briefe 3 weier Jreunöe über Religion
unöcßlauben’, 1828/29 (ale Artfelm $rieöanf) 3 wei Bdrtöe ‘i£infleöleranfl<hten
unö TCrdume non öem Mettfchen, öem 0taate, öer Politi* unö öer Kirche’unö
1844 ein «oeft 'patriotifcher tErgiefjungen über öffentliche unö prn>at 3 ufldnbe
im preußifchen Paterlanöe', öem weitere folgen foHtert. 0eit feiner Penfto*
nferung war er eifriger Mitarbeiter non ör ei Berliner XCagee 3 eitungen, 1846
fchrieb et ein Buch über öie Perhanölungen öes preufjifchen Äanötags. Am
1 . Mai 1848 eilte öer 0 ;eb 3 igidhrige trog feinet KrdnJlichleit an öie tPahl*
urne, erlitt öabei einen JaH unö flarb an öeffen folgen am 2 . 3 uni mittags,
nachöem er morgens „noch fehr eifrig über einen ^eitungsartüel mit feiner
(ßattin gefprodjen hatte". POir eftieren öiefe 0teUe aus öem ‘Heuen Hefrolog’,
weil fle nortrefflid) fHmmt 3 U öem Unbehagen über «ooffmamts apolitifche Hatur,
öas fleh in Äoefiens tPüröiguttg feines PParfchauer Jreunöes ausfpricht.
3. Äoeftens (Chß^öfterijtil £offntanns
VTachöem ^offmann im 3 uni 1822 geftorben war, berichtete £tgig im
V V tbinterhedbjaht 1822/23 in öem eingangs genannten tPferfe über öeffen
Aufenthalt in tDarfdjau aus eigener Beobachtung unö nach Kuhlme?ers
Angaben; öiefer hatte u. a. eine hübfehe 0<hilöerung öer mufl!alifd)en Siebet*
phantaflen beigefieuett, mit öenen ^offmann nach 6 igig® Abreife um (Dfietn
1807 feine Pfleger in tErflaunen gefegt hatte. 6 igig be 3 eichnet in feinem
PDerte 1 Buhlmeyer als „Mann non guter, befonöets muftfalifcher Büöung"
unö fdhrt fort: „Auch öiefem [neben <£>igig unö XPerner] fchlofj fld) £off*
mann enge an unö fanö in feinem Umgang einen neuen <S 5 enuf 3 , öa feinen
übrigen Jreunöen, wenn auch nicht öer tfjefchmad an öer IConhmfl, hoch öie
Kenntnis öerfelben fehlte." Äoefi wirö erfl weit fpdter 2 genannt unö
lüt 3 er abgetan; es wirö leötglich gefagt, öaß ^offmann öiefem „wegen feiner
heiteren Jtaune unö feiner gefelligen TCalente befonöets gewogen
war", ohne öafj ein XPort über fein Muftfuerffdnönis fdllt.
Als £igig im Mai 1823 fein XPert oetfanöte, erhielt auch £oefi ein
j£jremplar; in öem Begleitfchreiben hatte <£>igig wohl auf öie gemeinfam in
XPatfd;au verlebte ^rcit hingewiefen unö vielleicht and) Kuhlmeyer als
feinen (öewdhrsmamt in musicalibus genannt.
1.1295 3>. 7—13.
2.1 307 tTTittc.
626
[ 8 ]
Loeg ixmftc £it$i 0 erg nach brei Monaten. 5Det in jebem ©age forgfdltig
erwogene 23rief perhelgt nicht bae 23ebauern, bag £igig es uerfdumt habe,
g<h bei if)m für ben XDarfchauer 2 tbfd)«itt pon <oögmamte Leben 3 « trtfot*
mieren; er, Loeg, I;abe 6 ett Wenfchen ^offtnamt beger gefamtt ale c^igig,
unb ec forme ben Wuftfer «oogmann beffec beurteilen ale Buhlmeyer. £>a
er aber nicht red?t 3 ettig gefragt ig, fo geig er baoon ab, nacfjtrdglid) bio=
grap^tfdje i£in 3 elhetten mit 3 Uteilen, unb befchrdnft geh barauf, ^offmann
im allgemeinen 3 U djarafterijleren ale Wenfchen, ale Waler, ale Wugler
unb ale iDidjter.
Über <£>ogmann ale iDidger ift er gef) bewugt nur fubjectip reben 3 U Binnen;
bagegen macht fein Urteil über ben Waler unb ben Wuflfer llnfpruch auf
objectioe (Geltung. $ür ^ cn Waler wirb ce im (ßan^en 3utreffen, für ben
WufiBer aber nur in 23 e 3 ug auf bie XDarfchauer 'Seit, E>ae muß
hier etwas nd^er bargelegt werben, bamit Loeftene Urteil nicht Per*
wirrung anridjtet.
XPenn Loeg mit ironifdjer Überlegenfreit Lieb unb Brie gegen einanbet
abxoägt, fo h«t <£>offmann bae bereite neun 3 al;re uorfrer, im ^odrfommer
1814, in ber Befpredjung pon Biente fog. Ltebern mit unvergleidflid) fd)dr*
ferem Büft 3 eug gemacht 1 . 3m £erbg beefelben 3«hree Tratte ^offmann
fobann ale Bteieler an TPallborn*5ouque (für bie ‘Wufen’) getrieben, baß,
wenn er „pon ^eillofen :öraPour*2Crien . .. orbentltch 3erf4)lagen unb 3 er*
walBt worben, oft eine Blet'ne unbebeittenbe Welobte, uon mittelmdgiger
©timme gefungen..., aber ... recfjt aue bem 3 nnern heraus empfunben,"
if>n getriftet unb geteilt pabt. Unb Anfang 1815 patte er in ber 'Sermate'
Heregna fagen laffen: „Beine umtüge Per 3 ierung — ein feg tmb flarf
gehaltener Hon, ein bestimmter HusbrucB, ber ©eele unb (ßemüt erfaßt:
bae ift ber wahre (öefang . .. 2 fHe beine 3 ierli<hen <£an 3 onetten unb 2 Xrien
ftnb garnidjte wert gegen bae einige" — n&mlicp „eine einfache Buchen*
mdgige Han 3 one", bie Hheobor por wenigen Hagen gefegt hettte. Ha <£>og*
mann Breieiere 23tief an tPaUborn in ben ‘Phantagegücfen’ unb bie
‘Sermate’ in ben '©erapionebrübern' wieberholt patte, p dtte Loeft bie fe
©teileneigentlich lernten follen. — (öugap beding hat neuerbinge 2 ge 3 eigt,
bag £ogmanne praftifche Wufif geh in berfelben Bichtung entwicfelt
hat: „Sdr ben jungen Bomponigen ... bebeutet ber BontrapunBt... ein
geheimnieuollee (Öewebe, hmter bem eine phantagifche XPelt perborgen
liegt; bem gegenüber tragen bie homophon („galant") gefegten Partien btefer
Jett burchwegben Cfmrafter einee unproblematifchen dolce. t£rg fpdter..,
gnbet <ooffmamt bie WiglichEeit, auch in bie bloge Welobte, votnepmiiö)
bie italienifch geartete, bie gan 3 e Phantagewelt pinein^nvoeben; es bebarf
bann ber ungewöhnlichen lontrapunftifdren £infleibung nicht mehr: ber
tYPifch <ooffmannfche CÖehalt ig bie in ben mugfalifchen illltag butef^
gebrungen." Vlod) in feinen legten Lebensjahren pat ^offmann g<h ale
Ltebercompomg bewdhrt. 3<h erinnere an bie btet bereite perigentlichten
1.0. jegt jBüitigere ^offmann^ltuegabe H. 14 0. 61—72, bef. 0. 62 Witte bie
64 Witte.
2. ^offmetnne ittuglctlifhe XDerte (Xeip 3 %, 0iegel) 26.1 0. 5 oben.
[9] 627
Hebet: „3n bes 3rtif<b weiße SIttten .. ."*, bie 'Dürfifd;e iTTufiE’ (Sriebricb
$brßer ) 2 unb bas ' 3 ügetlieb’ (Died) 3 , fowte an bas Bagbutfcbenlieb 4 .
Hi 0 i 3 bemühte fid), feine Perfdumnis gutjumadjen, tnbem er wenige
tPocbert nad; Empfang bes Briefes, am 29. September 1823, beffen
^auptfieUe (im »orliegenben 2lbbtud 0.13 3- 5—26) als „bie Äußerung
eines febt fach»erßdnbtgen Jcctinbes über Hoffmamts <f5efdjmad in ber
ÜTitftl" in ber 'Ifbenbjettnng’ r>eröffentltd)te unb binjufegte:
iflbcbte es bem trefflichen ttTanne, ber biefe ^ü<i)ttgen 2 lnbeutungen
bloß für einen Brief, unb noch baju an einen unmußlalifcben 5«unb,
binwarf, bod) gefallen, ße 3 U einem ausführlichen 2 luffage über feinen
langen unb engen mufifalifdjen Perfebc mit Hoffntann ju »erarbeiten!
Er würbe gewiß beim Publüum geneigte Hufnabme ftnben, ba es an
allem, was Hoffmann angebt, ein fo reges 3 «tereffe bewiefen. 2 lud)
!bnnte es 3 ur Ergdn 3 ung bes Buches über ^offmann bienen, welkes
ber Herausgeber in mußlaltfcher H>i«flcf)t bei feiner gdnjlicben Ün*
fenntnis bes (giegenßanbes nur bbcbü bürfttg ausßatten fomtte. Das
fühlt niemanb beffer als er felbß.
Äeiber iß Hoeß nicht barauf eingegangen. Hifcis bot bann, worauf ich be*
reits »or 3 wan 3 tg 3abten bingewiefen habe 5 , in ben „XTacbtrdgen 3 U bem
XPerfe ‘2lus Hoffmanns Heben unb ITadjlaß’", bie er llnfang 1825 feiner
Sammlung ber „Hegten Er 3 dblungen »on E. TL 21. Hoffmann" beigab,
bie Stelle aus Hoeßens Brief auffdUigetweife nicht wieberbolt, fobaß bet
gan 3 e Brief fo gut wie unbefannt iß.
4. Der »orliegenbe Drud
3 d) fanb Hoeßens Brief 1901 in Higigs Nachlaß 6 unb beßimmte ihn für
ben britten Banb meines Sammelwertes ‘Hoffmann im perfbnlidjen
unb brieflichen Perfebr’, ber bie 2 lufeef<bnungen »ereinigen foH, bie Hoff*
manns BeJannte über ihn gemalt höben. Den plan biefes Banbes höbe
ich 1901 unb 1903 angebeutet unb bann in ben 3at>ten 1904 unb 1918 aus*
fübrltcbbargelegt;als erßeProbe baraushabe ich 3 UITeujahr 1903 Speyers
Erinnerungen an Hoffmann »eröffentlicbt. XPenn ich freute Hoeßens Brief
als 3 t»cite Probe gebe, fo geßbtebt bas in ber letfen Hoffnung, baß »ieUeicbt
fegt ein Perleger ittut faßt, ben Banb bruden 3 U laßen. Sinb boeb in*
3 wifcben entfpreebenbe Sammelwerfe u. a. über Schiller (»on Hecfet unb
Petcrfen, 1904/09), 3ean Paul (»on Ebuarb Berenb, 1913), (ßrillpaiger
(»on Sauer, 1904/16) erfebienen unb mit Dan! aufgenommen.
1.3m 'Sceibafen’ 30.2 (1839) H- 3 »on Hieronymus TEtubn »etOffcntlicbt. Dichter
unO jEnißebungsjeit ßnO nod) nicht ermittelt.
2.11. a. in Oer ‘MTußl’ 3g. ll H- 18 (3uni 1912).
3.2luf 6em Programm Oer Hoffm«nn*2lusßeHun0 Oer Preußifchen 0t«ßtsbibliotbet
3uni/3uli 1922, Octs jegt »on Oem Perleger Oer »orltegenOen Publiccition 3 U
bejieben iß.
4. iErßbeint 1923 in meiner neuen llusgctbe »on ttlurrs Jtebenscmßchten.
5. Eupborion 250.9 0.363 3-16/15 ».u.
6.0. meinen 25ericht a.«. (D. 0.369 siib c 6.
628
[ 10 ]
E er XPortlaut ig bud)fldblic^ wiebetgegeben; bie (on 6offmanne 0d)toäd)c
gemobnenben) $efyltt in gtied)ifd)en lübrtern (Panigirig, typoföattfd),
< 3 ¥toglipl>e) i)abe id> cbenfo flehen lagert wie ungenaue 0d)tetbtmg »on
Hamen unb ^nconfequensen (<£>offmann—<£>ofmann; Kublmeier; Katifatur
—Karrifatur; ID«—bu). 2lntiqua fyabe id) aber nur bei tPirtem aus frentben
0pra4>en »erwenbet, to&brenb £oeg, ber t>orfd)rift für bienglidje 0d>rift*
güde entfpredjenb, cfnigemale aud) Hamen Iateinifd) fdjretbt. IDie 2lbfag*
bilbung bee (Originals ifl fel)t forgf<ig, fobag id) hier nur einmal einju»
greifen batte, inbem id) einen (britten) “Ztbfag bei „2luge unb (Dbr" beginnen
Heg. 3ut weiteren <£>er»otl)ebung ber wobläbetlegten IDiopogtion bee Stiefee
fyxbe id) mir erlaubt, bie tüorte „getgige Kraft", „Utaler", „fcTTug!",
„TDid)tet M ju fperren; fong ig nur gefperrt, wae Äoeg untergridjen Ijatte.
XX>aa enblid) bie 3nterpunftfon betrifft, fo fyabe id) Komma, ©emüolon,
Kolon gelegentlich »ertaubt unb einige tfTale einen 23inbegri<b, einen
(ßebattfengrid)/ eine Klammer eingefegt; bagegen ig bie—bisweilen eigen»
willige — X>erwenbung beo punftee nid)t beritt)***
Berlin W 30, tfloggrage 31,
im (Dltober 1922.
[ 11 ]
629
münßcr Öen 15 ‘ 2tuguß 1823.
n imm aud) meinen fpdien ©anf gütig auf, mein tfjeurer «^i#g:
Öen geringeren für öie perfönltdje (glabe, Öen größeren für
bae UDotßwoflen, öa© öie beigefügte Charte auofprid)t,
öcn größeren für bae fdjöne (0efd)enf, öa© öu öer XXMt mit öer
Betdjnung eine© tflanne© gemadjt fmß/ öer in fo nieler <£>inßd)t be*
wunbemewertb unö bcbaurungewürbig jugleid) iß. ©u l)aß fein 23ilö
getroffen: öamit will id) öein ocrbtente© Jtob erfd)öpft haben; öenn wa©
fann ein 33iograpf) ^öijereo erteilen, wenn er nid)t Öen TEabel rer?
öienen foU, öaß e© ifjrn weniger um richtige Bdjilöerung 1 be© <Lt)arat=
ter© al© um fofettirenöe ^Darlegung eignen <0eiße©reid)ti)um© 3 U tf)un
war. Bugleid), unö oi)ne öaß öu öarauf auegegangen biß, i)aß öu
öeiner treuen, freunöfdjaftlidjen 0 ecle ein UTonument gefegt, unö, otpte
Panigirißoöer 0 plitterrid)ter ?u weröen, Sieden 3 u r>ecwifd)en gewußt,
öie igt nur wie ßarfe 0 d)lagfd>atten auefef)en. 3 a, e© war ein auege*
3 eid)netcr, reifer UTenfcf), öiefer 3 wifd)en (0ott unö TEeufel herüber*
unö öinüberfdjwebenöe £offmann, öer mid) fytut mit unwiöerße^)lid)et
d&ewalt a« 3 og, morgen mit (ßraufen erfüllte — unö öa© Jtegtere ge**
wann bei mir 3 ulegt öod> öie (Obergewalt.
< 2 >dtte id) öeinen plan gefannt, mein teurer *£öuarö, id) l)dtte öir
mandje© au© öer gefjeimßen ( 0 efd)id)te feine© iebcne, öie id) nur
tenne, mitt^eilen öürfen 2 , öa© öu — nid)t 3 u einer chronique scandaleuse,
öeffen iß öein <^er 3 nid)t fdl)ig, fonöern 3 U irgenö einer ©rapperic, wie
öu e© immer gut gefunöen, Ijdtteß perarbeiten fönnen. 0 elbß in öer
Beit öeine © 3 intimßen Umgänge© mit if)m in XDarfdjau, famtteß öu
einen gan 3 4 anöeren ^ofmann wie id),* oöer oielmetjr: er batte nod) einen
gan 3 befonberen 2 fod, in öem er ßd) ©ir nie 3 eigte — id) wollte aud), id)
bdtte tyn nie bann gefetjen. ©er 3 weite TEf)eiI öeine© tPerf© mußte mid)
um öeewillen nod) mei)r an 3 ieben aie öer erße, weil er für rnd) nod)
terra incognita war. £t iß unenölid) interefiant. ©a© &nbe grdßlid).
0 eine 0 pdße auf öem 0 terbebette führen tyn mir fo red)t x>or öie
0 eele — öiefen nie franfenöen (gleiß unö öie© nie gefunö weröenöe
(ßefü^I. „UTan muß öod) aud) einmal an < 0 ott öenlenJ" ©iefer ein 3 ige
2 iu©ruf giebt Öen 0 d)lüffel 3 um tiefßen (ße^eimniß feine© ieben©. £r
tjatte nie an < 0 ott geöadjt, unö öie 0 d)tcffaIe öer 0 taaten waren ii)m
gleichgültig. PoIittfd)e unö religiöfe (ßegenßdnöe mogte er öa^er nid)t
t. im Orig, verschrieben in Cbtlöerung
2. zuerst Mnnen
3. im Orig, feinte
4. dahinter im Orig, an
630
[ 12 ]
befpredjen. XX>em werben 23eibe gleichgültig, ja wiberwärtig werben,
6 er je 3 « einer männlichen 2$eife gelangt iß? XPorin liegt unfer poli=
tißhee 3 nterefie als in 6 er ittenfdjenliebe — worin wnfere ETeigung 3 U
TEheofophie un 6 Philofophie ale in 6 er 0ehnfucht 3 U <0ott^ Äeibe
blieben ^ofmanne Seele ewig frernb, «nb baher — vergieb mir bie
vertrauliche, 3 « IDir allein gerichtete 2 leußerung — baher er vot 3 uge*
weife ber 2teprefentant ber Phantaße, bie hvpoft^ctficte, bie 3 «r XDürl*
lichfeit geworbene Seerey genannt werben fömtte, ba ihm bie 23aße
fehlte, auf ber ein fo reich begabter tflenfch ein 3 ig Haltung finben fann
— ich meine bie 23e3iehung bee Äebene auf bas tEwige, bae < 0 efühl
ber rTothwenbigfeit in < 0 ott 3 U fein, ein (ßefühl, bae, wo ee wahrhaft
in ber 23ruß quillt, alle frömmelet verbannt unb jenen lebenemuthigen
frohßnn begrünbet, ber aue ben reinßen (ßemüthem am jovialßen
hervorfprubelt. IDarum ^ofmanne Legion bae XDolfengebiet, wo im
Schein unb ©chillem bee Hidfte (ßöttergebilbe unb 3 auberwelten in
UTorgen* unb 2 £benbroth glätt 3 en ober (ßewitter mit einanber ringen.
25 ei biefem Wangel einee unumftößlichen ^unbamente fcheint mir ni<hte
bewunbernewürbiger, ale fein hoher, feltner tftutt). 52a biefer tttutfy
ß<h nicht auf bae 2lbfoIute, ale ein Äegtee, [lügt, fo fomtte er nichte
anbree fein, ale bae <f5efühl einer außerorbentlichen, unverßegbaren
geizigen Braft. Unb bie war auch tn öer vollßen 2 ieichhaltigfeit,
wie ße nur in einem UTenfchen epißiren fann, in ihm ba.
2luge unb <Dfyt, bie £ülfeorgane bee Äunßmenfchen, waren in ihm
vortreflich; aber fo gewiß unb wahrhaftig er UTußfer unb dichter
war, fo gewiß bin ich über 3 eugt, er wäre nie ein fcttaler geworben,
trog feinee herrlichen 2 lufirafiungetalente unb feiner gefaulten £anb.
52te Äarifatur gelang ihm herrlich/ «ber bie Äarrifatur gehört nicht
in bie Utalerei; ße iß eine^yrogliphe beeÄontraßee, um fo gelungener,
je einfacher ße entgegengefegte Pole in ben Umfreie weniger ©triche
3 aubert. ^ofmann betete bie Schönheit einee £TCäb<hene an — er
3 ei<hnete unb malte ße mit allem tEnthußaemue einee liebenben Äünß*
lere inXParßhau, unb, bei meinem reblichcnXPorte—bae TPerf würbe
eine j&arifatur. ^um UTaler fehlte ^ofmann, nach meiner 2 lnßcht, bie
fromme 2 lnbetung ber ETatur, bae unintereßirte Perfenfen in bie
Schönheit einee aufgefaßten (Dbjecte, fynttz beßen realer Schönheit
bie tbeale ((Sott weiß, burch welchen Schöpfungeact fünßlerifcher 23e==
geißerung) aue bem Nahmen bee 25ilbnere hervortritt. §ür ben medja<=
nifchen Tlfytil ber UTalerei waren bei ihm alle 25ebingungen erfüllt; ber
innere war entweber nie in ihm ba, ober wenn er mit ihm geboren
würbe, fo ging er bei anbem Lüftungen feiner reichen Hatur unter.
631
[13]
3 n 6 er fcttuftf Por3Ügli<h hätte id) IDic gern noch etmgee an 6 fe
£anb gegeben, bae auf ftrenger XPahrheit beruht. (EuJ)lmeier bat
bloß in 6 er fcttußf geliebbabert. 0 ein j£ntbußasmu 8 xoar conpenti*
oneller riatur. ©ae beißt, gar feiner. £r bat £ofmann baber an
feiner 0 aite berührt.) <oofmamt liebte frdftige fcttelobieen un 6 tiefe
^armonieen — 6 ae Bdrtlicbe gelang ibm feiten, ober xpurbe oft and)
garnidjt beamtet. 3 talidnif<he 0 üßigfeit, fo fel)r er fyv 3 uxpeilen bae
XX>ort rebet, geftel ibm nur, inforoeit ße liebebürßenbe 0innIid)feit
auebrücfte — unb bae tbut ße l)dujtg. ©er leiste, ßießenbe, natürliche
( 0 efang ber 3 talidner tourbe pou ^ofmann nicht genug gefd)dt$t, unb
fo febt and) mir 2 ioßmi in feiner 2 lfterfunß jutoiber ift, fo follte man
ihn bod) in bem melobibfen XC^eile feiner Probucte billig f) 6 i>er fteUen,
als feine unbebingten ©abler 3 U tbun geneigt ßnb. XPae aber bei £of*
mann orbentlid) xoebe ti>ut, bae xoar fein £aß gegen bae Hieb. *£e
batte für ihn eine 3U enge < 0 ren 3 e, lag für it>n ber Vtatur 3U nabe, tjatte
für d)tt, ber nur bem Pbantaßifcben t>or 3 uget»eife [xd) l)ingab, viel 3 U
piel reale XDafyfyeit, piel 3 U tpenig f>armonifd)en VOed) fei, unb per*
langte eine 3 U anfprud)elofe einfache ITatur, ale baß er [xd) 3 um Hiebe
bdtte berablaßen fbmten — anbere große heißer tpürben pielleicfjt
fagen: l)inauffd)TPingen fbnnen, benn eben bie ftrenge 23egren3ung ber
Äraft erforbert ein großee Permbgen unb bie Eingabe feiner felbß für
einen ber fdjbnßen Porxoürfe ber mußf alißhen Äunft. ©aber fommt eine
Beit im Heben , xpo uns ein Hieb begeiftert unb eine 23rapourarie bloß
fügelt, xpo une eine Perle unenbli«^ tei^enbet xoirb tpie ein braßlianißher
funfelnberZtopae. ^ierpon abgefeben batte <£>ofm. einen portreflid)en( 0 e*
fd)mad. 0 eine 2 lpotbeofe( 0 ludö fam aus ber Julie feiner Ueber 3 eugung.
2lte ©idjter fage id) nid)t ein XPort pou ihm; id) perßefje ee 3 U
tpenig, ihm ein Urtbeil 3 U fprecben — aber id) barf ©ir fa xpobl fagen,
xpie feine Probucte auf mid) xpürfen. £atte id) ein XPerf pon ibm —
id) barf roobl fagen petßhlungen, fo xoar mir immer mehr ober minber
unbehaglich/ xpie mire bfter erging, tpenn id) aue einer jener gldn 3 enben
soirees nach £aufe fam, xpo man mir italidnifd)e XPeine, £S», TÜ)ee,
TLnanaspunid), 2lprifofen, eingemachten Äalmu 8 , canbirte XPaUnüfie
unb ©rangen, alles burcbeinanber, 3 U nafdjen barbot, jebee für ßcb lieb*
l id) 3 ufagte, unb xpenn id) meinen £ut unb ©egen nehmen mußte, eine
xpunberlicbe — Äeere fann id) n id)t fagen — aber 25egebrlicbfeit nach
einer guten itTa^Ijeit, xpo alle jene \d)bnen 0ad)en nur ben XXad)ti\d)
auemadjen foUten, in mir entßanb. ©ann fehnte ich tntch immer an
3can Paule ICafel, ber überhaupt ben \)enlid)[ten XPirtb macht, ber
mir — baroque, xpie ich felbet bin — je porgefommen iß.
632
[14]
Htd)t getrauert habe ich, bafi ^ofntann, befielt anjtebenbe 0eiten,
befonber« au« btt Seme, für immer mein hbchflee 3nterefie in 2lnfptuch
nahmen — fo enbert mußte. 2l<h er toar Perioden, fobalb er <S>tlb
hatte, fleh $u uerbcrben, fobalb e« timt überlagert blieb, au« feinem
(Slücf fein Unglüd $u machen.
Dir, bem 2lllee über ihn noch roerth ift, toirb biefe Unterhaltung
Deine« unb feine« fjreunbe« nicht bloße« lange« (ßemäfch über ihn fein,
btteine Hiebe für ilm fonnte mich nur fo gefdmiägig machen. XX>o
fbtbe ich XDemcr« Biographie- Die hat tmeber gan 3 anbere TEüden.
6<*tte ich fie hoch erfl; ich roerbe fit nicht ohne Belegung lefen.
Deine Ätnber füffe nielmal tn meinem Vtamtnunb auch ihre jmeite
Ulutter, an bie ich nie ohne befonbere Führung bettfe, unb ba« recht
oft. Hebe toohl, mein theurer, lieber £buarb; ich bin ein träger Brief*
fchreiber, aber eingebrannt ift Dein V Tarne in meine Brufi, unb ich »iß
£uch alle, bie ich fo lieb hätte unb nod) lieb habe, auch Sprich
5ouqu6 unb tyamifto unb Htumann, mit $u (Stabt nehmen. Hebe
tpohl, mein heimlich geliebter £tgigl
Dein
Heinrich Hoejl.
ZUM „TRAUM DES DOMKÜSTERS ANDREAS OTTO“.
(‘Mitteilungen’ 1923, S. 25—28.)
Von Dr. Hermann Kügler.
633
Dr. Hans von Müller hat als einer unsrer hervorragendsten Kenner E. T. A.
Hoffmanns, auf dessen ‘Dei von Elba in Paris’ ich S. 28 als auf eine Parallele
hinwies, einen Brief an mich gerichtet, den ich mit seiner liebenswürdigen Erlaub¬
nis zur Klärung der literarischen Angelegenheit hier anschließe 1 :
Verehrter Herr Doctor, endlich bin ich dazu gekommen, Ihren Brentano-
Hoffmann-Aufsatz zu lesen. Ich gratuliere Ihnen zu der Auffindung der Bren¬
tano- Quelle.
Zu der Annahme, daß der „Staatswahrsager“ auch Hoffmann Vorgelegen habe,
liegt m. E. kein genügender Grund vor. Hoffmann gibt mit Vorliebe seine Quel¬
len direkt an, und so läßt er auch hier (S. 80f. der ‘Freimüthigen Blätter’) den
Türmer den D i ab le b o i t e u x des Le Sage anrufen. Dieser er¬
scheint sogleich: denn daß die Erscheinung ein Teufel ist, wenn auch
ein „gutmütiger, nur etwas schalkhafter“, wird S. 85 Mitte deutlich gesagt. Dieses
Teuf eichen gibt auch im Gegensatz zu dem dreigesichtigen Greis ganz und gar
keine Weissagungen von sich, sondern beschränkt sich wie bei Le Sage darauf,
dem Türmer die objektive Beobachtung der natür¬
lichen Umwelt zu ermöglichen.
In einem andern Punkte muß ich Ihnen noch lebhafter widersprechen. Sie
nehmen an, daß es sich um einen Pariser Türmer handelt und daß Hoff¬
mann schildert, wie die Pariser, „von fröhlicher Zuversicht über Napoleons
Rückkehr erfüllt“ sind; Sie schließen daraus, daß Hoffmann „wie so viele damals
dem großen Korsen einen neuen Glanz verkünden wollte“. Von alledem trifft das
Gegenteil zu. Hoffmanns Dichtung spielt offenkundig in Berlin u. z. wahr¬
scheinlich auf einem der beiden Türme des Gensdarmenmarktes. Eini¬
ge Wochen später, am 18. Juli 1815, hat Hoffmann ja auf einem seiner bekann¬
testen Blätter die beiden Türmer, den deutschen und den französischen,
jeden auf seinem Dache sitzend und glockenschwingend, abgebildet; rings um
den Gendarmenmarkt liegen auf dem Blatt zahlreiche Weinkneipen von
Schonert bis zu Lutter & Wegner. So heißt es auch in unserm Text (Freim. Bl. S.
80 Mitte):
Mein Thurm warf einen langen schwarzen Riesenschatten über den
Markt und über die Häuser, indem heller die Lichter aus den Fenstern
herausleuchteten. Unerachtet Mitternacht schon längst vorüber, ging es doch
noch überall [in den Lokalen] lustig her; ich hörte deutlich Gläser er¬
klingen und das verworrene Getöse des lauten Gesprächs.
Militär und Zivil ist sich mehr oder weniger einig darüber, daß man den
verhaßten Feind, den man leider nur zu schonend behandelt hatte, diesmal
1. Gesperrt Gedrucktes ist im Briefe unterstrichen; er ist vom 24. Februar 1924 datiert.
634
endgültig niederschlagen müsse und werde. Das ist die „fröhliche Zuversicht“, von
der Ellinger 15, 12 spricht und die Sie den Parisern aus dem umgekehr¬
ten Grunde zuschreiben.
So steht tatsächlich Hoffmanns Dichtung in ihrer
patriotischen Tendenz dem Traume des Dom¬
küsters Otto weit näher, als Sie annehmen. Trotzdem
glaube ich mit Ellinger, daß der fernglasreichende Teufel von Le Sage und der
Vetter Andreas von Claudius herstammen; alles übrige erklärt sich zwanglos aus
der historischen Situation, nämlich der Stimmung in Berlin nach Napoleons
Flucht aus Elba. -
Wenn ich diesen negativen Erörterungen etwas Positives hinzufügen darf, so
möchte ich bemerken, daß der Dey von Elba mich mehr in seiner Fortwirkung
als in seinen Quellen interessiert. Er ist nämlich offenkundig nach Technik und
Lokalisation eine unmittelbare Vorstudie zu ‘Des Vetters Eckfenster’, das Hoff-
mann mit gereifter Kunst sieben Jahre später entwarf. Hier ist das Personal
vereinfacht: nicht ein Teufelchen zeigt dem Türmer, was auf dem Gensdarmen-
markt vorgeht, und der Türmer schreibt das dann dem Vetter, sondern der
Dichter selbst zeigt es direct dem Vetter. Er macht ihm klar, was die Leute
reden, jeder nach seinem Temperament; und auch hier fehlt es nicht an allge¬
meinen Betrachtungen.
Mit nochmaligem Danke für die anregende Zusendung bin ich Ihr aufrichtig
ergebener Hans von Müller. -
Hiergegen machte ich auf einer Postkarte ungefähr folgendes geltend: daß Hoff-
mann im ‘Dei von Elba in Paris’(!) den Berliner(l) Gendarmenmarkt im
Sinne gehabt habe, ist mir nicht beigekommen. Jene Zeichnung ist mir wohlbe¬
kannt (auch unsere ‘Mitteilungen’ brachten sie 1905); aber der Hoffmannsche
Türmer spricht (Ellinger 15, 87 unten) von seinem „Kollegen an den Küsten“, und
zu diesem Ausdruck hat ein Berliner Türmer m. E. ohne weiteres keine Veran¬
lassung. Die Stelle in den ‘Freimüthigen Blättern’ S. 80 Mitte (= Ellinger 15, 89,
Zeile 23—28) kann doch ebensogut auf den Türmer von Notre Dame in Paris
passen, wo ja im Gegensatz zu den beiden Türmen auf dem Berliner Gendarmen¬
markt einer vorhanden gewesen ist. — Vielleicht aber hat der Dichter beide Städte
im Sinne gehabt und in dichterischer Freiheit vermengt?
Herr Dr. von Müller schreibt hierzu:
Da Herr Dr. Kügler seine Deutung aufrecht erhält (die neuerliche Version
einer V ermengung beider Städte ist mir nicht deutlich), so bin ich ge¬
nötigt, die Tendenz von Hoffmanns Schriftchen näher darzulegen. Das läßt sich
natürlich nicht mit zwei, drei kurzen Zitaten machen, da der Leser dann arg¬
wöhnen könnte, daß diesen Stellen andere entgegenstehen; ich muß vielmehr, so
leid es mir für den gewiß kostbaren Raum der ‘Mitteilungen’ ist, den Inhalt des
Ganzen kurz angeben und auch auf die Entstehung und Entdeckung des Textes
mit einigen Sätzen eingehn.
Napoleon verließ am 1. März 1815 Elba und zog am 20. März in Paris ein. Als
das in Berlin bekannt wurde, begründete der bekannte Publizist Friedrich von
Cölln sofort im Verlage von Duncker & Humblot als Organ für die Bekämpfung
Napoleons die ‘Freimüthigen Blätter für Deutsche’(so der
Hefttitel, der erst nach Abschluß des ersten Jahrgangs im Bandtitel erweitert
wurde). Für den Wahlspruch dieses Blattes erklärte Cölln die Worte: „Deutschland
r
►
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►
►
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635
über alle, wenn es einig ist und will“ — also den selben Gedanken, den später
Hoffmann von Fallersleben in poetischer Form besser ausgedrückt hat; als Ab¬
sicht des Blattes verkündete er, mit aller Welt in Frieden zu leben, aber die
Wiedereinsetzung Napoleons bis aufs äußerste zu bekämpfen. „So freimüthig wie
wir seyn werden“, schreibt er im Vorwort, „so sehr hassen wir den Unfrieden und
die Zwietracht, ja wir werden auch selbst die Franzosen nicht anfeinden,
wenn sie Buonaparte und seine Parthei verlasse n.“
Zu den Schriftstellern, die Cölln (oder sein Verlag) um einen Beitrag bat,
gehörte Hoffmann, der sich in dem Gespräch ‘Der Dichter und der Componist’
und mehr noch in dem Phantasiestück ‘Vision auf dem Schlachtfelde bei Dres¬
den’ als einen der leidenschaftlichsten Gegner Napoleons gezeigt hatte.
Hoffmanns Beitrag soll die Stimmung schildern, die in der Berliner Bevölke¬
rung herrschte, als die Extrablätter verkündeten: „Napoleon in Paris!“ Es ist
unmöglich, für eine solche Darstellung - also den Bericht über die Auf¬
nahme einer bestimmten politischen Nachricht im
Publikum — einen kurzen und dabei durchaus deutlichen Titel zu finden.
Hoffmann, der im allgemeinen in der Formung von Titeln sehr glücklich war,
entschied sich dafür, die Meldung selbst, von deren Wirkung er be¬
richten will, als Überschrift zu geben. Das war das kürzeste und wirksamste; nur
hätte Hoffmann gut daran getan, die Worte mit einem Ausrufungszeichen zu
beschließen und sie zwischen Anführungszeichen zu setzen: sonst kann jemand,
der nur die Übers chrift liest, in der Tat glauben, daß Hoffmann
Napoleons Einzug in Paris schildern will.
Höhnisch bezeichnet Hoffmann im Titel der Schrift den Besiegten von Leip¬
zig nicht mit seinem kaiserlichen Namen, sondern als Kleinfürsten von Elba —
nein, das war noch zu gut für den Feind Europas: der glühende Haß des Dichters
nennt ihn den „Dey“ von Elba. Hoffmann schließt ihn damit aus der zivilisierten
Menschheit aus und stellt ihn in eine Reihe mit den Seeräuber fürsten der Berbe¬
rei. Im Text selbst heißt Napoleon, der in der ‘Vision’ stets „der Tyrann“ genannt
worden war, in der Regel schlechthin „der Feind“; je dreimal wird er mit noch
stärkerem Ingrimm als „der Drache“ und „das Unthier“ bezeichnet. Selbst die
unbelebte Natur haßt den Höllensohn: die Meereswellen, die sich sonst „freund¬
lich um Albions leicht beflaggte Gailionen“ kräuselten, fahren bei Napoleons
Nahen „zornig brausend auseinander“ (S. 77/78). „Der Dämon“, heißt es eine
Seite später (78/79), „entsprang aus dem Kreise, in den ihn zu bannen endlich
gelungen war, und mit dieser That schlug er an die ehernen Pforten seines
finstern, entsetzlichen Reichs an, daß die Höllengeister aus der Ohnmacht er¬
wachen und ihre blutige Krallen ausstrecken sollen nach allem Wahren, Rechten,
Heiligen!“
Soweit die eigene Meinung des Türmers [also Hoffmanns]. Der Bericht über
seine Beobachtungen auf dem Markt und in dessen Umkreis beginnt damit, daß
morgens die Zeitungsjungen ein Extrablatt ausrufen. Das Publikum
drängt sich um die Blätter. Im Vorbeigehn ruft einer dem andern zu: „Wissen Sie
es? - wissen Sie es bereits? — Er ist in Paris eingezogen - ungehindert!“ — „Wer
denn? wer? “ -„I mein Gott, Napoleon - Buonaparte - der Dey von Elba!“
(S. 77.)
Dann wird in einer Reihe von Einzelszenen geschildert, wie in der N a ch t
nach diesem Tage jeder nach Temperament und Gesinnung sich über die Nach¬
richt ausspricht (S. 80 ff).
Sc hli eßlich (S. 85) richtet der Beobachter sein Zauberfernrohr „auf einen hell
erleuchteten Saal, in dem sich eine große Gesellschaft erlustigte. Ich erblickte
junge Offiziere, mit Ordenskreuzen geschmückt, [und] bürgerlich Gekleidete, auf
deren Brust jenes aus feindlichem Geschütz geprägte Ehrenzeichen prangte, an
dem sich alle, die den großen Kampf um Vaterland und Freiheit kämpften, wie an
einem Wahlspruch erkennen. Die Jünglinge ließen hell die Gläser erklingen und
jubelten hoch auf.“ Endlich, so hoffen sie, wird man ganze Arbeit machen
können; „Frisch auf!“ jauchzen die Jäger, „frisch auf! Neue Jagdlust! Hussah,
los auf das Unthier! durch Wald und Kluft! treft es zu blutigem Tode!“
(S. 85/86.)
„Im Zimmer nebenan saßen ältere Männer.“ Ein Oberst sagt zu einem alten
Herrn: „Auch Sie haben gewiß gefühlt, daß jene große Katastrophe nur mit des
heillosen Tyrannen gänzlicher Vernichtung enden dürfte. Woher kam
denn die Verstimmung, die uns alle niederdrückte, als der Tyrann besiegt war
und seine Hauptstadt uns willig ihre Thore geöffnet hatte? Woher kam sie anders,
als daß wir damahls die großen entscheidenden Ereignisse vermißten, die wir als
Schlußscene des ungeheuren Kampfspiels erwartet hatten. Wir fühlten damahls
deutlich, daß noch nicht alles geschehen war.“ (S. 86/87.) Ein Dritter sagt: „Alles
gleißende Gold, mit dem Buonaparte sich äußerlich zu schmücken versteht, kann
sein inneres moralisches Bettlerthum nicht überstrahlen, ln seiner Brust wohnt
kein Vertrauen, kein Glaube, keine ritterliche Ehre.“ (S. 89.)
Dann tritt - offenbar aus dem zuerst geschilderten Zimmer — „durch die
geöffneten Flügelthüren ein hoher, schöner Heldenjüngling mit dem gefüllten
Pokal in der Hand hinein und rief: »Ihr tapfem, muthigen Ritter des eisernen
Kreuzes, laßt hoch leben den königlichen Heerführer! Vaterland und Freiheit!«“
(S. 90.)
„Ein ehrwürdiger, mit vielen Orden geschmückter Greis hatte bis jetzt nicht
gesprochen, sondern bald dem Gespräch zugehört, bald war er kräftigen, jugend¬
lichen Schrittes bis an des Saales Thüre gegangen und hatte mit funkelnden
Blicken die jubelnden Jünglinge angeschaut.“ Der fordert jetzt die Ritter des
Eisernen Kreuzes auf, sich mit den andern Bürgern und Offizieren zusammen¬
zuschließen. „Es geschah, wie der alte Heerführer gesprochen. Er trat in die
Mitte, im engen Kreise um ihn herum hielten sich die Ritter des Eisernen Kreu¬
zes, und im größeren Kreise Bürger und Offiziere, bunt gemischt umschlungen.
Die Gläser erklangen, und im Saale erdröhnte es: »Hoch, hoch, hoch lebe der
königliche Held! Vaterland und Freiheit!«“ (S. 90/91.)
Der Aufsatz erschien ohne Verfasser-Namen im zweiten Heft der ‘Blätter’, das
um den 1. Juli ausgegeben wurde. Am 18. Juli schrieb Hoffmann seinem Jugend¬
freunde Theodor Gottlieb von Hippel, der bekanntlich im
März 1813 den Aufruf des hier verherrlichten „königlichen Helden“ ‘An mein
Volk’ entworfen und damit das Signal zum Befreiungskämpfe gegeben hatte: es
werde ihn vielleicht freuen, zu erfahren, daß er, Hoffmann, der Verfasser des
‘Dey von Elba in Paris’ sei, wie er kürzlich [am 11. Juli] auch in der Spenerschen
Zeitung Napoleon verhöhnt habe.
Diese Briefstelle hat es G r i s e b a c h 1899 ermöglicht, die kleine Dichtung
wieder aufzufinden und sie seiner Ausgabe von Hoffmanns Werken
einzuverleiben. Er bezeichnet sie dort (Band 1, S. LXI) als „patriotisches Fanta¬
siestück“ und meint, sie zeige mehr noch als die beiden (in unserem dritten
637
Absatz genannten) älteren Schriften dieser Art, daß dem Dichter „keineswegs das
Verständnis für die nationale Erhebung gegen die Napoleonische Zwingherr¬
schaft gefehlt hat“.
Ellinger sagt 1912 in seiner Hoffmann-Ausgabe (Band 15, S. 12/13):
„Die kleine Dichtung, die den Eindruck festhalten will, den die Nachricht von
Napoleons Rückkehr auf die verschiedenen Kreise der Bevölkerung ausgeübt hat,
ist auf einen Ton fröhlicher Zuversicht gestimmt. Im Mittelpunkt der Darstel¬
lung steht naturgemäß das Heer in seinen besten Vertretern; der am Schlüsse
erwähnte jugendliche Greis soll wohl ein idealisierter B 1 ü ch e r sein; bei dem
höheren Offizier, der vor ihm das Wort ergriffen, liegt es nahe, an Gneise-
n a u zu denken. Mit großer Feinheit ist das Urteil über Napoleon entwickelt.“
Ich kann mich den beiden ausgezeichneten Forschern nur anschließen 1 und
gebe die Hoffnung immer noch nicht auf, auch Herrn Dr. Kügler zu dieser
bisher nie bestrittenen Auffassung zu bekehren.
Schlußwort: Daß die Auffassung bisher nie bestritten worden ist, verhin¬
dert natürlich nicht, daß es geschehen konnte. Aber mit meinem herzlichen Danke
für die aus schier unerschöpflichem Borne freigebig gespendete Belehrung verbinde
ich die Versicherung, daß Herr Dr. von Müller mich vollkommen bekehrt hat. Ich
will nur hoffen, daß auch die Gelehrten es sein werden, die mir ihre Zustimmung
zu meiner Vermutung ausgedrückt haben.
1. Das einzige Eigene, was der „Hoffmannforscher“ WaltherHarichim2. Bande seiner
Biographie des Dichters zu unserem Stück beibringt, ist die Behauptung, daß es im zwei¬
ten Maiheft von Kuhns TreimUthigem’ abgedruckt sei und den ersten von
Holtmanns zahlreichen Beiträgen zu dieser von Duncker & Humblot ver-
1 e g t e n Zeitschrift darstelle (so S. 49 Mitte, S. 50 Mitte und Anhang Spalte 9 Mitte, also an
drei Stellen!) Wie gewöhnlich hat Harich hier ohne eigene Anschauung der Dinge das von
anderen Ermittelte falsch abgeschrieben. (Anm. von Herrn Dr. von Müller.)
[251]
639
[Hoffmann als bildender Künstler]
Hoff mann, Ernst Theodor Wilhelm (nannte
sich bis zur Ankunft in Bamberg am 1. 9.
1808 meist nur Ernst Theodor [abgekürzt E. T.],
seitdem [nach seinem musikalischen Vorbilde
Mozart] Ernst Theodor Amadeus [abgekürzt
E. T. A., n i e m a 1 s E. Th. A.]), Kunstdilettant
(Porträtist, Karikaturenzeichner u. Dekorations¬
maler), geb. zu Königsberg i. Pr. 24. 1. 1776,
t in Berlin 25. 6. 1822.
Eine ausführliche Biographie des vielseitigen
Mannes wird niemand in einem Lex. der bild.
Künstler suchen, erst recht nicht eine Würdi¬
gung seiner Leistungen als Komponist, Dirigent
u. Musikschriftsteller oder als Erzähler, Drama¬
tiker u. Dramaturg; vollends kann hier nicht
die Rede sein von seinem Scharfsinn in schwie¬
rigen Kriminaluntersuchungen, von seinem
mannhaften Eintreten für unschuldig Verfolgte
und von dem unerschöpflichen Reiz seiner
witzigen Unterhaltung im Kreise geistreicher
Männer. Wir beschränken uns vielmehr auf
zwei Darlegungen: unter A geben wir die
Hauptdaten von H.s äußerem Leben und zeigen
sein wechselndes Verhältnis zu den verschiede¬
nen Künsten, dann etwas eingehender das¬
jenige zur bild. Kunst; unter B folgt eine
Übersicht über seine Arbeiten auf diesem Gebiet.
A. Äußeres Leben u. Verhältnis zur bild.
Kunst.
I. Nach der wirtschaftlichen Grundlage seiner
Existenz zerfällt H.s Leben in 4 Abschnitte:
1. 1776—1800 im Hause von Verwandten, u. zw.
a) bis 1778 beim Vater, dem Hofgerichts-Ad-
vokaten Christoph Ludwig H., in der Fran¬
zösischen Gasse (jetzt Französische Straße 25)
zu Königsberg, b) bis Juni 1796 bei der Gro߬
mutter Sophie Luise geb. Voeteri, Witwe des
Konsistorialrats Johann Jakob Doerffer, in der
Junkergasse ebenda (jetzt Poststraße 13), c) bis
März 1800 bei dem Mutterbruder Johann Lud¬
wig Doerffer, der bis Juni 1798 Rat an der
Ober-Amtsregierung (d. i. dem Obergericht) zu
Glogau, seitdem am Geheimen Obertribunal
(dem obersten Gericht des Staates) zu Berlin
war. Während dieser Zeit wurde H. 27. 3.
1792 in Königsberg als stud. jur. immatriku¬
liert, 27. 8.1795 bestand er ebenda das Examen
als Auscultator, 15. 7. 1798 in Glogau die Re¬
ferendarprüfung, 27. 3.1800 in Berlin das große
Staatsexamen. — 2. 1800—1806 als Richter
an preuß. Obergerichten („Regierungen“) in
den polnischen Landesteilen, u. zw. a) bis 21. 2.
1802 als Assessor in Posen, b) bis 10. 3. 1804
als Rat in Plock (Plotzk an der Weichsel),
c) bis zum Einmarsch der Franzosen Ende Nov.
1806 desgleichen in Warschau, — 8. 1806 bis
1814 als Privatmann, u. zw. a) bis Juni 1807 in
Warschau, b) bis Juni 1808 in Berlin, c) bis
August 1808 (besuchsweise) in Glogau, d) 1. 9.
1808—21. 4. 1813 in Bamberg; e) 25. 4.—20. 5.
1813 in Dresden, f) 23. 5.-24. 6. 1813 in Leip¬
zig, g) 25. 6.-9.12.1813 in Dresden, h) 10.12.
1813—24. 9. 1814 in Leipzig. — 4. 1814—1822
in Berlin am Kammergericht, u.- zwar bis 30. 4.
1816 als Hilfsarbeiter, seit 1.5.1816 als Rat (erst
am Kriminalsenat, seit Herbst 1821 am Ober-
Appellationssenat); Wohnung bis Juni 1815
Französische Straße 28 n , seit Juli 1815 Tauben¬
straße 31 11 ; nur eine größere Reise (Warmbrunn,
Flinsberg, Landeck, Prag) Juli bis Sept. 1819.
II. H.s künstler. Produktion erstreckt sich
auf 28 Jahre; sie zerfällt in 3 scharf ge¬
trennte Perioden zu 8 bis 10 Jahren: 1. Mitte
1794 bis Frühjahr 1804 ein brodelndes Neben-
und Durcheinander von Malerei, Musik, Ro¬
man, lit. Skizze u. Lustspiel; 2. Ende 1804 bis
Anfang 1813 musikalische Komposition (von
den „Lustigen Musikanten“ bis zur „Aurora“),
daneben (seit 1808) Musikkritik (die sich ange¬
sichts der höchsten Gegenstände — namentlich
Beethovens Meisterwerken — zu einem Nach¬
schaffen in Worten steigert) und musikalische
Erzählung (vom „Ritter Gluck“ bis zum „Don
Juan“); 3. seit Mitte Februar 1813 erzählende
Dichtung vermischten Charakters (vom „Ber-
ganza“ u. dpm „Magnetiseur“ bis zu „Des
Vetters Eckfenster“ u. dem „Feind“; in 3 Pausen
der poetischen Produktion entsteht stückweise
als einziges größeres Tonwerk die „Undine“).
Wie daraus hervorgeht, hat H.s Entwicklung
640
gegen den bild. Künstler als Hauptberuf ent¬
schieden. H. hat allerdings in der zweiten
der eben genannten 3 Perioden noch viel ge¬
malt (ganz am SchluB noch sein größtes Ölbild,
das Porträt der Familie Kunz), aber doch be¬
wußterweise nur im Nebenberuf, sei es auf
Grund fester Aufträge oder bei sonstigen be¬
stimmten Anlässen. Während des dritten
Berliner Aufenthaltes, seit Herbst 1814, hört
auch das auf, ebenso wie die Komposition
größerer Tonwerke und sehr bald auch die
Musikschriftstellerei: H. hatte schon vor der
endgültigen Rückkehr nach Berlin in der er¬
zählenden Dichtung sein stärkstes Talent er¬
kannt und wußte seine übrigen Begabungen
dieser dienstbar zu machen.
HI. H.s Entwicklung als Maler u. Zeichner
in der ersten der unter II statuierten 3 Peri¬
oden ist uns fast nur aus den Erinnerungen
seines Freundes Thdr Gottlieb v. Hippel (Ver¬
fassers des Aufrufs „An mein Volk“) und den
diesen beigegebenen Auszügen von H.s Briefen
an Hippel bekannt, die wir nach der ersten
vollständigen Ausgabe (Hoffmann und Hippel,
Das Denkmal einer Freundschaft, Berlin 1912)
zitieren. Danach gab H. sich schon in den
mittleren Schulklassen der Tonkunst und der
Malerei „mehr hin als den Schulwissenschaften“
(p. 10); er trieb „fast mit gleicher Liebe“ (wie
Musik) „Malerei, worin Seemann“- [richtig
Saemann], „ein anspruchsloser gemütlicher
Maler, sein Lehrer war. Fast peinlich hielt
dieser auf die Richtigkeit in der Zeichnung.
Dieser Gründlichkeit des Zeichenlehrers . . .
verdankte H. den festen Boden, auf dem seine
Neigung Wurzel schlagen . . . konnte. Seine
frühsten Versuche in der Malerei waren immer
richtig gezeichnet. Als er sich in Farben ver¬
suchte, waren seine Arbeiten durch die starken
und dunkeln Schatten eigentümlich bezeichnet.
Schon früh gab er sich seiner Neigung hin,
jede auffallende Gestalt, jede Possierlichkeit als
Karrikatur“ aufs Papier zu werfen. „Um zu
sehen und zu lernen, suchte er auf, was ihm
die Kunst — in Königsberg nicht reich aus¬
gestattet — darbot. Emsig las er [1789] mit
seinem Freunde [Hippel] den Winckelmann,
und am meisten zogen ihn die Abbildungen
der aufgefundenen Schätze des Herculanums
auf der Königlichen Bibliothek an, wovon er
das meiste copierte“ (p. 11). Unter seinen Schul¬
genossen stand ihm neben Hippel der spätere
Maler Daniel Thomas Matuszewski am nächsten
(p. 17). — Am 8. 10. 1803 schreibt H. ironisch
ins Tagebuch, daß er als Sekundaner Cramers
„Deutschen Alcibiades“ mit Einschluß der Titel¬
kupfer von C. F. Stoelzel aufs höchste be¬
wundert habe: „Die Risa mit dem schelmisch
aufgehobenen Finger vor dem Munde war mir
. . . das Ideal weiblicher Schönheit, und ich
suchte das Meisterstück (so wie noch früher einen
elenden englischen Kupferstich, der die Eloisa
[ 252 ]
vorstellte) mit Anstrengung aller meiner Kräfte
zu kopieren — es gelang aber nicht!“ —
Während des akad. Trienniums 1792/95 gelang
es H. nicht, sich in der Malerei weiter auszu¬
bilden. Nov. 1795 schreibt er an Hippel:
„Übrigens hat sich der Hang zur Malerei bei
mir verloren, und das macht, weil ich im
Grunde noch nicht weit genug darin bin, daß
es meinen Geist genug beschäftigen kann“
(p. 77). Dagegen heißt es im März 1796:
„Meine Malerei blüht wieder“ (p. 105). Eine
mächtige Anregung gab ihm bald darauf in
Glogau der freundschaftl. Verkehr mit dem
Miniaturporträtisten Aloys Molinary, von Ende
Okt. 1796 bis Mitte Jan. 1797 (Hippel p. 131,
137 f„ 140). H. berichtet an Hippel, daß er
„durch ihn [M.] unendlich in der Kunst ge¬
wonnen habe. Der Feuergeist des Italieners
belebte seine Werke, und einige Funken davon
weckten meinen schlafenden Genius“. Aber
H. fühlte selbst am besten, daß dieser Umgang
nicht genügt hatte, ihn zum fertigen Künstler
zu machen. Im April malt er sich aus, was
er machen würde, wenn ihm ein kleines Ver¬
mögen zufiele: „ich widmete mich allenfalls
der Malerei, die ich vielleicht durch die Übung
eines Jahres zu einiger Vollkommenheit bringen
könnte" (p. 144 f.). Im August 1798 sah er,
auf einer Erholungsreise nach bestandenem
Referendarexamen, in Dresden den „Antiken¬
saal, den Statüen aus Antium und Ercolano
zieren“ (p. 164), und in der Gemäldegalerie
„Meisterstücke aus allen Schulen ... bei alle¬
dem sah ich denn nun freilich bald, daß ich
gar nichts kann. Ich habe die Farben weg¬
geworfen und zeichne Studien wie ein An¬
fänger ... Im Porträtmalen allein glaube
ich starke Fortschritte gemacht zu haben“
(p. 169). In Berlin besucht er im Herbst 1798
die Akad.-Ausstellung und lobt dem Freunde
lebhaft 4 Landschaften Hackerts, ein Ölgemälde
Rehbergs u. eine Tuschzeichnung von Ludwig
Wolf (p. 168 f.).
In den nächsten 4 Jahren (für die freilich
unsere Quellen äußerst spärlich fließen) ist von
schulmäßigen Übungen in der bild. Kunst nicht
die Rede. Anfang 1803 schreibt er an Hippel:
„Ich habe mich unter der Zeit im Malen und
vorzüglich im Treffen ziemlich vervollkommnet.“
Im Sommer zeichnete er „alle damals bekannt
gewordenen etrurischen Vasengemälde aus der
Hamiltonschen Sammlung“ auf das genaueste
mit der Feder nach, wie 1823 sein Biograph
Hitzig (Aus Hoffmanns Leben und Nachlaß,
Berlin, I 247) berichtet; in Hitzigs Nachlaß
(s. u.) liegen noch heute 12 von diesen sorg¬
fältigen Kopien. Das folgende Winterhalbjahr,
1803/04, zeigt den aufreibenden Kampf der
Talente in H.s Geist auf dem Höhepunkt. Am
3. 10. 1803 schreibt er an Hippel: „Werde ich
nur nicht zu sehr vom Präsidenten qua Pack¬
esel behandelt, ... so geht’s in meinen -vier
[ 253 ]
Wänden ganz gut her. Die Akten werden in
die Nebenkammer geworfen, und dann zeichne,
komponiere und dichte ich wie’s kommt —
freilich alles nur schlecht, aber desto mehr
Vergnügen macht mir’s“ (p. 195). Am 16. 10.
fragt er sich im Tagebuch nach der Zeichnung
einer Kindergruppe und vor der Komposition
eines Oratoriums: „Ob ich wohl zum Maler
oder zum Musiker geboren wurde?“ Am 10. 12.
beantwortet er diese Frage Hippel gegenüber
in einer sehr interessanten Weise (freilich muß
man sich gegenwärtig halten, daß Hippel mehr
die Malerei als die Musik liebte, und daß H.
in seinen Briefen dem stets Rechnung trägt):
„Die Malerei habe ich ganz beiseite geworfen,
weil mich die Leidenschaft dafür, hinge ich
ihr nur im mindesten nach, wie ein griechi¬
sches Feuer unauslöschlich von innen heraus
verzehren könnte ... Die Musik ... ist mehr
ein Theaterdonnerwetter . . . man kann sich
mit ihr ohne Gefahr vertrauter machen, darum
habe ich sie zu meiner Gefährtin und Trösterin
erkieset“ (p. 197). Am 16.—20. 2. 1804 be¬
suchte er Hippel auf dessen Landgut und sah
dort Handzeichnungen von Perugino u. Raffael.
„In der exaltierten Stimmung“, in die ihn
dieses Beisammensein versetzt hatte, schreibt er
am 28.: „eine bunte Welt voll magischer Er¬
scheinungen flimmert u. flackert um mich her;
es ist, als müsse sich bald was Großes ereignen:
irgendein Kunstprodukt müsse aus dem Chaos
hervorgehen. Ob das nun ein Buch, eine
Oper, ein Gemälde sein wird — quod diis
placebit!" (p. 200).
IV. In Warschau entschied sich dann H.
für die Musik als künstlerischen Beruf; von
den .Lustigen Musikanten', die er im Dez. 1804
komponierte, datiert er noch 1809 mit Recht
seine „bessere Periode" in der Tonkunst. Dem
entsprechend urteilt einer seiner Warschauer
Bekannten, der gleichfalls dichtende Justizrat
Heinrich Loest, im August 1823: „Auge und
Ohr, die Hülfsorgane des Kunstmenschen,
waren in ihm vortrefflich; aber so gewiß und
wahrhaftig er Musiker und Dichter war, so ge¬
wiß bin ich überzeugt, er wäre nie ein Maler
geworden, trotz seines herrlichen Auffassungs¬
talents und seiner geschulten Hand. Die Kari¬
katur gelang ihm herrlich, aber die Karikatur
gehört nicht in die Malerei . . . Zum Malen
fehlte H. nach meiner Ansicht die fromme
Anbetung der Natur.“ In der Tat beschränkte
sich H. je länger je mehr auf das Porträt und
die Karikatur. Gleich nach seinem Tode
schrieb Ludwig Catel: „im Zeichnen und
Malen war er sehr geschickt, die Eigentüm¬
lichkeit der Züge und der Figur einer Person
mit großer Schnelligkeit und sprechend wieder¬
zugeben.“ Eine gewiß berechtigte Einschrän¬
kung dazu macht Adolf Bernhard Marx, der
als Referendar am Kammergericht H. noch
persönlich kennengelernt hat: H. habe sich
641
zwar erwiesen „als geschickter und geistreicher
Porträt- und Karikaturen-Zeichner; nur war
nicht zu leugnen, daß seine Porträts ... an
den anderen Zweig seiner Zeichenkunst
streiften.“
Rezeptiv blieb H. bis zuletzt stark an allen
Zweigen der bild. Kunst interessiert. Eingehend
besichtigte er Galerien (in Pommersfelden bei
Bamberg; in Dresden im Sept. und Okt. 1813,
wo er förmliche Untersuchungen über mehrere
Madonnenbilder anstellte) u. Ausst. (in Berlin
1814, 1816, 1820); mit Vorliebe verkehrte er
bis zuletzt mit bild. Künstlern (in Dresden 1813
mit Schweikardt und Ettlinger, in Berlin 1814
mit Philipp Veit, seit 1816 mit Wilh. Hensel,
1820 mit den Bildh. Rauch u. Tieck). Aber
was er so an Anschauung gewann, diente
nicht mehr seiner Ausübung der bild. Kunst,
sondern der Kunst der Erzählung, der er sich,
wie schon bemerkt, seit Febr. 1813 fast aus¬
schließlich zugewendet. Mit Recht durfte der
Malerpoet H. seine ersten Sammlungen erzäh¬
lender Schriften als Phantasie- und Nacht-Sriiefe«
bezeichnen („Stücke" im Sinne von Gemälden
gemeint).
B. Arbeiten sur bild. Kunst.
I. Dekor. Malereien.—II. Vorlagen für Graphik.
— III. Sonstiges. — Der Unterzeichnete gedenkt
in dieser Ordnung alle Malereien u. Zeichnungen
H.s, die sich entweder im Original oder in einer
Reproduktion oder wenigstens in einer zeitgenöss.
Erwähnung erhalten haben, zu verzeichnen, und
diese Liste der Ausgabe von „Hoffmanns Hand¬
zeichnungen aus Hitzigs Nachlaß“ beizugeben,
die er gemeinsam mit dem Besitzer dieser Zeich¬
nungen, Herrn Rechtsanwalt Walther Steffen in
Brandenburg a. d. Havel, besorgen wird. Auch
wegen der Zeichnungen selbst muß er um so
mehr auf diese Publikation verweisen, als in
keiner bisherigen Veröffentlichung mehr als fünf
Blätter auch nur halbwegs genügend direkt nach
den Originalen reproduziert sind. — An dieser
Stelle sei aus der Fülle des von H. Geschaffenen
(unter Weglassung aller nicht durch sichere Pro¬
venienz beglaubigten Stücke) nur folgendes er¬
wähnt :
I. Dekorative Malereien. Frühjahr 1795: Aus¬
malen der „gelben Stube“ im Doerfferschen
Hause zu Königsberg; Sommer 1790: Hilfe beim
Ausmalen der Jesuitenkirche zu Glogau; Früh¬
jahr 1806: Ausmalen des Bibliothekzimmers im
Hause der Musikalischen Gesellschaft zu War¬
schau und eines Kabinetts im ägyptischen Stil
ebenda; Sommer 1811: Ausmalen des gotischen
Turms auf der Altenburg bei Bamberg nach den
April/Mai gezeichneten Kartons; Frühjahr 1812:
Dekoration des Salons im Garten des Medizinal¬
direktors Friedrich Adalbert Marcus ebenda;
1815/16: Ausmalen seiner letzten Berliner Woh¬
nung (namentlich wurde hier ein Undinenzimmer
geschaffen I). Alle diese Arbeiten sind unrepro-
duziert untergegangen. — Dekorationen u. Ko¬
stüme für Theateraufführungen u. Feste: Febr.
1798 in Glogau: ,Der Tempel des Aesculap';
1810/12 in Bamberg: Dekoration zu Calderons
.Andacht zum Kreuz', dessen .Standhaftem Prin¬
zen' und .Brücke von Mantible', zu Kleists
.Käthchen von Heilbronn', zu Klingemanns .Ent¬
deckung von Amerika' u. v. a. (8 Tuschzeichngn
dazu in Querfolio in Hitzigs Nachlaß in Branden-
643
<E. fl. Qoffmantt als ttlimfterialfeftretär in spe.
^ufammengejktlt »on Dr. fjans oon JTiüIIer.
PorbemerFung.
3™ 3 U K 1922 ift an biefer Stelle über „fjoffntann als
Regierungsrat" berichtet morben. Rur in beu Monaten
2Tlai J802 bis Rooember f806 hatte ijoffmann mirFlich als
23at an preugifchen „Regierungen" gearbeitet, nämlich an
ben ©bergerichten in plocF unb iParfchctu; hoch führte er
biefen unterm 2{. Februar 1802 ihm oerlieheuen tEitel meiter
— menn er ihn auch in ben Königreichen Bauern unb
Sachfen „ruhen" lieg — bis su feiner Knjlellung als Kammer,
gerichtsrat im 5rühjah r 18J6.
Die Mitteilungen oon {$22 besagen ftch auf bie bienjt.
liehen Perhältniffe ffoffmanns oor feinem tPeggange aus
preugen im fjochfommer {808. Diesmal möchten mir’oon
ben (Ermartnngeu fprechen, bie ber „Regierungsrat" fjoff.
mann in bejug auf feine Permenbung im Staatsbienft hegte,
nachbem er im fjerbft {8{^ mieber in Preugen unb Berlin
eingetroffen mar — genauer: oon feinen Bemühungen unb
Hoffnungen in ben Monaten 3nli f8^ bis ©ftober {8 {5
unb oon feiner Rejtgnatiou im Jahre {8 {6.
3m Mittelpunkt bes Kuffages ftehen oicr buchftabentreu
miebergegebene Schriftftücfe aus bem Mai {8 {5, bie ber
oerfiorbene (Seheime Krchiorat Dr. paul Bai Heu am
2. Mai f9(8 in einem aus bem Ministerium bes Jnnern
ftammenben KftenftücF aufgefunben unb mir mit gemohnter
(ßüte umgehenb 3ugänglich gemacht hat. Sie 5 eigen fjoff.
mann in frieblichfter Perhanblung mit bem Minifter bes Jn.
nern unb ber Polijei o. Schucfmann, ber befanntlich fpäter
3ufammen mit feinem MinifterialbireFtor o. Kampg ber er.
bittertfte unb gefährlichfie 5einb fjoffmanns mar; bie Dofu-
mente haben baher für ben Rachlebenbeit eine piFanterie,
oon ber bie Perfaffer ftch nichts träumen liegen, gu biefer
unbemugten Jronie ber ganjen KFtion gefeilt ftch, um ben
Spag su erhöhen, bie oermutlich oollbemugte bes erften
Schriftftücfs, auf bie noch 3urü<fsuFommen ift.
21 us anberen, bereits irgenbtro gebrueften Briefen bringe
ich (in ber heute üblichen Schreibung) nur folche Stellen,
bie für ben «gufammenhang notmenbig fmb; barunter
mar auch einiges menige aus ber (Einleitung 3U St lij Hoffet,
bergs michtigen Mitteilungen über „Hoffmann als Kammer,
gerichtsrat" su mieberholen, bie in bem fjeft oom Juli 1922
auf meinen eingangs 3itierten Kuffag folgen.
644
0 his SSooentber f 8 f^.
fijoffmaun h attc Anfang 2XpriI f81^ abgelefjnf, Seconba
nach Dresbeu 3 U begleiten; er lebte bas Sommerbalbjatjr
fjinburd} in Ceip 3 ig ohne feftes €infommen als Schriftfteller,
Karifaturen 3 eicbner unb Kompouift. 2lm 6 . 3 ll ü traf er un*
erwartet feinen 3 u 9 e nbfreunb £jippel, ber fünf iPochen t>or<
her, nach feinem 21ustritt aus bem Bureau bes 5 taatsfan 3 lers
fjarbenberg, 311 m Dijepräfibenteu ber Hegierung in marien«
werber ernannt worben war unb, nach einer «Erholungsreife
in bie Schwe^, im Begriff ftanb, biefen Poften ansulreten.
Ejippel oerfpracfj Ejoffmann, ftch für beffen fPieberanftellung
im preufjifchen Staatsbienft 3 U oerwenben; Ejoffmann badete
babei an bie Stelle eines (ßeheimen ejpebierenbeu Sefretärs
in einem 2 Tliuifterium, bie ihn wirtfchaftlid] fidjergeftellt ünb
bodj itjm §eit unb 5 rcit?cit gelaffen hätte, feinen mufifali(d?eu
unb literarifeben Steigungen 3 U leben\). <£r fefete am folgettben
(Lage einen formellen Brief an ffippel auf, beftimmt, an beit
maßgebenben Stellen oorge 3 eigt 31 t werben; in biefem Schrift*
ftücf bittet er ben 3 uge»bfreunb,' ihni, „wenn es möglich ift,
eine Slnftellung in irgenbeinem Staatsbureau 311 uerfchaffen",
bie ihn nähre; „mit gewiffenhafter Creue, mit beharrlichem
Eifer" wolle er „jebem Dienft biefer 2Irt oorftehen".
2 lnt f 6 . 2 luguft erwiberte fjippel bem ungebulbig unb
ängftlid? fjarreuben, ber ftch in 3 wifchen bereits einmal nach
bem Staube ber Sache erfunbigt, baß er troß aller Be.
mühungeu nichts Sicheres habe erreichen fönneu. <£r fragte
fjoffntann, ob feine 2 lbneigung gegen bie 3 nft >3 fo weit gehe,
baß er auch eine 2lnfteUnng im 3 u f** 3 r ninifterium felbft ab.
lehnen würbe; wenn nicht, möge er ftch burd) einen geeig*
ueten ZHittelsmann an ben SHinifter 001 t Kircheifen wenben.
fjoffmaitn fchrieb in biefem Sinne am 20. bem »or-
tragenben Bat Dieberichs, ben er t>ott pofen h*r Fannte, unb
legte ein (ßefud? an Kircheifen bei. fjippein erwiberte er am
felben (Tage:
lüenn mir auch eine BatsfteHe tu einem dollegio auf jeben
5 all tjöct^ft unangenehm gewefeit fein würbe, fo ift
mir hoch bas gan 3 e 3 u fi' 3 f ac ^ nicht fo 3 uwiber, baß tefj
mich nicht im Bureau bes STiinifters felbft fo 3 iemlid) wohl
unb 3 ured)t ftnben fotlte! — tt)as h abe ich überhaupt
i) Iterr (Seheitnrat £?o!ße, bem icb Sailleus Jnub im 3 U 1>
1918 mitteilte, fcfyrieb mir baju unterm 30.3«li, „baß bie ftarre
Sdjeibewaub 3roifchen höheren unb fuba terueii Beamten erft burctj bie
Derorbnumj uoin 7. ;febtuar 1817 ((Sef.-Samitilg. 5. 61 ) errichtet morben
ift. Dorijer war ber (Eintritt eines Hutes in eine (Ejpebienteufietle
burdfaus feine capitis deminutio. Höheres hierüber erbringt ein fehr
lehrreicher Huffaß non tDilhelm Haube in ben ^oifhuiigeu 3ur Branb.
u. preuß. (ßefh- Öb. ;8, S. 365—386".
645
in meiner £age 311 wählen, unb mufj ich Dir nicht 3eit-
lebeus banfbar fein, trenn Du mich enblidj in ftdjern
port bringft?
<£r berichtet bann, bafj er am felben Cage an Dieberichs
unb Kirdjeifen gefchrieben habe, unb bittet fjippel, erfteren
„um öefcbleunigung meiner Angelegenheit att3ugehen".
3 n ber (Cat erhielt er fd?on am 2. September etne Ant¬
wort bes fllinifters. Anfdjetnenb eröffnete ifjm biefer, bafj
an eine Aufteilung im HTinifterium nicht 3U benfen fei, trätjrenb
eine folche an einem ©bergericht im Sereiche ber möglich-
feit liege; er fragte fjoffmann fobann, ob er an einem foldjen
als Hat ober als Sefretär 3U arbeiten wünfebe.
bjoffmann antwortete am 5 ., permutlid? in bem Sinne,
bafj er, fo angenehm itjm eine SefretärfteHe im 2 Tlinifierium
getoefen fein mürbe, bod) eine Aufteilung als (Berichts-
Sefretär ableljnen muffe.
Darauf fdjeint ihm Ausjtcftt auf eine Hatsftelle an einem
©bergerid?t gemadjt tporben 311 fein unter ber Hebinguug,
bafj er porter minbefteus ein halbes 3 a h r lang ohne Ver¬
gütung als Hilfsarbeiter an einem foldjen, etwa am Kammer,
gericht, tätig fei.
Am 2 ^. September reifte fjoffmann pon Eeipsig ab unb
traf am 26 . in Serliu ein.
Anfang (Dftober begann fein Dienft am Kammergericht.
Am f. Hopentber fdjreibt er bjippcln:
<£s ift in meinem £eben ettpas red}t (Eharafteriftifches,
bafj immer bas gefchieht, was id? gar nicht erwartete,
fei es nun Hofes ober (ßutes, unb bafj ich ftets bas 3U
tun geswungen tperbe, tpas meinem eigentlichen tieferen
Prin3ip tpiberjtrebt. So glaubte ich, mich auf immer
ber 3ujti3 entfd^lageu 311 haben: unb Du fiehft mich in
biefem Augenblicf pon Aften hoch ummafit befreticren,
referieren unb tpas weiß ich alles! . . .
<£rft hier habe ict? recht ausführlich erfahren, toie feljr
Du, mein ein3iger teuerfter 5feun?>, Dich bemüht h a ft,
mir meinem IDunfd?e gemäfj eine meiner Heigung ent-
fpredjenbe Stelle in irgenbeinent flTinifterialburean 3U
perjdjaffen, unb nicht perfidjem barf') ich es A>ir wohl, wie
lief im 3 nn?ni id? teilte wahrhafte ^reunbfehaft unb £iebe
fühle. Dafj Deitte Hemühungen feinen glüeflidjen <£rfolg
hatten, baratt ift bie feinbliche materia peccans fchulb,
bie bitrd} mein £eben fd?Ieid?t unb recht perberblidj fchon
mand]e frohe fjoffuung weggesetjrt hat.
<£r tpünfeht, nun roenigfiens nicht toieber nach polen oerfchieft
311 werben, fonbern in Herlijt bletben 3U fönnen, wenn
1 ) „3<i? barf es nicht" bei Ejoffmann ftets (ähnlich wie „icb be»
barf beffeu nicht") = „ich brauche es nicht" = „ich habe es nicht nötig".
646
auch Die <Ejiften 3 eines Kammergerichtsrats „mohl nicht be*
ueibensmert" fei.
2) 2 TTär 3 bis 2Tiai J8J5.
23ach fünftehalb Monaten, am 12 . 2 Tiär 3 J815, fchreibt
ffoffmaun au ^ippel, Der in 3 tPtfchen 3 um ChripräftDenten öer
Regierung aufgerüeft mar, leiber fönne er ihm immer noch
nid?ts pon einer Derbefferung feiner £age berichten. (Eine
Knjlellung als Kammergerichtsrat mürbe ihm „eben nicht
fehr erfreulich" fein, unb [Da im 3 u P' 3 miniftcrium Peine
Stelle frei fei,] fo bleibe es nach n?ie vor fein „innigfter
lüunfch, in irgendeinem anbern Sureau als (Efpebient an*
gepeilt 3 U merben". Dielleicht fönne ffippel ihn an ffarben*
berg empfehlen? „Sein iJureau mu§ bebeutenb perftärft
merbeu, unb follte es bann gar nicht möglich fein, bort an.
3 uPommen? Kein poften, glaube ich, mürbe beffer mit meinem
literarifchen unb fünftlerifchen Streben 3 U pereinen fein."
Offenbar fonute aber ffippel bei ffarbenberg, oon bem
er in Unfrieben gefchieben mar, nichts für ffoffmann tun.
fDähreitb biefer pergeblid? auf eine 2lntmort martete,
eröffuete fiel] ihm eine neue, anfcheiitenb faft ftdjere 2lusftd]t.
Das U7iuifterium Des 3nnern, au beffeu Spifce färben*
bergs alter UTitarbeiter Schucfmaitu ftanb, hatte Damals
befanntlich einen mcit größeren (ßefchäftsfreis als einige 3 ahre
fpäter; es bearbeitete u. a. auch &ie Aufgaben Des jefeigeu
UTinifieriums für IDiffenfchaft, Kunft unb Dolfsbilbung.
Die Seftion bes Kultus unb bes öffentlichen Unterrichts
mürbe feit bem De 3 ember 1808 geleitet pou ©eorg ff ein rieh
fubmig 23icoIopius (1767—1859), ber, gleich ffoffmaun,
in Königsberg geboren unb aufgemad?fen, feit 1795 mit
(Soetfyes dichte £uife Sdjloffer perheiratet mar uttb für feinen
£anbsmaunffoffmaun jtets ein marmes 3»tereffehatte l ). Diefer
<5önner, mit Dem ffoffmann offenbar über feine IPünfdje ge*
fprochen hatte, teilte biefem am 28. Kpril mit, bafj in bem
UTinijterium (EjrpebientenfteHeu befefjt merben follten. ff off*
manu berichtete bas am felben Cage ffippeln unb fügte h»i 3 u:
Du ftehft, lieber teurer 5rcuub, ba§ auf biefe IDeife
eine £ebenshoffnung mir aufgeht, bie aber fchnell erfaßt
merben mufj, um nicht mieber untergeben. Daher bitte
ich Dich auf Das briugeubfte unb inftänbigjie, mir mit
untgehenber poft eine burchgreifenbe (Empfehlung
21ls im Xliai rs 19 Uugufl oon (Soettje mit ber ihm »or 3®ei
3 atj rcn angetrauten Ottilie in 23 erlin tuar, lub Zlicolopius 3ufammen
mit bem jungen paare £foffmann unb ben Silbtjauer Saud? für ben
22. 3um IJIittagejfen; ber ffauptgegenfianb ber Unterhaltung ®ar ber
£anbsmann gadjarias IPerner. (fladj einer Uufjeidjnung Uugufts,
bie <£arl Sdjübbefopf mir am 2<*. lTtär3 ^909 in Ubfchrift mitteilte.
Dajj Ottilie fid? jeitlebens ein ftarfes 3 ntereffe für ffoffmann bemahrt
hat, ift befannt.)
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647
an Öen ZTTiuifter 5. 311 fenbeu. — 3^h tuünfche, follte
auch in bem Slugenbltcf fein poflen Dafant fein ober ge*
madjf merbeu, oorläuftg, um mich im (ßefdjäft 3 U üben,
ofyie (Sehalt — aber nur gleich! — angejlellt 3 U merben.
2TTeine jeßige £age ift in ber Cat feljr übel; beim
außerbem, baß ich gar feinen (Sehalt 3 ief|e . . ., fo fteigt
aud? mein (Efel gegen ein (Sefd?äft, bas, fo mie es jeßt
betrieben mirb, nur Unmut unb £augemeile erregen fann.
(Erinnere Dich, teuerfter ^reunb, baß" es nie meine 3 bee
mar, 3 ur 3 U P*3 3 urücf 3 ufehren, beim 3 U heterogen
ber Kunft, ber ich gefdjmoren . . .
fehr bin ich »on Deiner £iebe überseugt, als baß
Du meine Hoffnung rücffichts bes gemüufchteu (Empfeh*
lungsbriefes täufchen fönnteft. Du fiehft, mie tief in mein
£eben bie (Erfüllung meines iDunfches eingreift, unb fannft
benfen, mie aufgeregt id? bin, mie unenblich ich barnad?
oerlange, baß balb alles entfchieben fei. Übrigens mill
ZttcoloDius aud] meinen ZDnufch unter ßüßen.
Der Sluftrag mar fi^ligcr Itatur. fjippel fannte ben
ihm unmittelbar porgefeßten Schucfmaun beffer, als
fjoffmann biefen bamals fannte; er mußte, ein mie nüchterner
unb Iwmorlofer UTann er mar. (Er bemühte ftcf? alfo, in
beni auf fjoffmanns ZDunfdj aufgefeßten «Empfehlungsbrief
bem ZTTiuijter feinen 3 u 9 en &f cßun & baburdj annehmbar 3 U
machen, baß er ihn als einen (Er 3 philifter fdjilberte. 3»
biefem Sinne fdjrieb er am 3. ZHai (ben fjauptfaß haben
mir gefperrt):
fjochtpohlcjebohrner fjerr,
fjochgebietenber, fjöcbftoerehrtefler fjerr Staatsminifter.
<Em. <EjrcelIen 3 merben mir bas geneigte 5eugniß nicht
oerfageu, baß ich nur feiten unb ungerne (Sefucfje unb
(Empfehlungen mage, melche bas Sefte bes Dienftes nicht
unmittelbar betreffen. Dennoch erbreifte id? mich heute,
(£m. (E^cellen 3 IDohlmolleu für meinen ehemaligen Schul*
Cameraben, ben Uegierungsrath fjoffntann, ehrerbietig in
Knfpruch 311 nehmen. Dreift barf ich babey behaupten,
baß er 3hres XDohlmoIIens nicht unmürbig ift. 3^h er*
laube mir 3 U bem <£nbe eine fur 3 e Sfi 3 je feines £ebens:
23is 3 um 3 a hre f806 flaub er als Uegierungsrath
ju IDarfchau in ber Sichtung feines Dorgefeßten unb in
ber £iebe feiner Kollegen, befonbers, ba ausge 3 eidjnete
Calente in ZTTuftf unb ZTlahlerey ihn 3 ierten. Don ben
Pohlen uertrieben, fudjte er in Serlin nach bem ^rieben
oon Cilfit eine Slnftellung, bie ihm aber, bey ber ZTlenge
ber broblofen ©ffaianten, nicht 3 U Cheil mürbe. <5u arm,
um lauge 3 U märten, ging er im Dertrauen auf feine Calente
nach Sübbeutfdjlaub, mo er 3 uerft unb hernach in Sachfen
648
ftcf) baburdj [alfo burdj Uiuftf uni» UTalerei] unb burd}
ntterarifdje Arbeiten fümmerlich, aber ehrlich ernährte
$ ,e Vergrößerung feines Daterlanbes führte ihn nach
öerltn jurücf, mo er, um fid} tuieber in ben 3uftij.'2>ieuft
^mein 3U arbeiten, 3um Kamntergericbt »erfefct mürbe.
<£r oerftd?ert, in ben ad)t 3 at}ren eines anberit (Treibens
31t otel t>ont 3ufli3.X)ienfl oerlernt 311 haben, um mit Uus-
3etd?nung bariu auftreten 3u fönneu, unb münfdjt jeht
mdjts festlicher, als burdj <£m. E£celleu3 (Snabe
in einem 3 hrer Bureaus als Erpebient angeftellt
3U merben.
€r fdjrieb t>ou jeher einen feljr guten gebrängten Stil,
mar immer fleifjig unb anftänbig. Don feinem fr übern
3U großer ©enialität, ift er burcf? Kummer
unb Sorgen, mie idj mid> felbft über 3 eugt habe,
»ollig geteilt, unb aus bem pegafus ift ein gan3
tüchtiger ruhiger Udergaul gemorben.
<£m. <£fceüen3 merben es biefer Sdjilbermtg anfeEjen,
ba§ fie unpartfjeyifdj ift. Um fo 3 UDerftd?tIid?er fd?meid?Ie
*d? »nie aber mit einer geneigten «Erfüllung feiner unb meiner
ehrerbietigen Sitte, bie idj als mir felbft ermiefen mit innigem
Danf erfennen merbe.
€s ift unmanbelbar bie (Sefinnung ber arößten Der-
ehruug, in ber ich beharre
<£m. EfceIIen3
Zltarienmerber gan 3 gehorfamer treuer
b. 3 UTav f 8 f 5 Diener fjippel
fjippel fanbte ben Brief fogleicf? an fjoffmaun.
<§um Schaben für feinen augenblicflichen «gmecF manbte
biefer nun bie entgegengefefcte (Eaftif an. 3n bem iDahne,
bamit ben Btinifter 3U geminnen, fiellte er ftd?, als hielt er
Schucfmann für einen befonbereu (fjöniter uon Kunfi unb
UMfenfchaft. <£r fd?rieb ihm nämlich am fo. UTai 1 ):
f?och£Dohl«ßebohrner fjerr!
Königlicher iüirflidjer (Seheimer StaatsU 7 iuifter,
UTinifter bes 3 nneru unb Bitter mehrerer hoher 0 rbeu!
(Suäbiger fjerr!
<£m. (EjeHeu3 anerfannte liberale (ßefmnungen fo mie
ber fjoffnuug unb Dertraucn ermeefenbe Salb meines im
nigften 3 ugenbfreunbes, bes Begierungspräfibenten oon
m . bc l n iüorte «reellem" ftänbig ben Budiftaben c
n>eg a|t, haben unrjehon (922 an biefer Stelle bemerft. (Ebenfo
peinlich ift, bafj ber (Erpebtent in spe offenfunbig Unrebe unb Brief,
abrefle rern>ed?|elt; man oergleiche feinen lächerlichen iUürbenfataloa
mit rpppels Unreöe. 3
649
ffippel, ermutigen mid?, Denenfelbeit eine Sitte unter»
ttjänigft por3utragen, pon bereu «Erfüllung bas iSot?l, bie
< 5 >uf rieben l?eit meines £ebeus abljäugt.
Sey bem tjiejtgeu Kammergerid?t lernte i«f? früher
als Keferenbarius ben 3uftt3bienft unb mürbe bann im
3al?re {802 Hatl? bey ber Regierung in £Darfd?au [!],
roo id? bis 3U ber uitglücFlid?en Katafitropl?e im 3 ad* f 806
blieb, bie mid? um 2 lmt unb Srobt brachte. 3 d? flüchtete
na<i? Serlin; ber ftarfe Kubraug brobtlos gemorbener
(Dffaiauten unb ber (ßebanfe, bafj nun ein jeber fo oiel
möglich eilten anbern il?m 3U (ßebotl? fteljenben «Ermerbs»
3tr»eig ergreifen, fo aber bem ot}netjiu belafteten Staat
Kuterfiüfeung unb Unterhalt erfparen muffe, beftimmteu
midi inbeffeu, meine litterarifd?en unb fünjilerifdjeu Kennt»
niffe 3U meinem ^ortFommen in Knfprud? 311 neunten.
«Es gelang mir, in Samberg ZTTuftFDireftor 311 merben, id?
Fontpoitirte für ben <Srofjl?er3og pon lüürjburg Kirdien»
mujif, unb baburd?, fo roie burd? aubere, Iitterarifd?e Arbeiten
errnarb id? notdürftig meinen Unterhalt, bis ict? im Kitfang
bes porigen Sommers bie fjoffnung faßte, baß nun im
preußifd?en Staatsbienjt fict? mieber für mid? 2 lusfid)teu
öffnen mürben. 3 ^? mürbe bey bem t?iefigen Kammer»
gerid?t als ntitarbeitenber Satl? cum voto, jebod? objne
alle «Emolumente, angejtellt unb erhielt bie üerjtd?ruiig,
in ein <Dber£anbesgerid?t als Katt? einsurüefen, bereit «Er»
füöuttg id? hoffen bürfte.
Kleine bisherige bebrängte tage l?a* es inbeffeu be»
mirft, baß jebe «Entfernung ooit Serlin meine tjaüslidjen
Derbältniffe un mieber briuglid? 3errütten mürbe; l?auptfäd?lid?
I?at ftd? aber meine ftete Seigung, in einem <Sefd?äfftsFreife
3u arbeiten, mo bie £Diffenfd?afft übermiegeub tjerportritt,
baburd? in t?ol?«?»n (ßrabe perftärft, baß id? feit ad?t 3d™n
entfernt poii ber 3 «fti 3 ber Kunft unb ber £itteratur lebte,
unb biefe unmiberftel?lid?e Seigung erregt in mir ben
lebhaften tSunfd?:
beit 3 u P*3bieuft 3U perlaffen unb in «Ern. «Ej:ellen3 Sureau,
bem bey bem pergrößerteu <ßefd?äfftsKreife eine £>er»
mebruug ber (Dffijiauten beporfielit, als «Efpebient au«
geftellt 3U merben,
inbem id? bann gern auf bie mir sugefagte (Dberlanbes«
gerid?ts&atl?sftelle per3id?te. <£m. «Ei-ellens bitte id? bal?er
uutertbänigft um Knfteüung in ber genannten Qualität,
unb mürbe id?, falls es por ber £?anb tiid?t tl?uulid? feyn
follte, mir <Set?alt 3<d?lcn 3U laffen, mit ^reubeu por»
läufig aud? oljtie < 5 et?alt arbeiten, um mit bem «Eifer, ben
bie übermiegenbe £uft unb £iebe 3U biefem Dieuft in mir
er3eugt, mid? 31t bem gemünfd?ten 2lmt gait3 311 qualifairen.
Bidjt mit Dielen iVorten ermüben mag i d} «Ern.
«Efellens, um barjuttjun, rote tief in mein Ceben öie oon
mir fo feljnlicbfi gewünfchte ©efchäfftslage eingreift, ba
öie furje Darftellung meiner Eaufbafyi fchou öie ZTiotioe
meines IDuttfches in ftct? trägt; id? wage nur nodj recht
aus meiner Seele 3U Derftdiern, baß es mein Stol3 unö
meine freube feyn «>ürbe, in einem ©efchäfftsfreife 3U
arbeiten, an öeffen Spiße ein ZTlauu oon folch’ tjofyer öurd?.
öringenöer IX>iffenfd?afft fleht, wie <£w. «Efellens es nach
öem allgemeinsten 2luerfenntniß fiuö.
Untertljänigft bitte ich €w. <Efellen3 mir gnäöigft eine
Slunöe beftimmen 3U laffen, wo ich öie «Eh re Ijaben fann,
Deneufelbett perfönlich Öen tiefen Befpeft unö öie Deootion
3u be3eugen, womit id) Derfjarre
Berlin, fran3Öfifche Straße «Ew. €yellen3
No 28 3tnei (Treppen I]od?, unterttjänigft geljorfamfter
Den 13 BTay f 8 f 5 . DerBegierungsBathfjoffmann.
Seinen unö fjippels Brief ließ fjoffmamt öann sufammen
abgelin; beiöe würben fd;on am mit öem präfentations«
oermerf oerfeljen.
Die Antworten würben bereits am f6. abgefaßt, um
am 20. ins reine gefchrieben unö abgefanbt 3U werben. tüir
feßen fie nach Öen Bonjepten fyer.
2 ln £f offmann antwortete SdjucFmanu felbft:
<£m. p fann ich auf öie «Eingabe Dom f 3 ‘ ö. 2 TI.
irgenö eine 2Jusfkht sur nachgefuchten Bnftellnng als
«Eypeöient bet öem BUnifterium öes 3 n,icrn nicht eröffnen,
inöem eine Vermehrung öes <£$peöieuten«perfonafs bei
bemfelben auf alle fälle eben fo wenig, als eine Vafatt3,
wahrfchetnlid) ift. Sie werben alfo nooljl thun, 3 *)rer
je33igen Canfbaljn ftd? nicJjt 311 entfdjlagen, Iw, wenn wiber
alles Vermuten ft«d? bod? nod] eine ©elegenfyeit ereignen
folte, 3hren ZDünfdjen 3U willfahren, foldjes alsöantt noch
immer nachgeljolt werben fann.
Efippeln würbe Don einem Vertreter „namens Sr.Ejcellens"
geantwortet:
2 luf «Ern. fjochtDohlgeb. in öem geehrten Schreiben
oom 3 ‘ ö. 2 TI. enthaltene «Empfeluttg lege ich rielen ZVertt}:
inöeffen ift eine Vermehrung öes «Eypeöienteuperfonals bei
öem ZHinifterium öes 3 nnern, welche 3um Befteu öes oon
3hnen genanntenBegierungsraths fjoffutann benu3t werben
fönnte, auf alle fälle nicht maarfdfetnlich, unö eine Va?ati3
eben fo wenig; mithin wirb es gä^lich an aller (Belegen,
heit unö ZHöglichfeit fehlen, auf biefem tt)ege Ew. p
TVünfdjen für Öen p fjoffmaun 3U genügen.
651
5 ) 3 ult Bis ©Ftober J 8 J 5 .
2lnt [8. 3 u h fanbte fjoffmann ben pierfen Banb bet
„5antafieftü<fe" an ffippel; er fchreibt babei:
2 luf bas innigfte banfe ict? Dir aud? für bie mir
fo fchnell überfaubte (Empfehlung an Schucfmann, bie gan3
gemiß gemirFt haben mürbe, menn bie pon mir geftellte
prämiffe (nämlich baß bas Bureau pergrößert merben
follte), 3U ber mich Hicolooius perleitet hatte, nicht falfdj
gemefeu märe.
.Zugleich bringt er aber um fo lebhafter eine neue
Dariante feiner imoermüjilichen (Erpebieutenhoffn ungen por:
Dem hjimmel fei es gebanft, baß id) Dir enblich ein¬
mal etmas (Erfreuliches melben Fann. Dieberid]S hat es
bahiu gebracht, baß ber 3ufti3minifter pon feinem prinsip
abgegangen i|'t unb mich, uueradjtet ich Hat gemefen, in
feinem Bureau als «E^pebient an [teilen mill. 3 <h ffpebiere
mirFlich fchoit feit brei JDochen für ben ins Sab gereifeten
3uftisrat Haebiger unb Fann nach Dieberichs’ Derftcherung
in menigen Cagen bent Heffript entgegenfehen, bas mich
als (Ejpebient mit 800 rth (Sehalt, feit bem 3 ulius 3«
be3iehen, anfiellt. Hur biefer, biefer befcheibene Poften
ift meinen DDünfchen gemäß, beim:
tauge ich iticht mehr 3utn Hat, meil ich 3“ piel per*
feffen, unb bei jeher (Selegenheit befürchten muß, baß
in ber Seffion, bin ich im urfprünglichen (Sefeß auch
oöüig taFtfeft, hoch ein gebächtnisjtarFer Kollege ein
neueres Heffript mie einen perfteeften Dolch h«r»®r*
Sieht unb mich bamit tötet.
2. flehe id? fonberbarermeife in ber literarifdben unb
Fünftlerifcben H?elt jeßt fo, baß ich »acht aufhören Fann
311 febreiben unb 3U foniponieren. <§u beibem läßt mir
ber (Efpebientenpoften hinlänglichen Baum. Hian be*
Fommt bie geringe 2 lrbeit ins Ejaus gefeubet unb
barf 1 ) niemals ins Bureau gehen. 3^ rechne im
Durdjfdjnitt 5 Stunben tägliche Arbeit, ba ich fit* 2 )
im Stil bin.
3 . barf id] als <Ej:pebient bie ad 2 genannten 2 Jüotria
[alfo Eiteratur unb HluftF] treiben, bie bem Hat per*
badjt merben 3 ).
gum Überfluß, fährt er fort, höbe er noch ein gutes
fjonorar für ein HTanufcript [ben in Ceip3ig perfaßteu erfteu
tCeil ber „(Elixiere bes lEeufels"] erhalten;
Stehe oben bie 3tueite Hote 3U biefem Krtifel.
*) = fattelfeft.
f) BeFanntiidj hat Ejißig aus biefem ©rutibe (823 feine Bio¬
graphien tjoffmanns unb lüerners anonym herausgegebeu.
3<3} fonnte ein gutes £ogis bestellt, Fonnte mid? notbürftig
einrichten unb habe noch 3 U leben, bis neue (Selber ein.
gehen. So fiehft Du mich, mein treuefter gelieb.
tejler 5reunb, nadj fo Dielen Sturmen enblicb im
fjafen!
IDie biefe Ausführungen unb insbefonbere ber (roit
uns gefperrte) Schlußfafc 3 eigen, fal? bfoffmann mit frommem
Danf gegen bas SchicFfal, bas iljn bisher hart genug be.
h a nbelt, enblich eine <geit ungejtörten Fünftlerifchen Schaffens
oor ftd?.
3» her gleichen Stimmung fchreibt er noch am 5 . ©F*.
tober an bie Bebaftion ber Allgemeinen ZTTuftPalifctjcn Leitung:
3 mmer hoffte ich tätig betoeifen 3 U fönneu, toie fehr
es mir am fielen liegt an einem folchen hochgeachteten
3 »flilut fortmährenb teil 3 unehmen, aber immer mehrte ftch
ber Andrang ber Dienftgefchäfte, fo baß es mir unmöglich
tourbe, mit gehöriger ZTlußc unb Anftrengung für bie
ZTifufifalifche] Sfeitung] etmas aussuarbeiten; mittelmäßiges
ober 5 lüd}tiges mochte ich nicht liefern. 3 e fet eublich, nadv
bem bas Bureau bes 3 nfti 3 minifters Dergrößert ift, toirb
mir 2T?uße; unb bie Aiuoefenheit ber ZHilber, bie in
Beethooens „5ibelio" auftreten n>irb, gibt mir (Belegen,
heit, einen Auffafc 3 U liefern, ber nicht ohne 3»tereffe fein
ruirb, ba ich hie partitur ber ©per „^ibelio" sur genauen
Durchficht erhalte, folglich eine grünbliche Beurteilung
biefes ZTTeifterroerfes liefern fann. Balb nach ber Dar.
jteliung trerbc ich biefen Auffafc liefern, fo toie auch hie
mir übertragene Besenfioneu beforgen.
({) April bis September { 8 { 6 .
Aber auch biefe lefcte fjoffnung ertoies ftd? als trugerifch-
Die „ 5 ihelio".Be 3 enfion blieb unausgeführt unb mit ihr uit»
3 ählige anbere plane. €s fanb fich auf bie Dauer feine
Subaltern-Siuefure für bjoffmann; er mußte bas fchtoere
3od} bes hohe» Bidjters auf fid? nehmen. Am 22. April
tourbe er 3 um Kammergerichtsrat beftellt, unb 3 toar nach
feiner Begieruugsrats.Ancienuetät oom 2{. 5ebruar {802 4 ),
mit {000 ©hoiern (Sehalt (+ Bemuueration) für bie «§eit oom
{.April ab, unb am {. 2TIai { 8{6 trat er als toirfliches 2ttit-
*) Hur auf biefe liberale Dieuftalters.Berechnung geht bas
K?ort „iPohltat" in Ejoffmanns Srief an Speyer »om Illai 1820 , bas
bfaffelberg a. a. ©. irrtümlich auf bie (Ernennung 3 um Kammergericbls-
rat be3ietjt.
653
glieb in Öen Kriminalfenat ein, öent er bis 3 um I^erbft f82f
angebört bat.
2 lm 3 . 2 Iuguft fanb enblid) bie erfte 2 Iuffüf)rung öer
„Unöine" ftatt, öer im felben Utonat nod) mehrere folgten.
21 nt 30. 2luguft berichtete fjoffmann fjippeln barüber unb
ermähnte babei, baß auch bie mitglieber bes Kammergericbts
„an ber »Unbine« großen 2lnteil genommen" bitten. <£r
fährt bann fort 1 ):
23ei beut Kammergericht fällt mir natürlich mein
(Sefd)äftsleben ein, bas id) mie ben Kloß bes 23au-
gefangenen hinter mir l)erfd)leppe, unb [betreffs bcffeit
id)] glaube, es fei nun einmal bie Strafe meiner Dielen
Sünben, baß id) in ber freien €uft nicht ausbauern Tonnte
tmb in ben Kerfer 3 tirücfmußte — fo, mie ber oermöhnte
StubeiiDogel, bem bas 5utter fo lange 3 ugereid)t mürbe,
baß er im freien feine 2 lßuttg felbft 3 U fudjeu nicht mehr
oerinag.
©egen Sd)luß bes Briefes h*ifjt es:
3dj fdjreibe feinen „(Solbnen Copf" mehr! So
mas muß man nur recht lebhaft fühl«» unb fid) felbft
feine 3 öi'fion machen!
mit ber gleichen Heftgnation fdjreibt er als Komponift
am 8 . September an einen Kunjtgenoffen, ben 2lffeffor Johann
Philipp Schmibt:
ZTlich felbft bitte id) garmd)t 3 U ben gangbaren Kom*
ponifteu 3 U rechnen, ba es mir 3 U fehr an Praftif fehlt,
um nod) oiel 3 U fd)reiben. „Unbine" mar höcbft mähr«
fd)einlid) bie erfte unb leßte ©per, bie id) hier auf
bas ©heater brachte.
Um biefelbe e$eit fchreibt er in einem offenen 23rief an
5 ouque fürs „ 5 rauentafd)enbud)":
©er bem Kerfer entfd)lüpfte Uogel fehrt 3 urücf, um 2lßung
511 finbett, bie er, Dermöhnt unb hilflos gemorbett, braußen
nid)t 31 t jtnben mußte, . . .
unb in ber 5 oIge befennt er bitter:
baß feit ber Seit, ba id) mieöer in bem (Lriebrab bes
Staats luftig [!] 3Utrete, es mit meiner poetifchen <ßabe
höd)ft miferabel ausfteht . . .
i) 3 n ben nädjften brei Sitaten erlauben mir uns je eine Stelle
311 fperren.
654
3n bum Begleitbrief an 5ouque »om 22. September
geftetjt er, baß er „alle Euft unb Eauue 311 ben poeticis oer.
loren"; am Schluß heifjt es:
So (Sott tot 11, hoffe ich Sie im ©ftober, losgefeffelt
00m 3 odt bes Kammergerichts, einige Stunben in Beim,
baufen [bei Batheuom] 3u feiert.
3nt Kpril bes folgenben 3ahres muß er aber auf eine
au ihn unb fjißig ergangene Cinlabung 5ouqu6s crmibern:
33 eibe, fjifeig unb ich, ftnb a » Öen Prometheusfelfen,
ber mie ein l}aus ausfieht unb am <£nbe ber Btarfgrafen.
ftra^e angebracht ift, angefcbmiebet; baber gibt es leiber
feine 5eiertage für uns, bie mir 3U einem Kusfluge nudelt
fönnten.
Die Icßteu beiben Stoßfeufjer braucht man nicht tragifch
311 nehmen; aber bitterer Crnft ift es mieber, wenn Ejoffmann
1819 ben Kapeümeifter Kreisler fagen läßt:
Zllir gebt es, mie jenem (Befangenen, ber, als er enb.
lieb befreit mürbe, bem (ßetümmel ber IDelt, ja bent Eicht
bes Cages fo entmöhnt mar, baß er nicht oermögenb
[mar], ber golbnen Freiheit 3« genießen, unb ftch mieber
3urücffehnte in ben Kerfer.
Schlußmort.
Da^ fjoffmann, mie er in bem Brief au Schmibt aus«
führt, als Komponijt nur aus Zllangel an „praftif" ner-
ftummt ift — bas ift immerhin, mie 3ur Cntlaftung bes
Schicffals gejagt fei, nicht mahrfcheinlich. Bacbbem itt ber
Unterrebuug mit Carl 5 riebrich KU113 am 15 . 5 ebruar 1815
ber Dichter fjoffmanu auf ben plan getreten mar, muffte
ber Kompouift ihm meinen, unb bie ftüdPmeife, mit großen
Paufen, entftanbene „ilnbine" mar beffen Schmaneulieb:
nicht erft ber Kammergerichtsrat non 1816 , fonbern febou
ber Dichter non [813 b at Öen Kompouiften erftieft.
Kber baß hjoffmanns Blitarbeit au ber Allgemeinen
BTufifalifchen Leitung j,, Serliu einfcblief unb namentlich
baß feine Crjählerfunft bort jahrelang nur gutes fjanbmerf
655
geblieben ijl *), bas mag allerbiugs mit ber Überlaftung burdj
ben Beruf 3 ufamntenhängen. <£rft bie Kranffjeit con 18(8
brachte itjn 3 uri\cf 3 unt großen ZHärchen (jaches), erft bie
3 tr>eife uub gefährlichere t>ou (8(9 jurücf 3 um Kreisler.
9 Hodj 1818 befennt ffoffinaun (in einem .Brief an bie Z)idjterin
lieltnina oon (L^y), ba§ er „bis jetjt, bas ITiärdjen rom golbnen
(Eopf nielleidjt ausgenommen, nichts r>on eigentlicher Beoentnng
geliefert".
657
GERMANISCHE LITERATUREN
Gerhard Salomon [Buchhändler in Berlin],
E. T. A. Hoffmann Bibliographie.
Weimar, Lichtenstein, 1924. 80 S. 8°.
Die erste Periode der postumen deutschen Hoffmann-Literatur reicht von
1823 (Hitzig) bis 1839 (Brodhag); in diesen siebzehn Jahren ist so gut wie alles
zusammengetragen, was die Welt im 19. Jahrh. von Hoffmann wußte. Die zwei¬
te Periode, die sechs Jahrzehnte von 1840/41 (Baudry) bis 1899 (Grisebach),
zehrte nahezu ausschließlich von den Texten und Tatsachen, die in der ersten
Periode veröffentlicht waren; ja, in den letzten Jahren dieser Zeit bildeten sich
positive Irrtüm er heraus, indem acht lange Rezensionen der Allgemeinen Musi¬
kalischen Zeitung fälschlich Hoffmann zugeschrieben und alsbald auch in mehrere
Ausgaben übernommen wurden. Mit dem Jahre 1901 begann die dritte, kriti¬
sche Periode: 1901/09 wurde Hitzigs und damit Hoffmanns Nachlaß erschlossen
(mit den sechs Schreibkalendern Hoffmanns, einer großen Korrespondenz und
wichtigen Aufzeichnungen über ihn) und 1902/07 Härtels Verlagsarchiv (mit 41
Briefen Hoffmanns, meist über seine Mitarbeit an der Allg. Musik. Ztg.).
Im Anfang dieser dritten Periode, 1902, stellte Alfred Rosen¬
baum als erster eine eingehende Hoffmann-Bibliographie für den achten Band
von Goedekes Grundriß auf; insbesondere verzeichnete er in erstaunlicher Reich¬
haltigkeit die zeitgenössischen Kritiken von Hoffmanns Schriften. Ende 1903 über¬
sandte er mir das Manuskript zur Prüfung; ich konnte u. a. einige von mir ermittel¬
te Beiträge Hoffmanns zur Allg. Musik. Ztg. (den ‘Baron von B.’, die Rezension
von Beethovens ‘Egmont’-Musik, die von Bergts Oratorium ‘Christus’) und die
‘Olympia’-Abhandlung einfügen, die sich durch 13 Nummern der Zeitung f. Thea¬
ter u. Musik hindurchzieht. So erschien die Arbeit, durch Nachträge bis zum Dez.
1904 fortgeführt, im J. 1905.
Bald stellte sich jedoch heraus, daß die oben erwähnten acht Rezensionen, die
man in den 90er Jahren Hoffmann zugeschrieben hatte und die so auch in
Goedekes Grundriß geraten waren, nicht von ihm herrührten, während um¬
gekehrt acht andere,bei Goedeke fehlende, ihm angehörten. Ich stellte das
in den Süddeutschen Monatsheften vom März 1908 fest und gab dort S. 286/88
eine Liste von 35 authentischen Beiträgen Hoffmanns zur Allg. Musik. Ztg.; dieses
Verzeichnis ist seitdem für die Ausgaben von Hoffmanns musikalischen Schriften
mit Einschluß der Gesamtausgaben maßgebend gewesen, wenn auch inzwischen
noch ein paar weitere Texte mit Recht für Hoffmann in Anspruch genommen sind.
Ferner sah ich im Herbst 1905 Kuhns Freimüthigen durch und fand in den drei
Jahrgängen 1819/21 sechs (bezw. acht) größere Beiträge Hoffmanns, darunter
den Schwank ‘Aus dem Leben eines bekannten Mannes’, die köstliche ‘Haimato-
chare’ und die drei langen Reisebriefe aus den schlesischen Bergen; ich berichtete
darüber in der ‘Deutschen Rundschau’ vom Jan. 1910.
Ich bezweifle nicht, daß die Durchsicht anderer Zeitschriften, wie ich sie schon
1902 öffentlich gefordert habe, ähnliche Ergebnisse liefern würde. Ein Anfang ist
658
kürzlich von Felix Hasselberg gemacht, der sehr lange und wichtige
Musikrezensionen aus Hoffmanns Berliner Zeit gefunden und damit dessen auf¬
fälliges Verstummen in den Allg. Musik. Ztg. auf das Erfreulichste erklärt hat;
nähere Angaben will sich der Entdecker selbst Vorbehalten.
Nach der systematischen Durchsicht der Hoffmann nahestehenden Zeitschriften
wäre die zweite Aufgabe der Hoffmann-Bibliographie die Verzeichnung der däni¬
schen Übersetzungen seit 1818, die dritte die der zahlreichen schwedischen seit
1820, die vierte die der geradezu massenhaften russischen seit 1825; für die Biblio¬
graphie der schwedischen und russischen Übersetzungen ist bereits von zwei schwe¬
dischen Gelehrten das Wichtigste getan. Die französischen Übersetzungen, die ja in
größerem Umfange erst 1829 einsetzen, sind im wesentlichen bereits von Rosen¬
baum verzeichnet; hier fehlt fast nur noch eine Inhaltsangabe der einzelnen Samm¬
lungen, wie sie für Loeve-Weimars’ zwanzig Bände 1900 von Vicaire, für die
späteren Übersetzungen inzwischen handschriftlich von einem anderen Pariser
Gelehrten besorgt ist. — Die übrigen Literaturen mit Einschluß der englischen
kommen gegen die genannten vier nicht in Betracht.
Nachdem wir so kurz gezeigt haben, was in drei Etappen geleistet ist und was in
fünf weiteren Tagemärschen noch zu tun bleibt, wird es zur Würdigung des anzu¬
zeigenden Werkes im wesentlichen genügen, wenn wir feststellen, daß der Verf. von
den drei bereits vorliegenden Arbeiten nur die erste kennt (nämlich die vor zwanzig
Jahren von Rosenbaum aufgestellte Liste mit den acht apokryphen Rezensionen)
und daß er von den fünf noch zu leistenden Aufgaben nicht eine einzige auch nur
in Angriff genommen hat.
Seine Arbeit besteht im wesentlichen darin, daß er Rosenbaums Liste in vier
Richtungen systematisch verschlechtert. 1) Er streicht alle
Publikationen aus den Jahren 1872—1904, hört also ohne jeden verständigen
Grund mitten in der zweiten der eingangs gezeigten drei Perioden auf. 2) Er
streicht die Übersetzungen ins Holländische und Dänische, Italienische und Spa¬
nische, Russische und Cechische, die Rosenbaum (freilich in sehr ungenügendem
Maße) verzeichnet hatte. 3) Er streicht bei allen Sammlungen außer der ersten
Reimerschen Rosenbaums sorgfältige Inhaltsangaben. Nach diesen drei Prozeduren
bleiben im wesentlichen übrig (immer nur nach Titel und Seitenzahl): die 1803/71
erschienenen deutschen Drucke von Hoffmanns Werken (u. zw. mit Einschluß von
7 oder 8 apokryphen Rezensionen!), die Übersetzungen ins Englische und Franzö¬
sische, die allgemeinen Schriften über Hoffmanns Persönlichkeit und die zeit¬
genössischen Rezensionen seiner Werke (von diesen läßt S a 1 o m o n aber eine
nicht unbeträchtliche Anzahl aus Flüchtigkeit fort, darunter je zwei Rezen¬
sionen der Undine, der Brambilla [eine davon von dem Romanisten Ferdinand
Wolf, 1890 neu gedruckt und auch von Ellinger ausführlich wiedergegeben] und
der Olympia). Diese Masse völlig disparater Titel, die Rosenbaum übersichtlich
geordnet hatte, wirft Salomon 4) in e i n e n Topf, um sie mechanisch nach
Jahren aufzureihen. Der Übelstand, der darin liegt, wird noch vergrößert durch
die rohe Art der Einordnung: denn für S. ist einfach das Jahr maßgebend, das
irgendwo auf dem Titelblatt steht. Als e i n Beispiel für alle greifen wir den
Anfang seines Jahres 1816 (Nr. 69—81) heraus: Nr. 69: ‘Nußknacker u. Mause¬
könig’ (erschienen zu Weihnachten 1816!); 70: die ‘Fermate’ (ersch. etwa
September 1815 im Frauentaschenbuch für das Jahr 1816); 71: ‘Ahnun¬
gen aus dem Reich der Töne’ (Februar 1816); 73: eine Rezension der ‘Phantasie¬
stücke’ vom Januar 1816! Mehr als einmal führt daher Salomon die Rezension
659
eines Hoffmannschen Werkes weit vor dem besprochenen Werk selbst auf, alles zu
Ehren des »Titeljahres«.
So verständnislos wie die Anordnung ist die Behandlung der einzelnen Drucke.
Salomon setzt seinen ganzen Ehrgeiz darein (wie schon seine »Berichtigungen« am
Schluß beweisen), nicht nur die Titelseite jedes Buches, sondern namentlich auch
den vollständigen Titelkopf jeder Zeitschriftnummer buch-
staben- und interpunktionstreu wiederzugeben. Nur darin hat er Rosenbaum syste¬
matisch »verbessert«.
Um dieses Vorgehen sinnfällig zu machen, genügt es, als Beispiele für mehrere
hundert Zeitschriftenartikel je einen Aufsatz von Hoffmann und einen über
ihn anzuführen.
1) Rosenbaum nennt S. 489 oben Hoffmanns Besprechung der von Johann
Philipp Schmidt komponierten ‘Alpenhütte’ nach Ellinger: »Eine Rezen¬
sion von Joh. Phil. Sam. Schmidts Komposition der Operette ‘Die Alpen¬
hütte’ (von Kotzebu e) in der Vossischen Zeitung 1816 vom 10. Sept. Joh.
Kr[eisler].« S. ist es völlig gleichgültig, daß es sich um Schmidt handelt, denn
Schmidt steht nicht in der Überschrift. Er gibt, seiner festen Überzeugung nach,
etwas weit Wichtigeres; er sagt nämlich sub Nr. 80: »Königlich privilegierte Ber¬
linische Zeitung ... Im Verlage Vossischer Erben. 109tes Stück. Dienstag, den
lOten September 1816. Theater. Die Alpenhütte. Oper von A. v. Kotzebue. [Unter¬
zeichnet:] Joh. Kr.[= Johannes Kreisler = E. T. A. H.]«
2) Rosenbaum stellt S. 476/77 die Erinnerungen von Hoffmanns Bekannten
zusammen. Da heißt es sub x: »[Friedr. Ro chlit z]: Allgem. Musik. Zeitung
Leipzig 1822. 24. Jahrg. Nr. 41 (9. Okt.). Sp. 661/70.« Salomon interessiert sich
nicht für Rochlitz; denn der ist in der Nummer nicht genannt. Dafür heißt es sub
Nr. 193 ohne jede Abkürzung: »Allgemeine Musikalische Zeitung. Den 9ten Okto¬
ber. Nr. 41. 1822. [Sp. 661/670:] Nekrolog. Ernst Theodor Amadeus Hoffmann.«
Man sieht, daß hier zwei Welten einander gegenüberstehen, die des Buchstabens
und die des Geistes.
Wie bei diesen Aufsätzen im kleinen, ist es im großen bei den B ü -
ehern, in denen Hoffmann irgendwie und irgendwo ein- oder zweimal erwähnt
wird. S. verzeichnet sub Nr. 402 Hägens preußische Theatergeschichte (843 Sei¬
ten!), sub Nr. 251 sogar C.W. Contessas Schriften (neun Bände!) lediglich mit
dem Zusatz » Mit Bezugnahme auf Hoffmann« — und so nahezu alle Werke der
Art. Lotz’ zweibändige Übersetzung von Oehlenschlägers Reisebriefen, um noch
ein Beispiel zu nennen, »enthält Mitteilungen über Hoffmann«: wo, muß man bei
Rosenbaum nachsehn.
Ebenso summarisch werden Hoffmanns eigene Bücher erledigt. Der Hoffmann-
Liebhaber, für den S. ausschließlich arbeiten will, erfährt weder etwas von den
Titelvignetten, die Hoffmann für die ‘Phantasiestücke’ gezeichnet hat, noch von
den Umschlägen, die er für den Zaches, das Murr-Kreisler-Werk und den Meister
Floh entworfen hat. Erst recht werden natürlich feinere Unterscheidungen nicht
erwähnt, wie die in der Literatur wiederholt erörterten Paginations-Varianten der
‘Phantasiestücke’, der Doppeldruck des Frauentaschenbuches für 1816 oder die drei
Papierqualitäten von Reimers erster Gesamtausgabe, die Goedeke S. 500 nach¬
gewiesen sind.
660
Unter den wenigen neuen Drucken, die S. anführt, befindet sich kein ein¬
ziger Originaldruck, geschweige denn ein Text Hoffmanns, der nicht längst
bekannt wäre. Dafür führt S. als neue Entdeckung unter dem J. 1868 die 15bän-
dige Hempelsche Ausgabe von Hoffmanns Werken vor, die bekanntlich erst
1879/83, weit jenseits von S.s Berichtsgrenze, erschienen ist.
Um Rosenbaum gegenüber etwas im Prinzip Neues zu geben, versucht S., auch
Hoffmanns Kompositionen und Zeichnungen zu registrieren.Von
den sechs bis 1856 gedruckten Kompositionen, die ich bereits 1902 (Musik, Jahrg.
1 S. 1659/60) verzeichnet habe, nennt er jedoch nur vier. Von den recht zahl¬
reichen Zeichnungen Hoffmanns lernt der von S. beratene angehende Spezial¬
sammler sogar nur drei kennen, u. zw. ein von Hoffmann aus Not gezeichnetes
Uniformbild und zwei in der Reproduktion bis zur Unkenntlichkeit mißglückte
Porträts; nicht einmal die bereits dreimal reproduzierten Napoleon-Karikaturen
von 1814 sind genannt, die einzigen bekannten Blätter, die Hoffmann einzeln hat
erscheinen lassen.
Trotz des in seiner Art bewunderungswürdigen, wenn auch gänzlich sterilen
Fleißes, den der Verf. auf die absolut treue Wiedergabe von weit über 200 Titel¬
köpfen von Zeitschriftnummern verwendet hat, ist sein Buch weder für den For¬
scher noch gar für den Sammler irgendwie zu brauchen.
Berlin. Hans von Müller.
[ 9 ]
[Aus der Einleitung zu den ‘Handzeichnungen E.T.A. Hoffmanns’]
661
I. DIE WICHTIGSTEN
ALLGEMEINEN DATEN ÜBER HOFFMANN
i. Sein Name
Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann ward von seinen Königsberger Angehörigen Ernst gerufen;
er hatte diesen Namen dem Justizrat Christoph Ernst Voeteri zu Ehren erhalten, der ein Bru¬
der seiner beiden Großmütter war. Er selbst nannte sich in der Regel Emst Theodor (abgekürzt:
E. T.); als er am i. September 1808 als Musikdirektor in Bamberg eintraf, fügte er diesen beiden
Namen als dritten Mozarts Vornamen Amadeus hinzu. Als Ernst Theodor Amadeus Hoffmann
Unterzeichnete er im März 1813 seinen ersten Verlags vertrag; im Druck kürzte er die drei Namen
stets in E.T. A. ab (also niemals in E. Th. A.).
2 . Die Abschnitte seines äusseren Lebens
Hoffmann ist am 24. Januar 1776 geboren und im Alter von 46 Jahren 5 Monaten am 23. Juni 1822
gestorben.
Nach der wirtschaftlichen Grundlage seiner Existenz zerfällt sein Leben in vier Abschnitte:
I. Januar 1776 bis Frühjahr 1800 im Hause von Verwandten, und zwar:
1. bis 1778 beim Vater, dem Hofgerichts-Advokaten Christoph Ludwig Ho ffmann , in der
Französischen Gasse zu Königsberg in Preußen (jetzt Französische Straße 23),
2. bis Juni 1796 bei der Großmutter, der Witwe des Hofgerichts-Advokaten und Konsistorial-
rats Johann Jacob Docrffer, in der Junkergasse ebenda (jetzt Poststraße 13),
3. bisMärz 1800 bei dem Mutterbruder Johann Ludwig Doerffer; dieser war:
a) bis Juni 1798 Rat an der Ober-Amtsregierung (d. i. dem Obergericht) zu Glogau ,
b) seitdem am Geheimen Obertribunal (dem obersten Gericht des Staates) zu Berlin (ging
aber anscheinend erst im August dorthin ab).
Während dieser Zeit sind an äußeren Ereignissen zu verzeichnen:
1792 März 27 Immatrikulation als stud. jur. in Königsberg,
1795 Juli 22 erstes Examen ebenda,
1795 Aug. 27 Ernennung zum Auskultator an der Regierung (=dem Obergericht) ebenda,
1796 Mai Versetzung an die Ober-Amtsregierung zu Glogau,
1798 Juni 20 zweites Examen ebenda,
1798 Juli 15 Ernennung Zum Referendar ebenda,
1798 Aug. 4 Versetzung ans Kammergericht in Berlin,
1800 März 27 drittes Examen ebenda.
II. Frühjahr 1800 bis November 1806 Richter an preußischen Obergerichten (»Regierungen') in
den polnischen Landcstcilcn, und zwar:
1. bis 21. Februar 1802 Assessor in Po«»,
2. bis 10. März 1804 Rat in Plock (Plotzk an der Weichsel),
3. bis zum Einmarsch der Franzosen Ende November 1806: desgleichen in Warschau.
III. Ende November 1806 bis Ende September 1814 Privatmann, und zwar:
1. bis Juni 1807 noch in Warschau;
2. bis Juni 1808 in Berlin ; nach einem Besuch in Glogau
3. 1808 Sept. 1 bis 1813 April 21 in Bamberg ;
4. 1813 Apr. 23 bis 1814 Sept. 25 in Sachsen, und zwar:
a) 1813 Apr. 25 bis Mai 20 in Dresden,
662
[ 10 ]
b) 1813 Mai 23 bis Juni 24 in Leipzig,
c) 1813 Juni 25 bis Dez. 9 in Dresden,
d) 1813 Dez. 10 bis 1814 Sept. 24 in Leipzig;
5. 1814 Sept. 26—30 in Berlin.
IV. 1. Oktober 1814 bis 2j. Juni 1822 Richter am Kammergericht daselbst, und zwar:
1. seit 1. Okt. 1814 .Mitarbeiter* cum voto consultativo,
2. seit 1. Nov. 1814 desgleichen am Kriminalscnat,
3. seit 16. Jan. 181 j desgleichen mit vollem Votum,
4. seit 22. April 1816 Kammergerichts-Rat,
5 . seit 1. Mai 1816 wirkliches Mitglied des Kriminalsenats,
6. seit 1. Okt. 1819 im Nebenamt Mitglied der Immediatkommission zur Ermittlung hoch¬
verräterischer Verbindungen und andrer gefährlicher Umtriebe,
7. seit 1. Dez. 1821 Mitglied des Ober-Appcllationsscnats.
Wohnungen:
1814 Okt. 4 bis 1815 Juni: Französische Straße 28,
181 j Juli bis 1822 Juni: Taubenstraße 31.
Begraben ist Hoffmann am 28. Juni 1822 auf dem dritten Friedhof der Jerusalems-Gemeinde (vor
dem Hallischcn Tor).
J. Die Perioden seiner Produktion
Wir können Hoffmanns Produktion erst von seinem ersten erhaltenen Briefe an Hippel vom
Oktober 1794 an verfolgen. Die 27 Jahre 9 Monate von da bis an seinen Tod zerfallen nach der Art
von Hoffmanns künstlerischer Betätigung in drei Perioden zu 8'/ 4 —9'/ s Jahren:
I. Herbst 1794 bis Frühjahr 1804 ein brodelndes Neben- und Durcheinander von Malerei, Musik,
Roman, literarischer Skizze und Lustspiel;
II. Ende 1804 bis Anfang 1813 im wesentlichen musikalische Tätigkeit aller Art, nämlich:
1. in erster Linie Komposition (von den .Lustigen Musikanten* bis zur .Aurora*),
2. daneben, seit 1808, Musikschriftstellerei, und zwar:
a) Kritik (namentlich erste kongeniale Würdigung Beethovens),
b) musikalische Erzählung (.Ritter Gluck*, .Kreislers Leiden*, ,Don Juan*);
III. seit Mitte Februar 1813 vorwiegend erzählende Dichtung vermischten Charakters (vom ,Ber-
ganza* und dem .Magnetiseur* bis zu .Des Vetters Eckfenster* und dem .Feind*); in Sachsen ent¬
stand in drei Pausen der poetischen Produktion (zwischen dem 1. Juli 1813 und dem j. August
1814) stückweise als einziges größeres Tonwerk dieser ganzen Periode die,Undine*, wie auch
die Musikschriftstellerci allmählich verebbte.
II. HOFFMANNS ENTWICKLUNG
ALS BILDENDER KÜNSTLER BIS 1804
Wie Hoffmann sich zu der—wenn auch nur bescheidenen — Höhe emporgearbeitet hat, die er am
Abschluß der ersten dieser drei Schaffensperioden um 1804 als bildender Künstler innchatte, das
wissen wir fast allein aus den Erinnerungen Theodor Gottlieb von Hippels (bekannt als Konzipient
des Aufrufs ,An mein Volk*) der seit 1787 Hoffmanns Schulgenosse war und Anfang 1789 Einlaß
in das Haus von Hoffmanns Großmutter fand, sowie aus den diesen beigegebenen Auszügen aus
den Briefen, die Hoffmann seit dem Oktober 1794 an diesen Freund gerichtet hat. Wir zitieren jene
Erinnerungen und diese Briefe nach dem Buche .Hoffmann und Hippel* (s. u.,VI 1). Im folgenden
wird an der Hand dieses Führers berichtet über den wechselnden Eifer, den Hoffmann bis 1804 für
663
[ 11 ]
Malerei gezeigt hat, über den Unterricht, den er in Königsberg in dieser Kunst genossen, über den
freundschaftlichen Umgang, den er mit Malern unterhalten, und über Kunstwerke des Altertums,
der neueren Zeit und der Gegenwart, die er besichtigt, beurteilt und zum Teil zu seiner Übung
nachgebildet hat. Seine eigenen Jugendwerke auf dem Gebiete der bildenden Kunst sollen jedoch
erst im Abschnitt V zusammen mit denen der späteren Zeit verzeichnet werden.
Gleich hier sei darauf hingewiesen, daß Hoffmann anscheinend nie mit Ölfarben gemalt hat.
i. In Königsberg als Schüler: etwa 1787—1792
Hoffmann gab sich schon in den mittleren Klassen der Tonkunst und der Malerei ,mehr hin als den
Schulwissenschaften 1 (S. io unten). .Fast mit gleicher Liebe [wie Musik] trieb Hoffmann Malerei,
worin Saemann*, ein anspruchsloser gemütlicher Maler, sein Lehrer war. Fast peinlich hielt dieser
auf die Richtigkeit in der Zeichnung. Dieser Gründlichkeit des Zeichenlehrers . . . verdankt
Hoffmann den festen Boden, auf dem seine Neigung Wurzel schlagen und in wunderlichen Zwei¬
gen, Blüten und Früchten sich ausdehnen könnte. Seine frühsten Versuche in der Malerei
waren immer richtig gezeichnet. Als er sich in Farben versuchte, waren seine Arbeiten durch die
starken und dunkeln Schatten eigentümlich bezeichnet**. Sehr früh gab er sich seiner Neigung
hin, jede auffallende Gestalt, jede Possierlichkeit als Karikatur zu bezeichnen***. Sein Talent
im Auffassen und Treffen verleitete ihn oft weiter, als es seine Absicht gewesen sein mochte.
Seinem Lehrer entwuchs er bald. Um zu sehen und zu lernen, suchte er auf, was ihm die Kunst —
in Königsberg nicht reich ausgestattet — darbot. Emsig las er mit seinem Freunde den Winkel¬
mann, und am meisten zogen ihn die Abbildungen der aufgefundenen Schätze des Herculanums
auf der Königlichen Bibliothek an, wovon er das meiste kopierte* (S. 11, Z. 6—27).
.Den Freund [Hippel] hatte er [seit Ostern 1789] zum Zensor und Kritiker —wiewohl er weder
Maler noch Musiker war — für seine Kunstprodukte ausersehen. Ihm spielte er seine Kompo¬
sitionen, ihm legte er seine Zeichnungen vor und änderte bereitwillig nach dessen Urteil, das er,
weil er es für unverdorben hielt, als kompetent erkannte* (S. 11 /12).
Außer mit Hippel verkehrte Hoffmann freundschaftlich nur mit zwei Mitschülern: mit dem musi¬
kalischen Karl Faber (dem späteren Geheimen Archivar) und mit Daniel Thomas Matuszewski,
,der an Feinheit und Sauberkeit des Pinsels Hoffmann weit übertraf, aber nicht an Korrektheit
und Kraft. Matuszewski ist nachher in Paris und Italien gewesen und als braver Künstler geachtet
worden ... Hoffmann gedenkt seiner im ,Artushof‘ auf eine freundliche Weise* (S. 17, Z. 3—9).
Als Sekundaner bewunderte Hoffmann Cramers .Deutschen Alcibiades* und hielt C. F. Stoelzel,
der ,die Titelkupfer gezeichnet hat, für einen zweiten Raffael*, wie er ironisch am 8. Oktober 1803
ins Tagebuch schreibt. .Die Risa mit dem schelmisch aufgehobenem Finger vor dem Munde war
mir nämlich*, so fährt er fort, ,das Ideal weiblicher Schönheit, und ich suchte das Meisterstück
(so wie noch früher einen elenden englischen Kupferstich, der die Eloisa vorstellte) mit An¬
strengung aller meiner Kräfte zu kopieren — es gelang aber nicht !*
2 . In Königsberg als Student und Auskultator: 1792 bis Mitte 1796
Als Student hat Hoffmann fleißig porträtiert; nur Freund Hippel, den er ja täglich sah, hatte er
nicht verewigt. Nachdem dieser im Juni 1795 Ostpreußen verlassen hatte, wirft Hoffmann sich
664
[ 12 ]
diese Unterlassung vor (S. 99 oben): ,So viel Pergament und Papier mit Fratzengesichtern zu
beschmutzen, und nicht den einzigen, bei dessen Andenken einem so wohl ums Herz wird,
abzuzeichnen! Mit Blcifeder und Tusch wär in ein paar kühnen Zügen das Ganze vollendet
gewesen.*
Auch sonst muß Hoffmann sich in dieser Zeit wiederholt als Maler versucht haben; er spricht
im Oktober 1794 von seinen beiden ,ncuesten Stücken* (= Gemälden), zwei Historienbildern
(s. u.,V 3e). Wir erfahren bei der Gelegenheit, daß Hippel ihm heimlich die Gemäldegalerie
seines Onkels, des Geheimen Kriegsrats von Hippel (Verf. der »Lebensläufe*, des Buches .Über die
Ehe* usw.) gezeigt hat; Hoffmann erwähnt hier (Hippel S.42,Z. 1) ein Pastellporträt Rousseaus, spä-
tcr(ebenda S. 154, Z.ai—23) die .Andacht* von derTheerbusch als Hauptstücke der Sammlung, die
im übrigen bekanntlich viele Bilder von mehr als zweifelhafter Herkunft enthielt. Zu Weihnachten
1794 malte er für seine Geliebte ,ein modernes Nähkörbchen, dessen Beschreibung ich auf einen der
künftigen Briefe verspare* (S. 51 unten). Alles in allem war Hoffmann, der anscheinend nach Sac-
mann keinen genügenden Lehrer in Königsberg fand, mit seiner Malkunst damals keineswegs zu¬
frieden. Trotzdem er auf die erwähnten beiden Gemälde .vorzüglichen Fleiß angewendet* hatte
(S. 41, Z. 13 f), waren sie doch seiner Überzeugung nach ,zur großen entscheidenden Empfehlung
... viel zu schlecht* (S. 42, Z. izf). Er denkt zwar an die Möglichkeit, einmal durch Malerei sein
Brot zu verdienen: ,Arm und hilflos werde ich nie sein: immer findet sich doch wohl eine Wand,
die ich bepinseln, und Papier, das ich beschreiben kann*, schreibt er im Februar 1795 (S. 60 unten).
In einer skeptischeren Stimmung kann er aber (November 1795: S.77 unten) äußern, nachdem von
einer Gelegenheitsarbeit (einer Bildniskopie für Hippel) die Rede gewesen: .Übrigens hat sich der
Hang zur Malerei bei mir verloren, und das macht, weil ich im Grunde noch nicht weit genug darin
bin, daß es meinen Geist genug beschäftigen kann.*
Dagegen fährt er fort, sich als Zeichner zu betätigen. In dem eben zitierten Briefe berichtet er von
Vignetten, zu denen er nachträglich einen Text schreiben will; zwei Monate später, Januar 1796,
heißt es: .Sonntags blühen bei mir Künste und Wissenschaften... Im Ernst geredt: die Wochen¬
tage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, Sonntags am Tage wird gezeichnet, und abends
bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht* (S. 88 Mitte: es ist dies eine der für die erste
Periode charakteristischen Zusammenstellungen seiner Künste, die sich dann namentlich acht Jahre
später, 1803/04, häufen). Nach abermals zwei Monaten, im März 1796 (S. 105 unten) schreibt
Hoffmann: .Meine Malerei blüht wieder*; als Probe wird eine am Tage vorher vollendete Arbeit
genannt.
ß. In Glogau als Auskultator: Mitte 1796 bis Mitte 1798
Fast das erste, was Hoffmann in Glogau tat, war die Teilnahme am Ausmalen einer Kirche (s.u.,V ia).
Am 22. Oktober schreibt er Hippcln (S. 131 Mitte): ,Ein gewisser Molinary, der ein sehr geschickter
Maler ist, hält sich seit einigen Tagen hier auf. Alles, was ich von ihm höre und sehe, ist so äußerst
interessant, daß ich nicht die Zeit erwarten kann, ihn kennen zu lernen: noch nie habe ich eine solche
lebhafte Miniaturmalerei gesehn !* Und drei Monate später, am 22. Januar 1797, heißt es (S. 137/38):
.Einige Zeit hindurch... habe ich hier einen Umgang genossen, der meinem Geist oder willst Du
lieber, meiner Phantasie neuen Schwung gegeben hat.* Er schildert dann Molinary als schön und
stolz, aber mit einer Neigung zu boshafter Schadenfreude. .Sein Ruf war wider ihn,* aber: ,Du
kennst mich, Theodor, kennst meinen Enthusiasmus für die Kunst: war’s Wunder, daß ich mich
gleich ihm zu nähern suchte? Es gelang mir bald, und nun verbrachte ich fast jeden Tag ein paar
Abendstunden in seiner Gesellschaft.* Weitere Mitteilungen will er Hippein gelegentlich mündlich
machen; .jetzt nur so viel, daß ich durch ihn unendlich in der Kunst gewonnen habe. Der Feuergeist
665
[ 13 ]
des Italieners belebt seine Werke, und einige Funken davon weckten meinen schlafenden Genius:
dieses dokumentier’ ich durch ein paar Mädchenköpfe, die ich in meinem Portefeuille von meiner
Hand habe/*
Aber Hoffmann besaß Selbstkritik genug, um zu wissen, daß diese Anregung nicht genügt hatte,
ihn zum fertigen Künstler zu machen. Im April 1797 baut er Hippein gegenüber ein .Luftschloß'
für den Fall, daß er eine kleine Erbschaft machen würde: ,Du gäbst vielleicht gern für mich und
meinen Tisch ein Plätzchen her... ich widmete mich allenfalls der Malerei, die ich vielleicht durch
die Übung eines Jahrs zu einiger Vollkommenheit bringen könnte, und flöge zuweilen aus mit
diesem Talent in die Welt, und kehrte dann wieder zurück in das Asyl Deiner Freundschaft! *
4. Der erste Besuch der Dresdner Galerie: August 1798
Nachdem Hoffmann im Juli 1798 das Referendarexamen bestanden, unternahm er im August eine
Erholungsreise, die ihn u. a. nach Dresden führte. Hier sah der 22 jährige angehende Maler, der
bis dahin klassische Werke nur aus Reproduktionen kannte, zum ersten Male eine der großen euro¬
päischen Sammlungen, und hier füllten nach Hippels schönen Worten (S. 25) ,die bis dahin nur
geahnten Kunstschätze sein Gemüt mit einem solchen Reichtum, daß es sich für sein ganzes Leben
daran erlabte, vorzüglich aber, daß sie, wie immer in dem Gewahrsam schaffender Geister, die
Keime neuer herrlicher Geburten wurden'.
Das Tagebuch, das Hoffmann über diese Reise führte (vgl. Hippel S. 164, Z. 8 und S. 169, Z. 24—26),
hat sich leider ebensowenig erhalten wie die Briefe, die er seiner Kusine und Braut Minna Dörflfer
von Dresden aus nach Glogau sandte und ,die zu seinen interessantesten Jugenderzeugnissen ge¬
hört haben sollen' (Hitzig [s. u.,VIi!] 1 ,136). So sind wir für die Eindrücke, die die Dresdner Samm¬
lungen im einzelnen auf Hoffmann gemacht haben, auf die wenigen Sätze angewiesen, die Hoff¬
mann nachträglich in Glogau (Ende August) und in Berlin (Mitte Oktober) für Hippel zu Papier
brachte (S. 164, Z. 18—24 und S. 169, Z. 9—18).
In Glogau schreibt Hoffmann, in Eile kurz vorm Wegzug, ,daß mich die Nacht von Correggio in
den Himmel gehoben, daß mich die Magdalena von Battoni entzückt hat und daß ich mit tiefer
Ehrfurcht vor der Madonna von Raphael gestanden habe. Vom Antikensaal, den Statüen aus
Antium und Ercolano zieren, muß ich schweigen/ In Berlin schreibt er allgemeiner, er habe in
Dresden .Meisterstücke aus allen Schulen' gesehen; insbesondere hebt er aber auch hier „den Saal
des Italiener' hervor und nennt neben den drei vorher namhaft gemachten Meistern Tizian. ,Bci
alledem', fügte er hinzu, ,sah ich denn nun freilich bald, daß ich gar nichts kann.'
j. In Berlin als Referendar: September 1798 bis Mär\ 1800
Unter diesem Eindruck kam Hoffmann nach Berlin. .Ich habe', schreibt er Hippein in dem eben
zitierten Brief (S. 169, Z. 18—23), ,die Farben weggeworfen und zeichne Studien wie ein Anfänger
— das ist mein Entschluß. Im Porträtmalen allein glaube ich starke Fortschritte gemacht zu haben;
ich schicke Dir gewiß nächstens etwas zur Probe.'
Die Kunst der Gegenwart studiert er in der Ausstellung der Akademie. Er lobt Hippein (S. 168/69)
vier Hackertschc Landschaften in Öl und, .ihres unnachahmlichen Ausdrucks wegen', eine Tusch¬
zeichnung von Ludwig Wolf (die Schlußszene von Schillers Räubern). .Das schönste Stück' ist ihm
aber ein Historienbild des in Rom lebenden Rchbcrg, das den mit Frau und Kindern in eine Höhle
Mädchens in leuchtenden Farben auf Pergament oder dünnem Elfenbein darstellt und, anscheinend von alter Hand, Hoffmann zugeschrieben ist. Wenn
666
[ 14 ]
geflüchteten Julius Sabinus lebensgroß darstellt; HofFmann beschreibt ausführlich das Bild oder
vielmehr den Vorwurf (dessen Dramatisierung durch Soden er dann bekanntlich im ersten Viertel
des Jahres 1810 mit Musik begleitet hat) und schließt mit dem Urteil: .Das Stück hat einen bc-
wundrungswürdig großen, schönen Stil und ist, ganz in italienischer Haltung, vortrefflich gemalt/
Im Januar 1799 hörte er in der italienischen Oper Righinis Werke .Atalanta e Meleagro' und
,Armida‘; sein Malerauge erlabte sich an der prunkvollen Ausstattung beider Stücke durch Barto-
lommeo Verona. Um Hippein nach Berlin zu locken, schreibt er ihm (S. 173 unten): ,In den schönen
Künsten ist man hier wirklich sehr weit... Du kannst Dir z. B. keine Vorstellung von der großen
italienischen Oper machen: der Zauber der Meisterstücke Veronas, die himmlische Musik — alles
vereinigt sich zu einem schönen Ganzen, das auf Dich gewiß seine Wirkung nicht verfehlen würde/
Im Juli 1799 heißt es (S. 175 lj6): .Meine Karriere geht langsam, und ich bin nicht unzufrieden da¬
mit, weil ich jetzt die Zeit sehr nutze und meinen Lieblingsstudien, Musik und Malerei, schlechter¬
dings nicht ganz entsagen kann.'
6. In Posen als Assessor: Frühjahr 1800 bis Februar 1802
Daß Hoffmann in Posen nichts für seine Weiterbildung als Maler tun konnte, braucht nicht erst be¬
wiesen zu werden. Desto eifriger führte er den Karikaturstift, mit dem Erfolge einer Geldstrafe
(1801) und einer Strafversetzung nach Plock (1802).
7 . In Plock als Regierungsrat: Mai 1802 bis April 1804
Aber selbst der Aufenthalt an diesem Ort, ,wo jede Freude erstirbt, wo ich lebendig begraben bin',
wie Hoffmann Hippein im Januar 1803 klagte (S. 186), konnte seinen künstlerischen Schaffensdrang
nicht dauernd ertöten. Er spricht in demselben Briefe den Wunsch aus, den Freund auf halbem
Wege in Thorn zu treffen und ihn von dort unter dem Namen des Miniaturmalers Molinary auf
sein Gut zu begleiten; er habe sich nämlich .unter der Zeit im Malen und vorzüglich im Treffen
ziemlich vervollkommnet: ich werde daher Dich, Deine Frau und kleine Familie auf ein Tableau
bringen/
In der Tat verfertigte Hoffmann auch in Plock Porträts von Freunden und Karikaturen auf Feinde;
,vor allem aber', berichtet Hitzig a. a. 0 . 1 ,247, .unternahm er hier ein mit ebensoviel Beharrlichkeit
als Glück ausgeführtes Werk, von dem noch einzelne Blätter vorliegen, die durch die ungemeine
Sauberkeit ihrer Ausführung die höchste Bewunderung erregen: nämlich die genaueste Nachzeich¬
nung (mit der Feder) aller damals bekannt gewordenen ctrurischen [!] Vasengemälde aus der
Hamiltonschen Sammlung*. Am 1. Oktober 1803 schreibt Hoffmann in das neu angelegte Tage¬
buch: ,Ich habe übrigens das letzteVascngemälde mit Anstrengung gezeichnet: es ist geraten/
Das mit diesem Tage begonnene Winterhalbjahr zeigt den aufreibenden Kampf der Talente in
Hoffmanns Geist auf dem Höhepunkt. Am 3. desselben Monats schreibt er an Hippel (S. 195):
.Werde ich nur nicht zu sehr vom Präsidenten qua Packesel behandelt,... so geht’s in meinen vier
Wänden ganz gut her. Die Akten werden in die Nebenkammer geworfen, und dann zeichne, kom¬
poniere und dichte ich wie’s kommt—freilich alles nur schlecht, aber desto mehr Vergnügen macht
mir’s; denn cs ist ein psychologisches Phänomen, daß die schlechten Künstler und Dichter sich am
* Collection of engravings from ancient vases mostly cf pure gretk vor km anship, discovered in sepulchres in the Kingdom of the two Sicilics, but chicfly
in the neighbourhood of Naplcs . . . 1789 and 1790 *= Recucil de gravures d’apris de vases antiques Ja plus part d'm ottvragt grtc, trouv& dans des
tombeaux dans le Royaume des deux Siciles, mais principalement dans les environs de Naplcs . . . 1789 et 1790. Die Bilder waren von Wilhelm Tischbein
wiedergegeben, die Erläuterungen summten von dem Sammler selbst, dem britischen Gesandten in Neapel Sir William Hamilton, dem leidenschaftlichen
Schönheitsfreunde, der um diese Zeit, im September 1791, seine Geliebte Emma Hatte heiratete, die es bekanntlich wundervoll versund, antike Bildwerke
2u verkörpern. Die Vasenbilder sind also entgegen Hitzig* Ansicht durchaus nicht etrurische, sondern griechische Arbeiten und summen aus Unteritalien.
Der 1791 in Neapel erschienene erste von den vier Bänden der Sammlung enthält 60 Tafeln. In der Kuglerschen Sammlung von Handzeichnungen Hoff¬
manns befinden sich Kopien der Tafeln 1-7 und 10-14; drei dieser zwölf Nachzeichüngen (Nr. x* a und 7) geben wir als Proben am Schloß der vorliegenden
Sammlung (Taf. 36-38) wieder.
667
[ 15 ]
allermehrsten über ihre Mißgeburten freuen.“ — Dreizehn Tage darauf, am 16., fragt er sich im
Tagebuch, als er die Zeichnung einer Kindergruppe beendet hat und nun an die Komposition eines
Oratoriums gehen will: ,Ob ich wohl zum Maler oder zum Musiker geboren wurde?“ — Am
io. Dezember beantwortet er diese Frage Hippein gegenüber in einer Weise, die einen überaus
wichtigen Aufschluß bedeuten würde — wenn wir nicht wüßten, daß Hippel die Malerei weit mehr
liebte als die Musik und daß Hoffmann in seinen Briefen dem stets Rechnung trug. Hoffmann
schreibt nämlich (S. 197): ,Die Malerei habe ich ganz beiseite geworfen, weil mich die Leidenschaft
dafür, hinge ich ihr auch nur im mindesten nach, wie ein griechisches Feuer unauslöschlich von
innen heraus verzehren könnte . . . Die Musik mit ihren gewaltigen Explosionen ist mehr ein
Theater-Donnerwetter ...; man kann sich mit ihr ohne Gefahr vertrauter machen: darum habe
ich sie zu meiner Gefährtin und T rösterin erkieset auf diesem dornigen, steinigen Pfad! ‘ So studiere
er jetzt ,mit Eifer die Theorie der Musik*.
Tatsächlich gibt Hoffmann hier — abgesehn von der sehr fragwürdigen Motivierung — das Pro¬
gramm, nach dem er bis 1813 geschaffen hat. Aber bis es ganz feststand — nämlich bis die Entschei¬
dung für die Musik aus einem inneren Zwang, nicht aus einer willkürlichen Wahl erfolgte — er¬
lebte er noch einige Rückfälle in das alte Schwanken.
Eine schlechte Theatervorstellung in Königsberg, die er am 9. Februar 1804 auf einer Urlaubsreise
sah, veranlaßt ihn zu einer Karikatur und diese wieder zu dem Plan, ein Kollektaneenbuch fiir
Zeichnungen anzulegen. — Vom 16. bis 20. Februar war Hoffmann dann zu Besuch auf Hippels
Gut und sah dort dessen Sammlung von Handzeichnungen durch, darunter Skizzen, die Perugino
und Raffael zugeschrieben waren. Die Freunde besprachen u. a. einen literarischen Plan, den Hoff¬
mann nach der Rückkehr zusammen mit ähnlichen Arbeiten in einem von beiden Freunden ge¬
meinsam herauszugebenden illustrierten Taschenbuch veröffentlichen wollte.
,In der exaltierten Stimmung*, in die ihn dieses Beisammensein versetzt hatte, schreibt er am 28.
(S. 200): »eine bunte Welt voll magischer Erscheinungen flimmert und flackert um mich her; es ist,
als müsse sich bald was Großes ereignen: irgendein Kunstprodukt müsse aus dem Chaos hervor¬
gehen. Ob es nun ein Buch, eine Oper, ein Gemälde sein wird — quod diis placebit!“
8. Die ersten Monate in Warschau, 1804
Mitte Mai 1804 schreibt Hoffmann an Hippel in seinem ersten Briefe aus Warschau (S. 207/08):
,Wie es mir in Warschau geht, frägst Du, mein teurer Freund? — Eine bunte Welt, zu geräuschvoll,
zu toll, zu wild, alles durcheinander! Wo nehme ich Muße her, um zu schreiben, zu zeichnen, zu
komponieren?“
Seit dem Juni lernte er durch den aus Berlin nach Warschau versetzten Assessor Julius Eduard Itzig
(es ist Hoffmanns späterer Biograph Hitzig) die deutsche romantische Literatur sowie Calderons
und Gozzis Dramen kennen. Hier fand er endlich Texte, die ihn anfeuerten, seine beste Kraft in
ihre Vertonung zu legen und sich dadurch zu der Konzentration zu zwingen, ohne die nichts
Lebensfähiges entstehen kann. So komponierte er im Dezember 1804 Brentanos ,Lustige Musi¬
kanten* und eröffnete mit dieser heute noch lebendigen Arbeit die zweite Periode seines Schaffens,
die musikalische*.
668
[ 16 ]
III. HOFFMANNS VERHÄLTNIS
ZUR BILDENDEN KUNST SEIT 1804
1. Hoffmanns Betätigung als Maler und Zeichner
a) In der vq weiten Periode 1804—181 3
In seinem Warschauer Briefe an Hippel vom 26. September 1805 erinnert Hoffmann den Freund
an den alten Plan einer gemeinsamen Reise nach Italien; .durch vieles Zeichnen nach der Natur
aus dem Stegreif 4 habe er .eine recht fertige Faust bekommen* die er auf .der Reise zu nutzen hoffe.'
Im Frühjahr (1805) habe er nichts gearbeitet oder höchstens .Studien nach der Natur' gezeichnet,
seit dem Sommer aber eine Messe beendet und eine komische Oper begonnen.
In der Tat kann man sich Hoffmann schwer als Landschaftsmaler oder auch nur -Zeichner denken,
so glänzend auch einige dichterische Natur Schilderungen besonders aus seinen letzten Jahren aus¬
gefallen sind*.
Einer seiner besten Warschauer Freunde, der Jurist und Schriftsteller Heinrich Loest, sagt über Hoff¬
mann als Maler**: .Auge und Ohr, die Hülfsorgane des Kunstmenschen, waren in ihm vortrefflich;
aber so gewiß und wahrhaftig er Musiker und Dichter war, so gewiß bin ich überzeugt, er wäre nie
ein Maler geworden, trotz seines herrlichen Auffassungstalents und seiner geschulten Hand. Die
Karikatur gelang ihm herrlich, aber die Karikatur gehört nicht in die Malerei; sie ist eine Hiero¬
glyphe des Kontrastes, um so gelungener, je einfacher sie entgegengesetzte Pole in den Umkreis
weniger Striche zaubert. Hoffmann betete die Schönheit eines Mädchens an — er zeichnete und
malte sie in Warschau mit allem Enthusiasmus eines liebenden Künstlers, und, bei meinem red¬
lichen Worte — das Werk wurde eine Karikatur. Zum Maler fehlte Hoffmann, nach meiner Ansicht,
die fromme Anbetung derNatur, das uninteressierte [Sich-] Versenken in die Schönheit eines aufge¬
faßten Objekts, hinter dessen realer Schönheit die ideale (Gott weiß, durch welchen Schöpfüngs-
akt künstlerischer Begeisterung) aus dem Rahmen des Bildners hervortritt. Für den mechanischen
Teil der Malerei waren bei ihm alle Bedingungen erfüllt; der innere war entweder nie in ihm
da, oder wenn er mit ihm geboren wurde, so ging er bei anderen Rüstungen seiner reichen Natur
unter.'
Hoffmann hat allerdings in der zweiten seiner drei Schaffensperioden, also von Mitte 1804 bis
Anfang 1813, noch viel gemalt (ganz am Schluß noch, zum Abschied gleichsam, sein größtes Bild¬
niswerk, das Porträt der Familie Kunz), aber doch bewußterweise nur im Nebenberuf, sei es auf
Grund fester Aufträge — dazu gehören namentlich die Theaterdekorationen für Holbcin: s. u. sub
Vi b — oder bei sonstigen bestimmten Anlässen.
Im übrigen beschränkte er sich auf das Zeichnen, und zwar meist auf eiliges, nur für den Augenblick
und die nächsten Freunde berechnetes Zeichnen von Porträts und phantastischen Zerrbildern. So
berichtet Hitzig ( 1 ,294/95), wie Hoffmann 1804 öfters zur Mittagszeit in den Verhandlungszimmern
der Warschauer .Regierung', während er aufeinen noch beschäftigten Kollegen wartete, die Parteien
und Advokaten beobachtete; .mehrere, überaus hübsche Karikaturblätter waren die Früchte dieser
Stunden'. So brachte er nach Kunzens Angabe (im .Phönix'vom 16. Okt. 1835, ™ Buch [s. u.,
sub VI1! ] S. 21) bei den Soupers, die zu Holbeins Zeit 1810/11 nach wichtigen Theateraufführungen
stattfanden, schnell ,die skurrilsten Zeichnungen mit Bleistift zu Papiere, und auf einem Teller
herumgehend wurden sie jedem einzelnen der Versammlung zur Ansicht präsentiert.“
* 1*19: Schilderung de* Abendrotes, dann des Gewitters in der Biographie Kreislers (Krcislcrbuch S. 94 f); 1820: Blick von der Höhe des Riesengebirges
zwischen Löwenberg und Hirschberg (gegen Schluß des ersten seiner .Briefe aus den Bergen*); 1821: Aussicht von der Abtei Kanzheim [d. i. Kloster Banz]
ins Tal (Kreislerbuch S. ajx). - Einzelne Landschaftszeichnungen Hoffmanns kenne ich nicht. So sei auch nur an dieser Stelle erwähnt, daß der bekannte,
u. a. mit Helmina von Chezy befreundete Dresdner Museumsdirektor Kraukling ein angeblich von Hoffmann herrührendes Aquarell besaß, das eine Gegend bei
Bamberg darstellt; es wurde am y Dez. 1884 »1* Nr. 1108 der Sammlung bei Hcberle versteigert, wie Alfred Rosenbaum mir unterm 27. August 1909 mitteilte.
** Zuerst abgedruckt in dem Privatdruck .Heinrich Loest über E, T. A. Hoffmann ij. August 1823* (zu beziehen von Paul Gehly in Köln) S. iz.
[ 17 ]
669
b) In der dritten Periode iSiß—1822
Dieser Betätigung seines Zeichentalents blieb Hoffmann auch in der dritten Periode, der des Er¬
zählers seit dem Februar 1813, treu. Am 29. Januar 1815 taucht im Tagebuch sogar der alte Plocker
Plan wieder auf, ein eigenes Buch für Karikaturen anzulegen. Ludwig Catel schreibt gleich nach
Hoflfmanns Tode in seinem schönen Nekrolog (künftig vollständig in meinem Sammelwerk .Hoff¬
mann hach den Berichten seiner Bekannten 4 ): ,im Zeichnen und Malen war er sehr geschickt, die
Eigentümlichkeit der Züge und der Figur einer Person mit großer Schnelligkeit und sprechend
wiederzugeben. Er benutzte zuweilen seine Kunstfertigkeit hierin, um in Verbindung mit seinem
treffenden Witz das gesellige Leben um ihn her in dem Lichte darzustellen, in welchem es oft vor
einem prüfenden Geiste erscheinen mußte, welcher über dem Genuß freundschaftlichen Umgangs
doch nie vergaß, daß das Leben inhaltlos sei, sobald es nicht dem Ideal nachjage. 1 Adolf Bernhard
Marx, der als Referendar am Kammergericht Hoffmann noch persönlich kennengelernt hatte, sagt
1865 (s. künftig ebenda) kürzer und kühler, H. habe sich zwar erwiesen ,als geschickter und geist¬
reicher Porträt- und Karikaturen-Zeichner; nur war nicht zu leugnen, daß seine Porträts... an den
anderen Zweig seiner Zeichenkunst streiften. 4 Über die zeichnerische Produktivität, die Hoffmann
bei Lutter & Wegner entfaltete, s. den Nachbericht unter 2.
An die Stelle der eigentlichen Malerei dagegen tritt in dieser dritten Periode die bis dahin von Hoff¬
mann nur ganz vereinzelt geübte Herstellung von sorgfältig ausgearbeiteten Vorlagen für gra¬
phische Blätter (Stiche und Lithographien), die zunächst teilweise selbständig erscheinen (als poli¬
tische Karikaturen), aber bald nur noch zum Schmuck eigener (und mit solchen verbundener frem¬
der) Werke dienen. Hoffmann machte eben seit 1814 mehr und mehr seine zeichnerische (wie seine
musikalische) Begabung der erzählenden Dichtung dienstbar, die er aus äußeren und inneren
Gründen entschlossen zu seinem künstlerischen Hauptberuf machte.
2. Receptives Verhältnis %ur bildenden Kunst
Wie Hoffmann so bis zuletzt, wenn auch nur nebenher, die bildende Kunst ausübte, so blieb er stets
stark interessiert an Bildern und Künstlern.
Galerien besichtigte er eingehend, ohne sich in seinem Urteil durch hergebrachte Meinungen
blenden zu lassen. In der Gemäldesammlung zu Pommersfeldern bei Bamberg zog er die angeblich
Raffaelsche Madonna stark in Zweifel, während er die beiden Porträts von Balthasar Denner auf
das höchste bewunderte. Im September und Oktober 1813 suchte er von neuem öfters die Dres¬
dener Galerie auf und wurde diesmal besonders von Holbeins Madonna und von Carlo Dolces
Cäcilia gefesselt. Seit 1814 besuchte er ebenso fleißig die Ausstellungen der Berliner Akademie; die
von 1814,1816 und 1820 haben ihn zu literarischen Arbeiten angeregt.
Mit Vorliebe verkehrte er ferner bis zuletzt (wie mit Musikern und Schauspielern) mit bildenden
Künstlern: in Dresden 1813 mit Schweikardt und Ettlinger, in Berlin 1814 mit Philipp Veit, seit
1816 mit Wilhelm Hensel, 1820 mit den Bildhauern Rauch und Tieck.
3. Bilder und Künstler in Hoffmanns erzählenden Dichtungen der dritten Periode
Was Hoffmann so an Anschauung gewann, das setzte er seit 1813 in Erzählung um. Wir erinnern
nur an ein paar besonders auffällige oder bekannte Beispiele:
a) In den .Abenteuern der Silvesternacht 4 (Neujahr 18x5) läßt er zwei Figuren, die er im Bilde ge¬
sehen, als Menschen auftreten: eine von Mieris gemalte Frau als Julia-Giulietta, und den Peter
Schlemihl in der Gestalt, wie er in Franz Leopolds Radierung zu Chamissos Buch erscheint.
b) Namentlich aber liebt es Hoffmann, ganze Bilder in Erzählung umzusetzen. Eine Teegesellschaft
670
[ 18 ]
aus Dragantpuppen, die er uxn Weihnachten 1814 bei einem Berliner Konditor gesehen, lieferte
um Neujahr 1815 das erste der eben genannten Abenteuer der Silvesternacht, und gleich darauf,
nämlich Mitte Januar 1815, entstand auf Grund von Hümmels .Gesellschaft in der italienischen
Locanda* die .Fermate*. Im Winterhalbjahr 1817/18 veranlaßte Kolbes Bild ,Doge und Dogarcssa*
die gleichnamige Erzählung und seine .Böttcherwerkstatt* die vom .Meister Martin dem Küfner
und seinen Gesellen*. 1820 bildeten acht Blätter aus Callots .Balli di sfessania* das Gerüst des
Capriccios .Prinzessin Brambilla*.
c) Endlich läßt Hoffmann mit Vorliebe Maler als Helden seiner Erzählungen auftreten. Er wählt
dazu teils historische Künstler wie Albrecht Dürer (im .Feind*) und Salvator Rosa (im .Signor For-
mica*), teils persönliche Bekannte wie seinen oben genannten Schulfreund Matuszewski (in einer
Nebenrolle gegen Schluß des .Artushofs*) und Wilhelm Hensel (anagrammatisch als Lehsen, in der
.Brautwahl*). Noch häufiger aber erfindet er Malcrgestalten. Wie er schon 1798/99 in der .Maske*
in dem trinkfesten deutschen Maler Trcuenfels die relativ lebendigste Gestalt des im übrigen saft¬
losen Werkes geschaffen, so treffen wir 1813 Franz Bickert im .Magnetiseur* (er sollte dann im
Januar 18x4 als Hoffmanns Vertreter .Allegorien im gotischen Stil* dichten, wie Hoffmann seinem
Verleger ankündigt), 1814 den alten Maler als Ahnherrn des sündigen Geschlechts in den .Elixieren
des Teufels*, 1815 Erasmus Spikher in den .Abenteuern der Silvesternacht* und Traugott im Artus¬
hof, i8i6BcrthoId in der .Jesuiterkirche inG[logau]‘ usw. bis zu Leonhard Ettlinger, der als wahn¬
sinniger Vor- und Doppelgänger des Kapellmeisters Kreisler in dessen Biographie bedrohlich
hineinragt — beide, nebenbei bemerkt, Hypostasen Hoffmanns, denn der Maler Hoffmann war der
Vor- und Doppelgänger des Kapellmeisters Hoffmann gewesen, und der Dichter Hoffmann blickte
zurück auf beide.
IY. DIE GEMEINSAME WURZEL
VON HOFFMANNS ZEICHEN- UND
ERZÄHLERTALENT
Wie damit schon angedeutet ist, erschöpft sich die Beziehung des Dichters Hoffmann zur bildenden
Kunst keineswegs darin, daß der Dichter Werke und Gestalten fremder Künstler benutzt, daß er
selbst Künstlergestaltcn erschafft, daß er seine Bücher mit Bildern schmückt. Weit wichtiger ist es,
daß das Zeichen- und das Erzählertalent Hoffmanns auf eine Grundkraft seines Wesens zurück¬
gehn, nämlich auf seine außerordentliche Fähigkeit, zu beobachten und das Beobachtete greifbar
vor Augen zu stellen. .Sie, verehrter Freund, der sic alles sehen!* apostrophiert ihn einmal be¬
wundernd der Scrapionsbrudcr Contessa (Rheinisches Taschenbuch für 1820, S. 238 Note); und
der Serapionsbruder Hitzig sagt nach der Schilderung des Trubels in Warschau im Herbst 1806
( 1 ,301): .Seinem Falkenaugc entging... nichts, und niemand wußte das — wenn auch nur mit einem
halben Blick — Gesehene schärfer aufzufassen und anschaulicher darzustellen.* Schon Hoffmanns
Jugendbriefe sind voll von Beispielen dafür, mag man nun an das Idyll bei dem Knopfmacher
Küster in Marienwerder denken (Hippel S. 118/19) oder an die romantische Schilderung des Zacken¬
falls (S. 171).
Aber nicht nur wirklich gesehene Gestalten und Vorgänge, sondern auch solche, die er sich ledig¬
lich vorstellte, standen wie bei einem Maler sofort mit allen Linien und Farben vor Hoffmanns
geistigem Auge. Auch hierfür bieten schon die frühesten Briefe glänzende Beispiele. Im Winter
* 794 / 95 . den Hippel bei seinem Vater auf dem Lande verbrachte, malte Hoffmann sich aus, wie er
im Sommer den Freund dort auf einige Wochen besucht (S. 58 unten). Während ein anderer sich
671
[ 19 ]
etwa mit der Wendung begnügt hätte: ,Ich freue mich, in Arnau auf einem Pferde zu sitzen',
schreibt Hoffmann: ,ich sehe mich schon in gelben Hosen, aufgeschnallten Stiefeln, einem grünen
Kollett mit schwarzsamtnem Koller und kleinen Aufschlägen und einem runden Hute auf rinrm
Klepper im schönen Sommerwetter herumtraben.' Eben diese Fähigkeit ist das serapiontische
Prinzip, das HofFmann-Lothar Ende 1818 als seine Forderung an den Dichter verkündet: .Woher
kommt es denn, daß so manches Dichterwerk, das keinesweges schlecht zu nennen, wenn vonEorm
und Ausarbeitung die Rede, doch so ganz wirkungslos bleibt wie ein verbleichtes Bild, daß wir
nicht davon hingerissen werden, daß die Pracht der Worte nur dazu dient, den inneren Frost, der
uns durchgleitet, zu vermehren? Woher kommt es anders, als daß der Dichter nicht das wirklich
schaute, wovon er spricht, daß die Tat, die Begebenheit, vor seinen geistigen Augen sich dar¬
stellend mit aller Lust, mit allem Entsetzen, mit allem Jubel, mit allen Schauern, ihn nicht be¬
geisterte, entzündete, so daß nur die inneren Flammen ausströmen durften in feurigen Worten!
Vergebens ist das Mühen des Dichters, uns dahin zu bringen, daß wir daran glauben sollen, woran
er selbst nicht glaubt, nicht glauben kann, weil er es nicht erschaute.' Und daher die Forderung an
den Dichter: Jeder prüfe wohl, ob er auch wirklich das geschaut, was er zu verkünden unter¬
nommen, ehe er es wagt, laut damit zu werden. Wenigstens strebe jeder recht ernstlich danach, das
Bild, das ihm im Innern aufgegangen, recht zu erfassen mit allen seinen Gestalten, Farben, Lich¬
tern und Schatten und dann, wenn er sich recht entzündet davon fühlt, die Darstellung ins äußere
Leben zu tragen.'
So scheint Hoffmann prädestiniert zu sein zum Realisten in Malerei und Erzählung. Aber seine
Beobachtungskraft war verbunden mit einer ebenso starken Kraft umbildendcr Phantasie. Der
Bamberger Maxplatz, schreibt er Kunz am 8. September 1813, sei ihm ,in schimmernden Lichtern
oft wie der Markusplatz erschienen, da sich der Dunst der sublimsten Weine zum optischen Linscn-
glase verdichtet, vor dem sich allerlei närrische Gestalten in skurrilen Bocksprüngen lustig und
ergötzlich bewegten'. Und Rochlitz schreibt in einem Rückblick auf dasselbe Jahr 1813 (ich ver¬
weise wieder auf das öfter angekündigte Sammelwerk), daß .schon damals seine brennende, bren¬
nend umherflackernde Phantasie alles in ihr Gebiet riß—alles, sogar was ihm selbst soeben begegnet
oder von ihm getan war'; daß .sich ihm mithin ... alles phantastisch um- und ausbildete.' So wird
der Realist in der bildenden Kunst zum Karikaturenzeichner, in der Dichtung zum Märchenerzähler.
Diese fast beispiellose Vereinigung von realistischer Eindringlichkeit und Anschaulichkeit mit
einer von rein subjektiven Antrieben geleiteten Phantasie kommt zunächst den Gestalten Hoff-
manns zugute, sowohl den grausigen — etwa 1813 dem Dr. Dapertutto (in den .Abenteuern der
Silvesternacht') und dem Coppelius (im .Sandmann') — wie den häufigeren und noch glücklicher
erfundenen skurrilen, von denen wir, als drei von vielen, den Rat Krespel und den Paten Droßcl-
meier (aus .Nußknacker und Mausekönig') von 1816 sowie den kleinen Zaches von 18x8 nennen.
Dieselbe Fähigkeit, wie ein Maler —wir dürfen sagen: als Maler zu schauen, macht es aber Hoff¬
mann gleichfalls möglich, ganze Szenen seiner Erzählungen streng bildmäßig zu gestalten. Solche
Bildszenen finden sichz. B., worauf 1908 Sakheim [s.u.,VIi!] S. 117/20 mit Glück hingewiesen hat, in
den beiden Kolbe-Novellen von 1817/18: eine Reihe von venezianischen Gemälden finden wir in
,Doge und Dogaressa', eine Galerie von solchen in .altdeutscher' Manier ä la Kolbe und Cornelius
im .Meister Martin'. Zwölf Genrebilder ä la Chodowiecki zeigt 1822 der gelähmte Dichter dem
besuchenden Vetter aus seinem Eckfenster. Alles dies ist berühmten Mustern glänzend nachge¬
staltet. Den Zeichner Hoffmann selbst aber zeigen uns die lebhaft bewegten skurrilen Szenen in den
Märchen: die Trink-, Marsch-, Kampf- und Wettkampfszenen im .Goldenen Topf*, in .Nu߬
knacker und Mausekönig', im .Fremden Kind', im .Klein Zaches', in der .Brautwahl', der .Königs¬
braut' und dem .Meister Floh'; ihnen steht die satirische Szene des ersten Kreislerfragments (das
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verunglückte fürstliche Namensfest) würdig zur Seite. Als seltnere und entschieden schwächere,
wenngleich ebenso originale Seitenstücke sind auch hier die grausigen Szenen anzuführen, wie die
Hexenszenen im ,Berganza‘ (Februar 1813) und im .Goldnen Topf (Januar 1814), bei denen Hoff-
mann an Callot dachte, oder die, Vision auf dem Schlachtfelde bei Dresden* (Dezember 1813), bei
der man an den älteren Brueghel denken könnte.
Jean Paul hatte seinen Siebenkäs als eine Galerie von Blumen-, Frucht- und Dornen-Stückcn be¬
zeichnet, wobei .Stücke* im Sinne von Gemälden gemeint war. Der Maler-Poet Hoffmann konnte
seine ersten Sammlungen erzählender Schriften mitRecht im selbenSinne alsPhantasie- undNacht-
Stücke bezeichnen.
M 673
DIE NEUEREN SAMMLUNGEN VON E.T.A.HOFFMANNS
WERKEN UND PRIVATAUFZEICHNUNGEN
NACH INHALT UND ANORDNUNG UNTERSUCHT
Vorbemerkung
D as Folgende ist keine Bibliographie, denn es werden darin keine Titelblätter repro¬
duziert. Aber ebensowenig wird man darin erschöpfende Besprechungen finden; denn ich
gehe auf die Art der Textwiedergabe nur gelegentlich und flüchtig, auf die biographischen
Beigaben und die Ausstattung der behandelten Ausgaben gar nicht ein: das würde ein kleines
Buch erfordern. Noch weniger handelt es sich um eine vom Herzen kommende und zum Herzen
gehende Empfehlung einer bestimmten Ausgabe; denn ich kann weder eine z. Z. abgeschlossene
Gesamtausgabe der Schriften empfehlen noch eine solche der Zeichnungen oder der Briefe.
Was ich bringe, sind Analysen des Inhalts der Ausgaben: ich gebe also im Gegensatz
zum Bibliographen gerade das, was die Titelblätter verschweigen, nämlich die leitenden Ideen
der Herausgeber. Stillen Gelehrten werden meine Ausführungen vielleicht nicht trocken
genug;, schönen Seelen nicht gemütvoll genug sein. Für diesen Fall übernehme ich persönlich
hiermit ausdrücklich wissenschaftlich, moralisch und juristisch die volle Verantwortung für
das, was ich geschrieben habe. °
Berlin, Ende Mai 1925.
A. Die Schriften.
Wir besprechen im folgenden unter I ganz kurz die älteren Gesamtausgaben bis zur
Hempelschen einschließlich, unter II etwas ausführlicher die im Aufbau fast identischen von
Gnscbach, Maassen und Ellinger, unter III—VII dann eingehend (als das eigentliche Thema
dieses Abschnittes) die neuen Versuche, Anläufe und Anregungen zu Gesamtausgaben und
zu solchen Auswahlausgaben, die das künstlerisch Beste aus Hoffmanns dichterischem Werk
geben wo len Dagegen sind Sammlungen von stoffUch verwandten Schriften Hoffmanns
(musikalische Schriften, Kreisleriana, Künstler-Erzählungen, Berlinische Geschichten) nicht
Gegenstand dieses Aufsatzes.
Etwaige Beigaben zu Sammlungen von Hoffmanns Schriften sind nicht hier (unter A)
besprochen, sondern weiter unten: Bilder unter C, Tagebücher und Briefe unter D.
I. Die älteren Gesamtausgaben bis zur Hempelschen.
Buchhändler-Unternehmungen; die Texte nach rein äußerlichen Gesichtspunkten angeord¬
net, alle beginnend mit den ‘Serapions-Brüdern 1 . (Nr. I—3 genau beschrieben in Bw = meiner
Ausgabe von Hoffmanns Briefwechsel: s. u. D I 1).
1. von Reimer sr. Vorbereitet seit 1826, erschienen 1827/28. Inhalt:
a) Bd. 1—5: die beiden Buchpublikationen Hoffmanns aus Reimers Verlag, nach dem Um¬
fang geordnet: die 4 starken Bände der Serapions-Brüder in 4 Bänden, die zweibändigen
Nachtstücke in 1 Bd. 6
b) Bd. 6—10: Buchpublikationen aus anderen Verlagen, ebenso geordnet: erst drei zwei¬
bändige in je 1 Bd., dann vier einbändige zusammen in 2 Bdn. (S. Bw 563/90, bes. 589^)
c) 183g1 als Supplement dazu Bd. 11—13 bei Brodhag in Stuttgart: kleine Texte und Bio¬
graphisches. (S. Bw 636/67, bes. 665/67.)
2. von Baudry in Paris. Gedruckt 1840, erschienen mit dem Titeljahr 1841. 1 Bd. Lex-8°
der in zweispaltigem Druck den Inhalt der 15 Bde. unserer Nr. 1 wiederholt. Die Texte geordnet
wie dort, die biographischen Beigaben besser. (S. Bw 668/71.)
/c 3 - von Reimer jr. Vorbereitet seit Herbst 1842, erschienen Ende 1844 bis Ende 1845.
(b. Bw 671/73.) 12 Bde., jeder mit 2 Steindrucktafeln nach Federzeichnungen von Theodor
Hosemann. Inhalt: 6
a) Bd. 1—io wie in Nr. 1;
b) Bd. 11. 12: Auswahl von Texten aus Brodhags Supplement; nichts Biographisches.
674
[ 2 ]
Wiederholt i856f und 1871/73 mit wachsender Verschlechterung der Texte und der
Illustration (nämlich ohne die unentbehrlichen 8 Callotschen Bilder, die das Thema des
‘Brambilla’ bilden und demgemäß in den drei älteren Gesamtausgaben wiederholt waren). —
Eine neuere Wiederholung s. u. sub III.
4. von Hempel. Erschienen 1879/83. 15 Bände, mit subalternen Erläuterungen unter dem
Text, in folgender elenden Disposition:
a) 1—8: die drei Sammelpublilcationen Hoffmanns, nach dem Umfang geordnet, also Sera¬
pionsbrüder, Phantasiestücke, Nachtstücke;
b) 9—12: die beiden Romane
[bis hierher also immer 1 Bd. Hoffmann — 1 Bd. Hempel];
c) 13—iS alles übrige, also die 4 einbändigen Buchpublikationen und die kleinen Schriften
etwa in demselben Umfange wie in Nr. 3; dazu noch ein Lebensbild Hoffmanns von
Boxberger (fast Wort für Wort aus den beiden Büchern von Hitzig und Kunz kompiliert).
II. Neuere Gesamtausgaben in bibliographischer Folge der Texte.
1. von Grisebach. Vorbereitet seit 1898, erschienen 1899 bei Max Hesse in Leipzig. 15 Bände:
a) l—12: Hoffmanns Buchpublikationen in der Folge des ersten Erscheinens — seitdem selbst¬
verständlich, damals eine Tat;
b) 13—15: die kleineren Schriften, darunter 6 musikalische Aufsätze.
Der Text infolge der eiligen Herstellung (in drei Vierteljahren 1 ) teilweise ziemlich fehlerhaft
(s. meine Ausg. von Hoffmanns Märchen der Serapionsbrüder, I. Aufi. von 1906, S. 362/63
Note). Sehr dankenswert die Beigabe eines Registers, des ersten zu einer Hoffmann-Ausgabe
und bis 1922 des letzten.
2. von demselben. Bearbeitet 1904, erschienen 1905. Unter Benutzung der Stereotyp¬
platten von Nr. I hergestellt. Die kleineren Schriften sind jedoch auf Edgar Istels wieder¬
holtes Drängen um 14 musikalische Schriften vermehrt, von denen allerdings nur 9 von
Hoffmann stammen; die neue Ausgabe enthält also deren 20, von denen 15 echt sind. (Vgl.
meinen Aufsatz ‘Hoffmann als Musikschriftsteller’ in den Süddeutschen Monatsheften, speziell
im Heft vom März 1908 auf S. 289 unten bis S. 292 Mitte; diese Stelle wiederholt in dem
Privatdruck Hoffmann und Härtel' auf S. 56 unten bis S. 59 Mitte.)
3. von Maassen. Vorbereitet für 1906, erschienen seit Ende 1907 (u. d. J. 1908 ff) bei
Georg Müller in München. Bisher Bd. I—4 und 6—8; Folge der Texte bis jetzt genau wie
bei Grisebach. Textwiedergabe sehr sorgfältig; die Lesarten sind vollständig aufgeführt, aber
dieser Apparat ist infolge seiner mechanischen Anordnung und der Unterbringung im gleichen
Bande, hinter dem Text, äußerst unbequem zu benutzen. Zahlreiche Erläuterungen, vielfach
dankenswert, aber nicht selten über das Notwendige hinausgehend.
a) Zu Bd. 1—3 (1908/09) Einleitungen von 23—28 (zusammen 79) Seiten. Grund dieser
Beschränkung Bd. I S. IX/X angegeben:
[Erstens]: Quellennachweise, Festlegungen literarischer Vorbilder in stofflicher und
sprachlicher Beziehung, werden hier (in den Anmerkungen) wie besonders in der Einleitung
nur in sehr prägnanten Fällen gegeben, um so mehr als ich eine eingehende Untersuchung
dieser Materie seit Jahren vorbereite... [Zweitens]: Anführung und Besprechung alter
und neuer Rezensionen der Hoffmannschen Schriften wie [drittens] eigene ästhetische
Untersuchungen über diese sind hier [in den Einleitungen] im Prinzip ausgeschieden-
beides behält sich der Herausgeber für besondere umfassende Publikationen vor.
b) Von Bd. 4 an völlig neues Programm. Vor dem dritten Programmpunkt, den „eigenen
ästhetischen Untersuchungen“, scheut Maassen besonders bezüglich der Märchen, also der künst¬
lerisch ausschlaggebenden Kategorie von Hoffmanns Dichtung, in einer damenhaften Empfind¬
samkeit zurück. In Band 4 heißt es S. Cl: „über den Grundgedanken, die Idee des Märchens
[‘Klein Zaches'],... über Charakter und Struktur des Ganzen sollen hier keine Worte verloren
werden. Jedem, der Hoffmanns Geist und Phantasie in gleicher Weise gerecht werden kann, wären
es überflüssige Redensarten. Und für die anderen?“ In Band 7 S. IX: „An die Arfatomie von
Hoffmanns märchenhaften Gebilden wird jeder, ist er neben seinem Interesse an der Lösung
einer wissenschaftlichen Aufgabe auch ein aufrichtiger Verehrer des Dichters, nur mit Vorsicht,
mit einer gewissen Ängstlichkeit herantreten: muß er doch durch gar zu herzhafte Schnitte
des analytischen Seziermessers befurchten, die Schönheit der Neugierde aufzuopfem, um dabei
675
[ 3 ]
sich und andern, die seine Bemühungen verfolgen, den Genuß des Werkes selbst gründlich zu
verderben.“ Und in Bd. 8 S. XCVIII unter Berufung auf diese Stelle: „Ich muß gestehen, daß
meine Scheu vor der Zergliederung von Hoffmanns Märchen... noch zugenommen hat.“ Der
erste der drei Pläne aber, das Quellenbuch, und der zweite, die Sammlung der Rezensionen,
sind nur als einheitliche Publicationen aufgegeben; ihr Inhalt wird nunmehr auf die Einleitungen
und Anmerkungen der einzelnen Bände verteilt. Jedem Bande werden möglichst abschließende
Monographien über die darin enthaltenen Texte vorangestellt mit ausführlicher Besprechung
(in der Regel wörtlicher Wiedergabe ) der Quellen und der älteren Beurteilungen; ist eine Quelle
nicht zu ermitteln, so wird wenigstens nach Möglichkeit ein älteres Seitenstück aus der Literatur
abgedruckt, auf Grund einer jahrzehntelang daraufhin betriebenen Durchmusterung von Tausen¬
den meist verschollener Unterhaltungsschriften des 18. Jahrhunderts, die niemals wieder jemand
dem Herausgeber nachtun wird. Die Einleitungen der Bände 4 und 6—8 (1910/25) sind daher
im Durchschnitt genau so lang wie die zu Bd. I—3 zusammengenommen, und dementsprechend
sind auch die Erläuterungen erweitert (die nur zu häufig seitenlang das in der Einleitung Gesagte
wiederholen). Dieses neue Vorgehen gibt den Bänden, in denen es angewandt wird, einen
Wert, von dem die ganze zukünftige Hoffmann-Forschung dankbar zehren wird wie von dem
Virgil-Kommentar des Servius, dem Bibelkommentar des Nicolaus de Lyra und den ältesten
Dante-Kommentaren; zugleich verschuldet es aber die oft beklagte Langsamkeit des Erscheinens
(in sechzehn Jahren vier Bändel) und damit die Ungewißheit der Vollendung. Bei einer Bear¬
beitung wie in Bd. 1—3 wäre die kritische Ausgabe mit allen Lesarten längst fertig.
4. von EUinger. Vorbereitet seit 1905, erschienen 1912 bei Bong in Berlin. 15 Bände;
Folge der Texte genau wie bei Grisebach. Die musikalischen Schriften sind nach meinen
zu Nr. 2 zitierten Ermittlungen von Apokryphen gesäubert und vermehrt: während sich, wie
oben dargelegt, in Grisebachs 2. Ausg. im ganzen 15 musikalische Aufsätze Hoffmanns finden,
bringt EUinger 38, die zwei Bände (13 und 14) füUen. Die Texte sind mit höchster Sorgfalt
wiedergegeben, die Notenzitate in Bd. 13 und 14 durchweg mit den Ausgaben der besprochenen
Kompositionen verglichen, die Einleitungen und Anmerkungen bringen in knappster Form
alles Wesentliche. Wegen des Näheren verweise ich auf meine Besprechung in den Grenz¬
boten vom 26. Februar 1913. Dem dort Gesagten füge ich nur zweierlei hinzu: 1. der Les¬
artenapparat ist zu dürftig; er beschränkt sich in der Regel auf das Stoffliche (s. meine Aus¬
gabe von zwölf Berlinischen Geschichten Hoffmanns [München 1920] S. 369 unten bis 374
oben, wo ich — auch gegen Maassen — zeige, wie ich mir die Form eines textgeschichtlich
fruchtbaren Lesarten-Apparates denke). 2. Der Verlag hatte, wie ich bereits 1913 a. a. O.
getadelt habe, in übel angebrachter Sparsamkeit es abgelehnt, der Ausgabe ein Register bei¬
zugeben. Diesem schweren Mangel der Ausgabe wird jetzt bei einem vermehrten Neudruck
durch Felix Hasselbergs Sorgfalt abgeholfen; die Ausgabe wird dann neben der noch nicht
halb fertigen Maassens die einzige sein, die für wissenschaftliche Zwecke brauchbar ist.
III. Hirschbergs Nachlese.
Walter de Gruyter ließ 1922 die vom jüngeren Reimer auf ihn überkommenen Stereotyp¬
platten von dessen dritter und schlechtester Ausgabe neu abziehn und beauftragte den Musik¬
historiker Dr. med. Leopold Hirschberg mit der Zusammenstellung zweier Supplementbände.
1. Der Inhalt. Hirschberg unterzog sich der Arbeit mit großem Eifer und unter dem
Hauptgesichtspunkt, keinen Satz fortzulassen, der möglicherweise von Hoffmann herrührt.
(„Sollte ich mich irren,“ heißt es einmal bei dem Abdruck einer belanglosen Anekdote un¬
sicherer Herkunft, „so ist die Serapions-Ausgabe [wie er die von ihm betreute Ausgabe nennt]
nicht entstellt, während sie im gegenteiligen Fall" — man male sich das Unglück aus —
„unvollständig wäre.“) So bringt er in der Tat einige in den bisherigen Gesamtausgaben
fehlende, wenn auch meist bibliographisch schon bekannte Publikationen Hoffmanns, nament¬
lich Übersetzungen (Rodes Violinschule, Canzonetten, die ‘Olympia’), die Rezension von zwei
Werken J. Fröhlichs (die, wie ich mit Vergnügen zugebe, sehr wohl von Hoffmann stammen
kann) und kleine Beiträge zu Zeitungen. Ein Teil von diesen kann nicht mit Sicherheit
Hoffmann zugeschrieben werden, doch ist z. B. Hoffmanns (leider nicht zur Ausführung ge¬
langter) Plan eines „Singe-Instituts“, den Hirschberg aus dem Bamberger Intelligenzblatt vom
6. Mai 1809 mitteilt, biographisch sehr interessant.
Ein ganz erhebliches Manko gegen Ellingers Ausgabe bedeutet es freilich, wenn Hirschberg
in den Rezensionen alle Notenzitate durch die Sigle (N) ersetzt, auch solche, die unmittelbar
Teile eines Hoffmannschens Satzes sind. Man liest also, um von Hunderten von Beispielen
nur drei von einem Blatte (Bd. 13 S. 215/16) zu nennen:
676
[ 4 ]
Der Komponist wird selbst wohl nicht Stellen, wie die folgende, für wirkliche
Imitationen im kontrapunktischen Sinn halten: (N)
und dann sind Sätze, wie z. B. (N) wohl schon zu sehr verbraucht.
Phrasen wie (N) sind wohl in den ernst gehaltenen Symphonien zu vermeiden.. .
Ob einem Musikfreunde mit einem derartigen Abdruck gedient ist, ist mir sehr zweifelhaft;
er erscheint mir wie eine Ausgabe der 'Brambilla’ ohne die thematischen Bilder nach Callot.
In seinem Eifer bringt aber Hirschberg auch Texte, die schon darum nicht Hoffmann
zugeschrieben werden sollten, weil sie keine Faser von dessen unverkennbarer Art zeigen.
Er verschont uns zwar zum Glück mit der idiotischen ‘Monica’, mit der andere krebsen gehn
(s. u. sub VII; Hirschberg dagegen Bd. i S. XII Mitte), mutet uns aber das alberne Szenar
von Maccos Ballet ’Arlequins Reise über den Blocksberg’ zu, das Hoffmann Ende 1808
komponiert hatte, um schnell ein paar Gulden zu verdienen.
Das ist viel schädlicher (da es das Bild des Schriftstellers positiv entstellt ), als wenn
ein paar minder wichtige oder zweifelhafte Aufsätze, Anekdoten und Gedichte wegbleiben;
denn natürlich schlummern in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung so gut wie in Berliner
Zeitschriften und Zeitungen Dutzende, wenn nicht Hunderte von nicht identifizierten und
vielleicht niemals identifizierbaren Beiträgen Hoffmanns. (Einige ebenso lange wie wichtige hat
mir kürzlich Felix Hasselberg in einer Berliner Zeitschrift vorgelegt.) Der Herausgeber
meint in seiner Vorrede („im Lenz 1922“), daß selbst noch Ellingers Ausgabe „immer nur
als eine „Auswahl" zu bezeichnen“ sei, daß aber in den zwölf Reimerbänden mit seiner
Nachlese „nunmehr eine absolut vollständige Ausgabe von Hoffmanns schriftstellerischem
Lebenswerk vorliegt, zu dem auch nichts mehr hinzukommen kann“, O si tacuisses! Ein
halbes Jahr darauf hatte Friedrich Schnapp die dreiaktige „Maske" aus dem Winterhalbjahr
1798/99 in der von Hoffmann durchkorrigierten und auf den Deckeln eigenhändig bemalten
Pracht-Abschrift gefunden, und nicht viel später fand Oskar Krenzer Hoffmanns ersten Musik¬
aufsatz (über das Melodram, März/April 1808) in einem eigenhändigen Auszuge Hoffmanns.
Wahre Orgien feiert Hirschbergs Voliständigkeitsfimmel in dem dritten Anhänge zu
seiner Nachlese, der sämtliche „Unter- und Inschriften eigner Zeichnungen" in Buchdruck
wiedergibt. Ein Beispiel: Hoffmann bezeichnet auf dem großen Grundriß seiner Wohnung
und des Gensdarmenmarktes vom Juli 1815 bei der Darstellung der Taubenstraße die Tür
seines Hauses (Nr. 31) und, durch Abkürzungen, jedes der 5 Fenster seiner Wohnung, die auf
diese Straße hinausgingen; durch die Straße fahrt in einem Zweispänner Fouqu£ Hirschberg
reproduziert diese Beschriftung in Typensatz (ohne jede Erläuterung) wie folgt:
Fen: F. F. F. F. — Thür Tauben Straße No 31 — Baron Fouqud aus Nennhausen
Kurzum, der Herausgeber erweist sich als typischer Dilettant sowohl in seiner Angst
davor, daß jemand ihm eine Auslassung nachweisen könne, wie in der Überwindung dieser
Angst durch die stolze Zuversicht, nunmehr jeden von Hoffmann herrührenden Satz und
somit als erster eine unwiderruflich vollständige Gesamtausgabe gebracht zu haben. Der
Fachmann weiß, daß man unter einer Gesamtausgabe nicht eine vollständige Ausgabe — so
etwas gibt es nicht —, sondern eine in verständigem Rahmen nach Vollständigkeit strebende
versteht; und deren hat uns Hirschberg für Hoffmanns Schriften die elfte vorgelegt. Aber
es soll ihm gern bezeugt werden, daß seine Nachlese die letzte Edition ist, auf die einige
eigene Sammelarbeit verwendet ist
2. Die Anordnung ist chronologisch, was hier, wo es sich nur um kleinere Texte handelte,
das Gegebene war. Mein Vorschlag (s. u., IV ia), die Texte aus der vorromantischen Zeit
durch geeignete Brief- und Tagebuchstelien zu ergänzen, ist befolgt und auch auf die spätere
Zeit ausgedehnt — soweit ich sehe, durchweg in verständiger Auswahl. Auch die Beifügung
eines Registers zu allen vierzehn Bänden sei lobend erwähnt.
IV. Meine beiden Programme für eine Gesamtausgabe nach Perioden und Gattungen. Vorschlag,
Hoffmanns Sammelpublikationen wieder aufzulösen; dessen Ausführung durch Harich.
1. 1912 handelte ich (Briefwechsel 677/85) „über die zweckmäßigste Anordnung einer
Gesamtausgabe von Hoffmanns Schriften". Ich führte etwa folgendes aus:
a) Eine Gesamtausgabe hat zu beginnen mit den vorromantischen Produkten. Diese sind
unbedingt chronologisch zu ordnen; da ihre Reihe außerordentlich lückenhaft erhalten ist, so
ist sie eventuell durch Tagebuch- und Briefstellen literarischen Charakters aufzufüllen.
[ 5 ]
677
b) „Wie man in den weiteren Bänden die Texte der Kreislerperiode ordnet, also die
Produkte der letzten 13 1 /, Jahre von 1809—1822, ist minder wichtig, und hier sind ganz ver¬
schiedene Methoden gleich berechtigt.“ Eine chronologische Anordnung (wie in der Propyläen-
Ausgabe von Goethes Werken und in der Hören-Ausgabe der Schillerschen) ist m. E. für die
Werke eines reifen Dichters nicht angebracht, vielmehr empfiehlt sich hier eine Anordnung
nach Gattungen. (Um so nötiger ist natürlich die Beigabe einer chronologischen Tabelle.)
Was die von Hoffmann herausgegebenen Sammelwerke betrifft, so sind in einer Gesamt¬
ausgabe die nach Entstehung, Motiven und Gestaltung zusammengehörigen ‘Nachtstücke’ ebenso
als ein einheitliches Werk zu behandeln wie das Murr-Kreisler-Werk. Dagegen läßt sich
(wie S. 679 Mitte bis 680 unten eingehend dargelegt wird) darüber streiten, ob man die von
1809—1815 entstandenen Texte, die aus mehr oder weniger äußeren Gründen als‘Phantasie¬
stücke' (und z. T. innerhalb dieser als ‘Kreisleriana’) zusammengestellt sind, und die von
1813—1821 geschriebenen, noch weniger homogenen Texte, die Reimern zuliebe nachträglich
den Serapions-Brüdern in den Mund gelegt wurden, zusammenstehn läßt.
c) Will man diese Sammlungen von Märchen, Erzählungen, Gesprächen und Abhand¬
lungen konservieren, so muß man auf sie eine dritte folgen lassen, die Hoffmanns sonstige
kleine Schriften aus den Jahren 1808—1822 nach Gattungen geordnet zusammenstellt. Diese
drei Sammlungen würden dann zusammen die erste (größere) Abteilung der Schriften aus
der romantischen Periode bilden. Als zweite und letzte Abteilung würden die sieben in den
Jahren 1815—1822 einzeln erschienenen größeren Schriften folgen, von den ‘Elixieren’ bis
zum ‘Meister Floh’.
d) Will man die beiden Sammlungen auflösen (das Für und Wider wird noch einmal
S. 682 unten bis 683 oben erörtert), so ist der ganze Ertrag der romantischen Periode nach
Gattungen zu ordnen; etwa:
I. Erzählende Schriften (u. z. 1. Märchen, 2. Romane, 3. Erzählungen mittleren Umfangs,
4. Anekdoten);
II. Dramatisches und Gedichte;
III. Gespräche;
IV. Rein-Theoretisches (u. z. I. Abhandlungen, 2. Aphorismen, 3. Rezensionen);
V. Memoirenartiges.
Innerhalb dieser zehn Kategorien sind alle Texte streng chronologisch nach der Zeit
des Beginnes der Niederschrift zu ordnen.
2. In befriedigender Weise ausgeführt ist dieser Plan bis jetzt weder in der einen noch in
der anderen Form. Aber die unter (b und) d erörterte Idee, die ‘Phantasiestücke’ und die
‘Serapionsbrüder’ aufzulösen und aus der sich dann ergebenden Masse erzählender Schriften
neben den Romanen auch die Märchen auszusondern und in besondere Bände zu stellen, hat
inzwischen ein anderer, ohne mich zu nennen, als einen eigenen epochemachenden Gedanken
in einer Gesamtausgabe durchgeführt Walther Harich schreibt im Nachwort zu Bd. 1 seiner
unter VI zu besprechenden Ausgabe auf S. II/III und VII, indem er meine Ausführungen in seinen
anspruchsvollen Stil — den Stil des Propheten, des Helden und des Märtyrers — überträgt:
Sammlungen wie die 'Phantasiestücke in Callots Manier’ und die ‘Erzählungen [I]
der Serapionsbrüder’... sind als Einheiten in die Weltliteratur eingegangen, und
diese Einheiten zu zerschlagen, mochte in der Tat fast frevelnde Vermessenheit
genannt werden können. Und dennoch: es standen andre Werte auf dem Spiel....
Wer ein Hoffmann-entwöhntes Publikum wieder zum unmittelbaren künstlerischen
Erleben dieses eigenartigsten Dichters hinführen will, der muß das Odium auf sich
nehmen, auch ein Jahrhundert alte Kurswerte [!] zu ignorieren und das echte Gold
aus den Schachten [I] wieder ans Licht zu fördern... .
Diese Ausgabe wird — als ein Novum in der Geschichte von E. T. A. Hoffmanns
Auswirkung — die heftigsten Anfeindungen von den verschiedensten Seiten erfahren.
Ein andrer als der gewohnte Hoffmann tritt uns hier entgegen, und gegen Gewohn¬
heiten — mögen sie noch so verkehrt sein — ist noch niemand ungestraft angegangen.
Dennoch wird diese Ausgabe sich durchsetzen, weil der Schöpfer der Musik-
Dichtungen, der vier großen Märchen... stärker ist als der Redaktor der ‘Phantasie-
Stücke’ oder der ‘Serapionsbrüder’.
678
[ 6 ]
V. Auswalilausgaben nach ästhetischen Gesichtspunkten.
1. Inhalt einer engsten Auswahl. 1902 führte ich in der Insel’ aus, eine Gesamtausgabe
von Hoffmanns Dichtungen (wie Grisebach sie unlängst vorgelegt hatte) sei nicht das einzige
und vielleicht nicht einmal das beste Mittel, ihn kennen zu lernen. „Was von seinen fertig
gewordenen Sachen den Kunstfreund interessiert, sind — abgesehen von seinen tiefsinnigen
musikalischen Aufsätzen — zwei kleine Gruppen von Dichtungen, bei denen Hoffmann nicht
an das Publikum der Leihbibliotheken gedacht hat: einerseits die musikalischen Phantasien
seiner Frühzeit, der Ritter Gluck, der Don Juan; andererseits drei erstaunlich freie, kühne
Märchen: der Goldene Topf, Klein Zaches, Prinzessin Brambilla. Aber selbst diese Dichtungen
wären, soweit wir vermuten können, in den Schatten gestellt von den beiden Bekenntnis¬
romanen, mit denen er sich in den letzten Jahren trug: der Fragmentarischen Biographie
des Kapellmeisters Johannes Kreisler — einer Selbstdarstellung, wie sie nur wenigen großen
Dichtern einmal im Leben gelungen ist — und Jacobus Schnellpfeffers Flitterwochen vor der
Hochzeit." Da für diese aber nur einzelne Notizen niedergeschrieben seien, so sei zunächst
die Biographie Kreislers in lesbarer Form herauszugeben, unter Beifügung verwandter kleinerer
Texte und Kompositionen.
Das geschah dann im Kreislerbuch, das Rudolf von Poellnitz als Leiter des Insel-
Verlages noch im Laufe des Jahres 1902 drucken ließ.
1905 zeigte ich dann auf dem Umschlag eines für ein Bibliophilenfest hergestellten
Privatdruckes, Gewünschtes keck für Sicheres nehmend, als zweibändige Sammlung an:
„Hoffmanns Meisterwerke in zwei Bänden: 1. Das Kreislerbuch, oder: Johannes Kreisler in
Wort, Ton und Bild. Enthält alle Kreisler-Texte aus dem Murr-Kreisler-Werk, den ‘Fantasie¬
stücken’ und dem Nachlaß, sowie vier Kreisler-Kompositionen und fünf Kreisler-Zeichnungen,
von denen zwei als Umschlag benutzt sind. II. Drei Märchen: Der goldene Topf, Klein Zaches,
Prinzessin Brambilla. Mit den acht Kupfern zur ‘Brambilla’, im Einband des ‘Klein Zaches’.“
Aber Poellnitz war tot, und die neue Leitung des Insel-Verlages war für derartige
Extravaganzen nicht zu haben. Sie bog vielmehr die Idee des II. Bandes ins Bürgerliche
um, indem sie dem 'Goldenen Topf und dem *Klein Zaches’ als Nr. 3 — den ‘Meister Martin’
anfügte und dieses seltsame Dreigespann (zwei Hengste und eine Kuh) dann nicht in
‘Hoffmanns Meisterwerken’ sondern in einer ‘Bibliothek der Romane' produzierte, in die von
Hoffmann doch offenkundig nur die ‘Elixiere’ und der ‘Kreisler’ hineingehören.
2. Möglichkeiten einer weiteren Auswahl. Diese Pläne von 1902/05 legten an Hoffmanns
Produktion den denkbar strengsten Maßstab. Eine etwas weitherzigere Auffassung mußte
neben die Kreislerbiographie die 'Elixiere des Teufels’ stellen, neben die drei großen
Märchen die anderen, neben ‘Ritter Gluck’ und ‘Don Juan’ die besten der späteren Erzäh¬
lungen. In allen drei Richtungen ist teils von mir, teils von meinem ausgezeichneten Freunde
Richard von Schaukal weitergearbeitet, wie unter 3—5 kurz gezeigt werden soll.
3. Die Märchen.
a) Die drei Märchen der Serapionsbrüder (Nußknacker und Mausekönig, Das fremde Kind,
Die Königsbraut) gab ich 1906 bei Bard heraus. Die von Hoffmann gleichfalls den 'Serapions-
brüdern’ zugeteilte ‘Brautwahl', die nur zur Hälfte märchenhaften Charakters ist (die 'Abenteuer
der Silvesternacht’ könnte man entschieden mit größerem Recht als Märchen bezeichnen) und
die ich auch künstlerisch weniger hoch stelle, habe ich später (1910) gesondert erscheinen lassen,
desgleichen (1908) den ‘Meister Floh' , der ja seiner Anlage nach selbstverständlich zu den großen
Märchen gehört, in der Ausführung aber aus den bekannten äußeren Gründen mißlungen ist
b) Die drei großen Märchen, deren Ausgabe ich 1905 leider nur ankündigen konnte, und die
fünf anderen, die ich dann 1906/10 herausgegeben habe, hat Richard von Schaukal von 1920—1924
in zwei Bänden für den Volks-Verlag der Bücherfreunde sehr sorgfältig herausgegeben.
4. Die Elixiere. Bards früherer Mitarbeiter Wolfgang Julius Mörlins bat mich am
23. Februar 1924 um meinen Rat bezüglich einer hübsch ausgestatteten Hoffmann-Auswahl
zunächst in drei Bänden. Ich empfahl ihm unterm 28. Februar in Erweiterung meines Planes
von 1905, die Kreisleriana, die drei großen Märchen und die Elixiere zu bringen. Für später
schlug ich einen Band Gespräche vor (vom ‘Gluck’ 1809 bis zum ‘Eckfenster’ 1822), um diese
von Hoffmann mit besonderem Glück gepflegte Form einmal im Zusammenhang vorzuführen.
Die Textwiedergabe vorzubereiten und Nachworte beizufügen hatte ich keine Zeit; diese
Arbeiten hat Paul Alfred Merbach übernommen, und insofern hafte ich nicht für die Aus¬
führung meines Planes. In einen vierten Band mit Erzählungen, den der Verleger nach-
[ 7 ] 679
träglich wünschte, sind auf meine Empfehlung ‘Ritter Gluck’ und ‘Don Juan' hineingenommen;
sieben weitere hat Herr Merbach nach seinem persönlichen Ermessen hinzugefugt.
Der Verleger hat mich, wie ich mit Dank bezeugen möchte, im Gegensatz zu den Verlegern
der beiden unter VI und VII (und sodann unter D II und III) zu nennenden Ausgaben mit
einem Exemplar der vier Bände, u. z. einem in schönen biegsamen Ganzlederbänden, erfreut.
5. Die schönsten Erzählungen neben dem ‘Ritter Gluck’ und dem 'Don Juan’ hat Schaukal
öfters (u. a. 1908 in der schönen Einleitung zu Max Hesses schlechter Auswahl) auf Grund
sorgfältiger Erwägung verzeichnet und charakterisiert, aber bisher zu ihrer Herausgabe leider
nicht Gelegenheit gefunden.
VI. Harichs Gesamtausgabe, geordnet nach Qualität und Stoff der Texte.
Walther Harich, dessen Biographie Hoffmanns 1921 für das Mai/Juni-Heft dieser Zeit¬
schrift gewürdigt worden ist, hat 1924 Hoffmanns Schriften in 13 Bänden bei Lichtenstein
in Weimar herausgegeben; der Prospekt erschien um den I. April.
Was die Konstitution des Textes betrifft, so ist Harich im schwierigsten Teil der Arbeit,
nämlich der Wiedergabe der Rezensionen Hoffmanns, sklavisch von Ellinger abhängig; er hat
dessen mühsam hergestellte zweibändige Ausgabe (s. o., II4) einfach zum Nachdrucken in die
Setzerei gegeben. Die beiden Abweichungen von der chronologischen Reihenfolge, die Ellinger
aus inneren Gründen getroffen und Bd. 15 S. 142 unten motiviert hat, übernimmt er stillschweigend,
namentlich aber die sorgfältige Revision der Notenzitate. Selbstverständlich erwähnt Harich in
dem sechzehn Seiten langen Nachwort meine und Ellingers kritische Arbeit, deren Ergebnisse
er mit dem geistigen Aufwande einer photographischen Platte kopiert, mit keiner Silbe.
Bei einer Stichprobe bezüglich der Sorgfalt der Textwiedergabe fand Schaukal, dem
die bisher eingehendste Besprechung der Ausgabe (im Literar. Handweiser vom Mai 1925)
zu verdanken ist, in Bd. 5 auf den Seiten 23—96, also in noch nicht fünf Bogen, an gröberen
Fehlern u. a. ‘lustige’ st. ‘luftige’, ‘Zunder’ st ‘Zünder’, ‘ein gefährliches’ st. ‘eine gefahrvolle’,
‘unharmonischen’ st ‘enharmonischen’, ‘Emboucheur’ st. ‘Embouchoir’, ‘mich’ st. ‘mir’, ‘diese’
st. ‘jene’, ‘zum anderen Beruf st. ‘zu anderm Behuf, ‘unter’ st. ‘aus’.
Im folgenden beschränke ich mich darauf, den Aufbau der dreizehn Bände zu besprechen;
im übrigen, z. B. bezüglich der Nachworte Harichs, verweise ich auf Schaukals eben zitierte
Rezension (der ich ein paar Einzelbemerkungen bezüglich der Anordnung der Texte ohne
besondere Kennzeichnung entnehme).
1. Harichs Vermischung der Prinzipien. Harich lehnt sich, wie sub IV 2 ausgeführt,
an meine in IV 1 (b und) d kurz wiedergegebenen Vorschläge für eine Gesamtausgabe an.
Er vermengt diese Prinzipien aber in dilettantischer Weise mit den in V besprochenen
Vorschlägen für eine Auswahl von Hoffmanns besten Dichtungen. Dadurch erzeugt er ein
in sich haltloses Mischprodukt von Auswahl und Gesamtausgabe.
2. Harichs vier Abteilungen:
a) Bd. 1—6: Auswahl der künstlerisch besten Dichtungen. — Die Gesichtspunkte für
eine solche waren, wie gesagt, von mir und dann von Schaukal wiederholt dargelegt, im
bewußten Gegensatz sowohl zu der quasi-rationalistischen Beurteilung von Hitzig-Ellinger wie
zu der indifferenten von Grisebach-Maassen. Ein Band war den großen Märchen einzuräumen
(zu denen Harich, mit Schaukal, auch den ‘Meister Floh' gestellt hat) und je ein Band den
beiden Romanen. Das übrige Papier war (genau wie gleichzeitig von Mörlins-Merbach) für
die besten Erzählungen zu verwenden, von denen ich für die engste Auswahl 1902 nur den
‘Ritter Gluck’ und den ‘Don Juan’ empfohlen hatte, so daß der individuelle Geschmack des
Herausgebers noch weiten Spielraum hatte.
Harich entschied sich für eine recht reichliche Auswahl: außer den beiden von mir
genannten Texten nahm er noch 30 andere Erzählungen auf. Er ordnete — um das vor¬
wegzunehmen — diese 32 Texte rein stofflich in drei Gruppen, deren jede einen Band füllt:
er gibt nämlich- 19 musikalische („Musikdichtungen"), 8 unheimliche („Spukdichtungen") und
5 sonstige, die er, da das Wort „sonstige“ in einem Bandtitel nicht möglich ist, mit der
Verlegenheitsbezeichnung „Meistererzählungen“ versieht — Unter den Musikdichtungen finden
wir einerseits die Theatersatire ‘Der vollkommene Maschinist’, die nichts mit Musik zu tun
hat, andrerseits Kreislers ‘Höchst zerstreute Gedanken’ und den ‘Gruß an Spontini', die beide
nicht Dichtungen sind. Unter den weiteren 16 Texten sind mehrere, die entschieden nicht
in eine Auswahl des Besten’ gehören, wie der Brief des Affen Milo und der Briefwechsel
zwischen Wallborn und Kreisler. (Höher als diese steht immerhin noch das 'Sanctus', das
680
[ 8 ]
in der Auswahl fehlt) — Unter den Spukdichtungen befremdet die Würdigung des Radierers
Callot, die weder eine Dichtung noch spukhaft ist und bei einer Auflösung der ‘Phantasie¬
stücke’ natürlich ebenso in die Abhcmdlungen gehört wie der Gruß an Spontini. Auf den
‘Sandmann’ folgt nicht dessen befreiendes Gegenstück, das meisterhaft aufgebaute ‘Öde Haus’
[vgl. meine Analyse in den oben zitierten 'Berlinischen Geschichten’, S. 271—315 und 407—413],
sondern drei schwache Serapiontica (der ‘Unheimliche Gast’, die Vampyr- und die Teller-
Geschichte). — In der Restabteilung, also den „Meistererzählungen" ohne Musik und Spuk,
finden wir neben den beiden Paradepferden ‘Majorat’ und ‘Scuderi’ erstens die Dresdner ‘Er¬
scheinungen’ — jene illegitime Fortsetzung des ‘Goldenen Topfes’, eine „milde Gabe" für
Gubitzens wohltätigen Zweck, von der Maassen aus guten Gründen argwöhnt, daß sie in der
Betrunkenheit konzipiert ist —, zweitens das der ‘Marquise von O****’ schlecht nachgeahmte
‘Gelübde’ und drittens das Fragment 'Der Feind’. „Durfte man", fragt Harich emphatisch
(Bd. I S. V) bei Erwähnung dieses Fünfbuches, „durfte man den Meistererzählungen auch nur
ein einziges Stück noch hinzufügen?" Er will damit den geringen Umfang des Bandes ent¬
schuldigen; der Leser wird eher von dessen geringem Gewicht enttäuscht sein.
b) Bd. 7—10: Die Dichtungen zweiten Ranges. Diese Abteilung ist genau so eingeteilt
wie die erste (mit Ausnahme der beiden Romane): nämlich in einen Band Märchen und drei
Bände Erzählungen. Die Erzählungen zerfallen wie dort in sechs Künstlergeschichten (darunter
das ‘Fragment aus dem Leben dreier Freunde’lt), sechs unheimliche Geschichten und sechs
sonstige (diesmal als „Erzählungen“ schlechtweg bezeichnet).
c) Bd. 11: Die Dichtungen dritten und letzten Ranges, darunter die beiden Pamphlete
gegen Napoleon, die ‘Irrungen’ nebst den ‘Geheimnissen’, die ‘Marquise de la Pivardiöre’ und
anderes, was Harich diesen gleichachtet.
d) Bd. 12 und 13: die vorwiegend theoretischen Schriften, zu denen Harich auch die
größeren Gespräche rechnet. Bd. 12 enthält vier längere Aufsätze über Musik und die
Rezensionen; Bd. 13 vereinigt die vier größeren Gespräche ohne Rücksicht auf den Inhalt
(‘Berganza’, ‘Dichter und Komponist’, den 'Theaterdirektor’ und die Gespräche der Serapions-
Brüder) mit S kleineren Schriften oder Zyklen über Literatur und Theater (ohne die oben
genannte Satire 'Der vollkommene Maschinist!) in heilloser Verfilzung von formalen und
stofflichen Kriterien. Will man die Gespräche Hoffmanns zusammenstellen, so gehören außer
den beiden oben sub V 4 genannten -notwendigen Eckpfeilern der Sammlung vielleicht auch
einige halbdramatische Stücke hinein, wie Kreislers Klub (den ich Bw S. 675f Note 2 als
Vorform des Serapions-Klubs erwiesen habe) und das Tragment aus dem Leben dreier
Freunde’; aber jene theoretischen Aufsätze haben nichts damit zu tun.
3. Not-Unterbringung obdachloser Texte. — Zwei (allerdings geringfügige) Kategorien
Hoffmannscher Schriften waren in diesem Schema nicht unterzubringen:
a) seine dramatischen Versuche. Die höfischen Lohnarbeiten dieser Art ('Pilgerin’ und
‘Wiedersehen 1 ’) wie die Stammtisch-Spielerei (Moderne Welt — moderne Leute), die Bear¬
beitungen ('Liebe und Eifersucht’ und “Undine’) wie die Übersetzung (‘Olympia’) läßt Harich
mit Recht weg — wahrscheinlich allerdings nur darum, weil sie bei Ellinger nicht stehen
und er nicht auch noch zwei Exemplare von Hirschbergs Ausgabe dem nachdruckenden
Setzer opfern wollte. [Das besorgte dann Harichs Kollege Frank: s. u. sub VII.] Die übrigen
hängt er stofflich verwandten Gruppen von Schriften an: die ‘Blandina’ den Märchen der
zweiten Garnitur und die Singspieltexte den Schriften über Musik.
b) Die einzige rein autobiographische Schrift Hoffmanns, die für die Bamberger Freunde
Ende 1813 begonnene Darstellung der „Drei verhängnisvollen Monate", stellt Harich in dem¬
selben Sinne hinter die daraus hervorgegangene ‘Vision auf dem Schlachtfelde bei Dresden'.
4. Die Unklarheit des Aufbaues und ihre innere Ursache. Die sub 2 dargelegte Haupt-
einteilung der Gesamtausgabe in vier Abteilungen ist nun aber weder aus den Bandtiteln
noch aus dem Gesamt-Inhaltsverzeichnis am Schluß der Ausgabe zu ersehen, sondern läßt
sich nur bei eingehendem, liebevollem Studium der Ausgabe aus gelegentlichen Bemerkungen
in den Nachworten erschließen. So heißt es Bd. 1 S. V:
Die Gruppierung sollte zugleich eine gewisse Wertung in sich bergen. So sind die
„Spuk dichtungen" (wobei die Betonung auf „Dichtungen" liegt) den künstlerisch weniger
wertvollen „Unheimlichen Geschickten“ entgegengesetzt, die ,Jteister- Erzählungen" den
zwei Bänden jener Erzählungen [der zweiten und dritten Garnitur], die mehr durch
ihre Fülle und den Reichtum des Stoffes und ihre Spanmmg Interesse erwecken.
(Schonender konnte man sich über die .Produkte des „Vizekopfes" nicht auslassen.)
[ 9 ]
681
Dieselbe geheime Abstufung waltet zwischen den großen Märchen, die bei Harich als
„Der kosmische Mythos“ erscheinen, und den gewöhnlichen „Märchen“, ebenso zwischen den
„Musik dichtungen“ und den „VLünsfargeschichteri' mit dem 'Sanctus',
Der Leser aber, der unvorbereitet die Bandtitel oder das Gesamt-Inhaltsverzeichnis auf sich
wirken läßt, steht ratlos vor einem Haufen von Synonymen; er begreift nicht, warum unter
den „Musikdichtungen“ das ‘Sanctus’ und unter den „Märchen“ der ‘Goldene Topf’ fehlt.
Diese äußere Unklarheit ist nichts weniger als zufällig; sie ist die notwendige Folge
des für eine Gesamtausgabe unmöglichen Prinzips, die herauszugebenden Dichtungen in gute,
leidliche und miserable zu scheiden. Wenn ein Herausgeber das trotzdem tut, so darf er
es, wie Figura lehrt, nicht sinnfällig zugeben, um die späteren Bände seiner Edition nicht
unmöglich zu machen. Eine Gesamtausgabe von Dichtungen kann selbstverständlich nur
nach deren Gattung und Alter geordnet werden.
VII. Franks Gesamtausgabe.
Ist also das (Qualitäts-)Prinzip von Harichs Anordnung der erzählenden Schriften Hoffmanns
schwer erkennbar, ungenügend durchgeführt und vor allen Dingen durchaus verfehlt, so ist doch
immerhin für Bd. i—iz ein Prinzip vorhanden. Eine Ausgabe ohne jedes Anordnungsprinzip
durchzuführen, die noch weit hinter den anspruchslosen Conglomeraten der vor-Grisebachschen
Zeit zurückbleibt, war der Firma Rösl & Cie. in München Vorbehalten.
Dieser Verlag beschloß, in die von ihm produzierte Reihe der „Rösl-Klassiker“ auch
Hoffmann aufzunehmen, u. z. dessen Schriften, Tagebücher und Briefe. Für die Tagebücher
und Briefe glaubte die Firma keinen Vermittler zu brauchen; sie nahm sie vergnügt, wo sie
sie fand (s. u., D III). Bezüglich der Schriften gab sie dem Theatermann Dr. jur. Rudolf Frank
in München den Auftrag, die Texte zu beschaffen, anzuordnen und ein Geleitwort voran¬
zustellen; und dieser unerschrockene Mann, der Heine und Lessing bereits in ähnlicher Weise
erledigt hatte, fühlte sich auch Hoffmann durchaus gewachsen.
1. Als Vorlage nahm er irgendeine Gesamtausgabe, die Hoffmanns Sammelpublikationen
zusammenläßt — vielleicht die Hirschberg-de Gruytersche, der er jedenfalls bezüglich der
kleineren Texte blindlings folgt (auch bezüglich des (N) für jedes Notenzitat).
2. Was die Anordnung der Texte und die Einteilung des gesamten vorzulegenden
Materials in Bände betrifft, so ist es für den Außenstehenden nicht voll erkennbar, wer das
bereits kurz charakterisierte Ergebnis tatsächlich verschuldet hat.
a) Frank selbst hatte noch im Sommer 1924 die Absicht, Hoffmanns Schriften und
Privataufzeichnungen auf es Bände zu verteilen (s. Kürschners Deutschen Literatur-Kalender
auf 1925, Sp. 220). Ich nehme zu seiner Ehre an, daß dabei den Hoffmannschen Buch¬
publikationen 20 Bände zugedacht waren (nämlich jedem „Abschnitt“ der Serapions-Brüder und
jedem Bande der anderen Werke einer), den kleinen Schriften (nach Gattungen und Stoffen
geordnet) 6 (freilich recht wenig 1 ) und den Tagebüchern, den Briefen an Hippel und den
übrigen Briefen je ein Band. Die Bände wären dann in der Regel halb so umfangreich ge¬
worden wie die der bisherigen Gesamtausgaben, und der Leser hätte sich schon auf Grund
der Bandtitel zurechtfinden können. Frank hätte damit die Arbeit eines durchschnittlichen
Buchdruckerei-Faktors geleistet, und mehr hätte sein Publikum nicht begehrt.
b) Der Verlag aber scheint dem Herausgeber in letzter Stunde einen Strich durch die
Rechnung gemacht zu haben. Vielleicht haben die „Rösl-Klassiker", die mir im übrigen nicht
bekannt sind, eine andere Normal-Band-Dicke; jedenfalls beschloß der Verlag, das Ganze ohne
irgendwelche Rücksicht auf den Inhalt in elf Bände hineinzupressen. Man kann sich denken,
wie dabei die Fetzen geflogen sind. Die Tagebücher, die sich den Rezensionen anschließen,
füllen jetzt die Seiten 41 1—533 des zehnten und die Seiten 5—82 des elften Bandes; die
Serapionsbrüder werden in zwei und einem halben Bande angesiedelt, die als erster,
zweiter und dritter Band der Serapionsbrüder bezeichnet werden; ihnen sowohl wie der
Brambilla, den Phantasiestücken, dem Murr-Kreisler-Werk werden beliebige, irgendwo auf¬
gegriffene kleine Schriften aufgepackt, um den Rösl-Klassiker-Normalband vollzubekommen.
So sind der Brambilla (von 1820), die — Gott weiß warum — in den ersten Band gestellt
ist, aus Hirschbergs Nachlese Maccos Ballet Arlequin, die 'Pilgerin’ von 1808 u. dgl. beigegeben,
so daß der Band wirkt wie eine Gänseleberpastete, die mit Pferdefleisch garniert ist
c) Und doch läßt sich nicht alle Schuld auf den Verlag schieben. Die großen Schriften
sowohl wie die kleinen sind auch unter sich mit einer Willkür angeordnet, die etwas Em¬
pörendes hat, da sie mit dem Leser Schindluder treibt. Als Beispiele dafür nenne ich außer
682
[ 10 ]
dem eben skizzierten ersten Band noch den achten und neunten. Bd. 8 beginnt mit dem
‘Meister FloK (1821/22). Auf diesen folgt ‘Klein Zaches > (1818/19), auf diesen die beiden 1815
von Chamisso angeregten Stücke (Datura und Haimatochare). Dem schließen sich Schriften
an, die der Verlag oder der Herausgeber als „autobiographisch" empfindet, darunter die apho¬
ristischen Aufzeichnungen aus dem Notatenbuch von 1819/22, ‘Des Vetters Eckfenster’ und der
Schnellpfeffer-Entwurf. Auf diese späten Sachen folgen zur Abwechslung „zeitgeschichtliche“
aus den Befreiungskriegen, nämlich die 'Vision' von 1814 u. dgl. — Bd. 9 aber beginnt, um
zum Schluß etwas ganz Überraschendes zu bringen, mit den ‘Nachtstücken’ (1816/17); ihnen
folgen aus dem Schatze der Almanachfabrikate die ‘Räuber 1 und der ‘Elementargeist' (beide
um die Jahreswende 1820/21 hergestellt, also vier Jahre später als die 'Nachtstücke’); diesen
schließen sich Fragmente aus allen Lebensaltern Hoffmanns und Anekdoten an.
3. Auf derselben Höhe wie die Anordnung der von dem „Herausgeber" fertig Vor¬
gefundenen Texte steht seine 20 Seiten lange Vorbemerkung. Sie wäre köstlich zu nennen, wenn
sie als Bierzeitung aufträte, wenn nämlich nicht nur der Anfang und der Schluß, sondern das
Ganze zum Spaß geschrieben wäre: wenn m. a. W. das Temperament und der Witz des Ver¬
fassers sich mit Gewissenhaftigkeit und Urteilsfähigkeit verbänden. Aber, um mit Kleinig¬
keiten zu beginnen: die in der Vorbemerkung genannten Namen sind meist falsch (Gemaheh,
Coppela, Holberg, Tousserel) und die Zitate nicht minder („Cacatum non est scriptum").
Mängel mittleren Formats übergehen wir, da die biographischen Beigaben hier nicht zur
Besprechung stehen. Um so nachdrücklicher ist auf den schwersten Irrtum hinzuweisen,
zumal er Frank auch als Herausgeber charakterisiert.
Franks größter Kummer ist nämlich, daß der Verlag aus geschäftlichen Gründen (s. S. XX
Note) es abgelehnt hat, dem Rösl-Klassiker Hoffmann die stupide Schwarte ‘Schwester Monica
erzählt und erfährt’ anzuhängen. Über dieses Buch ist hier im Juni 1911 von Margis, Maassen
und mir gehandelt worden. Es kam 1815 heraus, also zu einer Zeit, wo der Schriftsteller
Hoffmann vollkommen fertig dastand: in diesem seinen vierzigsten Lebensjahre erschienen
der vierte Band der ‘Phantasiestücke’ mit den ‘Abenteuern der Silvesternacht und der erste
Band der 'Elixiere des Teufeid. Aber nicht diese Werke, sondern das impotente Gestotter
von den Taten und Meinungen der Schwester Monica ist nach Franks Urteil „für die Er¬
kenntnis seines Wesens von einer kaum abzusehenden Bedeutung .. . Denn hier ... ist der
Herd aller geheimen Brände, die in diesem unschönen, unruhigen Körper schwelten. Hier
setzt die Analyse der irrlichter[l]lierenden Psyche E. T. A. Hoffmanns ein. Aus dem hier
ungezügelt und maßlos schwelgenden Sadism verstehen wir Hoffmanns kalte Grausamkeit, die
sein ganzes Leben und Schaffen durchzieht, und sein häufig wiederkehrender Traum von ver¬
stümmelten und zerrissenen Menschen findet Erklärung und Deutung.“ Wie gewissenlos diese
„Deutung“ ist, ersieht man, wenn man Hoffmanns eigene Worte daneben setzt. Hoffmann
schreibt am 29. August 1813 nach der Schlacht bei Dresden ins Tagebuch: „Vormittags
war ich bei Hopfgarten auf dem Schlachtgefilde. Scheußlicher Anblickt Leichen mit zer¬
schmetterten Köpfen und Leibern. Ein Russe war nicht schwer verwundet und rauchte sein
Pfeifchen auf dem Boden liegend; wir gaben ihm Schnaps und Brot, und er war ganz zu¬
frieden." Die zweite Fassung lautet: „Schlachtfeld gesehn. Entsetzlicher Anblick! Zerschmetterte
Köpfe. Der lebende Russe, welcher leicht verwundet sein Pfeichen rauchte und Schnaps
trank. Unvergeßliche Eindrücke 1 Was ich so oft im Traume gesehn, ist mir erfüllt worden
auf furchtbare Weise: verstümmelte, zerrissene Menschenll“ Es handelt sich also um Angst¬
träume Hoffmanns, deren Bilder er nun mit Entsetzen in der Wirklichkeit wiederfindet. Herr
Frank macht Wollustträume daraus, um die ihm so sympathische Hypothese des Gugitz zu
stützen; er fährt mit unverkennbarer Befriedigung in seiner Analyse der ‘Monica’ fort: „Der
geheimefll] Kammergerichtsrat, „ausgezeichnet im Amte", schwingt heimlich die Peitsche über
dem ganzen rabiaten Rudel seiner Kreaturen" usw.
Man sieht, Monica-Dulcinea, für jeden unbefangenen Leser die Heldin eines Schundromanes
der niedrigsten Gattung, hat zum dritten Male einen irrenden Ritter entflammt; und ich muß
hier schon deshalb auf diese sonderbare Tendenz kurz zurückkommen, als ich vielleicht
selbst, sehr gegen meine Absicht, durch eine beiläufige Bemerkung Herrn Frank darin be¬
stärkt habe. Ich habe nämlich Bw 701/02 Note erwähnt, daß der sonst sehr verdienstvolle
Musikerbiograph Fdtis in einer fast nur aus Mißverständnissen zusammengesetzten Darstellung
von Hoffmanns Leben erzählt, dieser habe in Königsberg nach Beendigung seiner Universitäts¬
studien [also iypf] den Versuch gemacht, durch Musikunterricht sowie durch die Anfertigung
großer Gemälde und schlüpfriger (licencieux) Romane seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Jeder Leser von einigem kritischen Vermögen sieht sofort, daß dies eine Ausschmückung von
683
[ 11 ]
Hitzigs Bericht über die Nebenarbeiten Hoffmanns in der Zeit von Mitte 1794 bis Mitte 1796
ist: Hitzig berichtet Teil I, S. 23—26 seiner Biographie Hoffmanns von dem Musikunterricht
der Geliebten [Frau Hatt], den beiden Romanen 'Comaro' und “Der Geheimnisvolle' [die
freilich mehr mystlrieux als licencieux waren] sowie den beiden Gemälden aus der französischen
Geschichte, die Hoffmann dem Geheimrat v. Hippel zu verkaufen versuchte. Ich bemerkte
nun a. a. O. von dem Wort des Herrn Fötis von den romans licencieux, es sei „ein Vorspuk
von Gugitzens Phantasien , nur zwanzig Jahre früher spielend". Der unselige Frank scheint
diese scherzhafte Zusammenstellung der beiden „Forscher" ernst genommen zu haben; er
zitiert S. XIX den Unsinn des Fdtis und fügt hinzu, daß Gugitz’ Entdeckung über den Roman
von 1815 diese Angaben bestätiget
4. Um es kurz zu sagen: die dreizehnte Gesamtausgabe von Hoffmanns Schriften ist bei
weitem die erbärmlichste und lüderlichste von allen.
B. Die Kompositionen.
Seit dem Sommer 1922 kommt mit Gustav Beckings sorgfältiger Ausgabe von ‘E. Th. [ 1 ]
A. Hoffmanns musikalischen Werken’ (bei Siegel in Leipzig) auch dieser wichtige Teil von
Hoffmanns Produktion aus dem mittelalterlichen Stadium des Abschriftenhandels in das des
Druckes, der zu Hoffmanns Lebzeiten anscheinend nur zwei kleinen Sammlungen von Gesang¬
stücken zuteil geworden ist.
Bisher sind Bd. I (Vier Sonaten für Pianoforte) und von Bd. 2 die Nr. I (Quintett in C-
moll) erschienen, beide mit ausgezeichneten Einleitungen; weiteres ist in Vorbereitung. (Am
meisten zu wünschen wären die Partituren der ‘Lustigen Musikanten’ und der ‘Aurora’ 1 )
C. Die Zeichnungen.
I. Maassen.
a) Art der Publikation. Während Maassen, wie wir unter All 3a gesehen haben, wenig¬
stens anfangs die Untersuchungen über Hoffmanns Quellen und die Anführung der älteren
Rezensionen besonderen Publikationen Vorbehalten wollte, hat er von Anfang an die Absicht
verfolgt, alle ihm erreichbaren Zeichnungen und Gemälde Hoffmanns über sämtliche Bände
von dessen Schriften zu verstreuen. Wenn etwas Derartiges bei dem Wiederabdruck der Reimer-
schen Platten von 1871/73, die der Verlag mit Hirschbergs Hilfe als „Serapions-Ausgabe“
aufgefrischt hat, geschieht, so ist das gewiß kein Unglück. Aber bei einer Ausgabe wie der
Maassenschen habe ich dieses Verfahren vom ersten Tage an als barbarisch empfunden 1 , da
es die Texte zerreißt und die Bilder zu Dekorationen herab würdigt. Man stelle sich eine
kritische Gesamtausgabe von Goethes oder Stifters oder Kellers Schriften vor, die bei jedem
dritten oder fünften Bogen von irgendeiner Zeichnung des Verfassers unterbrochen würde —
einer Zeichnung, die vielleicht zehn Jahre älter ist als der Text, den sie „schmückt" 1
b) Inhalt. In den sieben bisher erschienenen Bänden seiner Ausgabe bringt Maassen 29
von Hoffmann herrührende Bilder. Davon sind 7 nach Originalen angefertigt; 9 gehen auf
Drucke zurück, die Hoffmann selbst veröffentlicht hat, und 13 auf postume, z. T. fast wert¬
lose Wiedergaben. Von den 7 Originalen, die Maassen wiedergicbt, sind nur vier (farbige)
beglaubigt als von Hoffmann herrührend: Itzig und Frau 1807, Bamberger Bürgermilitär 1809,
Hoffmann und Marcus [wohl 1810] und Familie Kunz 1812/13. Die Bilder sind z. T. stark
verkleinert: farbig wiedergegeben ist nur eins.
II. Hirschberg.
1. Leopold Hirschberg reproduzierte 1921 unter dem Titel Die Zeichnungen E.T. A. Hoff¬
manns' bei Kiepenheuer in Potsdam 62 Reproduktionen von Bildern Hoffmanns, also 62 ältere
und neuere Stiche, Lithographien und dgl.
1 In den Beigaben tu meiner eigenen Ausgabe des Briefwechsels habe ich mieh streng beschrankt auf solche
Bilder, die Hoffmann entweder in einseine Briefe hineingeseichnet hatte (wie Selbstporträts und die Karikatur der
Madame Bader) oder doch für einen einzelnen Bekannten gleichsam als persönliche Mitteilung skissiert hatte (wie den
Gensdarmenmarkt für Kunz, Schleraihls Nordpolfahrt für Hitzig, den Brand des Schauspielhauses für Wagner). Und
im Kreislerbuch bringe ich ausschließlich Zeichnungen, die zum Text in Beziehung stehen.
684
[ 12 ]
a) Inhalt. Hirschberg reproduziert 28 Drucke, die Hoffmann selbst veröffentlicht hat,
27 Drucke, die in den Jahren 1823/86 von anderen veröffentlicht sind, Und 7, die ich in den
Jahren 1902/12 zuerst publiziert habe. War eine Originalzeichnung nach Hoffmanns Tode an
zwei verschiedenen Stellen reproduziert (etwa einmal in Steindruck und einmal in Radierung),
so gibt Hirschberg beide Reproduktionen wieder; die 34 postumen Drucke, die er reproduziert,
entsprechen infolgedessen nur 29 Originalbildern Hoffmanns. Hirschbergs Mappe gibt mithin,
um es zusammenzufassen, 28-f-29 = 57 Originalbilder Hoffmanns in Reproduktionen nach
Reproduktionen wieder; sie gibt von Hoffmanns „Strich", von seiner künstlerischen „Hand¬
schrift" also nur in besonders günstigen Ausnah metallen eine verschwommene Vorstellung.
Die Größe der Hirschbergschen Reproduktions-Reproduktionen beträgt mit einer Ausnahme in
der Höhe bis zu 14 1 /, cm, in der Breite bis zu 9%, ist also noch geringer als bei Maassen.
b) Anordnung. Geordnet sind diese 62 Bilder in 1) Selbstportraits, 2) Zeichnungen „zu
eigenen und fremden Werken", 3) Portraits anderer und 4) sonstige Bilder. Die vierte Abteilung
hat den Verlegenheitstitel ‘Fantasien’; sie enthält aber auch das Kostümbild ‘Polnische Uniformen’,
das mit Phantasie nicht das allergeringste zu tun hat, die in Bamberg erlebte Szene ‘Sterben müssen
wir alle’, die Zeichnung zu Chamisso ‘Schlemihl’ (Der graue Mann’), die man unter 2 sucht,
und die drei politisch-allegorischen Blätter. Besser wären die Gruppen 1 und 3 zusammengestellt,
zumal auf zwei Blättern der I. Gruppe auch andere Personen erscheinen und auf einem Blatt
der 3. Gruppe umgekehrt auch Hoffmann — allerdings nur von hinten — zu sehen ist.
Doch kommen diese stofflichen Erwägungen erst in zweiter, dritter Reihe. Vor allen
Dingen wären diejenigen Zeichnungen Hoffmanns, die er für den Stich, also für die Öffent¬
lichkeit bestimmt hatte, zu trennen gewesen von den schnell hingeworfenen Produkten
augenblicklicher Laune: jene entsprechen seinen literarischen Werken, diese den Tagebuch-
Aufzeichnungen und Briefen.
2. 1922 wiederholte Hirschberg in der von ihm vervollständigten Ausgabe von Hoffmanns
Schriften (s. o., A III) von den 57 in der Mappe wiedergegebenen Zeichnungen 23 (davon 2
nach besseren Vorlagen); neu reproduziert er 10 Reproduktionen des 20. Jahrhunderts, nämlich
4 von Maassen, 4 von mir und 2 von Arthur Sakheim erstmalig publizierte Zeichnungen.
Dabei gibt er seinem oben charakterisierten Grundsatz getreu Blätter wieder, an deren
Hoffmannschen Ursprung er selbst nicht glaubt, „um uns, falls einmal ihre Echtheit bewiesen
wird, keiner Unvollständigkeit schuldig zu machen“ (so Bd. 14, S. 256 oben).
3. Hirschberg bringt also in seinen beiden Sammlungen zusammen 57 4 - 10 = 67 verschie¬
dene Zeichnungen Hoffmanns aus zweiter Hand. (Übersehen hat er mindestens 7, von denen
je zwei 1910 und 1918, je eine 1806, 1902, 1921 erschienen ist.)
III. Steffen-Müller.
Franz Kugler hat (fast ausschließlich aus Hoffmanns Nachlaß, den sein Schwiegervater
Hitzig verwahrte) eine Sammlung Hoffmannscher Bilder zu einem Album vereinigt, das
51 Blätter von Hoffmanns Hand und außerdem je einen — meist vorzüglichen — Abzug von
fast allen damals bekannten Reproduktionen enthält. Von den 51 von Hoffmann eigenhändig
hergestellten Blättern ist eines eine geometrische Hilfszeichnung von rein technischem Charakter;
2 sind Schablonen aus starkem Karton, 12 sind Übungskopien nach Hamilton-Tischbeins Vasen¬
werk, das Hoffmann bekanntlich 1803 in Plock aus freier Hand mit der Feder nachzeichnete.
Die 36 künstlerischen Originalzeichnungen, 3 der Vasenbildkopien und die eine Schablonen¬
zeichnung läßt der Besitzer des Albums, Herr Rechtsanwalt Walter Steffen zu Brandenburg
an der Havel, gegen Ende dieses Jahres (1925) unter meiner Mitwirkung im Propyläen-Verlag zu
Berlin, erscheinen. Er hat mir gestattet, diesem Grundstock 10 Zeichnungen Hoffmanns aus
anderem Besitz hinzuzufugen, für die Hoffmanns Autorschaft nicht nur durch ihre Provenienz,
sondern in jedem einzelnen Falle auch durch schriftliche Zusätze von Hoffmanns Hand objektiv
gesichert ist Das Format (45 X 35 cm) erlaubt es, alle Blätter in Originalgröße zu bringen;
die (wenigen) farbigen oder farbig getönten werden in der Färbung des Originals wieder¬
gegeben. Alle 50 Blätter sind einheitlich systematisch geordnet: 8 Querfolioblätter mit Zeich¬
nungen zu Bamberger Theaterdekorationen machen den Anfang; ihnen folgen 5 Vorlagen zu
Buchillustrationen; darauf kommen als das Gros 33 private Originalzeichnungen (in 5 Gruppen,
vom seriösen Porträt bis zum reinen Phantasiespiel); die 3 Plocker Kopien und die Schablone
machen den Schluß. Ein größerer Aufsatz über Hoffmann als bildenden Künstler leitet die
Sammlung ein.
[ 13 ]
685
D. Privataufzeichnungen.
I. Meine Ausgaben mit Maassens Ergänzung.
1. Haffmann im Verkehr, gedruckt 1903—1912. 1903 begann ich den Druck einer durch
eigene Sammeltätigkeit seit 1895 vorbereiteten Gesamtausgabe der Dokumente zu Hoffmanns
Leben, insbesondere — da die sechs späteren Tagebücher damals verloren schienen — seines
Briefwechsels und der Aufzeichnungen seiner Bekannten über ihn. Als Quellen für Hoffmanns
Leben in der Zeit bis 1803 kannte ich damals fast nur die Briefe an Hippel und dessen
Erinnerungen an Ho.ffmann (die in ihrer sehr anziehenden Originalform noch nicht gedruckt
waren). Ich entschloß mich daher nach längerem Schwanken, für die erste Ausgabe der
Dokumentensammlung diese Aufzeichnungen in einem Bande 'Hoffmann und Hippel’ zu ver¬
einigen; in einem zweiten Bande wollte ich den übrigen Briefwechsel, in einem dritten die
Erinnerungen der übrigen Bekannten bringen. (Ich zitiere im folgenden den ersten Band als
den „Hippelband", den zweiten als „Briefwechsel".)
Der in sich abgeschlossene Hippelband, der u. a. 71 Briefe Hoffmanns an Hippel bringt
und neben genauen Quellennachweisen ein eingehendes Register enthält, war im März 1904
im wesentlichen ausgedruckt; der damalige Verleger wünschte ihn aber erst nach Beendigung
des zweiten Bandes auszugeben, um wenigsten alle Briefe auf einmal vorzulegen.
Der Druck des Briefwechsels (mit den übrigen Bekannten) begann im Juli 1904 und war
im Mai 1906 bis zum Jahre 1819 gediehen. Fünf fingierte Briefe Hoffmanns, die in Grisebachs
Ausgabe der Schriften fehlten (1 an Fouque, 3 „aus den Bergen" Schlesiens, 1 an Symanski)
wurden mit aufgenommen, zumal ihr Inhalt stellenweise sehr persönlicher Art, fast autobio¬
graphisch zu nennen ist.
Darauf trat ohne mein Verschulden eine fast zweijährige Pause im Druck ein; erst 1908
konnte ich die Arbeit allmählich wiederaufnehmen. Ich ließ dann bis zum Sommer 1912
beide Bände mit Einschluß der Umschläge auf eigene Kosten zu Ende drucken und gab die
fertige Auflage, die nur noch zu heften bzw. zu binden war, den Gebrüdern Paetel in Verlag.
Der ‘Briefwechsel’ (im engeren Sinne) bringt im Wortlaut 178 Briefe etc. von Hoffmann und
21 an ihn. Der dritte Band — die Erinnerungen von Hoffmanns Bekannten außer Hippel samt
dem Register und den Quellennachweisen für den zweiten und den dritten Band — ist bis
heute nicht erschienen.
2. Die beiden ipoyjoS publizierten Briefreihen. In der langen Zeit, die der Druck des
Briefwechsels in Anspruch nahm, fanden sich natürlich hie und da noch Briefe, die dort nicht
mehr an den entsprechenden Stellen untergebracht werden konnten, sondern für eine künftige
Nachtragspublikation (sei es im 3. Bande, sei es in einem besonderen Hefte) Zurückbleiben
mußten. Zwei Reihen der Art wurden schon vor Erscheinen der Hauptsammlung ver¬
öffentlicht: 30 Briefe (seit 1799!) an Verlag und Redaktion, der Allgemeinen Musikalischen
Zeitung durch mich (in den Süddeutschen Monatsheften, wiederholt in dem Privatdruck
‘Hoffmann und Härtel’) und 7 sehr interessante Billets an Chamisso durch Herrn von Maassen.
— Als ich im Sommer 1912 den Druck des ‘Briefwechsels’ beendete, gab ich dem Bande
eine chronologische Liste aller mir damals bekannten Briefe von und an Hoffmann bei, die
die eben erwähnten 30+7 sowie 8 weitere mit aufführte.
3. Auffindung, Entzifferung und Herausgabe der Tagebücher: ipoj —/p/j. Hitzig hatte
1823 in seinem Buche ‘Aus Hoffmanns Leben und Nachlaß’ 18 Einträge des Plocker Tage¬
buches aus dem Winterhalbjahr 1803/04 (mit Kürzungen) gebracht und eine Reihe ganz
kurzer Stellen aus den sechs Schreibkalendern von 1809 und 1811—1815. Joseph Kürschner
hatte 1889 zwei der von Hitzig bereits gebrachten Plocker Einträge in Faksimile wiederholt
Sonst war keine Zeile aus den Tagebüchern bekannt.
1903 erwarb ich von Kürschners Witwe für den Taxpreis, den diese dafür hatte fest¬
setzen lassen, Hoffmanns Miscellaneen-Buch, das u. a. das Plocker Tagebuch enthält. 1904
verifizierte ich in einer von Hitzigs Enkel, dem gleichnamigen Geheimen Medizinalrat und
Universitätsprofessor zu Halle, an das Märkische Museum zu Berlin gesandten Kiste unter
Hunderten von Manuskripten verschiedenster Herkunft Hoffmanns (nicht mit dessen Namen
versehene) Schreibkalender von 1812, 1813 und 1815; ich erhielt die Erlaubnis zu deren
ausschließlicher Veröffentlichung. 1909 fand ich in Halle die noch fehlenden Schreibkalender
von 1809, 1811 und 1814 und erwarb sie von der Witwe des inzwischen verstorbenen Geheim¬
rats Hitzig für den von dieser festgesetzten Preis.
_ Diese sieben Tagebücher habe ich in jahrelanger Arbeit bis auf wenige einzelne Worte
entziffert und im November 1915 bei den Gebrüdern Paetel hierselbst publiziert. Abgesehen
686
[ 14 ]
von dem moralischen Anspruch auf eine Schutzfrist, den wohl jeder Leser dieser Zeitschrift
mir als dem Entdecker und Entzifferer der sechs Schreibkalender zubilligen wird, habe ich
also, um auch die zivil- und strafrechtliche Seite der Sache nicht ganz unerwähnt zu lassen,
nach § 29 des Gesetzes betr. das Urheberrecht vom 19. Juni 1901 bis Ende 1925 das alleinige
Recht der Vervielfältigung: denn ich habe von den sieben Tagebüchern vier als deren
Eigentümer und drei als der einzige von der Eigentümerin (nämlich der Stadt Berlin, ver¬
treten durch den Custos des Märkischen Museums) dazu Autorisierte drucken lassen. Da
Hoffmann unbeerbt gestorben ist, hat der Eigentümer einer ungedruckten Handschrift von
ihm das Recht, das sonst dem Erben zusteht.
4. Drei weitere Briefe in meinem Aufsatz ‘Drei Arbeiten Hoffmanni: 1915—1918. Zu
Neujahr 1916 veröffentlichte ich in der Deutschen Rundschau einen Aufsatz ‘Drei Arbeiten
Hoffmanns aus den ersten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms III.’, aus dem sich u. a. ergab,
daß Hippel nur für die Zeit bis 1797 als eigentlicher Vertrauter Hoffmanns gelten kann. An
neuen Texten brachte der Artikel je einen Brief an Iffland (von 1800, also — nach dem unter 2
erwähnten ersten Schreiben an Breitkopf & Härtel — schon einen zweiten Brief aus dem 18. Jahr¬
hundert, der nicht an Hippel gerichtet war) und an Hatnpe (von 1819); in einem vermehrten
Sonderabdruck der Arbeit, der 1918 bei Georg Müller in München erschien, kam ein älterer
Brief an Hampe (von 1809) dazu, der bereits 1830 an versteckter Stelle erschienen war. Von
da an stand es vollends bei mir fest, daß eine neue Auflage des Briefwechsels meiner ursprüng¬
lichen Absicht gemäß und der chronologischen Liste von 1912 entsprechend alle Briefe, auch
die an Hippel, in Einer Folge bringen müsse. Die Briefe an Hippel aus der Zeit des voll¬
kommenen Vertrauens, bis 1797, würden ja auch dann ohne Unterbrechung aufeinander folgen.
II. Harich-Lichtensteins Nachdruck.
Die im Vorstehenden unter 3 genannte Ausgabe der Tagebücher und die sämtlichen
Briefe Hoffmanns aus den fünf unter 1, 2 und 4 genannten Publikationen hatHarich resp. Lichten¬
stein, ohne eine einzige Briefzeile Hoffmanns aus eigener Wissenschaft hinzufügen zu können, in
den Bänden 14 und 15 der sub A VI besprochenen Gesamtausgabe nachgedruckt. Ich werde
nicht, wie es das Korrekte gewesen wäre, auf dem Titelblatt, sondern lediglich im Nachwort
als Gewährsmann genannt (daß ich an dem vermutlich bedeutenden materiellen Gewinn, den
der Nachdruck meiner Arbeit für die beiden Unternehmer abwirft, mit keinem Pfennig beteiligt
werde, versteht sich danach von selbst).
1. An Briefen Hoffmanns bringt Harich, wie jeder sich aus dem Vorstehenden berechnen
a) aus meinem Bande ‘Hoffmann und Hippel'. 71
b) aus meiner Ausgabe von ‘Hoffmanns Briefwechsel’ .... 178
c) aus meiner Schrift ‘Hoffmann und Härtel'. 30
d) aus Maassens Abdruck der Briefe an Chamisso. 7
e) aus meinem Aufsatz ‘Drei Arbeiten Hoffmanns’..3
zusammen 289
Aber mehr noch: er bringt unter den Briefen sogar die drei ‘Briefe aus den Bergen' und
den fingierten Brief an Symanski, die ich, wie bereits berichtet, darum (mit sinnfälliger
Unterscheidung) vorläufig unter die Privatbriefe gestellt hatte, weil sie bei Grisebach fehlten.
Selbstverständlich gehören sie aber in Hoffmanns Schriften (wie Heinses Düsseldorfer Gemälde¬
briefe und Heines ‘Briefe aus Berlin' in deren Werke gehören), u. z. zum mindesten, die ‘Briefe
aus den Bergen’ in die Dichtungen, denn bekanntlich treten Rübezahl und andere poetische
Personen darin auf.
Auch die technische Einrichtung meiner Briefausgabe übernimmt Harich unbesehen: er
nennt nämlich die Gegenstände, die Hoffmann seinerzeit mit den Brirfen zusammen abgeschickt
hat (wie Manuskripte, Bücher, andere Briefe u. dgL) nach der von mir m. W. zuerst ange¬
wandten Methode unmittelbar in der Überschrift unter dem Namen des Adressaten, u. z. fast
immer genau mit meinen Worten. Besonders auffällig ist das erstens dann, wenn es sich
nicht um Titelzitate handelt, wie in Band 14 S. 288 „Mit rezensierten Musikalien und zwei
Rezensionen", S. 371 „Mit dem Aufsatz über die Bamberger Calderon-Aufführungen", S. 374
„Mit einer Wurst, einer Hymne und einer Zeichnung", S. 422 „Mit der Rodeschen Violinschule
und der alten Übersetzung derselben" usw., und zweitens in solchen Fällen, wo meine
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687
[ 15 ]
Bezeichnung eines Hoffmannschen Werkes von der üblichen, also auch der des Harich, abweicht,
wie Band 15 S. 303 „Mit dem zweiten Bande der Serapions-Brüder und dem ersten Bande
des Murr-Kreisler“, S. 319 „Mit dem Anfang des zweiten Murr-Kreisler-Bandes", S. 333 „Mit
dem zweiten Teile des Murr-Kreisler-Werks“ — alles Silbe für Silbe mir nachgedruckt Eben
weil Harich meine Arbeit direkt in die Setzerei gegeben, nicht etwa nur als Teil-Unterlage
für eine selbständige Arbeit benutzt hat, nenne ich seine Ausgabe einen Nachdruck.
Diesen Charakter verliert sie auch nicht dadurch, daß die 289 nachgedruckten Briefe
von Harich-Lichtenstein in Einer chronologischen Folge gegeben werden: denn auf Grund
meiner dem Briefwechsel beigegebenen Liste hätte jeder Setzer ohne Hilfe eines Literaten
das einwandfrei selbst besorgen können. Aber selbst bei der rein mechanischen Arbeit des
Zusammenordnens der fünf Reihen ist es nicht ohne Unfälle abgegangen; so hat Harich es
fertiggebracht, Hoffmanns ausführlichen Bericht an Hippel vom 30. August 1816 über die
ersten Aufführungen der ‘Undind und über seine Tätigkeit als stellvertretender Vorsitzender
des Kriminalsenats (in Band 15, S. 190/93 und ebenso im Inhaltsverzeichnis) unter das Jahr
1815 zu setzen, also in eine Zeit, da sowohl die Aufführung der 'Undine' wie auch Hoffmanns
feste Anstellung noch in weiter Ferne lag. Harich läßt also auf S. 189 drucken: „Brühl hat...
sich meinen Rat bei der Szenerie erbeten ... Wegen den Undine-Dekorationen ziehe ich
Schinkel ins Interesse“; auf der folgenden Seite: „Mein Undinchen wurde in einem Zeitraum
von vierthalb Wochen gestern zum sechsten Mal bei überfülltem Hause gegeben. .. alle rühmen...
die Dekorationen“ und S. 192 im selben Brief: „Dein gehorsamer Diener führte im Kriminalsenat
als ältester Rat mit Würde und Energie den Rotstift.“ Aber auf S. 194 heißt es dann: „Meine
Undine kommt im Lauf des Winters auf das Theater; sie wird bereits studiert“ und auf S. 197:
„Noch immer bin ich nicht definitiv fixiert [d. h. fest angestellt am Kammergericht] ... Die
Vorstellung der ‘Undine’ ist durch meine Schuld verzögert am Schluß des selben Briefes
S. 198/99: „Früher, als die ‘Undine’ hier auf das Theater gekommen, kann ich sie nicht [an
andere Bühnen] versenden . . . Schinkel ordnet hier die Dekorationen ... an; sie sollen
8—IO Tausend Thaler kosten". Wenn irgend etwas, so beweist diese Folge, daß der sog.
Herausgeber seine Druckvorlage mit Schere und Kleister zusammengestellt und den so
gewonnenen Text weder vor noch nach dem Satze durchgelesen hat.
Harichs Erläuterungen zu den Briefen sind durchweg Auszüge aus den meinigen. Soweit
ich sehe, hat er nur Ein Wort aus eigener Wissenschaft hinzugetan, indem er nämlich Rahels
Bruder Ludwig Robert (den ich, als meinen Lesern bekannt, nicht weiter charakterisiert
hatte) seinen Lesern als Schauspieler vorstellt (Band 15, vorletztes Blatt des Inhaltsverzeichnisses,
sub 20. Dezember 1819).
2. Die Tagebücher Hoffmanns, die nach meinem Urteil das Außerordentlichste sind, was
wir an menschlichen Aufzeichnungen Hoffmanns und vielleicht der deutschen Romantik über¬
haupt besitzen, habe ich absichtlich ohne einen Einschub, ja ohne jede Einzelerläuterung
(die erst im 2. Band geliefert werden sollte) so abgedruckt, wie Hoff mann sie geführt hat und
wie ich sie in jahrelanger Arbeit entziffert habe. Die Satzordnung, die ich nach langer Über¬
legung dafür eingeführt habe, ist von Sachkennern (auch im Auslande) als besonders zweck¬
mäßig und diskret anerkannt worden. Wenn also Harich 1922 in einem Pamphlet mir bezüglich
der Tagebücher Hoffmanns höhnisch zuruft, es sei mir „gelungen, sie so ungeschickt, so umständ¬
lich, in einem derartigen Durcheinander herauszugeben, daß die Leser, geschweige denn die
Käufer entsetzt flohen. . .. Sie haben das Kunststück fertig gebracht, daß eines der von Ihnen
edierten interessantesten Menschheitsdokumente: Hoffmanns intime Tagebuchaufzeichnungen,
kaum einen Leser gefunden hat“ — so kann diese Behauptung, die sogar bei ihm noch auf¬
fällt, nur ihm selber schaden. Was hat aber nun Harich mit diesem von mir pietätvoll vor¬
gelegten Vermächtnis Hoffmanns gemacht? Er hat meinen Text (von dem er auch alle von
mir als zweifelhaft gekennzeichneten Lesungen als sichere Worte Hoffmanns abdruckt) in einige
sechzig Fetzen zerrissen und diese Makulaturblätter wie ein zweiter Kater Murr zwischen die
bis 1918 zufällig bekannt gewordenen Briefe hineingestreut. Diese „redaktionelle" Arbeit ist
die einzige Leistung, deren er als Herausgeber der Tagebücher sich rühmen kann.
III. Frank-Rösls Nachdruck.
1. Inhalt und Anordnung. Noch bequemer als Harich und Lichtenstein haben Frank und
Rösl sich die „Herausgabe“ oder besser Hereinnahme von Hoffmanns Privataufzeichnungen
gemacht. Sie drucken nicht abwechselnd, sondern hintereinander ab:
a) die Tagebücher
b) aus dem Hippelbande die Briefe an Hippel. 71
c) aus der ‘Deutschen Rundschau' den Brief an Iffland .... 1
d) aus dem ‘Briefwechsel’ die 178 Briefe Hoffmanns, denen sie
lediglich die 7 von Maassen dargebotenen Billets an Chamisso
einfügen, also. 185
zusammen 257
Briefe. Von dem, was Harich mir nachgedruckt hat, sind Frank also die 30 Briefe an Härtel
entgangen (obwohl meine chronologische Liste im Briefwechsel sie mit aufführt 1), desgleichen
die beiden an Hampe. Beabsichtigt war diese Zurückhaltung nicht, denn Frank &Rösl nehmen
noch ungenierter tds Harich & Lichtenstein, was ihnen vor die Hände kommt. Was ich [in
Klammern] ergänzt habe, respektieren diese wenigstens als mein Eigentum; Frank &Rösl drucken
alles mit, u. z. ohne Kennzeichnung, als Hoffmannschen Originaltext Und Harich 8t Lichten¬
stein nennen mich wenigstens hinten schamhaft als Quelle; Frank & Rösl, die mir gleichfalls
die sieben heute noch urheberrechtlich geschützten Tagebücher und 250 Briefe nachgedruckt
haben, nennen mich, um zum Schaden den Spott zu fügen, für einen einzigen Brief (den aus
der ‘Deutschen Rundschau’ abgedruckten an Iffland) als Gewährsmann (Band 11, S. 2 66 Note);
sonst kommt mein Name in allen elf Bänden nicht vor.
2. Technische Schluderei. Die Tagebücher sind in der von mir gefundenen Satzanordnung
gedruckt (Harich & Lichtenstein waren vor diesem intimsten Eingriff zurückgescheut). Der
Druck der Briefe dagegen ist äußerst iüderlich; folgen zwei, drei Briefe an denselben Adressaten
aufeinander, so erhält der zweite und dritte keine Überschrift, so daß der Leser nicht ohne
weiteres erkennen kann, ob eine Nachschrift zum alten Brief oder ein neuer Brief vorliegt.
Was bei mir faksimiliert ist, wird entweder fortgelassen oder in großer fetter Kursiv gebracht,
ohne jeden Sinn, nur um meine vom Röslschen Setzer anscheinend für kanonisch angesehene
Ausgabe tunlichst zu faksimilieren.
Man verzeihe, wenn ich ein Kompliment variiere, das ich an dieser Stelle bereits Herrn
Harich als Biographen Hoffmanns gemacht habe; es ist in dem heutigen Zusammenhänge
besser am Platze. Die in schöner Schrift auf schönem Papier gedruckte Ausgabe des Herrn
Dr. Lichtenstein darf man, ohne dem alten Herrn Himburg zu nahe zu treten, mit dessen
hübscher Goethe-Ausgabe vergleichen, die ja trotz ihrer philologischen Unzulänglichkeit auch
heute noch Liebhaber findet. Neben den „Äörf-Klassiker“ Hoffmann aber kann man nur die
Erzeugnisse der Firma Fleischhauer in Reutlingen stellen.
IV. Eine vermehrte neue Ausgabe des Briefwechsels?
Band 1 und 2 der Sammlung ‘Hoffmann im Verkehr' ist vergriffen. Die (ich darf wohl sagen:
rechtmäßige, wenn auch hier nur im moralischen Sinne berechtigte) zweite Auflage von Hoffmanns
Briefwechsel, zu der ich hiermit die ehrliebenden Verleger des deutschen Sprachgebiets a,uf-
fordere, würde an (ganz oder teilweise) wörtlich wiedergegebenen Briefen von Hoffmann enthalten:
a) den von Harich nachgedruckten Bestand. 289
(davon würden aber einige besonders wichtige und lange Briefe
nach den inzwischen aufgefundenen Originalen berichtigt und
ergänzt werden)
b) an weiteren seit 1910 an verschiedenen Orten gedruckten nach
meiner heutigen Kenntnis. 25
c) an bisher ungedruckter, mindestens..24
zusammen 338
also 49 mehr als Harich-Liehtensteins Nachdruck und 81 mehr
als Frank-Rösls Nachdruck.
Dazu kämen noch die erhaltenen (wenigen, aber durchweg interessanten)
Briefe an Hoffmann. 22
so daß die neue Ausgabe mindestens. 360
Nummern zählen würde — 161 mehr als der alte Band ‘Hoffmanns Briefwechsel’.
Das Material würde sich dementsprechend verteilen auf zwei Bände Text und einen Band
Beigaben (Erläuterung und Verzeichnisse ); die fingierten Briefe, die Briefstellen über Hoffmann
und die beiden Anhänge (= Heft 3 der alten Ausgabe) würden wegfallen.
689
HOFFMANNS BEZIEHUNGEN ZU DRESDEN
UND LEIPZIG
Vortrag, gehalten auf dem Leipziger Bibliophilen-Abend
am 23. April 1926
Hoffmann hat 1798 Dresden kennen und lieben gelernt, und er hat von 1799 bis
an seinen Tod als Komponist, Musikschriftsteller und Dichter mit Leipziger Ver¬
legern und Redakteuren zu tun gehabt.
Von Ende April 1813 bis Ende September 1814 hat er abwechselnd in Dresden
und Leipzig gelebt, und in diese 17 Monate fällt die letzte Blüte seines musikali¬
schen, die erste Blüte seines poetischen Schaffens. Es ist kein Zufall, daß er das
Märchen vom goldenen Topf, das reinste Werk seiner Kunst, in Dresden spielen läßt.
Wenn ich dieses enge Netz inniger Beziehungen darlegen und die 17 Monate von
Hoffmanns Leben in Sachsen schildern wollte, so müßte ich ein Buch schreiben,
das kein Mensch verlegen würde, oder vier, sechs Mal zu Ihnen sprechen. In Einem
kurzen Vortrage läßt sich nur ein Überblick über das Ganze geben.
Immerhin möchte ich Ihnen einige Wochen aus dieser Zeit in der vollen Farbe
des Lebens schildern. Nur so kann ich Ihnen erstens eine wirkliche Vorstellung von
Hoffmanns buntem und wechselvollen Erleben geben und zweitens, was mir wich¬
tiger ist, Ihnen zeigen, wie Hoffmann sich mit diesen Erlebnissen abfand und wie er
immer innerlich Herr der Lage blieb.
Welche der 75 Wochen, um die es sich handelt, man zur eingehenden Darstellung
wählt, ist ziemlich gleichgültig. Ich habe mich für die ersten neun entschieden, vom
Mittwoch dem 21. April bis zum Mittwoch den 23. Juni 1813, die Hoffmann teils
auf Reisen, teils in Dresden und teils in Leipzig verbrachte: so erhalten Sie von
allem etwas. — Damit aber das Ganze nicht wie ein sinnloses Kaleidoskop wirkt,
werde ich kurz die weltgeschichtlichen Ereignisse erwähnen, die Hoffmanns Erleb¬
nisse in den letzten drei Quartalen des Jahres 1813 wesentlich bestimmten. Ob¬
wohl die Herren Kirstein und Witkowski im Gegensätze zu mir aus Berlin stammen,
hoffe ich Duldung zu finden, wenn ich diese Vorgänge nicht in spezifisch preußischer
Auffassung darstelle.
Auf einer Ferienreise als Glogauer Referendar lernte Hoffmann im August 1798
Dresden kennen. Er sah, durch das Studium Winckelmanns gründlich vorbereitet,
hier zum ersten Male antike Statuen aus Herkulaneum und Antium; er sah ferner,
nachdem er Jahre lang sich im Zeichnen und Malen geübt hatte, hier zum ersten
Male eine große Gemäldegalerie.
Ein Jahr darauf, im September 1799, bot Hoffmann von Berlin aus der Firma
Breitkopf & Härtel sechs Lieder mit Klavier und Guitarre zum Verlag an, ohne
damit Glück zu haben.
Im Frühjahr 1800 machte er mit seinem Schul- und Universitätsfreund Theodor
Gottlieb von Hippel, dem Neffen und Erben des Humoristen, nach bestandenem
690
Staatsexamen eine Erholungsreise. Die beiden fuhren über Potsdam, Wörlitz, Dessau
und Halle nach Leipzig, das Hoffmann jetzt zum ersten Male sah, und nach dem
geliebten Dresden, dessen Herrlichkeiten er als Führer dem Freunde zeigte.
Der Dienst führte Hoffmann aus Deutschland heraus in die vor einigen Jahren
von Preußen annektierten Teile Polens. Das Tagebuch, das er am 1. Oktober 1803
als Rat in Pk>ck an der Weichsel begann, zeigt, wie übermächtig gerade in diesem
Monat seine Sehnsucht nach Dresden war, das für ihn neben dem Rheinland den
Inbegriff der deutschen Kunstpflege bedeutete. Sonntag den 2. schreibt er, nach¬
dem er eine gute Messe schlecht hat singen hören: „Was werde ich empfinden wenn
ich die Schick, die Marchetti [in Berlin] — wenn ich wieder eine Messe in Dresden
hören werde! - Es wird nicht zum Aushalten seyn, ich werde weinen wie ein
Kind!“ Am 8. schreibt er: „Wann werde ich wieder in den paradiesischen Gefilden
wandeln! — Wann werde ich Dresden Wiedersehen!“ — Hoffnung darauf hatte er,
wenn er, wie es Kollegen widerfahren war, in das Herzogtum Magdeburg versetzt
worden wäre; auch ins Clevische wäre er gern gegangen. In diesem Sinne ruft er am
17. auf dem Papier des Tagebuches den Personalreferenten des Justizministeriums
an: „Allmächtiger Beyme — bitte für mich! - hebe mich weg aus diesem Jammerthal
in das Paradies an den Ufern der Elbe — oder laß mich den Rhein, wie Mosen das
gelobte Land, aus der Ferne sehen!“ Ende des Jahres steigen die Aussichten auf
eine Versetzung, und Hoffmann schreibt am 5. Januar 1804: „die angenehme -
was sag’ ich angenehme! die herrliche, die himmlische Perspektive in das Eden an
der Elbe und am Rhein ist’s die mich mit Kraft stählt“.
Im Frühjahr wurde er versetzt: zwar nicht nach Deutschland, aber wenigstens
nach Warschau. Unter den dortigen preußischen Beamten fand er einen großen
Kreis von Musikfreunden, darunter den bei der Verwaltung tätigen Franz Anton
Morgenroth. Im folgenden Jahre, 1805, wurde eine Musikalische Gesellschaft in-
Warschau gegründet, über die im Oktober des Jahres Friedrich Rochlitz in Härtels
Allgemeiner Musikalischer Zeitung ausführlich berichtete. Er nennt Hoffmann als
den Zweiten Vorsitzenden des Vereins, der als solcher dessen Sekretär und Biblio¬
thekar sei und die theoretischen Vorträge zensiere.
Nach dem Zusammenbruch der preußischen Herrschaft in Polen begaben sich
Hoffmann und dessen Warschauer Kollege Itzig 1807 nach Berlin. Itzig erlernte
hier den Buchhandel und besuchte im Herbst 1807 die Leipziger Messe. Auf die
Bitte seines Freundes hin bot er hier dem Verleger Ambrosius Kühnei, der als
Vorgänger von C. F. Peters das Bureau de Musique innehatte, Hoffmanns Harfen¬
quintett in c moll an. Kühnei wandte ein, daß das Quintett seiner Schwierigkeit
wegen wenig gesucht werden würde. Im übrigen ließ er Hoffmann den Rat geben,
den bereits genannten mächtigen Kritiker Rochlitz um seine Protektion zu bitten.
Nachdem Itzig in Berlin diese Bestellungen ausgerichtet hatte, schrieb Hoffmann
Ende Oktober an Kühnei, die Harfenpartie des Quintetts lasse sich sehr gut auch
auf dem Klavier ausführen; er möge es also betiteln: ‘Quintett für die Harfe oder
das Pianoforte' usw. Eine lange Liste anderer Kompositonen legte er ihm zur
Auswahl bei und außerdem ein Billett an Rochlitz mit der Bitte um Weitergabe.
Rochlitz sagte daraufhin Hoffmann die Besprechung seiner Arbeiten nach Er¬
scheinen zu, aber Kühnei blieb dem Verlage abgeneigt. Dagegen schlug er Hoff¬
mann vor, zu Neujahr als Korrektor, Buchhalter oder Kommis bei ihm einzutreten.
Inzwischen hatten sich für Hoffmann Aussichten eröffnet, im Herbst 1808 bei dem
Bamberger Theater als Musikdirektor angestellt zu werden. An sich wäre Hoffmann
691
weit lieber nach Leipzig als nach Bamberg gegangen; da Kühnei aber ein sehr
geringes Gehalt bot, zog er die Bamberger Stelle vor.
Im Mai 1808 erschien in Berlin ein Heft mit drei Canzonetten Hoffmanns; der
Komponist sandte es an Rochlitz und teilte diesem bei der Gelegenheit seine
Bamberger Absichten mit. Rochlitz gab schon Anfang Juni den Lesern der All¬
gemeinen Musikalischen Zeitung [im folgenden AMZ genannt] ausführlich davon
Kenntnis und ließ noch im gleichen Monat die Canzonetten wohlwollend anzeigen.
In Bamberg wurde der neue Musikdirektor Hoffmann alsbald von der Partei
seines Vorgängers gestürzt, und er war hinfort genötigt sich als Gesanglehrer in
wohlhabenden Häusern durchzuschlagen. Daneben setzte er die bereits in Berlin
begonnene Musikschriftstellerei fort und brachte Ende 1808 eine Novelle ins reine,
die durch eine Erzählung von Rochlitz (‘Der Besuch im Irrenhause’) angeregt war.
Es ist der ‘Ritter Gluck’. Im Januar 1809 sandte er das Manuskript an Rochlitz für
die AMZ und erbot sich zu regelmäßiger Mitarbeit an dem Blatte auch als Rezen¬
sent. Rochlitz brachte in der Tat den ‘Gluck’ und übersandte Hoffmann etwa ein
halbes Dutzend kleiner Kompositionen zum Rezensieren. Einige Monate später
machte er ihm Aussicht, neue Symphonien Beethovens zur Besprechung zu erhal¬
ten. - Auch des Komponisten Hoffmann nahm Rochlitz sich weiterhin an; er
berichtete im Dezember 1809 über den Erfolg von dessen Melodram ‘Dirna’.
Anfang 1810 schien sich Hoffmann eine Aussicht zu bieten, zu besseren Bedin¬
gungen, als 1808 vorhanden waren, eine Anstellung in Leipzig zu finden. Während
bisher Leipzig von Dessau aus mit Opernaufführungen versehen worden war, kün¬
digten damals die Brüder Joseph und Franz Seconda die Absicht an, abwechselnd
in Dresden und Leipzig zu spielen, und zwar sollte Joseph im Winter in Leipzig und
im Sommer in Linkes Bade in Dresden Opern geben, während Franz umgekehrt im
Winter in Dresden, im Sommer in Leipzig Schauspiele vorführte. Hoffmann bot
sich im März durch Rochlitz dem Joseph Seconda als Musikdirektor an; als aber
sein Brief eintraf, hatte der Unternehmer schon Friedrich Schneider engagiert.
Hoffmann schilderte dann im Sommer 1810 seine Lage als „musikalischer Schul¬
meister“ mit bitterer Ironie in dem berühmten Aufsatz ‘Des Kapellmeisters Johannes
Kreisler musikalische Leiden’, den Rochlitz im September veröffentlichte.
Schon im Frühjahr 1810 hatte Hoffmann seine Rezension von Beethovens
fünfter Symphonie (in c moll) an Rochlitz gesandt. Ihr folgte (um von den vielen
Bamberger Rezensionen nur die über Beethoven zu nennen) in den nächsten Jahren
die Besprechung der Coriolan-Ouvertüre und die der Trios Op. 70. — An freien
Arbeiten sandte Hoffmann für die AMZ u.a. noch die herrliche Novelle ‘Don Juan’.
— Auch in anderer Weise war er für Härtels Verlag tätig, z. B. durch die Über¬
setzung einer französischen Violinschule.
Anfang Februar 1813 hatte Hoffmann, der als Schriftsteller und insbesondere
auch als Erzähler noch völlig im Dienste der Tonkunst stand, die Rezension der
Trios und den ‘Don Juan’ an Rochlitz gesandt. In demselben Monat traten zwei
Ereignisse ein, die im Widerstreit miteinander die weitere Gestaltung von Hoff¬
manns Leben und Produktion bestimmt haben.
Ein Bamberger Buchhändler namens Kunz, der einen Verlag eröffnen wollte,
schlug Hoffmann vor, seine nicht rein fachmännischen Beiträge zur AMZ in Buch¬
form zusammenzustellen und durch neue Arbeiten zu vermehren, mithin in aller
692
Form als Schriftsteller aufzutreten. Hoffmann hatte sich zwar vorgenommen, das
schon vor Monaten von Fouque erhaltene Textbuch zur ‘Undine’ endlich in Musik
zu setzen; aber Kunz wußte ihn zu bewegen, diese Arbeit abermals zu vertagen und
zunächst eine Erzählung für die geplante Sammlung aufzusetzen, die erste nicht
rein musikalische Schrift, die Hoffmann seit 1803 zu Papier brachte. Ihre grellen
Szenen veranlaßten ihn, die ganze Sammlung als ‘Fantasiestücke in Callots Manier’
(also: Phantastische Gemälde in der Art des Callot) zu benennen. So wurde Hoff¬
mann, zum mindesten fürs erste, von der Musik abgezogen.
Aber es ist, als wenn die verratene Muse der Tonkunst noch einmal versucht
hätte, ihn an sich zu fesseln, indem sie seinen Wunsch von 1810 erfüllte. Der
Leipziger Magistrat ernannte im Februar 1813 Friedrich Schneider zum Organisten
an der Thomaskirche und veranlaßte ihn dadurch, sein Amt bei Seconda nieder¬
zulegen. Rochlitz, der Hoffmanns Bitte nicht vergessen hatte, empfahl nunmehr,
unterstützt von Härtel, seinen Mitarbeiter an Seconda. Dieser trug Hoffmann die
erledigte Stelle an; Hoffmann erhielt den gänzlich unerwarteten Brief am 27. Fe¬
bruar. Er erkundigte sich bei Rochlitz, ob Seconda zuverlässig sei; Rochlitz, der
inzwischen mit Seconda eine Wochengage von 14 Talern für Hoffmann vereinbart
hatte, antwortete diesem, Seconda sei beschränkt, doch vertrauenswürdig und seine
Truppe sei ausgezeichnet. Hoffmann erhielt diesen Brief am 13. März, und am 17.
war seine Anstellung als Musikdirektor perfekt.
Andrerseits schloß er am 18. März als Schriftsteller den formellen Verlags¬
vertrag mit Kunz.
In Dresden und Leipzig mußte es sich zeigen, ob das lange ersehnte Amt die
Kraft hatte, Hoffmann der Tonkunst zu erhalten.
Einstweilen wurde die Entscheidung vertagt: der Lärm der Waffen brachte die
Musen und ihren Streit in Hoffmanns Brust zum Schweigen.
Im Februar hatte Friedrich Wilhelm der Dritte sein Heer mobil gemacht und sich
mit Rußland verbündet; am 16. März brach er die Beziehungen zu Frankreich ab,
am folgenden Tage rief er das preußische Volk zum Kampfe auf. (Entworfen war
die wirkungsvolle Proklamation bekanntlich von Hoffmanns Jugendfreund Hippel,
der damals als Vortragender Rat beim Staatskanzler Hardenberg die Militärsachen
bearbeitete.)
Die Stadt Dresden, deren Festungswerke seit Jahren allmählich aber planmäßig
abgetragen waren, hatte der König von Sachsen schon Ende Februar verlassen.
Anfang März langte der französische General Reynier mit einem Teile seines Korps
dort an und begann, die Stadt in aller Eile neu zu befestigen. Am 13. rückte
Davout mit 12 000 Mann nach Dresden vor. Am 19. ließ er, da die Russen bereits
ganz in der Nähe herumschwärmten, einen Pfeiler und zwei Bogen der von August
dem Starken prächtig erneuerten Elbbrücke sprengen und zog dann ab. Am 22.
besetzten die Russen (besonders Kosaken, Kalmücken und Baschkiren) Dresden;
sie machten in zwölftägiger Arbeit die Brücke durch einen hölzernen Notbau wie¬
der passierbar. Am folgenden Tage dirigierte Friedrich Schneider zum letzten Mal im
Theater, und zwar Glucks ‘Iphigenia in Tauris’, um dann am 4. April sein neues
Amt als Organist anzutreten.
In Bamberg schrieb Hoffmann an demselben 23. März einen Brief an Härtel. Er
dankt ihm für die Empfehlung an Seconda und äußert sich in Anknüpfung an einen
693
Anfang Februar besprochenen Plan: „Um alles in der Welt wäre ich bey den jetzigen
KriegsVerhältnissen nicht nach der Vestung Würzburg gegangen, ... um so er¬
wünschter ist es mir ein Unterkommen in Leipzig und Dresden gefunden zu haben,
als es mir die Hoffnung giebt endlich für meine eigentliche Tendenz arbeiten und
auch als TheaterComponist bekannt werden zu können. — Zwar sieht es in diesen
Gegenden (Leipz: und Dresd:) nach den ZeitungsNachrichten sehr kriegerisch aus
allein nach meinen Ansichten kann dies nur sehr vorübergehend und bis zu meiner
Abreise von hier, die mir Hr. Seconda bis zum 10 l Aprill und zwar nach Dresden
bestirnt hat, alles entschieden seyn.“
In der Tat gingen die Ereignisse zunächst — wenigstens auf dem Papier — schnell
weiter. Am 25. März rief der russisch-preußische Oberbefehlshaber Fürst Kutusow
in Kalisch im Namen der beiden Monarchen die nicht preußischen Deutschen zum
Kampfe gegen Napoleon auf. Am 27. erklärte Preußen Frankreich formell den
Krieg. Am 29. stellte Friedrich Wilhelm mit Alexander in Breslau die Ziele des
Krieges fest: Frankreichs Kontrolle über Deutschland sollte aufhören; Preußen
sollte die Souveränität behalten und die Machtstellung zurückbekommen, die
Friedrich der Große ihm in vieljährigen Kämpfen gegen Kaiser und Reich errungen
hatte; die Souveränität der übrigen deutschen Fürsten sollte aber zu Gunsten von
Kaiser und Reich wieder beseitigt werden. Zu diesem Zweck sollten sich alle wehr¬
haften Deutschen außerhalb Preußens bei dem Major von Lützow, einem ehemali¬
gen Unterführer Schills, für das von Lützow aufgestellte Freikorps melden, das die
Aufgabe hatte, im Rücken des Feindes den Guerillakrieg zu führen und in Thü¬
ringen, Hessen und Westfalen Volksaufstände zu erregen. Die nichtpreußischen
Fürsten, die sich dieser Bewegung widersetzten, sollten abgesetzt werden.
An dem Tage, an dem in Breslau diese frommen Wünsche ausgetauscht wurden,
schrieb Hoffmann, wie sein Tagebuch uns zeigt, für alle Fälle noch einmal an
Seconda „wegen der ungewissen KriegsUmstände“. Offenbar hat Seconda ihm
daraufhin anheimgestellt, seine Abreise nach Dresden noch um zwei Wochen zu
verschieben. Dementsprechend kündigte Rochlitz, der Schneiders Ernennung zum
Organisten seinen Lesern schon am 3. März mitgeteilt hatte, Hoffmanns Anstellung
bei Seconda erst am 21. April an. Er schreibt, Seconda habe „Hrn. Hoffmann, sonst
Kapellmeister in Warschau, dann in Bamberg, zum Musikdirector seiner Gesell¬
schaft engagirt. Da wir diesen, in und ausser seiner Kunst so vorzüglich gebildeten,
geistreichen und achtungswürdigen Mann näher zu kennen das Vergnügen haben,
können wir nicht unterlassen, Hrn. Sec[onda] und seiner Gesellschaft zu dieser
Acquisition Glück zu wünschen.“
Am selben Tage, dem 21. April, waren Hoffmann und seine Frau morgens um 6
mit einem Bamberger Lohnfuhrwerk abgefahren. Die nächsten drei Wochen, die er
erlebte, sind so abwechslungsreich, daß ich es glaube verantworten zu können,
wenn ich sie Ihnen eingehend, meist Tag für Tag, darstelle.
Man fuhr den ganzen ersten Tag in Frieden durch das schöne Frankenland und
verbrachte die erste Nacht in Bayreuth. Hier bekam Hoffmann jedoch zu hören, es
sei gar nicht daran zu denken, daß er durchkommen werde. Als er aber bei seinem
Entschlüsse blieb, gab man ihm eine Empfehlung mit an den Offizier, der in
Mönchberg die bayerischen Vorposten kommandierte.
Donnerstag den 22. visierte dieser in der Tat nach einigen Bedenken den Paß,
und das Fuhrwerk kam unbehelligt durch alle Vorposten durch. Die zweite Nacht
verbrachte man in Hof.
Von hier ging es Freitag den 23. weiter. Eine Stunde vor Plauen stieß man auf
die erste Vedette der Verbündeten, einen preußischen Husaren, sodann auf die
zweite, einen preußischen Wachtmeister mit einem Pikett Husaren. Mit beiden
trank Hoffmann auf das Wohl seines angestammten Friedrich Wilhelm ein Glas
Schnaps und wurde durchgelassen. Ebenso wenig behelligte ihn das preußische
Kommando in Plauen selbst und dahinter im Walde ein russischer Offizier mit 25
Kosaken. Man verbrachte die dritte Nacht in Reichenbach. Dort war alles voll von
preußischen Husaren und Kosaken; um y 9 abends kamen Baschkiren und Kal¬
mücken; die ganze Nacht zogen Kosaken durch.
Sonnabend den 24. ging es, zunächst zwischen einzeln streifenden Baschkiren,
Kosaken und preußischen Husaren, dann zwischen größeren Truppenformationen
hindurch über Zwickau, Kallnberg, Lichtenstein und Lungwitz nach Chemnitz, wo
der Fuhrmann wohl hatte übernachten wollen. Da er aber die Stadt ganz voll von
Truppen aller Waffengattungen fand, so fuhr er bis zum Dorfe Wiesa weiter, wo
man mitten unter Kosaken und 40 Kanonen die Nacht zubringen mußte.
Sonntag den 25. fuhren Hoffmanns weiter über Oederan und Freiberg; der Weg
füllte sich immer dichter mit Munitionswagen und vorrückenden Truppen. Bei
Naundorf bog der Fuhrmann, statt in der Richtung nach Tharandt weiterzufahren,
links ab nach Herzogswalde; dort wäre das Gefährt beinahe noch zerschmettert
worden von einem herabrollenden Munitionswagen. Endlich kam man in Dresden
an.
Hier waren am selben Tage, Sonntag den 25. April, der Kaiser von Rußland und
der König von Preußen mit 20 000 Mann Gardetruppen unter großem Jubel der
Bevölkerung eingezogen. Die ganze Nacht hindurch erschollen Hurras und russische
Volkslieder; russische und preußische Offiziere umarmten sich auf den Straßen,
und aus allen Kneipen hörte man die Namen Alexander und Friedrich Wilhelm.
Hoffmann selbst aber war bei dieser Freudenfeier in äußerster Verlegenheit: die
Nachricht donnerte auf ihn nieder, daß Seconda noch in Leipzig sei und daß es sich
gar nicht absehn lasse, wann er nach Dresden komme. Und der erste Blick auf den
seit 13 Jahren ersehnten Elbstrom zeigte ihm die majestätische Brücke, eines der
Wahrzeichen der Stadt, von der Sprengung zerrissen. In sehr niedergedrückter
Stimmung bezog Hoffmann in dem Gasthof ‘Zur Stadt Naumburg’ in der Wils¬
druffer Gasse (zwischen Altmarkt und Postplatz) ein Zimmer im vierten Stock,
das er übrigens vierzehn Tage bewohnte.
Der Fuhrmann erhielt erst am Morgen des folgenden Tages, Montag den 26., den
Paß zur Rückfahrt; Hoffmann gab ihm einen Brief an Kunz mit, dem ich die
bisherige Schilderung zum größeren Teil entnommen habe.
Vorher schon, in aller Frühe des 26., hatte Hoffmann seinen alten Warschauer
Freund Morgenroth aufgesucht, mit dem er stets in brieflichem Verkehr geblieben
war und der seit 1810 als Erster Geiger in der Königlichen Kapelle zu Dresden
wirkte. Morgenroth versprach ihm die Nummer der AMZ von 1809 mit dem Ab¬
druck des ‘Ritters Gluck’, die Hoffmann als Vorlage für den Neudruck in den
‘Fantasiestücken’ brauchte.
Gegen Mittag hörte er ein herrliches Requiem von Hasse und ging dann in Linkes
Bad am nördlichen Elbufer. Dort traf er zufällig den Jugendfreund Hippel, dem er
1800 die Herrlichkeiten Dresdens gezeigt und von dem er seit 1808 nichts mehr
695
gehört hatte. Er verlebte mit Hippel und einem gleichfalls aus Ostpreußen stam¬
menden Kollegen desselben einige Stunden im höchst glücklicher Stimmung.
Abends schrieb er zwei Briefe nach Leipzig. Er bat Seconda um teilweisen Ersatz
des Reisegeldes und einen Gagenvorschuß; Härteln bat er, diesen Brief zu besorgen
und ihm seinerseits einen Vorschuß auf die ihm aufgetragenen Rezensionen zu
senden.
Dienstag den 27. schweifte Hoffmann in begreiflicher Unruhe ohne bestimmte
Beschäftigung auf den Straßen und Alleen umher und suchte in der ländlichen
Gegend von Linkes Bad vergeblich ein billiges Zimmer. Gegen Abend traf er sich
dort wieder mit Hippel, der diesmal einen anderen, Hoffmann von Warschau her
bekannten Kollegen, einen Vetter Itzigs, bei sich hatte. Die drei aßen im ‘Engel’
zusammen zu Abend.
Mittwoch den 28. besuchte Morgenroth Hoffmann, brachte ihm die verspro¬
chene alte Nummer der AMZ und sprach ihm Mut ein. Nach dem Essen an der
Table d’höte sah Hoffmann fünf preußische Kürassierregimenter und die beiden
verbündeten Monarchen.
Donnerstag den 29. fing er trotz seiner Sorgen an, den ‘Ritter Gluck’ für die
‘Fantasiestücke’ abzuschreiben. Hippein verfehlte er diesmal.
Als Hoffmann Freitag den 30. in niedergedrückter Stimmung beim Abendessen
saß, kam eine Sendung von Härtel. Sie enthielt einen Wechsel auf einen höheren
Betrag als er erbeten hatte, nämlich auf 70 Taler, und einen Brief von Joseph
Seconda. Hoffmann wurde darin gebeten, den Schauspieldirektor Franz Seconda
zu fragen, ob er länger als 14 Tage in Dresden zu bleiben gedenke. In diesem Falle
möge Hoffmann sofort nach Leipzig kommen.
Sonnabend den 1. Mai ließ Hoffmann sich den Betrag des Wechsels auszahlen.
Dann begab er sich erst zu Morgenroth, dem er wohl Auslagen zu erstatten hatte,
darauf zu Franz Seconda. Der Schauspieldirektor erklärte ihm, daß er, wenn die
verbündeten Monarchen in Dresden blieben, vielleicht sogar den ganzen Sommer
dort spielen werde; jedenfalls solle Hoffmann nach Leipzig fahren. Hoffmann
scheint aber sowohl im Bureau des russischen Stadtkommandanten wie in dem
Hardenbergs vor der Reise gewarnt worden zu sein, da man in den nächsten Tagen
starke Truppenverschiebungen erwartete; jedenfalls blieb er. Nachmittags hörte er
eine herrliche Messe des vor -§• Jahren verstorbenen Dresdener Komponisten
Joseph Schuster, abends genoß er eine prächtige Aufführung von Cimarosas ‘Heim¬
licher Ehe ’ in der italienischen Hofoper: so entschädigte er sich für die Sorgen der
vergangenen Woche.
Sonntag den 2. Mai hörte Hoffmann vormittags in sehr poetischer Stimmung
eine Messe des 1801 in Dresden verstorbenen Johann Gottlieb Naumann. Den
Abend verbrachte er in angenehmer Gesellschaft in Linkes Bad. Er lernte hier
durch Morgenroth u. a. den Advokaten Conradi kennen, der ihn zu einem Glase
Punsch in seine Wohnung mitnahm und in der Folge einer seiner intimsten Bekann¬
ten wurde.
So verliefen die ersten acht Tage, die Hoffmann in der von ihm so geliebten
Stadt verbrachte, wenigstens in äußerer Ruhe. Doch sollte das bald ein Ende
haben.
696
Zur Enttäuschung des Königs von Preußen waren die übrigen deutschen Fürsten
seiner Aufforderung, ihre junge Souveränität freudig auf dem Altar des gemein¬
samen Vaterlandes zu opfern, nicht nachgekommen, sondern teils auf Napoleons
Seite, teils neutral geblieben. Und von ihren Untertanen, die zum größten Teil mit
ihren angestammten Fürsten und deren Politik zufrieden waren, meldeten sich bei
dem Major von Lützow bis Ende März 1160, bis Ende Mai alles in allem 3280
Mann, mit denen sich allerdings der erträumte Guerillakrieg nicht führen ließ.
Die Russen und Preußen, allein gelassen und in ihren Rüstungen stark behindert,
zogen im März langsam durch Sachsen nach Thüringen. Ende April stießen sie,
90 000 Mann stark, unter Kutusows Nachfolger Wittgenstein im östlichen Thü¬
ringen auf Napoleon. Wittgenstein griff in Überschätzung seiner Fähigkeiten am 2.
Mai bei Großgörschen in der Ebene von Lützen Napoleon an. Er wurde geschlagen,
gab Sachsen ohne weiteren Kampf preis und zog sich über die Spree nach Bautzen
zurück.
Hoffmann schildert in seinem Tagebuch und in Briefen, wie vom 3. bis 7. Mai
Tag und Nacht ungeheure russische Bagage über die Elbe zog. Am 5. riet Hippel
dem Freunde, in jedem Falle die Fahrt noch einige Tage aufzuschieben. Am 7.
trägt Hoffmann ins Tagebuch ein: „Der StaatsKanzler v. Hardenberg ist fort —
Hippein habe ich nicht mehr gesehen — Der StadtCommendant ist ebenfalls fort -
Die entsetzlichste Unruhe und Besorgniß - wann werde ich denn nach Leipzig
kommen“. Aber dann fährt Hoffmann der Künstler fort: „Probe von Cortez an¬
gehört und mich sehr erbaut “.
„Den 8*“, schreibt er am 10. an Kunz, „rückte von früh 3 Uhr Artillerie durch —
um 10 Uhr ritt der König von Pfreußen] durch die Stadt, um 11 Uhr brante die
Elbbrücke (der von Holz aufgerichtete Theil zur Comm[unikation] da wo die bey-
den Bogen eingesprengt sind) und beyde Schiffbrücken deren Kähne brennend die
Elbe herabschwammen, der KanonenDonner erschütterte die Fenstern der Haüser
an der Elbe — um 11 ^ Uhr ritt ein französischer] Trompeterund ein französischer]
Uhlann durch die Straßen, Cavallerie - Infanterie folgte und um 5 Uhr traf
unter dem Gelaüte aller Glocken und von verschiedenen Deputationen empfangen
Se. Maj: der Kaiser Napoleon mit zahlreichem Gefolge ein. Die Russen blieben in
der Neustadt, und nun ging ein Tiraillieren mit Büchsen hinüber und herüber an
welches bis in die späte Nacht . . . dauerte.“ Hoffmann schildert dann sehr anschau¬
lich Einzelheiten, die er von dem Wall neben dem Theater beobachtet hatte.
Aber im Tagebuch schließt er den Eintrag über diesen 8.: „Abends spät Morgen-
roth bey mir - gemüthliche Stimmung trotz des Miseres“.
Am folgenden Sonntag, dem 9. Mai, ging die Schießerei zwischen den Russen in
der Neustadt und den Franzosen in der Altstadt weiter: „Den 9 t “, schreibt Hoff¬
mann an Kunz, „hatten sich französische Jäger auf die Gallerie und auf den Thurm
der katholischen Kirche postirt und schossen munter herüber - jezt flogen Kar-
tätschenKugeln (die Russen hatten Geschütz aufgepflanzt) bis in den Neumarkt,
und um 1 \ Uhr plazte mitten auf dem Altmarkt eine hereingeworfene Granate.
- Mit dieser Gefahr unbekant ging ich noch V[or]M[ittags] um 10 Uhr an das
Brühlsche Palais und fand in der Nähe des Schloßthors mehrere Menschen, wurde
aber in dem Augenblik von einer Kugel, die von der Mauer abschlug, am Schien¬
bein, jedoch so matt getroffen, daß eigentlich nur meine neue StiefelKlappe ver¬
wundet wurde ich aber nur einen blauen Fleck davontrug — Die wie ein Geldstück
platt gedrückte Kugel hebe ich zum Andenken auf und mit diesem Andenken
697
gänzlich zufrieden uneigennützig nicht nach mehr verlangend entfernte ich mich
ziemlich schnell, und gab auch die Idee auf den Wall zu besuchen, indem eben in
den noch übrigen Schießscharten franz[ösisches] Geschütz aufgefahren wurde. -
An kein Amt an keine Vesper war zu denken denn die Kugeln zersplitterten die
Fenstern der Kirche und schlugen in die Thüre ein, so daß schon in aller Frühe ein
alter Mann auf der KirchenTreppe erschossen wurde — an das SchloßThor fuhren
zischend unaufhörlich Kugeln — kurz in der ganzen Gegend konte man den Tod
der Neugierde sterben.“
Als es gegen Abend ruhiger wurde, verschaffte Freund Morgenroth Hoffmann
ein früher von ihm selbst bewohntes möbliertes Zimmer in der Nähe des Gasthofes,
am Altmarkt Nr. 33 bei Mad. Vetter, abermals 4 Treppen hoch: ein „kleines
KünstlerLogis“, wie das Tagebuch es nennt, oder wie es in dem Brief an Kunz in
leichter Übertreibung heißt, „ein höchst romantisches Stübchen ganz in der Nähe
des Uranus“. Dann begab sich Hoffmann mit dem Freunde in Tilkes Garten; er
verzeichnet im Tagebuch „ziemlich heitre Stimmung der Unruhe unerachtet“.
In der Nacht zu Montag dem 10. verließen die Russen auch die Neustadt. Der
geschickte Ingenieur Napoleon ließ nach eigener Zeichnung die Elbbrücke in 1-j-
Tagen für Truppen und Geschütze wieder passierbar machen.
Dienstag den 11. bat Hoffmann Seconda um 20 Taler für den Fall, daß er
wirklich noch nach Leipzig kommen solle; zugleich sandte er Kunz die Abschrift
des ‘Ritters Gluck’. Über die wiederhergestellte Elbbrücke zogen 30—40 000 Mann
Napoleonischer Truppen, insbesondere Franzosen, Württemberger, Italiener, Polen,
in die Stadt ein, in der sich bei dieser Überfüllung natürlich starker Mangel an
Fleisch und Brot zeigte. Trotzdem bucht der unverwüstliche Hoffmann: „mit der
Frau Abends im Tilkeschen Garten, gemüthliche Stimmung unerachtet schwerer
Sorgen“.
Unter Mittwoch dem 12. findet sich im Tagebuch die erste Andeutung einer
Arbeit für die AMZ. Es heißt dort: „Früh an der Rezension der Braunschen und
[der] Wilmsschen Sinfonie gearbeitet — dan in den Brühlschen Garten -
N[ach]M[ittags] den Kaiser, den Vizekönig u.s.w. auf der Brücke gesehen wie er
Cavallerie und Artillerie vorbeydefiliren ließ . . . Der König von Sachsen kam auch
mit dem Gelaüt der Glocken und unter Kanonendonner an — Man sagt er bleibt
hier und so werde ich am Ende doch nicht nach Leipzig dürfen [ = brauchen] . . .
Abends Morgenroth bey mir.“
Donnerstag den 13. verzeichnet Hoffmann für die Allgemeinheit: „von allen
Seiten Jammergeschrey und Elend — Mangel an Brod“. Für sich bucht er: „Zum
erstenmahl wieder fleißig an der Rez[ension] der Wilm[s]schen Sinfonie gearbeitet
und dieselbe glücklich beendigt — Abends in der Dreyßigschen SingeAkademie
gewesen und ein wunderschönes Miserere von Naumann gehört, welches aber nicht
sonderlich executirt wurde — Nachher in gemüthlicher Stimmung“.
So ging Hoffmanns Leben bis zum Dienstag dem 18. weiter. Er sandte am 14.
die Doppelrezension an Härtel ab; verfaßte am 15. und 17. die weit wichtigere, von
jeder Schönfärberei freie Besprechung von Beethovens Messe in C dur, der er eine
ausgezeichnete allgemeine Betrachtung über alte, neue und neueste Kirchenmusik
voranschickte, und sandte am 18. auch diese Arbeit nach Leipzig ab.
698
Unter diesem 18. Mai heißt es in Hoffmanns Tagebuch:,,N[ach]M[ittags] ist der
Kaiser fort mit den Garden.“In der Tat griff Napoleon, wie ich gleich vorwegnehmen
möchte, am 20. die Verbündeten bei Bautzen an und zwang sie am 21., ihren
Rückzug fortzusetzen; nur Ungeschicklichkeiten und Mißverständnisse des Mar¬
schalls Ney retteten sie vor völliger Vernichtung. Die Russen wollten gleich bis
nach Polen zurückgehn, man einigte sich dann auf Mittelschlesien. Napoleon be¬
setzte Breslau, wo man ihn vor vier Wochen auf dem Papier vernichtet hatte, und
schnitt die Verbündeten so von Berlin ab.
Unterdessen hatte Hoffmann Dresden verlassen. Nachdem er seinen beiden alten
Verpflichtungen für die AMZ nachgekommen war, hätte er sich nun endlich der
‘Undine’ zuwenden können. Aber statt des Komponisten meldete sich, wie Mitte
Februar, wieder der Dichter in Hoffmann: Mittwoch den 19. begann er mit großem
Glück eine zweite lange Erzählung für Kunz, die er später den ‘Magnetiseur’ nann¬
te. Er behandelt darin die dunklen Gebiete des Schlafes, des Traumes und der
Hypnose, u.z. der Hypnose in der Hand eines Verbrechers.
Am Morgen des folgenden Tages, Donnerstag den 20. Mai, fuhren Hoffmann
und Frau in der gemütlichsten Stimmung mit der Postkutsche ab. Über die Reise
schreibt er ein halbes Jahr später nach Berlin: „Auf der ersten Station nur zwey-
hundert Schritte vor Meißen, als Postillion und Schirrmeister abgestiegen waren
und hinter dem Wagen hergingen, wurde ein wildes junges Pferd das vorne ange¬
spannt scheu, lenkte nach dem Graben und riß den mit Geldtonnen, Kaufmanns-
Gütern und 12 Passagieren schwer beladenen Wagen herum, daß er mit der größten
Gewalt umstürzte. Ich wurde über meine Frau weggeschleudert und mit einer
leichten Quetschung davongekommen hatte ich Besinnung und Kraft meine Frau
aus den Kisten und Kasten herauszureißen - aber welch ein Anblick! sie war leblos
und das Blut strömte aus dem Kopfe, so daß man nichts vom Gesicht sah — ich
trug sie fort auf einen Rasen und hatte noch Geistesgegenwart genug ein Fläsch¬
chen Eau de Cologne, das glücklicher Weise sich in dem Körbchen das ihr noch am
Arme hing ganz befand, in mein Tuch zu gießen und das Gesicht zu reinigen — der
Kopf ist zerschmettert, mußt ich denken, aber zu meiner Freude sah ich gleich,
daß es nur eine wiewohl aüßerst bedeutende Stirnwunde von 2 bis 2 y Zoll Länge
war, meine arme Frau erholte sich aus der Ohnmacht, und ich konte sie bis zu
einem ganz nahe vor der Stadt gelegenen Hause bringen, wo wir aüßerst gutmüthige
Leute fanden, die uns mit etwas Wein erquickten; endlich kam die bestellte Porte-
Chaise aus Meißen und meine Frau wurde unter dem Zulauf des Volks in den
Gasthof gebracht, wo ein recht geschickter Chirurgus gleich den ersten Verband
unternahm. Mit uns in der Diligence saß der AppellatfionsgerichtslRath Graf
Fritsche aus Dr[esden] mit seiner jungen liebenswürdigen Frau (höchstens 23 Jahr),
die er erst vor wenigen Monaten geheyrathet; sie wollten nur bis Meißen und
dann auf ihr Gut Siebeneichen fahren — diese wurde todt auf die erbärmlichste
Weise zugerichtet unter dem Wagen hervorgezogen.“
Hoffmanns Tagebuch bestätigt diese Angaben; der hilfreiche Meißener war der
Senator Goldberg, der Gasthof war der ‘Zur Sonne’.
Freitag den 21. blieb das Ehepaar in Meißen, da die Frau noch fieberte. Hoff¬
mann selbst hatte Schmerzen am ganzen Körper; doch war sein Geist so erfüllt von
der am Mittwoch begonnenen Erzählung, daß er sie trotzdem mit Glück fortsetzte.
699
Sonnabend den 22. fuhr man von 11 bis 5 mit Extrapost nach Wermsdorf,
Sonntag den 23. von 7 bis y 3 nach Leipzig , das gleichfalls seit der Niederlage
der Verbündeten bei Großgörschen am 2. Mai von den Franzosen besetzt war.
Das Ehepaar kehrte für eine Nacht im ‘Hotel de France’ ein, obwohl ihnen dort
„ein schreckliches Loch zum Hofe heraus“ angewiesen wurde. Dann stellte sich
Hoffmann (noch am Nachmittag) seinem Brotgeber Seconda vor, der ihn sehr artig
empfing. Seit dem 21. April, an dem Hoffmann die Fahrt zu Seconda angetreten
und Rochlitz seine Anstellung bei diesem verkündet hatte, waren 33 Tage ver¬
strichen.
Am Abend hörte Hoffmann von Secondas Truppe Glucks ‘Iphigenia in Tauris’
mit Madame Kramer in der Titelrolle und Julius Miller als Orest. Nach der Vorstel¬
lung machte er bei einem Glase Wein Bekanntschaft mit dem Tenoristen. Miller
war 1782 in Dresden geboren, also 6 Jahre jünger als Hoffmann, hatte Violinspiel
erlernt, aber als Autodidakt sich im Gesänge ausgebildet und war 1799 zum ersten-
male in Amsterdam als Tamino aufgetreten. Mit der Dessauer Truppe war er um
1809 nach Leipzig gekommen und dort 1810 von Joseph Seconda alsprimo uomo
der neuen Truppe engagiert worden. Gleich ausgezeichnet in Spiel und Gesang,
hatte er sich auch wiederholt erfolgreich als Singspielkomponist versucht.
Montag den 24. hielt Hoffmann bereits eine Probe am Flügel ab, und zwar mit
Glück. Härtel empfing ihn sehr freundschaftlich, Rochlitz sehr höflich; Seconda
zahlte ihm 14 Taler Gage aus, und Hoffmann bezog ein freundliches Logis im
‘Goldenen Herzen’ in der Fleischergasse.
Auch die Orchesterprobe am Morgen des 25. fiel sehr gut aus.
Zusammenfassend schreibt Hoffmann später an einen Bamberger Freund: „Eine
größere Antipolarität in wissenschaftlicher und künstlerischer Hinsicht als Bamberg
und Leipzig kann es wohl in der Welt nicht geben. Ja ich möchte sagen: ist es in
Bamberg des Guten zu wenig, so ist es in Leipzig beynahe des Guten zu viel. Aber
so viel ist doch gewiß, daß man sich wie ein Fisch im Wasser, im rechten Elemente,
froh und frey bewegen kann. Mein Empfang war überall über alle Maßen herzlich
und gemüthlich; Rochlitz und Haertel begrüßten mich wie den alten Freund, und
die Herrn des Orchesters behandelten mich mit einer Artigkeit, ja mit einer Art von
Submission, die mich in gewisser Art verlegen machte. Ich sah’ wohl ein, daß das
kleine Saamenkorn, was ich gestreuet, (ich meine die Musik[alische] Zeit(ungj) hier
aufgeschossen und geblüht habe.“ Von den Violinisten nennt er ebenda „die ge-
feyerten Namen: Campagnoli, Matthaei, Lange pp“. Von den Sängerinnen schreibt
er: „Unsere prima donna Mad. Krahmer hält das Mittel zwischen der Koehl und der
Heunisch. Die zweyte Sängerin singt, mit einer dünnen Stimme und ohne alles
Gefühl wie ein Haubenstock, alles — das schwierigste prima vista vom Blatt, spielt
aus der Partitur u.s.w. und ist, von 16 Jahren und bey ziemlich hübscher Bildung,
mir doch höchst odios — die übrigen helfen aus.“ Von den Sängern urteilt Hoffmann:
„Mit zwey ganz besonders guten, ja vortrefflichen Tenoristen, so wie mit einem
ganz herrlichen Bassisten hat uns der Heiland gesegnet, und unter den übrigen gibt
es nur zwey, die nur schwach musikalisch sind; sonst wird gut und fertig vom Blatt
gesungen, und Sie können daher denken, daß mein Amt eben nicht schwer ist.“
Unter den Opern, die Hoffmann in den jetzt folgenden vier Wochen in Leipzig
einstudierte und dirigierte, befinden sich Dalayracs ‘Schwarzes Schloß’ (Leon ou le
700
Chateau de Montenero), Wenzel Müllers ‘Alter Überall und Nirgends’, Paers ‘Sar-
gino’, Isouards ‘Aschenbrödel’ (Cendrillon), Mozarts ‘Figaro’ und Wranitzkys
‘Oberon’.
Die großen Anforderungen des neuen Amtes ließen Hoffmann in diesen ersten
Wochen nur selten zu zusammenhängender literarischer Arbeit kommen. Für Kunz
setzte er bis zum 10. Juni den ‘Magnetiseur’ fort, um die Erzählung dann Fürs erste
liegen zu lassen. Für Härtel schrieb er nur die allerdings vortreffliche und ausführ¬
liche Rezension von Beethovens Musik zu Goethes ‘Egmont’.
Was seinen Umgang in dieser Zeit betrifft, so war Hoffmann mindestens sechs¬
mal (zum Teil mit seiner Frau) bei Rochlitz ; er schreibt nach Bamberg, daß dieser
die Witwe des Bankiers Winkler mit 150 000 Talern Vermögen geheiratet habe, ein
ganz herrliches Landhaus in Connewitz besitze und auch in der Stadt fürstlich
eingerichtet sei. Er mache ein gar angenehmes gemütliches Haus, und Hoffmann
habe sich bei ihm sehr wohlgefühlt. Im Tagebuch erscheint Rochlitz als etwas steif
im Umgang, aber sonst angenehm.
Im übrigen verkehrte Hoffmann nachmittags und abends gern in Wirtsgärten: er
hielt sich wiederholt in Gohlis auf, weit häufiger aber noch in der ‘Grünen Linde’
und in Böses Garten. Er war dort bald mit seiner Frau zusammen, bald mit Mit¬
gliedern von Secondas Truppe, namentlich dem Sängerpaar Miller-Kramer, einmal
auch mit der Familie des Kupferstechers Christian Schule und am 17. Juni mit dem
Aktuar Friedrich Wagner, einem „exotischen Menschen“, wie er schreibt, der Opitz,
Iffland und andere kopiere, und zwar mit Geist. Einen Tag vor Hoffmanns An¬
kunft hatte bekanntlich die Frau dieses Aktuars als ihr neuntes Kind den späteren
Komponisten Richard Wagner geboren.
Nach dem Theater ging Hoffmann gern in das nahe gelegene Reichardtsche
Kaffeehaus, wo Künstler und Literaten verkehrten, auch in Treibers Keller am
Markt, der zu meiner Studentenzeit und hoffentlich auch jetzt noch als Aecker-
leins Keller beliebt ist. Hoffmann schreibt darüber später nach Bamberg mit der
leichten Renommage, die ihn so gut kleidet: „Das Leben in Leipzig ist sehr ange¬
nehm und gar nicht so theuer wie man es ausgeschrien. Man würde noch wohlfeiler
leben, wenn nicht eine ganz fatale Einrichtung stattfände, die manchen Gulden
kostet. Auf dem Markte und in der Petersstraße giebt es nehmlich sogenannte
italiänische Keller : Marinoni, Treiber, Rossi u.a.m. Geht man nun vorüber, so ist
die Straße vor der Thüre so abschüssig, daß man ganz unversehens die Treppe
hinunterstolpert; ist man unten, so befindet man sich zwar in einem sehr artig
meublirten Zimmer, aber die verdammte Kellerluft - gegen diese muß man ein
Glas Bischof oder Burgunder trinken, und einen SardellenSallat mit Muscheln,
CervelatWurst, Oliven, Kapern, Luccheseröhl u.s.w. essen — ja diese Einrichtung
kostet manchen Gulden! “
*
Übrigens war Hoffmann noch nicht zwei Wochen in Leipzig, als Secondas Unter¬
nehmen in große Schwierigkeiten geriet. Der seit dem März in Dresden herrschende
Kriegszustand wirkte schließlich doch auch auf den Besuch des Theaters. Am 4.
Juni hieß es, die Gagen würden herabgesetzt werden; am 5., dem Sonnabend vor
Pfingsten, erklärte Seconda seinen Leuten, am Pfingstmontag werden er zum letz¬
ten Male spielen lassen: dann möge jeder sehen, wo er bleibe. Kein Zureden half,
obgleich die Mitglieder der Truppe überzeugt waren, daß kein Grund zum Verzagen
vorliege.
701
Der Vormittag des Pfingstmontags schien allerdings die Besorgnisse des Theater-
untemehmers in vollem Umfange zu rechtfertigen. Unmittelbar vor den Toren
Leipzigs fand ein Gefecht zwischen Franzosen und Russen statt. Hoffmann notiert
ins Tagebuch in dem dort erforderlichen Telegrammstil: „Um 11 Uhr ganz unver-
muthet die Russen vor die Stadt gekommen, stark geschossen - einige Angst
ausgestanden“. Nach Bamberg schreibt er, er habe an diesem Tage im Vertrauen auf
seine Schnellfüßigkeit zum ersten Male in seinem Leben ein nicht unbedeutendes
blutiges Gefecht aus geringer Entfernung angesehen.
Am nächsten Tage aber wurde bekannt, daß die Verbündeten und Napoleon am
5. Juni einen Waffenstillstand vereinbart hätten.
In denselben Tagen erwirkte der Schauspieldirektor Franz Seconda seinem Bru¬
der Joseph die Erlaubnis, in Dresden statt in Linkes Bad auf dem Hoftheater zu
spielen und dessen Dekorationen, Requisiten und Garderobe zu benutzen. Joseph
Seconda erfuhr das am 11. Juni und beschloß, in spätestens 14 Tagen nach Dres¬
den überzusiedeln.
Vorher sollte man in Leipzig noch zweimal empfindlich daran erinnert werden,
daß das Feuer des Krieges nur überdeckt, nicht gelöscht war.
Am 17. Juni schreibt Hoffmann ins Tagebuch: „Morgens sind die Würtemberger
und Franzosen mit Artillerie ausmarschirt, wie es heißt um die Russen und
Preußen, die einen freyen Durchzug haben zu transportiren — allerley seltsame
Gerüchte verbreiten sich“. In der Tat hatten die Truppen, die von den Generälen
Fournier und Graf Normann-Ehrenfels befehligt wurden, einen weniger harmlosen
Auftrag. Der Major von Lützow hatte mit den 480 Berittenen seines Freikorps auf
eigene Faust einen Streifzug nach Franken unternommen; die Bestimmungen des
Waffenstillstandes vom 5. waren ihm nicht näher bekannt geworden. Als die Reiter
von ihrem romantischen Ritt sorglos zurückkehrten, wurden sie am 17. Juni von den
Truppen, deren Ausmarsch Hoffmann am Vormittag beobachtet hatte, bei Kitzen in
der Nähe von Leipzig überfallen und nahezu aufgerieben. Hoffmann schreibt am
folgenden Tage ins Tagebuch: ,,V[or]M[ittags]. Auf die widerrechtlichste Weise
gefangene pr[eu]ß[ische] Offiziere] vom Lützauschen Freykorps gesehen, zum
Theil schwer verwundet, und dadurch auf die unangenehmste Weise affiziert
worden“. Am Schluß dieses Tageseintrags heißt es: „Es ist jezt bestirnt, daß
Seconda nach Dresden geht.“
Am 21. wurde sodann der Belagerungszustand über Leipzig verhängt.
Am 23. Juni traf Hoffmann Anstalten zur Abreise nach Dresden.
Am 24. mußte er mit seiner Frau, deren Kopfwunde noch nicht zugeheilt war,
auf einem elenden Leiterwagen abreisen. Man übernachtete in Oschatz und kam am
folgenden Tage in Dresden an.
Damit waren die neun Wochen verstrichen, über die ich Ihnen ausführlich berich¬
ten wollte. Die 15 Monate, die Hoffmann noch in Dresden und Leipzig verlebte,
kann ich nur in schnellem Überblick streifen, und von den guten Beziehungen, die
er in der Folge von Berlin aus mit Leipzig unterhielt, sollen nur die in den ersten
beiden Jahren erwähnt werden.
702
Von jenen 15 Monaten verbrachte Hoffmann ein gutes Drittel, nämlich 5 \
Monate, in Dresden', er machte also die Gefahren und Ängste, Hoffnungen und
Freuden mit, die in dieser ereignisreichen Zeit den Dresdenern beschieden waren.
Die ersten 6—7 Wochen fallen noch in die ruhige Zeit des Waffenstillstandes, der
erst am 10. August zu Ende ging. Die Verbündeten hatten im Mai erfahren müssen,
daß ihrer zwei Napoleon nicht gewachsen waren und daß aus der allgemeinen
Volkserhebung über die Köpfe der Fürsten hinweg nichts wurde. Sie mußten, auf
die Gefahr einer wesentlichen Programmänderung hin, weitere Mächte hinzuziehn.
Nach vielem Hin-und-Her war das geglückt: Schweden trat unter der tatsächlichen
Leitung von Napoleons altem Rivalen Bernadotte der Koalition bei, und auch
Österreich erklärte nach langem Schwanken am 12. August Napoleon den Krieg.
Fortan nahm Clemens Metternich die politische Führung Mitteleuropas in seine
starke Hand, in der sie bekanntlich bis 1848 gelegen hat — also 35 Jahre lang,
während Napoleons Herrschaft über West- und Süddeutschland nur 7 Jahre ge¬
dauert hatte.
Die Koalition stellte drei Armeen auf: die Hauptarmee unter Schwarzenberg in
Böhmen, die schlesische Armee unter Blücher, die Nordarmee unter Bernadotte.
Napoleon verließ am 15. August Dresden und wandte sich zunächst gegen die
schlesische Armee, aber Blücher wich ihm am 21. aus.
Unterdes rückte die Hauptarmee von Böhmen gegen das nur mit 30 000 Mann
besetzte Dresden vor, unterließ aber unbegreiflicherweise am 25. den Angriff.
Am 26. früh kam Napoleon aus Schlesien zurück, warf größere Truppenmassen
in die Stadt und übernahm die Leitung der Verteidigung. Als die Verbündeten sich
um 4 Uhr nachmittags endlich zum Angriff entschlossen, war es zu spät; sie wur¬
den zurückgeschlagen.
Am 27. griff Napoleon seinerseits an, nahm vom linken Flügel der Verbündeten
eine Division gefangen und warf ihren rechten Flügel auf die Höhen zurück.
In der Nacht zogen dann die Verbündeten sich über das Gebirge nach Böhmen
zurück, nachdem 15 000 gefallen oder verwundet und 20 000 gefangen waren.
Diese Vorgänge spiegeln sich in lebhaften Farben und mit zahlreichen Details in
Hoffmanns Tagebüchern und in deren erweiterter Bearbeitung für die Bamberger
Freunde wider.
Im September einigten sich die Verbündeten auf Gneisenaus Plan, Napoleon bei
Leipzig einzukreisen. Die schlesische Armee unter Blücher und die Nordarmee
unter Bernadotte überschritten die Elbe. Am 7. Oktober verließen, wie Hoffmann
bemerkt, Napoleon und der König Dresden; in der Stadt und der Umgegend blie¬
ben wieder nur 30 000 Mann. Am folgenden Tage bot Metternich dem Könige von
Bayern Erhaltung seines Staatsgebietes und seiner Souveränität an, und der König,
der nunmehr keinen Grund mehr hatte, Napoleon vorzuziehn, trat daraufhin zu
den Verbündeten über. Vom 10. bis 14. Oktober erwartete Napoleon vergeblich die
schlesische Armee bei Düben, um sie über die Elbe zurückzu werfen; Blücher wich
ihm wie im August aus. Unterdes rückte auch die Hauptarmee unter Schwarzen¬
berg aus Süden heran. Die drei Armeen schlossen den Ring um Leipzig und schlu¬
gen hier Napoleon, wie Sie besser als ich wissen, in den Tagen vom 16. bis 19.
Oktober. Am 1. November zog sich der Kaiser über den Rhein zurück.
703
Nach der Schlacht bei Leipzig wurde Dresden mit seinen 30 000 Franzosen von
dem österreichischen General Klenau blockiert. Die Befestigung der Stadt wurde
verstärkt, die Tore blieben von abends um 7 bis morgens um 9 geschlossen. Der
Mangel an Lebensmitteln nahm zu; das Feuerungsmaterial wurde immer teurer;
Hunger und Kälte erzeugten Epidemien. Am 5. und 6. November versuchte die
Besatzung vergeblich einen Ausfall und kapitulierte einige Tage darauf. Die Stadt
erhielt einen russischen Generalgouverneur, unter dem die königlich sächsischen
Behörden als solche ungestört weiter arbeiteten.
Soweit die allgemeinen Ereignisse, deren Gewalt auch der Individualist Hoff-
mann sich auf die Dauer nicht völlig entziehen konnte. Zunächst ist aber kurz von
seiner Amtsführung am Theater zu berichten. Im Hoftheater spielte zweimal in der
Woche die italienische Oper, deren Vorstellungen Hoffmann gern besuchte; an den
anderen Abenden Secondas deutsche Opemtruppe. Das Orchester fand Hoffmann
nicht so gut wie in Leipzig, aber stolz war er doch, als er am 2. Juli im Königlichen
Hoftheater Paers 'Sargino’ „an demselben Platz, auf demselben rothbeschlagenen
Lehnstuhl, vor demselben Pianoforte“ dirigierte, wie der Komponist 1803 beider
Uraufführung. Das Theater ging an guten und bösen Tagen wie ein Uhrwerk un¬
bekümmert weiter; selbst in der Zeit der Schlacht bei Dresden war der Betrieb nur
auf wenige Tage unterbrochen.
Trotz der doppelten Behinderung durch die allgemeine Not und Sorge sowie
durch die! intensive Theaterarbeit war Hoffmann in diesen 5 \ Monaten als
Schriftsteller für Härtel und Kunz mit einigen wichtigen Werken und außerdem
noch als Komponist tätig, während die Kleinarbeit des Rezensierens wegfiel.
Ende Juni nahm er die Arbeit am ‘Magnetiseur’ wieder auf, und am 1. Juli, nach
der Probe zu jener ihm denkwürdigen ‘Sargino’- Aufführung, faßte er endlich Mut,
die seit drei Vierteljahren aufgeschobene Komposition der ‘Undine’ zu beginnen.
Beide Arbeiten führte er abwechselnd fort; den ‘Magnetiseur’ schloß er Mitte
August, den 1. Akt der ‘Undine’ Anfang September ab.
Mitte September wurde das große theoretische Gespräch ‘Der Dichter und der
Componist-’ begonnen. Hoffmann brachte es ins reine, als die Nachrichten von der
Schlacht bei Leipzig sich bestätigten; vermutlich ist erst damals der Schluß hinzu¬
gefügt, der den Krieg als Befreier aus dumpfem Dahinvegetieren feiert. „Die gold-
nen Thore sind geöffnet und in Einem Strahl entzünden Wissenschaft und Kunst
das heilige Streben, das die Menschen zu Einer Kirche vereinigt.“
Kurz vorher, Mitte Oktober, hatte Hoffmann einen Hymnus für die gern von
ihm besuchte Dreyßigsche Singakademie gesetzt. Mitte November komponierte er
in zehn Tagen mit Glück die erste Hälfte des 2. Aktes der ‘Undine’, aber nur, um
diese Arbeit und jegliche Kompositionstätigkeit dann wieder sieben Monate ruhen
zu lassen.
Alles drängte ihn jetzt zu dem Märchen vom Goldenen Topf, das ihn seit dem
August in Gedanken beschäftigte. In diesem seinem romantischen Hauptwerk
schildert er das tägliche Leben der Dresdener Bürger gelehrten Standes mit greif¬
barer Anschaulichkeit und läßt doch eine höhere Welt ahnen, in die für den Ein¬
geweihten diese Wirklichkeit eingebettet ist. Ende November und Anfang Dezem¬
ber schrieb er das erste Drittel davon nieder.
704
Am 8. Dezember mußten Hoffmanns wieder ihre Sachen packen, und am 10,
befanden sie sich wie früher im ‘Goldenen Herzen’ in der Fleischergasse zu Leipzig.
Die Anforderungen, die Hoffmanns Amt an ihn stellte, waren fast erdrückend.
In der Regel hatte er täglich zwei Proben im ungeheizten Theater abzuhalten und
dann abends zu dirigieren. Außer seiner Frau und dem Schauspieler Keller sprach
er außerdienstlich in den ersten Monaten fast keinen Menschen. Am 11. Januar
1814 schreibt er ins Tagebuch: „Das tägliche Spielen wird mir im höchsten Grade
zu[r] Last - die daraus folgende ungemüthliche St[immung] steht mei[n]e[n]
hohen Zwecken entgege[n] — schon seit 8 Tagen schlafe ich unruhig und bin von
ängstlichen Unglück weissagenden Traümen geplagt — übrigens lebe ich fortdauernd
wie ein Anachoret — ohne Mittheilung - ohne Freunde!“
Zusammenstöße mit seinem Brotgeber waren schon in Dresden vorgekommen
und wiederholten sich jetzt. Nach einer besonders heftigen Auseinandersetzung am
25. Februar mußte Hoffmann am 26. ins Tagebuch schreiben: „Heute hat mir
Seconda die Stelle aufgekündigt - consternirt — ich mußte Abends in die Probe
von [Paers] Camilla mit unbeschreiblichen Gefühlen — m[e]i[ne] ganze Carriere
ändert sich abermahlsü“ Er erkrankte dann heftig an einem gichtisch-rheumati¬
schen Leiden, so daß tatsächlich sein Dienst schon vor Ablauf der Kündigungsfrist
aufhörte. Als Sedonda ihn am 2. April aufforderte, nach Dresden zu kommen,
lehnte er ab.
Hoffmann war in den gut drei Vierteljahren, die er jetzt in Leipzig verbrachte,
literarisch so produktiv, wie niemals vorher und nachher. Das gilt auch durchaus
schon von der Zeit, in der er noch für Seconda angestrengt tätig war.
Drei Tage nach der Ankunft begann er, das vollendete erste Drittel des Märchens
ins reine zu schreiben; in den folgenden Wochen fuhr er damit fort. Inzwischen
aber, noch vor Neujahr, lieferte er einerseits an Härtel zwei größere Rezensionen
und andrerseits an Kunz eine chauvinistisch-rhetorische Darstellung der Schlacht
bei Dresden in Form einer apokalyptischen Vision, die Napoleon mit giftigem
Hasse als Ausgeburt der Hölle, dessen herzlich unbeträchtliche Gegner Alexander
und Friedrich Wilhelm aber als strahlende Helden und Göttersöhne erscheinen läßt.
So zeigt der Dezember 1813 gleichsam in einem Miniaturbild den dreifachen
Charakter von Hoffmanns Schriftstellerei, die sie bis zu seinem Tode behielt: Hoff¬
mann der Künstler schildert kraft seiner stets regen Beobachtung in tausend einzel¬
nen Zügen das reale Leben und durchdringt kraft seiner Phantasie diese Welt mit
einer zweiten, die nur er geschaut hat; Hoffmann der Kunstrichter beurteilt auf¬
merksam und durchaus wohlwollend, aber mit strenger Gerechtigkeit die Arbeiten
von zwei Künstlern mittlerer Stärke; Hoffmann der Literat schreibt hemmungslos,
was das Publikum lesen will - und, was das schlimmste ist, er glaubt selber daran.
In der ersten Hälfte des Januar 1814 schrieb Hoffmann für die AMZ den Brief
des gebildeten Affen, der seiner in der Wildnis zurückgebliebenen Freundin die
Segnungen der Zivilisation schildert, und das höchst interessante musikalische
Fragment ‘Die Automate’.
Vom 24. Januar, seinem 38. Geburtstage, bis Mitte Februar beendete er den
‘Goldenen Topf’ im Konzept, bis Anfang März in der Reinschrift, ohne sich dadurch
am Rezensieren für Rochlitz hindern zu lassen.
705
Seitdem Kunz im Februar 1813 dem Rade von Hoffmanns dichterischer Phan¬
tasie den Anstoß gegeben, steht es nicht still: es läuft von Monat zu Monat schnel¬
ler, obgleich die ‘Undine’ immer noch halb vollendet im Pulte schlummert. An
demselben 4. März, an dem Hoffmann den ‘Goldnen Topf’ vollends ins reine
brachte, ging ihm die Idee zu den ‘Elixieren des Teufels’ auf, jenes Romans, der die
Schauer eines Calderönischen Mysteriums sehr geschickt mit den Schauern eines
modernen Kriminalromans vereinigt. Hoffmann konzipierte den 1. Band des Wer¬
kes vom 5. März bis zum 23. April, die Reinschrift wird am 5. Mai fertig.
Immerhin brauchte er Geld: er zeichnete also eine Karikaturenserie, die ein
leichtgeschürztes Gegenstück zu jener hochpathetischen ‘Vision’ darstellt, nämlich
eine Reihe kolorierter Spottbilder auf den besiegten Napoleon. Hoffmann begann
diese einträgliche Beschäftigung am selben Tage wie die ‘Elixiere’, nämlich am 5.
März; das letzte Blatt entstand Mitte April. — Während dieser Zeit, am 8. März,
besuchte ihn Rochlitz. „Er fand ihn“, erzählt Rochlitz 1822 in der dritten Person,
„in einem der geringsten Zimmer eines der geringsten Gasthöfe, auf einem schlech¬
ten Bett sitzend, wenig gegen die Kälte verwahrt, die Füsse von Gicht krumm
zusammengezogen. Er hatte ein Bret vor sich liegen und darauf schien er beschäf¬
tigt. Mein Gott! rief jener, was machen Sie denn? »Karikaturen!« sagte H. lachend.
»Karikaturen, auf die verwünschten Franzosen! Ich erfinde, zeichne und colorire
sie. Ich bekomme für jede von . . . [Baumgärtner], dem Knauser, einen Ducaten.«“
Im Mai arbeitete Hoffmann abwechselnd an zwei Dichtungen geringeren Ranges,
dem geistreichen aber in Ironie sich auflösenden Schauspiel ‘Prinzessin Blandina ’,
das nicht über den ersten Akt hinauskam, und der rüden Verbrechergeschichte
‘Ignaz Denner', die Kunz mit Recht für die ‘Fantasiestücke’ ablehnte.
Dann erst wandte er sich zur Musik zurück. Im Juni beendete er den 2. Akt der
‘Undine’ und um den 10. Juli den großen, auf ausgedehnten Studien beruhenden
Aufsatz ‘Alte und neue Kirchenmusik’, zu dem Rochlitz ihn im April angeregt
hatte.
Trotz seiner Produktivität hat Hoffmann nie die Absicht gehabt, von der Schrift¬
stellerei zu leben. Da er sich nicht wieder in den Dienst eines privaten Theater¬
unternehmens stellen wollte, ging sein Streben jetzt nach der preußischen Haupt¬
stadt, um dort zunächst ein leichtes Amt und später vielleicht einen Dirigenten¬
posten an den Königlichen Theatern zu erhalten. Als er also am 6. Juli wieder
ebenso zufällig wie vorm Jahr in Dresden dem Freunde Hippel begegnete, bat er
diesen, ihn in Berlin womöglich als Expedient in einem Ministerium unterzubrin¬
gen. In den nächsten Monaten wurde darüber verhandelt, mit dem Hoffmann wenig
willkommenem Ergebnis, daß er zunächst als Hilfsrichter am Kammergericht arbei¬
ten solle.
Vorher, in der zweiten Hälfte des Juli und den ersten Tagen des August, brachte
er endlich den Schlußakt der ‘Undine’ zu Papier und lieferte daneben, um Geld zu
bekommen, pseudonym eins der so beliebten musikalischen Schlachtstücke,
‘Die Schlacht bei Leipzig’, an Baumgärtner, den Verleger seiner Napoleon-
Karikaturen.
Mitte September sandte er Härteln die letzten ihm noch aufgetragenen Rezen¬
sionen.
706
Am 24. reiste er fort nach Berlin, wo er am 26. eintraf und Anfang Oktober als
Hilfsarbeiter beim Kammergericht eintrat.
Auf Rochlitz’ Wunsch schrieb er noch im Herbst einen zusammenhängenden
Bericht über das Berliner Musikleben und sandte ihn am 10. Dezember nach Leip¬
zig. Er richtete bei dieser Gelegenheit einige Bitten an Härtel, von denen ich eine
als Beleg für sein Verhältnis zu dem ausgezeichneten Manne hersetze: „Ferner
werden Sie selbst das unerhörte Unglück eines Tabakrauchers fühlen, wenn er mit
verwöhnter Zunge am ganzen Ort kein Blatt finden kan, das ihm nicht Mund und
Gaumen zerscheuert? — In der That ist der theuerste Tabak hier mit solch’ unaus¬
stehlichen Samen zersezt, daß er mich wie Opium betaübt, könte ich wohl durch
Ihre Güte auf irgend einem Wege und ohne Furcht den Mauthnern in die Hände zu
fallen ein paar Pfund jenes herrlichen Knasters, den ich aus der Kraftschen Hand¬
lung a 1 rth 8 ggr das $r erkaufte, erhalten? — Der kleine Vorrath den ich von
L[eipzig] mitnahm ist leider schon verraucht, denn von dem süßen Duft angezogen
griff alles in meine Dose, und ich hatte wenigstens den Genuß, daß es in der That
so roch wie auf dem Reichardtsehen Kaffeehause.“
Im Herbst 1815 wurde im Schauspielhause zur Feier der 400jährigen Regierung
der Hohenzollern ein Festspiel von Fouque, ‘Thassilo’, gegeben: der Korrespon¬
dent der AMZ erwähnte das im November „wegen der herrlichen Chöre der Krieger,
der Frauen, Greise und Kinder, die von dem jetzt hier lebenden Regierungsrathe
Hoffmann meisterhaft componirt sind.“
Mit der Aufführung der ‘ Undine‘ ließ das Königliche Schauspielhaus sich ebenso¬
viel Zeit wie vorher Hoffmann mit der Komposition der Oper; sie wurde erst 1816
gegeben, am 3. August, als Festvorstellung an Königs Geburtstag. Die AMZ berich¬
tete dreimal darüber, zuletzt ausfühlich durch Carl Maria von Weber.
Hoffmann konnte nur mit einer wehmütigen Freude den Erfolg dieses Werkes
genießen. Er erlebte ihn erst, nachdem sein Berufsschicksal sich entschieden hatte.
Am 1. Mai desselben Jahres 1816 war er am Kammergericht als Rat fest angestellt
worden und dadurch aller Sorgen enthoben, aber auch aller Hoffnungen beraubt.
Im September des Jahres schreibt er einem Komponisten: „Mich selbst bitte ich gar
nicht zu den gangbaren Componisten zu rechnen, da es mir zu sehr an Praktik fehlt
um noch viel zu schreiben. Undine war höchst wahrscheinlich die erste und lezte
Oper die ich hier auf das Theater brachte.“ Einem Dichter schreibt er 14 Tage
darauf, daß es seit der Zeit, da er wieder in dem Triebrad des Staats lustig zutrete,
mit seiner poetischen Gabe höchst miserabel aussehe. Einer Dichterin schreibt er
noch im Herbst 1818: „Gewiß hegen Sie ein zu günstiges Vorurtheil für meine
Werke, das mich zwar ehrt aber auch zugleich beschämt, da ich bis jezt, das
Mährchen vom goldnen Topf vielleicht ausgenommen, nichts von eigentlicher Be¬
deutung geliefert.“
Der Aufenthalt in Leipzig hatte, wie Sie aus diesen seinen Worten entnehmen,
nicht nur den Abschied von der Dirigententätigkeit und vom musikalischen Schaf¬
fen großen Stils bedeutet: er war für eine Reihe von Jahren auch der Abschied von
der großen Dichtung, die erst vom Herbst 1818 ab bis zum Herbst 1821 eine
Nachblüte erlebte.
fünftlerif^t ©Raffen
C. C* &. f o f f m a tt n s
in Umriffcn angebeutet
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f ans t>on üii e tr
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SWit einer ©tetnjeicfynttng
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^uso SUfnetr^vag
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©efeirfcfjaft ber ^reititbe ber 2)cutf(^cn SSurf>eret
19 2 6
SDietitem ^reunbe
jur Gmittterung
an ben 25. 3uni 1922
[9]
711
mfofgenben wirb »erfucfjt, bie (Sntwtdffung beöÄünfUerö.£ofF«
3 mann aufgugetgen. 93eiJ£offmann$S3ielfettigfeit bebarf e$ einer
gangen Afabemie pon$orfd)ern, um feinem Sieben unb ©djaffen ge«
red)t gu merben; ei wirb tn ber Siegel auf Säufdjung ober ©elbft«
täufdjung berufen, menn jtd) jentanb ben Anfdjetn gibt, als bermöge
er auö eigener Äraft bie compltcterte SnbtötbuaKtät (in Sempera«
ment unb Cifyaraftcr, in 3«* nnb Abneigungen), ben Unterfud)ung$«
ridjter, ben @omporti|ten, ben ÜÄuftfftfjrtftßeßer, ben Dramaturgen,
ben SSerfaffer ber ‘(^listere’, ben 3Äärd)enbtd)ter, ben ©djöpfer beS
ÄretSIer unb ben gefcfytcften UnterfjaltungSfdjriftfießer gu überfein
(um bon ben Scugittffcn feiner geringer entwtcfeften gfäfyigfeiten, etwa
al$ Dramatifer ober als 3eid)ner, Aquareßifl unb ©ouacbemaler gu
fdjweigen). SWetne eigene Arbeit gilt in erjler Stnie bem Qftenfcfjen
J^offmann, mie er burd) feine Scannten bargeßeßt iji unb wie er
jtd) felbft barjteßt in feinen Briefen, in feinen Sagebüdjern unb in
benÄreiälerfdjrtften. 3n gweiter Siinte fyabe td) mid) um ben $Dlärd)en«
bidjter bemüht; aber fdjon hierin bebarf id) ber Arbeit ber Sfött«
firebenben. SSößig auf foldje angewtefen bin td) für ben Sontpo«
nijten, für ben SÄuftffcbriftjieller unb für ben geängfiigten unb
nieberbrücfenben SBerfünber bei Dämontfcfyen. Dtefe bret #aupt«
gebiete &on .l[?offmann$sprobuctton fjabe td) gwar geittid) neu abjtecfen
fönnen, bie Qhrfenntntä tf)re$ Snfyalteä öerbanfe td) aber anberen; tm
folgenben werbe id) für jebeä Qrtngeigebtet bie ©pecialforfdjer neu«
neu, benen id) mid) anfd)itefe.
J
712
[ 10 ]
Dte Darßellung, bte f)ter »orgelegt wirb, Beruht auf ben ÜBcrten,
bte bet ber fyuitbertflen SOBieberfehr »on JßoffmannS SobeStag, aut
25. Sunt 1922, tut *pienarß$ungSfaale beS Äammergertd)tS ju SSerltn
gefprochen worben ßnb, nachbem ber (Sfyefprdftbent btcfeö ®ertchteS
#offmannS äußeret Seben gefd>ttbert unb ihn als ©traf* unb Unter*
fuchungSrichter gewürbigt hatte. Daraus erflärt eS ßch erßenS, baß
bie Späten »on ^ojfmamtS Seben, ütSbefonbere bte f^olge feiner »telen
SBBohnorte, als befannt »orauSgefefct werben; ße ftnb auch jefct nicht
etngefügt, ba fte ßch auS jebent allgemeinen 3?ad)fchlagewerfe erfefyen
taffen. SwettenS erflärt ftdf> barauS baS ©chwetgen auf fpeciellere
fragen (etwa nadf beut h<><hß intereffanten, gan; ßngulären ©ttl
J^offmannS) unb brittenS, letber, bte Überfülle »on Zitaten — ein
allenfalls jutäfßger ©eljelf tu einem erbetenen SSortrag, aber für
einen Auffafc jwetfelloS nicht angemeffen. Dtefe beiben Mängel ließen
ßdf nid>t beheben, ohne baß ntan eine »öHtg neue Arbeit lieferte;
wen ße ßören, ber mache ben nacf^ftcfjtigen ffreunb »erantwortltch,
ber gegen bte ferneren 93ebenfen beS SSerfafferS feit Salfr unb
Sag ben Drucf beS SortrageS für baS 150. Salfr nach J^offmannS
®eburt geforbert ^at.
SÖBenn alfo auch non einfehnetbenben Änberungen abgefcljen würbe,
fo tß bod) manches weggelaffen, waS nur Srt. Seit mtb ©elegen*
Ijett beS SSortrageS wit ßch gebracht Ratten; anbrerfettS ßnb Jj?tn*
wetfe auf neue ffunbe etngefügt unb nantentltd) ein langer Auszug
aus bem Auffafj ‘3ur mußfalifchen SRomanttP, tu bem ©ußa»
©ecftng 1924 (in ber Deutfcßen SSterteljahrSfchrift für Literatur*
wtffenfchaft unb ©etßeSgefchtdhte) als ©rßer ben (Sontpontßen .£off*
mann tn bte @efd)tchte ber beutfd>en SKußf eingereiht h at * 3<$
habe $u SÖecftngS Darlegungen um fo größeres SBertrauen, als er
bte »on tipn betrachteten (Sompontßen nach Altersgruppen ju*
fammenßefft, alfo nach bem felben 9>rtncip »erfährt, baS ich fett einem
SSierteljahrhunbert auf bte Dichter anwenbe. SBährenb man bisher
überjeugt war, baß „baS Sbeal beS rein Stomantifchen tut ‘ffret*
fchüfc’ ^letfch unb SBetn geworben" fei, unb bebauernb feßßettte,
baß ber Ärtttfer J&offmamt baS noch nicht ganj $u faßen »ermodße,
fo ßeht SBecfing tu Jj5offntamtS unb SGBeberS $unß jwei etnanber
713
[ 11 ]
entgegengefefcte 2irten echt romanttfcber SÄuftf, mtb wägt
aiS echter J^tftorifer SBorjüge unb 31arf)teilc beiber ©attmtgen gegen
einanber ab, ohne au$ perfönlicfjer SSorliebe gartet ju ergreifen.
jDurcf) bte Einfügung ber nt. @. grmtbiegenben Srfenntnte 93ecftng$
erhält ba$ öorltegenbe ^eft einen ÜBert, ber e$ weit über ben an*
fprncbSlofen SSortrag non 1922 erhebt.
93eritn, am 15. Sanuar 1926
J£an$ öon SRnifer
S um 2fnfang bficfen wir fluchtig auf bte bor 1804 fiegenbe Seit,
tn ber Jfpoffntann bte tfym gemäße 2frt noch ntd)t gefunben bntte.
@r übte fein Salent jur btlbenben Äunjt halb tn@ouacben affe*
gortfeben uub ^tjlortfrf>en CifyaraFterS, bafb tn sportraitö unb @arica*
iuren, bafb tn ber £>ecorterung bon Btmmern unb ber J^erfietfung bon
Sbeaterprofpecten. @r componterte 33ocafmuftF nteifl: nach ©oetbefeben
Seiten unb berfucf)te ftrf> in 3n|lrumentafcompofttionen. 2fuf bte S&ujtf
gu bem bon tbnt fefbfl gebluteten ©tngfptef ‘Die 2D?a$Fe’ (bret 3fFte,
1798/99; Fürjftcb bon ftrtebrtcb ©ebnapp aufgefunben unb borbifb*
üd) berauögegeben) folgte bie reifere 207uftf ju ©oetfyeö ‘©cberj, Ctft
unb SHadje’ (auf einen 2fFt jufammengejogen, 1801), an bie ber
©empontfi noch in ben fegten Sagren fernes gebend gern gurücFbacbte.
©nbftcb febrieb «Ooffmann in biefer Bett gtoet Stomane (beren einer
brei Sßänbe umfaßte), bie junt ©fucF ungebrucFt blieben; er brachte
2fpbort$men nnb ftterarifebe ©fijjen tu Stcf)tenbergö unb ©terneS 2frt
ju Rapier unb ließ jtcb burdb ein spreiöauäfcbretben ÄogebueS fogar
ju einem gujlfpief (üt bret 2fFten) berfeiten, baä mit SKecfjt Feinen
tyxeii, aber immerhin eine ebrenbotte ©rmäbnmtg erbteft.
*
3m $rübiab* 1S04 frat «Ooffntann afö SXat am preußtfeben Ober#
gertdbt in SQBarfcbau in einen Äreiä Funfiferifcb intereffierter Suriften
ein unb mürbe burdb fte tu bte barnafä mobernen 9>robfeme eingefübrt
3n erjter 2ütie futb b«r «Oetnricb £oeft unb ©buarb 3gtg ju nennen,
715
[14]
bie, au$ ©erlin jlammenb, bort 2tuguft SSSttbetm ©cblegelS SBorlefungen
gehört Ratten unb nun J^offmann mit ben ©cbä£en ber Stomantif tm
weiteren ©inne, inSbefonbere mit ben 3Dramen GsalberönS in ©cblegelS
Überfefcung, mit ben beutfdben Drtgtnalbtcbtungen »an 9?obaft$, Stecf
unb©rentanounb mit ben£unftfcbriften2ßacfenrober$befanntma<bten.
Sn jw etter Stnte ftnb au$ btefem Äreife ^ofmannS mit 3$tg eng be*
freunbeter SanbSmann, ber mpftifebe Sramattfer BatbariaS SGBerner,
ju nennen unb ber ©djlefter gfranj 2(nton STOorgenrotb, ber jtcb fpäter
ganj ber Sonfunjl wibmen feilte.
Sn btefem Greife fanb ^offmann ben feften ^alt für fein Seben unb
©cbajfen tn ber ©ejtnnung unb Sebre ber Stomantif, bte über baS
fcbale Sehen beS 2(lltag$ einen ^tmmef bon ©eltgfett wölbt, ber
bem gehört, ber ibn mit bem inneren ©inne fc^ant. 2Ccf>tje^n Sabre
lang, bon 3Bitte 1804 bis SWitte 1822, bat #offmann tn btefer
©eftnnung etn oft feb* ferneres Seben ertragen unb in fajt ununter#
broebener g-olge SGBerf auf SÖBerf b«oorgebracbt.
2)iefe adbtjebn Sabre jerfalten nach ber 2Crt bon J&offmannS sprobuettott
tn jwet faft gleiche giften.
716
[15]
ifte
1804 -1813
»on Stert unb äßacfenrober lernte J^offntann, baß bie 2J?uftf bte
I)öcf)fte aller Äunjle, ja b t e Äunft xat’ l^ox^v fet. Dem gemäß gehörte
fetn©cf)ajfen öon 1804 bis Anfang 4813 ungeteilt ber Sonfunjt.
Compofftloncn
Überfielt über öle Ufteuptmerfe
odb 1804 fcfyuf er fein erfleh großes üöerf, bte (Sbmpofttton öon
^rentano^ ‘Sufltgen STOuftfanten’. 3d) fenne bie Partitur, bte in
«Paris liegt, nur auS ber Befprcdjung beS Berliner lieber#
componiften unb SuftijratS ^rtebrid} 2Bollanf auS bem Satyre 1828.
Danach ift baS felbflänbtgfie unb fcf)ön|te ©tücf ber Giontpofttion baS
JDuartett, baS mit ber ©tropfye beginnt:
Da jlnb wir üflufifanten mteber,
Die md)tüd) burd) bte (Straßen jtefyn;
»on unfern pfeifen fro^e Sieber
SGBte ©tragen burd> Dunfel fltef)n.
(5S $etd )net ftd), nad> SSollanf, auS burd) bie glürfltdje Beljanblung
beS SejteS tn ben contraftierenben Grmpftnbungen, burd) ffrtfd)e ber
SKelobien unb ejfeftoolle Begleitung, »on überrafd)enber Sßtrfung
tft eS, wenn nad) ben wehmütigen 3w>ifcf)cnflropt>en ber Fabiola, beS
^taji unb beS Ä'naben in fiürmifrfjer, ^efttgcr gröl)ltd)fett ber bier*
fltmmige Refrain mit feinen furjen 3U)pt!)men rnteber einfällt:
@S faufet unb braufet
DaS Tamburin;
GrS raffeln unb prajfeln
Dte ©cbellen barin;
Die Berten f)ell flimmern
»on tönenben ©dämmern;
I
[ 16 ]
717
Um ©ing unb um ©ang,
Um Älütg unb um Älang
©cbwetfen bie pfeifen
Unb greifen an« J$erj
SO?it ^reub’ unb mit ©djrnerj.
9?od) tut Tfprif 1809 feßreibt ^offmann einem g-reunbe, bon ben
‘Sufltgen SKuftfanten’ batiere er feine beffere $>eriobe.
1807 fcfyuf Jpoffntann unter bem Sitel ‘Siebe unb <5tferfud)t’ eine
breiaftige £)per nad) @afberön#©d|Iegei« ‘©d)ärpe unb ©Iume\ (ftne
Steife bon anberen Arbeiten biefer 2(rt übergeben mir, um nur nod)
ba« J|5aupttt>erf ber ©amberger Seit ju nennen: bte 1811/12 ent#
ftanbene SÄujif ju ber bretafttgen großen romanttfeben £)per ‘2Curora’
bon .ßolbetn. 23cn 2Äa£ 93otgt entbeeft, ift jte bon (Srnnn Ärott au«#
fü^rltd) geroürbigt. 97ad) beffen Darlegungen jetgt ba« SOBerf „bereit«
bie d)arafterifltfd)en3üge ber beutfeben romanttfcbenSDper"; J^offmann
bermenbet bartn „Seit# unb (5rinnerung«motibe, er arbeitet ßänbtg
auf muftfaftfdjen Qontraft i)in, er berfetnert bie SDrcfjejterfarben unb
mtfebt fte auf neue 2(rt, er bebient jtd) beftimmter, burebgebaitener
Tonarten unb fübner «Harmonien jur ßljarafterifterung“.
BuSOBerner« Srauerfpiet ‘2)a«Äreuj an berSflfee’ lieferte Jj5offmamt
1805, noch in ÜBarfdjau, bie Üfluftf, in ©amberg be«gletd)en ju ben
breiaftigen SKelobrameri ‘Sima’ (anfebetnenb aufgefüt)rt in ©amberg,
Siitrnberg, Donaumörtb unb©al$burg) unb ‘©auP (tn ©amberg unb
SOBürjburg gegeben).
5Bon .feird )enco jnpnfLtianen jtnb eine gftejfe (1803/05) , ein ggifere re
(1809) unb eine Steibe fcböjter J^mn enju nennen, barunter bie berr#
tichenA=cane lla-gb5re ( Ave maris stella’ unb *Q sanctissima’ rbeibel808 ).
Unter J^offmann« weltlichen Bnjtrumentalcompojtttonen folgte auf
mehrere ©onaten (hier bon ©eefing berau«gegeben unb eingelettet)
unb ba« fpäteften« 1807 entßanbene Dutntett in C-moIl (ebenfo)
al« bebeutenbfte ba« Grand Trio in E-dur (1809).
2Cn SBocgimußf. J>at J& offmann" einige große 2frien unb aabfre ithe
üuettinenjinb- @anjojietten-gefcba.ffen.
718
[17]
Bie tyfiotffdje Stefluttg i»es ©ompotttftett ^offmewn
ecfittg teilt bte beutfche ituißfaltfcheNomatitjf ttt bret 2Hter$grup*
5r\ pctt, bteburch je jweiführenbe SNetßer öertreteu jtnb. Ste crftc
©eneratton beließt aus beit 2Hterdgenoflen ber Itterartfchen
J3ochromantifer, alfo ber Kobalts, Sied unb 2Bacfenrober(ge6.1772/73)
uttb totr b r ept dfenti ert burch bcn*Prtn jen SouiS^erbtnanboon 9>reu*
ßen uttb J&offntann (geb. 1772/76). Sie jnmte ©eneratton entflicht
in it^rern ©eburtSalter ber ©pätromantff, bereit größter Sprtfer, ©tchen*
borff, 1788 geboren war: tfyre SSertreter jtnb SGBeber nnb Schubert
(geb. 1786/97). Ste britte ©eneratton liegt thrent 211ter nach fchon
außerhalb ber fttcrarifcfyen SKontanttf: ihre betben SRepräfentanten
SKenbelSfohn nnb Schumann (geb. 1809/10) jtnb noch tim einige
Sagre jünger als bie legten Nachzügler ber Itterartfchen Nomanttf, bte
Senau, SNörtfe nnb 2tnajiaftuS ©rün (geb. 1802/06).*)
4?fer tjl nur an$ubeuten, wie Söecfing bie erße, in ben 1770er Sajjren
geborene ©eneratton abt)ebt gegen tf)re clafßfrfjen SBorgdnger unb
namentlich gegen ihre Nachfolger, in benen bad populäre SSorurteil
bie Nomanttfer an (ich ßegt.
*) ©agner unb93rabm$rechnet33eifingnichtmebr jubenNomantiBern. ©agner,
ber bem ©eburtOalter (1813) nad) bem jungen Seutfcglanb fegr nabe fle^t (fteuer»
bad) 1804, 2aube unb ©tirner 1806, ©ugfom 1811) iß nad) 93ecfing burchauO
im Realen eingeßellt. „Ser @goi$mu$ beO ©irf!id>Beit$menfd)en, ber lange
geit juriicfgebatten war, ber bitale Srang ßcg burcgjufegett, brach überall burch:
unb Nicharb ©agner mar Führer unb Nepräfentant btefeS ©eiße$. gür ign
gibt e$ feine ©iflenfcgaft um ihrer feibß rcitlen, fein ‘L’art pour Part’; nicgt$
bat ©ert außerhalb be$ 2eben$. ... Nicht bie ©eit fpenbet bem Nten fegen ®e*
beimntffe, beren teilhaftig ju merben tbn glücflich macht; ©rfüilung feiner feibß,
machtbolle Surchfügrung ber in ihm lebenben Äräfte iß feine 93eßimmung.
hierher auch, nicht au$ £immelSböhttt, ßammt bie2iebe, melche bie ©eit erlöfen
foll. ... Sfolbe, bie ßcg feibß ino ‘Neid) ber Nacht’ trägt unb bort legte ©teige»
rung ihrer (menfcglicben) Siebe, ‘göchße 2uß’ feiert, geht ben umgetehrten ©eg
rcie ber Nomantifer, ber bon bort oben immer nur SbealeO empfängt."
93ei 93 rahm & (geboren 1833 alO 2llter$genoße ber $amerling unb getip Sahn)
nimmt nach 93ecftng$ ©tnbrucf aileO Nomantifcge (Td) auO roie eine frembe©elt,
„bie ber (fomponiß, mie ber Sinter etneO htßortfchen NornanS, fd)ilbern
Bann, ohne barin unterjutaud;en".
719
[18]
Der clafftfdbe SDlufifer — J^apbn, SDlogart, $Beetbo»en — fcefjerrfcfyt
unb prägt fein Dbjiect (bte ÜÖelt) nach bett ©efefcen ber Slernunft.
©omponieren beißt ihm: »erarbeiten,formen,gehalten-, er führt flet«.
Der Nomantifer aber, #offmann mte Söeber, läßt ftd> führen.
@r „burebforfebt ferne 2Belt, erlebt ihre ©dbönbeit unb eignet fie ftcb an.
3Cber e« erfebeint ihm unmöglich, fte nad) feinem SGBilten gu lenfen,
fie umguformen unb gu geftalten." ©r ergibt ftcb bem ©egebenen.
Die erfie ©e neratt on berromantifchen(Somponiflen,»ertreten burdb
Sout« ^erbinan b unb J?offmann, empftnbet alle gu te SDlujtf jtl« ro«
mantifd ). 33eibe übernehmen in ihren ©ompofttionen unoeränbert
9Äo|artfdbe_ffienbungen, „augenfcbetnltdb tn bem ©iauben, baß e«
ibeatere«, »ortreffticbere« SÄaterial gar nicht geben fönne ... Da
bte ©omjjpntften ba»on üb erzeug t finb, baß bte (Slafftfer bie ©runb*
r egeln b er SPluftf überha upt m uflergülttgaufgefiellt haben, leijten fte
ihnen in allem ©rlernbaren unbebingte ©efolgfcbaft." Nur bent en
fte biefe ü berno mmenen form e n'nTrömä n tifcbem ©in ne.
.ftoffm ann »ermedbf elt — bartn mie SBacfenrober ©cbüler ber 2luf*
flärung — bte tnbtbibuelle ©ige nart be« ©dha ffen « mit ber SBeberr*
f ebung beflimmter Neg el n. ©o empftnbet er feine clafftfcben SSor*
ganger (etwa SDlogart) alö ©eher, bie außerbem eine befonber« fünft*
»olle gncbtecbntf beft&en. 3B enn ein begabter Sftufifer biefe Sed mif
ft cb gu eigen m acht unb ihr SBach« ffontrapun ft hi ngufügt, ban eben
bann noch fleißig ^aleflrtna unb bte Neapolitaner jlubt'ert, bann fann
nach ^offmannd 3fnftcht nicht fehlen. Da« Äunjtmerf ift
fü r off m ann ein Sor gu einer b ahinter l iegenben Sßßelt; tflba« Zauber#
mort gefprodben, fo öffnet e« fi<b, unb ber Sttujifer fann Dfcbinntflan«
©cbäfce mit Rauben greifen, „©ingig ©taunen unb Eingabe bleibt
bem ©omponijlen, nicht ©effaltung. ©eine ^errfebaft reicht nur bi«
an, bte Pforte be« romanttfeben Netcbe« ... £ter tfl feine SDlacbt
gu ©nbe; auf bte ©eftalten, bie nunmehr ihr ©ptel beginnen, hat
er feinen ©tnfluß mehr. . . . 2iudb ?oui« gerbtnanb »erfleht bie
febmarge Äunft, tu alten, faum geänberten formen unb ©ehäufen
»erflecfte $üren gu ftnben, bte in «£offntannö ©eifterreidh führen.
dv flößt fte auf, unb ungebtnbert mögen bte SBtlber. 3(ber ... bte
^ hgntgfieme.lt bat feine SE Birftidhfeit, e « fehltJhren_ ©rfcbetnungen
720
[19]
b te anfchaultcbe ©e ftatt. ©te ft ttb leere ©ehernen, nur oon ©ebn*
fu^t_burd^ogen. . . . Die SXealtjterung würbe allen SRetg Per*
ntebten."
2Cnber$ bte gwette ©eneratton, SCBeber unb ©ebubert. 3f>ttett gilt
jttcfjt ntebr jebe gute Üftuftf al$ romanttfeb. 2Ba$ ber (Sompontfl
eigentlich meint, ba$ ijat er tb«r 21nftcbt nach anfetjautief) bargu*
{teilen; ei genügt nid)t, baff er e$ ahnen läßt. Daburcb wirb „bte
freie 9>b aitta fte unb ba$ mtgebdnbtgte ©rlebniä, ba$ bei .ßoffmann
gewtfierntafen nur fo auf ber Sauer lag", auägefcblofien.
2Ba8 fpectell bte ©per angelt, fo forbert J^ofmann, baf ber Sejt
ein echtes Drama fet unb bte SDtujtf ftd> ber fletig berauögearbetteten
•Oanblung etnorbne: ba$ J^auptgewicbt foll alfo auf bte ©nfemble*
fd£e als bie etgentlidjen Änotenpunfte ber ^anblung fallen. SSBeber
bagegen befcbrdnft ftd)—wie^offmann infctner'grretfcbüfc^SBefprecbung
feftftelli — tut wefentltrf)en barauf, burd) Steber unb @bö« Suftdnbe
unb ©timmungen gu febilbern (um Pon ber burtb 2BeberS eigene
©ebulb total mtfglücften bramatifeben Anlage ber ‘(Surpantbe’ nt d)t
erfl gu reben). „«ßoffmann febwebt etwa« Ptel UmfaffenbereS por, als
SOBeber in feiner 21rt pollenben fann. Der ‘^reifc^ü^ 7 runbet ab,
Peretnbeitttcbt, aber fcbrdnft gugletcb flarF etn. Die ^tetton bei für
bie Oper paflenben Dramas wirb aufgegeben; bte 9>oe|te wirb wieber
bte geborfame $od)ter ber SDZuftf unb 21bftecber tnS ©ebiet beS eigene
Itcben romantifcbenDramaS ftnb ihr nicht mehr perjiattet." — Bretter
©egenfafc: J^offmann pollgiebt, wie oben angebeutet, bte ©inbett Pon
©per unb Drama nur in ber spbantafte. SEBaS er eigentlich meint,
baS Perwtrflicbt er nicht „Normung tfl nicht baS 3tet; baS ffenjter
gum ®ei|terretcb genügt. 2Beber bagegen, ber mit ber gwiefpdltigen
fforrn nicht arbeiten fann, perwirft auch ben hoppelten ©<baupla§.
Sowohl, bte fehlen hafte ^Pbantafte wett wie bte banale ÜBtrlichfett,
bi e bei Jftoffntann wie bu reb <paralleJtSmuS meeb anifeb mit etnanber
Perbunben waren, gibt er auf. ©ein anfcbaultcbeS SÄdrcbenretcb
liegt tn ber SDtitte gwifdjen beiben: ei bat Weber ihre Stacbteife noch
ihre Sorgüge. Die ©elfter gewinnen ^letfcb unb ©lut, aber jte
perlteren ihren tiefen ©inn. ©atntel t(t etn banbfefier ©ilberbudj*
teufel, febr febwarg, aber ohne Sonnejionen in J^offmamtS ©elfter*
721
[ 20 ]
retcb ... Sie SWenfdben bagegen getanen ßcb burdb c Sbealität
aug, aber ßnb alg SEBirfitcbfeitgtppen unmöglich. .£offmann, ber
immer Dom Itterartfdjen Srama aug urteilte, fanb bieg atfeg ab«
gefcbntacft."
Ser gleiche Unterfcbteb ber betben ©enerattonen befielt in ihrem Sbeal
öom Siebe. Blad) .^ffmanng jforbmtn£ fort auch t)ier ber (5ompom(t
b er Sn t ention beg Sidße rg entfprecben. „Der SKußfer m uß ftrf? alf o
in fetne^orlage fo binetnberfefjen, alg ob er ber SSerfaffer felbß
märe. Sann mtrb berfelbe gunfe, ber trn Snnern beg Stcißerg bag
Sieb' entgünbete , inTfein er ©eele ben Son mecfen, ber bort mte ein
mun berbareg, alteg i n ftrf? fcbli egenbeg, aßeg beberrfcbenbeg ©ebetmntg
ruht." Secbntfcb tjat ber ßomponiß fo gu »erfahren, baß er ben
Äern beg ©angen in einer eingigen bünbigen SDMobte trifft, ohne
auf ©tngelbeiten etngugebn unb aßen SEBenbungen beg Sidbterg gu
folgen: in gemijfem ©inne ßeben alfo bag poetifcbe unb bag muß«
faltfcbe jfunßmerf neben einanber. ©Hubert bagegen ßrebt nidfjt
banacb, ben Pont Siebter gegebenen Satbeßanb nacbguerleben, fonbern
er ßeßt ß<b bor, mte er felber in ähnlicher Sage empfinben
merbe. „2(ßeg gebt bureb bic ‘21uffaffung’ binbureb, bte ßcb bon
ber Seflamattongform ber $e£te ßetg gt entlieh meit entfernt.
Ser Sfteuguß gäblt aßetn alg mtrfenbeg Äunßmerf, unb nichts
bleibt baneben beßeben, mag bte ©tnbeitlicbfeit ber neuen $ornt ßören
fönnte."
Äbnticbe Unterfcbtcbe beßeben tn bem Verhalten gum Sou an ßcb.
Ser Slafßfer feffelt ihn; er gmingt tbn, alg ©runbton gu ruh*«.
Sep SXomantifer läßt tbn ungehemmt ing SEBeite btnaugfltngen unb
augfebmetfen; er läßt ficb bom ©lang ber SCfforbe übermäßigen. Sn
btefer 21ugßrablung ber objectiben ©rfebetnung fab Jpoffmann bag
2(bfolute, bag Unenblicbe. #ber febon tn ber SOZärcbenmelt SEBebcrg
unb ©ebubertg höben ©cbmetfen unb ©lang feine Söegiebung mehr
gum Unenblicben: ihre SDBctt iß tatfäd)ltcb gefdßojfen, nur ignorieren
ße, folange eg gebt, bte ©rengen, unb munbern ßcb, menn ße nach
furger SEBanberung im Greife ßcb mieber gu $aufe ßnben.
Bufammenfaffenb führt $3ecftng für bie romantifebe Sichtung unb
STOußf aug: bie ©eneration 32obaltg«^offmann fuebt nach ber
722
[ 21 ]
fdjemettfyaften blauen Sölume alg ©pmbol einer wefenlofen SßBelt;
bie ©eneratton ©tcbenborff*2Beber#©cbubert fdbwimmt wohlig
in ben anfcbaultcben Dualitäten einer nicht mehr erfirebten, ötelmebr
erreichten unb ruljenb um ung t>er gebreiteten ibealen Umgebung
märchenhafter Stimmungen. ©te »erdichtet „auf bag ©rlebntg beg
‘Abfoluten’, um beffentwillen 9?ooaltg unb J&offmann alle SBanalt*
täten ber anbereu ©eite gern mit tn Kauf genommen Ratten . ..
^offmann625fd)innt(taniftimeinjetnenunbefcl)reiblid); nur tnSMlbern
unb Sföetapljern läßt jub baöon reben." .. * Alg ber höcbfte, unteilbare
SGBert, ben eg barjteHt, „belohnt eg benjentgen, ber eg ju erleben tm*
ftanbe ijt, nur bureb bie Satfaebe ferner ©rfebtieflung". $öet 2Beber
bagegen {tfcen mir mittenbrtn in ber ‘ÜÖalbromanttf. „$ßte in einem
sprigma breeben füb bie Strahlen, unb bie btgher bleichen ©ehernen
fcbillern tn allen färben. Ser ‘gretfebüfc’ febüttet bte ganje güße
ber neuen Dualitäten wie aug einem Üöunberborn über ung aug;
unb ©<bubert fann ftd) gar nicht genug tun, aug bem SRetcbtum
feiner SUacberlebntffe immer neue ©cbäfce ju heben. 9?icbt auf proble#
mattfebe Klänge unb Klangfarben, wte ftc bet ^offmann wetten Aug#
bliefen tn bag ©eifterreicb bienten, fommt eg jefct an, fonbern auf
anfebauliebe (5t)arafterifHf, bequem auggebrettet jum Augfoften. J?off#
mann oerwirft muftfaltfcbe Sllufiration, SBeber »erwenbet fte mit
SBorltebe. ... ©o trennen ftcb bte SBelten ber betben ©enerationen,
unb bte jwette geht wahrlich nicht allmählich aug ber erften bernor.
Swifcben betben liegt ein entfebeibenber ©infcbnttt; bte ‘Unbtne’
tjl nicht SSorläuferttt beg ‘greifebüfc’, fonbern ein für
ftcb."
auffftfce
^ie aug ben eben citterten 2lugführungen 93edfingg berettg er#
ftcbtlicb geworben ift, bat «Ooffmann jtd) nicht nur praftifcb,
fonbern auch theorettfeb etnget)enb mit ben ©rforberniffen ber
Sonfunft befebäftigt* 3m 2Rär$1808 fcbrteb er für ein 2Ötener ^acbblatt
trn Anfcbluß an eine ^Berliner Aufführung über bag SGBefen beg SRelo#
bramg; bag SBlatt ging ein, ehe ber Arttfel erfreuten fonnte, einen
m
723
[ 22 ]
'■ÄuSjug barauS von $offmann$ Jpanb hat aber £)öfar Ärenjer auf#
gefunben unb mit forgfältigen Erläuterungen veröffentlicht. Sßon
1809—1814 fchrteb ^offmann in ähnlicher 3trt für bte Seipjiger
,Allgemeine SÄuftfaltfche Bettung’*); btefe 2e£te ftnb auf ©runb einer
1908 von mir veröffentlichten fritifchen Sifte 1912 von ©eorg Ei#
lütger in vorbtlbltcher Art herauägegeben unb mit großer Umftdbt
unb Siebe eingeleitet. AllerbtngS hat ber Sefer ftch fteB vor Augen
ju halten, baß ^offmann nicht hifBrtfch vorgeht, fonbern, ohne ftch
beffen bemüht ju werben, ba$ überfommene clafftfche (ober baroefe)
Sföuftfgut romantifch umbeutet. SWtt biefem Vorbehalt gebe ich
im folgenben einen furjen AuSjug and Ettingerg Darlegungen:
J^offntannS prafttfdhe Übung in ber Sonfunft ijl tn gleicher SOBetfe
wie bie ihm innewohnenbe ^poetifche Äraft biefen Beurteilungen ju#
jiatten gefommen. Snfolge ber SSertrauthett mit ber mujifalifchcn
^ormenf^rache, bie er ber unau§gefe$ten Übung im mujtfaltfchen @a£e
verbanfte, fonnte er bte äußere ©tructur be$ ju befprechenben SDBerfe^
ftchcr erfafen. Unb bie Eingebung, mit ber er ftch ä«m B^ect eigener
fchaffenber Arbeit in ba$ barnaB in ber SDhtftf Erreichte verfeufte,
machte e$ ihm möglich, ba$ Äunjtwerf unmittelbar nachjuempfütben
unb gleichfam au$ ftch h era u$ neu ju fchaffen. ©o berücfjtchttgt er
in feinen Befprechungen auf ba$ genauefle ben äußeren Aufbau be$
SEBerfeö unb verbietet jugleich ben ©timmungSgehalt burch poettfehe
SBorfteffungen. Er fchiebt babet an bte ©teile ber mujtfaltfchen ©tn#
brüefe verwanbte ftchtbare, förderliche, unb verjtnnbilbltcht fo bte
©rmtbfltmmung be$ ÄlangeS burch äußeret ©efchehen. ©o verbin#
bet er in 2öacfenrober$ Art, aber weit vtrtuofer aB btefer, ba$ roman#
ttfcf)e J^eltbunfet mit etttbrucBvoßer, ftnnfälltger Darjiellung.
Den SKecenftonen pflegt er ausführliche allgemeine Betrachtungen
voranjufchtefen, bte ben Sefer tn ©tanb fe§en, baS ju befpredjenbe
SBerf richtig ju würbigen. Sn biefen Einleitungen hanbelt er, hifto*
*) ©eit 1816 hat Jpoffmamt bann, wie hier oorweggenommen werben mag, au$=
führfiche 3lufführung$beri<hte für Berliner Blätter gefdjrieben, al$ lebten ben
oben wieberholt erwähnten über bie Bremiere be$ ‘Sreifchüb’. Die Ipauptreibe
biefer Arbeiten ift auf ®runb flilifiifcher Snbtcien von gelir £affelberg ermittelt,
aber noch nicht wieber abgebrueft.
724
[23]
rtfd> ober grunbfä<d), u. a. über bie in 4 ?a 9 bn, ÜÄojart unb ©eet
hoben errettete ©lüte ber Snftrumentalmujtf, über bte Optnpfyonte,
beit Dpenttejt, bte ®efd)td)te ber Oper, ba$ franjöftfdbe ©ingfpief,
ben Urtterfc^teb bon Sieb unb Arie, ba$ SGBefen ber Ätrdbenmuftf unb
baS Oratorium. Er berfutfjt tu btefen Darlegungen, ftcf) über bte
in bent tnnerfien SßBefen ber Äunfi begrünbeten ©efefce flar $u »erben,
lenft aber babet feinen ©lief immer »ieber auf ba$ gefd)id)tltcb
©eworbene. Soterant and) gegen geringere ÄünfHer, fobalb er reb*
liebe ©entübung feflflettt r beutet er ben ©eift ber großen SWetfler tn
einer SßBeife, bte bor t^m ntemanb geahnt, nach t^m ntemanb über*
troffen f)at.
dl
ßlufifaUffye <&v$ä1)lungtn
k orf) trn Sabre 1808 erwuchs J^offmann aus ber ^orm ber muftfa*
r lifdjen Erörterung eine neue ©attung: bie romantifcbe ntuft*
’ fafifct)e Erjäbtung. Die ©cbriften biefer Art Ratten bet
4?offmann bon born herein einen ftarf offenjtben Ebarafter: (te ftnb
nacfybrücfltcfy in philiströs gerichtet, ©leid) in bem erften SOBerfe biefer
©attung, bem ‘Witter ©lucf 7 bon 1808, läßt Jpoffmann einen 0Babn*
jtnntgen ben ©erltner SfÄufffbetrieb berfpotten, unb er ffcettt jtch habet
burchauS auf bte ©eite beS fföabnftnntgen. 1810 fcbtlbert er feine ©am*
berger SRujtfle^reregiflens bitter tn ben ‘2RujtfaItfd)ett Setben beS Äapeff*
metfferS SobanneS Breisler’. 1812 berietet er als retfenber Entbu*
jtafl über eine ©amberger Aufführung beS feit ber ©tubentenjett ein?
gefyenb ffubterten unb über affeS bewunberten ‘Don Suan’, bei ber
t'hm eine böfftg neue Deutung ber J^anblung aufgebt, über bte beute
noch geftrüten wirb. Affe bret 3ßerfe ftnb tu ©ejug auf greifbare
Anftbaulidjfett faurn ju überbieten, unb trofcbem tff namentlich baS
brüte, ber ‘Don Suan’ bon einer faff beifptellofen magtfcben $raft
ber ©ttmmung.
*
Sföit btefem außerorbentlidjen SOBerf unb ber ©efprerfjung bon ©eet*
bobenS SrtoS fließt bie erffe J&älfte bon $offmamt8 SKctfferjeit.
725
[24]
2>te jat)Iretcf)cit ©cböpfmtgen btefer neun Safjre gehören, me nur
gefehlt fyaben, alle trgenbnne ber Sonfuttji an; fte flehest burrfjweg
auf einem fyofyen ^ibeau, unb ber ^reunb JJoffmannö rotrb immer
mit befonberer Siebe bei btefer Seit bermetlen — wenn auefy bte fyöcf)*
ften SEßcrfe ber jmetten J^äCfte borbefyalten blieben.
726
[25]
Zanitt Hälfte
l8l3—l822
3Me gmette *£ätfte bon J^offmanttS ÄünfHergeit Beginnt am 2fBenb be6
15. gtbruar 1813 mit einer Unterrebmtg gmtfehen thnt nnb feinem
©amberger SSerfeger $ung.
Betrjjansa / J&agtutffeur / Utt&fne
offmann hatte ftd ) gerate borgenommen, bte lange aufgefcho*
Bene @ompo|ttion non gmuque’S ‘Unbtne’ gu Beginnen, aBer
(K $ung mußte ihn gu Beßimmen, borher für eine non it )m ge*
plante Sammlung ^offmannfetjer Stuffa^e eine ausführliche Satire auf
bie ©amberger SalonS gu berfaffen, bte ‘92acf>ric^t bon ben neueßen
Schicffalen be$ [bon @erbante$ erfunbenen] J^unbeS ©erganga’.
28ar ^ier noch btelfad) bon SWuftf bie Siebe, fobaß man bte 3Cr6eit
bt$ gu einem gemiffen ©rabe als eine ^ortfefcung ber ‘SWußfaltfchen
üetben be$ ÄapellmetßerS ÄretSler’ anfprechen fann, fo führte gleich
bie fotgenbe Grrgählung für Äung auf etn ©e&tet, ba$ für ben J$off*
mann ber lebten Seit charafterißifd) ißt unb ba$ immerhin im ‘25on
Suan’ fd)on geßretft morben mar: bte ^rage nach bem gehetmniS*
bollen ©tnffuß etneö ßarfen SOBtffenö auf einen fchmächeren mittels
magnetifdjer Äraftü6ertragung. tß ber ‘Sföagnetifeur’, ber mit
gmei größeren Unterbrechungen mühfant bom Sföat BtS gum 2(uguß
1813 gu ©nbe geführt mürbe.
3n einer 9>aufe ber 2CrBett am ‘attagnettfenr’, am 1. Sult 1813, mürbe
entlieh bte ‘Unbtne’ Begonnen. 2fBer auch fte tß erß nach langen
Unterbrechungen gu ©nbe geführt morben, 13 SBonate nach ©egimt.
Diefe erfle größere Giompoßtion ber Spätgeit Blieb auch bie lefcte,
unb fo fei e$ geßattet, bte £>per an ber $anb etneS 1906 gefchrte*
Benen 2tuffafce$ bon J£an$ spßfcner, ber befamttltch einen Älabter*
auSgug bon thr Beforgt ))at f furg gu mftrbtgen:
£>te £)ubertüre unb bte großen Grnfemblefä&e ßnb mit ßeßerer $anb
hingeßeßt unb geigen ben mit ber $ornt mohlbertrauten SDUtßfer.
727
[ 26 ]
Überhaupt tfi bie Sechntf be$ ganzen SOBerFcö eine burcf>auö ernjle;
fogar eine gewtjfe SBorlteBc für fontrapunftifche SMbungen tft ju fee*
obachten, bie oft gu einer nicht funjHofen, wohlftingenben «Potyphonie
führt. Üßa$ bie SWelobie angeht, fo flnb manche Itebförmtge ©tücfe
SWogart« würbig. Ste J^arntontf tfl logtfeh, immer bramatifefe au£*
brucfSooß, fprechenb nnb beutenb, mitunter fafl !üfen gu nennen, £uch
Settmottoe ftnben ft<h, häufiger unb confequenter al$ bei SOfogart nnb
Söeetfeooen, früher al$ bei 3Befeer: Unbtne, Sühfeborn, ber 'Pater QtiU
mann jtnb burd) etn fotrfjeö fenntltch, anbere ßftotioe feegetchnen bte
SOBarmtng oornt Sreuferuch nnb ben rührenben 2tbfdfeteb Unbinenä.
Sie Snjtrumentation weift guwetlen befonbere Reinheiten auf.
befonberö bemerfenSwert erscheint e$ 9>ft&nern, baff #offmann, ber
leibenfchafttiche Sßereferer nnb -Senner ttalientfcher SOtujtf, feinen ita*
Kentfcfeen Bug in biefem SGBerfe habe; gegenüber SOtogart mute eö
beutfcfe an unb fei infofern ein SÄtttefglieb gwtfcfeen SÄogart unb
SOBeber.
3n ben Raufen ber ‘Unbtnen’*@ompofttton, tnSfeefonbere in ber Bett
gwifdfeen bem 17. Stooemfeer 1813 unb bem 17. Suni 1814, in ber
bie Arbeit an ber faum h^b ooßenbeten ‘Unbtne’ fo gut wie ooß*
ftänbig rufete, entjianben gahfretefje wichtige Schriften, barunter ber
‘©olbne Sopf unb ber erjie Seil ber ‘©fixiere be6 SeufetS’. 2tn
jebe btefer betben Sichtungen fnüpft (tcf> eine SKeÜ)e ähnlicher an,
bie man atö pfeifofopfetfehe SÄärchen refp. afä bämontfehe ©rgähtungen
begeichnen fann. Sa bie gutefct genannte Üteihe früh lieber abbricht,
möchte ich guerjt befprechen, obwohl bie ‘©Kstere’, an bte fte an*
fchltejjen, jünger finb al$ ber ‘©olbne Sopf.
Bit öämonff^en CtrsäJjiungen
—i te 1814/15 oerfajjten ‘(SKjnere be$ SeufelS’ beruhen auf einer
fataltfitfchen ober genauer gefagt bämontfehen SÖeltanfchau*
ung, wie öor ihnen in gewiffer SBetfe fchon ber ‘Son Suan’
unb ber ‘SKagnettfeur’ unb wie nach ihnen unter anberen bte bret
1815/16 entjtanbenen oon Öffenfeach oertonten ©rgählungen (bte‘2(ben*
teuer ber ©t^oejternacht , , ber ‘©anbmann’, bie Srefpelgefchichten) unb
728
[27]
baß 1817 gebichtete ‘0ttajorat\ Ser franjßfffch frfjrctScnbc ^aul©ucher,
ein ©cf)üler beß bortrefflicfjen 3?obaltß# unb Sftte&fche# Interpreten
#enri gtefffenberger, l)at 1911 in ber mettauß beffen gelehrten Arbeit,
bte btö^er ,£offmannß Stiftungen gemibmet iff, gejetgt unb SOJag ^Ptr*
fer f)at eß in feiner außgejetchneten ©efprechmtg btefeß 9Berfeß ttoeiter
außgeführt, baff #offmann occulte fetnbltche SDZächte poffuliert, bte
plö|tich auftauchen, um ben SÄenfchen hinterlistig unb tücftfch auf
©chritt unb Sritt ju belauern, Stefe ‘bunfle SWacht’ f>eftct ftd) an
irgenbeut unbebeutenbeß ©retgntß unb lähmt bon ba an jeben SGBtllenß#
entfdjluff beß gelben. Saß ben Sefer beflentntenbe pafffbe gebenß#
gefüf f, baß biefen Sichtungen ju ©runbe liegt unb baß u. a. ebenfo
borherrfcht in Stecfß rontanttfefjen Sugenbmerfen (tch erinnere nur
an ben ‘©lonbett Grcfbert’) wirb berffärft burch 33orffeffungen bon
SSererbung beß arafterd, ja bon außgefprochener@eetenmanberung;
ein unb baßfelbe geben mit aff feinen fchauerltdjen Verbrechen mirb
in berfeftebenen ©enerattonen mteberholt,
2Bte tch berettß tm £erbff 1921 in einem Vortrage über bte ©rjähler
ber beutfeben Stomanttf außgefüljrt habe, bürfte btefe büffere gebenß#
anfteft .£ofmannß tn erffer gtnie jurüefjuführen fern auf bte tiefe
Serfenfung in ©alberönß Sramen, bon ber feine ©riefe unb 2luf*
fä§e auß bem ©ommer 1812 3en9ntß ablegen. Ste gebenßanfifauung
unb bte Äunff btefeß Gtlafffferß ber ©egenreformation iff in Suliuß
$artß ju menig befannter ©efchichte ber SOßeltliteratur unübertrefflich
jufammengefafft; tcf> fann bie ©runbffimmung ber ‘©tijtere beß Seufelß’
unb ber bermanbten Sichtungen- J^ofmannß nicht befer charafte#
rifteren alß burch «£artß 2Borte, obgleich btefer babei nicht im ent#
ferntefien an J^offmann gebacht hat: „Älagenbe ©ttmmen, gaute ber
SEBehmut taffen auß ber ©alberönfifen *Poejte herbor, unb ein trüber
$lor ber SManchotte liegt über ihr berfchlungen. Sn aff bem
©lühenben unb ©länjenben, tn aff ben färben unb gichtern ffeft
fchmetgenb ein bunfler ©ifatten, ber unß aufregt, heimliche ©cfauer
burch unfere ©eele jagt; unb bur<f bte üppige, jtnnltche, beraufifenbe
STOufff f fingt unaufhörlich, unabläfffg etn bumpfer, fernerer Sou,
mte ber ferne J?aff einer Sotenglocfe, unb läfft bie Serben erjittern."
Ser 3«faß/ baß ©chtcffal, furj baß, maß ffcf nicht auß bem ©ptel
729
[28]
ber Kräfte errechnen lägt, wirb für ©alberön, wte J$art weiter au«*
fügrt, „$u einem g-ingeren, 2>ämontfcgen, $u einem Ungetmttcg*@e*
fpenftifct>cn unb ©rauengaften, ba« über bem Sehen gängt, beffen
STCicgttgfeit unb bte ©cgwäcge be« Sftenfcgen erweig, unb wteber ju
einem SDtygtfcg^unflen, ©rgabenen, ba« bte ©eele non 2lnbacgt*
fdjauern erbeben lägt. 2Bogt begfjt ber SDlenfcg einen freien SOBtllen,
bocg ig er audg wie bte 2Bellc, bie non ©tetn ju ©tetn ginfällt.
Über bem bltnb Saginfdgrettenben wognen gögere ©ewalten. ©tn
guter unb ein böfer ©ngel gegen $u feiner SKecgten unb Sinfen unb
führen tgn burcg ba« bügere enge $felfental be« Seben«. Sn jenem
»erfordert gd) ba« ©cgicffal al« gtntntlifcge ©nabenmacgt, in btefem
ba« ©cgicffal al« llrfcgulb unb ©rbfünbe. Sener eine bumpfe,
fcgwere $on, ber mtabläfgg burd) bte SMujtf ©alberön« einförmig,
erregenb gtnfltngt, fliegt mit geroor au« btefer SMancgolte be« $ata*
li«mu«. ©r t)at etwa« Sägntenbe« an gcg, wie bte 2(gnung eine«
fcf)weren geretnbrecgenben Ungeil«, unb ba« Sagenbe eine« ^Ipbrude«;
über ber ganjen SOBelt be« £>tcgter« liegt ein großes langen au«*
gegoffen, ein bumpfc« ©rwarten. 9ttit gebunbenen «Oänben gegt ber
Sftenfd), ein Äraftlofer, etn SSerurteilter, unb garrt mit weitgeöffneten
franfen ^ttgen in ba« Siegt be« Sage« gutem. ©r weiß, bag auf feine
©tärfe niegt« megr anfommt unb bag er ntegt« megr al« ein £>pfer
tu ben J^änben einer gögeren ©ewalt tg. $B3a« f>at biefe über tgn
befcgloffen? SEßirb ge ifjn »erurtetlen, ober wirb ge tgn begnabigen?"
2>te SßBucgt, mit ber bie gterger gehörigen ÜBerfe, infonbergett bte
‘©lijtere’, ber ‘©anbmann’ unb ba« ‘ÜÄajorat’, gd) bem ©ebäcgtnt«
be« Sefer« etnprägen, »erleitet baju, btefen ©tnbrud für $offmann«
ganje sprobuetton ju »eraßgentetnern. £>em gegenüber möchte teg mit
9lacgbrucf gerworgeben, bag bie foeben bargelegte gngere, fatatigifeg*
quiettgtfege äBeltangcgt gd) in »oller ©tärfe nur tn SBerfen au« ben
Sauren 1812—1817, tn«befonbere au« ber Seit »om SDtärjl814 bt«
jum ©eptember 1816 bemerfbar mad)t. ©egon 1818 fag «ßoffntann
felbg auf biefe Seit »te auf etwa« Überwunbene« jurücf. Sut Sc#
tober biefe« Sagre«, wägrenb ber 2lrbett an bem freien unb getteren
Stöärcgen ‘Älein Sutge«’, fegreibt er einer Äunggenofgn, bte tgnt tgre
.ßulbtgung bargebraegt: „®ewtß gegen ©te etn ju gängige« 9Sor*
730
[29]
urteil für meine SOBerle, ba$ mich jwar ehrt aber auch jugleicb
befcbämt, ba ich bis jegt, ba$ 3Äärcf>en bom golbenen Sopf
oielleidbt ausgenommen, nichts öon eigentlicher ©ebeutung ge#
liefert".
Bit JHätdjew
3 n bem Sföärcben, baS J^offmann hier mitütecbt beröorbebt, unb in
beu fpäteren Sichtungen ber gleiten ©attung bält.£offmann ftcb
im wefentlidben frei bon bem läbmenben Stngiigefübl, ba$ bcn
©runbton ber eben befprocbenen Sichtungen bilbet. Ser‘®olbneSopf
ijt gTettf) bem erften Seil ber‘©lisiere’ in ber großen ‘Unbtnen’#9>aufe,
unb jtpar im ÜBinter 1813/1814 entfianbon. J^ofmann bezeichnet
baS ÜBerf als ein „SÄärcben aus ber neuen Seit": tatfädblicb ift eS eine
in ber jüngjien SBergangenbeit in SreSben fptelenbe ©efebtebte mit
mptbifdjen, in ber Urjett liegenben 33orauSfegungen. Ste britte unb bte
achte ber zwölf „SBtgtlien" geben ben ©runbgebanfen, ber ftcb febon bei
bem franjö|7f(ben STtyjttfer @aint#9)?arttn ftnbet, beffen Jf?auptwerfe ge#
rabe 1811 unb 1812 tnS Seutfcbe überfegt mären: b er %unfe ber © r#
fenntn iS bat bte urf^ünglidbe ©inbeit ber Sftaturjej^xengt r j>etubeiliflec
©fnflfl ttgberll §e fen gefiortr^ibtEBeTtfi^feln SKiKioneu einanber frember
©intelfeeleu- 4 erffi atten; baS ©in;etwefen ?ann nur tu m ©lücf gelangen,
w enn eS ffeft bem 3tltw efen bingibt. Sie Socbter besl^eiflerfurften fagt
in ber achten SBigtlie bem ©tubenten 2lnfelmuS oon jtdb unb tbren beiben
©cbwefient, bie beu SJttenfcben in ©cblangengefialt erfebeinen: „Bur
^rübitngSjeit fotten fte ftd) tu ben bunflen Jpolmtberbufcb bangen
unb ihre lieblichen Ärtfiattjttmmen ertönen laßen, ftnbet ftcb bann in
ber bürfttgen, armfeltgen Beit ber innern SSerftodPtbeit ein Süngltng,
ber tbren ©efang öermmmt; ja, blieft ibn eine ber ©cblängletn mit
ihren bolbfefigen Singen an; entjünbet berSBltcf in tbm bie 2fl)uung beS
fernen tounberoollen SanbeS, ju bem er ftcb mutig emporfebwingen
fann, wenn er bte ©ürbe beS ©emetnen abgeworfen; leimt mit ber
Siebe zur ©cblange tn ibm ber ©taube an bie ßBunber ber 9?atur, ja
an feine eigne ©jijienj inbtefen äBunbent glutooH unb lebenbtg auf—
fo wirb bie ©cblange fetn."
731
[30]
3n berfcgtebenen «Richtungen abgewanbelt gat ^offmann baS Sgema
beS ‘©olbeneit SbpfeS’ tn jroet Steigen anbcrcr SKardgen: 1816/17 an*
f^rurfjölcö tn ben beiben Äinbermdrcgen ‘Stußfnacfer unb SJtaufeföntg’
unb ‘SaS frcmbe $tnb’, fett 1818 ttt größerem Stagmen ttt ben bret
©üegern ‘Älein 3ad)eS’, ‘sprtnjefßn SBrambiKa’ unb ‘SDtetßer g r lo^ > .
3m 'Äletn Bac^cö* fagt ber (Seißerfürß ju bem Stubenten SBaltgafar:
„3cg liebe Smtgltnge, bie fo tote bu, mein $3altgafar, ©egnfucgt unb
Siebe tm reinen «£erjen tragen, in bereit Snnerem nod) jene gerrltche
2ffforbe nribergallen, bte bem fernen Sanbe nott göttlicher ©unber an*
gehören, baö meine «ßetntat iß. Sie glücfltdjen, mit biefer innern SDtußf
begabten SJtenfcgen ftnb bte eütjtgen, bie man Dichter nennen fann...»
— Sir iß (tch weiß eS, mein geliebter Sßaltgafar), bir tß eS jmoetlen
fo, als nerßünbeß bu bte murmelnben Duellen, bie raufchenben SBaume,
ja al$ fpracge baS aufflammenbe 2lbenbrot ju btr mit öerßanbticgen
©orten! — 3a, mein SBaltgafar, in btefen Momenten »erßegß bu wirf*
lieg bie wunberbaren Stimmen ber Statur, benn auS beinern eignen
Snnern ergebt ßtg ber göttliche $on, ben bie tounberoolle Harmonie
beS tiefften ©efenS ber Statur entjünbet."
©te man auS ben beiben groben erßegt, ßnb auch btefe Sichtungen
JJoflfmannS ber emptrtfegett ©eit, bem aftioen Sehen entgegengefegt;
aber ihre Steßgnation iß eine heitere, befreienbe, fern »on bem
Srucf unb ber Dual ber fataltßifcgs-bämontfchen Qrrjäglungen.
J&offmannS SRärdjen ßnb tn unferen Sagen jum erßen SJtale bichtcrtfdj*
gefiUjtömäßig gemürbigt burdj Sticarba $ucg (1899); roijfenfchaftltcg
unterfliegt ßnb ßc jum erßen SOtale non $rtg ©trteg (1910) unb 3o*
gann (terng (1911). Ser Sichter, Überfeger unbßrffagtßStidgarb »on
©cgaufal, ber als leibenfchaftlicher Verehrer J£>offmannS feit einem
SOtenfcgenalter immer bon neuem öerfuegt hat, bte ©eßalt beS ®elteb#
ten ,;u befegroören, hat 1922 bte Senbenj unb bie Secgntf biefer SOtär#
chen fo anfdgaultcg gefchilbert, baß tch nichts 93effereS tun fann als feine
©orte herfegen: „«OoffmannS gelben gegen alle in ber ©eit irre; ße
fegeinen ben SRenfcgen, bie ßcg mit tgr abjußnben robuß genug ßnb,
lebensunfähige Starren: aber ße gaben bie 2(nn>artfcgaft auf etn gögereS
Sehen, baS ße in einer bon ben Stobußen niegt geagnten ©etfe beglücft.
Siefe gögere ©trflicgfeit aber — baS iß jugleicg bie non ßoffntann
732
[31]
erlebte SEBeltanfchauung unb feine befonbere 2hrt, tn feiner Äunß
®eßalt $u geben — ßeht tn ber allen gemeinen 2lrt wie ein $alaß
au$ einem anbern als irbtfehen ©toff ober wie ein Siegenbogen, burch
helfen farbiges 25afein ÜBälber unb SOßtefen fo wte fonß fytnburcfj*
gehen. 25er baju berufene SRenfd) erlebt btefe SOBtrfltchfeit als ©egen*
wart, währenb feine nächße Umgebung baran nicht teilhat. ©S iß
ber SOtythoS, bte ©ptegelung beS menfchltchen ©rlebenS tm Über*
unb Untertrbtfchen, ber „©inn" beS Bufäfligen. Slteßge ©chatten,
unheimliche unb groteSfe, wanbeht gletcbfam runbum mit 25enn
btefe bo»pelte ober bretfache SOBelt tß runb unb bewegt jtd) auS ihrem
ÜRittelpunft, ber aljnungSöoUen #nfd)auung beS 25td)terS, gefefcmäßig
wie fonß eine SOBelt. £>te bem SBerufenen als SWittler fdßcffalS*
gemäß trgenbetnmal entgegenfommenben Vertreter biefeS in baS 25teS*
fettS unßrfßbar eingebauten SenfettS ftnb threrfeitS bem Seben beS
SageS trgenbwte auf regelmäßige SGBetfe eingegltebert, finden ihre
förderliche Slolle, juwetlen freilich mit einigen auffälligen ©onber*
barfeiten* ©o tß ber gefrönte ©alamanber C®olbner $odf’) fönig*
Itcfjer 2frd)ibartuS unb lebt in 23reSben mit feinen brei Töchtern, »on
benen etwa ©erpenttna eben ©labterßunbe hth* ^ProSper 2UpanuS
CÄletn BacheS’) beft^t ein SanbfyauS »or ber ©tabt, helfen SOBmtber
fid) fo wie ber Baubergarten beS 2lrchtöartuS Shtbhorß bem banalen
©ernüt, aber aud) ber profatfehen 2htwanblung beS poettfefjen als
burchauS nicht bewunbernSwert erwetfen. späte 15ro|felmeter CStuß*
fnaefer unb SRaufefönig’), beffen geheime SRadß bloß bie flehte SRarte
fennt, iß ben anbern etn jwar fchrußenhafter unb ‘fwißlither’ SRann,
aber nichts weniger als geheimnisvoll; bte SlevenantS, bie burch bte
‘Sfbenteuer ber ©ilbeßernacht’ unb bte nicht nttnber abenteuerliche
berliner ©egenwart ber ‘Sörautwahl’ fchretten, fowie bte SOßteber*
berförperungen»onspflanäen,@entett unb Dämonen, bte auf berbürger*
liehen ©eene beS ‘SRetßer $loh’ i^r jum $etl poffcnfjafteö ÜBefen
treiben, ßnb immer wteber, fojufagen öon vorn befchen, was bie
©totlßanbeSregtßer von ihnen auSfagen; mit einem SRal aber ßeßt
biefe unheimliche. SOBelt wte bie gee Stofabelverbe (‘jfletn BacheS’)
„tn aller Fracht unb Roheit ßrahlenb" ober wte 25apertutto C‘3tben*
teuer ber ©tlveßernacht’) tn hößtfeher ©lorie vor bem ^ellßchttgen."
[32]
733
föU SUetsiet^Bfdjtungett
leiden SRangeg neben ben bier großen Sföärdjen, bie «ßoffmann
I yjf\ afö pl)tlofopf)ifd)en 2)td)ter geigen, jtnb feine immer wteber auf#
V__y genommenen $erfud)e,jitmiigeneil^ mitfeiiten^uaffnungen,
feinen ©nttäufd mngen unb fei ner © efefteibung auf ein ©lücf, ba$ nich t
bon btefer SBett ifi^ üt ben #tgur beä-ÄapettmeijierÄ- Ämgler. -gu
f^UbmL-—Jtaci) £>$watb ©penglerg Urteil ber tiefjlen poetifdjen
(Sonception be$ beutfdjen SÄujtferg, bie als bicf)terifcf)c ©eftalt eben#
bürtig neben gmuft, SBertfjer unb 2)on 3uan jtefye.
ÜÖte .ßoffmanng Sagebüdjer geigen, trug er in ©amberg jahrelang
bie Siebe gu einer @efanggfd)ülertn in fid) unb mußte bann er#
leben, baß baS geliebte SÄäbdjen auf ben ÜBunfd) tfyrer STOutter
einen förperltd), moralifd) unb geifiig minberwertigen, aber angeb#
lief) fefjr wol)ll)abenben jungen Kaufmann efjeticfjte, ber jte bann —
nebenbei bemerft — in wenigen Sauren, nod) gu J&offmanng Seb#
geiten, in jeber ©egteljung unglücfltd) machte, £offmann fd)lucfte
bie @nttäufd)ung tapfer Ijeruttter unb bitbete nad) bem liebliche n
SÄobeH fein ewjgeg Sbeat, feine unfterbti efre © eliebte. ffreigler liebt
bie begnabete ©ängerin Sulia, aber njd)t mit begel)renber ©innen#
liebe, fonbern mit_ber_?iebe beö ÄunjUerä, bie btefen gum ©d) affen
entgünbet
35ag erfte ©tücf biefer 2frt tjl bie gang im Anfang unferer speriobe,
in ber Beit be$ ‘©erganga’, in ©amberg entftanbene f)pmntfd)e
‘Ombra adorata’, au$ ber id) al$ ^)robe bon .ßoffntanng ©efüfjlös»
unb ©pradjgewalt einige ©ä£e l)erfe&en möchte. 4?offmann ober
btelmefjr ber Äapeltmeijter Äreiöler_ ergäbt, wie er ermattet bon. 2W#
tagöarbeit unb bebrüeft bon 2llttagSforgen ben (Soncertfaal betritt,
in bem ein greunb birigiert. Dtad) einer unbebeutenben Ouberture
beginnt baä Stttornell einer 3lrie:
war fet)r gart gehalten unb fcfjten in einfachen, aber tief
in baä Bnnerfie bringeitben Sönen bon ber ©efynfudjt gu reben,
in ber fid) bag fromme ©emüt gum Fimmel auffdjwingt unb
alteg ©eliebte wieberfmbet, wag tl)m tjtenteben entriffen. — 9tun
734 [33]
flrahlte wie ein IjinunlifcM Sicht bie glocfenheltc Stimme eine«
grauenjimmerS au« bem Drd)efter empor:
„Tranquillo io sono: fra poco teco sarö mia vita!“
äöer »ermag bie ©mpjtnbung ju betreiben, Me tntd) burd)#
brang! — 3Bie löfle jtch ber @d)merj, ber in meinem Snnern
nagte, auf in wehmütige ©ehnfudjt, bie himmltfchen ©alfam in
alle SEBunben goß. — AHe$ war «ergeffen, unb td) ^ord)te nur
entjüdt auf bie Sone, bte, wie au$ einer anbern 9Belt nieber#
fletgenb, mich tröjlenb umfingen. —
©benfo einfad) wie ba$ SRecttatfo ijl ba$ 5^ema ber folgenben
2£ric: ‘Ombra adorata’, gehalten; aber ebenfo feelettöoß, ebenfo
in baS Snnerfte brtngenb, fprtcht e$ ben Bujtanb be$ ®emüt$
au$, ba$ non ber feligen Hoffnung, in einer böseren, befferen
ffielt halb aHe$ tyrn SBerheißene erfüllt ju feb,en, fid> über ben
trbifdjen ©djmerj hwwegfchwtngt.
©$ folgt eine fdjöne Sbarafterijlif ber ©ontpojttton; bann fährt
J&offmann fort:
Aber wa$ foU td) »on btr fagen, bu herrliche Sängerin! STOit
bem glüf)enben ©nthuftaSmuS ber Staliener rufe id) bir ju:
„Du non bem Fimmel ©efegnete!" Denn wobl i(t e$ ber ©egen
be$ .£immel$, ber beinern frommen, innigen ©emüt nergönnt,
baß im Snnerften ©mpfmtbene b c ® »nb b^rltd) Hingenb er#
tönen gu laffen.
Üßie bolbe ©eifler haben mich betne Söne umfangen, unb jeber
fprad): „Slidjte betn «£aupt auf, bu ©ebeugter! Bwh* niit un$,
giebe mit un$ in ba$ ferne Sanb, wo ber ©chmerj feine blutenbe
9Bunbe mehr fdhlägt, fonbern bie ©rujl wie im hödjften ©nt#
jüden mit unnennbarer ©el)nfud)t erfüllt I"
3d> werbe bfch nie mehr hören$ aber wenn bie 9lid)t$würbig#
feit auf mt'd) jutrttt unb, mich für ihresgleichen ^attenb, ben
Äantpf beS ©erneuten mit mir begehen, wenn bie Albernheit
mich betäuben, beS Röbels efelhafter J^ohn mich mit giftigem
[34]
735
©tatfjel »erlegen will, bann wirb in beinen $onen nur eine
trojtenbe ©etjterjiimme jultfpeln:
„Tranquillo io sono: fra poco teco sarö mia vita!“
3« einer nte gefugten ©egeijterung ergebe ich mich bann mach*
ttgen Sftugeg über bie ©chmach beg Srbifchen; alle Sone, bie
in ber wunben ©ruft im ©lute beg ©chmerjeg erfiarrt, feben
auf unb bewegen unb regen ftch unb [prüfen wie funfelnbe
©alamanber bligenb empor; unb tcf> tiermag fte ju faffen,
ju btnben, baß fie, wie in einer *feuergarbe jufammen*
haltenb, jum flammenben ©tlbe werben, bag beuten ®e*
fang — bid) — »erflärt unb »erherrlidht.
Die legte unb größte Arbeit btefeg Äreifeg ift bie ‘^ragmentartfdje
©tographte beg ÄapeHmeiJiergSohanneg Äreigler’.
2fucf) aug biefem SOBerfe rüde ich mit Äürjungen eine ©teile ein, bie
mit ber eben cttterten im 2Befen »erwanbt tjl, wenn Jte auchJitßMich
^umorißrrd)_gefdrbt i(t. Die*Pr inaef(tn4?ebwiga berichtet bem Äapeß*
metfier ßretgler, ber ffc^ ttt ber SKujtf unterrichtet, baß ein 'Sttaler
Seonhar b Ettlinger ihre B utter gelieb t habe unb barüber wahnjinnig
geworben fei. Äretgler erwibert, bann fei tu Ettlingerg ©ruft nicht
bie Siebe beg ffünftt erg aufge^angen. 31 uf bie grage ber tyxin*
jefftn, wag er bamit meine, unterfcheibet er $unäd) ft, frei nach ©rentano,
alle SKenfchen in fold)e, bie gute Seute, aber fd)led)te (ober »ieltnehr
gar feine) SKujtfanten feien, unb in eigentliche SÄuftfanten. 9Zach
btefer Einleitung fd)ilbert er, wie bie guten Seute fid) »erlieben unb
ben ©egenjtanb ber Siebe h c «nfwt) r w ttt bag ©efängntg ber Eh*,
©ie fchreien bann etwa: „£> Fimmel, fte ijt mein, bie ©chönfte!
3W mein fetjnenb hoffen tji erfüllt!" „3llfo lärmenb", fährt Äreigler
fort, „gebenfen bie guten Seute eg nachjumadjen ben SKuftfanten,
jebod) »ergebeng, ba eg mit ber Siebe btefer burdjaug jtch anberg
»erhält. — Eg begibt jtch wohl, baß befagten STCujifanten unfehlbare
#änbe urplögltcf) ben glor wegjtehen, ber ihre 3lugen »erhüßte, unb
Jte erfchauen, auf Erben wanbelnb, bag Engelgbilb, bag, ein fitßeg
unerforfchteg ©eheimnig, fdjweigenb ruhte in ihrer ©ruft. Unb nun
lobert auf in reinem J&immelgfeuer, bag nur leuchtet unb wärmt.
\
V
736
[35]
ohne mit öcrbcrfeftcfjcit flammen gu berntdhten, aKeö Mgücfen, alte
namenlofe Sßßonne be$ t>öf>creit, au$ bent Snnerften entporfetmenben
Sebenä, uttb taufenb gühlhömer jirecft bcr (Seift au$ tu brünjtigem
Verlangen uttb umnefct bte, bte er geflaut, unb hat jte — uttb fjat ftc
utc, ba bte Seljnfucht ewig bürftenb fortlebt! — Unb fte, fte fetbfjt
i(l e$, bte 4?errliche, bte, gum Seben gejialtete Stauung, au$ ber Seele
be$ ÄünftlerS h^orleuctjtet, al$(Sefang — ©ilb — (Sebtcht! — Ach,
(Snäbtgfte, glauben Ste mir, fet’u Ste übergeugt, bajj wahre S0?uft=>
fanten, bte mit ihren feibftcfjen Ernten unb ben barangewachfenen
J^änben nichts tun al$ paffabel ntujtgteren, fet eö nun mtt ber geber,
mit beut sptnfel ober fonft, tu ber 2at nach ber wahrhaften (Seliebten
nicf>tö auöjtrecfen als getfltge gühlhönter, an beneu Weber 4?anb noch
gtnger beftnbltch, bte mit conbenabler Btcrltdhfett einen Trauring
erfaffen unb anjtecfen fönnten an ben fletnen ginger ber Angebeteten;
fchnöbe 3Re$alltancen ftnb baher burchauä nicht gu befürchten, unb
fcheint giemltch gleichgültig, ob bte (Seltebte, bte tu bent Snnern be$
Äünjtlerä lebt, eine gürfttn tji ober eine ©ücferätochter, infofern
ledere nur feine (Me. ©efagte SKujtfanten fchaffen, jtnb fo in
Siebe gefommen,mttber©egei|ierung be$.£tmmel$ h c **ürf>e SGBerfe
unb flerben Weber elenbtglich bahin an ber Schroinbfucht, noch werben
jte wahnjtnnig. Sehr berbenfe ich baher bent $errn Seonharb
Qrttlinger, baf} er tn einige SRaferet berftel; er hätte, nach ber Art
echter SRujlfanten, bie burcf)Iauchtige grau gürfttn ohne alten SRach*
teil lieben fönnen, wie er nur wollte!" —
Setber tji btefe$ perfönlichfte SDBerf J^ojfmannä nicht bollenbet worben,
ba ber dichter ben JJerbfi 1822, in bem er nach Grrlebtguug anberer
SSerpfltchtungen baö imÄopf langft entworfene legte drittel gu Rapier
bringen wollte, nicht mehr erlebt hat. Setber hat aber auch ßoffmamt
felbft bie SOBtrfung ber gewaltigen Sichtung fchwer baburch beetn#
trächttgt, bafl er in einer unglücffeltgen Saune bte betben erjten drittel
unorgantfeh berbanb mtt einer pojfenhaften Sierfabel, ben ‘Sebent
anjtchten be$ Äaterä 9Rurr’. @rjt tut Anfang biefeö BahrhunbertS
ijl bie ©t'ographie Äreiölerä etngeln erfchtenen, befreit bon bem jlim#
mungämorbenben ©eiwerf, aber bermehrt um bte älteren ÄretSler*
fdjrtften, wie bte ‘SEujtfaltfchen Setben’ unb bte ‘Ombra adorata’.
737
[36]
unb um bie (Sompojttionen, bte Hoffmann ÄretSient jugefcfirteben
fyat, tnSbefonbere baS Agnus dei auS ber SKcfle unb btc betben bor*
^tn genannten A-capella-@l)öre. Der baraaltge Herausgeber iji wegen
fernes feefen Unterfangens mefjrfacf} getabeft worben bon Seuten,
benen bte gwrberungen ber Pietät fyöljer fielen als bte gwrberungen
ber Äunjt. 2fnbere traben tfynt Ütedjt gegeben. Grtn norbbeutfdjer
Dieter fdfyrteb tfym naef) (£rfcf)etnen beS SöucfyeS, Anfang 1903: „@te
traben etwas fef)r SföerfwürbigeS boltbracf|t: nämttef) ber beutfe^en
Kation einen großen Dieter gefefjenft! Denn Hoffmamt war bisher
eine ©pectafttät." Unb nad) ben SBorten eines öfterreict>ifrf)en Dtcf)*
terS, beS bereits genannten ©cfyaufal, tfl bte bon ber Äaterjutat
befreite SMograpljte ÄretSierS „bte fcf^önfte beutfdfye ^rofabtcfytung,
etn $ronjuwei ber SßBettliteratur."
© 0 f)at jtcb auS bem Söhtftfer £offmann bcr sDlufiffcbriftflelter,
auS bem SWuftffcbrtftjteller ber rontanttfd)e Siebter entwtcfelt.
2)aS tjl bie @efd>tcf)tc beS ÄünjiterS «Ooffmann.
Daneben befaf btefer grofe Äünftter noch eine 2(n$abl terf^mfd^er
g-erttgfetten, beren jebe genügt l)ätte, ihren Präger berühmt ju machen.
dt war erfienS, wie eingangs berichtet, »on Sugenb auf etn gefehlter
unb getjlretcber getaner, dx ^at biefeS latent bis $u feinem 2obe
üielfad) angewanbt ju ^PortrattS, ju wtgtgen Äartfaturen, ju Deco*
rattonen alter 2trt, jur SSerfcbönerung feiner 93ücber. Dte bisher öor*
ttegenben SßBiebergaben tiefen atterbingS in ber Sieget ntebt erfemten,
ob bte Originale ftetn ober grof, febwarj ober bunt, mit ber geber
ober bem SÖfeifttft gezeichnet waren. ©rjt in ben legten Safyren gat
(5art ©eorg oon ÜRaaffen brei SBitber, Seopotb $irfcbberg bret weitere
(tton mir oorber ibentifteierte nnb titerartfef) befanntgemaebte) nnb
ÜÖatter ©teffen 36 Origtnatjetdbnnngett ebenen teb als SDlttberauS*
geber je^n weitere einfügte) in Ortgtnafgröfe nnb in ben Original
färben (refp. in SOBtebergabe beS OriginalfirtdEjeS) oeröffenttiebt, fo*
baf jegt wenigftenS ein 2tnbatt bafür öorttegt, ftcb JJoffmannS ©ebaf*
fen auf biefem Siebengebiet »or&uflelten.
BwcitenS bewies J&offmann 1811/12 in 93amberg atS ÜRitarbeiter
J&otbetnS, baf er ein oorjügtteber Dramaturg war. $f)eorcttf<b be*
währte er jtcb atS foteber tn bem Söertcbt über bte Sßamberger dal*
berön^nffübrungen, in ber ©attre ‘25er öottfommene SttafcbtntfV nnb
namentticb tn bem getjlretcben Dtatog ‘©ettfame Cetben etneS tyeattx*
btreftorS’, ben er 1816 tn 93erltn entwarf nnb 1818 atS befonbereS
©udb beranSgab. SDlaj: ^errmann bat 1922 bem Dramaturgen £off*
[38] 739
mann einen längeren SSortrag gewtbmet, ben t<b leibet nur au$
3ettung$bericbten f ernte.
drittens entwtefefte J^offntann ficf> feit 1815 ju bem erften beutfeben
Unterfyaftungäfdjriftjieffer feiner Beit, ©ett ^unbert Sauren jtnb bte
f)ieri)er gehörigen arbeiten in Sänemarf, ©cbwebett, SRußtanb unb
^ranfretd) fo befannt wte in Seutfcbfanb. 3cb benfe habet an bte
‘Formate’ unb ben '2rtu$f)of »on Anfang 1815 unb an bte $af)I*
retten äbnlteben SÜBerfe auä ben legten Satyren; nur aI6 Beifpiel
nenne teb erfienS getjn mehr ober weniger populäre Sttel au$ ben
betben Sauren 1818/19: ‘Soge unb Sogareffe’, ‘SKetfter Martin ber
Äüfner’, ‘Ser Äarnpf ber ©änger’, ‘25a3 ^räuletn non ©cuberi’,
‘Sie Bergwerfe oon $afun’, ‘©tgnor ftormica’, ‘$atntatocbare’, ‘Sie
Brautwabl’, ‘au$ bem Seben eineö befannten SWanneä’, ‘Ser 3u*
fantntenbang ber Stnge’, unb jwettenä fünf Sttel au$ ben legten
anberttyalb Sauren 1821/22: ‘Sie Äönigäbraut’, ‘Datura fastuosa’,
‘SeS SSetterö ßrcffenjter’, ‘SDMjter Sobanneö ÜBacbt’, ‘Ser ^einb’. Sie
©efamtbeit biefer nobeHtjtifcfjen Arbeiten (tei)t jweifelloö f>o^er als
bte Sebenäletjtung ber ©rgä^Ier 2tecf, $ouque unb 4?auff, um nur
bret bon ben beflctt 3ettgenojfen ju nennen; ba$ feböne ©letebgewtebt
i(t ju rühmen, ba$ tn tbnen f)errfcf)t gwtfcben ber ©pannung auf ber
einen ©ette, ber SRübrung unb bem gelegentlichen ©pott auf ber
anberen.
3(ber über biefe SGBerfe, bte $offmann gletcbfant mit ber Knfen
J£>anb gefebrieben, weiß jebe Siteraturgefcbicbte ^inlärtglirfj ju be*
rieten, 4>ier fottte nur »on bem großen ÄünjUer #offmann ge*
fproeben werben, unb meine Betrachtung über biefen fcf>tie^e ich mit
©ebaufate ©age: „2Ber ben Siebter be$ ‘©olbnen 2opfe$’, ber
‘Ombra adorata’ unb beö ÄretSIer einmal erfannt bat, muß tf)n
unter bte berrlicbften ©ieger über ba$ Srbtfcbe aufnebnten".
740
[38]
ftatywovt
3 tt beit Testen Sa^rett iffc eine 3nbuflrie erftanben, bte ftch bamtt
1 befaßt, ©efamtauggaben bon $offmanng «Schriften auf rnecha*
ntfchentSBege (mit ober ohne 93enu|$ung bon 50 3al)re alten
Stereotypplatten) h^JufMen. 3Mefeö ©enterbe, bag mit gleichem
(Stfer in 9torb*, 9Äittel* unb ©übbeutfrfjianb betrieben wirb, gab
mir im ^rüfyjafyr 1925 2lnlaß ju einem ftyarfen 3lbtt>ehrarttfel, ben
bte ‘3ettfchrift für $&ücf)erfreunbe’ foeben, Qünbe Februar 1926, »er*
öfentltcht hat. Um fo erfreulicher tft eg mir, baß gleich barauf
bte borltegenbe Sftjje erfchetneu fann, tn ber mit 2)anf gefcfjtlbert
nttrb, mit weichem ©rfolge auch außerhalb ber auggejetchneten @e*
famtauggaben bon STOaaffen unb ©lltnger tut jibanjtgßen Saht*
hunbert bon ehrlichen ftorfchent bte (Srfenntnig bon J^offmanng
Äunft gefördert worben ift.
3m SKärj 1926
2>er*aSerfaffer
[ 22 ]
741
Harichs ‘Hoffmann’ [II]
[Aus der Einleitung zu ‘E.T.A. Hoffmann und Jean Paul’]
§35. $aridjs ‘$offmonn’ 1920; I: iHttgemetnes.
a) Jöaridjs äfthetifdje Schrift oon 1913.
2Bie id) 1912 in ‘^offmanns Briefroechfel’ $eft 1 S. XLV/VII Dtote ausführlich bargelegt
tjabe, tyaben 9ticarba <bud) im Utooember 1899 unb Frana Blei im 3uni 1900 eine neue
Bewertung oon J)offmanns Sichtungen nngebahnt, unb id) habe 1901 (j. £. neröffentlid)t
im Februar unb 9looember 1902) bie Folgerungen bataus gezogen, inbem ich $offmanns
UBerhe nad) ihrem (roenn man Jo fagen barf) fpecififd)en ©eroicf)t gruppierte unb baraufhin
ein oBllig oeränbertes Silb feiner @ntroicklung [kiaaierte.
<5troa ein 3afjraehnt nach biefer neuen BJertung oon £offinonns f3robuction fegte eine
neue ltterargefdjichtliche ©rkenntnis feiner §auptroerke, insbefonbere feiner Blgthik
ein, bie 1910 oon Frtfc Strich eingeleitet, im S)erbft 1911 unabhängig baoon oon ’paul
Sucher glänaenb burchgeführt unb im Sluguft 1913 oon 2Jtaj Wirker in wichtigen
funkten ergünat mürbe. Sie bibliographifchen Säten finb ben Äennern bekannt unb ge*
hären nicht hierher.
3n bem feiben 3af)re 1913 fchrieb ber bamats 25f8hrige SBalther $arich als Schüler
bes fdjöngeiftigen sprofeffors Philipp SBitkop in Freiburg aum 3roecke ber Promotion
eine „äfthetifche Stubie über $offmanns Jrjauptroerke“. $arich muhte nichts oon ber grunb*
legenben roiffenfchaftlichen Arbeit, bie feit 1910 für $offmanns Sichtung geleiftet mürbe
(oielleicht roeifj er auch heute noch nichts baoon) — aber er las feinen §offmann mit £iebe,
©efchmack unb ülufmerkfamkeit in bem um bie 3ahrhunbertroenbe aufgekommenen Sinne:
er oerglich in meiner 91rt ifjoffmanns Sichtungen untereinanber unb fuchte mit ©lüde
auf bem SBege ber ©inf üfjlung ihren ©ehait au ergrünben. Freilich gab er oft mehr 3n*
haltsangabe als Ülnalgfe unb ging babei fefjr in bie Breite (ber SIbfcfjnitt über bas 93Turr»
5?reislet=S5erk umfafft im Srudi 76 Seiten £ejikon*£)ctao!), aber er gab eine 'Hnjahl guter
Beobachtungen unb feiner Bemerkungen insbefonbere über bie beiben fRomane unb bie
oier großen Störchen. $aridjs Eeljrer S5itkop h“t offenbar bie Ülrbeit als ausreichenb für
eine Siffertation angefehen; bas mar, fubfectio betrachtet, nicht mehr als billig, benn fjariefjs
„Stubie" mar aum minbeften nicht fdjlechter als BJitkops eigenes Opus über bie ‘9teuere
742
[ 23 ]
beutfAe Egrtk’, beffen groeiter ©anb foeben (1913) erfctjlcncn roar. <f)artA mürbe alfo gur
münbHdjen Prüfung gugdaffen, bie er am 22. Februar 1914 beftanb. Seit 9ru* ber 9iffer«
tation unb bamit bte Promotion felbft fcfjob et nodj auf. < H5äre bie Arbeit um Qftern 1914
In itjrem bamaiigen Umfang erftfjienen, fo Ejatte jeher Sadjfeenner fie — groar nid)t als
mefentlidje Sürberung unferer Erkenntnis, roogl aber als bas Iiebensroürbige ©Serk eines
gefdjmarfiBolIen Eiebgabers raillltommen gegdßen.
b) Jrjaricfjs biograpgifAe Stubien 1916-19.
1) 1916 bam $arirf) meine ©usgabe ber Sagebiidjer au ©efid)t, bie, feit 1908 im 9ruA,
im ©ooember 1915 im ^)3aetelfcf)en ©erläge erfAienen roar. Segt erft fing er an, fi A für
ben ©lenf Aen i^offmann au intereffieren. 9Iad)bem er bas ©uA burAgelefen, oer«
fdjaffte er fid) bie brei oorger im gleichen ©erläge erfAtenenen ©ublicationen, bie auf beffen
Sdjlufifelten angeaeigt finb unb um bie er fid) bis baljin nidjt gekümmert batte: ‘S)offmann
unb $fppd', $offmanns fonftigen ©tiefroeAfel (f. o., §30,b) unb bas Fragment einet
©iograpgie §offmanns (f. o., § 32, c). $ariA lernte alfo bas legte meiner im ©aetelfAen
©erläge erfdjienenen ©üeger auerft kennen, unb bas mufite freilich bas ©ergnügen an ben
älteren Arbeiten beeinträchtigen. So las er a- ©• über bie ©ntftegungsgelt ber ‘Unbine’ unb
über iFjoffmanns ©rbeit am ‘©olbnen Sopf’ erft bie ©Sagrgeit in ben SagebüAern unb
bann bie ©rftnbung in ben ©riefen §offmanns. Sein armer Äopf fcbroinbelte; „benn"
— fo klagt er fpäter in ber ©orrebe gu feinem ©uebe — „roas im Sabre 1912 feftauftefjen
fegten, roar oielfacg 1915 als 3rrtum [oielncebr: als Fiction $offmanns] erficgtlid) gemaegt."
9a follte ber Seufel fieg auredjtfinben!
Smmergin entbeAte $arieg bei nägerer ©etraegtung allerlei ©rauegbares aueg in ben
älteren ©ublicationen. ©lein Fragment einer ©iogtapgie $offmanns’ fteüte beffen Eeben
unb ©Serke in ber 3eit oon ©eujagr 1802 bis ©lärg 1804 oöllig neu bar. Unb bie ©ei-
gaben gum ©riefroecgfel entgleiten gaglreuge ©Sinke für ben ©ufbau einer ©iograpgie
§offmanns unb für bie groeAmägigfte ©norbnung einer ©efamtausgabe feiner
Scgriften, für bie icg eine ©uflöfung ber ‘©gantafieftüAe’ unb ber ‘Serapions«©rüber’
in igre ©eftanbteile unb beren ©norbnung naeg ©attungen gur ©iscufjion ftellte unb
ausfügrlicg erötterte.
Segt fag §aricg plöglicg eine ©ufgabe — nein: groei ©ufgaben oor fieg. @r befeglog,
feine äftgetifegen ©etraegtungen Uber <f)offmanns ©Serke naeg meinen ©nroeifungen gu einer
©iograpgie gu erweitern; feiner ©leinung naeg gatte icg alles bagu erforberlicge ©taterial
in ben 3agren 1901—14 bereitgeftellt, fobag er nur gugugreifen brauchte. ©1s groeiter ©lan
follte bann bie ©efamtausgabe naeg ©attungen folgen; boeg baoon ein anbermal.
©efonbers bequem geftaltete fieg bie ©rbeit unferes ©octoranben für bie ^3 lo ck er ©ertobe.
©r fegrieb ben fjauptingalt meines ‘Fragments einer ©iograpgie $offmanns’ bogenroetfe
Sag für Sag ab, mit kleinen rein ftiliftifdjen ©arianten, unb — unterfeglug bie ©orlage?
©ber nein! @r nannte fie (in ber Fußnote ©anb 1 S. 68) als feine Quelle für Sjoffmanns
©rnennung gum ©egterungsrot; biefes bemerftensroerte Sactum (basimroefentlicgen
fegon bei $lglg gu finben roar!) gätte icg „mit oorgügltcgem Steiß" klargelegt unb in jener
Scgrtft bargeftellt. Dixi, fpraeg er fcgmungelnb gu feinem lieben bergen, et aniraam salvavi.
2) ©ber icg gatte niegt nur Uber bie ©locker 3elt gefegrieben; insbefonbere gatte $aricg
in ber erften Sußnote bes ‘Fragments’ meinen ©uffag ‘©us $offmanns $ergensgefcgicgte
1796—1802’ (f. o., § 27) citiert gefunben, unb er mugte fieg für feinen 3roeA natürlich aueg
biefen unb roomöglicg meine fonftigen ©rbeiten oerfegaffen. ©r erbat fie oon mir brieflieg
unterm 2. September 1918, um feine „#offntann. Kenntnis gu ergängen".
@t fuegte mieg bann perfönliA auf unb erroarb oon ben feegsunbbreigig bis bagin für
miA gergeftellten ©rioat« unb SonberbruAen gu fjoffmann bie groölf, bie bamals noA gu
gaben roaren. SA mies ign bei biefem erften unb legten ©eifammenfein, bei bem er glelcg<
falls fiA gunäAft nur als Sammler unb Sntgufiaft einfügrte, ausbrüAliA gln auf ben
743
[ 24 ]
(oben in § 33 befangenen) in me^rfadjer S)infi<f)t grunbltgenben auffaS übet 'Srei
arbeiten Hoffmanns’, bet bei ®eotg 9JtüIlet für aroei ober btel Sldrk ju hoben fei-
aber obgleitf) Harich in aJtüntfjen wohnte, ift ihm bet B5eg ju ®eotg ÜJtiiller hoch ju be«
fdpoerltd) geroefen: es oerurfad)te ihm wahrlich fdjon 9Jtüf)e genug, bie aroölf Btioatbrudce
burchäufehn unb ihren 3nhoit in ben bet oiet ihm bereits bekannten Bücher hinetnjuar»
beiten. Senn hier mar bie ungemohnte arbeit noth löftiger ols bei ber oerfaöteten Cectüre
bes 95riefnjed)fels: in ben erften 3ohren bes Sohrhunberts hott* ich natürlich roieberum
manches noch nicht gemußt, roas mir 1912 fdjon geläufig geroefen roar. Unfer Soctoranb
roar — si parva licet componere magnis — in ber oeraroeifelten £age eines fjeuilletoniften,
ber mit einer aufälligen ausroohl oon Ebuarb Btepers Schriften in ein 3immer gefperrt
roirb unb nun eine ®efchichte bes aitertums oon ber Einigung aegqptens an Uber bie
©raccßen unb Eaefar hinroeg bis aut ©ntfteßung bes ©hriftentums nach bem gegenroörtigen
Staube ber a5iffenfchaft fdjreiben fall, ohne EUtken au taffen ober fidj in 2BibcrfarUd)e au
oerroidttln. „9Teue S’unbe“, klagt unfer Stärtprer, „roarfen alte SRefultate um ... über
ein 3ahr habe ich gebraucht, um mich burd) bie arbeiten Hans o. Sötüllers au bem enb*
gültigen [als roenn es bas gäbel] SKefuItat feiner Bestellungen htnburdjaufinben“*.
c) garichs öffentliche Stellung au feinen Quellen.
Sie technifche Hauptfrage roar nun für Haricf), roie er fich in ber Borrebe feiner Schrift
au feinem einigen größeren biographifcßen Quellencomplej, eben meinen ihm bekannten
arbeiten, fteüen follte.
1) Hötte rr fie ignoriert, fo märe bas Plagiat erroiefen unb bas Bud) unmöglich geroefen.
Hätte er offen gefagt, roie bie Singe lagen, fo hätte bie Shreiburger 3acultät hoch oiclleicfjt
nachträglich Bebenken erhoben gegen eine Biographie, bie gerabe in ihren biographifchen
Beftanbteilen nach Satfadjcn, auffaffung unb anorbnung bas SBerk eines anberen
war; unb ficherfid) hätte kein Budjßänbler bas 2ßerk in Berlag genommen.
Harich wählte mit einem ®efd)ick, bas man nur berounbern kann, einen, SDtittelroeg. auf
S. 12 feiner Borrebe lobt er einerfeits (für bie 3mcultät unb für bie roiffenfdjaftliche Äritifc)
mit oollen Backen meine ausgaben ber Briefe unb Sagebüd)er. BSer nur biefe Eobljube»
leien lieft, muß Harich für bie anfpruchslofefte unb anerkennungsfreubigfte Seele oon ber
S3elt halten, anbrerfeits aber läßt er (für ben nicht eingeroeihten £efer) burchblidcen, baß
in biefen ausgaben lebiglid) 9tofjftoff angehäuft fei. „Sie arbeitskraft oon aroei 3aßr»
aehnten" [1901—1914!], heißt es einige 3eilen fpäter (ob tronifef) ober lobenb, roeiß man
nicht), reichte gerabe aus, biefe Sülle oon BTaterial aufammenautragen“, bas er,
Harich, „nur als BTaterial" benußt habe, um „bie lebenbige BMrhlichheit H*>ffmanns
aur Sarftellung au bringen".
2) aber Harich fah fi<h burd) feine Situation genötigt, noch einen roefentlicfjen Schritt
weiter au gehen. 9Tad) feiner auffaffung finb aroar Hoffmanns Sagebüdjer unb Briefe
nur fRobftoff, unb es bebarf eines bidjterlfd) begabten Schriftftellers, um ein Äunftroerk
baraus a« geftalten: jene finb bas SOiittel (bas „Btaterial"), biefes ift ber 3roedc. ©r mußte
jebocß bamit rechnen, baß ein Seil feiner Eefer ber (ftets oon mir oertretenen) entgegenge»
fegten SDteinung roar, baß für fie alfo eine Biographie Hoffmanns nur ber 3ührer au fein
hat au ber rounberbaren breifachen Selbftbarftellung Hoffmanns in ben Sagebüchern
(für fid) felbft), in ben Briefen (für bie SFreunbe) unb in ben Sichtungen (für bie SDtenfdj'
* <m$t immer IR bem Gompilator bas gelungen. 190$ Rette icR geglaubt, Soffmanns 3rau Rabe SDtaria
ÜRebla geReijjen, WliiRaHna fei ein Uotrongmibon; 1914 Rotte id) bas auf ®runb neuer 5unbc ausbril4ti,R
744
[ 25 ]
ß«it). ®s roat alfo au b«fiircf)ten, baß biefer ober jener bocß ju ben Sagebildjern unb
Briefen griff unb bann in meinen Beigaben mit jäßem ©ntfeßen — Vnricßs leitenbe ©e-
banken im Original fanb.
Um bas ju Derßüten, mußte Varicß aucf) bte 2lrt meiner Verausgabe biscrebitieren.
©r beutet alfo an, baß befagter SRoßftoff jroar mit ffleiß jufammengefucßt unb aufgeßäuft
fei, aber fo, baß ficß kein SJienfet) in bem 213uft juredjtfinbe. „@s ift ju oerfteßen," fagt er auf
ber angeführten 6. 12 ber Borrcbe (gleidffam mit gebämpfter Stimme, ad spectatores), „es
ift ju oerfteßen, baß biefe Cbitioncn [nömlitß bie ber VfppeI*Socumente, ber fonftigen 'Briefe
unb ber iagebücßer] nur einen kleinen Eeferhreis fanben."
Später, in bem § 37 näßer au befpreeßenben offenen Brief an mieß, ift Varlcß beutlicßer
geroorben. 2Bas er in ber Borrebe au feinem Bucß biscret angebeutet ßat, feßmettert er ßier
frifeß unb frößiieß ßinaus; unb iiß gefteße, baß biefe Offenßeit mir meit fgmpatßtfcßer ift afs
jenes bipiomatifeße ©etufeßel, ®r feßreibt: „Sie ßaben einige ber roießtigften Socumente
ber ‘Romantik, documents humains im roeiteften Sinne bes B3ortes, ebieren bürfen: §off=
manns Briefe unb Kagebficßer. 2lber mein ©ottl B5as ßaben Sie bamit gemaißt!
Beibe ÜRale ift es 3ßnen gelungen, fie fo ungefeßiefct, fo umftänblicß, in einem berartigen
Surcßetnanber ßerausaugeben, baß bie Eefer, gefeßroeige benn bie Käufer entfeßt flößen.
Beibe 3ßrer [!] größeren ©bitionen (1912 unb 15) finb ßeute noeß im größeren Beftanb ißrer
erften Bufiage au ßaben. Sie ßaben bas Kunftftü* fertig gebraeßt, baß eines ber
oon 3ßnen ebierten intereffanteften Blenfcßßeitsbokumente: Voffmcnns intime Sagebucß.
aufaeiißnungen, kaum einen ßefer gefunben ßat, troß jahrelanger Vocßkonjunktur auf
bem Büchermarkt.“
Varid) ßat (roie in § 37 näßer naeßgeroiefen roirb) biefes Schnellfeuer nießt in ber Sßiße bes
©efeeßts eröffnet, fonbern bei kaltem Blut, oieraeßn 9Ro\tate naeßbem meine fRecenfton
feines Bucßes an roeitßin fießtbarer Stelle erfeßienen unb Ißm fofort bekannt geroorben roar.
Sie BusfUßrungen finb offenkunbig abermals nur auf Stußenfteßenbe berechnet, um fje oom
Bergleicß meiner Arbeiten mit benen Varicßs aurUdtaufcßredcen; roer bie Sagebücßer, bie
Vtppel-Socumente unb bie fonftigen Briefe in ber Vanb ge ßabt ßat, roeiß, baß fie genau
naeß ber 3eitfolge ßintereinanber abgebrudtt finb unb baß eine anbere Stnorbnung ber
ßier gegebenen Sejte innerhalb eines ber brei Bänbe garnießt möglich ift*.
3) Sie Aufgabe, bie Varidj ficß geftellt ßatte, amang ißn eben — mit ber Eogik, bie in
ben Singen felbft liegt — meine Slrbeit gleicßaeitig reftlos ausaunußen unb au biscrebitieren.
Btlblicß gefproeßen: Varicß unternahm es, bie Unioerfalerbfcßaft eines Sorfcßers bei beffen
Cebaeiten anautreten, unb er befeßeinigte bann bem ©rblaffer mit ßeralicßem Sank, baß biefer
ben Stift geliefert, auf bem er, ber ©rbe, nun feine Stelonen aieße.
d) Sie b eiben ©rgebniffe uonVaricßs Bemühungen.
1) Sas B3erk.
3cß fage: Varicß unternahm es, mieß au beerben. 2iber fein Berfucß, mein Eigentum
in feiner Vanb aufammenaufaffen, konnte (roie bereits angebeutet) feßon barum nießt glücken,
roetl er bies mein ©igentum, felbft foroeit es 1918 feßon erfeßienen roar, nur teilroeife au
©efießt bekam. BSie Vartcß Voffmanns 2Berkeßefpracß, oßne Stricßunb Sudjerau kennen,
fo pellte er beffen £eben bar, oßne meine Scßrift oon 1916/17 gelefen au ßaben — um
* SBas Hartes ©erbbßnung wegen mangelnbcr Slusnußnng ber Gonfunctuc betrifft, fo erroibere
idj barauf junädjft, bog für ben Vertrieb nidjt ber Herausgeber, fonbern ber 55erleg oerantroortlid) ift, beffen
freies (Eigentum bie ©efamtoufloge aller brei ©ildjer war. ßbrigens finb bie Hippels$ocumente un b bte fon=
fügen Briefe oergriffen; unb wenn bie Ausgabe ber Sagebüdter weniger gebauft roorben ift als £aridjs
leister lesbare Gompilation, fo läßt fidj baraus kein Vorwurf gegen bas ©u<$ felbft Verleiten. 5Bie jeber
Sammler roeiß, lagen bie (Erftausgaben ber ineiften Äleifüfdjen ©ramen nodj in ben 90 er Saßren, bie oon
‘©itbtung unb ©taßrßeii* unb bie bes *$Beft*öft(id)en ©toans' fogat nod) ln biefem Saßtbunbert in großen
©offen beim ©erleger: möglich baß ein Haritß auch biefe Ausgaben unb ifjrc Urßeber besfjalb geringfdjäfet.
745
[ 26 ]
anbere, minber mistige nicf)t au nennen*. Sobolb et jebod) einen Pugenblick ttid)t am
Eeitfeil meiner ffirmittlungen unb ©ombinationen f)ing, ftfjlug et bie tollften puraelbäume:
ble Sritik f)at ihm nid)t ben jefjnten Seil feinet Mifjoerftiinbniffe unb Perroedjflungen oor«
gehalten, ©in — oerhältnismäfjig noch unbebeutenbes — Petfpiel, bas ftofflid) au unferem
engeren Shema gehört, roitb im foigenben Paragraphen (36) sub b 1 angeführt.
Pber aud) roo!F)aricb nur auaugreifen brauchte, bat er häufig baneben gefafet: (eine ©e»
roiffenhaftigkeit reichte nidjt einmal baju aus, richtig abjuftfiteiben. ©in
Peifpiel bafür, unb aroar ein recht bemerkensroertes, finbet man gleichfalls im foigenben
Paragraphen, sub b 3; auf einen anberen Sali oon jdjülerhafter Pertoechflung beim Pus»
fihreiben frember ©rmittlungen habe idj in ben Mitteilungen bes Pereins für bie ©efchidjte
Perlins (3g. 41, 6.34 Rote) Ijingeroiefen. Puch biePelege hierfür liegen fidj mit Eeid)tig=
heit oerbugenbfadjen.
$arid) lieh 1920 feine Piffertatton auf 690 ©eiten ©roh»8° 9leid) in grober Puflage
brudten; er roibmete fie Philipp SBitkop, bem Referenten für bie Promotion. Per
mefentlid) gröbere, für ben $anbel beftimmte Seil ber Puflage mürbe ©rieh Reih in Perlin
in Perlag gegeben unb oon biefem am 23. October 1920 im Pörfenblatt für ben beutfeben
Pudjhanbel (auf 6.11747 f) unter ben „Sertigen Püdjern“ angeaeigt**. Pie Perfenbung
fdjeint fid) jeboch (oielleicht burd) bie Pinbe=Prbeit) oeraögert au haben; roenigftens erhielt
ich niein ©jemplar — fooiel id) roeih, eins ber auerft oerfchiehten — erft am 24. Rooember,
2) Pie 2BUrbe.
Pefriebigenber als bas roiffenfdjaftlicbe ©rgebnis oon f)arid)s Pemühungen mar bas
gefellfdmftliche.
Schon am 6. Pecember erfdjien in ber ‘Säglichen Runbfchau’ ein oon Äurt Pram ge-
äeidjneter ausführlicher Puffah über f)arichs Prbeit an auffallenber Stelle, nämlich als
Ceitartikel ber Unterhaltungsbeilage.
Prams guter ©laube fteht für mich aufjer jebem 3roeifel; ich habe bas fdjon in ber
‘3eitfchrift für Pücherfreunbe’ betont unb roieberljole es hier gleich am Pnfang ber ©rörte»
rung, um ein Mtboerftänbnis garniefjt erft aufhommen ju laffen. Pber Pram bannte bie
Priefbänbe nur ooni f)örenfagen, unb er muhte nichts oom Äreislerbud), nichts oon ben
brei grunblegenben groben Puffägen in ber Peutfchen Runbfchau, nichts oon ben Sage»
faüdjern unb ihren Peigaben: fo mar er barauf angeroiefen, S^aridjs 3errbilb nachauäeidjnen.
Pnbrerfeits mar er feft baoon Uberaeugt, bah $artd), roie es im allgemeinen bei Piffer«
tationen ja üblich U*. bie ©rgebniffe eigenen Sorfdjerfleihes unb eigenen ©ombinations*
talentes oorlegte, unb er mar glücklich barüber, einer bisher unbekannten Pegabung ben
fchroeren P3eg aur Pnetkennung erleichtern au bürfen. Mit bem Semperament bes Pid)ters
geht Pram foroohl in bem Urteil über £>artehs ©etbftönbigkeit roie in ber ©eringachtung
bes oon mir ©rmittelten noch erheblich über bas hinaus, roas $acid) in feiner Porrebe aus»
führt; er nühert fid) ln bem ameiten Punkte bem, roas J)arid) felbft erft 1922 öffentlich
geäußert hat.
Pram feiert £art<h einerfelts als ben groben künftlerifdjen Sgntfjetiker, ber fid) nur mit
Osroalb Spengler, Rubolf pannioifj, ©rnft Pertram oergleichen laffe (©unbolf
mar ihm offenbar nod) au fpiehbürgerlich) — alfo mit ben groben Sehern un'b Peutern,
bie nebenbei „auch ©elchrte finb, aum Seil ftupenbe ©eiehrte".
* Snfofern urteilt mein Sreunb 6cf)tiu6oI ju günftig llbet roenn et tu bet unten (§ 39) ju nennen*
ben 6djrtft 6. 244 9lote 1 fügt, $arid)s Ueriuct) fei jmnt als ©arftellung mifjglildtt, oetelnlge ober ble non mit
itt groanjig Sauren feftgefteUten Satfadjen. £artd) bringt nur einen Seil beffen, roas id) in ben breijeljn
746
[ 27 ]
SInbrerfeits betont er — unb bas tft immerhin nocfj nerblüffenber, — trjartd) fei „mit
allem SFieife unb ber nollen SKiiftung bes mobernen ^3£)tlologen ausgeftattet“;
für ben fcf)öngciftigen Eefer mirb fogleid) entfcgulbigenb gingugefegt: „auch TOegfrfje mar ja
Philologe". Von ber in ber £offmannbiograpf)ie niebergelegten ^orfcgerarb e i t fagt 2lram:
3ür einen Philologen mödjte bas als fiebensletftung genügen, beim es
gibt Seinen anberen beutfdjen Sfünftler, beffen Eebensbilb burcf) ftlatfd) unb kraufe
2lnekboten fo entftellt ift, beffen Eebensgang in äufjeren unb inneren Führungen unb
2BanbIungen fo unburcgbringbar roie eine Sornenljedte oor febem lag, ben feine
Äunft bagu trieb, ben Pienfchen, ber in if)t ringt, näher kennengulernen.
Söiit ber SDtifcfjung oon Verhöhnung unb Anerkennung, roie fie fid) auch bei $arid) finbet,
roirb bann gugegeben:
3n ben legten groei 3af)rgebnten hot [ich [gwar] irjans o. SDIüller mit bem jähen
Sleifj einer fanatifdjen Eiebe... in bies Phänomen oerbiffen [sic]... unb ben
unentwirrbar erfcgeinenben Änäuel biefes Eebens unb Schaffens Stück für Stück,
3afjr fürSahr ein roenig mehr entwirrt: bas gefchah in gasreichen kleineren
Veröffentlichungen, bie in 3eitfd)tiften uerfd)iebenfter Art gerftreut lagen,
unb ln feiner grofjen Vriefausgabe. Aber über ber 3 ! ülle bes neuen SEKaterials roollte
nod) kein lebenbiges ©efamtbilb fid) runben [wörtlich nadj £arid)]... Sa tritt nun
SBalter S)arid) ... mit feiner Viograpijie heroor, überfiefjt keine ©ingelgeit, gibt
fogar eine jebe, fo weit fie irgenb oon Velang tft, unb fcgenkt uns bie ©efd)tdjte biefes
mitten, hraufen Eebens, bis ins 3nnerfte pfjilologifch erleuchtet...
Süachher geigt es in Übertrumpfung bes oorgin citierten Sages:
Sogar einem egrgetgigen pgtlologen könnte bies als Eeiftung genügen, benn
fie bürfte bie Anerkenn ung aller ©ermaniften finben müffen.
Siefe immer roieberholte Vetonung bes Philologen in S)arid) wirkt auf jeben Sachkenner
roie eine graufame Verhöhnung, unb auch Jjaridjs ©egner mug gugeben, bag fie in beffen
Vorrebe, bie aunädjft bocg bie ©runblage oon Arams Sigmnus ift, keine Stüge finbet.
S)arid) ift oielmehr (ber Kritik gegenüber) oorfichtig genug, bort ausbrücklich gu erklären:
„PhiIo 1 ogifdjer ©fjrgeiä war mir fremb." Aram gebärbet ficf) alfo päpftlidjer als
ber Papft, wenn er ben Eefern ber Süglidjen SRunbfcgau immer unb immer roieber bas
©egenteil oerficgert unb ben ©ermaniften guruft, fie miifiten, wenn fie [ich nicht blamieren
wollten, bie Eeiftung biefes egrgeigigen Philologen anerkennen.
$arich roirb aber feinem Apoftel ob biefes entfdjiebenen 2Biberfpruchs gegen bie oon ihm
gur Schau getragene Vefdjeibenheft nicht böfe geroefen fein. 213ir erinnern uns, baff er feit
bem 3ebruar 1914 feine Promotion aufgefdjoben hatte; wenn er fie fegt mit einer um ein
Vielfaches erweiterten Siffertation nachholen roollte, fo muhte er roiinfd)en, bag bie rotffen*
fchaftlldje Selbftänbigkeit ber neuen Seile feiner Arbeit, bie nach feiner eigenen Vorrebe
tjöchft fragrofirbig mar, öffentlich anerkannt mürbe. TOcgts konnte ihm alfo gelegener kommen
als Arams 3anfare; fie mar gerabegu ber motalifch notroenbige 2luftact gu bet beoorftegen*
ben ©eremonie.
Vier Sage nach bem ©rfcgeinen bes 2lrtikels, am 10. Secember 1920, oerlieh bie philo*
fophifdje Sacultät ber Unioerfität 3 : reiburg $errn 2Baltger J)arid) aus Vlohrungen auf
©runb feiner $offmann*Vtographie bie 2Bttrbe eines Soctors ber Phflofopgie.
Sooiel über $arid)s Puch als ©anges; feine eingehenbe Vefchöftigung mit meinen 2Ir«
beiten roirb es rechtfertigen, bafj ich “ ut h bei ber feinigen länger als bei anberen oerrocile.
§ 36. $arichs $offmann; II: Pie Stellung gu bemSgema ber oorliegenben Schrift.
$ier geht uns fpegieü an, roie $arich Sjoffmanns ©rlebnis mit Sölinna unb beffen folgen
- bie 2Birfcung auf 3ean Paul einerfeits, bie Spiegelung in Jrjoffmanns Sichtung anbrer*
[eits — barftellt. @s trifft (ich glücklich, bafj bie Stellen, an benen biefe brei Probleme erörtert
747
[ 28 ]
werben, $arid)s ganaes Serfobren in nuce bnrftetlen. 333er ben Schrtftfteller fiter
bei ber SIrbeit beobachtet, ber kennt bie Sedjnik bes ganaen Sitches. 233omit id) aber gana
gemifj nicht fngen will, baff $arich nicht aablretche weit fcblimmere Söcke gesoffen hot.
als hier (in ber unter b befprodjenen Steife) aur Strecke kommen.
a) S)arich über <?)offmanns Srautftanb.
Sanb 1 S. 59 mtrb bie 35eriobung, S. 66/67 bie ©ntlobung berichtet, betbes nach meinem
Sluffag oon 1908. 3m ©egenfag 8“ ©llinger (unb 8“ Schaukai: f. u., § 39) nennt jebotfj
Zürich feine 35or(age überhaupt nicht; keiner feiner Eefer kann ahnen, bafe bie iftena
einer Sünna ©örffer erft non mir erraten ift aus einigen fjalboermifcbten Spuren. —
Sachlich ift bie h«« roiebergegebene 3luffaffung feit 9leujaf)r 1916 oeraitet: bie Sroutaeit
erfchelnt als eine speriobe künftierifcher Stagnation, roäijrenb mir längft roiffen, bah ber
Äünftler ober oielmehr ber Dilettant $offmann in ihr nicht weniger unb nicht Schlechteres
probuciert hat als in ben 3aljren oorher unb nachher oon $erbft 1794 bis 5)erbft 1804.
b) $arich über 3ean Sauls Stellung au f)offmann.
Übet 3ean Souls Stellung au £offmann fcfjreibt $arich 33anb 1 6.151 3.18—36.
1) Über ben perfünlichen 33erkehr ber beiben ®id)ter konnte er in ben 1918 gekauften
groölf drucken nichts finben; oon bem ©oebeke»SIrtikel non 1904 hotte ich ihnt keinen 3lb-
aug meijr geben können, unb Kerrlich, ©ertig, 3ife roaren ihm unbekannte Kamen. So
war er in biefem funkte nöllig hilflos: non 3ean Sauls Sefuch in Samberg 1810 toeifj er
überhaupt nichts, unb bei fjoffmanns SKeife nach Sagreuth 1811 benkt er fid), ber $tmmel
weih warum, Äuna ols Scgleiter. So bilbet ficf) 3.18—21 folgenber Serld)t:
©inige 3Ibwechf(ung ... brachte eine Keife, bie er mit Äuna au 3ean Saul nach
Sagreuth machte. Eeiber Ift uns keine Sdjilberung bes einigen 3ufammentreffens
ber beiben ©icbter überkommen ...
2) 3n ber Schrift non 1908 (S. 14 bes Sonbetbrucks) hotte ich nach bem Seridjt über
§offmanns Srud) mit Sünna gefagt; „ihre S?reunbln Äarollne Siebter hot ... bekannt-
lieh noch nach einem 3ahraef)nt ihren berühmten Slann oor bem fcf)lecf)ten Slenfcf)en ge¬
warnt." Sn einer Suhnote baau citierte ich im 3Bortlaut Äunaens Sericht als Quelle.
§crich, ber fanatifch alle Sufjnoten hobt, hielt fid) aber nicht an biefes aum 3ugriff bereit-
liegenbe ©itat, fonbern klammerte fid) feft an meine 3Borte mit ©infehluh meiner halb
fdjerabaften Seaeichnung für ben Sreulofen. ©iefe fegt er fpahhafter 3Beife fogar in 2ln«
füfjruugsaeichen unb nerrüt fo ausbrücklich feine 3lbfchreibetätigheit; aber auch hier
beutet er mit keiner Silbe an, o on w em er abfehreibt. 9IIfo unfer Siograph fchrelbt 3.24—26:
3ltlerbings mar 3ean Saul burd) feine ©attin oor „bem fchlechten Slen^en“
Soffmann gewarnt worben.
3) Sorbet hatte ich tu jenem Üluffag (S. 12 bes Sonbetbruckes) berichtet, wie ©oerffers
1798 in Serlin mit bem ©ebeimen Qbertribunalsrat Klager in Serbinbung getreten feien,
ber nach ber Scheibung non feiner Stau [ich bemüht hatte, feinen brei 3Töd)tern
Sünna, Caroline unb ©rneftine bie „allerausgefuchtefte“ Silbung au geben. 3n ber
£at heirateten alle brei ©djriftfteller, als erfte Sünna 1796 ©arl Spaaier... Äaro-
line unb ©rneftine nahmen ftatt ber nerlorenen Sünna nun Sünna ©oerffer in
ihren Sunb auf.
Klan oerfiehe: 1796 heiratet Sünna Kläger Spaaier; a«ei 3af)te barauf kommt Sünna
©örffer nach Serlin unb wirb non ©aroline (fpöter Sichters Stau) unb ©rneftine (fpäter
Slablmanns 3tau) als SJreunbtn aufgenommen, — ftatt ber 1796 nerlorenen Sünna, wie
ich fd)erat)aft gefagt hatte; biefe Sünna Spaaier wirb Slinna ©örffer oermutllcf) nie gefeben
haben. — S. 14 fchrieb ich bann, bafj ©aroline Sichter fpoffmann bie ©ntlobung nie oer-
aiehen habe. — J)aricb macht baraus 3. 26—31 folgenben ©alimathias:
748
[ 29 ]
9Jtnn entfinnt fieg, bog $offmanns egemalige Braut 3JItnno ©oerffer au bem Der«
trauteften 3reunbinnenhreis ber brei [!] entaiid?enbcn [?] unb gocgbegabten Södjter
bes Qbertribunalsrats SDtager in Berlin gegärte. 3lls9Rinna3Jtaijer3eanBauls
©ottin würbe [roann mag bas nacg §aridjs Borftellung gefdjeiyen fein? 1796?
1798? 1801?], mugte iDlinna Soerffer ben 3urückgebliebenen [alfo Gatoline
unb ©rneftfne] bie Sigroefter erfegen. 2In igrem Btlggefcgick mit $offmann
nagmen bie brei [!] 3reunbinnen innigflen Slnteil,..
SStefe brei Stellen ftegen innergolb oon oieraegn 3eiien ©iner Seite. 3n einer Siffer-
totion follte fo etwas eigentliig niegt oorkommen: namentlid) nicf)t bie legte Stelle, bie be-
fonbers beutltig geigt, in meltger SBeife $ari(g aus bem oon mir ftupib aufammengekarrten
„Btaterial" „bie lebenbige SBirhlfcgkeit aur ©arftellung bringt“.
c) £>arieg über S) off man ns b i <Jj t er i f cg e 55er wert ung
feines ©rlebniffes mit SDtinna.
3m 9?a<groort aur ‘Brautroagl’ (f. o., § 29) gatte tcg S. III/IV gefproegen uon
ber reifen, gebilbeten unb gübfigen Äaufmannstocgter Sllberttne Bogroinkel, bie...
1816 ... Eegfens ... Äunft kennergaft au roürbigen glaubt, bie 1817 ... feine Sf3er-
fon „au lieben oermeint", bie bann aber 1819 ff mit bem ... eleganten unb ftreb«
famen fReferenbarius ©lojtn ogne 3rage roefentlitg glücklicger werben roirb als es
igr mit bem „armfeeligen Pinsler", roie igr 'Safer ign nennt, möglicg geroefen märe.
9Iacgbem bann bas gana ägnliege Bergältnis ber Beronica Baulmann (im ‘©olbnen Sopf’) au
bem Stubenten Slnfelmus unb bem #ofrat#eerbranb befprocgen ift, geigt es auf S. IV weiter:
Seitbem wir $offmanns Vornan mit feiner Soufine iülinna, ber gebilbeten Socgter
bes ©egeimen Obertribunals»9tatges Boerffer kennen, wiffen mir, warum biefer
©ebankengang igm fo nage lag unb biefes Btotio ign au immer neuer ©eftaltung
reiate. ,,3d) gäbe mit Äraft ein Becgältnig oerniigtet, weltges fie unb mi(g Unglück-
lieg gemaegt gaben mürbe“ fegreibt er im ©efügte, es reegt gemaegt au gaben, im
3rügjagr 1803 an §ippel.
S. VIII wirb bann Don bem Seguggeift ber Etebenben, Eeongarb, gefagt (u.a.inOppo-
fitton gegen ©llinger unb SRicarba^ueg):
Seine Slbficgt gegt offenficgtlicg oon oorngerein auf bas ginaus, was fieg bann
tgeils oor unferen Slugen begiebt, tgeils für bie 3ukunft angebeutet wirb. Sllbertine
foll oon ben SBerbungen bes alten Starren Smsmann unb bes „unausfteglicgen
Bengels" ©ümmerl befreit werben, bamit bann bie beiben jungen Eeute in SRuge
igrSjera prüfen können: ©bmunb ogne bie anftaigelnben Qualen ber ©iferfuegt,
unb Sllberttne ogne in Eegfen bie etngtge Bettung oon jenen beiben oergagten freiem
fegen au müffen .. Sann roirb ©bmunb figon oon felbft erkennen, bag er fieg nur ber
Äunft oermäglen bürfe, unb Sllbertine, bag eine bürgerlitg fiegere unb geegrte ©riftena
an ber Sette eines auoerlöffigen unb ftrebfamen Btannes igre Beftimmung ift.
S. XVII enblicg wirb noeg einmal naigbrücklidi gingeroiefen auf „$offmanns ©rlebnig mit
Bitnna Soerffer unb feine tiefen Spuren in f>offmanns Bicgtung". Biefes ©rlebnis bes
Bicgters gäbe ber 'Brautroagl' im ©egenfag au anberen Bearbeitungen ber£Fabel ben ,,ur»
eigenen 3ug" gegeben, bag auig ber glütkliege 3reier niegt ber Becgte für basBtübegen
fei unb bas Btübcgen niegt bie Stecgte für ign.
§arieg bilbet aus biefen oier Stellen Banb 2 S. 198 3.25—37 folgenbe Barlegung:
Bon Beginn an ift es beutlieg, bag er [Eeongarb] aus Eegfen unb Sllbertine kein
glüeklieges Ißaar maegen, fonbem ben oeraroeifelten 3üngling nur burig bie Berlo*
bung oon unglttckliegerEeibenfegaft befreien rotll. SIus ben „Äünftlernooellen" [warum
bie SInfügrungsaeicgen?] ift uns biefes SDtotio bereits bekannt, aber befonbers beut»
li(g fpiegelt fitg gier fjoffmanns 3ugenberlebnis mit feiner Goufine 2Rinna Bötffer.
SDie Sjoffmann fieg bureg biefe Berlobung aus innerer 3erriffengeit eriöfen wollte
[ 30 ]
749
unb fpäter „mit ffraft" ein 9Serf)äItnis nernidjtete, „roeldjes [ie unb mid) unglücklich
gemalt haben roiirbe," fo roitb Eegfen, ben bic Äunft nach Italien gelockt fjat, fidjer
nicht roiebet in bie Arme feiner legten ©nbes äietniid) profaifdjen Braut aurückkehren,
unb Albertine roirb in bem tücfjtigen unb eleganten Beferenbar ©lofin ein ruhigeres
unb ongemeffeneres ©Hieb finben als in bem. unrufjooll gejagten ffünftler.
3m ©egenfag ju ber gulegt angeführten Eefefrudjt lögt [ich QCflcn biefe AJiebergabe
nichts ÜBefentlidjes eimuenben. Aber man hätte ölelletdjt erroarten bürfen, bah $arid)
irgenbroo unb irgenbroie au oerftehen gäbe, bajj ich int Bachroort jur ‘Brautroahl’ alles
bief es im ©egenfag au ber bis bahin herrfdjenben Auffaffung bargelegt habe. A5lrklid)
ift er auch, um ber Äritlk gegenüber formal als correct au erfdjeinen, uorfichtig ge¬
nug, biefes Badjroort a«t nennen, ebenfo roie er oorher (f. o., § 35b 1) bas ‘Fragment’
über ^3locfe genannt hatte. Aber bie Art, roie es (S. 197 3.19—14 o. u.) gefchieht, ift
noch ungewöhnlicher als bort. (Sr fagt:
Sowohl $ans n. DTUHer wie ©arl ©eorg o. Sdlaafeen ... befchäftigen fid) aus¬
führlich nach allen Dichtungen hin mit ber ©raäfjlung. 2Bir oerfolgen ihre
Ausführungen nicht i m S i n j e l n e n, ba fie als Urgrunb ber ‘Brautroahl’ kein menfch-
Itches Urerlebnts, fonbern nur alltägliche 3ufällfglceiten aufweifen.
3d) frage jeben £efer, ob ein Sdjriftfteller, ber feine Vorlagen in biefer
Art „anführt", als ein ehrenhafter ©elefjrter gelten bann.
§ 37. #arich5 ijjoffntann; III: #aricf)s Becbtfertigungsfdjrift oom Auguft 1922.
3u biefem negatioen — ©ebäd)tni5fef)ler gat $arid) neuerbings einen minbeftens
ebenfo auffälligen pofitioen oorgebracht, unb ich bitte um bie (Srlaubnis, auch liefen noch
richtigauftellen, ehe wir oon bem SDianne Abfrfjieb nehmen.
3n ben mafjgebenben 3eitfdjriften unb non ben beften Äennern (in ber ©eutfdjen Bunb-
fd)au oon ©uftao Doetfje, in ber ©eutfdjen Eiteraturjeitung oon Otto ißnioroer, im Eitera-
rifdjen ©entralblatt oon Didjarb oon Sdjauhal) war feftgeftellt worben, bah S)arid) keines¬
wegs nur bie SEatfadjen, fonbern aud) bie pfgdjologifdjen Urteile unb ben biographifd)«»
Aufbau aus meinen Arbeiten unoeränbert übernommen höbe. Auch ich konnte in einer
kurzen Befpredjung, ju ber bie 3eitfchrift für Bücgerfreunbe mich überrafchenb aufgeforbert
hatte (eingefanbt am 10. Sanuar 1921, erfdjienen um ben 1. 3uni), bei allem Streben nach
wohlwollenbfter Beurteilung bas nicht oerfchroeigen.
$arid) fdjroieg ein 3ahr unb länger baju füll.
3m Auguft 1922 brachte er plöglid) eine „Auseinanberfegung" mit mir ju Rapier, ©r
lieh f' c burd) feinen Verleger (©rieh Deifs in Berlin) erft in beffen 3eitfdjrift '3auft' (§eft 7,
erfdjienen etwa ©nbe October, S. 36—40), bann, in einem oermehrten Deubruck oon neun
Seiten, als ©ratisbeilage au feinem Buche oerbreiten. 3n biefer Schrift, aus ber Id) oben
bereits eine Stelle citierte, rebet Sjartcf) mich fo häufig birect an, bah fi« rote ein offener Brief
an mid) erfd)eint; id) bin aber erft fpät unb burdj ©ritte au ihrer Kenntnis gelangt.
ÜBährenb $arid), roie oben (§ 35 sub d) ausgefüfjrt, mid) in feinem Buche gleidjaeitig aus*
genügt unb au einem emfigen, aber heralid) ungefegiekten Dtaterialfommler begrabiert hatte,
geht er jegt einen Schritt weiter: er proclamiert fid) als meinen 2Bol)ltäter, ber
mich überhaupt erft ber Öffentlichkeit oorgeftellt höbe. 3eber 3eitungsrecenfent
feines Buches höbe mid) bank feiner Borrebe lobenb ermähnt als Iparichs A5egbereiter, als
ben fleifjtgen $anblanger, ber ihm bie Steine gereicht au feinem SBunberbau.
9Bie oiele oon biefen Eobtebnern — fährt er fort — hoben $ans o. Dtüller oor¬
her gekannt? A3ie oiele oon ihnen haben je feine Bücher in ber Sjanb gehabt? 3m
allgemeinen rourbe biefes Eobgericht aus 3ngrebienaien meiner Borrebe angerichtet*.
* 3$ 6cnne nur Eines biefer ans $nriif>’f(f|cn 3ngrebienjien ongeritfjleten Cobgeric^te, namlidi ben in § 35
subd befprocf)enen SCnffaS Sturt Simms in ber Sägildjen 95unb[d)au; mid) »erlangt roaljrild) nidjt nadj n>ei-
teren ^ßrobuctcn biefer 5?iicf)e.
750
[ 31 ]
Ein neues Ereignis im Eeben bes #off mannf orfdjers £ans o. Stüller,
ber bis baijin kaum breihunbert Atenfdjen überhaupt begannt geroefen
roar. 3ebt raufchte fein Same burd) ben beutfdjen Slätterroalb. 3n Serbinbung
mit meinem Sud)!
Anftatt ihm, ooll innigen Sankes für biefen Abglana feines 'Ruijmes, aus ooltem «perjen
iujufubeln, hätte id) mid) jebotf) su feinem gerechten Sefremben ouffäffig gejeigt unb tn
metner fRecenfion fein Serhalten gegen mid) bemängelt; icf) hätte ifjm in hleinlidjer A3eife
oorgeroorfen, bah er mid) nidjt an jeber einjelnen ©teile, roo er mir folge, qis Quelle genannt
habe. $arld) erroibert — unb barln gipfelt feine 5Red)tfertigungsfd)rtft — auf
biefen angeblichen Sorrourf:
©elbft roenn ich es ... roirftlicf) oerabfäumt haben Tollte, hier unb ba ihren 9tamen
ju nennen,... fo enthebt mich ein Umftanb aller ©chulb 3hnen gegenüber: Als ber
Stuck meiner Arbeit begann, machte id) 3hnen brieflich ben Sorfd)Iag, bah id) 3f)nen
bie Srudtbogen jufd)icften mürbe mit ber Sitte, etroatge Ausheilungen,
bie 6ie betr. ber 9Iennung 3bres Samens unb ber Art, roie id) Sie jitiere, machen
bBnnten, mir mitjuteilen. Um alles in berA3elt rootlteid) Äompetenakonflikte [!]
mit 3f)nen oermeiben. 6ie haben ... biefen Sorfdjlag nicht einmal einer Ant»
roort geroürbigt. ÜBiefo nicht? 3d) roerbe es 3f)nen fagen: roeil Sie fid) auf jeben
£fall oorbehalten roollten, meine oon 3hnen einfach als Äonkurrenaunternehmen
gefürchtete Siographte burd) hinterher erhobene Anklagen au fd)äbigen.
ASte aber können 6te nach biefem oon 3hnen unbeantroorteten Sorfdjlag
mir nun ben Sorrourf madjen, 3hnen nicht gegeben au haben, roas 3hnen aukommt?
Ober bah id) nicht aum mtnbeften bas rebliche Seftreben hatte, es au tun? ... 6le
wollten meiner Arbeit gegenüber nidjt 3hr iKedjt. Senn baau hätten Sie bloß oon
meinem Anerbieten ©ebraud) au machen brauchen, Sonbern 6ie roollten um
(eben Stets ©elegenheiten fcfjaffen, mein Sud) au biskrebitieren! 9tid)ts roeiter!
A3enn ich wirklich eine foldje Aufforberung erhalten (unb bei ihrem Empfang tparicfjs
Eompilation bereits gekannt) hätte, fo hätte ich barauf nur antroorten können:
©egen Sie auf bas Sitelblatt „nach ?>• *>• 2Jl.s Ermittlungen bargeftellt oon
A3. S)." unb geben Sie not febem Abfdjnitt in kleiner Schrift an, roelche meiner
Seröffentltdjungen (refp. welcher Seil einer foldjen) biefem Abfdjnitt au ©runbe
Hegt. 3ebe roeitere Ainnung meines Samens ift Überflüffig unb jebe Cobpreifung
oerbitte id) mir.
Aber ein Srief biefer Art ift nicht nur nie in meine S)änbe gelangt, fonbern audj
nie an mid) abgefanbt roorben; aum Unglück meines $errn ©egners habe id) ben
fchrlftltchen Seroeis bafür in ipänben, bah biefer Srief nur in feiner Sooelliften»
phantafie ejiftiert.
3d) gab tparichs Serleger unterm 6. Jebruar 1923 oon biefem m. E. nicht unerheblichen
Umftanbe Kenntnis unb erfud)te ihn, bie Serbreitung Jener irrtümlichen Sehauptung ein*
äuftellen.
fjerr Seih erroiberte mir unterm 15. S'ebtuar: „A3as ber 5all $arid) betrifft, fo müffen
Sie begreifen, bah bicfc ganae Angelegenheit mich nicht tangieren kann unb barf ... 3d)
meinerfeits bin oerpflichtet, $arid)s Ausführungen ben fegt gebruckten Auflagen bes A5erkes
beiaufügen."
Sabet ift es m. A3, geblieben. 3d> hoff« aber, bah biefe STeftftellungen bie felbe klitrenbe
A3irkung haben roie ein ©ertd)tsurteil. 3dj tjiclt es nicht für ber Stühe roert, in einem eige*
nen, rein polemifchen Auffag §atid)s Solemik au erroibern, halte es aber bod) für ange»
bracht, in biefem $eft als ber erften feitbem erfcheinenben felbftänbigen gröberen Sublicatton
feinen Srrtum rid)tigauftellen. Ser £efer, bem id) oerfprochen habe, ihn oon Atlnna Sörffer
unb 3ean ißaul au unterhalten, möge alfo auch biefe aroeite Abfdjroetfung (nad) ber erften
in § 35) oeraeihen.
[ 97 ]
751
DIE MESSKATALOGE ALS QUELLE FÜR DIE
LITERATURGESCHICHTE
AN DEM BEISPIEL E. T.A. H OFF MANNS DARGELEGT
D ie halbjährlich erschienenen Meßkataloge, die von Literarhistorikern und
Bibliographen auffallend wenig benutzt werden, belehren den heutigen Be¬
nutzer in zwei Richtungen. Die Anzeigen erschienener Bücher ergeben die tat¬
sächliche oder doch die vom Verleger erwartete Ausgabezeit innerhalb des Jahres
und öfters auch die verschiedenen Arten der Abzüge (auf Velin-, Schreib-, Post¬
oder Druckpapier). Weit interessanter aber sind die Voranzeigen; sie enthüllen
die Pläne, über die Autor und Verleger sich einig geworden waren, von denen aber
ein guter Teil entweder gar nicht oder in anderer Form ausgeführt worden ist.
Beides soll im folgenden an den Anzeigen des Weidmannschen Meßkataloges 1
aus der Zeit von Michaelis 1813 bis Ostern 1823 dargelegt werden, die erschienene
oder geplante Werke E. T. A. Höffmanns betreffen. Die Werke oder Bände sind
geordnet nach ihrem ersten Auftreten im Meßkatalog; 0 vor der
Seitenzahl bedeutet den zur Ostermesse, M den zur Michaelismesse ausgegebenen
Katalog; angekündigt bedeutet: als künftig erscheinend angezeigt. Die in
Klammern hinzugefügten Daten über Entstehung, Honorierung usw. der Werke
(insbesondere auch die über die Zeit des Empfanges der Freiexemplare, die mit dem
Erscheinungstermin fast identisch zu sein pflegt) beruhen durchweg auf hand¬
schriftlichen Quellen, die ich leider erst teilweise (1912 in Höffmanns Brief¬
wechsel bzw. 1915 in seinen Tagebüchern) habe veröffentlichen können.
1. Fantasiestücke in Callots Manier. Bd. 1.2.
(Verabredet mit Kunz in Bamberg 15. Febr. 1813, Gontract 18. März, letzte
Manuscriptsendung 19. August. Honorar für alle Auflagen 96 Thaler.)
1813 M 222 als bereits erschienenes, in zwei Bänden abgeschlossenes Werk
von Kunz angezeigt.
(Erschien aber erst Ostern 1814, da Jean Paul auf das vom Verleger erbetene
Vorwort monatelang hatte warten lassen.)
1 Allgemeines Verzeichniß der Bücher, welche in der Frankfurter und Leipziger . . . messe des
. . . Jahres entweder ganz neu gedruckt, oder sonst verbessert wieder aufgelegt worden sind, auch ins
künftige noch herauskommen sollen. Leipzig: Weidmann. — Benutzt ist für die Jahrgänge 1813 und
1816—1823 das Exemplar der Preußischen Staatsbibliothek, Signatur Am 10221; für die Jahrgänge
1814 und 1815 das der Universitätsbibliothek zu Halle, Signatur Ab 534.
752
[ 98 ]
2. Die Übersetzung der Violinschule von Rode, Kreutzer und Baillot.
(Auf Härtels Antrag vom 14. Sept. 1812 in den vierzehn Tagen vom 26. Dec.
bis zum 8. Jan. 1813 angefertigt.)
1814 0 158 von Breitkopf & Härtel als erschienen angezeigt. (Ebenso in der
Leipziger Literaturztg. vom 4. April. Also ein Jahr liegen geblieben.)
3. Fantasiestücke . . . Bd. 3. 4.
(Geplant seit August 1813; galten verlagsrechtlich als ein neues Werk. Erste
Manuscriptsendung 16. Jan. 1814, letzte wohl 28. Febr. 1815.)
1814 0 182 Voranzeige beider Bände von Kunz.
1814 M 320/21: Bd. 3 erschienen.
1815 0 174: Bd. 4 erschienen.
4. Lichte Stunden eines wahnsinnigen Musikers. Ein Buch für
Kenner.
(Geplant seit 8. Febr., begonnen 18. Mai 1812. Kunz wiederholt in Aussicht
gestellt vom 15. Febr. 1813 bis zum 8. März 1818.)
1815 0 254 von Kunz angekündigt mit dem Druckfehler Leichte Stunden.
(Hoffmann scherzt darüber in einem Briefe an Fouque vom 14. Mai 1815. —
Nach dem Bruch mit Kunz um Neujahr 1819 für die Biographie Kreisler be¬
stimmt: s. u.)
5. Die Elixiere des Teufels. 2 Theile.
(Th. 1 concipiert 5. März bis 23. April 1814, mundiert 24. April bis 4. oder
5. Mai. Einer Reihe von Verlegern vergeblich angeboten; 16. Mai 1815 Duncker
& Humblot in Berlin für 25 Friedrichsd'or in Verlag gegeben. — Th. 2 später
für das gleiche Honorar geliefert.)
1815 M 379 beide Bände als erschienen angezeigt.
6. Nachtstücke. Th. 1.
(24. Nov. 1815 Reimer, dem Leiter der Realschulbuchhandlung, als einziger
Band angeboten. Von diesem honoriert mit 30 Fr. d’or=163 Thalem 18 Gro¬
schen in 3 Raten 13. Dec. 1815 bis 4. Mai 1816.)
1816 0 195 als bereits vorliegendes einbändiges Werk von der Realschulbuch¬
handlung angezeigt.
(In Wirklichkeit sandte Hoffmann erst 2. Sept. den Anfang der letzten Er¬
zählung des Bandes und erhielt 29. Sept. seine Freiexemplare auf Velin- und
Schreibpapier.)
7. Kinder-Mährchen. (Mit Fouque und Contessa.) [Bdch. 1.]
1816 M 431 Voranzeige eines ersten Bändchens von Duncker & Humblot.
(Duncker & Humblot stießen Hoffmann jedoch in dieser Angelegenheit sehr
vor den Kopf [Reimer an Hitzig 29. Juli 1826], und Hoffmann wandte nun¬
mehr unter heftigen Ausfällen gegen Duncker & Humblot auch dieses Sammel¬
werk Reimern zu. 16. Nov. sandte er sein und Fouques Manuscript sowie die
Zeichnungen an Reimer. Er erhielt von diesem für alle drei Verfasser
[ 99 ] 753
150 Thaler Gold in 3 Raten vom 11. Nov. 1816 bis zum 8. Jan. 1817; seine
Freiexemplare [offenbar alle auf Druckpapier] erhielt er 16. Dec. 1816.)
1817 0 106 als einmalige Veröffentlichung von der Realschulbuchhandlung
angezeigt.
8. Nachtstücke. Th. 2.
1817 0 313 Voranzeige der Realschulbuchhandlung.
1817 M 427 als erschienen angezeigt.
(Hoffmann erhielt 36Louisd’or=180Thaler Honorar in 4 Raten vom 15. Febr.
bis 13. Oct. 1817. Am 25. Nov. erhielt er seine Freiexemplare auf Velin- und
Schreibpapier.)
9. Kinder-Mährchen. Bdch. 2.
1817 M 409 als erschienen angezeigt von der Realschulbuchhandlung.
(Hoffmann erhielt als Honorar für seinen Anteil 70 Thaler Gold in
2 Raten am 11. Nov. bzw. 8. Dec. 1817. Die Freiexemplare, auf Velin- und
Druckpapier, für alle drei Verfasser erhielt er in 3 Sendungen vom 24. Nov.
bis zum 6. Dec.)
10. Seltsame Leiden eines Theater-Direktors.
1818 O 116 als bereits erschienen angezeigt von Maurer in Berlin (desgl. auch
in Zeitungen).
(Tatsächlich ist erst Oct. 1818 das Vorwort geschrieben; das Buch erschien im
November.)
11. Die Meister des Gesanges. Ein Roman für Freunde der Tonkunst.
(Etwa Ende Jan. 1818 bot Hoffmann Reimern einen Kunstroman an. Dieser
stimmte zu und fragte nach dem Titel. Nachdem er Mitte Februar die Frage
wiederholt hatte, schrieb Hoffmann am 17., ihm sei bis jetzt noch kein ver¬
nünftiger Titel eingefallen; Künstlerleben sei gemein und abgedroschen. Am
24. setzte er dann den oben genannten Titel fest.)
1818 O 283 Voranzeige der Realschulbuchhandlung.
1818 M 500/01 desgleichen.
1819 O 324 Voranzeige der Firma G. Reimer.
(Dann von beiden Teilen aufgegeben.)
12. Die Seraphinen-Brüder. Gesammelte Erzählungen und Mährchen.
(Mitte Februar 1818 schlug Reimer Hoffmann vor, seine zerstreut erschiene¬
nen Erzählungen zu sammeln. Am 17. sagte Hoffmann zu und gab an, daß
sdhon jezt Vorrath zu einem, artigen Bändchen da sei. Er bat Reimer, auf
Grund seiner buchhändlerischen Erfahrung zu bestimmen, ob er die Sachen
unter dem simplen Titel „Erzählungen “ gehen lassen oder sie in der Art von
Tiecks „Phantasus“ einkleiden solle. Reimer entschied sich für das letztere,
und Hoffmann setzte nunmehr den obengenannten Titel fest in Erinnerung an
die Seraphinen-Abende, die er in der ersten Berliner Zeit nach den Freiheits¬
kriegen mit Hitzig, Chamisso, Contessa, Koreff, Robert und anderen abgehalten
hatte.)
754 [ 100 ]
1818 O 284 kündigte die Realschulbuchhandlung eine einbändige Sammlung
unter diesem Titel an.
1818 M 468 zeigte dieselbe Firma das erste Bändchen unter dem gleichen
Titel als bereits erschienen an!
(Weiteres s. unter 14A.)
13. Sechs Duettinen für Sopran und Tenor.
(1812 auf italienische Texte componiert.)
1818 M 477 mit italienischem Titel angekündigt von Schlesinger in Berlin.
(Erschien dann, anscheinend Anfang 1819, ebenda mit deutschem Titel;
21. Januar 1819 verschenkte Hoffmann ein Exemplar.)
14. Fantasiestücke in Gallots Manier. 2. Aufl. 2 Theile.
(Herbst 1818 redigiert.)
1819 O 95 von Kunz in Bamberg angezeigt als „Zweite verbess. und in
2 Bänden zusammengedrängte wohlfeile Aufl.“
14A. [Nicht so im Meßkatalog:] Die Serapions-Brüder. Th. 1. (14. No¬
vember 1818 feierte Hoffmann nach Chamissos Rückkehr von der Welt-
umseglung endlich wieder einen Seraphinen-Abend. Man stellte dabei aus dem
katholischen Kalender von Hoffmanns Frau fest, daß der Tag dem Märtyrer
Serapion geweiht sei. Nun wurde der Name des Klubs sowohl wie des Buches
in Serapions-Brüder geändert, und zur Motivierung des Namens- dichtete Hoff¬
mann eine Erzählung, die den Band eröffnete. Dieser dehnte sich in der Folge
auf 604 Seiten aus. — Hoffmann erhielt als Honorar 190 Thaler in drei Raten
vom 24. Juni bis zum 21. Dec. 1818 [das Goldagio wurde 1819 nachgezahlt]
und 16. Sept. 1820 eine Nachzahlung von 50 Thalem. Seine Freiexemplare auf
Velin- und Druckpapier bekam er am 20. Februar 1819.)
15. Klein Zaches, genannt Zinnober.
(Verfaßt [wohl erst im Herbst] 1818; erschienen Jan. 1819 bei Dümmler in
Berlin.)
1819 O 252 angezeigt.
16. Die Serapions-Brüder. Th. 2.
1819 O 252 voreilig von Reimer (unter seiner eigenen Firma) als erschienen
angezeigt; Druck- und Velinpap.
(Hoffmann erhielt auch für diesen Band 190 Thaler, u. z. in 4 Raten vom
21. Jan. bis 10. Juni 1819 [das Goldagio wurde auch hier nachgezahlt], und
am 16. Sept. 1820 eine Nachzahlung von 50 Thalern. Seine Freiexemplare auf
Velin- und Druckpapier bekam er am 11. Sept. 1819.)
17. Lebens-Ansichten des Katers Murr, nebst Biographie des Kapellmei¬
sters Kreisler. Bd. 1.
1819 M 498 angezeigt von Dümmler in Berlin als bereits erschienenes ein¬
bändiges Werk unter dem primitiven Titel „Lebensgeschichte des Kater [sic]
Murr"!
[ 101 ] 755
(Die erste Hälfte ist Mai/Juni, die zweite Oct./Nov. 1819 geschrieben; der Band
erschien im December unter dem oben angegebenen Titel.)
18. Prinzessin Brambilla.
1820 O 247 voreilig als erschienen angezeigt von Max in Breslau.
(Vorwort erst Sept. 1820!)
19. Murr, nebst Kreisler. Bd. 2.
22. Jan. 1820 schrieb Hoffmann an Dümmler: So Gott will, fangen wir
Mitte künftigen Monaths an zu drucken, d. h. Murr Tom. 2. Daraufhin:)
1820 O 299 Voranzeige.
(24. Oct. 1820 versprach Hoffmann, nun den Kater Murr ganz gewiß binnen
8—10 Tagen in Gang zu setzen, so daß das Buch zu Weihnachten ans Tages¬
licht treten kann. Alles übrige werf ich bey Seite. Am 5. Dec. heißt es
weniger zuversichtlich: Am Murr wird wirklich gearbeitet, wiewol zur Zeit
leider l langsam, dann aber rascher und rascher. Im selben Jahre 1820 erbat
er dreimal Vorschüsse darauf von J0, 5 und 20 Fr.d’or. — Aber erst 2. Sept.
1821 sandte er den Anfang.)
1821 M 487 Anzeige des erschienenen Bandes.
(Hoffmann sandte aber 6. Nov. erst die Correctur des Bogens 16 und vollendete
erst Anfang Dec. das Manuscript.)
20. Die Serapions-Brüder. Th. 3.
(Hoffmann erhielt 213 Thaler 12 Groschen [Silber] Honorar, u. z. im wesent¬
lichen in 3 Raten vom 13. Jan. bis zum 30. Juni 1820. 6. Juni sandte er den
veränderten Text der „Brautwahl“, 11. Sept. versicherte er, daß in dieser
Woche der dritte Theil beendigt wird.)
1820 M 484 von Reimer als erschienen angezeigt.
21. Die Serapions-Brüder. Th. 4.
(Hoffmann versprach den 11. Nov. 1820, am nächsten Tage den Anfang des
Manuscripts zu senden. Er erhielt wie für den vorigen Band 213 Thaler
12 Groschen [Silber] Honorar, u. z. im wesentlichen in 4 Raten vom 11. Nov.
1820 bis zum 26. Apr. 1821.)
1821 O 285/86 als erschienen angezeigt ( Druck- und Velinpapier; wohl etwas
verfrüht, da Hoffmann seine Freiexemplare von beiden Arten erst 19. Mai
erhielt.)
22. Meister Floh.
(23. Juli 1821 bot Hoffmann Wilmans in Frankfurt ein Büchlein an,
25. August nannte er den Titel. Das Manuscript sandte er in 5 Lieferungen
6. Nov. 1821 bis 7. März 1822.)
1822 O 263: Anzeige des erschienenen Buches.
23. Eine Übersetzung Hoffmannscher Erzählungen ins Dänische.
1822 O 290: Hoffmann, E. T. A., Fortällinger, oversatle af A. P. Liunge.
2 Dele. 8. Kiöbenhavn, Reitzel.
[ 102 ]
756
24. Murr, nebst Kreisler. Bd. 3.
(Hoffmann an Dümmler 2. Sept. 1821: Der dritte und lezte Theil könte dann
wohl, da ich nun nicht mehr abbreche, zur Neujahrsmesse fertig werden;
29- Jan. 1822: Murr Tom. 3 ist angefangen; 30. Jan.: In n[ächster]
W[oche] kan sehr füglich der Druck beginnen, da ich bis dahin stark avancirt
seyn werde. An Vorschußzahlungen auf diesen Band sind vier belegt: auf 10,
50, 20 und 80 =160 Thaler.)
* 1822 0 321 Voranzeige Dümmlers.
(Hitzig [s. u., Nr. 26] II 129, 144 und 146: der Plan zu diesem Theil war
auf das Grandioseste angelegt und im Kopfe schon ganz vollendet; Hoffmann
glaubte, darin zu leisten, was er früher noch nicht vermocht; aber bei seinem
Tode, 25. Juni 1822, war dieser Theil leider auf dem Papier nicht angefangen.
Dümmler erhielt statt dessen Nr. 26 und eine Sammlung von Hoffmanns letzten
Erzählungen.)
25. Timotheus Schnellpfeffers Flitterwochen vor der Hochzeit.
2 Bände.
(Autobiographischer Roman. Auf einem Quartblatt in Hoffmanns Nachlaß
[wohl von 1820] ist als Vorname des Helden erst anscheinend Janotus [nach
Rabelais; latinisiert aus Jeannot], dann Jakobus geschrieben. 8. Jan. 1821
schreibt Hoffmann an Hitzig: Was ich jezt bin und seyn kan, wird pro primo
der Kater, dann aber, wills Gott, auf andere Weise noch der Jacobus Schnell¬
pfeffer, der vielleicht erst Ostern 1822 erscheinen dürfte, zeigen. Dann wählte
Hoffmann aber für seinen neuen Doppelgänger den Vornamen Timotheus, da
so der Kalenderheilige seines eigenen Geburtstages [24. Jan.] heißt. — Herbst
1821 sagte er das Werk unter dem so verbesserten Titel gegen einen Vorschuß
von 25 Fr.d’or Max in Breslau zu; jeder Band werde etwa 400 Seiten stark sein.
Max sprach 25. Nov. und 4. März 1822 den Wunsch aus, beide Bände Mi¬
chaelis 1822 herauszubringen. Er wolle sie sehr schön drucken lassen bei Vieweg
in Braunschweig oder auch, wenn es Hoffmann bequemer sei, bei einem Ber¬
liner Drucker.)
1822 O 321 Voranzeige (Druck- u. Velin-Papier).
(Die Niederschrift kam über das erwähnte Quartblatt nicht hinaus. Nach Hoff¬
manns Tode wurde Max abgefunden mit der Erzählung Meister Johannes Wacht,
die er in ein Sammelwerk aufnahm.)
26. Aus Hoffmanns Leben und Nachlaß. [Zusammengestellt von J. E.
Hitzig.] 2 Theile.
(Schon 2. Juli 1822 in der Voss. Ztg. angekündigt.)
1822 M 555 Voranzeige u. d. T.: Hoffmanns, E. T. A., Leben, mit 1 Kupf. 8.
Berlin, Dümmler.
(März Vorwort, April Nachwort.)
1823 O 71 Anzeige (ohne Angabe der Bandzahl).
(Erschien Anfang Mai.)
[E.T.A. Hoffmann in Dresden am Tage des Napoleonfestes 1813]
Hoffmann war am 17. März 1813 von Joseph Seconda engagiert
als Musikdirektor seiner Operntruppe, die abwechselnd zu Leipzig
und zu Dresden, und zwar hier in Linkes Bade spielte. Wegen
der kriegerischen Ereignisse konnte Seconda im Sommer des
Jahres nicht daran denken, in dem weit außerhalb der Ver¬
schanzungen liegenden Linkeschen Bade spielen zu lassen. Durch
die Fürsprache seines Bruders, des Schauspieldirektors Franz
Seconda, erhielt er jedoch die Erlaubnis, in Dresden abwechselnd
mit der italienischen Truppe das Hoftheater mit seinen Deko¬
rationen, Requisiten und der Garderobe zu benutzen, und so zog
die Truppe am 24. und 25. Juni auf Leiterwagen von Leipzig nach
Dresden. Am 26. mietete Hoffmann in dem Häuschen eines Herrn
Fuhrmann ein kleines Logis in der damals noch ganz ländlichen,
mit zwei Baumreihen bestandenen Bautzener Straße, die außer¬
halb der Neustadt das „Schwarze Tor” (an der Stelle des jetzigen
Albertplatzes) mit Linkes Bad verbindet. Aus seinem mit Wein¬
laub umrankten Gartenfenster konnte Hoffmann elbaufwärts bis
in die Sächsische Schweiz blicken.
Im Juni hatte er in Leipzig nach sechs Proben dreimal mit
Glück die Oper „Sargino” dirigiert, deren Komponist, Ferdinando
Paer aus Parma, 1803 auf diese Oper hin in Dresden fest an¬
gestellt, 1807 aber nach Paris berufen worden war. Am Morgen
des 1. Juli hielt Hoffmann nunmehr in Dresden eine Probe der
Oper ab und dirigierte am Abend des folgenden Tages mit Glück
das Werk. Trotz seiner Bedenken gegen Paers melodiöse aber
völlig undramatische Musik war es ihm doch merkwürdig, daß er
den „Sargino” an demselben Platz, auf demselben rotbeschlagenen
Lehnstuhl, vor demselben Pianoforte dirigierte, von dem aus
Paer ihn bei der Uraufführung geleitet hatte.
758
Zum 10. August waren die teils hochsentimentalen, teils
(durch eine Bedientenrolle) komischen „Wegelagerer” angesetzt,
die Paer 1803 unter dem Titel I. Fuorusciti für die Dresdener
Oper komponiert hatte. Hoffmann, der Paers komische Opern
immerhin wesentlich höher schätzte als die tragischen, hatte die
Aufführung abermals mit Sorgfalt vorbereitet, und es war ihm
unlieb, dass der Kaiser, der als der wahre Beherrscher Sachsens
in Dresden residierte, paradoxerweise die Feier seines Geburts¬
tages auf diesen Tag vorverlegte. In der Tat begann die Reihe
der Kanonaden schon am Vorabend, um sich am nächsten Morgen
in der Frühe fortzusetzen. Nach der großen Parade auf der
Ostrawiese erscholl wieder Kanonendonner beim Tedeum in der
katholischen Kirche, und Kanonendonner begleitete die Bewirtung
der verbündeten Truppen unter freiem Himmel, zu der der König
von Sachsen hundert Eimer Wein gespendet hatte. Kanonen¬
donner kündigte auch am Abend den Toast des Königs auf das
französische Kaiserhaus und das große Feuerwerk an. Kein
Wunder, dass dieses künstliche Gewitter die Darstellung der
„Wegelagerer” übertönte. Die wackere, von Hoffmann hoch-
geschätzte Primadonna Mad. Krahmer sang die Rolle der Isabella,
der Gattin Eduard Ligozzis, die von dessen Todfeind Hubert
Ardinghelli gefangen ist. Gewiß war die Künstlerin bemüht, ihr
Bestes zu geben; aber als sie im sechsten Auftritt des zweiten
Aktes die Angst der Isabella um das Leben ihres Gatten und den
Wunsch, im schlimmsten Falle mit ihm zu sterben, mit allem
Schmelz und aller Kraft ihrer Stimme herausschmetterte, da
ward die grosse Arie schmählich gestört und fast parodiert durch
die periodisch einfallenden Kanonenschläge.
Während Hoffmann sonst mit Rücksicht auf die morgens um
7, spätestens um 8 beginnenden Proben in dieser Zeit sehr häus¬
lich lebte und früh das Bett aufsuchte, machte er diesmal eine
Ausnahme, da bei dem Lärm nicht an Schlaf und am nächsten
Tage nicht an Arbeit zu denken war. Er betrachtete nach dem
Theater die Illumination der öffentlichen Gebäude (die Bürger¬
schaft hatte es vorgezogen, am 25. April zu Ehren der Preußen und
Russe zu illuminieren). Am Hause des sächsischen General¬
stabs leuchtete der französische Adler mit der Unterschrift „Sa
gloire est notre triomphe". Dann sah er das Feuerwerk und
dessen Widerschein in der Elbe. „Von dem Tumult den ganzen
Tag und die ganze Nacht haben Sie keine Idee”, schrieb er am
12. einem Bekannten; „mit brummt noch der Kopf davon”.
Während seines „fleißigen einsiedlerischen Lebens“ auf dem
Lande vor den Toren Dresdens arbeitete Hoffmann abwechselnd
an seiner letzten großen Komposition, der seit Jahresfrist im
Kopfe vorbereiteten romantischen Oper „Undine”, und am
„Magnetiseur”, seiner ersten Erzählung, deren Stoff nicht musi¬
kalischer Art ist; diese stand kurz vor der Vollendung. Sie
759
leitet die Schilderungen dunkler Seelenzustände ein, die —
bereits durch die älteren Musiknovellen „Ritter Gluck” und „Don
Juan” vorbereitet — in den nächsten Jahren durch die „Elixiere
des Teufels” und die acht „Nachtstücke” wirksamer fortgesetzt
wurden.
Es war die große Wendezeit in Hoffmanns künstlerischem
Leben: er ging jetzt von der Musik, in der er als Komponist,
Dirigent und Kritiker seine Aufgaben ruhmvoll erfüllt hatte, wie
unter einem unwiderstehlichen Zwange zur Erzählung über. Und
als wenn er noch in Dresden das Programm seines ganzen künst¬
lerischen Schaffens auf diesem neuen Gebiete darlegen wollte,
schloß sich unmittelbar an den „Magnetiseur” der „Goldene
Topf’ an, das erste und wohl beste aus der anderen Hauptreihe
seiner erzählenden Werke, die er auf dem Sterbebette mit dem
lichsten Schriften"schildert er eine doppelte Welt, nämlich neben
der d es "scharT und erbarmungslos BeöbicTrfefe^'ÄlIfagr^ThF
höhere, nur ÄuJefwa^en“T3 ^nnbai^~3i S'^T]nr^f^^n’'*^8fück-
reicht u^'denrQiTäg^eSeimnisvoTrHirr^'hdringt.
Als Hoffmann in^eT~Nacht~zum 11. August, das Herz voll
Ekel über den kommandierten leeren Festlärm, auf der Bautzener
Straße seinem bescheidenen Heim zustrebte, mag ihm der An¬
fang des „Goldenen Topfes” aufgegangen sein, nämlich die beiden
Abschnitte, in denen der Held des Märchens durch dieselbe Allee
vom Schwarzen Tor zum Linkeschen Bade wandert und ein
Feuerwerk in den Fluten der Elbe sich seltsam spiegeln sieht.
Schon am 19. August konnte er seinem Verleger den ganz neu¬
artigen Charakter dieses Werkes schildern, in dem das Wunder¬
bare „keck ins gewöhnliche alltägliche Leben tritt und seine Ge¬
stalten ergreift“, und schon an diesem Tage wußte er, daß das
Märchen etwa einen Band füllen würde. „In keiner, als in dieser
düstern, verhängnisvollen Zeit, wo man seine Existenz von Tage
zu Tage fristet und ihrer froh wird, hat mich das Schreiben so
angesprochen“, heißt es in dem Brief;- „es ist, als schlösse sich
mir ein wunderbares Reich auf, das, aus meinem Innern hervor¬
gehend und sich gestaltend, mich dem Drange des Aeußern ent¬
rückte.”
Einen Tag darauf packte er seine Habseligkeiten zusammen,
und am 22. zog er in die Stadt, da die Russen und Preußen im
Anmarsch waren und Fuhrmanns Häuschen „äußerst angenehm
— gerade in der Schußlinie einer bedeutenden Schanze“
lag. So endete wieder ein kleiner Abschnitt dieses bewegten
Künstlerlebens; es folgten die Tage von Napoleons letztem Sieg
auf deutschem Boden, der Schlacht bei Dresden, und sodann die
fast ebenso bangen Wochen der völligen Einschließung der
Stadt, bis nach der Schlacht bei Leipzig auch Dresden befreit
wurde.
761
Unter Den SinDen 9lr» 9
@c|ö)i(f)(en oom „öben Sjau«“
3u ben „©rinnerungen aul ber kleinen
Sftauerftrafje" im 2tbeuibbtati bet „SMJtß“ bont
10. 9. toirb uns gefchrteben:
©djon 1817 fianb auf bem ©runbftüd Unter ben
Sinken 9 ein JpauS, baS trofc ober btetmehr toegen feine S
unfcfjeinbaren 2leufjeren ju ben eigenarttgften ber ©trafce
gehört; toeuigftenS fanb baS ©. X. 91. $of f mann. 3n
feiner ln ***n fpielenben ©raä'hlung „S>aS öbe $a.uS",
feie ben ameiten ©anb ber „Stachtftüde" eröffnet, fchtlbert
er auerft bie ©rachtgebäube ber „2tllee, toelche nach bem
* * *gen S^ore fü^rt", unb baS rege Sehen, ba§ in biefer
®tra§e ^errfc^e; um fo mehr ftedje ein niebrigeS, bon
3toei «öoljen frönen ©ebäuben eingeklemmtes $>auS, beffen
genfter ftets bicht bedangen touren, bon ollen übrigen
ab. 3n biefem £aufe läfft $offmann eine entfjjrechenb
büftere (53-efd^icfyte ffnelen. 2)a6 bie gefchilberte ©trafje bie
©erlitter „Sinben" ftnb, ift fchon 1823 bon $offmann3
©iograbben £ihig angegeben; unb bajj eä ft<h um 9tr. 9
hamble, tote öffentlich auerft 1888 bon Kultus füobenberg
befannt gemacht toorben ift, toat nicht fchtoer au erraten,
ba bas „öbe &auS" ln £offmann£ ©raählung bicht an
ben „brachte)oll eingerichteten Sahen" eines SonbitorS
anftö&t, unb bamit nur bie gu<h3f<he Ronbitorei Unter
ben Sinben 8 gemeint fein fann.
S^atfächlich toobnte in bem fcaufe, toie ht fcoffmannS
©raählung, eine ältere 2>ame, bie Ungfüd in 'ber Siebe
gehabt hatte, ©te toat 1753 alS Sochter beS ©roß*
inbuftrlelfen SBegath, bteS ©egrünbets ber ©erltner
©oraeCanmanufaftur, geboren unb hatte 1775 einen
fcerrn b. 21 mim geheiratet; 1777 gebar fie ihm einen
©ohn griebrich (beffen ©of>n ©Sfat half nebenbei be=
nrerft, 1844 ©iSmardS ©djtoefter Süaltoine geheiratet,
beren jüngere Tochter Sibylle bann toieber 1885 ©iS*
mardS ©ohn SStfhelm ehelichte). 2>ie ©he tourbe aber
nach 'frcr ©eburt eines atwiten ©ohnes getrennt; toährenb
ber ©lann auf feinem ©nte Rrödjlenborff blieb, begab
bie grau ftdj nach ©ertin anrüd unb häufte hi« einfam
unb menfchenfcheu, allgemein für eine Söittoe geltenb, in
ihrem fcaufe Unter ben Sinben 9, in bem fie auch am
26. SDtai 1823 geftorben ift.
2tm 13. 2luguft beS fofgertben Jahres tourbe bann
baS fchmale, tiefe ©runbftüd berlauft an Sodann ©ott*
lieb ©iegmeher, ©ehetmer ©aleulator am ©eneratyoft*
amt. Siefer riß aisbalb bas „öbe §au3" ab, um es
batrch einen Neubau an erfefcen, unb legte mit einer bon
griebrich 2SiIhelm III. betoiüigten finanaietten ©eihilfe
bie Stleine ©tauerftraße burch bas ©runbftüd.
Hane v. Müller
763
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‘U'cÄd Haca mH Ax* j-rj L-t-v ßneUnAA. CLA*eX\ mal dx-x (jlX-ia*. is\
L'UaaJu~ /vi pZtJLuA^i £<* ßeÄju*. & fut I%<j6 *U^
j<J}l (uU^X feyiAxXwxß^ ^tAUcl(lA*JUyAfl Poa^ CLA^jy^t* ßhlA-J
Zlaa* I6u*ß 1b~Aff\^ ßb oC\ lAuAi*ß’ ßgov^bX ivr'y. At**, Xa*x
OhJJ. iaoJaa. * a?aXch, Jia«^aa h '<\iAjb*^ y-txßr^XL’tAx** .p-ux^J^
It* 1/lAj &A^L*\Xu/ t*l*d £j lsj CAaC^Aa// frf tACAAjtA*^ VCflY OA*ß L^ Aj*fß-
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ßi.lt'/k^l «/«v. \Jtr*ljjtlUtLvx v*eAlc<rJl(dxj^ fUc^x.
1^1/ftAAAaß^ ^r'tÄwtUivCju/l *A«jß e~lt(-Y»i/tljA«A f (ktjrA^Xjfu^*
je^XA^Z/u^M «J (ntX'tfra^/u*^ Qd«?^ /oi+n\ /wub
fUxtÄZi'iAt *A.tAjoaX;(<AjL UU.A Px-XCa' oXkvX-AA*ißtxx (t r
^'v (UaaZ/^AA. L”f<AjJlA/XjtsfUx^UjK Ab* !j, f f%. UuJ fOf, Jtclx* -
LuAA&At, f vtxr diu** *6^ UA*X llv ™</(tA*(d«xfit,'d«SL /VßA* -
Z^xAOu^UA4*i (AnflAXA «u*-/ Pxf'xA*
Hrffm~A~*LtL4 tAA*Jov(riAA ks<X",
767
ANMERKUNGEN
Ein (M) am Schluß einer Anmerkung bedeutet: Randbemerkung Hans von Müllers in seinem
Handexemplar. Diese Handexemplare befinden sich mit Ausnahme des Sonderdrucks ,Aus
Hoffmanns Herzensgeschichte‘ im Besitz des Herausgebers.
Neues von und über E.T.A. Hoffmann
S. 3 Z.20ff
S.4Z. 12-11 v.u.
S. 10 Z. 7-12
S. 11 Z. 4
Z. 16 v.u.
S. 16Z.17f
Z. 5 v.u.
S. 17 Z. 11 v.u.
Z. 10-9 v.u.
S. 20-21
S. 26 Z. 12
Z. 2 v.u.
S. 27 Z. 6f
Z. 23f
daß Hoffmanns Tagebücher in fremde Hände gerathen und, wie es scheint, nicht
zur Veröffentlichung zu erhalten sind: Die Tagebücher wurden 1904 und 1909
durch Hans v. Müller in Hitzigs Nachlaß gefunden.
„entstrahlt“, was aber vielleicht auf einem Druckfehler beruht: Ist nicht der
Fall!
eine köstliche, mit unmittelbarster Frische wiedergebene Szene ... in einer
alten Hamburger Zeitung Die Schilderung dieser Szene in den Hamburger
.Jahreszeiten* von 1846 verdient keinen Glauben.
geb. in Berlin um 1798: am 2. März 1798.
statt Seiler Seidler.
hat Hitzig die Tagebücher und Entwurfbücher Hoffmann’s verschenkt : Das
stimmt nicht ganz; die Tagebücher wurden später in Hitzigs Nachlaß gefunden
(s.o.); ein „Entwurfbuch“ (das sog. „Notatenbuch“) hat Hitzig freilich 1824
aus der Hand gegeben.
von Lekrycki: recte: von Lekszycki
Ende der 50er Jahre zu Warmbrunn erfolgten Tode: sie starb am 27. Januar
1859.
der noch heute hochbetagt in Dresden lebenden Tochter von Hoffmann’s
rechtem Vetter Johann Hoffmann: Wie sich später herausstellte, war dieser
Johann Hoffmann nur ein Namensvetter Hoffmanns.
Hippel kannte nur Hoffmanns Tante Johanna Sophia Doerffer (1745-1803)
und wußte - wie H. v. Müller damals - nichts von der Existenz deren jüngerer
Schwester Charlotte Wilhelmine (1755-1779), an welche Hoffmann in der
Kreislerbiographie denkt, wenn auch der Kosename „Tante Füßchen“ offenbar
aus „Tante Sophie“ gebildet ist.
Zu E.T.A. Hoffmann. Verzeichnis der Schriftstücke
mit den beiden um 1700 sich trennenden Zweigen der bis 1540 zurückzuverfol¬
genden Familie Bagiehski-Hoffmann (insbesondere auch mit den Nachkommen
von Hoffmanns rechten Vettern und Heinrich Hoffmann): Die Genannten sind
nicht mit Hoffmann verwandt, und es bestehen keine genealogischen Zusam¬
menhänge zwischen der Familie „Bagienski-Hoffmann“ und E.T.A. Hoffmann,
wie es Herr Theodor Hoffmann, der sich später „v. Bagiehski gen. Hoffmann“
nannte, im Genealogischen Handbuch bürgerlicher Familien (Bd. 7, Berlin 1900)
durch phantasievolle Kombinationen nachzuweisen trachtete.
(Brief über Sondershausens Zehn Jungfrauen.): Angeblicher Brief an einen
jungen Componisten, über Sonderhausens Zehn Jungfrauen. (M)
verloren: von Hitzig verschenkt. (M)
In beiden Briefen wird irgendeine diskrete Angelegenheit behandelt worden
sein: wohl vom Enkel des Empfängers um 1900 abgerissen, um den Namen Itzig
in der Adresse (auf der Rückseite) zu vernichten. (M)
jedenfalls ins Manuskript der Biographie geklebt und mit diesem verloren: Der
Satz ist gestrichen und ersetzt durch: (von Hitzig an Christian Friedrich Lessing
768
S. 28 Z. 22 v.u.
Z. 12 v.u.
S. 30 Z. 1
Z.2
Z, 3
Z. 5-10
S. 32 Nach Z. 24
Nach Z. 30
Nach Z. 32
Z. 19-15 v.u.
Z. 14 v.u.
S. 33 Z. 4
Z. 6
Z. 19
S. 34 Z. 19
[vielmehr, wie Müller später feststellte, an Hitzigs Vetter Benoni Friedländer]
geschenkt, jetzt im Besitz von dessen Erben Geh. Justizrat [Carl Robert] Lessing
in Berlin). (M)
Ich kenne zwei Ölbilder von Hoffmanns Hand: Nach Müllers späterer Berichti¬
gung sind beide Bilder in Gouache gemalt.
Statt Ölportrait: Portrait
ein schlechtes Gedicht korrigiert in: ein Gelegenheitsgedicht (M)
unterzeichnet H. K.: D. h. Heinrich Cuno.
wahrscheinlich des Scherzes wegen korrigiert in: zur Composition (M)
Die Zeilen sind von Müller gestrichen; dazu die Randbemerkung: 1. Cladde
1803/08 s. Nachträgliches* [S. 37 ff unserer Ausgabe],
Notizen aus der letzten Zeit, vielleicht für den .Schnellpfeffer'-. Es sind Notizen
von der Schlesischen Reise (1819), während der Fahrt im Wagen geschrieben.
Handschriftliche Ergänzungen Müllers nach den Zeilen 24,30 und 32:
la. von Contessa: 1 Brief Neuhaus 1823 Mai 12: (Lessing) [d.h. im Besitz von
Carl Robert Lessing].
6a. von Speyer: 1 Brief Bamberg 1823 Mai 18: 2 S. 4° (Halle).
7a. von Jean Paul: 1 Brief Baireut 1823 Mai 20: (wo? von Gubitz im Gesell¬
schafter vom 17/12 25 abgedruckt).
Gemeint ist Friedrich Perthes in Hamburg.
Statt verloren oder in Leipzig: (wo? ) (M)
Unterschrift abgekürzt und unleserlich: sie lautet „C CE“ = Carl Oels.
in einem Briefe: in einem angeblichen Briefe (M)
den erwähnten Hoffmannschen Brief: den erwähnten angeblichen Hoffmann-
schen Brief (M)
Hinter Truhn die Ergänzung Müllers: Breitkopf & Härtel
Berichtigungen und Ergänzungen
S. 35 Z. 8f Die Jahrgänge 1812, 1813 und 1815 haben sich nachträglich noch in Halle
gefunden : Die Jahrgänge 1809, 1811 und 1814 kamen 1909 ebenfalls in Halle
zum Vorschein.
Z. 17f und das mag Hoffmann diese Aufzeichnungen verleidet haben: Diese Ver¬
mutung hat Müller später aufgegeben; er sah vielmehr den Grund zum Abbruch
der Tagebuchaufzeichnungen in dem bürgerlich-eintönigen Dasein, das Hoff¬
mann jetzt in Berlin führte.
S. 48 Z. 16f
Z. 21
S. 49 Z. 9-8 v.u.
S. 50 S. 7f
S. 51 Z. llf
Z. 6-4 v.u.
Einleitung zum Kreislerbuch
(nebst Fußnote): aus der alten ostpreußischen Pastorenfamilie Bagiehski-
Hoff mann: S. die Anmerkung zu S. 24.
1736-1796 Hoffmanns Vater starb am 27. April 1797.
Desto inniger war seine Liebe zu „Tante Füßchen": Vgl. die Anmerkung zu
S. 20-21.
seines gleichaltrigen lustigen Vetters: Ernst Ludwig Hartmann Doerffer war 2
Jahre jünger als Hoffmann (geb. 11. Januar 1778, gest. 3. Juni 1831).
des dortigen Bürgermeisters und Stadtpräsidenten Rorer-Trzynski: Michael
Rorer-Trzciriski, 1765 kgl. polnischer Sekretär, 1769 zum Stadtrat auf Lebens¬
zeit ernannt, war Magistrats-Schreiber in Posen.
Gubitz .Erlebnisse Bd. I (Berlin 1868), S. 246 ff.
f Von den Compositionen der Berliner Zeit: Die im Folgenden genannten fünf
a cappella-Chöre sind größtenteils in Glogau komponiert, u. z. das ,Ave maris
stella‘ am 27. Juni, das ,0 sanctissima' am 4. Juli 1808.
Er ersetzte hinfort seinen dritten Vornamen Wilhelm durch Mozarts Vornamen
Amadeus : Schon auf dem Titelblatt der .Lustigen Musikanten* - 1804 oder
1805 - nennt er sich E.T.A. Hoffmann.
keinesfalls später als Anfang 1814: Wahrscheinlicher ist Sommer 1814.
Von Juni 1809 bis April 1812 hat Hoffmann anscheinend allen brieflichen
Verkehr mit Bekannten ruhen lassen: Wenn man „Bekannten“ durch „Freun¬
den“ ersetzt, trifft das zu.
Aus diesem Grunde hat denn auch Hitzig die Bücher 1823 verbrannt: Irrtum
Müllers; s. die Anm. zu"S. 35, Z. 8 f.
die Oper ,Undine‘, die er im Spätjahre [1812] begann: Die Partiturniederschrift
begann Hoffmann erst am 13. Juli 1813 in Dresden.
1796-1864: Julie Marc starb am 16. März 1865, zwei Tage vor ihrem 69.
Geburtstage.
Julia wird kaum etwas davon bemerkt haben: Nach ihrem Brief an ihren Vetter
F. Speyer vom 15. März 1837 doch!
Der Abfassung nach fallen ferner in diese Monate ,Kreislers musikalisch-poe¬
tischer Clubb ‘ und, wenigstens teilweise, die Ahnungen aus dem Reiche der
Töne': .Kreislers Clubb* ist frühestens in der zweiten Jahreshälfte 1814 geschrie¬
ben, da die darin enthaltene .Prinzessin Blandina* im Mai 1814 entstand; die
.Ahnungen aus dem Reiche der Töne* schickte Hoffmann am 11. Juni 1814 an
Cotta; sie dürften also kurz vorher zu datieren sein.
Vielmehr ist der Heiligenname des 24. Januar Timotheus; den Namen Johannes
Chrysostomus entlehnte Hoffmann dem Geburtstage Mozarts (27. Januar).
Zu Ende war es auch mit dem Schaffen in der Musik: Hoffmann hat in der Zeit
von 1815 bis 1821 zwar kein umfangreiches musikalisches Werk mehr ge¬
schaffen, aber doch noch mehrere Kompositionen geschrieben.
Hans Pfitzner, der .. . hoffentlich noch einen Verleger findet für den lange
geplanten Klavierauszug der , Undine': Pfitzners Klavierauszug erschien 1906 in
der Edition Peters (Leipzig).
Später machte Müller in seiner .Autobibliographie 1896-1915* (erschienen
1937) folgende Bemerkungen über das .Kreislerbuch*: „Wenn ich ... das seit
1916 vergriffene Buch nicht neu herausgegeben habe, so liegt das an einer
Beobachtung, die ich 1902 während der Arbeit machte und auch in der Einlei¬
tung (S. XXXIII mit Note) angedeutet habe. Als Hoffmann 1821 zu der Dich¬
tung zurückkehrte, hatten sich ihm die 1819 statuierten Voraussetzungen ver¬
schoben; er schrieb eine Vorgeschichte, an die er 1819 noch nicht gedacht hatte.
(Daß die gleichzeitig verfaßte zweite Hälfte von Murrs Ansichten in noch stär¬
kerer Weise der ersten Hälfte widerspricht, habe ich 1915 in der Ausgabe dieses
Werkchens ausgeführt.) In einer Neuausgabe des Kreislerbuchs würde ich also
nicht den vergeblichen Versuch wiederholen, die Lebensgeschichte Kreislers zu
rekonstruieren, sondern die Entwicklung der Kreisler-Figur in Hoffmanns
Schaffen zeigen, beginnend mit .Kreislers Leiden* (1810) in der von mir aufge¬
fundenen Urfassung, und abschließend mit Meister Abrahams Billet (von Hoff¬
mann verfaßt im Dezember 1821). Ein Nachwort müßte die Ähnlichkeiten und
die Verschiedenheiten der einzelnen Phasen der Fabel aufzeigen.“
770
S. 174 Z. lOv.u.
S. 175 Z. 20f
S. 176 Z. 6
S. 178 Z. 3 v.u.
S. 179 Z. 18
S. 180 Z. 22
S. 182 Z. 12
S. 186 Z. 17-14 v.u.
Z.
2-1 v.u.
S. 187
S. 188 Z. 9f
S. 189 Z. 15f
Z. 17ff
Nachwort zur ersten vollständigen Ausgabe des «Meisters Floh*
Wippermann: Der bekannte Herausgeber des Deutschen Geschichts-Kalenders,
Prof. Dr. jur. Karl Wippermann (M)
Zu die unterstellte Gefahr erst entdeckt werden sollte die Fußnote: Mathias
Edler von Rath, Appellationsrath in Klagenfurt, 1820-24 Mitglied der Central-
Untersuchungs-Commission in Mainz, an Metternich: „Man sucht nicht für das
Verbrechen den Thäter, sondern umgekehrt für den Thäter das Verbrechen.“ A.
Petzold in ,Die Zentral-Untersuchungs-Kommission in Mainz', Quellen und Dar¬
stellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbe¬
wegung Bd. 5 S. (171-258) 187; in der Note dazu (34) citiert Petzold Knarr-
pantis Äußerung auf S. 104 dieser Ausgabe als Parallele. (M) S
Im Sommer 1821 gelang es Hoffmann endlich, das unwillkommene Nebenamt
abzuschütteln: Dazu setzt Müller am Rande ein Fragezeichen und fügt hinzu:
„cf aber Kamptz“ — was sich auf Kamptz-Schuckmanns Schreiben an den
Staatskanzler Hardenberg vom 4. Februar 1822 bezieht, worin gefordert wird,
daß Hoffmann „so schleunig als möglich nicht allein aus der Immediat-Unter-
suchungs-Commission sondern auch aus seinen hiesigen Amts- und übrigen Ver¬
hältnissen“ entfernt werden müsse. Tatsächlich war Hoffmann bis zu seinem
Tode noch Mitglied der Immediat-Untersuchungs-Kommission, wenn auch deren
Tätigkeit schon vorher praktisch aufgehört hatte.
S
altvorderischen : alvörderischen (M)
zweifeln : [verzweifeln (M)
Vor Don Quixote ist einzuschalten: Reinaert, (M)
Statt Knarrpanti-Stücke: Knarrpanti-Parenthesen o.ä. (M) S
Statt S. 136: S. 137 (M) s
Statt Ein näheres Eingehen - darauf aufmerksam gemacht werden : Eine voll¬
ständige Analyse der Handlung würde den Rahmen dieses Nachworts überschrei¬
ten und bei den angedeuteten Widersprüchen immer problematisch bleiben. Zur S
Erleichterung der Lektüre soll also nur noch darauf aufmerksam gemacht
werden (M) S
Statt Zur Beurtheilung unseres Märchens sei nur daraufhingewiesen: Bei dem
fragmentarischen Charakter unseres Märchens müßte eine Beurtheilung dessel¬
ben auf eine Aufzählung der glücklichen und mißlungenen Stellen hinauslaufen.
Dafür ist hier kein Platz; es sei nur darauf hingewiesen (M)
Zu „Famagusta“ und „Samarkand“ die Bemerkung Müllers: Samarkand und
Famagusta [sind] im Personenverzeichnis der »Lustigen Musikanten' als Herzog- &
tümer [bezeichnet]!
Zu Er beobachtete völlig planlos und ohne jede Methode die Bemerkung Mül¬
lers: Cf Z. C. von Uffenbach, Reisen III 349 ff.
Hinter Schwärmerin hat Müller eingeschaltet: Kothfresserin pp, cf Anonymen- s
Lexikon 7446 (II 223) s
S
von Aurengzib zerstört wurde: Dazu die Fußnote: Eine Tochter Aurengzibs war
Lalla Rükh, mit der sich Hoffmann 1821 mehrfach beschäftigt hatte. (M)
der König von Frankreich will mit ihr ein Bündniß schließen und sendet zu dem
Zwecke einen General Saint-Phar, der sich dann als ehemaliger Bräutigam der
jetzigen Königin entpuppt und sie heirathet: Dazu die Bemerkung Müllers: nicht
in der Erzählung!
als Oper von Vial und Favieres: Dazu die Fußnote: cf Freimüthiger 1803, 620
(im 1. und 3. Act stark umgearbeitet!). (M)
Nach hörte Hoffmann 1807/08 die Oper schaltet Müller ein: Auff. in Bamberg!
[bezieht sich auf Hoffmanns Direktion der Oper am 21. Oktober 1808.]
Schinkel entwarf 1821 [1820] in Aquarell eine Landschaft dazu ([Wolzogen] IV
592 f)
die 1814 verstorbene Bethmann: Dazu die Korrektur Müllers: [gest.] 16/8 1815
Statt Kronblätter: Kronblättem (M)
Statt Schon zwei Jahre vor der Entstehung des ,Meisters Floh ‘ schildert Hoff¬
mann: Schon 1817 nennt Hoffmann im .Steinernen Herzen* (Nachtstücke II
339) den Cactus grandiflorus, der nur um Mitternacht blüht und weithin sein
Aroma verbreitet; 1820 schildert er (M)
Hinter ihn umströmen fügt Müller ein: ;in der im Sommer 1821, unmittelbar vor
Beginn des .Meisters Floh* vollendeten .Datura fastuosa* wird (am Schluß des
vorletzten und am Anfang des letzten Capitels) ausgefiihrt, wie „durch das
schnelle Aufkeimen zum höchsten Moment der Seligkeit und ebenso schnelles
Hinwelken“ „das Mysterium der Liebe und des Todes selbst“ „gefeiert wird“.
Statt uur: nur (M)
Statt Und wirklich-. ; am Morgen entdeckt man die Ursache: (M)
Hinter zu den Fischen fügt Müller ein: , die Seidenraupen zu den Würmern
Hinter stellt fügt Müller ein: A. a. O., S. 108, verteidigt Pepusch lebhaft die
Disteln;
Statt Pepusch: er selbst (M)
Dazu noch die Ergänzung: Unmenge! (M)
Statt die erste Hälfte : das erste Drittel (M)
Hinter ebenso fügt Müller ein: natürlich (da nicht von Hoffmann gesehn)
Statt Angabe: Ausgabe (M)
Das Wort Streichen fehlt auch in Hoffmanns Manuskript!
Ein Berliner Theaterbrief E.T.A. Hoffmanns
George Groepel: Der Name wird von Hoffmann so geschrieben; richtig ist
Gerhard Graepel.
zwei Tage nach der 23. Aufführung : In dem weiter unten zitierten Brief an
Adolph Wagner gibt Hoffmann diese Aufführungszahl an; tatsächlich war die
Oper bis zum 27. Juli 1817 vierzehnmal gegeben worden.
1788-1823: Pensioniert wurde Unzelmann am 10. April 1821.
nach einer sorgfältigen alten Abschrift: im Kestner-Museum in Hannover; das
Original, das Müller nicht kannte, lag in der Musikabteilung der Preußischen
Staatsbibliothek zu Berlin (der jetzigen Deutschen Staatsbibliothek) und be¬
findet sich noch heute dort.
772
Aus Hoffmanns Herzensgeschichte 1796-1802
S. 212 Z. 4 am 25. Oktober 1795: Vielmehr am 26. Oktober 1795.
Z. 4f und drei Töchter: und fünf Töchter
Z. 5 die in den dreißiger Jahren: von denen vier
Z. 6ff Gottliebe - zu Königsberg: Lovisa Sophia hatte den Hofgerichts-Advokaten
Johann Jakob Doerffer in Königsberg geheiratet, Maria Elisabeth den Pastor
Friedrich Christoph Hoffmann in Neumark, Charlotte Juliane den Amtmann
Johann Gottlieb Jentico, Gottliebe den Hofgerichts-Sekretär und Konsistorialrat
Johann Wilhelm Schlemüller.
Die im Folgenden mit (M) bezeichneten Korrekturen hat Hans v. Müller am
31. Januar 1915 in ein für Max Voigt bestimmtes Exemplar eingetragen, das sich
heute im Besitz von Dr. Wolfgang Krön in München befindet.
Z. 12 aus der alten Königsberger Juristenfamilie dieses Namens: aus Didlacken im
Kreise Insterburg (M)
Z. 14 ff war im Nebenamt Konsistorialrat und besaß, wie in den achtziger Jahren [des 18.
Jahrhunderts] der bekannte Bürgermeister, Polizei- und Kriminaldirektor
Hippel: kam wie sein Schwippschwager Schlemüller ins Consistorium (M)
Z. 22 den jüngsten: den zweiten (M)
Z. 25 f zum Mitgliede des Gerichts: Dazu die Randbemerkung Müllers: „Stimmt nicht
ganz“ [Er wurde 1768 Justizrat beim Brandenburg-Neuhausenschen Justiz-
Kollegium.]
S. 213 Z. 4 von denen der eine: von denen der zweite (M)
Z. 25 am 19. März 1796: am 13. März 1796 (M)
Z. 27 lud den verwaisten Ernst sogleich ein: hatte Ernst schon im Februar aufgefor¬
dert (M)
S. 215 Z. 27 f mit einem praktischen Schulmann am Orte: Vgl. dazu S. 609 (FS)
Z. 5 v.u. Hitzig ergänzt das M. in „Michaeline“, wie er Hoffmanns Frau fälschlich nennt
(s.u.j: Hitzig sieht in dieser M. Hoffmanns spätere Frau. (M)
S. 217 Die Fußnote ergänzt Müller durch: Cf Plocker Tagebuch 4/1 04.
S. 218 nach Z. 5 Vor dem mit Um Neujahr 1802 beginnenden Absatz hat Müller eingefügt: In der
„überaus lustigen Verbrüderung“, von der Hoffmann in dem vorhin ange¬
führten Briefe redet, befand sich als besonders lustig aber auch besonders frag¬
würdig ein Criminalrath Gottwald. Dieser war gleich bei der Occupation von
Posen 1793 dorthin gekommen und hatte Anfang 17.94 eine Tochter des bis¬
herigen dortigen Magistratssecretärs Michael Rohrer 2 [bei uns Fußnote 1 auf
S. 219] geheirathet, der, seit 1758 im Communaldienst beschäftigt, bei der
Occupation wegen seiner mangelhaften Kenntniß der deutschen Sprache mit
vollem Gehalt (im Werthe von 350 Mark [jährlich!]) zur Ruhe gesetzt worden
war. Bei ihm lernte Hoffmann eine jüngere Tochter Rohrer, die jetzt 21jährige
hübsche Michalina kennen und machte ihr alsbald lebhaft den Hof.
Z. 12 Am 2. Februar wurde Hoffmann zum Rat an der Posener „Regierung“ ernannt:
Berichtigt in Fragment I (M) [S. 406/07 unserer Ausgabe.]
S. 219 Z. 1-11 Statt Er hatte sich - in Schutz: Bekanntlich berichtet Hoffmanns Hausgenosse
Schwarz, Hoffmann habe Michalina Rohrer „gern sein genannt, ohne sich die
Fesseln der Ehe anlegen zu lassen“; Michalinas Schwester (Frau Gottwald) habe
jedoch Schwarzens Gattin und Schwägerin veranlaßt, die Unschuld zu be¬
schirmen, und die beiden Schwestern hätten darauf die kleine Polin „dergestalt
in Schutz genommen (M)
773
S. 219 Z. 15
Z. 18
Z. 27 f.
S. 220 Z. 14
Z. 15
damit freilich nicht die Wahrheit: damit freilich wohl nicht die Wahrheit (M)
Ende März: Ende April (M)
fungierten die schlichten Männer Peter Sobolewski und Theodor Tott: fungierte
von Hoffmanns Seite der Justizcommissar Theodor Todt, der später in Berlin
wieder mit Hoffmann zusammen war (s. Tgb. von 1815 sub 9/1 u. 22/2) und
sich auch an der Stiftung zu dessen Grabstein betheiligte, von seiten der Frau
ein Pole Peter Sobolewski, (M) [Sobolewski war ebenso wie Todt Justizkom¬
missar (= Rechtsanwalt) in Posen.]
Die 2. Fußnote hat Müller gestrichen und dazu bemerkt: Falsch. Sie heißt
Michalina.
Statt Maria Thekla: Michalina (M)
Statt am 20. Januar 1859: am 27. Januar 1859 (M)
Z. 24
Z. 9-8 v.u.
S. 225 Z. 12 v.u.
Z. 3-1 v.u.
S. 229 Z. 8
S. 230 Z. 20
Z. 7 v.u.
S. 236 Z. 21
S. 244 Z. 6
Z. 19
Nachwort zu Hoffmanns ,Brautwahr
Von Müllers z.T. durchgreifenden Änderungen und Umstellungen im Handexem¬
plar des Nachworts werden im Folgenden die wichtigsten Korrekturen und Er¬
gänzungen mitgeteilt.
Der Held selber - in Italien findet: Der Held selber ist in beiden Erzählungen
ein junger Maler, der zunächst in der Heimath durch einen alten Meister in das
Wesen seiner Kunst eingeführt wird, dann aber die Vollendung seiner Kunst und
seines Lebens in Italien findet; der Lehrmeister des Helden steht in beiden
Erzählungen in geheimnisvollem Zusammenhänge mit einer Person der Ver¬
gangenheit.
Der Absatz soll folgendermaßen beginnen: Mit diesem Lehrmeister begeben wir
uns aber, in beiden Erzählungen, auf das Gebiet des Irrationalen. Im .Artushof
ist das Irrationale ins Innere des alten Malers verlegt, er ist geistig gestört.
Den Nebensatz wie sie vielleicht Otmar Schissei von Fleschenberg uns einmal
schenken wird hat Müller gestrichen.
Statt Dancus: Daucus
Diese Zeilen sind gestrichen.
Statt um Neujahr 1818: um die Jahreswende 1817/18
Statt der Brautwahl: der sog. Brautwahl
Ebenso.
Zu im Herbst 1817 die Fußnote: In einem früheren Jahre beschwört in der
gleichen Stunde, die „den Hexenkünsten günstig“ ist - 23. September abends
von 11 bis 12 — bei Dresden die Rauerin die Geister. [Im .Goldnen Topf*.]
Das Adjektiv allegorische ist gestrichen.
Zu gemein haben die Fußnote: Garnichts gemein hat sie mit Fanny Mendels¬
sohn Bartholdy, die ja Hensel bekanntlich erst im Frühjahr 1821 kennengelemt
hat. Fanny war nach der Schilderung ihres Sohnes (,Die Familie Mendelssohn
1829-1847*, 11. Aufl. II 377) „klein von Gestalt und hatte - ein Erbtheil von
Moses Mendelssohn - eine schiefe Schulter“, „Nase und Mund waren ziemlich
stark“; körperlich schön war sie nur in Bezug auf Augen und Zähne. Dafür war
sie an echter künstlerischer Begabung, an Tiefe des Gemüthes und an Schärfe des
Verstandes ebenso das Gegentheil von Albertine.
774
dem selben Jahrzehnt - nicht durch Druck: dem selben Jahr 1595, in dem der
für die ,Brautwahl 4 so wichtige .Kaufmann von Venedig 4 verfaßt zu sein scheint.
Der Verfasser ließ seine Compilation nicht durch Druck
Der Relativsatz der später die Markgrafschaft Bayreuth erbte ist gestrichen.
Statt dessen ist die Fußnote folgendermaßen ergänzt: Christian erhielt nach dem
Geraischen Hausvertrag die 1603 erledigte Markgrafschaft Kulmbach und ver¬
legte die Residenz nach Bayreuth.
S. 259 Z. 3 v.u. - S. 260 Z. 2 Der einzige - Goldschmidt ist ersetzt durch: Im einzelnen spielt, wie wir ge¬
sehen haben, der Goldschmidt
S. 260 Z. 17ff Die Zeilen sind gestrichen.
.Schwester Monika erzählt und erfährt 4
S. 261 Z. 2 in dem vorstehenden Aufsatz: Es ist der Aufsatz ,Ein anonymes pornogra¬
phisches Werk von E.T.A. Hoffmann? Von Paul Margis in Breslau 4 . Margis lehnt
Hoffmanns Autorschaft - wenn auch mit einigen Bedenken - nicht durchaus
ab. Unmittelbar auf seinen Aufsatz folgt eine scharfe Entgegnung Carl Georg
von Maassens und im Anschluß daran diejenige Müllers.
Pückler und Helmine
S. 288 Note 7 Die Fußnote ist ergänzt durch: Das selbe machte z.B. Wilhelm I. 25/4 66 mit
Hitzigs Enkelin Clara Hitzig (während deren Eltern und Geschwister bürgerlich
blieben), die dann 19/5 Adolf von Steffens (1817-1898) ehelichte. Dessen
Vater Wühelm Steffens (f 1867 als Oberforstmeister a.D.) war 1841 mit seinen
Söhnen geadelt (Diplom ist 1856 ausgefertigt), hatte 1859 das Fideicommiß
Frauweiler im Kreise Bergheim (127 ha) für seinen Sohn Adolf (damals Lega-
tionssecretair) gestiftet und erlangte im selben Jahre den Freihermstand, der
aber nur an den erstgeborenen Sohn aus adliger Ehe vererbt werden sollte. Da
mußte la fortune corrigirt werden. - Uebrigens ließ Adolf sich 1878 wieder
scheiden; das Fideicommiß ist verkauft.
Charlotte Reimann
und Hoffmanns künstlerische Huldigung an sie
Die Zeile ist ergänzt durch: und die vier Deckel zum Murr-Kreisler-Werkü (M)
Zu Voelsch die Randbemerkung: 1784 Dec. 8 ff sollte beim Schneidermeister
Völsch in der Weißgärber-Gasse, 2 Tr. hoch, eine Menge zur Lesegesellschaft
bestimmter Bücher versteigert werden (Königeberger Gelehrte und Politische
Zeitungen). (M)
Ferner als Nachtrag: Jacobine Kurella war ein Jahr älter, Charlotte Voelsch drei
Jahre jünger als Charlotte Reimann. Ein Gratulationsgedicht der Reimann zum
sechzehnten Geburtstage der Voelsch ist noch vorhanden (M)
Seitdem lebten die drei verarmten Königsberger zusammen, eine klösterliche
Einsiedlertrias, fast feindlich sich abschließend von der gesammten Außenwelt :
Dazu der Nachtrag: Das Leben der drei Rogehner ist nach der Erinnerung des
Fräuleins Elise Voelsch weniger einförmig gewesen als nach der des Herrn Kühn;
Fräulein Voelsch nennt mir eine größere Reihe von Freunden des Hauses. Be¬
sonders gern verkehrte, nach Angabe des Fräuleins Voelsch, Charlotte Reimann
mit einer Familie Leineweber. Diese erfreute sie einmal durch ein ungewöhn-
S. 301 Z. 20
S. 302 Z. 10
S. 303 Z. 10-13
S. 251 Z. 9-12
S. 254 Z. 29f
775
S. 305 Fußnote
S. 307 Z. 1
S.318Z. 14-13 v.u.
Z. 13 v.u.
S. 319 Z. 17f
S. 321 Z. 18
S. 322 Z. 13f
S. 323
S. 325
S. 378 Fußnote 1
S. 400 Z. 15 v.u.
S. 402 Z. 16f
Z. 18 v.u.
Z. 16-15 v.u
S. 403 Z. lOf
liches Geschenk: Charlotte hatte den Wunsch ausgesprochen, noch bei ihren
Lebzeiten ihren Sarg zu besitzen; Leinewebers stifteten ihr also zum Geburtstag
einen schönen blanken Eichensarg, und Charlotte hatte eine herzliche Freude
darüber. (M)
Dazu der Nachtrag: Das in Note 7 besprochene Mißverständniß der Angelica
Voelsch beruhte thatsächlich auf Brockhaus’ Conversations-Lexikon. (M)
Abriß von Hippels äußerem Leben
Nach der Überschrift die handschriftliche Bemerkung Müllers: Als Motto Gre¬
gors VII. letztes Wort! [„Dilexi justitiam et odi iniquitatem propterea morior in
exilio.“]
Dem Zitat und die dadurch contrahirten Schulden: fügt Müller hinter „und die“
in eckigen Klammern ein „nicht nur“ hinzu.
wie es ausgedrückt wurde: Diese vier Worte von Müller gestrichen.
Statt Ansprache: Proclamation (M)
Hippels goldene Uhr: es war „eine“ — nicht „seine“ — „goldne RepetirUhr“
Die genannte Commission tagte in Berlin vom Sommer 1821 bis zum August
1822: Hippel traf schon Mitte Mai 1821 in Berlin ein; seine Ankunft meldete
die Vossische Zeitung vom 15. Mai.
Nach der letzten Zeile verweist Müller hinsichtlich der letzten Jahre Hippels auf
ein späteres Kapitel .Hippels Fürsorge für die Wittwe [Hoffmann] und das An¬
denken Hoffmanns’; danach nahm Hippel im Jahre 1837 „den Abschied und
zog zunächst nach Berlin .. . Bald darauf zog Hippel zu seinem Schwiegersohn
Schleinitz nach Biomberg“. Er starb dort am 10. Juni 1843.
E.T.A. Hoffmanns letzte Komposition
I Zum Titel sei angemerkt, daß die »Türkische Musik* zwar nicht Hoffmanns
I „letzte Komposition“, wohl aber seine letzte vollständig erhaltene ist.
Die Entstehung des Murr-Kreisler-Werkes
Der 1909 in Berlin erschienene Roman ist von Mite Kremnitz verfaßt.
Fragmente einer Biographie E.T.A. Hoffmanns:
Letzte Monate in Posen und Aufenthalt in Flock,
Anfang 1802 bis März 1804
einem van Scheven: Georg Friedrich von Scheven (1771—1807)
Carl Friedrich von Beyer: Gest. 1819 als Geh. Obertribunalsrat in Berlin.
Hackebeck: Geb. um 1755, gest. 1825 als Justizkommissar in Marienburg.
August Friedrich Reichenberg: Geb. 1759, gest. 1832; wurde 1827 - als Justiz¬
rat am Berliner Stadtgericht - pensioniert.
Johann Ferdinand Hiltebrandt: Gest. 1808 in Königsberg.
776
S. 403 Z. 11-10 v.u.
S. 414 Z. 7
S. 429 Z. 23
Z. 24
S. 430 Z. 22ff
S. 431 nach Z. 8
S. 434 Z. 6-4 v.u.
S. 435 Z. 27
S. 438 Z. 5 v.u.
S. 440 Z. 3
S. 442 Z. 5 v.u.
S. 446 Fußnote
S. 496 Z. 5f
S. 497 Z. 18
S. 501 Z. 12
Z. 14
Johann Friedrich Kirchheim: Gest. 1814, als Stadtrichter in Stallupönen und
Schirwindt.
etrurischen Vasengemälde-, es handelt sich vielmehr um griechische Vasenbilder
aus Unteritalien: s. S. 666 Fußnote.
im Jahr 1720 ungefähr. Genauer: Ende Mai/Anfang Juni 1728.
durch Riet[1 ]: Vielleicht Friedrich Wilhelm Riedt (1710-1783), Sohn eines
Silberdieners Friedrich Wilhelms I., zuerst Nachfolger seines Vaters; Kompo¬
sitionsschüler J.G. Grauns und Schaffraths, dazu ein vortrefflicher Flötist; seit
1741 Mitglied der Königl. Kapelle.
Die Angelegenheit der Madame Wunschei - um nicht die Eifersucht der jungen
Gattin zu erregen-. Es spricht vielmehr einiges dafür, daß mit „Mad. Wunschei“
(einer Figur aus Kotzebues Lustspiel ,Die beiden Klingsberg') Hoffmanns
Schwägerin Frau Gottwald gemeint ist, deren Ehemann polizeilich gesucht
wurde.
Die Notenzeile steht Kopf! (Hoffmann zitiert den Beginn des 2. Satzes aus
Haydns sog. Vogelstimmen-Quartett Op. 33 Nr. 3, jedoch in D dur statt in
C dur.)
Vermutlich erwuchs daraus die Skizze zu einem Aufsatze über Sonaten, aus der
Hitzig S. 246 „einige Ideen" mitteilt: Die von Hitzig mitgeteilte Skizze stammt
wahrscheinlich aus dem Frühjahr (März) 1808.
Carl Theodor von Uklanski: Er machte von Mai 1807 bis Februar 1808 eine
Reise durch Polen, Österreich, Sachsen, Bayern und Italien, war im März 1808
in Dresden, Anfang 1809 in Paris, wo er A. v. Humboldt kennenlernte, dann in
der Schweiz, 1809-10 am Rhein und berichtete über diese Reisen in mehreren
Publikationen. Vermutlich um 1810 begab er sich von London aus nach
Amerika; später (um 1827) lebte er in Berlin.
überraschte uns die G.: Vermutlich „die Gottwald“; vgl. die Anmerkung zu
S. 430.
van Scheven: Wahrscheinlich ist „von Scheven“ zu lesen. Scheven war aus
Schwedisch-Pommern gebürtig. (Vgl. die Anm. zu S. 400.)
Philippine Bessel: Sie war Ende der 1790er Jahre in Berlin Gesangschülerin
Franz v. Holbeins (Fontanos) gewesen, der sich schwärmerisch in das schöne
Mädchen verliebte. Später heiratete sie den Schauspieler Carl Ludwig Paulmann
(gest. 1832).
Zweifellos wurden die von JA.P. Schulz komponierten Chöre gesungen.
Aus der Einleitung zur ersten Ausgabe von Hoffmanns Tagebüchern
eines Berliner Verlegers: Es handelt sich um Julius Bard.
auf Lager bleiben: Dazu die Fußnote: Immerhin wurde sie in der 2. Auflage des
1. Bandes des ,Hortus deliciarum' (Dantes ,Neues Leben', Oct. 1908) als Bd. 10
dieser Sammlung angezeigt, als .Hoffmanns Tagebuch'O), in Pappband 6 M. (M)
und formell: Diesen Ausdruck wollte Müller eventuell ändern; in einer Rand¬
bemerkung notiert er: ev. st. dessen „methodisch“ oder „technisch“.
impotenter: hülfloser? (M)
in
S. 503 Z. 1
S. 506 Z. 9
S. 522 Z. 6
Z. 17
Z. 19
Z. 17 v.u.
S. 523 Z. 23
Z. 24
Z. 25
Z. 26
Z. 9 v.u,
Z. 5-3 v.u.
S. 524 Z. 23
S. 526 Z. 3-1 v.u.
S. 527 Z. 24f
Z. 29
S. 529 Z. 20 v.u.
S. 532 Z. 17
S. 537 Z. 2 v.u.
S. 538 Z. 6-5 v.u.
S. 539 Z. llff
Z. 18 ff.
Z. 22
und dessen: und deren (M)
Liste: Listen (M)
Drei Arbeiten Hoffmanns aus den ersten Regierung^ ahren Friedrich Wilhelms m.
Seit 1809: seit 1804 oder 1805
Hinter auf den eigenhändigen Titeln ist einzuschalten: der Partitur der .Lustigen
Musikanten* von 1804/05
Statt zwischen April 1808 und November 1809: schon 1804 oder 1805
Hinter Wieland ist einzuschalten: und Aemil Ludwig Philipp Schröder schreibt
sich (um 1810) A. L. P. (M)
Statt September 29: August 27 (M)
Statt Mitte: Mai (M)
Statt Juni: Juli 15 (M)
Statt September: August 4 (M)
Hinter Hippel ist eingefügt: sonst wohl nur in amtlichen Schriftstücken (M)
Die Fußnoten 4 und 5 sind gestrichen (M).
Der Absatz ist ergänzt durch: Ebenso noch in Warschau: Hippel 207/08! (M)
gesprochen hat, die Entstehung seiner Oper - verlegt: gesprochen hat und die
Entstehung der Liegnitzer .Rückkehr* [ s. S. 570] ist nach Oppeln verlegt. (M)
Da lebte ich in einem vortreflichen Hotel [am ,Ringe‘] bey Madam Speichert,
recht lustig. Dazu am Rande die doppelt unterstrichene, von mir (F. S.) nicht zu
erkärende Bemerkung Müllers: nein!
Der Absatz ist durch den ebenfalls unerklärlichen Zusatz Müllers ergänzt: cf
meine Zusätze Maassen III 416 f.
zu Mozart nach Wien zu reisen: Mozart war bekanntlich schon am 5. Dezember
1791 gestorben!
nach im Modekleide der Zusatz Müllers: (d.h. in Form einer Brieferzählung).
1842 soll er noch am Leben gewesen sein: Erst am 31. Dezember 1848 starb zu
Hirschberg (Neuer Nekrolog der Deutschen Jg. 36 [Weimar 1850] Nr. 199, auf
S. 1120) „der Pastor emer. Karl Wilhelm Rensch aus Neusalz - 88 J[ahre]
a[lt].“(M)
Statt Während er über die Wertung des Singspiels noch im ungewissen war:
Während er zunächst das Singspiel zur Prüfung an Bekannte verschickte (M)
Statt Er wußte es durchzusetzen, daß die Partitur im Dezember der Königin
Luise vorgelegt wurde; er erhielt sie um die Jahreswende aus dem Kabinett
zurück, und in dem Begleitschreiben ist ihm offenbar bedeutet worden: Er
übersandte die Reinschrift der 3bändigen Partitur und des Textbuches - alles in
eigenhändig bemalte Umschläge eingebunden - spätestens Anfang November an
die Königin Luise; aus dem Kabinett erhielt er daraufhin den Bescheid
Statt Aber auch jetzt erspart er sich - unbegreiflicherweise: Er ersparte sich nun
allerdings eine neue Abschrift der Partitur und sandte statt dessen Iffland
Statt überdies schon mehrfach nach auswärts verschickt war: durch die wieder¬
holten Versendungen nicht besser geworden war (M)
778
S. 542 Z. 6
S. 543 Z. 2
S. 550 Z. 9 v.u.
Z. 7 v.u.
Z. 7
Z. llf
Z. 18
Z. 16-11 v.u.
S. 558 Z. 11
S. 559 Z. 12
Z. 17
S. 560 Z. 9—7 v.u.
S. 561 Z. 11 v.u.
Z. 10 v.u.
S. 562 Z. 18
nach Z. 27
Z. 29
S. 563 Z. 2
Z. 9
Z. 11
S. 564 Z. 21
Statt den unlängst lies: dei unlängst (M)
des Dichters bei dessen Hauswirt: des Dichters und des Componisten bei deren
Hauswirt (M)
Statt mithin: wie wir sehen, durchweg (M)
Statt die über Hoffmann aus eigener Wahrnehmung berichtet haben: die Erinne¬
rungen an Hoffmann veröffentlicht haben (M)
Statt Hpffmann lies: Hoffmann j(M)
Am 11. März: Am 2. und 17. Januar, 16. Februar, 10. und 17. März sowie am 9.
April s
am folgenden Tage: am 5. Januar und am 12. März
Statt am 1 7. gab es wieder das genannte Ballett von Winter: das Melodram -
wurde am 22., 25. und 31. März, ferner am 3. und 14. April 1808 wiederholt.
Statt Besko lies: Beske
Statt Er schrieb über dieses Werk - zum Druck: Er berichtete dem Grafen
Soden am 23. April 1808 über dieses Stück und über die Gattung des Melodrams
im allgemeinen; der Empfänger ließ das ausführliche Schreiben nach Streichung „
der persönlichen Passagen in die Nrn. 41-42 der in Leipzig erscheinenden Allge¬
meinen Theater-Zeitung vom 17. und 20. Mai 1808 einrücken. (Die Zeitung,
„gedruckt und verlegt von Carl August Solbrig“, wurde von dem Schauspieler <
Carl Wilhelm Reinhold - eigentlich Zacharias Lehmann - herausgegeben und
erschien vom 6. Oktober 1807 bis zum 30. September 1808.)
Die Fußnote 4 ist zu streichen.
Die Zeile ist ergänzt durch: 14. Juni Aufträge und Geld von Nägeli (M)
Statt bis zum 6. Juli: bis zum 26. Juli
Die Zeile ist ergänzt durch: Die Arbeit für Nägeli schob er auf für Bamberg. (M) S
Statt zwischen März und Mai - künstlerisch geformt hat: im Frühjahr in Berlin j
aphoristisch zu Papier gebracht und dann im Herbst in Bamberg künstlerisch
geformt hat. (M)
Hinter Gespräche schalte ein: in der AMZ (M)
Statt die Rochlitz: die der Redacteur der Zeitung, Rochlitz, (M) ®
Statt etwa zehn Wochen, etwa zwei Monate (M) <
ist einzuschalten: Hoffmann hatte Musik zu einem Ballett [zu einer Allegorie mit
Ballett] ,Das Gelübde* zu machen. (M) ;
Statt Am 16. wurde das erste Schauspiel: Am 16. wurde nach dem eben ge- L
nannten Ballett [vielmehr der Allegorie mit Ballett] das erste Schauspiel (M)
Ergänzt durch: 23. Oct. Wiederholung des .Gelübdes*; 9. Nov. ,Die Wünsche; 18.
u. 20. ,Die Pilgerin*; 1. Jan. 1809 ,Arlequins Reise über den Blocksberg* [wahr¬
scheinlich ,Arlequins besondere Abentheuer*]. Die Arbeit für Nägeli blieb über
diesen Aufträgen abermals liegen. (M)
Hinter Musikanten ist eingefügt: , das einzige Stück des Werkes, das noch in
seinen Händen war. (M) S
Hinter Hoffmann ist eingefügt: ,zwar zunächst des Honorars wegen, aber doch
auch(M)
Statt Einweilen lies: Einstweilen (M)
779
S. 567 Z. 7—12
Z. 17 v.u.
3. 570 Z. 14f
!. 571 Z. 15 v.u.
572 Z. 16 v.u.
Z. 10 v.u.
. 577 Z. 5 v.u. -
3.581 Z. 11-18
!. 582 Z. 16 v.u. -
3. 583 Z. 7-9
!. 583 Z. 5 v.u. - !
3. 585 Z. 17
3. 587 Z. 3
Z. 5 v.u.
!. 590 Z. 8-7 v.u.
Z. 6 v.u.
Dann scheint - vollkommen durch: Die Zeilen sind wie folgt geändert: Am
5. April engagirte Cuno Hoffmann als Opernregisseur. Gleichwohl sandte
Hoffmann am folgenden Tage den Brief an Hampe ab. Am 9. fiel das unselige
.Gespenst* vollkommen durch; Morgenroths Meldung von Biereys Rücktritt be¬
stätigte sich nicht (Bierey bleib im Gegenteil bis zum Dezember 1828 in seiner
Breslauer Stellung!); so blieb Hoffmann in Bamberg. Die Korrespondenz mit
Hampe schlief nun ein, wie es der mit Hippel bereits eschehen war und der mit
Hitzig im folgenden Monat passierte. (M) Dazu setzt Müller allerdings in
Klammern ein Fragezeichen.
Statt der Musik zur Undine : der seit dem Sommer 1812 geplanten .Undine* (M)
eine kleine Oper ,Die Rückkehr': Dazu die Randbemerkung: Festspiel (M)
Statt der 1798 und 1802 geschaffenen: der drei schon erwähnten (M)
Hinter Briefes! ist eingefiigt: In der Tat stand der Componist Hoffmann „prak¬
tisch“ in der Kunst so, daß er in Berlin nichts von Belang mehr geschaffen hat.
(M)
Ein den ist von Müller gestrichen.
3. 578 Z. 34 Das alles blieb unausgeführt. Die zeitgenössischen Erinnerungen an Hoff¬
mann gedenkt der Herausgeber in Kürze vorzulegen.
Diese geplante Publikation ist nie erschienen; Hoffmanns Brief an Speyer vom
18. Juli 1815 wurde zuerst von V. Hadwiger in der Prager Zeitschrift .Deutsche
Arbeit* Jg. 9, Heft 9, Juni 1910 veröffentlicht; Frau Marcs Brief an Speyer vom
15. März 1837 erschien zuerst in der Dresdner .Abend-Zeitung* Nr. 206-208
vom 29.-31. August 1842, dann in einem vom Herausgeber besorgten Sonder¬
druck, Bamberg 1965.
S. 583 Z. 6 Der Band ist nie geschrieben worden.
Nach den gedruckten Fahnen Hans v. Müllers vom Herausgeber im 5. Bande der
Werke Hoffmanns (Winkler-Verlag München 1963, S. 883-911) veröffentlicht;
das von Müller ins Jahr 1803 verlegte Stück ebda. S. 16 unten.
3. 586 letzte Z. Alles dies blieb unausgeführt.
Statt dem Vater[? ]: rect. wohl Vetter (M)
Zu Aloys Molinary die Bemerkung: nach Thieme-Becker Alexander M. aus Ber¬
lin! (M)
Statt und Erzählungen heraus; nach: und Erzählungen heraus; sein Doppelstück
,Die beiden Billets* (1784) und,Der Stammbaum* (1791) wurde von Goethe 1793
im .Bürgergeneral* fortgesetzt (Cf S. Schoeppl Ritter von Sonnen¬
waiden [Sonnwaiden]: Von Florians ,Les deux billets* zu Goethes .Bürger¬
general*, Progr. Laibach 1909). Nach (M)
Statt Karl Julius Hoffmann - Fortentwicklung: Meusels Fortsetzer Lindner
nennt ihn 1829 (Gel. Teutschland XXII1, 651) Dönch, ebenso 1830 Karl Julius
Hoffmann. Erst 1831 beginnt eine Veränderung des Namens (M)
Statt schreibt er: schreibt Dönch (M)
780
Hoffmanns erste -Liebe
Müller hat diesen Aufsatz in sehr erweiterter Form gegen Ende seines Lebens bei
Gräfe und Unzer in Königsberg zum Druck gegeben; postum ist die wichtige
Arbeit dann 1955 unter dem Titel ,Die erste Liebe des E.T.A. Hoffmann',
herausgegeben von Walther Bulst, bei Lambert Schneider in Heidelberg erschie¬
nen.
S. 627 Z. 9-8 v.u.
S. 661 Z. 8
S. 669 Z.4
Z. 15 v.u.
Z. 9 v.u.
Heinrich Loest über E.T.A. Hoffmann
Dichter und Entstehungszeit sind noch nicht ermittelt : Der Text stammt aus
Kotzebues einaktigem Singspiel ,Feodore‘ (4. Szene); Hoffmann hat das Stück
vermutlich durch den Abdruck in der .Zeitung für die elegante Welt 1 ,
Nr. 133-135 vom 5.-8. Juli 1811 kennen gelernt und wohl auch bald darauf
vertont - vielleicht für eine in Bamberg geplante Aufführung?
Eine neue Ausgabe ist nicht erschienen.
Aus der Einleitung zu ,E.T.A. Hoffmanns Handzeichnungen*
als er am 1. September 1808 als Musikdirektor in Bamberg eintraf: vielmehr in
Warschau 1804 oder 1805
Ludwig Catel: Dieser war schon 1819 gestorben! Allenfalls käme sein Bruder
Samuel Heinrich Catel in Betracht; wahrscheinlich ist der Nekrolog aber von
Ernst Friedrich Melzer verfaßt.
die beiden Porträts von Balthasar Denner: In der Galerie zu Pommersfelden
haben sich nie Gemälde B. Denners befunden; der Bericht C. F. Kunz’ von
Hoffmanns Begeisterung über die beiden Porträts beruht daher auf einem Irrtum
oder ist erfunden.
Schweikard und Ettlingen recte: Schweigart und Edlinger
S. 717 Z. 12-11 v.u.
S.720 Z. 14 f
S. 722 Z. 3-1 v.u.
letzte Z. bis
S. 732 Z.2
S. 723 Z. 4-3 v.u.
letzte Zeile
Das künstlerische Schaffen E.T.A. Hoffmanns
anscheinend auf geführt in Bamberg, Nürnberg, Donauwörth und Salzburg: Das
Melodram wurde in Bamberg und Salzburg, anscheinend auch in Donauwörth,
dagegen nicht in Nürnberg aufgeführt.
Den Ansichten Beckings über den romantischen Komponisten Hoffmann hat
neuerdings Gerhard Allroggen (,E.T.A. Hoffmanns Kompositionen*, Regensburg
1970, S. 22 f.) entschieden widersprochen.
wie Hoffmann in seiner ,Freischütz ‘-Besprechung feststellt : Daß diese Be¬
sprechung nicht von Hoffmann herrührt, hat Wolfgang Krön nachgewiesen (,Die
angeblichen Freischütz-Kritiken E.T.A. Hoffmanns’, Max Hueber-Verlag
München, 1957).
Der Satz Im März 1808 - erscheinen konnte ist nach der Anm. zu S. 557
Z. 16-11 v.u. zu berichtigen.
einen Auszug daraus - veröffentlicht'. Vielmehr hat Krenzer Hoffmanns Brief
an Soden vom 23. April 1808 vollständig veröffentlicht (Zeitschrift für Bücher¬
freunde. Neue Folge, Leipzig, Jg. 1924, S. 106 f.). Vgl. die Anm. zu S. 557 Z.
16-11 v.u.
als letzten den oben wiederholt erwähnten über die Premiere des .Freischütz *: S.
die Anm. zu S. 720.
aber noch nicht wieder abgedruckt: Das geschah 1963 im 5. Bande der bei
Winkler in München erschienenen Hoffmann-Ausgabe.
781
E.T.A. Hoffmann in Dresden am Tage des Napoleonfestes 1813
in Linkes Bade ist zu sperren (M)
das Hoftheater desgl. (M)
Statt das „Schwarze Tor": deren „Schwarzes Tor“ (M)
worden ist zu streichen (M)
ZntZe-L fäi Uhm,uhl ™ demsabm
Statt/, Fuorusciti: I Fuorusciti (M)
Statt und Russe: und Russen (M)
Statt Dann sah ir: Dann sah H. (M)
Statt nach der Schlacht bei Leipzig: infolge der Schlacht bei Leipzig (M)
783
REGISTER DER IN DEN AUFSÄTZEN GENANNTEN WERKE HOFFMANNS
Die Werke sind in Gruppen geordnet und zwar innerhalb der Gruppen möglichst chrono¬
logisch.
Literarische Einzelwerke, die Hoffmann in größere Sammlungen aufgenommen hat (nämlich
in die Fantasiestücke in Callots Manier, die Nachtstücke und Die Serapions-Brüder) sind unter
diesen Sammlungen in der dortigen Reihenfolge angeführt.
In Klammern gesetzte Seitenzahlen zeigen an, daß das betr. Werk nicht ausdrücklich ge¬
nannt, daß aber darauf angespielt wird.
A. Werke der bildenden Kunst
Allgemeines: S. 714, 738, 764.
Fresken
Die gelbe Stube im Doerfferschen Hause in Königsberg: 641.
Mitarbeit an der Ausmalung der Jesuiterkirche in Glogau: 527 f., 641, 664.
Kabinett im ehemaligen Mniszekschen Palais in Warschau: 5,528, 622, 641.
Bibliothekszimmer ebenda: 528,533, 622,641.
Turmzimmer auf der Altenburg bei Bamberg: (528), 641.
Gartenhaus des Dr. Marcus in Bamberg: 528, 641.
Wohnung Taubenstr. 31 11 in Berlin: 641.
Dekorationen, Kostüme u.a.
Der Tempel des Aeskulap: (517), 519, 526,533 f., 536 f., 641.
Bamberger Theaterdekorationen
Allgemein: 528, 668, 684.
Dekorationen zu Calderöns Andacht zum Kreuze: 641, (668).
Dekorationen zu Calderöns Standhaftem Prinzen: 641 (668).
Dekorationen zu Calderöns Brücke von Mantible: 641 (668).
Dekorationen zu Kleists Käthchen von Heilbronn: 641 (668).
Dekoration zu Klingemanns Entdeckung der Neuen Welt: 641 (668).
Ägyptischer Tempel zu einem Fest der Harmonie-Gesellschaft (Casino) in Bamberg: 528, 642.
Allegorisches Bild (desgl.): 642.
Der Genius der Kunst für den Würzburger Theater-Vorhang: 642.
Kostüme zu einem Maskenzug des Don Juan in Bamberg: 642.
Zeichnungen und Aquarelle
Allgemein: 25, 27, 34, 490, 613, 683 f.
Zur Veröffentlichung bestimmte Zeichnungen oder Aquarelle
Die Feuersbrunst (s, auch unter Einzelnen Erzählungen): 29, 391 f, 452.
Vignetten: 664.
Siegel der Kasse der südpreußischen reformierten Union: 642.
Satirische Zeichnungen zu humoristischen Prosatexten: 451.
Sammlung grotesker Gestalten nach Darstellungen auf dem Kgl. Nationaltheater in Berlin (Drei
leicht karikierte Blätter mit erläuterndem Text): 28, (519), 523,557, 583, 642.
Buchillustrationen (allgemein): 684.
Titelvignette zu Werners Kreuz an der Ostsee: 28, 642 (669).
Polnische Uniformen (mit erläuterndem Text): 660, 684.
784
Titelvignetten zu den Fantasiestücken in Callots Manier I u. II: 28, 659, (669).
Vignetten zu den Kindermärchen von Contessa, Fouque und Hoffmann: 28, 95, 112, 144,
(669).
Umschlagzeichnungen zum Klein Zaches: 659, (669), 678.
Desgl. zu den beiden Bänden des Murr-Kieisler-Werkes: 86, 346, 659, (669, 675, 774).
Desgl. zum Meister Floh: 659, (669).
Umschlagzeichnung (Kreisler im Wahnsinn) zum geplanten 3. Band des Murr-Kreisler-Werkes:
86, (669, 678).
Bucheinbände (von Hoffmann nicht veröffentlicht)
Umschläge des Textbuches und der drei Partiturbände des Singspiels Die Maske-. 642, 676.
Landschaften
Bei Warschau: 622,668.
Bei Bamberg (Aquarell; fraglich ob von Hoffmann): 668.
Porträts
Porträt Michalina Hoffmanns (? ): 447 f.
Porträts von Freunden in Plock: 413, 466.
Porträt eines Mädchens in Warschau: 630, 668.
Porträt des Ehepaars Itzig (Hitzig): 522, 683.
A. F. Marcus und Hoffmann (kein Ölbild, sondern Gouache): 28, 683, (768).
Familie Kunz (kein Ölbild, sondern Gouache): 28, 640, 642, 668, (678 = Ausschnitt), 683,
(768).
Selbstporträts: 28,44, 660, 684.
Der Kapellmeister Johannes Kreisler in Haustracht: 62, 80, (678).
Gruppenbilder, teilweise karikiert
Ein Sonntag Unter den Linden in Berlin (8. September 1799): 642.
Kindergruppe: 433, (611), 64-1, 665.
Bamberger Bürgermilitär: 642, 683.
Sterben müssen wir alle: 684.
Verschiedene erfundene Bilder
Die Phantasie erscheint Hoffmann zum Tröste: 297 (Abb.), 299 ff., 304 f., (574 f.,) 663.
Zwei Bilder aus der französischen Geschichte: 664, (682), 683.
Mädchenköpfe: 665.
Transparent einer Kreuzerleuchtung (Plan): 440.
Transparent der Schlacht bei Abukir im Hackertschen Stil (Plan): 440.
Der graue Mann aus Chamissons Peter Schlemihl : 684.
Kater Murr (Vorzeichnung zu einer Gravierung auf einem Glaspokal): 345.
Karikaturen
Allgemein: 445, 630, 641,665, 669, 671.
Friederike Bethmann als Johanna von Montfaucon und Franz v. Holbein als Knecht: 161.
Karikaturen der Posener Gesellschaft: 398, 666.
Das Riesenkind: 430.
Das Plocker Publikum im Schlamm versunken: 413 f, 428.
785
Karikaturen auf Feinde in Plock: 660.
L \öni 1 g r sb P eS i : t 445 K 667 atUr ^ * Chlechten Aufführun « von Kotzebues Graf Benfowski in
Karikaturen in Warschau: 622, 668.
Karikaturen in Bamberg: 668.
Napoleon-Karikaturen: 28, 642, 660, 669, 684, 705.
Schlemihl (Chamisso) am Nordpol: 683.
Sophie Bader: 683.
Antonio dall’Occa: (27).
Veduten (frei behandelt)
H °683. annS W ° hnUng ’ d6r Gendarmenmarkt * Ber ^ und dessen Umgebung: 633 f, 642, 676,
Das brennende Schauspielhaus in Berlin: 683.
Kopien
Kopie eines englischen Kupferstichs (Eloisa): 640, 663.
Kopie eines Titelkupfers (nach C. F. Stoelzel): 640, 663
Kopien nach Antiken: 640, 663
i): (664) -
Kopie eines Porträts der Dora Hatt: 606, 608.
Die Andacht (nach Anna Dorothea Therbusch), Plan- (664)
ÄtaMK :Stäo' , 6lr bM “ “ US der Ha,nU “ e " «“»nhmg (nach Wilhelm
Ein Nähkörbchen: 664.
Verschiedenes
B. Kompositionen
Allgemein: 27, 34, 683, 690, 714, 716, 764.
I. Vokalkompositionen
Geistliche Werke
ISS domrni cm,^a,ymn» s; fraglich, ob von Hoffmann komponiert): 80.
Messen und Vespern: 413.
Missa in D: 44, 51, 80, 90,439, 524,622, 668 717
Daraus: Agnus Dei: 44, 86, 90, (678), 737.
^Daraus^” 20 ” 7 ^ 4 ^° cappella): 52 > 519, 525, 558 f, 717, 769.
Ave maris steUa: 44, 52, 80, 559, (678), 717, 737 769
O sanctissima: 44, 52, 80, 559, (678), 717 737 769
Salve regina: 559.
Miserere: 522,525, 563 f, 566, (649), 717.
Hymnus (für die Dreyßigsche Singakademie in Dresden): 703.
786
Opern und Singspiele
Opern (allgemein): 48, 92.
Die Maske: (517), 519, 538-541, 556, (559), 676, 714, (777).
Scherz, List und Rache: 217, 552, 714.
Der Renegat (Plan): 39, 391 f, (449 ff), 452.
Faustina (Plan): 39, 391 f, 452.
Die lustigen Musikanten: 452, 476, 524, 553, 563, 565 f, 622, 639, 641, 662, 667, 683, 716 f,
769 f, 777. (Ouvertüre): 563, (778).
Die ungebetenen Gäste oder der Canonicus von Mailand: 39, 524, 555 f, (668).
Liebe und Eifersucht (Die Schärpe und die Blume): 524, 555 f, 558, 622, 716.
Der Trank der Unsterblichkeit: 522, 583.
Aurora: 495, 525, 639, 662, 683, 717.
Undine: 5, 11, (12, 27), 31 f, 62 f, 80, 90, 153, 201, 362, 407, 469, 521, 525, 567 f, 584,
639, 653 f, 658, 662, 687, 692, 698, 703, 705 f, 722, 726 f, 730, 742, 758,769, (771), 779.
Melodramen
Dirna: 525, 691, 717, (780).
Sabinus (unvollendet): 666.
Saul, König in Israel: 495, 717.
Schauspielmusiken und Ballette
Allgemein: 563, 566.
Das Kreuz an der Ostsee: 524, 553 f, 556, 622, 717.
Das Gelübde: 778.
Die Wünsche: 778.
O/O, / IO.
Das Gespenst (Deodata): 563 f, 566 (hier ist das Ballett ,Arlequin‘ gemeint!), 567, 779.
Wiedersehn!: 522.
Thassilo: 5, 521.
Weltliche Chöre mit und ohne Begleitung
Kantate zur Feier des neuen Jahrhunderts: 217, (517), 519 f, 542—549.
Plan eines Oratoriums Sfärodion (nicht Stäsodion!) nach dem Gedicht von Adolf v. Nostitz
und Jänkendorf: 433, 641, (667).
Hymne für C. F. Kunz: 686.
Chöre für die Jüngere Liedertafel in Berlin:
Türkische Musik: 325 ff, 329 f, 627,775.
Walpurgisnacht: 325.
Jägerlied: 627.
Katzburschenlied: 355,627.
Arien, Lieder und Canzonetten für eine und mehrere Stimmen mit Begleitung
Sechs Lieder mit Pianoforte und Guitarre: 216, 538, 689-
Trois canzonettes a 2 et ä 3 voix, paroles, italiennes et allemandes [von Hoffmann übersetzt? ]
avec accompagnement de Pianoforte: 471, 522, 525, (683), 691, (717).
Lied auf einen Text von Rochlitz: 471.
„In des Irtisch weiße Fluten“ (Text aus Kotzebues ,Feodora‘) f. Frauenstimme und Piano-
” forte: 627, (780).
787
„Prendi, l’acciar ti rendo“ für Sopran und Orchester: 55, (717).
„Mi lagnerö tacendo“ (für Tenor und Orchester? ): 55, 80, (717).
Sechs italienische Duettinen für Sopran, Tenor und Pianoforte (italienischer und deutscher
Text; nicht von Hoffmann übersetzt): 55, 65 f, 201.
Daraus:
„Ombre amene“: 201, 204, (683, 717), 754.
„Ah che mi manca Tanima“: 44, 55, 80, 347, (678,737).
II. Instrumentalwerke
Orchesterwerke
Sinfonie Es dur: 413.
Kammermusik
Allgemein: 622.
Plan eines Klaviertrios: 432.
Quintett für Harfe (oder Pianoforte), 2 Violinen, Viola und Violoncello c moll: 525, 683, 690,
717.
Grand Trio für Pianoforte, Violine und Violoncello E dur: 432,525, 717.
Klaviermusik
Fantasie c moll: 38, 391,417, 432,451.
Sonate As dur: 39, 434, 437 f, 452,552.
Vier Sonaten (f moll, F dur, f moll cis moll): 683,717.
Sonate Nr. 1 f moll: 413.
Sonate Nr. 2 F dur: 413.
Sonate Nr. 3 f moll: 37.
Komposition für Nägeli (welche? ): 566.
Deutschlands Triumph in der Schlacht [oder: im Siege] bei Leipzig, eine Fantasie (erschienen
unter dem Pseudonym Amulph Vollweüer): 705.
C. Schriften und Dichtungen
Romane, Sammlungen von Erzählungen, große Märchen
Cornaro: 524, (559, 682), 683, (714).
Der Geheimnisvolle (unvollendet): (714).
Der Riese Gargantua (desgl.): 391,448 f, 451 f.
Lichte Stunden eines wahnsinnigen Musikers (Plan): 30, 44 f, 54 f, 61 f, 66, 184, 337 ff,
(474 0, 752.
Fantasiestücke in Callots Manier (1. Auflage): (18), 25, 28, 60 f, 63, 201, 321, 336 ff, 459,
461 f, 465, 567, (618), 626, 641 f, 651, 658 f, 672, 682, 692, 694 f, (697), 705, 742, 751.
Bd. 1: 321,337,340,751.
Jacques Callot: (618), 679.
Ritter Gluck: 45, 53, 57, 92, 183 f, 337, 457-476, 519, 525, 558-562, 569, 591, 639,
662, 678 f, 691, 694 f, 697, 724,759, (778).
Kreisleriana (I): 45,56 f, 65, 67, 290, 337 f, 677 f, 711.
Johannes Kreislers, des Kapellmeisters musikalische Leiden: 28, 53 f, 56, 58, 92, 430,
443,475,525,662,691,724,726,736,769.
Ombra adorata!: 57, 59, 65, 733-736, 739.
Gedanken über den hohen Wert der Musik: 54, 56.
788
Beethovens Instrumental-Musik (s. auch Musikrezensionen: Rez. der 5. Sinfonie und der
Klaviertrios op. 70): 57, 337, 525.
Höchst zerstreute Gedanken: 57, 83,679.
Der vollkommene Maschinist: 56, 679, 738.
Don Juan: 45, 48,92, 337,455, 482, 525, 591, 639, 662, 678 f, 691, 724, 726 f, 759.
Bd.2: 321,337,567,751.
Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza: 28, 56 f, 65, 67, 337-341,
525, 567 ff, 639, 662, 672, 680, (692), 726,733.
Der Magnetiseur: 337,525,639, 662,670,698, 700, 703,726 f, 758 f.
Bd.3
Der goldene Topf: 19, 45, 57, 63, 93, 97 f, 103, 184, (190), 224 f, 263, 335, 337, 366 f,
(503), 591, 653, 655, 671 f, (674), 678, (679), 680 f, 689, 703-706, 727, 730 ff, 739,
(741), 742, (752), 759, 773.
Bd. 4: 60 ff, 626, 651,682, 752.
Die Abenteuer der Sylvester-Nacht: 60 f, 228 f, (325), 337, 366, 482, 484, 669 ff, 678,
682, 727, 732.
Kreisleriana (II): 61,65, 290, 337,677 f, 711.
Brief des Baron Wallborn an den Kapellmeister Kreisler [von Fouque]: 60, 679.
Brief des Kapellmeisters Kreisler an den Baron Wallborn: 60, 80, 626, 679.
Kreislers musikalisch-poetischer Clubb: 58, 65, 84, 87, 680, 769.
Darin: Prinzessin Blandina, ein romantisches Spiel in drei Aufzügen [nur der 1. Aufzug]
34,58 ff, 65,67,79, 84, 337 ff, 680, 705, 769.
Nachricht von einem gebildeten jungen Mann (Milo): 58, 340 f, 368, 679, 704.
Der Musikfeind: 58.
Über einen Ausspruch Sacchinis, und über den sogenannten Effekt in der Musik: 38.
Johannes Kreislers Lehrbrief (1. Fassung s. unter Einzelne Erzählungen: Ahnungen aus
dem Reiche der Töne): 29,61, 338.
Fantasiestücke in Callots Manier (2. Auflage): 65 f, 337, 339,455, 569, 674, 677,680 f, 754.
Im 1. Band: Nachrichten von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza: 337.
Im 2. Band:
Der Magnetiseur: 337.
Der goldne Topf: 337.
Die Abenteuer der Sylvester-Nacht: 337.
Die Elixiere des Teufels: 33, 43,45,48,77, 80,94, 104, 261 f, 290, 353,457,502, 523,591,
652, 670, 674, 677 f, (679 f), 682, 705, 711,727-730,752, 759.
Bd. 1:682, 705,727,730, 752.
Bd. 2: 752.
Nachstücke: 28 f, 94,105,269, 273,455, 641,672 ff, 677, 682, 752 f, 759, 761.
Bd. 1: 29, 673,752.
Der Sandmann: 28 f, 482, 484, Faksimile nach 484, 671, 680, 727, 729.
Ignaz Denner (urspr. Titel: Der Revierjäger): 28 f, 705.
Die Jesuitenkirche in G.: 527,670.
Das Sanctus: 591, 679,681.
Bd. 2: 105, 269, 273, 673, 753, 761, 771.
Das öde Haus: 273 f, 581, 680, 761.
Das Majorat: 680, 728 f.
Das Gelübde: 680.
Das steinerne Herz: 430, 771.
Die Meister des Gesanges (Plan): 337, 753.
Klein Zaches genannt Zinnober: 26, 45, 48, 124, 170, 184, 225, 279 f, 335-338, 344, 356,
(453), 482, 591, 655, 671, 674, (675), 677 f, (679,681), 682, 729, 731 f, (741), 754.
Die Seraphinen-Brüder (geplanter Titel des folgenden Sammelwerkes): 187,753.
Die Serapions-Brüder: 33 f, 45, 64 f, 91,105 f, 124, 337, 353,415,455,506, 554, 626, 677 f,
681.687.742. 754 f.
789
Bd. 1: 106-111,122, 141 f, (184), 337,626,673 f, 754.
In den einleitenden Gesprächen der Serapions-Brüder:
Der Club in P.: 588.
Anekdote von der Loge zum eierlegenden Hahn: 506.
Erzählung vom Grafen P.: 184, 338,461,506,754.
Rat Krespel (Erste Fassung: Ein Brief von Hoffmann an Herrn Baron de la Motte
Fouque): 482, 671, 727.
Die Fermate: 63,484, 626, 658, (669), 670, 739.
Der Dichter und der Komponist: (57,64), 569,635,680,703.
Im Gespräch der Serapions-Brüder: Bericht über den von Bernhardi, Chamisso, Fouque,
Wilh. Neumann und Varnhagen gemeinsam verfaßten Roman .Karls Versuche und Hin¬
dernisse*: 506.
Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde: 592,680.
Der Artushof: 63, 151,184, 223 f, 464,484,663, 670, 739, 773.
Die Bergwerke zu Falun: 338, 739.
Nußknacker und Mausekönig (s. auch Kindermärchen): 63, 91-114, 129, 137, 139 ff,
143 f, 223, 225, 254,367, 658,671, (674 f), 677 f, (680), 731 f.
Bd. 2: 64 f, 122 ff, 142, 337, 339, 687, 754.
Einleitendes Gespräch der Serapions-Brüder über Somnambulismus und Magnetismus:
506.
Der Kampf der Sänger: 63, 336, 739.
Eine Spukgeschichte (darin die Geschichte vom schwebenden Teller): 680.
Die Automate (gekürzte Fassung vorher in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung): 43,
57 f, (64), 65, 67, 339, 704.
Doge und Dogaresse: 63, 336, (669), 670 f, 739.
Alte und neue Kirchemusik (s. Schriften zur Musik): 58, 61, 64, (697), 705.
Meister Martin der Küfner und seine Gesellen: 63, 336,562,670 f, 739.
Das fremde Kind (s. auch Kindermärchen): 63, 91, 111-126, 137, 140-143, 186, 223,
225, 367, 671, (674 f), 677 f, (680), 731,764.
Bd. 3: 125,251,253, 351,506, 569, 755.
Aus dem Leben eines bekannten Mannes: 252 f, 338,657,739.
Die Brautwahl: 124, 170, 223-260, 338, 344, 351, 366, 425, 460 f, 592, 670 f, 678,
732, 739, 748 f, 755,773 f.
Der unheimliche Gast: 336, 680.
Gespräch der Serapions-Brüder über Theaterdichter und Darsteller: 569.
Das Fräulein von Scuderi: 336, 680, 739.
Gespräch der Serapions-Brüder, u.a. über die Bedingungen des Dramas und der Erzählung:
569.
Spieler-Glück: 338,506.
Der Baron von B. (vorher - als letzter Beitrag Hoffmanns - in der Allg. Musikalischen
Zeitung): 338,430,657.
Bd. 4: 125 f, 129,135 f, 142,144, 353,554, 755.
Im einleitenden Gespräch der Serapions-Brüder: Anekdote von Christoph Ernst Voeteri
und seinem Schulfreund: 506.
Signor Formica: 338, 670, 739.
Zacharias Werner: 554.
Erscheinungen: 57, 64, 680.
Der Zusammenhang der Dinge: 345, 739.
Vampirismus: 680.
Die ästhetischen Teegesellschaft: (s. Einzelne Erzählungen: An die Herausgeber des Frei-
müthigenf. Deutschland): 129.
Die Königsbraut: 41,125-145,187, 223, 225, 353, 425, 671, (674 f), 677 f, (680), 739.
739.
Gespräche der Serapions-Brüder (allgemein): 337 f, 680.
790
Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Jo¬
hannes Kreisler: 9, 41-46, 68, 65-89, 101, 129 f, 170, 180, 201, 219, 261 f, 274, 290,
331-363, 365-380, 422, 455, (474), 475-479, 559, 591, 593, 627, 654 f, 668,
670-674, 677 f (679 f), 681, 683, 687,711,735 ff, 739,741,752,754 ff, 767, 769, 775.
Bd. 1: 11, 20 f, 182, 203, 228, 338-351, 353 ff, 367-380, (474), 475-479, 559, 654 f,
668, 670 ff, 687, 735 f, 754 f.
Bd. 2: 133, 175-181, 183, 284 f, 327, 343 f, 350, 352-363, 367-376 378 ff, (474), 668,
687,755,769.
Darin: Katzburschenlied: 355.
Bd 3 (geplant): 351 f, 356, 359, 362 f, 736, 756.
Das Kreislerbuch: 41-90, 274, (475-479), 559, 668, 678, 683, 736 f, 768 f.
Lebens-Ansichten des Katers Murr: (365-380), 593, 627,769.
Prinzessin Brambilla: 45, 48, 98, 124, 126,130,140, 170,184, 262, 334 f, 351 f, 362, (455),
591, 617, 658, 670, 674, 676, 678, 681,731,(741), 755.
/•Meister Floh: 12, 29, 92, 173, 175, 180-199, 225, 227, 259, 284 f, 327, 334 f, 356-359.
i 362, 367, (455, 469 f), 591, 671, (674 f), 677 ff, (681), 682, 731 f, (741), 755, 759, 764,
\ 770 f.
Timotheus (Jacobus) Schnellpfeffers Flitterwochen vor der Hochzeit (Plan): 29 f, 219, 362,
591,678,682, 756, 768.
Einzelne Erzählungen, offene Briefe und Anekdoten
Allgemeines: 677.
Erzählungen für ein geplantes Taschenbuch, darunter das Fragment eines Aufsatzes im Stile
von Jean Paul und Sterne (mit Zeichnungen): 29, (714); ferner ,Die Feuersbrunst, ein
Dosengemälde nach Rembrandt' (mit Zeichnung): 29, 391 f, 452, (714).
Bemerkungen für meine minorennen Expedienten: 39.
Calderon-Anekdote: 26,460.
Szenen aus dem Leben zweier Freunde (unvollendet; s. ,Der Dichter und der Komponist* und
,Die Automate* in Bd. 1 u. 2 der Serapions-Brüder): 57, 64, 592.
Des Malers Franz Bickert Allegorien im gotischen Stil (Plan): 670.
Ahnungen aus dem Reiche der Töne (1. Fassung von Kreislers Lehrbrief; s. das letzte Stück der
Fantasiestücke in Callots Manier): 28 f, 58, 61,658, 769.
Der Freund (Fragment): 28, 44, 54, 61, 63, (677).
Mitarbeit (mit Chamisso, Contessa und Fouque) am Roman des Freiherrn von Vieren (s.u. ,Die
Doppeltgänger‘): 93.
Neueste Schicksale eines abenteuerlichen Mannes (fragmentarische Fortsetzung von Tiecks
.Merkwürdiger Lebensgeschichte Sr. Majestät Abraham Tonelli*): 28 f.
Der Dey von Elba in Paris: 633-637, (680).
Anekdote aus der Schlacht bei Mont St.-Jean (Waterloo): 636.
Ein Brief von Hoffmann an Herrn Baron de la Motte Fouque (s. die Erzählung vom Rat
Krespel im 1. Bd. der Serapions-Brüder); 576, 653, 684.
Kindermärchen (mit Fouque und Contessa). Bd. 1: 94, 752 f. Darin von Hoffmann: Nu߬
knacker und Mausekönig (s. Serapions-Brüder Bd. 1). - Bd. 2: 105,142,753, (764). Darin
von Hoffmann: Das fremde Kind (s. Serapions-Brüder Bd. 2).
Flüchtige Bemerkungen über mancherlei Gegenstände. [Angeblich:] (Nach dem Französischen
des Barons von L*****.): 30, 83, 338, 361, 363.
An die Herausgeber des Freimüthigen für Deutschland [K. Müchler und J.D. Symanski]: 129.
Heimatochare: 338, 455, 657, 682, 739.
Gruß an Spontini: 351, 679.
Briefe aus den Bergen: 351,415, 559, 576, 657, 668, 680, 685 f.
Erster Brief: An die Frau von B.: 351, 668.
Zweiter Brief: An Theodor: 415.
Dritter Brief: An das Fräulein Johanna R.: (657, 685 f).
791
Die Marquise de la Pivardiere: 33, 351, 680.
Die Irrungen: 351, 367, 680.
Schreiben an den Herausgeber [des .Zuschauers 4 , J. D. SymnaskiJ: 576, (669), 685 f.
Der Elementargeist: 130,132, 353, 682.
Die Räuber: 12,130, 334, 353,455, 682.
Die Geheimnisse (Fortsetzung der .Irrungen 4 ): 130, 353, 367, 569, 680.
Datura fastuosa: 162, 353, 682, 739,771.
Die Doppeltgänger (s.o. Mitarbeit am Roman des Freiherrn von Vieren): (93), 353.
Anekdote von einem alten Musikmeister: 30.
Des Vetters Eckfenster: 16 f, 29, 362, 634, 639, 662, (671), 678,682, 739.
Naivetät: 16, 362.
Die Genesung: 16 f, 29, 362,524.
Meister Johannes Wacht: 29, 362, 739, 756.
Der Feind (unvollendet): 29, 33, 362,524, 639, 662, 670, 680, 739.
Johanna [oder: Margaretha], Königin von Neapel (Plan): 362.
Stammtischschwänke
Moderne Welt - moderne Leute: 680.
Die Folgen eines Sauschwanzes: 582.
Gedichte
Allgemein: 676.
Reimlose Jamben: 428.
Sonette: 428.
Gedichte: 428.
Die Nonne an die Braut: 29.
Sonett an Johanna Eunike: 4,11, 31, 98, 350.
Rektifiziertes Sonett An den Dichter des Trauerspiels Carlo [den Grafen Georg v. Blankensee]
(mit W. d’Elpons): 29.
Katzburschenlied (im 2. Bd. des Murr-Kreisler-Werkes): 355.
Autobiographische Aufzeichnungen
Allgemein: 677
Tagebücher: 3, 16 f, 24, 30, 34 f, 37 ff, 54, 387-395, 417-421, 423, 425-434, 437-440,
443 - 447 , 452 f, 485-508, 519, 522, 524 f, 552 f, 574, 577, 581 f, 584, 592 f, 610, 616,
622 f, 640 f, 657, 663, 665, 667, 669, 673, 676, 681 f, 684-688, 690, 711, 733, 742 ff,
745, 764, 767 ff, 772 f. 776.
Drei verhängnisvolle Monate (Fragment): 30, 582, 680.
Anzeigen
Anzeige eines Singe-Instituts in Bamberg, 6 . Mai 1809: 675.
Opemtexte und Dramatisches
Allgemein: 677.
Die Maske, Singspiel in 3 Akten: (517), 538-541,556, 670, 676, (680).
Der Preis, Lustspiel in 3 Akten: 38, 391, 421 f, 425, (428), 449 ff, (452), (583), (714).
Der Renegat, Singspiel in 2 Aufzügen (Fragment): 39, 387, 391 f, (449-451), 452 f, (488,
492, 583, 680).
Faustina, Singspiel in 1 Aufzug (Fragment): 39, 391 f, 452, (488,492,680).
792
Die Blume und die Schärpe (Liebe und Eifersucht), Singspiel in 3 Aufzügen nach Calderön-
Schlegel: 524,555,680.
[Die szenischen Anweisungen zum Ballet ,Arlequin‘, die S. 676 erwähnt werden, sind von Carl
Macco.l
Die Pilgerin, ländliches Schauspiel in 1 Akt: 27,52,680 f.
Wiedersehn! Prolog in 1 Akt: 522, 680.
Prinzessin Blandina, ein romantisches Spiel in 3 Aufzügen (nur der 1. Aufzug): s. Fantasie¬
stücke in Callots Manier, Bd. 4.
Bearbeitung des Fouqueschen Opemtextes .Undine*: 680.
Schriften über Literatur und Theater
Allgemein: 677.
Schreiben eines Klostergeistlichen an seinen Freund in der Hauptstadt: 16, 38 f, 387, 391 f,
418,(433,583,674,692).
Über das Theater in Königsberg (Plan eines Aufsatzes): 391,443.
Über die Aufführungen der Schauspiele des Calderön de la Barca auf dem Theater in Bamberg:
16,686,738.
Die Kunstverwandten (1. Fassung des folgenden Buches): 337, 569.
Seltsame Leiden eines Theater-Direktors: 337, 569, 680,738, 753.
Schriften zur Musik und Musikrezensionen
Rezensionen (allgemein): 4,11, 23, 27, 53, 639, 657, 677, 679 f, 681, 695, 704 f, 722 ff.
Über Sonaten: (Skizze): 391, 434, 776.
Brief an den Grafen Julius v. Soden über das Melodram und über Quaisins Musik zu Caigniez’
Le Jugement de Salomon im besonderen: 676, 722 f, 778,780.
Beethoven-Rezensionen (allgemein): 525.
Rezension Beethoven, 5. Sinfonie (525), 639, (662), 691.
Rez. Gluck, Iphigenie en Aulide : 525,580.
Rez. Beethoven, Coriolan-Ouvertüre: (525), 639, (662), 691.
Rez. Beethoven, Klaviertrios op. 70: 639, (662), 691, 724.
Rez. Braun, 4. Sinfonie und Wilms, Sinfonie op. 23: 697.
Rez. Beethoven, Messe C dur: 639, (662), 697.
Rez. Beethoven, Musik zu Goethes Egmont: 657, (662), 700.
Rez. Bergt, Oratorium .Christus, duröh Leiden verherrlicht*: 657, (704).
Rez. Elsner, Ouvertüren zu den Opern Andromeda und Leszek Biaty: (704).
Alte und neue Kirchenmusik (vgl. Serapions-Brüder Bd. 2): 58,61, 64,
Rez. Riem, Zwölf Lieder: 626.
Rez. Fröhlich, Klaviersonate zu 4 Händen und Klavierkonzert zu 4 Händen: 675.
Berichte über Konzerte und Opernaufführungen in Berlin (allgemein): 723.
Briefe über Tonkunst in Berlin, Erster Brief: (674), 706.
Über Beethovens Oper Fidelio und deren Aufführung in Berlin (geplanter Bericht): 652.
Über J. P. Schmidts Oper Die Alpenhütte: 659.
Ein Brief des Kapellmeisters Johannes Kreisler (über die Glasharmonika): 66, 338, (674).
Zufällige Gedanken beim Erscheinen dieser Blätter (der Allgemeinen Zeitung für Musik und
Musikliteratur): (674).
Über Spontinis Gesänge zu Lalla Rükh: (674), 770.
Nachträgliche Bemerkungen über Spontinis Oper Olympia: 353, 657.
Über Webers Freischütz (nicht von Hoffmann!): (674), 720, 723,780.
Übersetzungen (Bearbeitungen)
Deutscher Text der Trois Canzonettes [Drei italienische Canzonetten] (? ): 675.
793
[Die Übersetzung der Sechs italienischen Duettinen ist nicht von Hoffmann [
Violinschule von Rode, Kreutzer und Baillot: 675, 686, 691, 752.
P/o er ™ n ir ntini ( pran2Ö sischer Originaltext von Dieulafoy und Brifaut): 351,
(jDj), Ojo. 675. 680- 5
Aufzeichnungen zu literarischen Arbeiten
Das sog. Notatenbuch: 30, (138), 361, 583, 682, (756), 767, (779).
795
Namenregister
Regierende Fürsten und deren Gemahlinnen sind unter ihren Vornamen verzeichnet.
Gleiche Personennamen sind wiederholt, wenn zwischen den Namensträgem keine Verwandt¬
schaft besteht.
Eingeklammerte Seitenzahlen bedeuten, daß auf der angegebenen Seite der Name nicht direkt
genannt ist, daß aber in irgendeiner Weise auf die betreffende Persönlichkeit angespielt wird -
und sei es durch Anführung eines Werkes oder einer Schrift.
Abraham a Santa Clara (Ulrich Megerle) 236
Aderholz (Verleger in Breslau) 526
Ännchen von Tharau (Anke von Tharau) s.
Partacius
Aesop (Aisopos) 366
Ahrens, Wilhelm 366
Alberti, Carl 381
Albrecht I., Herzog von Preußen (Gründer
der Universität in Königsberg, der nach
ihm benannten Albertina) (620)
Albrecht, Carl Friedrich 399, 406, 409, 434,
(690)
Albrecht, Daniel Ludwig 399
Albrechtsberger, Johann Georg 570
Alcan (Verleger in Paris) 92
Alexander der Große 187
Alexander I., Kaiser von Rußland 166,
693 ff, 704
Alexander (Berthier), Fürst von Neuchätel
und Herzog von Valengin, Herzog von
Wagram 52
Alexis s. Häring
Allen, Philip Schuyler 240
Allroggen, Gerhard 780
Alopäus, David Graf von 282
Ancelot, Francois 590
Anna, Kurfürstin von Sachsen, geb. Prinzes¬
sin von Dänemark (Gemahlin Augusts I.)
254
Anquetil-Duperron, Abraham Hyacinthe 457
Anschütz, Heinrich 578
Apel, August 592
Aram, Kurt 591 f, 745 f, 749
Arndt, Ernst Moritz 13,175, 328
Arnim, Abraham Friedrich von (Vater des
Friedrich Wilhelm Ludwig) 270 f
-, Achim von 92, 325, 591
-, Caroline Wilhelmine von, geb. Wegely
269 ff, 761
-, Friedrich von 270, 761
Friedrich Wilhelm Ludwig von 270, 761
-, Luise von, geb. Gräfin v.d. Schulenburg
270
-, Oskar von 270, 761
-, Malvine von, geb. v. Bismarck 270, 761
-, Sybille von s. Bismarck
-, Wilhelm Ludwig von 270, 761
Arnold, Christoph 342
Arnold, Johann 397,548
Arnold, Robert F. 557
Arnstein, Fanny von, geb. Itzig 585,612
-, Nathan Adam von (1810 Freiherr) 585,
612
Arpe, Peter Friedrich 133, 370
Aschenbom (Kriegs- und Domänenrat in
Posen) 542
Assing, Ludmilla 23,266, 269,275,
278-284,286, 288 ff
Atterbom, Per Daniel Amadeus 201,578
Auersperg, Anton Alexander Graf von
(Pseud. Anastasius Grün) 718
August I., Kurfürst von Sachsen 254-256
August II. (der Starke), König von Polen und
(als Friedrich August I.) Kurfürst von
Sachsen 429, 692
Aurengzib (Aurangzeb) 189, 770
Bach, Johann Sebastian 719
Bach, Theodor 151,300,305,307,
315-318,321, 323,595
Bachmann, Wilhelm J. Ludwig von 403,438 f
Baczko, Ludwig Adolf von 147, 441
Bader, Carl Adam 201, 203 f
Baeyer, Adolf von 5 86
-, Johann Jakob 24 f, 96,485,586
Bagienski-Hoffmann, Theodor (24), 48, 767 f
Bailleu, Paul 162, 277,385, 389,537, 613,
643 f
Baillot, Pierre (675,686, 691), 752
Balzac, Honore de 335, 366 f, 481
Barba, G. (Verleger in Paris) 555
Barbier, Jules 481 ff, 517, 562
Barby, Jost Graf zu 255 f
Bard, Julius (196, 496 f), 678, 776
Bartholdy (eigentl. Salomon), Jacob Salomo
278,585 f, (695)
796
Baruch, Jakob 433
Battoni, Pompeo Girolamo 538, 665
Baudelaire, Charles.127,139 f, 366, 481
Baudry (Verleger in Paris) 34, 339, 367,
(390), 577, 657,673
Bauer (Kaffeehaus in Berlin) 281
Baumgärtner, Adam Friedrich Gotthelf 642,
705
Baumgarten, Otto Nathanael 216, 395, 405,
446
Bayern, Amalie Herzogin in, geb. Prinzessin
von Arenberg 52
-, Maria Anna Herzogin in, geb. Prinzessin
von Pfalz-Zweibrücken 52
Wilhelm Herzog in 52
-, Pius Herzog in 52
Bayros, Franz von 455
Beardsly, Aubrey 455
Beck, Carl Heinrich 341, 366
Becker, Wilhelm Gottlieb 268
Becking, Gustav 626, 683, 712 f, 718-722,
780
Beckx, Pierre Jean 287
Beelitz, Friedrich 399, 430, 432
Beethoven, Ludwig van 27, 31, 56,57, 165,
(201), 337, 417,479, 489, 525, 564,
568, 652 f, 662, 691, 719, 724, 727
Behmer, Marcus 144 f
Bekker, Balthasar 133
Bellermann, Johann Joachim 99
Benda, Franz 558
Benda, Otto 571, 573
Benecke, Gebr. (Bankhaus in Berlin) 289
Benkowitz, Carl Friedrich (423, 428)
Berend, Eduard 627
Berg, Wilhelm Ludwig 403, 410, 439
Berger, Ludwig 325, (579)
Bergmann (Kammersekretär in Posen) 548
-, dessen Frau 548
Bergmann, Louise (Köchin) 203
Bergt, August (704)
Bemadotte, Jean Baptiste, 1806 Fürst von
Pontecorvo, 1810 als Karl Johan Kron¬
prinz von Schweden, seit 1818 König
Karl XIV. Johan 268 f, 702
Berndt, Robert 537
Bemhardi, August Ferdinand (506)
Bernoulli, Carl Albrecht 220
Bemstorff, Christian Graf von 286
Berthier s. Alexander
Berton, Henri Montan (185), 189, (562)
Bertram, Ernst 745
Beschort, Jonas Friedrich 160 f
Beske (Tänzer in Berlin) (28), 557, (583),
778
Besko s. Beske
Bessel, Henriette 442 f, 445
—, Philippine (spätere Paulmann) 442 f, 776
Bethge, Rudolph 237
Bethmann, Friederike, geb. Flittner, gesch.
Unzelmann 189, 771
-, Heinrich Levin 39, 555
Beyer, Carl Friedrich von 402 f, 410, 412,
433,435, 437, (439), 611, (640), 775
Beyme, Carl Friedrich 395, 411 f, 433, 435,
690
Bickerich, W. 642
Biedenfeld, Ferdinand Freiherr von 31, 356
Bierbaum, Otto Julius 346
Bierey, Gottlob Benedikt 564 f, 567, 779
Bietefisch (Regierungsrat in Plock, dann in
Posen) 405
Bismarck, Ferdinand von (9)
-, Malvine von (verm. von Arnim) 270, 761
-, Otto Fürst von 9, 270, 318, 376,591
-, Wflhelm Graf von 270,761
-, Wilhelmine Luise von, geb. Mencken (9)
Blake, Wüliam 470
Blankensee, Georg Graf von (29)
Blaschke, Julius 526,559
Blei, Franz 43, 134, 195, 741, 765
Blücher, Gebhard Leberecht, Fürst von
Wahlstadt 398, (636), 637, 702
Hans von 288, 292 f, 295
-, Helmine von s. Lanzendorf
-, Lucie (Caroline Auguste Adelheid) von, —
verm. Gräfin zu Solms und Tecklenburg
289, 291 f, 295
Blumenbach, Johann Friedrich 99
Bobrik, E. (Nichte der Frau Johanna Fer-
now) (299, 305)
Böhme, Jakob 435
Börne, Ludwig 625
Boerner, C. G. 432, 492
Bogeng, Gustav Adolf Erich 642
Boicke, Johann Wilhelm 270, 587
Boieldieu, Adrien 203, (204)
Bonaparte s. Napoleon
Bong, Richard (Bong & Co.) 92, (505), 675
Borngräber (Verleger in Berlin) 455
Borowski, Ludwig Ernst (von) 300
Bose (Böses Garten in Leipzig) 700
Boufflers, Stanislas de 189
Bourignon, Antoinette 188, (770)
Boxberger, Robert 674
Boyen, Hermann von 281, 398
Brahms,' Johannes 718
Braune (Küster in Glogau) 210
797
Brede, Carl Ludwig 193, 196-199
Bredow (Polizeidirektor in Posen) 398
Breitkopf & Härtel 495, 538 f, 580, (685),
686,689,752,768
Bremer, Mamsell (in Königsberg) 447
Brennus 532 f, 536, 543, 546
Brentano, Clemens 92,103,141, 243, 325,
349, 366, 452, 553, 586, 621 f, 625, 633,
667, 715,735
Breslauer, Martin 123
Bretzner, Christoph Friedrich 232
Brillat-Savarin, Anthelme 9
Brockhaus, Friedrich Arnold 775
Brodhag, Fr. (Verlagsbuchhändler in Stutt¬
gart) 26, 33, 34, 293, 522, 576, 642, 657
Bronisch (Superintendent in Neusalz) 5 27
Brueghel, Pieter (d J.) 672
Brühl, Carl Reichsgraf von 5, 31, 517,568,
687
—, Heinrich Reichsgraf von (696 f)
Bruer, W.T. (Verleger in Berlin) 48
Buchholz, Friedrich Wilhelm Ludwig 149
Buchholz, Rudolf 508
Büchner, C.C. (Verleger in Bamberg) 642
Büchmann, Georg 142
Bülow, Bernhard Fürst von 591
Bülow, Friedrich von 282
Bülow, Hans Graf von 235
Bürger, Gottfried August 764
Büttner, Friedrich Gottlieb 149
Bull, John 547
Bulst, Walther 780
Busch, Wilhelm 181, 377 f
Busoni, Fenruccio 455, 765
Byron, George Noel Gordon Lord-54, 376
Caesar, C. Julius 320,522,591, 743
Cäsar (Jugendfreund Contessas und Pücklers)
266 f, 277
Caigniez, Louis Charles (557, 566, 722)
Calderön de la Barca, Don Pedro 26,163,
460,568,586, 621 f, 641, 667, 705,715,
717, 728 f, 738
Callenberg, Curt Reineke Reichsgraf von
265 f
-, (Georg Alexander Heinrich) Hermann
Reichsgraf von 265, 272
-, Ursula Catharina Reichsgräfin von, geb.
Burggräfin v. Dohna 265
Callot, Jacques 280, 617, 670, 672, 674,
676,692
Campagnoli, Bartolommeo 699
Camphausen, Ludolf 152
Capeller, von (Hauptmann in Glogau) 5 36
Carl, Herzog von Mecklenburg-Strelitz 280
Carl August, Großherzog von Sachsen-
Weimar 267 f, 289, 294
Carmer, Johann Heinrich Casimir Graf von
213, 396
Carolath-Beuthen, Adelheid Fürstin zu, geb.
Reichsgräfin von Pappenheim 268 f,
272 f, 288 f, 291
-, Amalie Fürstin zu, geb. Prinzessin von
Sachsen-Meiningen 534
-, Hans Carl Fürst zu (bis 1741 Graf von
Schönaich) 285
-, (Heinrich Carl) Erdmann Fürst zu 536
-, Heinrich Fürst zu 272 f, 288
Carre, Michel 481 ff, 562
Catel, Ludwig (t 19.11.1819) 169(? );578,
641, 669 (der Nekrolog kann nicht von L.
Catel sein). 780
-, Samuel Heinrich 169(? ), (344), 780
Cerny, Johann 342, 459, 464, 468, 471,731,
747
Cervantes Saavedra, Miguel de (130,179,
204, 340, 357), 375, (682), 726, (770)
Chamisso, Adelbert von 47, 61, 93,191,
336, (506), 577,584, 586, 621, 625,
632, 682, 684 ff, 688, 753 f
Champfleury (Jules Fleury-Husson) 390,447
Chenier, Andre 481
Chesterfield, Philip Dormer Stanhope Graf
von 128
Chezy, Helmine von 337, 578, 655, (706,
729)
-, Wühelm von (Wilhelm Chezy) 578
Chiari, Pietro 189
Chiramella (Festungsbaumeister) 247, 249,
(258)
Chodowiecki, Daniel 593, 671
Christian, Markgraf zu Brandenburg, dann
Markgraf von Kulmbach, residierte in
Bayreuth 250, 254 f, 774
Christian, Herzog von Sachsen, später als
Christian I. Kurfürst von Sachsen 254 ff
Christian Wilhelm, Markgraf zu Brandenburg,
Bischof von Magdeburg 252
Cicero, Marcus Tullius 149, 262, 554
Cimarosa, Domenico 695
Claudius, Matthias 634
Clauß (Heideläufer) 247, 250, (258)
Clauswitz, P. 246
Cocceji, Carl Ludwig Freiherr von 212,
519 f, 588 f
-, Samuel Freiherr von 212, (588)
Cölln, Friedrich von 634
Cohen, Friedrich 28
798
Cohn, Alfons Fedor 339
Commer, Franz 34
Conrad, Georg 213
Conradi s. Cunradi
Contessa, Carl Wilhelm Salice 7, 93 ff, 103 f,
112 f, 168, 266 ff, 277,459 f, 584, 659,
670, 752 f, 768
Corelli, Arcangelo 430
Correggio, Antonio Allegri da (430), 446
610, 665
Cotta von Cottendorf, Johann Friedrich Frei¬
herr 263,553,769
Cramer, Carl Gottlob 393, 431 f, 640, 663
Cramer, Friedrich 578
Crescentini, Girolamo (733 ff)
Crichton, Wühelm 147-150, 579
-, (dessen Oheim) 147
Croce, Benedetto 617
Crousaz, Daniel NoB von 398
Cuno, Heinrich 30,39,558,562 f, 565,768,779
Cunradi, Traugott Amandus 695
D ..., Sophie 217,219, (397,772)
Dahn, Felix 718
Dalayrac, Nicolas 699
Dall’Occa, Antonio 642
Dante Alighieri 776
Da Ponte, Lorenzo (eigentl. Emmanuele
Conegliano) (262)
Dammann (Verleger in Züilichau) 471
Davout, Louis Nicolas, Herzog von Auerstädt
und Fürst von Eggmühl 692
Decker (Verleger in Berlin) 615
Decker, Georg Jakob 217,542 f, 548,590, (7
Degen, Heinrich 663
Dehmel, Richard 220
Deibel, Franz 147
Delrieu, Etienne Joseph Bemard 557
Denner, Balthasar 669, 780
Dessau, Eisek s. Wulff, Isaak Benjamin
Deutsch, Mira Antonia 455
Devrient, Ludwig 6 ff, 10 f, 25, 35, 232,
235 f, 260, 579
Diderot, Denis 262
Diederichs, Christoph Leopold (von) 397,
399, 644f, 651
Dietrich, J. 235
Dingelstedt, Franz 521, 553, 568
Ditters von Dittersdorf, Carl 443
Dittmaier s. Dittmayer
Dittmayer, Anton 504 f
Döbbelin, Carl (dJ.) 217, 407, 552
Dönch, Ernst 519, 570, 590, 779
(dessen Vater; Beamter in Stettin, seit
1780 an der Ober-Rechenkammer in Ber¬
lin) 590
Dörfer, s. Doerffer
Doerffer, Albertine Juliane Friederike (212)
-, Carl Theodor (212, 575)
-, Charlotte Wilhelmine (20 f, 49,212,
575), 767, (768)
-, Ernst Dietrich (212, 575)
-, Ernst Ludwig Hartmann 50, 212, 214 f,
218, (394, 410,413), 417 f, (423, 426,
428,434,451,607), 768
-, Johann Jakob 48, 212,575, (580), 639,
661,763,772
-, Johann Ludwig (I) (212, 575)
-, Johann Ludwig (II) 50, 157, 212-218,
224, (394 f, 410 f, 426), 427, (428, 431),
436,527,531, (537 f), 541, (575), 588,
(604 f, 607), 639, 661, (747), 748
-, Johanna Sophia s. Sophie
-, Lovisa Sophie s. Sophia Lovisa
-, Louise Johanna Henriette (verehel. Korn)
212,214
Minna (Wilhelmine) 210, 212, 214-218,
224, 239, 244, 246, 395, 410, (412),
537 f, 579, 593, 665, 746-750, (763)
-, Otto Wilhelm 4, 18,49,152, 212 f, 217,
270, 301, 393, (431), 440, (445 0 , 527,
(575), 579, 595, (597, 604, 606, 610,
642,772)
-, Sophie (Johanna Sophia) 4,19, 20 f, 49,
(212), 213, 393, 436, (437 f, 440), 552,
(575), 579, (597, 604, 606, 610, 642),
767
' -, Sophie Henriette geb. Janitsch210, 212,
214, (747)
-, Sophia Lovisa geb. Voeteri 19, 212 f,
310, (575,580,597, 604, 606), 639,
(642, 661 f), 763, 772
Dohna, Ursula Catharina Burggräfin von,
verm. v. Callenberg s. Callenberg
Dolce s. Dolci
Dolci, Carlo 669
Dom, F.G. (Kaufmann in Königsberg) 444
-, (dessen zwei Söhne) 444
-, Madame 444
Dorow, Wilhelm 16, 27, 30, 37, 488 f, 578
Dove, Heinrich Wilhelm 586
-, Luise, geb. Oetzel (586)
Dreyßig, Anton 697, 703
Dschingis-Chan 187
Dümmler, Ferdinand 25 f, 85, 91,162,
344 f, 350, 355 f, 360 ff, 475, 520, 586,
754 ff
b
799
Dürer, Albrecht 670
Duller, Eduard 218
Duncker und Humblot 33,94,576, 634 f,
637,752
Duval (Pineux du Val), Alexandre 555
Ebell, Heinrich Carl 570 ff, 623
-, Maria geb. Kambly 570
Eberhardt, Werner 247, 250, (258)
Edlinger (nicht Ettlinger), Carl 641,669,780
Ehlers, Paul 147
Eichendorff, Joseph Freiherr von 625, 718,
722
Eimbeck, Carl Wilhelm 399
Eitner, Robert 327
Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Köni¬
gin von Ungarn, geb. Herzogin in Bayern
52
Elisabeth s. Marie Elisabeth
Ellinger, Georg 3, 7, 23, 92, 127, 132, 134,
171, 173,181, 190,193, 195, 210, 227,
327, 333,335,340,350,354, 358, 371,
374, 391, 398, 406, 413, 418, 449, 459,
461, 465, 467 f, 479, 504, (505 f), 525,
559, 591 f, 626, 634, 637, 658 f, 673,
675, 679 f, 723, 740, 747 f
d’Eljpons, Friedrich Wilhelm 29, 31
Elsner, Christoph Johann Heinrich 149
Elsner, Joseph (704)
Elsner, Oskar 210
Emter (Tenorist in Königsberg) 442
Ende, Karl 35
Ender (Superintendent in Glogau) 210
Engelmann, Joseph 29
Ephraim (Schutzjude und Münzpächter in
Berlin) 260
Ephraim (alias Ebers?) 585
Erdmannsdorf, Friedrich August von 519 f,
570, 590
Erhardt (Archivrat in Berlin) 195
Ernst, Paul 765
Erthal, Franz Ludwig von 642
Eskeles, Bernhard Freiherr von 585, 612
-, Cacilia Freifrau von, geb. Itzig 585, 612
Esperstedt, Johann Friedrich 235
Ettinger (Verleger) 136
Ettlinger s. Edlinger
Etzel s. Oetzel
-, August von 586
-, Anton von 586
Eugen Napoleon, Vizekönig von Italien (697)
Eunike, Friedrich 11
-, Johanna, verehel. mit Franz Krüger 3 f, 8,
11 f, 31, 98,189, 350, 577, 579, (767)
-, Therese geb. Schwachhofer 11
Ewert, Christian Gottlieb Friedrich 149
Faber, Karl 150 f, (579)
Faller (Schauspieldirektor) 589
Fantozzi s. Marchetti-Fantozzi
Fasch, Carl Friedrich 444
Favier, Matthieu 612
Favieres, Edmond Guillaume Francois de
189,771
Ferber, Carl Wilhelm 235, 663
Ferdinand, Großherzog von Würzburg (vor¬
her und nachher als Ferdinand III. Gro߬
herzog von Toscana), Erzherzog von
Österreich 563, 566,649
Femow, Johanna geb. von Schön (299), 305
Fesch, Joseph Kardinal 287
Fetis, Francois Joseph 682 f
Feuerbach, Anselm Ritter von 32
Ludwig 718
Fife, Robert Hemdon 747
Finck von Finckenstein, Ludwig Karl Graf
150, (579)
Fink, von (ein verkrachter Gutsbesitzer; in
Glogau) 536
Fischer, Karl Gottlieb 148
Heck, Ferdinand 160 f, 245,540,554,569
Fleischhauer (Verleger in Reutlingen) 688
Florian, Jean Pierre Claris, Chevalier de 779
Hottwell, Cölestin Christian 596
Focke, Johann Dietrich 395,423, 428, 433,
435
Förster, Friedrich 13, 325-330, 627
Förster-Nietzsche, Elisabeth 211 (220)
Fontane, Theodor 267, 376
Fontano s. Holbein
Forkel, Johann Nicolaus 569
Fouque, Caroline Baronin de la Motte geb. v.
Briest, verw. v. Rochow 578
—, Friedrich Baron de la Motte 5,12,23, 27,
29, 31, 32, 34,47, 60, 61, 92, 94, 95,
103,104,112 ff, 165 f, 240, 283, 328,
351, 362,475, (506), 522, 576,578,
584,586, 621, 626, 632, 653f, 676, 685,
692,706, 726, 739,752,(753)
Foumier Sarloveze, Francois Graf 701
Fränzl, Ferdinand 504
Franckh, Gebrüder (eigentlicher Leiter der
Firma: Friedrich Gottlob Franckh) 33,
290 f, 293,576
Frank, Rudolf 680-683, 687 f
Friedländer, Benoni 585,768
David 585
800
Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, als
Friedrich I. König von Preußen 9,147
Friedrich II. (der Große), König von Preußen
285, 308 f, (321), 401, 403, 430, 460,
548,585,588, 693
Friedrich August I. (vorher als Friedrich Au¬
gust III. Kurfürst) von Sachsen 51,268,
692,697, 702, 758
Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg
(der große Kurfürst) 147, 247,250, 258,
543,585
Friedrich Wilhelm I., König von Preußen 9,
202,429 f, 585, 776
Friedrich Wilhelm II. König von Preußen
310 f, 313, 472, (533), 547, 585
Friedrich Wilhelm III., König von Preußen
11, 30, 151, (155), 165, 174, 204, 216,
268 f, 281, 283, 285, 288,290, 294, 315,
318 f, 321, 396,403, 406,408,410,
448 f, 509, 511, 519 ff, 526,531,
533-537, (543), 546, 549,583, 593,
611-616, 621, 636, 686, 692-696, 704,
(706), 761,777
Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen (s.
auch unter Preußen) 24,281, 285, 522
Friedrich, Karl 572
Friedrich, Theodor Heinrich 404
Frisch, Albert 305
Fritsch, August Graf von 698
-, (Gräfin) 698
Fritsche s. Fritsch
Fröhlich, Joseph 675
Frölich, Heinrich 39, 416, 450 ff
Fromme (Verleger in Leipzig und Wien) 47
Früson (Justizkommissar in Posten) 548
-, dessen Frau 548
Fuchs, J. Heinrich 274, (670), 761
Fuhrmann (Hausbesitzer in Dresden) 757,
759
G., die s. Gottwald, Elisabeth Ursula Cathe-
rina
Ganske, Willy (576)
Gautier, Theophile 137, 366, 481
Gay, Sophie geb. Nichault de la Valette 291 f
Gehly, Paul 619 f, (627), 668
Geibel, Carl 10
Geibel, Stephan (& Co.) s. Pierer
Geisler (Geislerscher Garten in Posen) 552
Geliert, Christian Fürchtegott 531
Gemmingen-Hornberg, Otto Freiherr von
589
Genlis, Felicite Gräfin von, geb. Ducrest de
Saint-Aubin 128
Gentz, Friedrich von 66
George, Stefan 142, 349
Gerber Johann Christian 169 f, 201, 203 f
Gerber, Ludwig 396, 430, 464
Geritz, Witwe verm. Schlunck s. Schlunck
-, (Sohn der Vorigen) 596
Gerold, Carl u. Sohn 540
Gerstäcker, Friedrich (699)
Gervinus, Georg Gottfried 21
Gilly, Friedrich 441
Gleditsch, Johann Friedrich 363
Gleichen gen. Rusworm, Wilhelm Friedrich
von 190
Gluck, Christoph Willibald 183, 338, 347,
395, 459-465, 467, 470, 474, (476,
479), 556 f, 560 f, 568, 631, 692, 699
Gneisenau, August Graf Neidhardt von 105,
(286), 319, (636), 637, 702
Goedeke, Karl 4, 262, 350, 404, 407, 416,
442, 492 f, 621, 623 f, 657, 659, 747
Görres, Joseph von 175
Goethe, August von 646 f
-, Johann Wolfgang von (27), 41, 65, 67,
164, (190,196), 214, (215), 217, 262,
267, 289 ff, 294, 320, 327, 334, 349,
357, 378, (412, 419), 421, 449 f, 457,
(470), 474, (475), 481, 552, 568, 593,
646, 677, 683, 688, (733, 744), 779
-, Ottilie von, geb. Freiin v. Pogwisch 289,
646 f
Götz, Johann Nikolaus 492
Goetz, Wolfgang 281
Goldbeck und Reinhart, Heinrich Julius von
395, 397,403, 405 f, 408 ff, 412, 433,
(435), 448, 550, (583), 611-615
Goldberg (Senator in Meissen) 698
Goldoni, Carlo 189
Goltz, August Graf von der 194 f
Gontard, Susette geb. Borkenstein („Dioti-
ma“) 595
Gossec, Francois Joseph 446
Gossow, Theodor Emil Gottlieb 149, (579)
-, (dessen Vater) 149
Gotthold, Friedrich August 327
Gottsched, Johann Christoph 596
Gottwald (Kriminalrat in Posen) 219, 396 ff,
408 (411), 772, 776
-, Elisabeth Ursula Catherina geb. Rorer
219, 396 f, (430? , 432? , 435,438? ),
772,776
-, Mathilde 408, (435), 436
-, Michalina verehel. v. Lekszycka, s. d.
Gotzkowsky (Gotzkowski), Johann Ernst
270
801
Goyert, Georg 455
Gozzi, Carlo Graf 189 f, 617, 667
Gracchus, C. Sempronius 743
Tiberius Sempronius 743
Gräfe und Unzer (Verlag in Königsberg) 779
Gräff, Heinrich 39
Graepel, (Johann) Gerhard [nicht George
Groepel] (55), 201, 204, (733), 771
Graevenitz s. Grevenitz
Grandville (eigentl. Gerard), Jean Ignace
Isidore 367
Grano, Johann Bogislaw 177
Grassi [nicht Grosso], Bernardo Pasquino
247, 250 f, (258)
Graun, Johann Gottlieb 564, 776
Gregor VII. (vor seiner Erhebung zum Papst:
Hüdebrand) 775
Grevenitz (Graevenitz), Friedrich August
(nicht Wühelm!) von 398, 527, 531 ff,
536 ff
Grillparzer, Franz 627
Grimm, Jakob und Wilhelm 100,107, 134
Grisebach, Eduard, 3 f, 9 ff, 20, 23, 41,
106 f, 122, 131, 134, 144,196, 198, 210,
220,263, 266, 274, 317, 333, 335, 398,
414, 459, 462, 468, 485, 505 f, 521, 560,
595, 633, 642, 657, 673 ff, 678 f, 681,
685 f, 763
G.R.M. (= Geheimer Rat M ...? , in Königs¬
berg) 603
Groben (von der Gröbensche Stipendienan¬
stalt in Königsberg) 609
Groben, Louis Graf von 152
Groepel s. Graepel
Grosso s. Grassi
Grün (Flötist in Königsberg) 441
Grün, Anastasius s. Auersperg
Gruszczyriska, Jeanette, verm. v. Hippel s.
Hippel
-, Sophie, geb. Gräfin v. Rittberg 608
Gruszczynski (Rosenberg), Adolf von (315)
-, Anton Freiherr v. Rosenberg (315)
-, August von (315)
-, Carl von (315)
-, Franz von (315)
-, Ludwig von (315)
Gruyter, Walter de 675,681
Gryphius (Greif), Andreas 617
Gubitz, Friedrich Wühelm 10, 64, 234 ff,
245,260,415,577 f, 768
-, Henriette, geb. Fleck 245
Guderian, Matthias (?) 396
Günther, Jöhann Christian 764
Gugitz, Gustav 261 ff, 682 f
Guido von Lusignan 187
Gundolf (Gundelfinger), Friedrich 745
Gutzkow, Karl 718
Hackebeck (Justitzkommisar in Rock) 402,
440, 775
Hackert, Philipp 440, 640, 665
Hadwiger, Victor 779
Hähnel, Friederike (verm. von Kinsky) 277,
284,286 f
Händel, Georg Friedrich 432
Häring, Wühelm (Pseud. Willibald Alexis) 16,
32,578
Härtel, Gottfried (Christoph) 496,520, 539,
541, 577, 580, 593, 616, (652), 657,
674, 685 f, 688, 690 ff, 695, 699 f, 703,
705 f, 752
Haessel, H. 100, 642
Hafftiz, Peter 223, 227, 247, 250-258
Hagedorn, Friedrich von 531
Hagen, Ernst August 398, 441-445, 659
Hahn-Hahn, Ida Gräfin von 266
Hakebek s. Hackebeck
Hakert s. Hackert
Hallberger, Louis 293, 295
Haller, Albrecht von 531
Hamann, Elisabeth Regina s. Rosenberg
-, Johann Georg 148,474,595
Hamberger, Georg Christoph 246
Hamüton, Sir William 414, 640, 666, 684
-, Lady Emma, geb. Harte 666
Hamerling, Robert 523, 718
Hammerling s. Hamerling
Hampe (Organist in Luzine) 528
-, Johannes 394 f, 402,429, 437,439,511,
(517), 519 f, 526-531,533-539, 543,
550, 552 f, 558 ff, 563-567,569-573,
577, 579, 588 ff, 593, 623, 667, 686,
688,(717,763), 779
-, (dessen Gattin, geb. Kambly) 570
Hampe, Friedrich Ludwig 552
-, Karl 552
-, Theodor 552
Hanitsch, Georg Friedrich 13, 328
Hantusch, Martin 219,408
Hardenberg, Carl August Fürst von 151,
268 f, 275, 277 f, 281-289, 308,
318-321,575,577,591, 616, 644, 646,
692, 695 f, 770
-, Charlotte Fürstin von, geb. Schönemann,
gesch. Langenthal 277, 284, 287
-, Friedlich von (Pseud. Novalis) 56,114
621,715,718,721 f, 728
802
Hardt; Ernst 134,765
Harich, Walther 591 ff, 637, 676 f, 679 ff,
686 ff, 741-750
Harnes, Heinrich (547)
Hart, Julius 728 f
Harte s. Hamilton
Hartleben, Otto Erich 209, 211, 220, 244,
765
-, dessen Witwe Selma 211, (220)
Hartmann, C. (Hofrat in Berlin) 159, 521,
540
Hartung, George Friedrich 299, 302, 304,
443 ff
Harvey, William 188
Hasse, Johann Adolph 694
Hasselberg,-Felix 643, 652, 658,675 f, 723
Hatfield, James Taft 240
Hatt, August Ferdinand (596)
-, Caroline Wilhelmine 597, 609
-, Coelestine Amalie (Malchen) 39, 393,
446, 596, (609), 610
-, Daniel Friedrich (596)
-, Dorothea (Dora), geb. Schlunck (später
verh. mit Carl Leopold Siebrandt) 39,50,
55, (213 ff), 300, 393 f, 445 f, 455, 531,
579,595-610, 683,(763)
-, Johanna Luise (596)
-, (eine Schwester der Vorigen) (596)
Johannes 50, (215), 595-598,602 f,
605,607, 609
Hatzfeld, Franz Ludwig Fürst von (286)
Hauff, Wilhelm 739
Haugwitz, Heinricht Christian Kurt Graf von
398
Haworth, Adrian Hardy 191
Haydn, Joseph 431,443 f, 525, 559,564,
719,724,776
Heberle, J.M. 668
Hecker, Max 627
Heine, Heinrich 8, 9, 227, 291, 349, 578,
681,686
Heinse, Wilhelm 523, 686
Heinze s. Heinse
Helünger, Johann 247, 250, (258)
Hellmann (Verleger in Glogau) 526
Helmine s. Lanzendorf
Hempel, Gustav 673
Henrici, Karl Ernst 642
Hensel, Johann Jacob Ludwig (240)
-, Paul 226, 240
-, Sebastian 241, (773)
-, Wilhelm 239 ff, 243 ff, 260,576, 641,
669 f, 773
Herder, Johann Gottfried von 764
Herklots, Carl Alexander 443, 557
Herr, Friedrich von 399
Herrmann, Max 738 f
Herz, Demoiselle (Opernsängerin) (699)
Herzlieb, Minchen (Wilhelmine), verehel.
Walch („Ottilie“) 595
Hesse, Max 41, 674,679
Hetsch, Gustav Friedrich 31
Hetzel, Jules (Pseud. P.J. Stahl) 367
Hetzel & Paulin (Verleger in Paris) 367
Heubel, Carl 576
Heimisch, Cäcilie 699
Heydecken, von (russischer Oberst und
April-Mai 1813 Stadtkommandant von
Dresden) 695 f
Heyden, Friedrich August von 571, 573
-, Friederike von, geb. v. Hippel s. Hippel
Heyer & Leske (Verleger in Darmstadt) 459
Heyne, Christian Lebrecht (Pseud. Anton-
Wall) 587, (779)
Heyne, Moritz 100
Heyse, Margarete, geb. Kugler (490), 586
-, Paul 24, 25, (244), 490, 586
Hiller, Friedrich Adam 441, 447
-, Johann Adam 441
Hiltebrandt, Johann Ferdinand 403, 423,
427 f, 428 f, 437-440, 775
Himburg, Christian Friedrich 95, 593 ,688
Hinrichs, Johann von 400
Hippel, Bernhard 309
-, Bernhard von (332 f)
-, Francisca von, verehel. mit Nicolaus Bach
(309,318, 322 f, 575)
-, Friederike von, verehel. mit Friedrich
August v. Heyden (309, 318, 322 f, 575)
-, Georg 309, (575, 666 )
-, Gotthard von 150, 308-312, 320, (599,
608, 670)
-, Gotthard von (d.J.) (322 f)
-, Heinriette von, geb. Stogler 308, (664)
-, Jeanette von, geb. v. Gruszcyriska (215),
218, 300,315,318,322,(413,530,
608), 666
-, Jeanette von, verehel. mit Hans Eduard
Freiherrn v, Schleinitz (309, 318, 322 f,
575)
-, Lina (Caroline) von, verehel. mit Robert
v. Schaper (322 f)
-, Luise Albertine von, geb. Mertens 309
-, Maria Henrietta von 309
-, Martin 309
-, Melchior (309), 575
-, Theodor Gottlieb von (d.Ä.) 148,150 ff,
803
212 f, 262, 300, 307-315, 320 f, 323,
448, 528, 593, 596, (605, 608), 664,
683,689,772,777,779
-, Theodor Gottlieb von (d.J.) 15-20, 24,
26, 31-34, 47, 50, 63, 86, 92,100, 121,
148-152,155-158,193, 203, 210,
213 ff, 217 ff, 224, 246,263, 284 f,
299 ff, 305, 307-323, 336 351, 358,
391, 393-397, 404, 406 ff, 410-413,
415, 423,425, 427 ff, 434 f, 440, 445,
447-452, 476, 492, 500, 520 f, 523,
527 f, 530 f, 537 f, 542, 554 ff, 558 f,
563,567, 572-575, 577 f, (579), 580,
583 f, 587, 593, 595, 597-609, 611 ff,
615 f, 621, 636, 640, 644-653,
662-668, 670 f, 681, 685-689, 692,
694 ff, 705, 742, 744, 748, 763, 767,
775
-, Theodor von (309, 318, 322 f, 407, 575,
666 )
-, Wilhelmine von, verehel. mit Heinrich
Crüger (309, 318, 322 f, 407, 575, 666)
Hirschberg, Leopold 642, 675 f, 680 f, 683 f,
738
Hirth, Friedrich 366
Hitzig, Adelaide, verehel. mit August Oetzel
(v. Etzel) 585
-, Caroline, verehel. mit Paul Erman 585
-, Clara, verehel. mit Franz Kugler s. Kugler
-, Clara von s. Steffens
-, Eduard 3,17, 25, 34, 488,494, 500,586,
685, (767)
-, Etta geb. Ranke 500, (685)
-, Eugenie, gesch. Meyer, geb. Barckenstein
586,642
-, Eugenie, verehel. mit Johann Jacob Baeyer
95 f, 108, 632
-, Fritz (Friedrich) 25, 95 f, 108,121, 485,
488,586,632
-, Henriette, verehel. mit Nathan Mendels¬
sohn 586
-, Julius Eduard (urspr. Itzig) 1, 3, 5-8,
15-19, 24-27, 29-35, 37,47, (52), 54,
61, 86, 91, 93 ff, 138,148,151 f,
155-158,162, 179, 183 f, 193, 210,
211, 215 f, 218 f, 246, 263, 303, 328
345, 352, 362 f, 390, 392, 395 f, 398,
404, 406,414, 421, 435,452, 474, 476,
485, 488 ff, 493, 496, 519 ff, 523, 526 f,
530 f, 533, 538, 555 f, 560, 566 f, 572 f,
575-580, 583-587, 590-593, 595, 602,
609, 612, 615, 621-627,629-632,
640 ff, 651, 654, 657, 663, 665-668,
670, 674, 679, 684 f, 690, 714 f, 742,
752 f, 756, 761, 767 ff, 772, 776, 779
-, Louise, verehel. mit Jean-Jacques Arlaud
585
-, Marie 95 f, 109
-, Rachel 585
H. K. (= Heinrich Cuno) s. Cuno
Hölderlin, Friedrich 470
Höffmann, Carl Wilhelm Philipp 213, (772)
-, Cacilia 51, 435, 612, 615, (623)
-, Christoph s. Friedrich Christoph
-, Christoph Ludwig 4, 48 f, 212 f, 396,
403,580, 639,661, 768
-, Friedrich Christoph 48, 212, 772
-, Johann Ludwig 4, 30, 213, 263
—, Lovisa Albertina geb. Doerffer4,19,
49 f, 212 f, 393,519 f, 604
-, Maria Elisabeth geb. Voeteri 48, 212,
580, (661), 763, 772
-, Michalina (Marianna Thekla Michaelina)
geb. Rorer 3,5,15 ff, 24, 26, 31-34,
51 f, 162,170, 203, 205, 211, 214 f(? ),
219 f, 304, 396 f, 399, 403, 407 f,
(411 ff), 427,435 f, 438,447 f, 450, 555,
558,562,575 ff, 581, (583), 607(? ),
612, 615 f, (623), 693 f, 6973-701, 704,
743,754, 767, 772 f, 775
Höffmann, Gebr. (Verleger in Weimar; s.
Höffmann, Wilhelm) 350
Höffmann (von Fallersleben), August Hein¬
rich 635
Höffmann, Carl Julius Adolph 520, 526,
558, (565,570), 590, 779
Höffmann, Franz 526
Höffmann, Heinrich 24, 767
-, Johann 17,24, 767
-, (dessen Tochter und deren Enkelin) 17, 24
-, Theodor s. Bagienski-Hoffmann
Höffmann, Paul 341
Höffmann, Wilhelm 350
Hoffmann-Bagieriski s. Bagienski-Hoffmann
Holbein von Holbeinsberg, Franz Edler von
(Pseud. Fontano) 54,155-163,
166-171, 201, 203 ff, 526,531,540,
568,578 f, 584, 668, (682), 717,738,
776
Holbein, Hans d J. 669
Holberg, Ludvig Freiherr von 443
Holsche, August Carl von 400
Holtei, Karl von 171
Holten, Otto von 581
Holtze (Stadtdirektor in Glogau; Kriegsrat)
537
Holtze, Friedrich 235, 244 ff, 251, 258 ff,
397,568,588,591,615,644
804
Homer (Homeros) (100)
Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 149, (204)
Horn, Dorothea Adelgunde, verm. Schlunck
596
Hosemann, Theodor 144 f, 673
Houwald, Ernst Freiherr von 26, 266 f
Huber, Ludwig Ferdinand 416,450
-, Therese, geb. Heyne 103
Huch, Ricarda 187, 227, 731, 741, 748
Hueber, Max 780
Hülsen-Haeseler, Georg Graf von 515,517
Humboldt, Alexander Freiherr von 776
-, Wilhelm Freiherr von 105, 281 f,
Hummel, Johann Erdmann 670
Ibsen, Henrik 81, (87)
Iffland, August Wilhelm 160 f, 232,417,
449, 451, 511, 517, 519 f, 539 ff,
553-556,567 ff, 577,579, 593, 686,
688, 700, 777
Immermann, Karl 624
Isouard, Nicolo 557, 700
Isser, Moses ben Israel („Moses Isserles“) 585
Istel, Edgar 674
Itzig, (Jafe), Daniel ben Itzig 585 f
-, Elias Daniel 585, (612)
-, Isaak Daniel 585
-, Isaak Elias (später Eduard) s. Hitzig, Ju¬
lius Eduard
Mirjam, geb. Wulff („Dessau“) 585
-, Mhjam (Marianne), geb. Leßmann 585,
(612)
-, Moritz Jonathan 585
-, Recha585
Jacobi, Conrad 613
Jahn, Friedrich Ludwig 175, 240, 325, 373
Janin, Jules 367
Janitsch s. Doerffer, Sophie Henriette
Janke, Johann Ernst Theodor 177, 358
Janke, Otto 551
Jentico, Charlotte Juliane geb. Voeteri 772
-, Johann Gottlieb 772
Joachim (Murat), Großherzog von Berg (seit
1808 König beider Sizilien) 612
Joachim II., Kurfürst von Brandenburg 247,
249, 253 f, 258
Joachim, Gottfried Andreas 642
Jöcher, Christian Gottlieb 764
Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg 247,
249, (251), 253-258
Jolowicz, Joseph 210, 542
Jordan, Immanuel Gottfried von 427
Jordan, (Johann) Ludwig von 277, 287
Jorik (Yorick) s. Sterne
Joseph II., römisch-deutscher Kaiser 311
Julie s. Mark
Juncker, Axel 642
K. Graf von s. Kanitz, Alexander
Kaemmerer, Ludwig 392
Kambly, Frl, s. Hampe
-, Maria s. Ebell
Kamptz, Karl Albert von 174 f, 177,180,
183,193, 195, 270, 357 f, 643, 770
Kanitz, Alexander Graf von 149,151 f,
(434? ), (579)
—, Antonie Wilhelmine Luise Gräfin von,
geb. v. Massow 151
-, August Graf von 149, 151 f, (579)
-, Ernst Graf von 149, 152, (579)
-, Friedrich Graf von 149,152 f, (579)
-, Hans (Wilhelm Alexander) Graf von 151
-, Karl Graf von 149,152, (579)
-, Karl Wilhelm Alexander Graf von 151
Kanne, Friedrich August 262
Kanne, Johann Arnold 114, 262
Kant, Immanuel 148,150,152, 226,406,
445,595,
Karl s. Carl
Karo, Joseph 585
Kaselitz, Gottfried (Christian Günther) (28),
557,(583)
Kauer, Nanette (Anna Maria) 562
Kauffmann, Angelica (verm. Zucchi) 446,
610
Kelchner, Ernst 404
-, Johann Andreas 194 f
Keller, J.G. 704
Keller, Gottfried 366, 683
Kestner, August (Kestner-Museum in Hanno¬
ver) 771
Keyserling, Otto Dietrich Graf von 314
Emilie, geb. Gräfin Dönhoff 314
Kielmannsegge, Auguste Charlotte, gesch.
Gräfin von, geb. von Schönberg, verw.
Gräfin von Lynar 290
-, Natalie Gräfin von 290
Kiepenheuer, Gustav 617, 642
Kind, Friedrich 592
Kippenberg, Anton (332, 678)
Kircheisen, Friedrich Leopold von 644f,
(651 f)
Kirchheim, Johann Friedrich 403,437, 776
-, (dessen Frau) 403
Kirnberger, Johann Philipp 446
Kirstein, Gustav 689
805
Kleist, Christian Ewald von 531 f
Heinrich von 92,163, 341,416, 418,
450, 457, (475), 568, 586,591, 641,
(680), 744
Klenau, Johann Graf von 703
Kletke, Hermann 23
v. Klg. s. Woltmann
Klindworth, Georg (193)
Klingemann, August 578, 641
Klinke, Otto 459, 462 f, 465, 467 f
Klöden, Karl Friedrich 269, 531
Klopstock, Friedrich Gottlieb 349
Klug (Klugscher Garten in Posen) 542
Kneschke, Ernst Heinrich 265, 288
Knigge, Adolph Freiherr von 128, 376
Knudsen, Hans 399
Koehl, Magdalena, geb. Valesi 699
Koenen, Johann 427
König, Anton Balthasar 246 f, 249-252,
254,258
Könnecke, Gustav 10
Köpke, Rudolf 23
Koerner, Bernhard 48
Körner, Theodor 325
Kohl, Clemens 587
Kolbe, Carl 670
Kolbe, G. 615
Kollmann, Christian Emst 520
Koner, Wilhelm 621
Koniecky (Landreiter) 408
Kopfermann, Albert 327
Koreff, Johann Ferdinand 7, 31, 268 f, 271,
274 f, 277-285, 287,466,581, 586, 753
Korn (Verleger in Breslau) 590
Korn, Friedrich Wilhelm 212 ff
Kosduszko, Tadeusz 612
Kospoth, Johannes 605, 609
Kotzebue, August von 38, (102), 161, 174,
232-236, 239, (245), 262, 391, 399,
415 f, 418, 421 f, 425,443,445,449 ff,
563 f, (566 f), 569,595, 621, (627), 659,
(667), 714, 776, 780
Krabbe (Verleger in Stuttgart) 460
Kraft (Tabakhändler in Leipzig) 706
Krahmer (Sängerin) s. Kramer
Krahmer, Wilhelm 399
Kralowsky, Friedrich 360, 581
Kramer, Madame (Sängerin) 699 f, 758
Kraukling, Karl Constantin 668
Kraus, Christian Jakob 148
Krause, Leopold Wilhelm 355
Kraushar, Alexander 392
Kremnitz, Mite (Marie) geb. Bardeleben
(378), 775
Krenzer, Oskar 676, 723, 780
Kretschmann, Carl Friedrich 29
Kreutzer, Rodolphe (675, 686, 691), 752
Krickeberg, Friederike, geb. Koch 30, 66, 80
Krieger, Bogdan 549
Kriting, Christoph Heinrich 302
-, dessen Frau 302
-, (Johann) Heinrich 302 ff
Kroll, Erwin 717
Krön, Wolfgang 772, 780
Krückmann, Victor Ferdinand Heinrich 244
Krueger, Felix 210
Krüger, Franz 11
Kubin, Alfred 765
Kügler, Hermann 633 f, 637
Kühn, Alfred 299, 304 f, 774
-, Ludwig 303 ff
-, dessen Frau, geb. v. Schön 303 ff
Kühn, Johann Friedrich 263, 399, 407, 439 f
Kühne (eigtl. v. Lenz), Johann Reinhold
442 f, 445
Kühnei, Ambrosius 432,540, 690 f
Kühtze, Christian Ernst 397
-, Friedrich Wilhelm 397,548-551
-, Johann Ernst 397
Kühze s. Kühtze
Kürschner, Joseph 3, 17, 30, 37, 390, 485 ff,
490 f, 681, 685
—, (dessen Witwe) 491 f, 685
Küster (Knopfmacher in Marienwerder) 670
Küster, Georg Gottfried 246
Kuff (Kuffsches Sonnenmikroskop) 190
Kugler, Bernhard 25, 586
Clara geb. Hitzig 25, (490, 586, 632)
— Else 244
-! Franz 24 f, 244,414,490,522, 586, 666,
684
Hans 25,586
Kuhlmeyer, Ludwig Wilhelm 622 f, 625 f,
628, 631
Kuhn, August 361, 637, 657
Kunheim, von (Regimentskommandeur) 152
Kunowsky (Kunowski), Georg Carl Friedrich
287
Kunz, Carl Friedrich 24, 34, 54,56, 61 f,
122,218, 336, 342, 447, 475,567 f,
577 f, 593, 640, 642, 654, 668, (670),
671, 674, 691 f, 694, 696 ff, 700,
(702), 703 ff, 726, 747, 751 f, (759), 780
—, Familie (Wilhelmine Kunz geb. Beller; deren
Schwester Louise Beller; die kleine Emilie
Kunz, später verehel. mit Wilhelm Merck)
640,642, 668
806
Kurelia (Beamter in Gumbinnen, dann
Kriegsrat in Königsberg) 299 f, (302)
(dessen Frau) 301 f
—, August Wilhelm Ferdinand 300
Franz Julius Joachim 300
Hans Friedrich Leopold 300
Jacobine 299-302, 774
Kutusow, Michael Ilarionowitsch Gole-
nischtschew, Fürst Smolenskij 693, 696
La Bedolliere, Emile Gigault de 367
Lafontaine, August 569
Lalla Rükh 770
Lamprecht, Joachim Friederich von 427
Lange, Carl August 699
Lange, Heinrich Friedrich 403,437 ff
Langhans, Carl Gotthard 201,407
Langkau (Vikar in Königsberg, dann Rektor
in Kaukehmen) 48, 210
Lanz, Wilhelm 442
-, dessen Gattin, geb. Wolschowski 442 f
Lanzendorf, Helmine (Wilhelmine), verm.
mit Hans von Blücher 265, 268 f,
271-276, 279, 286-289, 291-295, 577,
581,774
Laube, Heinrich 718
Lauchery, Albert 557
Laun (eigtl. Schulze), Friedrich 578, 592
Ledebur, Carl Freiherr von 327, 521
Leeuwenhoek, Antony van 185,188,199,
259, (770)
Lehmann, Johann Friedrich 152
Lehmann, Zacharias (Pseud. Carl Wilhelm
Reinhold) 778
Leibniz. Gottfried Wilhelm Freiherr von 531
Leineweber (Familie in Ostpreußen) 774 f
Leist, Friedrich 159,562
Leitschuh, Friedrich 642
Lekrycki s. Lekszycki
Lekszycki, von (Assessor, dann Landrat) 16,
435 f, 767
Lekszycka, Michalina von, geb. Gottwald 16,
219, 396,408, 435 f, (450), 612, (623),
767
Lenau (eigtl. Niembsch von Strehlenau),
Nicolaus 718
Lenormand, Marie Anne 278
Leo, Carl 26, 32 f, 578
Leo, Cecile, geb. Hensel 241
Leopold, Franz 669
Leppmann, Franz 341, 366
Lesage, Alain Rene 633 f
Lesgewang, von (in Königsberg) 151, 212,
394,447
Lessing, Carl Robert 768
-, Christian Friedrich 767
-, Gotthold Ephraim 232, 243, 681, 764
Levy, Sara, geb. Itzig 555, 585
Lexer, Matthias 100
Lichtenau, Wilhelmine Gräfin von, geb.
Enke, verm. Ritz 156 f, 162 f, 170, 284
Lichtenberg, Georg Christoph 452
Lichtenberger, Henri 728
Lichtenstädt, Jeremias Rudolph 25, 32
Lichtenstein, Erich 657, 679, 686 ff
Liebermann, Ernst 84
Liegnitz, Auguste Fürstin von, zweite Ge¬
mahlin des Königs Friedrich Wilhelm III.,
geb. Gräfin von Harrach 269, 288
Liepmannssohn, Leo 566
Lindenberg (Fagottist in Königsberg) 441,
444
Lindhorst, Christian David 18
Lindner, Johann Wilhelm Sigismund 779
Linke (Akzisrat in Dresden; „Linkes Bad“)
694 f, 701, 757,781
Linne (Linnaeus), Karl von 191
Lippold (Münzjude) 247, 249, 251, 253 f,
257 ff, 460 f
, dessen Frau 247, 249, 253
Liunge, Andreas Petei 755
Locatelli, Pietro 402, 429 f
Loeben, Otto Graf von (Pseud. Isidorus
Orientalis) 374
Loest (Gärtner in Berlin) 621
-, Charlotte verw. Denk, geb. Kämpfer
(zweite Gattin des Folgenden) 625
-, Heinrich (Pseud. Traugott Walter und
Anselm Freidank) 4, 6,17, 26, 32,452,
578 f, 586, 619-632, 641, 668, 714 f 780
Loeve-Veimars, Frampois Adolphe, Baron
658
Lohenstein, Daniel Casper von 764
Lottum, Carl (Friedrich Heinrich) Graf zu
Wylich und Lottum (286)
Lotz, Georg 659
Louise s. Luise
Lüttwitz, Ferdinand (Moritz) Freiherr von
8 f, 11,579
Lützau s. Lützow
Lützow, Adolf Freiherr von 325,693,696,
701
Luise, Königin von Preußen, geb. Prinzessin
von Mecklenburg-Strelitz 30,217, 315,
536, 539, (543,546), 549, 777
Lukacs, Georg von 599
807
Luther, Martin 481
Lutter und Wegner (J.C. Lutter und A.F.
Wegner) 6 f, 10, 235 f, 633, 642, 669
Lyser, Johann Peter (eigtl. Ludwig Peter
August Burmeister) 578
Maaß, Friedrich Gustav 403,405, 407
Maassen, Carl Georg von 48, 92, 114,119,
195,235,274,336,339,460,468,495,
522, 591,642 673 ff, 679 f, 682-686,
688, 738, 740, 749,774,777
Macco, Carl 676, 681
Machholz, Emst 213
Machui, Karl von 212
Magdalena de la Croix 133
Mahlmann, August 217 (747)
-, Ernestine, geb. Mayer 216 f, 747 f
Mainone, Carl (Wwe.) 700
Mallarme, Stephane 366
Malpighi, Marcello 188
Manderlee, A. (Cafetier in Berlin) (6 0,584
Manderloehe s. Manderlee
Manheimer, Viktor 617
Mara, Gertrud Elisabeth geb. Schmeling 396,
402,429
Marc s. Mark
Marchetti-Fantozzi, Maria 395,423,428,
690
Marcus, Adalbert Friedrich 528, 581, 641 f
Marcuse, Betty (Elisabeth), verm. Gedike
591
Margis, Paul 261 ff, 334, 501-505, 682, 774
Marie Elisabeth, Fürstin von Neuchätel und
Herzogin von Valengin, Herzogin von
Wagram, geb. Herzogin in Bayern 52
Marinoni s. Mainone
Mark, Fanny (Franziska) geb. Marc(us) 55,
(56), 201, 334,475, 504, 581, (733)
—, Julchen (Julie), verehel. mit Gerhard
Graepel, dann mit Louis Marc 15, 24,
54 ff, 201, 204, 219, 338, 455,475,502,
504, 581,592, (733), 769, 779
Marketti s. Marchetti-Fantozzi
Marmontel, Jean Francis 595
Marpurg, Israel ben Petachja („Meister Isser-
lein“) 585
Marx, Adolf Bernhard 16, 32, 551, 641
Matthaei, Heinrich August 699
Matuszewski, Daniel Thomas 149,151 f,
246, (579), 640, 663, 670
Maupassant, Guy de 469
Maurer (Verlagsbuchhandlung in Berlin) 337,
400,753
Max, Josef 29, 31, 362, 754, 756
Maximilian I. Joseph, König von Bayern 702
Mayer, Caroline, verehel. Richter s. Richter
-, Ernestine, verehel. Mahlmann s. Mahl¬
mann
-, Johann Siegfried Wilhelm 216, 747 f
-, (dessen Gattin), geb. Germershausen
(216,747)
-, Minna (Wilhelmine), verehel. Spazier s.
Spazier
Mayerhöffer (Accise- und Zollrat in Tarno-
witz) 529
Mazeres, Edouard Joseph Ennemond 590
Mehul, Etienne Nicolas 443
Melzer, Ernst Friedrich (dieser Berliner Lite¬
rat, Dr. phil. E.F. Melzer, nicht der Justiz¬
rat Melzer, steuerte zu Hoffmanns Grab¬
stein bei) 399,780
Mendelssohn, Moses 773
Mendelssohn Bartholdy, Abraham 245
Fanny, verm. Hensel (245), 773
-, Felix 718
-, Lea, geb. Salomon 585
Menzel, Wolfgang 125,459 f
Merbach, Paul Alfred 678 f
Merkel, Garlieb 416,450
Metis, Eduard 397
Metternich, Clemens Fürst von 174,702, 770
Meusel, Johann Georg 246, 527, 779
Meyer, Daniel Wilhelm von 612
Meyer, Eberhard 568
Meyer, Eduard 743
Meyer, Eugenie geb. Barckenstein s. Hitzig
Meyer, Richard Moritz 240, 266
Meyer Cohn, Alexander 27, 486 f
Mieris, Frans van (d.Ä.) 669
Milder-Hauptmann, Anna 165, 201, 205,
652
Milhaud, Jean-Baptiste (1810 Graf) 612
Miller, Johann Martin 532
Miller, Julius 699 f
Miller, Philip 191
Mittler, Emst Siegfried und Sohn 288
Mnioch, Johann Jacob 586
Mniszek (Mniszeksches Palais in Warschau)
528, (612, 622)
Moehsen, Johann Carl Wilhelm 250, 258
Möller, Heinrich 561
Mörike, Eduard 718
Mörlins, Wolfgang Julius 678 f
Moliere (eigentl. Jean Baptiste Poquelin)
481,569
Molinari s. Molinary
Molinary, Aloys 156 f, 519, 526 f, 587, 640,
664 f, (666), 779
808
Montfaucon de Villars s. Villars
Moore, Thomas 54
Moreto y Cabana, Augustin 568
Morgenroth, Franz Anton (nicht Franz
Adam) 452, 563 ff, 567,579, 622 f, 690,
694-697,715, 779
Moser, J.F.D. (Steinmetzmeister in Berlin)
(31)
Moses ben Israel Isser („Moses Isserles“) s.
Isser
Mosqua, Friedrich Wilhelm 452
Mozart, Wolfgang Amadeus 52, (203 f), 262,
272, 374, 432, 443 f, 449, (469,476),
479, 523, 525, 529, 552, 557, 559-562,
564, 568, (699), 700, 719, 724, 727,
(733), 769, 777
Müchler, Karl 361
Mühlenfels, Ludwig von 175
Mueller, Arthur 577
Müller, Friedrich („Maler Müller“) 492
Müller (von Gerstenbergk), Friedrich 289
Müller, Georg 92,112, 195, 366, 455, 509,
511,584,593, 642, 674, 686, 743
Müller, Johann Christian 246
Müller, Wenzel 443, 700
Müller, Wilhelm 240
Muncker, Franz 100,151
Murat s. Joachim
Musaeus, Johann Carl August 136,141
Müsset, Alfred de 367, 481
Nägeli, Hans Georg 37 f, 391, 417, 421, 432,
434,451 f, 540, 616, 778
Nagel, Johann Peter 10, 232, 234 f
Nagler, Georg Kaspar 587
Napoleon I., Kaiser der Franzosen, König
von Italien 100, 268, 277, 317, 319, 325,
612, 615, 633-637, 680, 693, 696 ff,
701 f, 704 f, 757 ff, 781
Naude, Wilhelm 644
Naumann, Johann Gottlieb 695, 697
Nayhauß, Graf von (in Glogau) 536
Neff, Paul 293
Nerrlich, Paul 747
Nerval, Gerard de (eigentl. G6rard Labrunie)
481
Neumann, Amalie 39, 263
Neumann, Wilhelm (506), 586, 621, 632
Ney, Michel, Herzog von Elchingen, Fürst
von der Moskova 698
Nicolai, Friedrich 226, 246, 252, (375), 415
Nicolaus de Lyra 675
Nicolovius, Georg Heinrich Ludwig 646 f,
651
-, Luise geb. Schlosser 646
Nietzky, Graf 309
Nietzsche, Christoph 309
-, Elisabeth s. Förster-Nietzsche
-, Friedrich 54, (88), 119, 211, 220, 223,
294,309,340,349,376,485,593,
(617), 728, 746, 763
-, Gotthelf Engelbert (309)
Nodier, Charles 367
Norbert der Heilige (Graf von Gennep), Erz¬
bischof von Magdeburg 401
Normann-Ehrenfels, Friedrich Graf von 701
Nostitz und Jänkendorf, Adolf von (433)
Nothardt (Hauptmann in Glogau) 531, 537
Novalis s. Hardenberg
Nowack, Karl Gabriel 590
Oehlenschläger, Adam 31,489,578, 659
Oels, Carl Ludwig (33), 768
Oetzel (später O’Etzel, dann v. Etzel), Elise
Adelaide, geb. Hitzig (Itzig) 586
-, (später O’Etzel, dann v. Etzel), (Franz)
August 584, 586, 590
Offenbach, Jacques 102,483 f, 517, 566,
727
Ollech, Georg 394
-, dessen Frau 394,445
Opitz, Christian Wilhelm 700
Osborn, Max 392
Otto. Andreas 633
Paer, Ferdinando 700, 703 f, 757 f
Paetel, Gebr. (Dr. Georg Paetel) 92, 383,
(389 ff, 507), 574, 581, 583, 611, 685,
742
Paisiello, Giovanni 160
Palestrina, Giovanni Pierluigi da 719
Pannwitz, Rudolf 745
Pappenheim, Adelheid Reichsgräfin von s.
Schönaich-Carolath
-, Carl Theodor Friedrich, Reichsgraf von
268 f, 273
-, Lucie Reichsgräfin von, geb. v. Harden¬
berg s. Pückler
Partacius, Anna geb. Neander („Anke van
Tharau“), Urahne Hoffmanns 763
Patte, Madame (in Berlin) 216
Paul, Jean s. Richter
Paulig, Friedrich Wilhelm 429
Paulmann, Carl Ludwig 776
Pauly (Theaterdirektionssekretär in Berlin)
553
Penzler, Johannes 135
Pereira (Pereira-Arnstein), Heinrich von, wur¬
de von Nathan Adam von Arnstein adop¬
tiert (1810 Freiherr) 585
Henriette von 585
Perthes, Friedrich (32), 768
Perugino (eigentl. Pietro di Vannuccio) 448
641,667
Peters, Carl Friedrich 690, 769
Petersen, Julius 627
Petzold, Anton G. 770
Pfitzner, Hans 90, 726 f, 765, 769
Pfuel, Ernst von 450
Piaste, Charlotte („zweite Mutter“ der Kin¬
der J.E. Hitzigs) 632
Pichler, August 201
Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel
& Co. 513
Piliwitz, Ferdinand (699)
Pirker, Max 728, 741
Piwnicki (in Plock) 430
Plahn (Verleger in Berlin) 531
Platen, August Graf von 349
Pleyel, Ignaz 430
Plümicke (Kriegs- und Domänenrat in Glo-
gau) 589
Plümicke, Carl Martin 589
Pniower, Otto 227, 459, 464,508, 749
Podbielski, Christian Wilhelm 339’
Poe, Edgar Allan 366
Poellnitz, Rudolf von 678
Pohl (Prediger in der Nähe von Tarnowitz)
529
Pondo, George 247, 250
Poppenberg, Felix 267, 765
Posonyi, Alexander 28
Preetorius, Emil 455
Preußen, Charlotte Prinzessin von (verm. m it
dem Großfürsten Nikolaus von Rußland,
spätere Zarin Alexandra Feodorowna)
-, Ferdinand Prinz von 623
-, Friedrich Wilhelm Kronprinz von (s. auch
Friedrich Wilhelm IV.) 165, 520, 571
-, Heinrich Prinz von 532
-, Louis Ferdinand Prinz von 718 f
Prümers, Rodgero 542,587
Pucitta, Vincenzo 340,479
Pückler (Pöckeler von Groditz), August
Sylvius Graf 265
(Pöckeler von Groditz), Carl Franz Graf
265
(Pöckeler von Groditz), Georg Freiherr
809
-, Clementine Gräfin von, geb. Reichsgräfin
von Callenberg 268, 273, 295
-, Erdmann Graf von 265
Hermann Graf von (seit 1822 Fürst von
Pückler-Muskau) 23, 259, 265-295 327
359,489,577,581,593 ’
-, Lucie Gräfin von (dann Fürstin Pückler-
Muskau), gesch. Reichsgräfin von Pappen¬
heim, geb. v. Hardenberg 266, 268 f, 271 ff
275, (277), 278-291, 295
-, Ludwig (Johann Karl Erdmann) Graf von
Quaisin, Adrien 557, (564), (722)
Quien, Louis 239
Rabelais, Franpois 127, (190), 756
Rabener, Gottlieb Wilhelm 354
Racine, Jean 446
Radziwill, Anton Fürst von Nieswiesz und
Olyka 280
Raebiger, Friedrich Wilhelm 651
Raffaello Santi 228, 293, 432,448, 641
663,665,667,669
Rahel s. Varnhagen
Raimann s. Raimund
Raimund, Ferdinand 523
Ramler, Karl Wilhelm 531,533
Ranke, Ernst (500)
-, Etta s. Hitzig
-, Leopold von 500
Raphael s. Raffaello
Rasmus, W. (Professor in Krotoschin) 210
Rath, Matthias Edler von 770
Rauch, Christian Daniel 641, 646, 669
Rebeur, Christian Ludwig von 9
-, Jean Gabriel von 9
-, Jean Philippe von 9
-, Ludwig August von 3,8,9,10, 579
Reck, Eberhard Friedrich Christoph Ludwig
Freiherr von der 216
Recke, Elisa (Charlotte Elisabeth Constantia)
von der, geb. Reichsgräfin von Medern
407
Rehberg, Friedrich 640, 665 f
Reibnitz, Gottfried Diprand Wilhelm von
212
-, Rosine von, geb. v. Tschepe 212
Reichardt (Cafetier in Leipzig) 700, 706
Reichardt, Gustav 327
Reichardt, Johann Friedrich 469
810
Reichenberg, August Friedrich 402 f, 418,
429 f, 440,451, 552, 775
Reimann (Hutmacher in Königsberg) 299,
302
Charlotte 299-305,575, 774 f
Reimarus, Hermann Samuel 764
Reimer, Georg 33 f, 94 f, 105 ff, 112 f 175,
263, 337, 522, 576, 586, (624), 642,
658 f, 673,677, 683, 752-755
-, Georg Ernst 577, 673, 675 f
Reinhold, Carl Wilhelm s. Lehmann
Reiß, Erich 591, 745, 749 f
Reitzel, Carl Andreas 755
Rembrandt Harmensz van Rijn 29
Reilstab, Ludwig (579)
Renner, Marie, geb. Borchard (1820 verehel.
mit Franz v. Holbein) 163, 166,
168-171,201,205
Rensch, Carl Wilhelm 520, 526 f, 532-537,
(543), 777
Rentsch s. Rensch
Repnin, Nikolai Grigorjewitsch Fürst Repnin-
Wolkonski (703)
Reyher, Karl Friedrich Wilhelm (von) 152
Reynier, Jean Louis Ebenezer Graf von 692
Riba, Theodor Albert Ritter von 455
Ribbeck, Emma, geb. Baeyer 25, 34,489,
586
-, Otto 489, 586
Richter, Caroline, geb. Mayer 216 ff, 747 f
-, Jean Paul Friedrich 98, 217 f, 262, 337,
342,627, 631,672, 741, 746 ff 750 f,
768
Riedel, Adolph Friedrich 252
Riedt (Silberdiener in Berlin) 776
-, Friedrich Wilhelm 429, 776
Riel, Johann Friedrich Heinrich 444, 446 f
Riem, Wilhelm Friedrich 626
Riet s. Riedt
Righini, Vincenzo 395, 666
Rink, Mamsell (d.J.) 446
Ritter, Carl 134 f
Ritter, Johann Wilhelm 114
Rixner, Thaddeus Anselm 457 f
Robert, Ludwig (Markus Levin) 30,180,
350,586,625, 687,573
Rochlitz, Friedrich 53, 458, 464 f, 470-474,
496,522, 561 f, 577 f, 580, 593, (652),
659,671, (685), 690-693,699 f, 705 f,
778
-, Henriette, verw. Winkler, geb. Hansen 700*
Rode, Pierre 675, 686, (691), 752
Rodenberg, Julius 274, 508, 761
Rodewald, Karl Joseph 558
Roediger, Ludwig 175
Römer, Christoph 247, 249, (258)
Rösl & Cie. (Verleger in München) (679),
681,687 f
Roethe, Gustav 749
Rohrer s. Rorer
Rohrmann (Librettist) 555
Rorer (Trzciüski), Michael 16, 51, (162,
215), 219, 396, (411, 432? , 612), 768
-, (Trzcinska), Josepha geb. v. Winkler 16,
51,435,(555,562)
-, (Trzcihska), Elisabeth Ursula Catherina s.
Gottwald
-, (Trzcihska), Michalina s. Hoffmann
Rosa, Salvator 670
Rosegger, Peter (Petri Kettenfeier) 523
Rosenbaum, Alfred 350,492 ff, 623,
657-660,668
Rosenberg, Elisabeth Regina, geb. Hamann
609
Rosenberg-Gruszcynski s. Gruszcynski
Roßegger s. Rosegger
Rossi (italienisches Kellerrestaurant in
Leipzig) 700
Rossini, Gioacchino 340 (347), 374, 479,
631
Rousseau, Jean Jacques 218, 262, 311, 393,
446 f, 664
Rütten & Loening (Verleger) 148,210, (685)
Rumpf, Johann Daniel Friedrich 270
Runge, Philipp Otto 114,470
Rußland, Großfürst Michael von 165
-, Großfürst Nikolaus von (später Zar Niko¬
laus I.) 165 f
Rußwurm s. Gleichen-Rusworm
Rust, Johann Nepomuk 287, 293
Sachsen-Weimar, Carl Friedrich Erbgroßher¬
zog (später Großherzog) von 289
Sacy, Antoine-Isaac, Baron Silvestre de 150
Sade, Donatien Alphonse Francois Marquis
de 262 f
Saemann, Carl Heinrich 31, 351 f
-, Johann Christian 351(? ), 640(? ), 663 f
-, Johann Gottlieb 351(? ), 640(? ), 663 f
Saint-Martin, Louis Claude Marquis de 730
Sakheim, Arthur 100,471,642,684
Salieri, Antonio (442), 449
Salomo ben Isaak („Raschi“) 585
Salomon, Gerhard 657-660
Salomon, Jacob s. Bartholdy
Sand, George (Aurore Baronin Dudevant,
geb. Dupin) 367,481
I
811
Sand, Karl Ludwig 174,178
Sander, Johann Daniel 38,416 f, 421, 451
Sandreczky, Graf von (Kriegs- und Domänen¬
rat in Glogau) 534
Sattler (Verleger in Braunschweig) 462
Sauer, August 47,491 f, 543,627
Sauerländer, Johann David 12
Savonarola, Girolamo 423,425,428
Sayn-Wittgenstein s. Wittgenstein
Schäffer, C. (Geh. Hofrat in Berlin) 159,
521,540
Schaeffer, Carl 464, 468, 471
Schaffrath, Christoph 776
Schall,Karl 171, 336, 362
Scharnhorst, Gerhard Johann David von 319,
398
Schartow, Carl Ludwig Friedrich 149
Schaukal, Richard (von) 228,487,678 f,
731 f, 737,739,745,747,749,765
Schefer, Leopold 625
Scheffner, Babette, geb. Bouissont 609
-, Johann George 134
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von 114
Schenk, Johann (202)
Scherl, August 221
Scherr, Johannes 376
Scheven, Georg Friedrich von (nicht van)
400,440, 775 f
Schick, Margarethe, geb. Hamei 395 f, 423,
428,690
Schickh, Johann 345
Schiff, David Bär 366
Schik (Sängerin) s. Schick, Margarethe
Schill, Ferdinand von 693
Schiller, Friedrich von (102), 118,163,201,
204,262 f, 294, 334, 349,418 f, (442 f),
444,481,543,554,627,665,677
Schilling, Gustav (Romanschreiber) 342, 350
Schilling, Gustav (Musik-Enzyklopädist)
430,444,526
Schinkel, Carl Friedrich 687, 771
Schissei von Fleschenberg, Otmar 224, 334,
773
Schlegel, August Wilhelm (von) 119, 340,
399,445,586,621,715,717
-, Friedrich (von) 119, (262), 457
Schleiden, Matthias Jacob 191
Schleiermacher, Friedrich 175
Schleinitz, Carl Freiherr von 307,322, 395,
411 f, 425,428,435
-, Friederike Freifrau von, geb. V.
Gruszczynska (Rosenberg), zweite Gattin
des Vorigen 322, 395
-, Hans Freiherr von 775
Schlemüller, Gottliebe, geb. Voeteri 212, 772
-, Johann Wilhelm 212, 772
Schlesinger, Adolph Martin 65, 754
Schlichtegroll, Friedrich (von) 307, 311,
316,
Schlosser, Luise, verm. Nicolovius s. Nicolo-
vius
Schlunck, Adelgunde Friderica (verehel. mit
Christian Friedrich Dittrich) 596
Catharina Elisabeth, verw. Göritz, geb.
Bulgarin 596
-, Dorothea Adelgunde geb. Horn 596
-, Dora (Johanna Dorothea) s. Hatt
-, Johann Friedrich 596
-, Johanna Coelestina, geb. Flottwell 59£ f
Schmettau, Ludwig von 395,426,428
Schmidseck, von (Major in Posen) 397 f,
548-551
Schmidt, Erich 492
Schmidt, Jacob 246
Schmidt, Johann Philipp 32,149,152 f,
522 f, (579), 653 f, 659, (706)
Schmidt, Johann Wilhelm 157,164
Schnapp, Friedrich 642, 714, (779)
Schneider, Ferdinand Josef 300, 308, (312),
317,596
Schneider, Friedrich 691 ff
Schneider, Georg Abraham 555
- Louis 555
Schneider, Lambert 779
Schöler, Friedrich von 278
Schöll, Maximilian Salomon Friedrich 278
Schön, Heinrich Theodor von 303,499
-, Karl Theodor von 213,429,499
-, (Vater des Vorigen) (499)
-, (Bruder Heinrich Theodors) 303
—, (dessen Tochter, verehel. mit Ludwig
Kühn)303
Schönaich-Carolath, Bianca Prinzessin von,
geb. Gräfin von Pückler 272
-, Carl Prinz von 272
- Edward Prinz von 27 3
-, Heinrich Prinz von s. Carolath-Beuthen
Schönke, Karl 572
Schoeppl, Ritter von Sonnwaiden, Sigfried
779
Schonert, C. & Sohn (Weinhändler in Berlin)
202 f, 633
Schopenhauer, Adele 267
-, Arthur 54,118,267
-, Johanna geb. Trosiener 267
Schorch, Heinrich (449)
812
Schott, Andreas 438
Bernhard 438,452
-, Johann Josef 438
Schröder, Aemil Ludwig Philipp 777
Schröder, Heinrich 92
Schroetter, Amalie Albertine Freiin von 300
-, deren Eltern 300
-, Carl Wilhelm Freiherr von 315, 612, 615
-, Friedrich Leopold Freiherr von 402 f
Schubert, Franz 718, 720 ff
Schubert, Gotthilf Heinrich (von) 114,458
Schuch, Caroline 441
Schuckmann, Friedrich von (1834 Freiherr)
174,180,193,195, 285, 643, 646-651,
770
Schüddekopf, Carl 491, 646
Schütze, Stephan 26, 30, 33
Schule, Christian 700
-, Familie 700
Schulz, Johann (oder Johann Ernst Schulz? )
148
Schulz, Johann Abraham Peter 446, (447),
776
Schulz, Otto August 28
Schulze, Friedrich 642
Schumacher, Balthasar Gerhard (547)
Schumann, Robert 718
Schuster, Georg 549
Schuster, Joseph 695
Schwartz, Anton (eigentl. Preregrinus von
und zu Hegnenberg, gen. Dux) 442 f
-, A. geb. Wolschowski, Gattin des Vorigen
442
Schwarz, Doris geb. D ... 217, 219, 397,
406 ff, 772
-, Johann Ludwig 217, 219, 396-399,
406 f, 410, 520, 523, 542-551, 578,
590, 772,(778)
-, Sophie geb. Becker 407
Schwarzenberg, Carl Fürst von, Herzog von
Krumau 702
Schweigart, Johann Joseph 641,669, 780
Schweikard s. Schweigart
Scott, Sir Walter 474
Seconda, Franz 691, 695,701, 757
Joseph 318,447, 644,691-695,
697-701, 703 f, 757
Seefisch, Philipp (31)
Seeger, Theodor 341
Seemann, Hermann (Nachf.) 84
Seidler, Caroline, geb. Wranitzky 11, 767
Seiler s. Seidler
Sembritzki, Johannes 210, 213, 394
Serapion (Heiliger; Asket und Märtyrer) 184,
338,461,754
Servius Honoratus, Maurus 675
Seume, Johann Gottfried 448 f
Seyffert von Tennecker, Christian Ehrenfried
(Pseud. Valentin Trichter) 341
Seyfried, Joseph Ritter von (717)
Shakespeare, William (10, 102,108, 204),
236, 239, (251,260), 262, 340, 393,
427, (470), 475, 554,568, (774)
Shaw, Bemard 376
Siebrandt (Pfarrer in Darkehmen) 609
-, Carl Leopold (215, 595), 609
-, Dora (Johanna Dorothea) gesch. Hatt,
geb. Schlunck s. Hatt
-, Carl Ernst Friedrich Sigismund (609)
-, Leopold Johann Theodor (609)
Siegel, C.F.W. (Musikverleger in Leipzig)
626, 683
Siegmeyer, Johann Gottlieb 271, 761
Sierakowski, Anton von 408,438
Sobolewski, Peter 219,408,773
Soden, Julius Reichsgraf von 39, 558, 563,
565,666,778,780
Solbzig, Carl August 778
Solms und Tecklenburg, Carl Allwill Graf
von 295
Sondershausen, Karl 26, 33, 767
Sontag, Henriette (verm. Gräfin Rossi) 290
Sophie, Kurfürstin von Sachsen, geb. Prinzes¬
sin von Brandenburg (Gemahlin Christi¬
ans I.) 254
Soustelle, Friedrich Ludwig 244
Spazier, Carl 216,415, 747
-, Minna (Wilhelmine) geb. Mayer (später
verehel. mit Johann Adreas Uthe) 212,
216,747 f
-, Richard Otto 216
Speichert, Madame (Gasthofbesitzerin in
Posen) 527, 547,777
Spengler, Oswald 733, 745
Speyer, Friedrich 15,17, 24, 32,47,54, 1
201, 350, 577 f, 581, 627, 652, (699, \
702), 763, 769, 779
Spiegel von und zu Pickelsheim, Emil Frei¬
herr 269,289
Spontini, Gaspare (1845 Graf von S. Andrea)
165, 351,353,(696)
Sprengel, Kurt 191
Staegemann, Friedrich August (von) 283,
578, (695)
Stadl-Holstein, Germaine Baronin von geb.
Necker 586
Stahl s. Hetzel
Starke (Geh. Justizrat) 389
Steffen, Walter 641 f, 684, 738
Steffens, Adolf Freiherr von 774
-, Albert von (774)
-, Clara von, geb. v. Hitzig 774
-, Wilhelm (von) 774
Steffens, Carl Heinrich 237
Steffens, Henrich 114
Stegmayer, Mathäus 557
Stein (Kammer-Kalkulator in Glogau) 558
Stein, Carl Reichslreiherr vom und zum
564, 615 f
Stein, Karl (Pseud. Gustav Linden) 10, 235
Steinberg, Carl 441, 447
Steiner-Prag, Hugo (708), 709
Stentzel, Johann 250 f
Stern, Ernst (196), 455
Stern, Ludwig Christian 192
Stern, William 503
Sterne, Laurence („Yorick“) 216, 218, 393
Steudener, Johann Samuel Emst von (405,
409)
Stifter, Adalbert 683
Stirner, Max 718
Stockmann, Helmuth 455
Stöhr, Georg 642
Stoelzel, Christian Friedrich 432, 640, 663
Storm, Theodor 366
Streber, Joseph 444
Streit, Karl Konrad 526
Strich, Fritz 731, 741, 744
Strödel, August Carl Friedrich 301
-, Wilhelm Heinrich Daniel 301
Stürmer (zwei alte Damen in Königsberg)
(393), 447
Sucher, Paul 92,132 ff, 457, 591, 728, 741,
744
Suder, Oskar 270
Sulzer, Johann Georg 569
Svarez, Carl Gottlieb 216
Swammerdam, Jan 185,188 f, 199, 259
-, (dessen Vater) 188
Swift, Jonathan (179), 377
Symanski, Johann Daniel 29, 30, 343, 352,
354,361f
Szembek, Onuphrius Graf von, Fürstbischof
von Ptock 401
Tamow, Fanny (Franziska) 578
Tartini, Giuseppe 338
Tasso, Torquato 623
Teichmann, Eüse 496, 506
Teichmann, Johann Valentin 517, 521, 553,
568
Teichmann, Philipp Andreas 235
813
Tepper (Rendant in Thorn und Plock) 403,
434
Tettenborn, Friedrich Carl Freiherr von 268
Therbusch, Anna Dorothea, geb. Lisiewska
528,664
Theremin, Franz 586
Thiem (Auditeur in Glogau) 558
Thieme (Violinist in Königsberg) 441,444
Thieme-Becker (d.L Ulrich Thieme und Fried¬
rich Becker ,Allg. Lexikon der bilden¬
den Künste*) (639), 779
Thime s. Thieme
Thurneisser zum Thum, Leonhard 247,
249 ff, 257 ff, 460 f
Tieck, Friedrich 641,669
-, Ludwig 23, 81,111,114,134, 325, 341,
366, 371,374, (377), 435,478, 621,
627, 715 f, 718, 728, 739, 753
Tiessen, Hildegard, geb. v. Hippel 86
Tilke (Tilkens Garten in Dresden) 697
Tille, Alexander 103
Timur (Tamerlan) 187
Tischbein, Wühelm 666, 684
Tiziano Vecellio 665
Todt, Theodor 219, 399,408, 773
Tott s. Todt
Toussenel, Theodore 26,481, (682)
Trautvetter (Geheimer Rat in Glogau) 564
Treiber (Treibers Keller, später Aeckerleins
Keller in Leipzig) 700
Treitschke, Heinrich von 177, 398
Trewendt, Eduard 151
Trichter, Valentin s. Seyffert von Tennecker
Truchseß von Wetzhausen, Christian Freiherr
von 125
Truhn, Hieronymus 34,413, 627, 768
Tzschoppe, Gustav Adolf (von) 177, 282,
284 f, 358
Ubtelohde, Otto 765
Uffenbach, Zacharias Conrad von 770
Uhden, Wilhelm 555 f
Uhland, Ludwig 625
Uhlendahl, Heinrich 710
Uklanski, Carl Theodor von 435,448, 776
Unzelmann, Carl Wilhelm Ferdinand (28),
202,557, (583), 771
Uz, Johann Peter 531
Vaerst, Eugen Freiherr von 578
Vamhagen von Ense, Karl August 193, 266,
268 f, 288, 290 f, 293, (506), 578, 586,
625
-, Rahel geb. Levin 290, 687
814
Veit, Philipp 641, 669
Vergil (Publius Vergjlius Maro) (377), 675
Verona, Bartolommeo 666
Vetter, Madame (in Dresden) 697
Vial, Jean-Baptiste Charles 189, 771
Vicaire, Georges 658
Vieweg, Friedrich 756
Villais, Nicolas Pierre Henri Montfaucon de
132
Villers, Alexander von 267
Virgil s. Vergil
Vitzthum, von (auf Ziefern) 5 34
Völsch (Schneidermeister in Königsberg) 774
Voelsch (Dr. med. in Königsberg) 302, 304
-, Angelica 304 f, 775
-, Carl Heinrich 304
-, Charlotte 302 ff, 774
-, Elise 299, 305,774
Voeteri, Christoph Ernst 48, 212, 506, 661
-, Elisabeth geb. Partacius 48, 212
-, Tobias Christoph 48, 212
Vogler, Georg Joseph 417, 446, 569
Voigt, Max 92,132 f, 370 f,495, 717, 772
Volkmann, Ludwig 538
Voltaire (eigentl. Arouet), Francois-Marie de
134, 262, (439), 446, 764
Voß, Abraham 125
-, Johann Heinrich 548
Heinrich 124
Voß, Julius von 155-158,162,164 f,
167-171,555,579
Voß, Ludwig August Ferdinand 451 f
Vossische Erben (Verlag in Berlin) 659
Wackenroder, Wilhelm Heinrich 435,621,
715 f, 718 f, 723
Wagner, Adolph 201 f, 262,469, 683, 771
-, Friedrich 700
-, Johanna Rosine, geb. Pätz (später verm.
Geyer) 700
- Richard 201, 349, 474, 700, 718
Wallich, Isaak 585
- Paul 764
-, Simon 585
Wannowski, August (von) 150
- Stephan 147-152, 213, 261, 310, 394,
579
Warda, Arthur 595, 663
Warschauer, Adolf 542
Weber (Gastwirt in den Zelten in Berlin) 259,
466,468f
Weber, Bernhard Anselm 160, 540, 555 f,
560 ff
Weber, Carl Maria von 11,43, (137), 505,
706,712,718-722,727
Wedekind, Frank 220
Wegely (Großindustrieller in Berlin) 270, 761
-, Caroline Wilhelmine s. Arnim
Wegener, C.F.W. (in Berlin) 271
Weidemann, Joseph 202
Weidmann (Verlagsbuchhandlung in Leipzig,
später in Berlin) 95, 751
Weisflog, Carl 100
Weiß (eigentl. Greis), F. (Schauspieler und
Sänger in Königsberg; auch Singspielkom¬
ponist. Später in seinem richtigen Namen
Regimentsarzt in Köln 442-447
Welcker, Carl Theodor 175
-, Friedrich Gottlieb 175
Wendt, Amadeus 31
Werner, Friedrich Ludwig Zacharias 25 f, 34,
39,47,56,213,408, 416,452, 520,
553-556, 568, 586, 621 f, 625, 632,
642, 646,651,715,717
-, Jacob Friedrich 213, (553)
-, Margarete geb. Marchwiatowska (nach der
Scheidung von F.L.Z. Werner verehel. mit
Gottlob Johann Christian Kunth) (408)
Wernike (Bauinspektor in Posen) 434
de Wette, Wilhelm Martin Leberecht 175
Wetzel, Friedrich Gottlob 262 f
Wezel, Johann Carl 262 f
Wiegleb, Johann Christian 393,423, 428
Wieland, Christoph Martin 262, 393, 522,
587, 777
-, Ludwig 586
Wiesel, Pauline, geb. Cesar (später verm.
Vincent) 267
Wilcke s. Wilke
Wild, Franz 203 f
Wildenbruch, Ernst von 459,461 f
Wilhelm I., Deutscher Kaiser und König von
Preußen (402), 774
Wilke, Carl Adolph (Kammergerichtsrat, mit
Hoffmann nicht von Posen her bekannt)
399
Wilken, Friedrich 246
Wilmans, Gebr. (Friedrich und Heinrich) 31,
755
-, Friedrich 29,175,182 ff, 193 ff, 356,
362,755
Winkler, Johann Joachim 640, 663, 689
Winkler, Daniel 700
Winkler, Hildegard (Winkler-Verlag) 779 f
Winkler, Karl (Pseud. Theodor Hell) 30
Winter, Carl 92
Winter, Peter (von) (102), 557, 778
Wippermann, Karl 174, 770
Witkop, Philipp 741 f, 745
Witkowski, Georg 689
Witte, Karl 343 f, 346, 354, 361
-, Karl (Heinrich Gottfried) 343 f, 361
-, Leopold 343 f
-, Luise, geb. Reimmann 344
Wittgenstein, Ludwig Adolf Peter, Fürst von
696
Wittgenstein, Wilhelm Ludwig Georg, Fürst
von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 174,
278, 280, (286)
Witzleben, Job von (290)
Wobeser, Caroline Wilhelmine von, geb. v.
Rebeur 9
Woellner, Johann Christoph von 395
Wolf, Ferdinand 658
Wolf, Friedrich August 531
Wolf, Ludwig 640, 665
Wollank, Friedrich 566, 624, 716
Wolschowski, A. s. Schwartz
-, Mlle. s. Lanz
Woltmann („v. Klg.“), Karl Ludwig von
459 ff, 464
Wolzogen, Alfred Freiherr von 459,461 f,
771
Wolzogen, Hans Freiherr von 459, 461 f
Wranitzky, Paul 700
815
Wulff, Isaak Benjamin („Eisek Dessau“) 585
-, („Dessau“), Lea, geb. Wallich 585
—, Simcha Bonem 585
-, Simcha Bonem („Bonem Dessau“) 585
Wunschei, Madame (vielleicht Deckname für
Hoffmanns Schwägerin Elisabeth Ursula
Catherina Gottwald, geb. Rorer) 430
Wybicki, Jozef 612
Yorik (Yorick) s. Sterne
Zanders, J.W. (Papierfabrik) 581
Zastrow, Wilhelm von 270, 397 f, 406, 409,
549 ff
Zedier, Johann Heinrich 191
Zelter, Carl Friedrich 327,469
Zeune, August 240
Zichy zu Zieh und Väsonykeö, Stephan
Graf (286)
Ziemietzky (Kammerherr in der Gegend von
Tarnowitz) 529
-, dessen Gattin 529
dessen Tochter 529
Zier, Johann Friedrich Wilhelm 271
Zimmermann, Friedrich Albert 526,
Zöllner, Johann Friedrich 529
Zumsteeg, Johann Rudolf 444
Zw Megede, Johannes Richard 366